13.07.2015 Aufrufe

Verankert in Bad Homburg - Gemeinschaftskreis "UNSER HOMBURG"

Verankert in Bad Homburg - Gemeinschaftskreis "UNSER HOMBURG"

Verankert in Bad Homburg - Gemeinschaftskreis "UNSER HOMBURG"

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Verankert</strong> <strong>in</strong> <strong>Bad</strong> <strong>Homburg</strong>Zur Er<strong>in</strong>nerung an Rüdiger Kurthvon Günther ScherfEr war e<strong>in</strong> Globetrotter: Geboren wurde er <strong>in</strong> Wien,aufgewachsen ist er <strong>in</strong> Gött<strong>in</strong>gen, zwei Jahre hat er <strong>in</strong>Indien gelebt, e<strong>in</strong>ige Zeit auch <strong>in</strong> Italien. Noch 2010verbrachte er e<strong>in</strong> halbes Jahr <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a mit Abstechernnach Vietnam und Taiwan. Se<strong>in</strong>e Heimat war dennoch<strong>Bad</strong> <strong>Homburg</strong>: Rüdiger Kurth. Am 10. August, wenigeTage vor se<strong>in</strong>em 69. Geburtstag, erlag der Vorsitzendedes Geme<strong>in</strong>schaftskreises „Unser <strong>Homburg</strong>“ <strong>in</strong> e<strong>in</strong>emWiesbadener Krankenhaus e<strong>in</strong>er erst wenige Tage zuvorentdeckten Krankheit.Unsere Freundschaft begann kurios: Kurth, der Historiker,Vere<strong>in</strong>svorsitzende und Ex-Politiker, traf mich, <strong>in</strong>den Ruhestand wechselnden Journalisten, im KaufhausWoolworth <strong>in</strong> der Louisenstraße. Er hatte gerade zweiSchachteln Pral<strong>in</strong>en gekauft. Für wen sie bestimmt waren,weiß ich nicht. Als er mich sah, holte er unversehensnoch e<strong>in</strong>e dritte dazu und schenkte mir alle drei.Ganz spontan, ohne jeden Anlass. Seitdem trafen wiruns jeden Monat und redeten über Politik, Gott und dieWelt und unsere Bef<strong>in</strong>dlichkeiten - und wir hörten e<strong>in</strong>anderzu.Das war Rüdiger: so spontan, dass es dem e<strong>in</strong>en oderanderen auch mal schwer fiel, damit umzugehen. E<strong>in</strong>Querdenker, nicht immer bequem, aber stets aufgeschlossen,<strong>in</strong>teressiert, neugierig, großzügig, engagiertund hilfsbereit. Menschen <strong>in</strong> Not, Flüchtl<strong>in</strong>ge auf derSuche nach Asyl konnten auf se<strong>in</strong>en uneigennützigenMut und se<strong>in</strong>e konkrete Solidarität rechnen.Ende der 1970er Jahre kam er als Lehrer für Englischund Geschichte zunächst ans Abendgymnasium Frankfurtund bald darauf nach <strong>Bad</strong> <strong>Homburg</strong>, unterrichtetean mehreren Schulen, zuletzt bis zur Pensionierungam Kaiser<strong>in</strong>-Friedrich-Gymnasium. Hier wurde Kurthbodenständig im doppelten S<strong>in</strong>ne des Wortes. <strong>Bad</strong><strong>Homburg</strong> wurde nicht nur se<strong>in</strong>e Heimat, für die er sichengagierte: Anfangs <strong>in</strong> der SPD, später - nach den Ause<strong>in</strong>andersetzungenum den Bau der Startbahn-West amFrankfurter Flughafen - bei den Grünen, zu deren Gründerner zählte und für die er zwischen 1995 und 2001rund vier Jahre <strong>in</strong> der Stadtverordnetenversammlungmitarbeitete. In den letzten Jahren gehörte er ke<strong>in</strong>erPartei mehr an.Bodenständig – das me<strong>in</strong>t aber auch se<strong>in</strong> Forschen nachden Spuren, die die Geschichte der Stadt <strong>in</strong> der Erdeh<strong>in</strong>terlassen hat. E<strong>in</strong>e Lücke im Pflaster se<strong>in</strong>es Kellersbrachte ihn vor zwei Jahrzehnten auf den Gedanken,zum Spaten zu greifen. Und tatsächlich entdeckte erdort alte Flaschen und Krüge aus dem <strong>Homburg</strong>er Kurbetriebdes 19. Jahrhunderts. Von da an ließ ihn die Archäologieals Methode, die Vergangenheit zu erkunden,nicht mehr los. Der Oberstudienrat rief e<strong>in</strong>e schulübergreifendeArbeitsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>in</strong>s Leben, an der sichzeitweise bis zu 25 Mädchen und Jungen beteiligten:Sie gruben römische Münzen <strong>in</strong> der Eifel ebenso auswie spätmittelalterliche Schmelzöfen bei Weilburg odere<strong>in</strong>en Mühlste<strong>in</strong> aus der Zeit um 1840 am Eschbach.Zugleich <strong>in</strong>itiierte er Grabungen <strong>in</strong> <strong>Bad</strong> <strong>Homburg</strong>. DieStadt beauftragte die Universität Frankfurt, und amvorläufigen Ende stand die Erkenntnis, dass die Stadtgeschichteneu geschrieben werden muss. <strong>Homburg</strong> istke<strong>in</strong>e 1200 Jahre alt, und die heutige „Altstadt“ warnie die früher von den Historikern vermutete Keimzelle„Dietigheim“. Wann und wie aber ist <strong>Bad</strong> <strong>Homburg</strong>wirklich entstanden? Indizien sprechen dafür, dass dieersturkundliche Erwähnung e<strong>in</strong>es Ritters namens Wortw<strong>in</strong>von Hohenberch um 1180 als Geburtsjahr protokolliertwerden darf. Aus diesen Indizien Beweise werdenzu lassen, dem galten die wichtigsten Zukunftsplänedes Rüdiger Kurth.Se<strong>in</strong>en unstillbaren Wissensdurst belegt auch, dass ernach se<strong>in</strong>er Pensionierung noch e<strong>in</strong>mal die Hörsaalbankdrückte. An der Universität Marburg schloss erse<strong>in</strong> Studium der Vor- und Frühgeschichte ab mit e<strong>in</strong>erMagisterarbeit über die Entwicklung Gonzenheims– analysiert anhand archäologischer Funde. Weiterewissenschaftliche Veröffentlichungen aus se<strong>in</strong>er Federbeschäftigen sich unter anderem mit der Seetauglichkeitder Arche Noah, dem Königsgrab der historischen4


Stadt Arslantepe <strong>in</strong> der Türkei oder der Ermordung deschristlichen Missionars Bonifatius. Dass Wissen um dieGeschichte und Verantwortung für die Zukunft zusammengehören,bewies Kurth durch Handeln: Anfang der1990er Jahre gründete der überzeugte Atomkraftgegnermit e<strong>in</strong>igen Mitstreitern e<strong>in</strong>e Gesellschaft, um auf denTaunushöhen e<strong>in</strong>e W<strong>in</strong>dkraftanlage zu bauen. Damalsbremsten ihn die politischen Mehrheiten im Kreistagaus. Und so war er nach der Katastrophe von Fukushimaim März dieses Jahres wieder bei den ersten, die zurMahnwache für den Ausstieg aus der Atomenergie aufden Waisenhausplatz riefen.Dem Geme<strong>in</strong>schaftskreis „Unser <strong>Homburg</strong>“ stellte sichRüdiger Kurth zunächst 2006 als Schriftführer zur Verfügung.Zwei Jahre später wurde er zum Vorsitzendengewählt. Er führte den Vere<strong>in</strong> aus der Krise, die dasAusscheiden mehrerer Vorstandsmitglieder ausgelösthatte. Und er setzte sich erfolgreich für die Werbungjüngerer Mitglieder e<strong>in</strong> und unterstützte die Veränderungenim redaktionellen Konzept dieser Zeitschrift.Se<strong>in</strong>em Engagement ist zu verdanken, dass „Unser<strong>Homburg</strong>“ beim Laternenfestzug wieder mitmachte.Auch <strong>in</strong> diesem Jahr hatte er mit e<strong>in</strong>igen Mitstreiterne<strong>in</strong>en Motivwagen bauen wollen. Doch dazu kam ernicht mehr. „Unser <strong>Homburg</strong>“ hat e<strong>in</strong>en Vorsitzendenverloren, der mit Herz und Kreativität für die Stadt undihre Menschen e<strong>in</strong>trat. Ich vermisse e<strong>in</strong>en Freund.Der Geme<strong>in</strong>schaftskreis „Unser <strong>Homburg</strong>“ trauert umRüdiger Kurth*15. 8. 1942 t10. 8. 2011Se<strong>in</strong> plötzlicher Tod hat uns tief erschüttert. Seit 2006 gehörte er dem Vorstand an. 2008 wurde er zu unseremVorsitzenden gewählt. Er führte den Geme<strong>in</strong>schaftskreis aus e<strong>in</strong>er Krise, trug erfolgreich zur Aufnahmeneuer, jüngerer Mitglieder bei und förderte das Ansehen unseres Vere<strong>in</strong>s <strong>in</strong> der Öffentlichkeit.Wir danken ihm für se<strong>in</strong> unermüdliches Wirken und werden ihn nicht vergessen.Unser besonderes Mitgefühl gilt se<strong>in</strong>er Lebensgefährt<strong>in</strong> und se<strong>in</strong>en Angehörigen.Geme<strong>in</strong>schaftskreis „Unser <strong>Homburg</strong>“Helga Dabelowim Namen des Vorstands und der MitgliederFoto: S<strong>in</strong>a-Maria Schönberger„Zwischen ihm und Andersdenkenden konnte nie e<strong>in</strong>eFe<strong>in</strong>dschaft entstehen.“ Mit diesen Worten würdigtePfarrer Dr. Alexander von Oett<strong>in</strong>gen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Trauerfeierden verstorbenen Rüdiger Kurth. E<strong>in</strong>e große Zahl vonTrauergästen kam dazu auf den evangelischen Friedhofam Untertor, darunter auch viele Mitglieder von „Unser<strong>Homburg</strong>“. „Er ist nicht mehr da, aber unser Empf<strong>in</strong>denkann es noch gar nicht vollziehen“, kommentierteder Pfarrer den plötzlichen Tod des Vorsitzenden unseresGeme<strong>in</strong>schaftskreises. Guntram Bay, e<strong>in</strong> engerFreund des Verstorbenen, nannte Rüdiger Kurth e<strong>in</strong>en„wichtigen Menschen und e<strong>in</strong>e starke Persönlichkeit“,die den Mut gehabt habe, „laut zu se<strong>in</strong>, wenn anderenoch zu leise waren“. Oberbürgermeister Michael Korwisier<strong>in</strong>nerte sichtlich bestürzt an die zahlreichen Stationen<strong>in</strong> Kurths politischem Engagement: „Er war e<strong>in</strong>Unruheherd im positiven S<strong>in</strong>ne, e<strong>in</strong>er, der der Sache aufden Grund g<strong>in</strong>g“. Herausragend sei nicht zuletzt se<strong>in</strong>Engagement für die Geschichte <strong>Bad</strong> <strong>Homburg</strong>s gewesen.5

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!