Exposé - Thomas A. Bauer
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<strong>Exposé</strong><br />
Aus dem Themenfeld:<br />
„Praktische Anwendungen der Medienpädagogik“<br />
Artikel 4a:<br />
Funktionalität und Dysfunktionalität des Chattens für Beziehungen von 14-<br />
Gruppenmitglieder:<br />
bis 16-jährigen Jugendlichen<br />
Daniela Jens 0604684 Claudia Pospichal 0600177<br />
Claudia Krutzler 0601250 Bianca Sigl 0600224<br />
Tamara Krutzler 0600687 Silja Strasser 0601710<br />
Tamara Ladner 0602686 Bojan Tomic 0600239<br />
Eva Pittnauer 0601126 Sabine Zehetner 0601336
Funktionalität und Dysfunktionalität des Chattens für<br />
Beziehungen von 14- bis 16-jährigen Jugendlichen<br />
Der wissenschaftliche Artikel „Funktionalität und Dysfunktionalität des Chattens für Beziehungen von<br />
14- bis 16-jährigen Jugendlichen“, verfasst im Jahre 2006 von Rudolf Kammerl und veröffentlicht auf<br />
www.medienpaed.com, beschäftigt sich mit den Gründen und Gratifikationen/Erwatungen der Jugendlichen<br />
in Bezug auf die Internet- und insbesondere Chat-Nutzung.<br />
Frage man Jugendliche nach ihren Motiven bezüglich der Chatroom-Nutzung, sei der primäre Grund das<br />
Kontaktknüpfen untereinander; ein darauf folgendes Treffen werde hingegen weniger erwartet und nur<br />
für die wenigsten unter ihnen Realität, so dass kaum längerfristige Beziehungen entstehen können. Laut<br />
Kammerl soll die vorliegende qualitative Studie unter Einbeziehung anderer empirischer Ergebnisse dazu<br />
beitragen, das oben genannte Phänomen zu ergründen und erklären. Es gelte zu untersuchen, inwieweit<br />
der erhaltene Mediennutzen dem erwarteten Nutzen entspricht. Diese Frage sei natürlich einerseits Teil<br />
des Uses-and-Gratifikation-Approaches, aber auch eine medien-pädagogische Frage und somit elementarer<br />
Bestandteil der Medienkompetenz.<br />
Die Untersuchung soll am Beispiel des Chattens verdeutlichen, inwieweit in den Zielsetzungen der Jugendlichen<br />
gesellschaftliche Aspekte wie Beziehung und Gemeinschaft enthalten seien und ob das Chatten<br />
ihrer Meinung nach Auswirkungen auf eben genannte Aspekte habe. Auf Basis dieser Aussagen, werde<br />
dann versucht zu ergründen, inwieweit das Zusammenspiel von subjektiver Nutzungseigenschaften<br />
und Spezifika des Kommunikationskanals erwartungskonforme Folgen in Bezug auf die Chatnutzung unwahrscheinlich<br />
machen. Laut der JIM-Studie (2003) sind bereits 84% der Jugendlichen Internetnutzer und<br />
sehen das Medium als eine Art Zeitvertreib im Sinne von Unterhaltung und Spaß, der Informationsaustausch<br />
spielt kaum eine Rolle.<br />
Darstellung der Stichprobe und der Methodik der qualitativen Studie<br />
Die Stichprobe dieser qualitativen Studie, die zwischen 2001 bis 2003 durchgeführt wurde, bestand aus<br />
den so genannten „Vielnutzern“. Ausgewählt wurden nur Jugendliche (im Alter von 14 bis 16), bei denen<br />
die Internetnutzung einen hohen Stellenwert in ihrer Freizeitgestaltung hatte. Weiters mussten die Teilnehmer<br />
regelmäßig Chats oder MUDs besuchen und eine eigene Homepage besitzen. Da der Forschungsschwerpunkt<br />
auf internetbasierte Beziehungen gelegt wurde, wurden mit den jugendlichen Teilnehmern<br />
halbstrukturierte Interviews geführt und die regelmäßig besuchten Chats beobachtet, um die Rahmenbe-<br />
dingungen der Chatkommunikation zu erheben.<br />
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Allerdings stellt sich die Frage, ob dieses Forschungsergebnis für 2007 noch repräsentativ ist, da sich die<br />
Internetnutzung und auch die Kommunikationsangebote im Internet verändert haben. In Frage zu stellen<br />
ist auch die Wichtigkeit von Chat-Rooms in Zeiten von Second Life, Instant Messaging, My Space, diversen<br />
Blogs oder Online Games à la WOW.<br />
Anhand der Ergebnisse ist zu sehen, dass sich durchaus längere Sozialbeziehungen zwischen den Jugend-<br />
lichen entwickeln können. Obwohl viele Jugendliche an einem „realen“ Treffen interessiert wären,<br />
kommt es nur in seltenen Fällen dazu. Hier stellt sich die Frage, warum kaum Treffen zustande kommen.<br />
Ist kurzfristig doch der Unterhaltungs- und Spaßfaktor höher und wichtiger als neue Freundschaften zu<br />
knüpfen?<br />
Virtuelle Identitäten im Chat<br />
Die Selbstpräsentation eines Menschen mit Hilfe einer computervermittelten Kommunikationsplattform<br />
wird als virtuelle Identität definiert. Im Zuge von Face-to-Face Interaktionen bilden sich Menschen<br />
schnell ein Bild der Identität ihres Gegenübers und zwar anhand des Alters, Geschlechts, Aussehens, etc.<br />
In der computervermittelten Kommunikation ist das anders. Durch die Reduktion der Interaktion auf einen<br />
Kanal, die textuelle Eingabe, wird eine neue Art von Identität generiert. Die Bindung an den Körper<br />
fällt weg, und damit auch wichtige Aspekte, die unsere Identität konstruieren. 1 Begünstigt durch die Ano-<br />
nymität der Chatplattformen ist die Ausbildung multipler Identitätskonstruktionen möglich. Die Gefahr,<br />
die sich daraus ergeben kann ist jene, dass Chatter, welche nicht medienkompetent agieren können, ihre<br />
soziale Existenz langsam nur auf die virtuelle Welt auslegen. Dabei zu beachten ist, dass sich die meisten<br />
Jugendlichen im Internet genauso geben wie in der realen Welt und kaum trügerische Identitäten anneh-<br />
men. Weiters hat der regelmäßige Aufenthalt auf Chattplattformen zur Folge, dass Chatter sich eine neue<br />
Form der Interaktion, sowie neue Kommunikationssequenzen aneignen. Sie kommunizieren offener, als<br />
sie es z.B. in der realen Welt tun, und das in einer eigenen Chattschreib- und kommunikationsweise.<br />
Spaß macht es vor allem, andere Chat-Besucher für „dumm zu verkaufen“. In diesem Fall kann es schon<br />
mal vorkommen, dass man es mit dem Phänomen der sozialen Erwünschtheit zu tun hat. Manche Chat-<br />
Besucher schreiben genau das, was sich andere erwünschen oder vorstellen. Zum Beispiel bei der Frage:<br />
„Wie siehst du aus“ – erwarten sich sicher viele Männer diese Antwort: „Groß, schlank, blonde lange<br />
Haare und blaue Augen“. Häufig findet man auch die Veränderungen der Altersangaben, die als Ageswit-<br />
ching oder Ageswapping bezeichnet werden könnten. Dies trifft ganz besonders bei weiblichen Chat-<br />
Benutzern zu, um für ältere „männliche“ Kommunikationspartner attraktiver zu sein. Auch bei Jugendli-<br />
1 Vgl. Beisswenger, Michael: Kommunikation in virtuellen Welten: Sprache, Text und Wirklichkeit. Eine Untersuchung zur<br />
Konzeptionalität von Kommunikationsvollzügen und zur textuellen Konstruktion von Welt in synchroner Internet-<br />
Kommunikation, exemplifiziert am Beispiel eines Webchats, Stuttgart, 2000: S. 164<br />
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chen Internetbenutzern findet dieses Phänomen oft statt. Sie geben sich älter aus als sie sind, um damit<br />
die notwendige Reife für bestimmte Aktivitäten zu erhalten. Die falschen Altersangaben finden genau so<br />
außerhalb des Internets statt, nämlich überall wo es Altersbeschränkungen gibt und man nur so das erreichen<br />
kann, was eigentlich noch verboten ist.<br />
Doch nicht nur weibliche Internetbenutzer verwenden falsche Altersangaben, sondern auch Jungen geben<br />
sich oft älter aus als sie sind. Jedoch ist es bei Jungen nicht weil sie bei Mädchen besser ankommen wollen.<br />
Mädchen bemühen sich generell stärker als Jungen, den Erwartungen des anderen Geschlechts zu<br />
entsprechen.<br />
Das Motiv, im Chat einmal so sein zu können, wie man gerne möchte, zeigt sich vor allem bei den Mädchen<br />
der 7. und 8. Klassen und zwar insbesondere bei denen, die mit sich selbst unzufrieden sind. Das<br />
zentrale Motiv, einen Chat zu besuchen, ist der Wunsch mit anderen Internetnutzern zu kommunizieren.<br />
Außerdem besuchen Jugendliche den Chat, um Spaß zu haben (gegen Langeweile), damit sie andere Ju-<br />
gendliche kennen lernen, und um mit ihren Freunden (insbesondere im ICQ) zu kommunizieren.<br />
Bei der Selbstdarstellung der Jugendlichen sind kleinere Übertreibungen und Untertreibungen, das Ausblenden,<br />
Hinzuerfinden oder Betonen verschiedener Teilaspekte Gang und Gebe; auch in der Alltagskommunikation<br />
sind sie übliche Formen des Impression Managements.<br />
Keiner der Jugendlichen allerdings hat sich über einen längeren Zeitraum absichtlich ganz anders dargestellt,<br />
als er in Wirklichkeit ist. Dies könnte auf den Wunsch, seinen Chatpartner auch außerhalb der internetbasierten<br />
Kommunikation zu treffen, zurückgeführt werden. Denn in einer Face-to-Face Situation<br />
könnten abweichende Angaben zur Selbstdarstellung leicht entlarvt werden.<br />
Ein wichtiger Aspekt für die Wahl des Chatraums ist, ob auch private Kontakte aus der interaktiven<br />
Kommunikation entstehen sollen. So loggten sich Chatter, die auch an Face-to-Face Kontakten interessiert<br />
waren, eher in Chatrooms mit dem Namen ihrer eigenen Stadt ein um Personen in der näheren Umgebung<br />
kennen zu lernen.<br />
Vielfach wurde festgestellt, dass sich Chatter in ihrer virtuellen Welt anders verhalten als im richtigen<br />
Leben. Sie gaben an, “freier“, “frecher“, “offener“ und “weniger schüchtern“ zu sein. Da „traut man sich<br />
mehr, man kommt einfach schneller in ein Gespräch hinein.“ Ein Problem könnte dann entstehen, wenn<br />
Chatfreundschaften zu Kontakten im wahren Leben führen und ein Unterschied zwischen der bekannten<br />
„Chat-Persönlichkeit“ des anderen und dem tatsächlichen Ist-Zustand bemerkbar wird. Somit besteht die<br />
Gefahr eines Kommunikationsabbruchs.<br />
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Positive Veränderungen der Kommunikation durch die Möglichkeit eines Computers sind die Abnahme<br />
der räumlichen Abhängigkeit der Kommunikation und die Möglichkeit der weltweiten Kommunikation. 2<br />
Behindern die Strukturen von Chatkommunikation die Entwicklung von Beziehungen?<br />
Nachdem man die Aufmerksamkeit einer Chat-Person, die sich ebenfalls auf der schwierigen Suche nach<br />
interessierten Chat-Partnern befindet, auf sich lenken hat können, beginnt ein allgemein sehr standardisiertes<br />
erstes Gespräch zwischen zwei Chat-Partnern. Nach den ersten Fragen nach dem Geschlecht, Alter,<br />
Wohnort, Aussehen und den Hobbys, wird erst entschieden, ob man weiter mit dieser Person chattet<br />
oder nicht. Somit werden diese Anfangsgespräche am häufigsten geführt, vor allem gaben die Befragten<br />
an, öfters mehrere Dialogfenster gleichzeitig offen zu haben um die Chance, interessante Chat-Partner zu<br />
treffen zu erhöhen. Bei den unverbindlichen Erstkontakten kommt es oft vor, dass die Gespräche abrupt<br />
abgebrochen werden, wobei das Gegenüber auf die eigene Interpretation angewiesen ist, um herauszufinden,<br />
was zu dem Ende führte. Diese wird von Faktoren wie Schnelligkeit und Genauigkeit beim Beant-<br />
worten von Fragen, interessiertes Nachfragen, persönliche Themen etc. geleitet werden; es wird also die<br />
vergangene Kommunikation subjektiv interpretiert um ein mögliches Desinteresse nachvollziehen zu<br />
können oder andere Gründe für das Gesprächsende in Betracht zu ziehen (z.B. Computerabsturz). Im<br />
Chat-Hauptfenster wiederum ist eine vollkommen unterschiedliche Kommunikation zu beobachten, da<br />
diese Gespräche die Aufmerksamkeit der Chat-Personen möglicherweise nicht so motiviert wie ein privates<br />
Gespräch. Daher ist die Beobachtung der privaten Chat-Gespräche für die Untersuchung der Chatkommunikation<br />
im Allgemeinen brauchbarer.<br />
Jugendliche haben unterschiedliche Haltungen und Strategien was die Entscheidung betrifft, nach der ers-<br />
ten Kontaktaufnahme ein weiteres, längeres Gespräch zu führen.<br />
Ein längerer Austausch zwischen den Chat-Partnern kommt meist nur dann zustande, wenn beide sich gegenseitig<br />
viel Aufmerksamkeit schenken und viele Gemeinsamkeiten bestehen. Diejenigen, welche ein<br />
Interesse an einem längeren Kontakt mit dem Chat-Partner haben, signalisieren dies während dem Chat<br />
z.B. indem sie die E-mail Adressen oder Fotos austauschen und manchmal sogar die Handynummern. In<br />
öffentlichen Chats gelten andere Grundsätze als in Alltagskonversationen. Höflichkeit und Zuverlässigkeit<br />
sowie die Orientierung auf Verständigung können nicht jedem, der am Chat beteiligt ist, unterstellt<br />
werden. Jugendliche geben auch offen zu, dass sie ein wenig „flunkern“ im Chat, vor allem beim Alter<br />
und Aussehen. Sind die ersten Kontakte intensiviert und hat man sich schon näher kennen gelernt, dann<br />
werden bereits im Chat Kriterien angewandt, welche der Alltagskommunikation entsprechen. Die Ein-<br />
2 Vgl. Amelina, Anja (2000), S.15: http://www.techfak.unibielefeld.de/ags/wbski/lehre/digiSA/Kommunikation/Ausarbeitungen/anja_amelina.pdf<br />
(Zugriff: 01.12.07)<br />
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schätzung, ob man die Person sympathisch findet und mit ihren Einstellungen und Charakterzügen über-<br />
einstimmt, ist oft sehr schwierig, aufgrund der computervermittelten Kommunikation. Es kann nicht vom<br />
Chatverhalten auf Persönlichkeitsmerkmale geschlossen werden. Ein wichtiges Kriterium der Jugendlichen<br />
ist die Einschätzung der Authentizität des Gegenübers. Die Möglichkeiten der Täuschung im Chat<br />
sind den meisten Jugendlichen bekannt, deshalb stehen sie der Selbstdarstellung des Gesprächspartners<br />
auch sehr skeptisch gegenüber und glauben nicht immer alles, was geschrieben wird. Sie meinen auch,<br />
dass man sich immer besser beschreibt, als man in Wirklichkeit ist.<br />
Die zu sehr klischeehafte Beschreibung seiner selbst führt oft zu Unglaubwürdigkeit und ist manchmal<br />
schon ein Grund für einen Kontaktabbruch. Um dies jedoch zu vermeiden, werden vor einem face-to-face<br />
Treffen Fotos per Handy, E-Mail oder Homepage ausgetauscht. Ist jemand nicht im Besitz solcher Geräte<br />
und es ist nicht möglich ein Bild zu versenden, wird dies auch oft als Täuschung aufgefasst, was ebenfalls<br />
zum Kontaktabbruch führt.<br />
Zu Beginn des Chattens mit einem neuen Kontakt ist man meist sehr austauschbar. Außerdem wird von<br />
seinem Gegenüber Ehrlichkeit erwartet. Dies ist allerdings schwierig zu überprüfen, da einige Besucher<br />
das Chatten oft nur als „Zeitvertreib“ oder Spaß sehen. Weiters wird oft bezüglich der Attraktivität oder<br />
des Alters die Unwahrheit gesagt. Des Weiteren ist auch bekannt, dass viele mehrere „Fenster“ geöffen<br />
haben und mehrere Dialoge führen, um bei einem Kontaktabbruch über eine Absicherung zu verfügen.<br />
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich Jugendliche wenig Gedanken über die eigene Internetnutzung<br />
machen. Des Weiteren reflektieren, bewerten und korrigieren sie ihre Chatbesuche eher wenig. Dies<br />
liegt jedoch auch daran, dass man in diesem Alter (14-16jährigen) solch eine Fähigkeit noch nicht besitzt.<br />
Das soll nun Aufgabe der Medienpädagogik sein, solche Reflexionsanlässe zu bieten und die Notwendigkeit<br />
des Chatbesuchs zu hinterfragen.<br />
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