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Exposé - Thomas A. Bauer

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Universität Wien Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaft<br />

VO PEAD Medienpädagogik: Medienbildung, Medienkompetenz, Medienkultur<br />

LV-Nr. 220147, WS 2007/08<br />

LV-Leiter: <strong>Thomas</strong> A. <strong>Bauer</strong><br />

<strong>Exposé</strong><br />

Themenfeld: Mediensozialisation<br />

Artikel 2: Fromme, Johannes (2002): Mediensozialisation und<br />

Medienpädagogik: zum Verhältnis von informellem und organisiertem Lernen<br />

mit Computer und Internet.<br />

In: Ingrid Paus-Haase / Claudia Lampert / Daniel Süss (Hrsg.): Medienpädagogik in<br />

der Kommunikationswissenschaft. Positionen, Perspektiven, Potenziale, Wiesbaden:<br />

Westdt. Verlag, S.155-168<br />

Gruppenmitglieder:<br />

Pamela Beer 0406783<br />

Michael Fasching 0607746<br />

Katarina Hager 0303795<br />

Vera Heun 0506174<br />

<strong>Thomas</strong> Lechner 9302753<br />

Paul Pant 0001004<br />

Anke Peter 0500771<br />

Nicole Platzer 0601478<br />

Ivana Vujeva 0506917<br />

<strong>Thomas</strong> Weisch 0451718<br />

Das Gruppentreffen fand am 3.12.2007 in einem Gasthof in Uni-Nähe statt. Alle<br />

Mitglieder beteiligten sich gleichermaßen und rege an der Diskussion und der<br />

kritischen Auseinandersetzung mit dem Text.<br />

1


Univ.-Prof. Dr. Johannes Fromme wurde am 26.7.1956 in Liemke geboren. Nach<br />

seinem Studium der Fächer Englisch, Sport und Erziehungswissenschaft widmete er<br />

sich der Pädagogik und Erziehungswissenschaft. Sein Fokus richtet sich in seiner<br />

wissenschaftlichen Auseinandersetzung auf die so genannten neuen Medien.<br />

Von 1995 – 2001 lehrte er an den Universitäten Bielefeld und Münster und seit<br />

1.4.2002 ist er Universitätsprofessor für Erziehungswissenschaftliche<br />

Medienforschung unter Berücksichtigung der Erwachsenen- und Weiterbildung an<br />

der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg.<br />

In diesem Text aus dem Jahr 2002 wird das Verhältnis von Mediensozialisation und<br />

Medienpädagogik/Erziehung zueinander, im Anbetracht der Gegenwart von neuen<br />

Medien, im Besonderen Computer und Internet, thematisiert. Die Aneignung von<br />

Fähigkeiten unterscheidet Fromme dabei in informelles und formelles Lernen<br />

unterschieden. Informelles Lernen stellten jene Lernprozesse dar, die sich im<br />

sozialen Umfeld selbst ereignen, also nicht organisiert sondern „autodidaktisch“<br />

stattfänden. Im Gegensatz dazu beschreibe formelles Lernen jene Lernprozesse, die<br />

organisiert ablaufen und zielgerichtete pädagogische Maßnahmen beinhalteten.<br />

Fromme stellt fest, dass sich das Verhältnis dieser beiden Arten des Lernens bei der<br />

gegenwärtigen Mediengeneration stark verändert habe.<br />

Es geht um „die Relativierung der Relevanz der Pädagogik durch<br />

Sozialisationsprozesse“ (S. 156).<br />

Als gegenwärtig existente Mediengenerationen stellt Fromme drei Gruppen explizit<br />

vor, die nach der Entwicklung bzw. Durchdringung von technischen<br />

Medieninnovationen unterteilt werden. Die erste Gruppe bilden die vor 1960<br />

Geborenen (erlebten die Einführung des Fernsehens), die zweite die nach 1960<br />

(wuchsen mit Fernsehen auf) und die dritte die nach 1980 Geborenen (erlebten die<br />

Einführung des Computers und des Internets). Zur letzteren bildet er eine<br />

Subgruppe, nämlich die nach 1990 Geborenen, da diese schon in einer alltäglichen<br />

Nutzung des Computers und Internets aufwachsen.<br />

Er stellt dabei fest, dass die Eltern und pädagogischen Fachkräfte „sich der<br />

Medienkultur der Jüngeren immer auch aus der Normalitätsperspektive ihrer eigenen<br />

Mediengeneration“ (S.158) zuwenden.<br />

2


Des Weiteren geht Fromme in einen Diskurs mit Tully und Baacke über den Begriff<br />

Medienkompetenz. Tullys These, wonach Kinder und Jugendliche über höhere<br />

Medienkompetenz im Digitalbereich als Erwachsene verfügen, kann er für seinen<br />

Begriff der Medienpädagogik nicht verwenden. Denn sollte diese Annahme zutreffen,<br />

könnte man Kindern und Jugendlichen nichts mehr beibringen. Daher erweitert<br />

Fromme den Begriff der Medienkompetenz um vier von Baacke formulierte<br />

Dimensionen: Mediennutzung, Medienkunde, Mediengestaltung und Medienkritik<br />

(vgl. 158). Das Hauptaugenmerk legt der Autor auf reflexives Umgehen mit Medien<br />

und deren Inhalte, wobei er besonders betont, dass es nicht nur um die technische<br />

Bedienung neuer Medien gehe, sondern man auch bedenken müsse, dass sich der<br />

Kommunikationsbegriff gewandelt habe und sich somit auch unsere<br />

Wahrnehmungsmöglichkeit diesbezüglich verändere. Alle Medien hätten gewisse<br />

Möglichkeiten und Grenzen, die Welt darzustellen, und Medienkompetenz bedeute<br />

auch, dass sich die RezipientInnen dies bewusst machen.<br />

Für die ältere Generation stehe das Erlernen der technischen Fähigkeiten im<br />

Mittelpunkt, während heute jedoch die Nutzung bereits sozialisatorisch erlernt werde<br />

und der reflexive Umgang mit Medien die Hauptaufgabe der Medienpädagogik<br />

darstellen sollte. Organisiertes Lernen sei daher zur Unterstützung des informellen<br />

Lernens anzusehen. Das auf Vorrat Lernen reiche nicht mehr, um sich Kompetenzen<br />

zu bewahren, daher sei das lebenslange Lernen ein wichtiger Bestandteil eines<br />

Lebens in der heutigen Mediengesellschaft und Aufgabe der modernen<br />

Medienpädagogik. Durch die Interaktivität der neuen Medien bestehe die Möglichkeit,<br />

sich aktiv an der Gestaltung von Inhalten zu beteiligen und dadurch verschwimme<br />

die Differenz zwischen LeserIn und AutorIn. Eine weitere Aufgabe der<br />

Medienpädagogik sei, diese Metakompetenz und selbst organisiertes Handeln zu<br />

fördern.<br />

Die hier angeführten Aufgaben der Medienpädagogik stellen einen direkten Bezug<br />

zum Fachbereich der Kommunikationswissenschaften her und sollten in der<br />

modernen Medienpädagogik weiterbehandelt werden und zentrale Inhalte darstellen.<br />

Insgesamt bietet der Text Anlass zu reichhaltiger Diskussion und Kritik.<br />

3


Kritik und Diskussion<br />

Vorweg ist zu sagen, dass Fromme mit seinem Text keinen Anspruch darauf erhebt,<br />

konkrete Lösungen zu bringen, vielmehr versucht er eine Bestandsaufnahme des<br />

Spannungsverhältnisses zwischen Mediensozialisation und Medienpädagogik zu<br />

liefern.<br />

Im Allgemeinen muss man beachten, dass der Text aus dem Jahr 2002 für unser<br />

heutiges Verständnis veraltet ist. Die genauen Begriffsdefinitionen der neuen Medien<br />

(beispielsweise Computer) fehlen komplett beziehungsweise wird von keiner länger<br />

gültigen Bedeutung ausgegangen. Nicht nur der Computer bietet in unserem<br />

heutigen technologisch-entwickelten Umfeld einen Zugang ins Internet, auch Handys<br />

und diverse Spielkonsolen ermöglichen eine einfache Verbindung zum World Wide<br />

Web (WWW). Dadurch fehlen aus heutiger Sicht wichtige Aspekte wie zum Beispiel<br />

im Bereich der Video- und Computerspiele, welche die zweite Generation von<br />

Interaktivität darstellen. Nicht mehr nur das Zusammenspiel von Mensch und<br />

Maschine wird als interaktive Nutzung angesehen. Jüngere Generationen von PCund<br />

Konsolenspielen ermöglichen den Nutzern Peer-to-Peer mit Hilfe des WWW<br />

interpersonell in Kontakt zu treten, wodurch die Virtualität des Spiels durchbrochen<br />

wird und so eine neue Komponente in Form des interkulturellen Austausches mit all<br />

ihren sozialisierenden und pädagogischen Auswirkungen hinzukommt.<br />

Im Speziellen warf die Einteilung der Mediengenerationen Diskussionsstoff auf.<br />

Frommes Einteilung in absolute Jahreszahlen übersieht zeitlich gestaffelte<br />

Etablierungen der jeweils zugeordneten neuen Innovationen. Beispielsweise können<br />

kurz vor 1980 Geborene und in einem Early-Adopter-Umfeld Aufgewachsene in einer<br />

Selbstverständlichkeit mit neuen Technologien aufgewachsen sein, die<br />

Spätergeborenen aufgrund sozialer oder geographischer (!) Hintergründe erst viel<br />

später zugänglich wurden. Die von Fromme allgemein festgelegte Einteilung hält der<br />

Realitätsprüfung also nicht stand.<br />

4


Der Autor versucht weiters mehrmals bestimmte Thesenstränge zu definieren, kann<br />

oder will dann aber nicht weiter auf diese eingehen, was eine Vertiefung der<br />

Themenproblematik verhindert.<br />

Fromme bezieht sich in seinem Text immer wieder auf zahlreiche Autorinnen und<br />

Autoren, ohne jedoch zu verdeutlichen, welche Stellen genau übernommen und<br />

welche Fakten durch ihn bearbeitet bzw. aktualisiert wurden. Beispielsweise wurde<br />

bei der Lektüre niemandem aus der Diskussionsgruppe eindeutig klar, von wem die<br />

drei Mediengenerationen formuliert wurden und weshalb durch eine unauffällige<br />

Fußnotenanmerkung wie durch Zauberhand eine vierte Mediengeneration in den<br />

Raum gestellt wurde. Weiters ist unklar, von wem die vier verschiedenen<br />

Dimensionen der Medienkompetenz stammen.<br />

Zu großer Aufregung in unserer Gruppe führte der Umstand, dass im Text keine<br />

konkreten zeitlichen, räumlichen und kulturellen Eingrenzungen getroffen wurden.<br />

Es werden keine zeitlichen Unterschiede getroffen, obwohl man unterschiedliche<br />

Entwicklungsschritte in verschiedenen Regionen berücksichtigen müsste. Vor allem<br />

da es im globalen Kontext gravierende Unterschiede bezüglich der möglichen<br />

Mediennutzung gibt. Allein durch die verschiedenen politischen Systeme ist eine<br />

uneingeschränkte Mediensozialisation gar nicht möglich. Diskrepanzen in der<br />

Medienentwicklung durch bestimmte Regime und Zugangsbeschränkungen, wie zum<br />

Beispiel in China (Zensur), verhindern eine barrierefreie Mediennutzung weltweit,<br />

ebenso auch mangelhafte Infrastrukturen und sozioökonomische Unterschiede.<br />

Selbst wenn man sich nur auf die so genannte „westliche Welt“ bezieht, gibt es große<br />

Divergenzen zwischen Zentrum und Peripherie. Der Zugang zu und der Umgang mit<br />

Medien stellt sich in städtischen Regionen anders dar als in ländlichen. Aus diesen<br />

Gründen werden Frommes Erläuterungen nicht überall gleichermaßen zutreffen.<br />

Große Zustimmung in der Diskussion fand der Ansatz der Vermittlung der<br />

Metakompetenz, der ein selbst organisiertes Lernen postuliert. Vor dem Hintergrund<br />

der These Frommes, dass „die Erfahrungen der eigenen Mediensozialisation im<br />

Kindes- und Jugendalter [...] in das auf Medien bezogene erzieherische Denken und<br />

Handeln“ (S. 158) einfließen, ist gerade die Metakompetenz ein elementarer Faktor.<br />

Unser ältestes Gruppenmitglied konnte diese These am eigenen Beispiel erklärend<br />

5


untermauern und führte exemplarisch an, dass – selbst aufgewachsen mit<br />

Plattenspieler und Kassettenrekorder – seine Bemühungen, die eigenen<br />

Medienerfahrungen seinen Kindern zu vermitteln, aufgrund des Vorhandenseins<br />

neuerer Technologien wie zum Beispiel Video und DVD scheiterten. Herauszuheben<br />

ist, dass die Normalitätsvorstellung seiner eigenen Medienkultur im pädagogischen<br />

Diskurs tatsächlich versucht wurde zu vermitteln, ohne auf das veränderte<br />

Medienumfeld seiner Kinder einzugehen.<br />

Kinder lernen den Umgang mit den neuen Medien spielerisch und beiläufig,<br />

Erwachsene bewusst und gezielt. Diese Tatsache ist gleichzusetzen mit dem Erwerb<br />

der Mutter- bzw. einer neuen Fremdsprache. Diesen Vergleich mit dem<br />

Spracherwerb konnten wir zur Gänze nachvollziehen. Das Erlernen der eigenen<br />

Sprache erfolgt beiläufig und ohne Regeln. Man kann sie fehlerfrei beherrschen,<br />

steht ihr aber nicht kritisch gegenüber. Sich eine Fremdsprache anzueignen ist<br />

jedoch aufwendiger, erfolgt gezielt, aber man geht reflexiver und kritischer mit ihr um.<br />

In einem Punkt, in dem Fromme nicht näher auf die Frage eingehen will, „wie aus<br />

didaktischer Sicht hypermediale Lernumgebungen konzipiert und im Lehr-<br />

Lernprozessen eingesetzt werden können“ (S. 164) fragt er dennoch, ob es<br />

überhaupt möglich ist, aus öffentlicher Hand entsprechende Programme finanzieren<br />

zu können. Im aktuellen Bezug zur österreichischen Bildungslandschaft ist<br />

anzumerken, dass genau in diesem Punkt eine Initiative des Bundesministeriums für<br />

Unterricht und Kunst einhakt und gegenwärtig Bestrebungen vorhanden sind, in<br />

Form von Bildungs-Clustern bundesweit verschiedenste Formen von E-Learning-<br />

Materialien zur Verfügung zu stellen.<br />

Die implizite Forderung des Autors pädagogische Fachkräfte verstärkt im IT-Bereich<br />

zu befähigen (zur Vermittlung von Medienkompetenzen), kann mit einer aktuellen<br />

Forsa-Studie des vergangenen Monats, die im Rahmen der Initiative IT-Fitness<br />

durchgeführt und zu der 1001 repräsentative Schülerinnen und Schüler im Alter von<br />

14 bis 20 Jahren befragt wurden, untermauert werden. Demnach würden 28 Prozent<br />

der Schüler in Deutschland nach eigenen Angaben im Unterricht nicht mit einem<br />

Computer in Berührung kommen, weitere 36 Prozent nutzen einen Rechner weniger<br />

als zwei Schulstunden pro Woche. Bei 68 Prozent kommen die Rechner<br />

6


erwartungsgemäß im Informatikunterricht zum Einsatz, seltener verwendet werden<br />

PCs in Fächern wie Wirtschaft (20 Prozent), Physik (19 Prozent) oder Mathematik<br />

(18 Prozent). Noch seltener werden neue Medien im Sprachunterricht eingesetzt.<br />

Nach Ansicht der Schüler würden ihre Lehrer im Umgang mit Computer und Internet<br />

Nachhilfe benötigen: Nur ein Drittel der Lehrer verfüge über „Sehr gute“ oder „Gute“<br />

IT-Kenntnisse.<br />

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Frommes Gedankengänge räumlich,<br />

zeitlich und kulturell begrenzt sind. Zudem ist seine Einteilung der<br />

Mediengenerationen zu pauschal, wobei auch noch unsicher ist, ob diese<br />

Einteilung wirklich von ihm stammt, oder er sie von woanders übernommen hat.<br />

Er beginnt Probleme und Thesenstränge anzuschneiden, die sich dann aber im<br />

Sand verlaufen und zu keiner Lösung oder Ergebnissen führen.<br />

Auch wenn vieles, was Fromme darstellt, veraltet ist, seine Forderung nach ITkundigen<br />

Pädagogen ist heute noch aktuell, wie wir<br />

mit der Forsa-Studie belegen konnten. Diese Forderungen sollten vom<br />

Bildungssystem beachtet und in die künftige Bildungspolitik miteinbezogen<br />

werden.<br />

Inhaltlich regt der Text zum Nachdenken an, wenn man sich erstmal in der<br />

leicht verwirrenden Struktur zu Recht gefunden hat.<br />

7

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