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Diskursanalyse. In: Andreas Hepp / Rainer Winter - Thomas A. Bauer

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Artikel 9: <strong>Winter</strong>, <strong>Rainer</strong> (1997): Cultural Studies als kritische Medienanalyse: Vom „encoding/ decoding“-Modell zur<br />

<strong>Diskursanalyse</strong>. <strong>In</strong>: <strong>Andreas</strong> <strong>Hepp</strong> / <strong>Rainer</strong> <strong>Winter</strong> (Hrsg.): Cultural Studies und Medienanalyse. Opladen: Westdt. Verlag, S.<br />

47-63<br />

Cultural Studies als kritische Medienanalyse: Vom „encoding/decoding“ –Modell zur<br />

<strong>Diskursanalyse</strong><br />

Einleitung<br />

<strong>Rainer</strong> <strong>Winter</strong> stellt in seinem Artikel das „encoding/decoding-Modell“ nach Stuart Hall und<br />

sich darauf stützende Überlegungen von John Fiske als ein Konzept zur kritischen<br />

Medienanalyse vor.<br />

Das „encoding/decoding“-Modell versucht aufzuzeigen, „welche ideologische Macht Medien<br />

ausüben können“. 1 An dieses Modell knüpfen die Überlegungen von John Fiske an. Fiske<br />

befasst sich in seinen Überlegungen mit den Wechselwirkungen zwischen der Macht des<br />

Zuschauers und der Macht der Medien. Der Zuschauer ist nach Fiske nicht nur<br />

Bedeutungsempfänger, er ist auch selbst Bedeutungsproduzent und erlangt somit selbst<br />

wiederum Macht.<br />

Die <strong>In</strong>teressen von Cultural Studies liegen demzufolge in einer Kritik der Macht und einer<br />

Kunst des Eigensinns, die sich beispielsweise in einer produktiven und kreativen<br />

Auseinandersetzung mit medialen Texten und anderen kulturellen Formen in alltäglichen<br />

Kontexten ausbreiten können. Eine Medien- und Kulturanalyse im Rahmen der Cultural<br />

Studies sollte immer auch verknüpft sein mit einer kritischen Pädagogik. 2<br />

Begriffdefinition<br />

Cultural Studies: Die Cultural Studies wurden 1964 als Anhängsel des Lehrstuhls für<br />

englische Literatur in Brimingham erstmals institutionalisiert. Zu den Gründungsvätern<br />

zählen Raymond Williams, Richard Hoggart, E.P. Thompson, die versuchten den<br />

Kulturbegriff und Machtverhalten neu zu interpretieren. Untersuchungsgegenstand der<br />

Cultural Studies sind soziale Phänomene wie Kino, Werbung, populären Journalismus, Mode,<br />

Musik und Alltagspraktiken wie Sport, Einkaufen etc. (vgl. Bloedner 1997)<br />

<strong>Diskursanalyse</strong>: Die <strong>Diskursanalyse</strong> geht im Wesentlichen auf Michel Foucault zurück. Nach<br />

Foucault wird das <strong>In</strong>teresse von einer reinen Sprachbetrachtung auf die Ebene<br />

gesellschaftlicher Praxen von <strong>In</strong>stitutionen und historischen Prozessen gelenkt. 3 John Fiske<br />

1<br />

<strong>Winter</strong>, <strong>Rainer</strong>: Cultural Studies als kritische Medienanalyse: Vom „encoding/decoding“ – Modell zur<br />

<strong>Diskursanalyse</strong>. <strong>In</strong>: <strong>Hepp</strong>, <strong>Andreas</strong>: Kultur – Medien – Macht: Cultural Studies und Medienanalyse.<br />

Opladen: Westdeutscher Verlag GmbH, 1997, S. 48<br />

2<br />

Vgl. <strong>Winter</strong> <strong>Rainer</strong>: Cultural Studies und kritische Pädagogik. <strong>In</strong>: MedienPädagogik,<br />

www.medienpaed.com (06.02.2004), S. 12f<br />

3<br />

Vgl. <strong>Winter</strong>, <strong>Rainer</strong>: Cultural Studies als kritische Medienanalyse: Vom<br />

„encoding/decoding“ - Modell zur <strong>Diskursanalyse</strong>. <strong>In</strong>: <strong>Hepp</strong>, <strong>Andreas</strong>: Kultur – Medien<br />

Irina Obushtarova 0648337, Marina Delcheva 0551060, Phil Biastoch 0518757, Julia Schwärzler 0600217,<br />

Jasmin Bussolon 0601789, Klaus Heller 0647587, Sarah Ostermann 0647587, Manuel Hammelsbeck 0409789,<br />

Kathrin Schneider 0608076, Stefan Tesch 0601157


Artikel 9: <strong>Winter</strong>, <strong>Rainer</strong> (1997): Cultural Studies als kritische Medienanalyse: Vom „encoding/ decoding“-Modell zur<br />

<strong>Diskursanalyse</strong>. <strong>In</strong>: <strong>Andreas</strong> <strong>Hepp</strong> / <strong>Rainer</strong> <strong>Winter</strong> (Hrsg.): Cultural Studies und Medienanalyse. Opladen: Westdt. Verlag, S.<br />

47-63<br />

hat anknüpfend an die Arbeiten von Foucault eine Theorie des Diskurses entwickelt, in<br />

welcher für Fiske nicht entscheidend ist „wie Aussagen gemacht werden, sondern wer welche<br />

macht und welche machtbedingt ausgegrenzt werden“. 4<br />

Medienmacht: Medienmacht bezeichnet z.B. die Fülle an medialen Sendegefäßen, die ein<br />

Medienunternehmer sein Eigen nennt. Je mehr solcher Sendegefäße er besitzt und je mehr<br />

Menschen er dadurch mit seinen <strong>In</strong>halten erreichen kann, desto größer ist seine Medienmacht.<br />

Pädagogische Verantwortung und Medienkompetenz: Verantwortung ist wie<br />

Kommunikation ein relationaler Begriff und enthält auch die kommunikative Dimension.<br />

Vom ursprünglichen Wortsinn her bedeutet es, Antwort zu geben auf eine Forderung.<br />

Verantwortung übernehmen heißt zu erkennen, was das eigene Verhalten bewirken kann und<br />

impliziert auch die Bereitschaft, Rechenschaft abzulegen, warum man etwas tut. Ein weiterer<br />

Aspekt ist auch die Frage nach der Verantwortung für die Aneignung und Vermittlung von<br />

Medienkompetenz, die aus einem System von Wahrnehmungs-, Rezeptions-, Gefühls-,<br />

Wertungs- und Handlungsmustern besteht und für deren zielgerichteten systematischen<br />

Aufbau nicht nur die Medienschaffenden sondern auch Familie und Schule zur<br />

Verantwortung zu ziehen sind. 5<br />

Das „encoding/decoding“ –Modell von Stuart Hall<br />

Für Hall ist Massenkommunikation kein transparenter Prozess, in dem stabile Bedeutungen<br />

von einem Sender zum Empfänger transportiert werden. Grund dafür ist die komplexe<br />

Struktur von Botschaften, die von Sender und Empfänger nicht vereinfacht werden können.<br />

Sprache, Ideologie und Kultur haben eine Eigenlogik und somit lässt sich die Bedeutung einer<br />

Botschaft nicht eindeutig erfassen. Er begreift das ,,encoding“ und ,,decoding“ als<br />

Artikulation und autonomes Geschehen. Des Weiteren gibt es keine Korrespondenz zwischen<br />

der encodierten Bedeutung und dem Rezipienten. Missverständnisse auf der Ebene der<br />

Hauptbedeutung lassen sich leicht aufklären da es sich nur um das Rauschen im Kanal nach<br />

dem ,,Sender- Empfänger- Modell“ handelt. Die unterschiedlichen Lesearten auf der<br />

konnotativen Ebene haben hingegen gesellschaftliche Grundlagen. Bei der Decodierung von<br />

– Macht: Cultural Studies und Medienanalyse. Opladen: Westedeutscher Verlag GmbH,<br />

1997, S.55<br />

4<br />

<strong>Winter</strong>, <strong>Rainer</strong>: Cultural Studies als kritische Medienanalyse: Vom<br />

„encoding/decoding“ - Modell zur <strong>Diskursanalyse</strong>. <strong>In</strong>: <strong>Hepp</strong>, <strong>Andreas</strong>: Kultur – Medien<br />

– Macht: Cultural Studies und Medienanalyse. Opladen: Westedeutscher Verlag GmbH,<br />

1997, S.55<br />

5<br />

http://www.bistummainz.de/bm/dcms/sites/bistum/bistum/kardinal/texte/texte_2006/medienkompetenz.html<br />

Irina Obushtarova 0648337, Marina Delcheva 0551060, Phil Biastoch 0518757, Julia Schwärzler 0600217,<br />

Jasmin Bussolon 0601789, Klaus Heller 0647587, Sarah Ostermann 0647587, Manuel Hammelsbeck 0409789,<br />

Kathrin Schneider 0608076, Stefan Tesch 0601157


Artikel 9: <strong>Winter</strong>, <strong>Rainer</strong> (1997): Cultural Studies als kritische Medienanalyse: Vom „encoding/ decoding“-Modell zur<br />

<strong>Diskursanalyse</strong>. <strong>In</strong>: <strong>Andreas</strong> <strong>Hepp</strong> / <strong>Rainer</strong> <strong>Winter</strong> (Hrsg.): Cultural Studies und Medienanalyse. Opladen: Westdt. Verlag, S.<br />

47-63<br />

medialen Texten unterscheidet man aufgrund des vorherrschenden Klassenantagonismus<br />

zwischen drei idealtypischen Positionen.<br />

1. Die Vorzugsleseart: Die Bedeutung wird vom Rezipienten ganz übernommen, weil der<br />

Zuschauer innerhalb der dominanten Ideologien des Textes positioniert ist. Das wäre die<br />

ideale transparente Kommunikation.<br />

2. Die ,,ausgehandelte Leseart“: Die Zuschauer akzeptieren grundsätzlich die Definition von<br />

Situationen und Ereignissen, können aber ihre eigenen Elemente einbringen. Diese<br />

werden aus sozialen Erfahrungen und der <strong>In</strong>teraktion mit dem Text gebildet.<br />

3. Die ,,oppositionelle Leseart“: Der Rezipient versteht zwar den medialen <strong>In</strong>halt, lehnt aber<br />

die Bedeutung ab. Die Botschaft wird in einem alternativen Rahmen interpretiert. 6<br />

Die strikte Trennung zwischen konnotativen und denotativen Bedeutungen ist nicht<br />

ausreichend, da es Vermischungen gibt und beide Ebenen auf die gleichen<br />

<strong>In</strong>terpretationsmuster von medialen Texten zurückgreifen. Die unterschiedlichen Lesearten<br />

auf konnotativer und kontextueller Ebene können nicht nur auf die Gesellschaft zurückgeführt<br />

werden, die Auffassung des Textes wird im hohen Maße auch von dem Können des<br />

Schriftstellers und der Aussagekraft des <strong>In</strong>haltes beeinflusst.<br />

<strong>In</strong> Anlehnung daran sucht Stuart Hall einen Mittelweg zwischen der Vorstellung einer<br />

ursächlichen Beeinflussung durch ideologische Botschaften medialer Texte, einer liberalen<br />

Konzeption der Macht und der Aktivität der Zuschauer. Die Macht lokalisiert Hall auf Seiten<br />

der Encodierung. Die Bedeutungen der Texte werden seiner Ansicht nach allerdings nicht<br />

aufgezwungen, sondern nur vorgeschlagen. 7<br />

Die Zuschauer sind nach Halls Auffassung nicht in genau derselben Machtposition wie die<br />

Medienmacher, da die Kontrolle über den Signifikationsapparat der Medien zu einem<br />

konkreten Einfluss auf die Decodierung führt, die den von der Encodierung vorgegebenen<br />

Rahmen nicht überschreiten kann. Hall betont zudem, dass mediale Botschaften immer so<br />

konstruiert sind, dass ein und dasselbe Wort mehrere Bedeutungen hat. Texte können daher<br />

immer auch anders interpretiert werden, was aber nicht heißt, dass sie zur Gänze offen sind.<br />

Die Versuche der Medienproduzenten Bedeutungen zu fixieren scheitern, da nach Derrida<br />

Bedeutung unendlich aufgeschoben werden kann. Ideologie ist nach Hall der Versuch den<br />

nicht enden wollenden Prozess der so genannten „différance“ kurzzeitig zu stoppen, indem im<br />

6<br />

ebenda S. 50<br />

7<br />

Vgl. <strong>Winter</strong>, <strong>Rainer</strong>: Cultural Studies als kritische Medienanalyse: Vom<br />

„encoding/decoding“ - Modell zur <strong>Diskursanalyse</strong>. <strong>In</strong>: <strong>Hepp</strong>, <strong>Andreas</strong>: Kultur – Medien<br />

– Macht: Cultural Studies und Medienanalyse. Opladen: Westedeutscher Verlag GmbH,<br />

1997, S.51<br />

Irina Obushtarova 0648337, Marina Delcheva 0551060, Phil Biastoch 0518757, Julia Schwärzler 0600217,<br />

Jasmin Bussolon 0601789, Klaus Heller 0647587, Sarah Ostermann 0647587, Manuel Hammelsbeck 0409789,<br />

Kathrin Schneider 0608076, Stefan Tesch 0601157


Artikel 9: <strong>Winter</strong>, <strong>Rainer</strong> (1997): Cultural Studies als kritische Medienanalyse: Vom „encoding/ decoding“-Modell zur<br />

<strong>Diskursanalyse</strong>. <strong>In</strong>: <strong>Andreas</strong> <strong>Hepp</strong> / <strong>Rainer</strong> <strong>Winter</strong> (Hrsg.): Cultural Studies und Medienanalyse. Opladen: Westdt. Verlag, S.<br />

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Spiel der Unterschiede ein Zentrum errichtet wird. 8 Eine endgültig feststehende Bedeutung<br />

und Leseart eines Textes gibt es allerdings nicht, die meisten von uns nehmen genau wie<br />

Stuart Hall eine oppositionelle, aber auch ausgehandelte Leseart an.<br />

Hall begreift das „encoding/decoding“ Modell als vorläufig, die beschriebenen<br />

Decodierungspositionen stellen für ihn keine soziologischen Beschreibungskategorien dar.<br />

<strong>In</strong>sgesamt wird die Diskussion innerhalb der Cultural Studies von der Abwendung der<br />

strukturalistischen <strong>In</strong>terpretation durch Marx, hin zu poststrukturalistischen, vor allem durch<br />

Derrida und Foucault geprägten theoretischen Überlegungen, dominiert. 9<br />

Macht, Medien und soziale Auseinandersetzungen. Die Analyse von John Fiske<br />

„…Society, then, is not an organic whole but a complex network of groups, each with different<br />

interests and related to each other in terms of their power relationship with the dominant<br />

classes.“ 10<br />

John Fiske, der zu einem der wichtigsten Vertreter der Cultural Studies zählt, greift gerade<br />

diese Überlegung der sozialen Ungleichheit auf, die nicht nur auf die starre Struktur der<br />

Klassenunterschiede zurückzuführen ist, sonder von einer komplexen Gesellschaft ausgeht,<br />

die sich aus unzähligen ideologischen, ethnischen, sozialen, religiösen u.Ä. Subkulturen<br />

zusammensetzt. Trotz der ungleichen Machtverhältnisse zwischen Medien und Rezipienten,<br />

geht Fiske davon aus, dass das „encoding – decoding“ – Modell von Hall, also das<br />

Verschlüsseln und Entschlüsseln von Nachrichten, ein gegenseitig wechselwirkender Prozess<br />

zwischen Sender und Empfänger ist. Hierbei produziert der Zuschauer, zusätzlich zu der<br />

dominierenden Ideologie in der Nachricht, selbst Bedeutung.<br />

Demnach sollte die Analyse von medialen Texten von komplexen Präferenzstrukturen geleitet<br />

sein, die einerseits bestimmte Botschaften hervorheben oder bewusst verdrängen, anderseits<br />

jedoch genug Freiraum für Eigeninterpretation lassen. Lt. Fiske schaffen <strong>In</strong>strumente wie<br />

Parodie, Bedeutungsüberschuss, Widersprüche od. Polyphonie und <strong>In</strong>tertextualität in<br />

medialen Texten viel Potential für subjektive Bedeutung, die je nach sozialer Zugehörigkeit<br />

des Rezipienten geschaffen wird.<br />

8 Vgl. ebenda<br />

9 Vgl. ebenda, S.52<br />

10 Vgl. Fiske 1992, S. 285 in <strong>Winter</strong>, <strong>Rainer</strong>: Cultural Studies als kritische Medienanalyse: Vom<br />

„encoding/decoding“ - Modell zur <strong>Diskursanalyse</strong>. <strong>In</strong>: <strong>Hepp</strong>, <strong>Andreas</strong>: Kultur – Medien<br />

– Macht: Cultural Studies und Medienanalyse. Opladen: Westedeutscher Verlag GmbH,<br />

1997, S. 53<br />

Irina Obushtarova 0648337, Marina Delcheva 0551060, Phil Biastoch 0518757, Julia Schwärzler 0600217,<br />

Jasmin Bussolon 0601789, Klaus Heller 0647587, Sarah Ostermann 0647587, Manuel Hammelsbeck 0409789,<br />

Kathrin Schneider 0608076, Stefan Tesch 0601157


Artikel 9: <strong>Winter</strong>, <strong>Rainer</strong> (1997): Cultural Studies als kritische Medienanalyse: Vom „encoding/ decoding“-Modell zur<br />

<strong>Diskursanalyse</strong>. <strong>In</strong>: <strong>Andreas</strong> <strong>Hepp</strong> / <strong>Rainer</strong> <strong>Winter</strong> (Hrsg.): Cultural Studies und Medienanalyse. Opladen: Westdt. Verlag, S.<br />

47-63<br />

Popkultur ist in der Ideologie Fiskes als reines gesellschaftliches Produkt zu verstehen,<br />

welches vom Konsumenten selbst geschaffen wird. Einerseits lässt er sich von den<br />

Ressourcen und Rahmenbedingungen einer dominanten Medienmachtkultur leiten, anderseits<br />

verweigert er sich jedoch dieser und wird selbst zum Kontrolleur und Machthaber. Das<br />

Empfangen und Verstehen von Nachrichten ist als „soziales Ereignis“ 11 zu verstehen. Der<br />

Zuschauer wird zum aktiven Produzenten von Bedeutung und <strong>In</strong>halt von Texten, der jedoch<br />

von den medial geschaffenen „Ressourcen“ wie Nachrichten, Filme, Berichte etc. abhängig<br />

ist.<br />

Lt. Fiske sind den <strong>In</strong>terpretationen durch strukturierte Polysemie und historische und soziale<br />

Faktoren Grenzen gesetzt sind. Die Bedeutung eines Textes wird durch den Kontext<br />

bestimmt, was zu einer temporären Fixierung von Bedeutungen führt. Er schlägt einen<br />

Diskurs vor, der historische, soziale und politische Bedingungen der Sinnproduktion erfassen<br />

soll. Die zentrale Frage ist wer welche Aussagen macht und welche ausgegrenzt werden?<br />

Im Mittelpunkt der Diskursiven Auseinandersetzung stehen:<br />

1. Der Kampf um die Akzentuierung eines Wortes oder eines Zeichens in einer Weise,<br />

die besonderen sozialen <strong>In</strong>teressen dient.<br />

2. Die Auseinandersetzung um die Wahl von Worten, Bildern und von diskursiven<br />

Repertoires.<br />

3. Der Kampf darum, die unterdrückten Stimmen zu Wort kommen zu lassen.<br />

4. Der Kampf um Desartikulation und Reartikulation.<br />

5. Die Auseinandersetzung um Zugang zum öffentlichen Diskurs im Allgemeinen und zu<br />

den Medien im Besonderen. 12<br />

<strong>In</strong> Anlehnung daran sollen Auseinandersetzungen im Diskurs aufgedeckt werden und der<br />

Kampf der Betroffenen um Aufmerksamkeit und Zugang zu Technologien der sozialen<br />

Zirkulation analysiert werden.<br />

Ereignis und Diskurs sind wechselseitig. Die Repräsentationen bestimmter Ereignisse in den<br />

Medien können daher nicht als Diskurse über Ereignis gesehen werden sondern als<br />

Diskursereignisse an sich. Vor allem Ereignissen, welche gesellschaftliches Konfliktpotential<br />

11 Vgl. <strong>Winter</strong>, <strong>Rainer</strong>: Cultural Studies als kritische Medienanalyse: Vom<br />

„encoding/decoding“ - Modell zur <strong>Diskursanalyse</strong>. <strong>In</strong>: <strong>Hepp</strong>, <strong>Andreas</strong>: Kultur – Medien<br />

– Macht: Cultural Studies und Medienanalyse. Opladen: Westedeutscher Verlag GmbH,<br />

1997, S. 54<br />

12 Vgl. <strong>Winter</strong>, <strong>Rainer</strong>: Cultural Studies als kritische Medienanalyse: Vom<br />

„encoding/decoding“ - Modell zur <strong>Diskursanalyse</strong>. <strong>In</strong>: <strong>Hepp</strong>, <strong>Andreas</strong>: Kultur – Medien<br />

– Macht: Cultural Studies und Medienanalyse. Opladen: Westedeutscher Verlag GmbH,<br />

1997, S. 56<br />

Irina Obushtarova 0648337, Marina Delcheva 0551060, Phil Biastoch 0518757, Julia Schwärzler 0600217,<br />

Jasmin Bussolon 0601789, Klaus Heller 0647587, Sarah Ostermann 0647587, Manuel Hammelsbeck 0409789,<br />

Kathrin Schneider 0608076, Stefan Tesch 0601157


Artikel 9: <strong>Winter</strong>, <strong>Rainer</strong> (1997): Cultural Studies als kritische Medienanalyse: Vom „encoding/ decoding“-Modell zur<br />

<strong>Diskursanalyse</strong>. <strong>In</strong>: <strong>Andreas</strong> <strong>Hepp</strong> / <strong>Rainer</strong> <strong>Winter</strong> (Hrsg.): Cultural Studies und Medienanalyse. Opladen: Westdt. Verlag, S.<br />

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bieten, werden durch unterschiedliche Berichterstattungen verschiedene Bedeutungen<br />

zugeschrieben und sind somit Austragungsort von <strong>In</strong>teressenkämpfen.<br />

Als gutes Beispiel dafür gelten die Ereignisse rund um den Rodney King-Prozess in den USA,<br />

welche in den Medien je nach politischem Standpunkt als Aufruhr, Rebellion, Revolution<br />

oder Plünderungen bezeichnet wurden. 13<br />

Wahrheit und Wissen sind, Focault folgend, immer in Machverhältnisse eingebettet. Für Fiske<br />

sind kulturelle Auseinandersetzungen, Laclau und Mouffe folgend, nicht mehr von einem<br />

Klassenkampf geprägt, sondern vielmehr von ungleichen Oppositionsweisen zwischen dem<br />

„Power bloc“ und den „people“ 14 . Diese Kategorisierung ist jedoch nicht starr und<br />

unveränderlich. Vielmehr bildet sie sich, aufgrund bestimmter sozialer <strong>In</strong>teressen, immer<br />

wieder neu. Die Cultural Studies versuchen also aufzeigen wie sich kulturelle Praktiken und<br />

soziale Kräfte sowie <strong>In</strong>stitutionen gegenseitig beeinflussen, Machtverhältnisse sichtbar<br />

machen und sie einer Analyse und Veränderung unterziehen.<br />

Diskussion<br />

<strong>In</strong> Anlehnung an die oben erläuterten Modelle sollen an dieser Stelle Medienmacht,<br />

Medienkompetenz und pädagogische Verantwortung im Sinne der „Cultural Studies“<br />

diskutiert werden.<br />

Lt. Fiske haben sich Machstrukturen insofern verschoben, als dass nun einzelne Subkulturen<br />

in einen <strong>In</strong>teressenskonflikt geraten, der großteils öffentlich, also massenmedial, ausgetragen<br />

wird. Medienmacht ist somit primär die bewusste Darstellung oder Nicht-Darstellung der<br />

Partikulärinteressen von Medientreibenden und den dahinter stehenden <strong>In</strong>teressensgruppen.<br />

Wenn man den Machtbegriff auf die Sender – Empfänger – Ebene überträgt, so ist<br />

Medienmacht nur bedingt als absolute Macht zu verstehen. Wie in Halls encoding/decoding-<br />

Modell angedeutet, obliegt es dem Rezipienten <strong>In</strong>formation zu akzeptieren, zu hinterfragen<br />

oder gar zu verwerfen. Er ist selbst Bedeutungsschaffender, immer aus einem sozialen<br />

Kontext heraus und als Produkt seiner Umwelt. Seine Macht ist eine Macht der Wahl und der<br />

Bedeutungszuordnung, nicht jedoch der Bereitstellung von <strong>In</strong>formation und <strong>In</strong>halt.<br />

13<br />

Vgl. <strong>Winter</strong>, <strong>Rainer</strong>: Cultural Studies als kritische Medienanalyse: Vom<br />

„encoding/decoding“ - Modell zur <strong>Diskursanalyse</strong>. <strong>In</strong>: <strong>Hepp</strong>, <strong>Andreas</strong>: Kultur – Medien<br />

– Macht: Cultural Studies und Medienanalyse. Opladen: Westedeutscher Verlag GmbH,<br />

1997, S. 56 ff<br />

14<br />

Vgl. <strong>Winter</strong>, <strong>Rainer</strong>: Cultural Studies als kritische Medienanalyse: Vom<br />

„encoding/decoding“ - Modell zur <strong>Diskursanalyse</strong>. <strong>In</strong>: <strong>Hepp</strong>, <strong>Andreas</strong>: Kultur – Medien<br />

– Macht: Cultural Studies und Medienanalyse. Opladen: Westedeutscher Verlag GmbH,<br />

1997, S. 57 ff<br />

Irina Obushtarova 0648337, Marina Delcheva 0551060, Phil Biastoch 0518757, Julia Schwärzler 0600217,<br />

Jasmin Bussolon 0601789, Klaus Heller 0647587, Sarah Ostermann 0647587, Manuel Hammelsbeck 0409789,<br />

Kathrin Schneider 0608076, Stefan Tesch 0601157


Artikel 9: <strong>Winter</strong>, <strong>Rainer</strong> (1997): Cultural Studies als kritische Medienanalyse: Vom „encoding/ decoding“-Modell zur<br />

<strong>Diskursanalyse</strong>. <strong>In</strong>: <strong>Andreas</strong> <strong>Hepp</strong> / <strong>Rainer</strong> <strong>Winter</strong> (Hrsg.): Cultural Studies und Medienanalyse. Opladen: Westdt. Verlag, S.<br />

47-63<br />

<strong>In</strong> engem Zusammenhang damit seht die Frage der medialen Kompetenz, also inwieweit<br />

Medien vom Rezipienten sinnvoll genutzt werden können und wie sie verstanden werden?<br />

Idealerweise sollten Medien ein möglichst unverzerrtes „Realitätsbild“ vermitteln und eine<br />

vollständige und neutrale Berichterstattung gewährleisten können. Idealtypische Funktionen<br />

wie Vielfalt, Bewusstseinsgenerierung und Bildungsfunktion kollidieren jedoch oft mit den<br />

Partikularinteressen der Werbetreibenden und einzelner <strong>In</strong>teressensgruppen. Da Medien als<br />

sog. „Vertrauensgüter“ 15 zu behandeln sind, ist ihre Kompetenz und Qualität nur mittelbar<br />

über den <strong>In</strong>dikator Nutzerverhalten messbar. Ist z.B. der digital devide 16 zu groß und der<br />

Rezipient in der Nutzung behindert oder überfordert, so kann man von einer schwachen<br />

Kompetenzleistung seitens der Medien ausgehen. Verzerrung, Einseitigkeit und das Fehlen<br />

eines öffentlichen Diskurses in der Berichterstattung sind ebenso <strong>In</strong>dikatoren für <strong>In</strong>kompetenz<br />

und Nichterfüllung der gesellschaftlichen Verantwortungsfunktion von Medien.<br />

<strong>In</strong>wieweit Medien ihrer pädagogischen Verantwortung nachkommen, sei an dieser Stelle in<br />

Frage gestellt. <strong>In</strong>teressanter ist jedoch die Frage, ob, und wenn, Medien eine solche<br />

Verantwortung zu Leisten haben, dann in welcher Weise und vor allem wem gegenüber?<br />

Wieder in Anlehnung an Hall und Fiske ist von einem ungleichen Machtverhältnis zwischen<br />

Medien und Rezipient auszugehen. Pädagogische Verantwortung bedeutet nun, dieses<br />

Ungleichgewicht zu Lasten des Publikums nicht zu missbrauchen und neben Unterhaltung,<br />

Konsum und Normen auch Bildung, Vielfalt und Moral im Sinne der Gesellschaft zu<br />

vermitteln.<br />

Wie auch der Machtbegriff, ist die pädagogische Verantwortung als wechselseitig und im<br />

Diskurs zwischen Sender und Empfänger von <strong>In</strong>halten zu betrachten. Die Verantwortung in<br />

der Berichterstattung und die Wahrung der öffentlichen <strong>In</strong>teressen wie Sitte und Moral, öff.<br />

Sicherheit, Jugendschutz etc. sollte immer auch im Kontext mit der Eigenverantwortung der<br />

Rezipienten stehen. Bedeutungszuordnung ist ein Prozess, der zwar mediengeleitet,<br />

keineswegs jedoch gänzlich medial vorgegeben ist und ebenso ein Produkt von Erziehung und<br />

Umfeld ist. Die soziale Umwelt, und in weiterer Folge jeder einzelne Akteur derer, sind<br />

sowohl Abbild der Medien, als auch die Medien ein Abbild dieser sozialen Umwelt sind.<br />

15<br />

Vgl. Kiefer, Marie-Louise (2005): Medienökonomik, Einführung in eine ökonomische Theorie der Medien.<br />

München/Wien: Oldenburg, S. 142 ff<br />

16<br />

Vgl. Haas, Hannes (2005): Medienkunde; Grundlagen, Strukturen, Perspektiven. Wien: WUV<br />

Universitätsverlag. S. 36<br />

Irina Obushtarova 0648337, Marina Delcheva 0551060, Phil Biastoch 0518757, Julia Schwärzler 0600217,<br />

Jasmin Bussolon 0601789, Klaus Heller 0647587, Sarah Ostermann 0647587, Manuel Hammelsbeck 0409789,<br />

Kathrin Schneider 0608076, Stefan Tesch 0601157


Artikel 9: <strong>Winter</strong>, <strong>Rainer</strong> (1997): Cultural Studies als kritische Medienanalyse: Vom „encoding/ decoding“-Modell zur<br />

<strong>Diskursanalyse</strong>. <strong>In</strong>: <strong>Andreas</strong> <strong>Hepp</strong> / <strong>Rainer</strong> <strong>Winter</strong> (Hrsg.): Cultural Studies und Medienanalyse. Opladen: Westdt. Verlag, S.<br />

47-63<br />

Literatur<br />

<strong>Winter</strong>, <strong>Rainer</strong>: Cultural Studies als kritische Medienanalyse: Vom „encoding/decoding“ –<br />

Modell zur <strong>Diskursanalyse</strong>. <strong>In</strong>: <strong>Hepp</strong>, <strong>Andreas</strong>: Kultur – Medien – Macht: Cultural Studies<br />

und Medienanalyse. Opladen: Westdeutscher Verlag GmbH, 1997, S. 47-63<br />

<strong>Winter</strong> <strong>Rainer</strong>: Cultural Studies und kritische Pädagogik. <strong>In</strong>: MedienPädagogik,<br />

www.medienpaed.com (06.02.2004), S. 12f<br />

http://www.bistummainz.de/bm/dcms/sites/bistum/bistum/kardinal/texte/texte_2006/medienk<br />

ompetenz.html (08.12.2007)<br />

Kiefer, Marie-Louise (2005): Medienökonomik, Einführung in eine ökonomische Theorie der<br />

Medien. München/Wien: Oldenburg, S. 142 ff<br />

Haas, Hannes (2005): Medienkunde; Grundlagen, Strukturen, Perspektiven. Wien: WUV<br />

Universitätsverlag. S. 36<br />

Irina Obushtarova 0648337, Marina Delcheva 0551060, Phil Biastoch 0518757, Julia Schwärzler 0600217,<br />

Jasmin Bussolon 0601789, Klaus Heller 0647587, Sarah Ostermann 0647587, Manuel Hammelsbeck 0409789,<br />

Kathrin Schneider 0608076, Stefan Tesch 0601157

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