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Ruth - Lebensszenen

Beim nächsten Elternsprechtag saßen wir beide uns an einem kleinen Schul­tisch gegenüber. Wir blickten uns spöttisch lächelnd an, und Ralf begann for­melhaft etwas von Alyssia vorzutragen. „Ralf, hörst du mal bitte auf, so einen Stuss zu reden!“ stoppte ich ihn. „Was sollen wir denn machen?“ fragte er hilf­los. Ich war aufgestanden, zu ihm rüber gegangen und forderte ihn auf: „Steh bitte auf, so kann man doch nicht sitzen.“ Wir standen uns direkt gegen­über, und sahen uns in die Augen. „Weißt du was der Schülerin Alyssia Stein am aller besten helfen wird, wenn du jetzt sofort und unverzüglich ihre Mutter küsst.“ erklärte ich. Er atmete tief, schaute mich mit großen Augen an, und zog mich zu sich. Obwohl ich es für mein offizielles Selbstverständnis immer abgestritten hätte, aber jetzt ging für mich ein kleiner Traum in Erfüllung. Ich presste mich an ihn, und rieb mich an sei­nem Körper. Ralf begann an meiner Bluse zu fum­meln. Ich wehrte ab. „Küs­sen, nicht ausziehen!“ erklärte ich, obwohl ich nach meinem Empfinden eigent­lich nichts dagegen, wahrscheinlich sogar nichts lieber gehabt hätte.

Beim nächsten Elternsprechtag saßen wir beide uns an einem
kleinen Schul­tisch gegenüber. Wir blickten uns spöttisch lächelnd
an, und Ralf begann for­melhaft etwas von Alyssia vorzutragen.
„Ralf, hörst du mal bitte auf, so einen Stuss zu reden!“ stoppte
ich ihn. „Was sollen wir denn machen?“ fragte er hilf­los.
Ich war aufgestanden, zu ihm rüber gegangen und forderte
ihn auf: „Steh bitte auf, so kann man doch nicht sitzen.“
Wir standen uns direkt gegen­über, und sahen uns in die Augen.
„Weißt du was der Schülerin Alyssia Stein am aller besten helfen
wird, wenn du jetzt sofort und unverzüglich ihre Mutter küsst.“
erklärte ich. Er atmete tief, schaute mich mit großen Augen an,
und zog mich zu sich. Obwohl ich es für mein offizielles
Selbstverständnis immer abgestritten hätte, aber jetzt ging
für mich ein kleiner Traum in Erfüllung. Ich presste mich an ihn,
und rieb mich an sei­nem Körper. Ralf begann an meiner Bluse
zu fum­meln. Ich wehrte ab. „Küs­sen, nicht ausziehen!“
erklärte ich, obwohl ich nach meinem Empfinden eigent­lich
nichts dagegen, wahrscheinlich sogar nichts lieber gehabt hätte.

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gekommen war, um Alyssia berühren zu können, sei sie tot gewesen. Jetzt<br />

hatte sie es endgültig geschafft. Die Freude war umso größer. Wir umarmten<br />

uns, küssten uns und stießen gemeinsam an. Dann musste ich unbedingt noch<br />

telefonieren und es allen weiter erzählen. Der restliche Abend gehörte uns Vieren.<br />

Camille, Julienne und Lucien hatten während meiner Zeit in Montpellier ein<br />

wunderbares Abendessen gezaubert, für das wir zwei Stunden und einige Flaschen<br />

Wein brauchten, um es zu vertilgen. Ich empfand es, wie einen großen<br />

Etappensieg, der Mut macht für den nächsten, wie die Basis, auf der sich alles<br />

Weitere entwickeln konnte. Ich fühlte mich befreit und wohlig. Jetzt lebte sie<br />

tatsächlich, meine, unsere Alyssia.<br />

Alyssia mach die Augen auf!<br />

In den folgenden Tagen geschah nichts. Es bestand zwar kein Lebensrisiko<br />

mehr, aber jetzt konnten wir es nicht ertragen, dass jeder Tag wie der vorherige<br />

war. Nichts geschah, immer das gleiche Bild. Wir rechneten jeden Tag damit,<br />

dass der Besucher aus der Klinik anrief, und verkündete: „Alyssia ist wach<br />

geworden!“ Aber nie rief jemand an. Alle kamen ohne Erfolgsmeldung zurück.<br />

Es war zermürbend. Eine ganze Woche hatten wir jetzt schon gewartet. In der<br />

Klinik mahnte man uns immer zu ein wenig mehr Geduld.<br />

Am Dienstagmorgen um 7:30 Uhr klingelte mein Telefon. Aus der Klinik rief<br />

man mich an: „Madame Stein, ihre Tochter ist aus dem Koma erwacht, aber es<br />

gibt Probleme. Kommen sie schnell.“ Welche Probleme es denn seien, wollte<br />

ich wissen. Das sähen wir dort, es sei wichtiger, dass ich schnell komme. Ich<br />

posaunte noch schnell durchs Haus, dass Alyssia wachgeworden sei, und ich<br />

schon ganz schnell vorfahren müsse. Ich war noch gar nicht angezogen,<br />

huschte schnell in die Klamotten vom Vortag, und wuselte mein Haar ein wenig<br />

zurecht. „Keine Hektik auf der Straße,“ betete ich mir ausdrücklich vor. Um 8<br />

Uhr war ich dann schon an der Klinik.<br />

Wo ist das Problem stürmte ich lächelnd auf die Intensivstation. Die Ärztin ging<br />

mit mir in Alyssias Zimmer. „Ihre Tochter,“ präsentierte sie mir die im Chirurgiehemdchen<br />

auf der Bettkante sitzende Alys, „sie will aufstehen. Nichts und<br />

niemand kann sie dazu bewegen, sich wieder hinzulegen. Vielleicht haben sie<br />

ja eine Chance.“ Ich musste sie mir erst mal richtig anschauen. Sie lächelte<br />

und saß einfach da. Ich stellte mich vor sie und sah sie an. Ihre Augen wurden<br />

groß und rund. Das Lächeln verschwand für einen Moment. Sie fixierte mein<br />

Gesicht. Das Lächeln kam wieder und vergrößerte sich. Sie zog ihre Lippen immer<br />

breiter zu einem freudestrahlenden Lachen. Sie hatte mich also erkannt<br />

und freute sich. Ich hielt ihr meine Hand hin und sagte zu ihr: „Hallo Alyssia“.<br />

Sie hob auch ihre Hand und befühlte mit ihren Fingern und ihrer Hand meine,<br />

immer und immer wieder. Dann reckte sie ihre Hand zu meinem Gesicht und<br />

wollte es befühlen. Ich beugte mich zu ihr runter. Sie befühlte alles immer wieder<br />

ganz genau. Wenn sie mein Gesicht abtastete, schaute sie meistens sehr<br />

ernst aber zwischendurch strahlte sie immer wieder, als wenn sie sagen wollte:<br />

„Ja die Falte kenn ich genau.“ Plötzlich schien es genug zu sein und sie ließ ihre<br />

Hand wieder aufs Bett fallen. Ich nahm eine ihrer Hände und legte sie in meine<br />

Hand. Während ich das tat schaute sie ganz interessiert, was da denn jetzt<br />

<strong>Ruth</strong> - <strong>Lebensszenen</strong> – Seite 121 von 209

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