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Brief des Kirchengemeinderates an Domkapitular Hildebrand

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ST. MICHAEL TÜBINGEN<br />

Kath. Pfarramt St. Michael Tübingen • Hechinger Str. 45 • 72072 Tübingen<br />

Sehr geehrter Herr <strong>Domkapitular</strong> Hildebr<strong>an</strong>d,<br />

Katholisches Pfarramt<br />

Hechinger Str. 45<br />

72072 Tübingen<br />

Tel. 07071/9163-0<br />

Fax 07071/9163-33<br />

pfarrbuero@st-michael-tuebingen.de<br />

Tübingen, den 10.12.2012<br />

Herr Pfarrer Steiger hat uns über seine Ernennung zum Hörfunkpfarrer beim Südwestrundfunk<br />

informiert. Wir freuen uns für unseren Pfarrer, dass er für einen Dienst auserkoren wurde, den er<br />

sicher mit viel Engagement und auch erfolgreich ausüben wird. Wir sind überzeugt davon,<br />

dass die Entscheidung <strong>des</strong> Bischofs allgemein große Zustimmung finden wird.<br />

Gleichzeitig erfüllt sie uns aber auch mit Traurigkeit und Schmerz, weil wir Pfarrer Thomas Stei-<br />

ger mittelfristig ziehen lassen müssen. Da es aber sein Wunsch ist, können unsere Gemeinden<br />

diesen Schritt gut <strong>an</strong>nehmen.<br />

Mit großer Sorge sehen wir aber in die Zukunft unserer beiden Gemeinden, die in l<strong>an</strong>gen Jah-<br />

ren und mit viel Anstrengung l<strong>an</strong>gsam etwas zusammengewachsen sind.<br />

Freilich ist uns die Personalsituation unter den Priestern bek<strong>an</strong>nt. Uns ist auch klar, dass wir in<br />

Tübingen mit noch zwei weiteren Pfarrern der Seelsorgeeinheit, die auch für unsere Gemein-<br />

den zuständig sind, noch immer gut gestellt sind, wo es <strong>an</strong>dere Gebiete gibt, die keinen ei-<br />

genen Pfarrer mehr haben. Jedoch k<strong>an</strong>n m<strong>an</strong> sicher nicht davon ausgehen, dass beide Pfar-<br />

rer bisher unterbeschäftigt gewesen wären. Vielmehr erzwingen die 4 <strong>an</strong>deren Tübinger Ge-<br />

meinden, wie auch unsere Gemeinden bisher, jeweils aufgrund der verschiedenen Gemein-<br />

<strong>des</strong>trukturen und -schwerpunkte den vollen Einsatz der jeweiligen Pfarrer.


Wir wollen Sie daher bitten, dass Sie sich für unsere Gemeinden und dafür einsetzen, dass die<br />

Stelle von Pfarrer Steiger wieder mit einem Pfarrer besetzt wird. Bei der Frage der Stellenbeset-<br />

zung sind aus unserer Sicht folgende Gesichtspunkte zu beachten:<br />

St. Michael ist die zweitgrößte Tübinger Kirchengemeinde. Es h<strong>an</strong>delt sich um eine außeror-<br />

dentlich aktive Gemeinde, die es trotz der Sk<strong>an</strong>dale in der Kirche, trotz schwieriger Identifika-<br />

tion mit den institutionellen Gegebenheiten und Verlautbarungen und entgegen dem allge-<br />

meinen „Kirchensterben“, bisher geschafft hat, viele Menschen aus allen gesellschaftlichen<br />

Schichten, aus jeder Altersstufe im gemeinsamen Gottesdienst zu versammeln. Die Mitglieder-<br />

zahlen waren bisher – im Gegensatz zum allgemeinen Trend – steigend. In der Südstadt von<br />

Tübingen, dem Gemeindegebiet von St. Michael, sind weitere Baugebiete entst<strong>an</strong>den, die in<br />

den nächsten Jahren bevölkert werden. Es ist daher mit steigenden Einwohnerzahlen und bei<br />

guter Kirchen- und Gemeindepolitik, insgesamt einem attraktiven Gemeindegesicht, auch<br />

mit weiteren Zuwächsen bei den Gemeindemitgliedern zu rechnen. In guter Ökumene leben<br />

wir hier in der Südstadt zwischen drei ev<strong>an</strong>gelischen Gemeinden, die ebenfalls für ihre Mit-<br />

glieder, aber auch für uns und die Katholiken hier, gute Angebote machen und einladend<br />

sind. Es ist wichtig, dass die katholische Kirche mit einer Leitungspersönlichkeit, die auf Augen-<br />

höhe mit den – mehreren – ev<strong>an</strong>gelischen Pfarrern kommunizieren k<strong>an</strong>n, in diesem Gebiet<br />

stark und selbstbewußt in Erscheinung tritt und präsent bleibt.<br />

Die Liturgie in St. Michael war bisher geprägt von regelmäßigen und vielfältigen Gottesdiens-<br />

ten – auch Werktagsgottesdiensten, die für die hier <strong>an</strong>sässigen zum Teil betagten Ordens-<br />

frauen unverzichtbar sind -, was den Gottesdienstbesuch in unserer Gemeinde attraktiv<br />

macht. Anders als in <strong>an</strong>deren Gemeinden ist beispielsweise der hiesige Vorabendgottesdienst<br />

in aller Regel immer noch gut besucht. Der Sonntagsgottesdienst wird erfreulicherweise von<br />

vielen jungen Familien gerne wahrgenommen. All das ist natürlich dem besonderen Geschick<br />

und Charisma von Pfarrer Steiger, aber auch dem Engagement <strong>des</strong> hauptamtlichen Kir-<br />

chenmusikers und dreier Chöre, den Familienkreisen und vieler, vieler Ehrenamtlicher in den<br />

liturgischen Diensten und um den Gottesdienst herum sowie einer Vielzahl von gut eingear-<br />

beiteten Ministr<strong>an</strong>ten zu verd<strong>an</strong>ken. Um diese Gottesdienstkultur und die Attraktivität unserer<br />

Gemeinde nicht zu verlieren, erscheint es uns besonders wichtig, dass es weiterhin einen Pfar-<br />

rer gibt, der die Gemeinde auf diesem Weg ver<strong>an</strong>twortlich leitet und Kontinuität sichert. Oh-<br />

ne eine solche Identifikationsfigur steht zu befürchten, dass die Bedeutung der Liturgie ab-<br />

nehmen, die Bereitschaft der Ehrenamtlichen und die Bindung der Jugendlichen <strong>an</strong> die Ge-<br />

meinde drastisch abnehmen wird.<br />

Nicht <strong>an</strong>ders als auf <strong>an</strong>deren gesellschaftlichen und kirchlichen Ebenen fällt es auch in St.<br />

Michael immer schwerer, ehrenamtliche Helfer zu finden, die das Gemeindeleben befördern<br />

und prägen. Mit den zunehmenden Aufgaben der Pfarrer und Priester auf Leitungsebene und<br />

im seelsorgerlichen Bereich, mit den abnehmenden Stellen für hauptamtliche Mitarbeiter,<br />

wachsen immer mehr die Aufgaben, die von Ehrenamtlichen übernommen werden sollen.


Bei der zunehmenden Schwierigkeit, ehrenamtliche Helfer zu finden, wird der seelische Druck<br />

für die Vorh<strong>an</strong>denen zusätzlich verstärkt. Unabhängig davon, dass sie sich bei Übernahme<br />

eigentlich seelsorgerlicher und liturgischer Aufgaben oft fachlich überfordert sehen, ist bei der<br />

allgemein zunehmenden Belastung in Beruf und Familien, auch keine ausreichende Zeit vor-<br />

h<strong>an</strong>den, die Aufgaben ver<strong>an</strong>twortlich und zufriedenstellend zu erledigen, geschweige denn<br />

sich entsprechend fortzubilden. Unerläßlich ist es aber daher, dass ihnen eine kompetente<br />

Persönlichkeit zur Seite steht, die es versteht, die geleistete Arbeit in entsprechender Weise zu<br />

würdigen und wertzuschätzen, aber auch Rat zu erteilen und unkompliziert Anleitung zu ge-<br />

ben. Wir befürchten, dass wir in unseren Bemühungen einbrechen werden, Ehrenamtliche zu<br />

finden, oder auch nur <strong>an</strong> ihrem Dienst zu halten, wenn die gemeindlichen und priesterlichen<br />

Aufgaben durch einen eventuellen Wegfall der Pfarrstelle wachsen. Denn, wenn weniger<br />

Pfarrer zur Verfügung stehen und die Gemeinden „versorgen“, wird weniger Wertschätzung<br />

und Anerkennung, weniger kompetenter Rat und Anleitung, weniger Seelsorge für die Ehren-<br />

amtlichen selbst möglich sein. Ohne den Einsatz <strong>an</strong>derer hauptamtlicher kirchlicher Mitarbei-<br />

ter geringschätzen zu wollen, können sie einen Pfarrer in Leitungsver<strong>an</strong>twortung für die Ge-<br />

meindemitglieder nicht ersetzen. Am Schlimmsten erscheint uns die Vorstellung, auch für die<br />

Jugend, insbesondere unsere hochmotivierten Ministr<strong>an</strong>ten, weniger attraktiv zu sein, wenn<br />

die beständige Identifikationsfigur <strong>des</strong> Pfarrers im Gottesdienst fehlt.<br />

Der gemeindliche Schwerpunkt von St. Michael liegt im sozialen Bereich, da auf dem Ge-<br />

meindegebiet verschiedene soziale Brennpunkte <strong>an</strong>gesiedelt sind. Auf Gemeindegebiet be-<br />

finden sich die Tübinger Tafel, das Männerwohnheim, die Straffälligenhilfe, ein Pflegeheim,<br />

mehrere Einrichtungen für Behinderte, Suchtkr<strong>an</strong>ke, psychisch Kr<strong>an</strong>ke, die dort wohnen und<br />

die vor allem <strong>an</strong> unserem Gottesdienstleben teilnehmen. Auch hieraus ergibt sich die häufige<br />

und immer dringende Notwendigkeit, dass ein Pfarrer vor Ort <strong>an</strong>sprechbar ist.<br />

Das Gemeindegebiet von St. Michael ist – <strong>an</strong>ders als das übrige Stadtgebiet – herkömmlich<br />

ein Arbeiterviertel, weniger akademisch geprägt, was sich freilich im W<strong>an</strong>del der Zeit auch<br />

verändert. Dies prägt die unterschiedliche Zusammensetzung, aber vor allem auch die Be-<br />

dürfnisse der älteren und treuen Gemeindemitglieder, die diesen Verhältnissen eben ent-<br />

stammen. Sie werden sicher nicht in <strong>an</strong>dere Gottesdienste ausweichen und brauchen den<br />

Pfarrer als Ansprechperson mehr denn je.<br />

Wir bitten Sie all diese Gesichtspunkte bei den kommenden Personalentscheidungen für unse-<br />

re Gemeinden und für die Seelsorgeeinheit Tübingen zu bedenken und sich zu deren Fürspre-<br />

cher zu machen. Wir befürchten, dass wir dem allgemeinen Kirchensterben zum Opfer fallen,<br />

obwohl wir bisher eine gegenläufige Entwicklung beschrieben haben und beste Vorausset-<br />

zungen dafür aufweisen und mitbringen, dass St. Michael und St. P<strong>an</strong>kratius auch Beispiel<br />

gebend sein könnten, für eine offene, attraktive katholische Kirche.


Für ein persönliches Gespräch stehen die beiden Kirchengemeinderäte gerne zur Verfügung.<br />

Mit freundlichen Grüßen<br />

Ursula Fritz Christi<strong>an</strong>e Barth<br />

Zweite Vorsitzende <strong>des</strong> stellv. Zweite Vorsitzende<br />

Kirchengemeinderats

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