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Karl Grob Zu Gottfried Kellers Fähnlein der sieben Aufrechten ...

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sische Gehalt <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>spiegelungstheorie. Wi<strong>der</strong>spiegelung hätte<br />

somit Begriff zu sein für das Erscheinen des Wesens, ist aber selbst<br />

nur Spiegel in dem Sinne, daß sie als optische Metapher sich absolut<br />

setzt und so ein an<strong>der</strong>es, als was sie bedeutet, meint. So, wie <strong>der</strong><br />

leere Spiegel in seinen Reflexen die Fülle des Wesens geben soll,<br />

soll die Rede nicht Monolog des Redners, son<strong>der</strong>n des Volkes sein.<br />

Damit dies geschehen kann, muß <strong>der</strong> Redner gestrichen werden<br />

können, d.h. in <strong>der</strong> Rede darf nichts sein, war nur an <strong>der</strong><br />

topologisch fixierten Position des Redners hängt und somit ausschließlich<br />

durch diese ermöglicht wird. Ist aber, wie Keller an<strong>der</strong>swo<br />

sagt, erst <strong>der</strong> Seher das ganze Leben des Gesehenen, so verdankt<br />

sich <strong>der</strong> Sinn nicht einem Monolog, son<strong>der</strong>n einem Dialog,<br />

in dem beide Teile denselben Text haben.<br />

<strong>Kellers</strong> Selbstkritik in <strong>der</strong> 2. Fassung des Grünen Heinrich hat<br />

sich – mit großem historischem Recht – vordringlich mit den Gefahren<br />

<strong>der</strong> Rede- und Rednertheorie befaßt, wie sie durch die<br />

1. Fassung sichtbar wurden. Sie hat die Möglichkeit des Irrtums<br />

und <strong>der</strong> Lüge in eine Struktur eingeführt, <strong>der</strong> diese Möglichkeit<br />

fremd sein muß. Wahrheit und Lüge können nämlich niemals als<br />

konstitutive Begriffe in den <strong>Zu</strong>sammenhang einer Zivilgesellschaft<br />

eingehen, <strong>der</strong>en Regierungsform die direkte Demokratie ist. Es<br />

gibt hier kein «wahres» o<strong>der</strong> «gelogenes» Bild des Ganzen, es gibt<br />

lediglich ein angenommenes o<strong>der</strong> verworfenes. Dabei verlangt<br />

nach Rousseau einzig <strong>der</strong> Sozialpakt die Einstimmigkeit. 24 Diese<br />

Einstimmigkeit erreicht Rousseau, indem er jeden, <strong>der</strong> nicht zustimmt,<br />

als einen Fremden und den Gesetzen nur durch sein Verbleiben<br />

im Staate unterworfenen, in diesem weiterleben läßt. 25 Ist<br />

<strong>der</strong> Sozialpakt einmal geschlossen, so herrscht das Mehrheitsprinzip,<br />

wobei es in <strong>der</strong> Volksversammlung niemals um die Frage geht,<br />

ob ein Gesetz anzunehmen o<strong>der</strong> zu verwerfen sei, son<strong>der</strong>n immer<br />

nur um die Frage, ob es mit <strong>der</strong> volonté générale übereinstimme.<br />

Wären einmal die mit dieser im Einklang lebenden Bürger in <strong>der</strong><br />

Min<strong>der</strong>heit, so wäre <strong>der</strong> Staat eo ipso ohnehin aufgelöst, die Freiheit<br />

verschwunden. Niemals ist es nach Rousseau im öffentlichen<br />

Leben zulässig, ein Gesetz an seinen eigenen partikulären Interes-<br />

24 CS IV, 2, p. 440.<br />

25 a.a.0.<br />

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