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Karl Grob Zu Gottfried Kellers Fähnlein der sieben Aufrechten ...

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<strong>der</strong> Revolutionäre zu entsprechen hätte 38 , unterscheidet sich in<br />

dieser Hinsicht radikal von <strong>der</strong>jenigen <strong>Karl</strong>s und Hermines. Tatsächlich<br />

erscheint ja auch die Ehe und die Familie neben <strong>der</strong> freien<br />

Assoziation <strong>der</strong> – dann immer revolutionären – Bürger als die<br />

zweite Möglichkeit <strong>der</strong> Konstitution gesellschaftlicher Organisation.<br />

39 Nur über die Ehe glie<strong>der</strong>t Keller die Frau in den Staat ein.<br />

Dadurch aber wird die Familie strukturell innerhalb <strong>der</strong> Erzählung<br />

zu einer Parallelorganisation zum <strong>Fähnlein</strong> selbst, einer Organisation<br />

allerdings, <strong>der</strong>en Konstitutionsbedingungen weit weniger<br />

deutlich sind als die des <strong>Fähnlein</strong>s. Sowohl die Ehe selbst, als<br />

auch die ganze Familie bezeichnen die Schwierigkeit. We<strong>der</strong> ist die<br />

sexuelle Beziehung von Mann und Frau, noch ist die Geburt des<br />

Kindes als ein rein willentlicher Akt zu denken. Beiden Beziehungen<br />

eignet ein Moment <strong>der</strong> Unfreiheit. In <strong>der</strong> Eltern-Kind Beziehung<br />

ist dies die ursprüngliche Unfreiheit des Kindes, dann seine<br />

Bevormundung durch die Eltern, die ja erst den Vereitelungsversuchen<br />

<strong>der</strong> beiden Väter ihre Legitimation gibt; in <strong>der</strong> Beziehung<br />

von Frau und Mann <strong>der</strong>en eigentümlicher Gewaltcharakter, <strong>der</strong><br />

beispielsweise in <strong>der</strong> Schießszene sehr deutlich zum Ausdruck<br />

kommt:<br />

Unverwandt sah er sie an und konnte den Blick kaum wegwenden, denn<br />

noch nie hatte er ihre Augen so gesehen; es glühte etwas Herbes und Tyrannisches<br />

mitten in <strong>der</strong> lachenden Süßigkeit ihres Blickes, zwei Geister<br />

sprachen beredt aus seinem Glanze: <strong>der</strong> befehlende Wille, aber mit ihm<br />

verschmolzen die Verheißung des Lohnes und aus <strong>der</strong> Verschmelzung<br />

entstand ein neues geheimnisvolles Wesen. Tu mir den Willen, ich habe<br />

dir mehr zu geben, als du ahnst! sagten diese Augen, und <strong>Karl</strong> schaute<br />

fragend und neugierig hinein, bis sie sich verstanden mitten im Geräusch<br />

und Gebrause des Festes. 40<br />

Diese Stelle, ganz aus <strong>der</strong> Perspektive <strong>Karl</strong>s geschrieben, verwendet<br />

selbst rhetorisch das Moment <strong>der</strong> Generation und läßt beide<br />

Seiten des klassischen Modells geschlechtlicher Differenz ganz<br />

an <strong>der</strong> Frau aufscheinen, aus <strong>der</strong> denn auch ein «neues Wesen» entsteht.<br />

Wie so oft in <strong>Kellers</strong> Schriften ist die Frau ganz<br />

38 Etwas an<strong>der</strong>es kann ja wohl <strong>der</strong> Satz, die Theorie müsse materielle Gewalt werden, nicht<br />

bedeuten.<br />

39 Über die Implikationen, die eine Übernahme des Familienmodells für die politische Organisation<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft hat, gibt <strong>der</strong> Contrat social (1, 2, p. 352ff.) bündigste Auskunft:<br />

Es entsteht das Verhältnis von Schafen und Hirt, eine Konzeption, die immer auf eine theologische<br />

Fundierung <strong>der</strong> Staatsmacht hinausläuft.<br />

40 H II, S.863f.<br />

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