PIZZICO + TREMOLO 1 / 2012 - Zupfmusik-Verband Schweiz
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Themenseite<br />
Domra - das russische<br />
<strong>Zupfmusik</strong>-Instrument<br />
(Textinhalte und Bilder dieses Themenbeitrages<br />
wurden freundlicherweise von Tatjana<br />
Osipova, Mandolinen- und Domra-Virtuosin,<br />
zur Verfügung gestellt)<br />
Historisches<br />
Die Geschichte der Domra begann vor<br />
etwa 600 Jahren. Sie war damals das populärste<br />
Instrument der Skomorochen –<br />
diese waren Musiker, Tänzer und Schauspieler.<br />
In der Zeit der Fürsten Oleg und<br />
Vladimir wurden Skomorochen in ihrem<br />
künstlerischen Schaffen nicht etwa eingeschränkt<br />
oder gar verfolgt, sondern sie<br />
waren vielmehr die Ehrengäste bei fürstlichen<br />
Feierlichkeiten und Volksfesten.<br />
«Lik Domer», Domraspieler<br />
aus «Musikanten von Zar<br />
David», XVI Jh.<br />
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Die genaue Geburtsstunde der Domra<br />
in Russland ist allerdings nicht bekannt;<br />
es existieren auch keine erhaltenen<br />
Exemplare alter Instrumente. Auch<br />
der Name findet keine Erklärung in russischer<br />
Sprache. Die Wissenschaft vermutet,<br />
dass die russische Domra ihren<br />
Ursprung bei einem ägyptischen Instrument<br />
namens «Pandura» hat.<br />
Verwandte Instrumente<br />
In Kleinasien und im Kaukasus gibt es<br />
Instrumente, die der russischen Domra<br />
sehr ähnlich sind. Auch bei den slawischen<br />
und asiatischen Völkern findet<br />
man ähnliche Instrumente mit ähnlichen<br />
Namen: in Georgien - Chunguri<br />
und Panduri, in der Ukraine - Bandura,<br />
in Turkmenien - Dutar, in der Mongolei -<br />
Dombur, in Kirgisien - Dumra.<br />
Es zeigt sich somit, dass die bescheidene<br />
russische Domra eine riesige Verwandtschaft<br />
hat! Aber das ist noch längst<br />
nicht alles!<br />
Laute in Europa - Domra in Russland<br />
Ein ähnliches Instrument, die Laute, fand<br />
ihren Weg nach Europa im frühen Mittelalter.<br />
So wenig vorstellbar wie in Russland ein<br />
Skomoroch ohne Domra, so wenig konnte<br />
man sich in Westeuropa einen Troubadour<br />
oder Minnesänger ohne Laute<br />
vorstellen. Die Entwicklung der Lau-<br />
te hat sich in Europa vollzogen, indem<br />
die Laute als Vorfahrin von vielen Instrumenten<br />
wie der Viola, der Mandoline<br />
oder der Gitarre gilt.<br />
Die Domra hingegen war in Russland ein<br />
allgemein zugängliches Instrument des<br />
Volkes, und sie stand im Mittelpunkt des<br />
Volkslebens. Gespielt wurde die Domra<br />
mit einem Knochen- oder Federkiel-<br />
Plektrum. Die Musiker der damaligen<br />
Zeit schätzten das Instrument: leicht<br />
und klein, schöne Klangfülle und der<br />
Reichtum an künstlerischen und technischen<br />
Möglichkeiten. «Froh ist der Skomoroch<br />
über seine Domra» - sagt ein altes<br />
Sprichwort.<br />
Man konnte in jener Zeit die Domra überall<br />
hören - auf dem Bauernhof und im Palast<br />
des Zaren, bei Festen und bei Trauer.<br />
Der Einfluss der Skomorochen-Kunst<br />
in Russland war so gross, dass der Klerus<br />
ernsthaft und zunehmend beunruhigt<br />
war: ob nicht all das die Menschen von<br />
ihrem Glauben und ihrer Nähe zu Gott<br />
abhalten würde?<br />
So geschah es, dass sich zuerst die russische<br />
Kirche und dann die Herrscher<br />
des Staates gegen Domra und Skomorochen<br />
richteten und dass das Domra-Spiel<br />
im 17.Jh. gänzlich verboten wurde.<br />
Mehr noch, es wurde befohlen, alle<br />
«Teufelsgefässe» mit Saiten und rundem<br />
Körper in ganz Moskau einzusammeln<br />
und zu verbrennen.<br />
Wassilij Andreev<br />
(1861-1918)<br />
Renaissance der Domra<br />
Editorial<br />
Dennoch wurde im 19.Jh. in der Provinz<br />
Wjatka ein kleines Saiteninstrument mit<br />
rundem Korpus gefunden. Das Instrument<br />
ist in die Hände von Wassilij Andreev<br />
gefallen, der sich mit der Suche<br />
und Rekonstruktion von alten Instrumenten<br />
befasste. Andreev hat das Instrument<br />
mit den Bildern auf den alten Kupferstichen<br />
verglichen, und der Vergleich liess<br />
ihn vermuten, dass es sich um die lange<br />
gesuchte Domra handelte.<br />
Es ist dem Streben von Andreev zu verdanken,<br />
dass die in Vergessenheit geratene<br />
russische Domra eine eigentliche<br />
Wassilij Andreev′s Museum in Bejetsk<br />
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