Damir Saracevic - Rede.pdf - ZZI
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Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste,<br />
nach einem Jahr haben wir uns hier, in dem wunderschönen Wissensturm der Stadt Linz,<br />
wieder versammelt, um über das Visumregime und verweigerte Bewegungsfreiheit für die<br />
BürgerInnen Bosnien-Herzegowinas zu sprechen.<br />
Voriges Jahr habe ich ein bisschen mehr darüber gesprochen mit welchen Schwierigkeiten<br />
unser Verein bei dem kulturellen Austausch zwischen ÖsterreicherInnen und BosnierInnen<br />
konfrontiert wurde. Damals haben wir, unter anderem, den angesehenen bosnischen<br />
Schriftsteller Hazim Akmadžić erwähnt, der in der österreichischen Botschaft in Sarajewo<br />
etwa eine Stunde lang über das Inhalt seines Buches befragt wurde. Erst danach bekam er das<br />
Visum. Wir haben auch den Minister für Menschenrechte und Flüchtlinge Bosnien-<br />
Herzegowinas Herrn Prof. Dr. Safet Halilović nach Österreich eingeladen. Er hat auch ein<br />
Visum gebraucht. Seine Assistentin musste sogar in der österreichischen Botschaft erklären in<br />
welchem Zusammenhang unser Verein mit dem genannten Ministerium steht, sowie worüber<br />
Minister Halilović in Linz sprechen würde. Können Sie sich dann vorstellen mit welchen<br />
Schwierigkeiten sich die „einfachen“ BürgerInnen auseinandersetzten müssen?<br />
Heute sind wir schon so weit gekommen, dass einer der hervorragendsten bosnischen<br />
Universitätsprofessoren es abgelehnt hatte nach Linz zu kommen, weil er nicht vor der<br />
Botschaft Schlange stehen und sich demütigen lassen möchte.<br />
Die neue große Enttäuschung erlebten wir mit dem Vorschlag der EU-Kommission, in dem<br />
die Abschaffung des Visumregimes für Mazedonien, Serbien und Montenegro vorgeschlagen<br />
wurde, während den BürgerInnen von Bosnien-Herzegowina und Albanien bis zum weiteren<br />
dieses Privileg verweigert bleibt. Um Ihnen etwas detaillierter erklären zu können was dieser<br />
Vorschlag für Bosnien-Herzegowina und seine Völker bedeutet, werde ich eine kleine<br />
historische Analyse machen müssen.<br />
Erstens, das was hervorgehoben gehört ist, dass wir heute, während wir uns über Bosnien-<br />
Herzegowina unterhalten, über ein Land mit der einzigartiger Kultur in Europa sprechen, das<br />
einen historischen Lauf von etwa 1.000 Jahren hat.<br />
Bosnien-Herzegowina hat mit dem Referendum 1992 seine Unabhängigkeit wieder erhalten,<br />
die von der Europäischen Union am 6. April 1992 anerkannt wurde. Am Tag der<br />
Anerkennung Bosnien-Herzegowinas hat die Jugoslawische Volksarmee (JNA) zusammen<br />
mit den Kräften der serbischen Nationalisten die Hauptstadt Sarajewo angegriffen und damit<br />
begann der Waffenkonflikt in Bosnien-Herzegowina. Dieser Krieg hatte die Elemente des<br />
zwischenstaatlichen Konflikts, bzw. der Aggression auf Bosnien-Herzegowina seitens der BR<br />
Jugoslawien und zeitweise der Republik Kroatien, als auch die Elemente eines internen<br />
Waffenkonflikts.<br />
Das Endziel der ultranationalistischen Ideologien war die ethnische Säuberung des<br />
Territoriums von Bosnien-Herzegowina, das später an das Territorium der benachbarten<br />
Staaten angeschlossen sein sollte. Leider fanden diese Ideologien einen fruchtbaren Boden<br />
auch in einem guten Teil der bosnischen Bevölkerung.<br />
Der Krieg in Bosnien-Herzegowina endete mit der Unterzeichnung des Daytoner<br />
Friedensabkommens am 21. November 1995.<br />
Die pro-bosnische Kräfte haben sich dem Plan der Teilung erfolgreich widersetzt und es ist<br />
ihnen gelungen die territoriale Integrität und Staatlichkeit Bosnien-Herzegowinas zu erhalten.<br />
Als Folge der ethnischen Säuberung kam es aber leider zur inneren Teilung in dem Land.
Die Auseinandersetzung mit den Kriegsverbrechen sowie mit der Ursachen und Folgen des<br />
Krieges, die eine der wichtigsten, vielleicht sogar die wichtigste Vorbedingung für die<br />
Genesung der bosnischen Gesellschaft und den Wiederaufbau des Vertrauens zwischen den<br />
Völkern Bosnien-Herzegowinas ist, wird noch immer nicht ausreichend und leider oft<br />
fehlerhaft thematisiert. In diesem Prozess der Auseinandersetzung mit der<br />
Kriegsvergangenheit muss der Staat als auch Nichtregierungssektor teilnehmen, was ein<br />
Zeichen der demokratischen Gesellschaft wäre. Erst mit einem klaren Bild über seine<br />
Vergangenheit, kann Bosnien-Herzegowina sich in der Gegenwart mit voller Kraft für die<br />
bessere Zukunft einsetzen.<br />
Unsere jungen Generationen, unabhängig davon ob sie in Bosnien-Herzegowina oder in<br />
Österreich leben, tragen auch ein Teil der Verantwortung im Sinne ihrer Meinung und<br />
Stellungnahme gegenüber den Ereignissen im vergangenen Krieg. Die Verantwortlichkeit der<br />
Eltern liegt darin wie sie ihre Kinder erziehen. Der Erfolg dieser Erziehung zeigt sich darin<br />
insoweit diesen Kindern die bosnische Tradition der Toleranz und des gegenseitigen Achtens<br />
eingeprägt wurde.<br />
Mit ihrem Vorschlag übt aber die EU-Kommission schon wieder eine Segregation der<br />
Balkanvölker aus und verstärkt den Nationalismus in Bosnien-Herzegowina. Die Mehrheit der<br />
bosnischen Kroaten hat auch die Staatsbürgerschaft des benachbarten Kroatiens und somit<br />
kann in die Länder der EU frei einreisen. Nur diese Erscheinung, die eine<br />
Zweiklassengesellschaft bildet, ist diskriminierend. Mit dem Vorschlag der Abschaffung des<br />
Visumsregimes für Serbien, ermutigt die EU-Kommission auch die bosnischen Serben die<br />
Staatsbürgerschaft Serbiens anzunehmen. Dadurch werden sich die einen und die anderen von<br />
ihrer Heimat Bosnien-Herzegowina noch mehr abwenden.<br />
Die Europäische Union versucht sich in dieser Frage neutral zu halten und die Angelegenheit<br />
technisch zu begründen. Die Mehrheit der BürgerInnen Bosnien-Herzegowinas empfindet<br />
aber diese Neutralität schon seit den 90er Jahren als Ungerechtigkeit. Wäre damals die<br />
Europäische Union, bzw. die bestimmten Strömungen in der EU, etwas weniger „neutral“<br />
umso mehr aber prinzipiell gewesen, hätte man vielleicht das Blutvergießen und Verbreitung<br />
des Nationalismus in Bosnien-Herzegowina erheblich verhindern können.<br />
Es ist auch wichtig zu betonen, dass, neben den anderen bosnischen StaatsbürgerInnen, die<br />
Annahme dieses Vorschlags der EU-Kommission die BosniakInnen als Volk direkt<br />
benachteiligen würde. Paradoxerweise, an BosniakInnen wurde während des Krieges der<br />
Völkermord ausgeübt und sie sind das Volk das im Krieg am meisten gelitten hatte.<br />
Die Bosniaken, die sich bereits seit längerer Zeit fragen, ob nur deswegen weil sie Muslime<br />
sind nicht genug politischen Willen gab den Völkermord an ihnen zu verhindern, wären mit<br />
solcher Entscheidung als ein Volk in Bosnien-Herzegowina gettoisiert.<br />
Wenn wir diese Tatsachen in Betracht ziehen, bin ich der Meinung, dass man die Erklärung<br />
des ehemaligen Hohen Repräsentanten in Bosnien-Herzegowina Herrn Christian Schwarz-<br />
Schilling ein bisschen besser verstehen könnte, als er zu diesem Vorschlag der EU-<br />
Kommission folgendes sagte: „Diese Maßnahme ist ein Hohn und ein moralischer Schlag<br />
gegen alle europäischen Werte.“<br />
Wenn wir uns am Schluss ein bisschen von dem komplexen politischen Bild in Bosnien-<br />
Herzegowina entfernen, können wir ein Land mit einem einzigartigen kulturellen Schatz in
Europa sehen. Das Land ist seit Jahrhunderten ein Treffpunkt zwischen dem Westen und dem<br />
Osten, als auch eine Brücke zwischen großen monotheistischen Religionen.<br />
Bosnien-Herzegowina ist aufgrund dieser multikulturellen Tradition immer ein fruchtbarer<br />
Boden für ausgezeichnete künstlerische und andere Talente gewesen.<br />
Neben den Kulturhistorischen und tiefen freundschaftlichen Beziehungen mit Bosnien-<br />
Herzegowina, hat Österreich auch die wirtschaftlichen Potentiale Bosniens erkannt und ist mit<br />
über 300 Unternehmen der größte Investor in Bosnien-Herzegowina.<br />
Heute braucht Bosnien-Herzegowina die Unterstützung von seinen Freunden bei der<br />
Förderung der kulturellen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit, als auch bei der langfristigen<br />
Lösung der bosnisch-politischen Frage, die die Funktionalität des Staates zu Nutzen aller<br />
seiner BürgerInnen stabilisieren und vereinfachen würde.<br />
Nur die Rechtsstaatlichkeit sowie die Demokratisierung der Gesellschaft, als auch die<br />
wirtschaftliche Entwicklung, wird Bosnien-Herzegowina einen schnellen Zugang zu der<br />
Europäischen Union ermöglichen.<br />
Es ist eine ermutigende Tatsache, dass die empirischen Forschungen gezeigt haben, dass etwa<br />
70% der BosnierInnen in die Europäische Union wollen, die das Licht am Ende des Tunnels<br />
der bosnischen Gesellschaft sowie des Südosteuropas im allgemeinen darstellt.<br />
Ich danke Ihnen für die Geduld!<br />
<strong>Damir</strong> Saračević, Vorsitzender des <strong>ZZI</strong><br />
Bosnien-Herzegowina auf dem Weg zur EU (Bewegungsfreiheit)<br />
17. September 2009, Wissensturm Linz, <strong>ZZI</strong>/CSI, www.zzi.at