OPER PREMIERE KONZERTANTE AUFFÜHRUNG Daphne Richard Strauss Musikalische Leitung Simone Young Chor Florian Csizmadia Peneios Harald Stamm Gaea Marjana Lipovšek Daphne Emily Magee Leukippos Michael Schade Apollo Scott MacAllister 1. Schäfer Moritz Gogg 2. Schäfer Ladislav Elgr 3. Schäfer Dominik Köninger 4. Schäfer Wilhelm Schwinghammer 1. Magd Trine Wilsberg Lund 2. Magd Brenda Patterson Premiere A 13. April 2008 um 18.00 Uhr Premiere B 17. April 2008 um 19.30 Uhr Aufführungen 20., 24. April 2008 um 19.30 Uhr 8 | <strong>Journal</strong> 5
›DAPHNE‹ Zur Entstehung von Strauss’ bukolischem Musikdrama »Daphne«, das in einer konzertanten Aufführung Premiere feiert Identisch mit der Natur und den Göttern Die letzte Erfüllung griechischer Sehnsucht »Besonders meine griechischen Opern haben in Szenen wie Klytämnestras Traum, Erkennung der Schwester, Erlösung im Tanz, der seelischen Wandlung des Menelas,im Kusse Apollos (Daphne), in Jupiters Abschied von der Welt der Menschen Tonsymbole geschaffen, die als letzte Erfüllung griechischer Sehnsucht gelten dürfen«, resümierte Richard Strauss im Jahre 1945. Neben »Daphne« hat er in vier weiteren Opern musikalische Interpretationen des griechischen Mythos geschaffen: »Elektra«, »Ariadne auf Naxos«, »Die ägyptische Helena« und »Die Liebe der Danae«. Mit dem »Daphne«-Stoff griff Strauss einen der ältesten Mythen des griechischen Altertums auf.Die Geschichte von der Liebe des Gottes Apollo zu der Nymphe Daphne hat von jeher Dichter, Musiker und bildende Künstler inspiriert. Bereits die Textbücher der ersten Opern von Jacopo Peri in Italien (1597) und Heinrich Schütz in Deutschland (1627) verwenden die Sage, wie später auch Händel und Rameau. Vorbilder dieses Stoffes sind unter anderem die Überlieferungen von den Dichtern Ovid, Pausanias und Plutarch. Von Stefan Zweig zu Joseph Gregor Im November 1933 hatte Strauss sich mit einer Mischung aus Opportunismus und Naivität bereit gefunden, Präsident der von den Nationalsozialisten gegründeten »Reichsmusikkammer« zu werden, eine Tatsache, die einen bleibenden Schatten auf seinen Charakter und auch auf sein künstlerisches Schaffen geworfen hat. Thomas Mann formulierte: »Er ist dumm und elend genug, seinen Ruhm zur Verfügung zu stellen, und er macht ebenso dumm und elend Gebrauch davon«. Zu Strauss’ persönlichen Zielen zählte, dass er mit Hilfe dieser Einrichtung das Herausdrängen der Juden aus dem kulturellen Leben verhindern konnte. Dies betraf ihn unmittelbar, denn nach dem frühen Tode Hofmannsthals hatte er in Stefan Zweig einen neuen künstlerischen Partner gefunden; das Libretto zu »Die schweigsame Frau« stammt aus dessen Feder. Die durch beiderseitigen Opportunismus geschaffene Verbindung zwischen Strauss und den Nationalsozialisten hielt jedoch nicht lange, man stellte fest, dass der Komponist als Galionsfigur nicht zu gebrauchen war, da er eigensinnig an europäischen Kultur- und Bildungstraditionen festhielt: »Die Kunst von Morgen ist eine andere als die von Gestern. Sie, Herr Strauss, sind von gestern!« (Goebbels).Der desillusionierte Strauss musste 1935 seinem jüdischen Librettisten mitteilen, dass eine weitere Zusammenarbeit nicht gestattet wurde.Zweig empfahl den Wiener Theaterhistoriker Joseph Gregor als seinen Nachfolger. links: von Lorenzo Berninis »Apollo e Dafne« ließ Richard Strauss sich inspirieren. Menschen, identisch mit der Natur und mit den Göttern Im Juli 1935 wurde Gregor von Richard Strauss zu einem Besuch nach Garmisch eingeladen, um die Möglichkeiten einer zukünftigen literarischen Zusammenarbeit auszuloten. Gregor kannte die Neigung von Strauss zu Vorlagen aus dem griechischen Sagenkreis: »Im Bemühen nicht mit leeren Händen kommen« … legte er dem Komponisten das Szenario des Einakters »Daphne« vor. In seinen Erinnerungen berichtet Gregor: »Mein Blick fiel durch Zufall auf die Lithographie von Théodor Chasseriau,die ›Apollo und Daphne‹ betitelt, aber der bukolischen Tragödie, wie wir sie jetzt auf der Bühne erblicken, wohl so ferne ist als möglich«, und fügte hinzu: »Ich schrieb aber jedenfalls in einem Zuge diese Zeilen, die ohne eine einzige Ausbesserung vor mir liegen: Daphne. Einaktige Tragödie mit Tänzen und Chören. Wunderbare griechische Landschaft. Menschen identisch mit der Natur und mit den Göttern! Der alte Peneios ist zugleich der Fluss und der am Fluss wohnende, singende Fischer. Gäa ist sein Weib und zugleich die schöne, grünende Erde am Peneios. Ihre Tochter Daphne von tiefster Unentschlossenheit … Spiele mit den Wellen am Peneios: es sind Nymphenchöre. Zwei Freier: der Rinderhirt Apollo, weise …, und der junge, tenorale Schafhirte Leukippos. Daphne bleibt rätselhaft, selbst als ihr der Schafhirte einmal den Blitz zeigt. … Leukippos von Apollo von Eifersucht verfolgt, kommt auf die Idee, sich als Mädchen zu verkleiden. Dies ändert völlig das Bild Daphnes, die ihm nun als Freundin zugeneigt. Durch diesen Irrtum kommt er ans Ziel seiner Wünsche. Jetzt ist Daphne völlig verstört und offenbart sich dem Rinderhirten! – Apollo reagiert göttlich und männlich und tötet den Leukippos mit einem Gewitter. Peneios bittet Zeus unter Trauerchören um Leukippos, er möge die Menschen wieder in den Urzustand zurückverwandeln. Zeus gewährt dies, und unter den Spielen der Wellennymphen und vor den Flammen der Verbrennung des Leukippos wächst der Baum Daphne empor.« Strauss zeigte Interesse an dem Entwurf, da er sich schon lange mit dem Gedanken getragen hatte, den ältesten Opernstoff der Welt zu vertonen. Ihn interessierte an diesem Sujet besonders »die menschliche Verkörperung der Natur, die von den beiden Gottheiten Apollo und Dionysos, den Elementen des Künstlerischen,berührt wird, die sie ahnt, aber nicht begreift, und erst durch den Tod zum Symbol des ewigen Kunstwerkes, des vollkommenen Lorbeers, wieder auferstehen kann.« Joseph Gregor begann noch im selben Sommer eine vom ersten Entwurf abweichende »bukolische Tragödie mit Tänzen und Chören«. Die Entwicklung des Projektes gestaltete sich schwierig, der Komponist warf seinem Dichter »schlecht imitierten Homerjargon« vor und »Weltanschauungsbanalitäten«, so dass der gekränkte Gregor kurz davor stand,die Zusammenarbeit aufzukündigen. Strauss begnügte sich nicht nur mit der klanglichen Ausdeutung des Werkes, auch auf Dichtung und szenischen Verlauf nahm er entscheidend Einfluss, achtete beispielsweise auf psychologische Momente, die den szenischen Vorgängen zu besonderer Tiefenwirkung verhelfen sollten. Insgesamt drei Textfassungen sind in wenigen Monaten entstanden, die letzte unter großem Zeitdruck. Am 24. Dezember 1937 vollendete Richard Strauss die Partitur im sizilianischen Taormina, und im Oktober des darauf folgenden Jahres fand in Dresden unter der musikalischen Leitung von Karl Böhm die Uraufführung statt. Die Musik als »Stimme der Natur« Ein besonderes und unverwechselbares Charakteristikum der »Daphne«-Partitur dürfte die kunstvolle Instrumentation sowie die Helligkeit und Durchsichtigkeit des Klangbildes sein: Die Musik zu dieser Oper wirkt insgesamt transparenter als die der vorangegangenen Musikdramen. Dem idyllischen Stoff entsprechend herrschen die lyrisch-sinfonischen Elemente vor, besonders im pastoralen Vorspiel und in der musikalischen Physiognomie der Titelfigur, die von Strauss jugendlich anmutig,aber von kühlem Wesen angelegt wird. Kammermusikalisch filigrane Musik dominiert sowohl im Daphne-Monolog als auch in der eindrucksvollen Metamorphose am Schluss. Die Gewitterszene und die Auseinandersetzung zwischen Daphne, Apollo und Leukippos schaffen einen wirkungsvollen musikalischen Gegensatz. Hier findet der Komponist zu einer tragischen Wucht mit leidenschaftlichen Akzenten,die beim Tode des Leukippos ihren dramatischen Höhepunkt findet. Der von Strauss als »Daphnes Liebestod« bezeichnete Trauergesang, der dieser Szene folgt, ist wiederum geprägt von bewegender Einfachheit und leidenschaftlichem Pathos zugleich. Von besonderem Reiz sind die instrumental gezeichnete Szene des Kusses zwischen Apollo und Daphne sowie die mit Vokalisen untermalte Verwandlungsmusik der Daphne am Schluss der Oper.Mit ihrer in einen Lorbeerbaum verwandelten Gestalt ist sie zur »Stimme der Natur« geworden. ANNEDORE CORDES <strong>Journal</strong> 25 | 9