Blätter - Redemptoristen
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Berufepastoral<br />
Der lange Atem der Geduld<br />
Der Blick auf die Faszination und Schönheit der<br />
Erde, das Wunder des Menschen und die ganze<br />
Schöpfung, bei der bis ins Universum hinein kein<br />
Ende zu sehen ist, hat mich komplett davon überzeugt,<br />
dass dieses große Ganze, das man heute<br />
bereits bis in die allerkleinsten Fasern erforschen<br />
kann, auf einen Gott hindeutet, der das alles nicht<br />
nur ermöglicht hat, sondern in jeder Sekunde am<br />
Leben hält. Aus dieser Überzeugung heraus glaube<br />
ich wirklich, dass ich an Gott glaube.<br />
Aber ist diese Überzeugung auch gleichzusetzen<br />
mit meinem Glauben an Gott? Mit Sicherheit<br />
nicht, denn trotz dieser Gewissheit kommen ja<br />
immer wieder dunkle Stunden, schlaflose Nächte,<br />
Schattenseiten des Lebens auf mich zu, die zwar<br />
kaum an meiner Überzeugung von der Existenz<br />
Gottes rütteln, aber doch Angst, Kummer oder<br />
Unsicherheit aufkommen lassen. Solche Phasen<br />
stellen an mich die Anfrage, was das denn eigentlich<br />
für ein Gott ist und lassen meinen Glauben an<br />
ihn, von dem doch gesagt wird, dass er mich bedingungslos<br />
liebt, dass er mich gerade in solchen<br />
Zeiten „auf seinen Händen“ trägt und will, dass<br />
ich das volle Leben der Fülle habe, ganz klein<br />
werden. Dann noch daran zu glauben, dass Gott<br />
an mich glaubt, kann ganz schön schwer werden.<br />
Auf dem Hintergrund eines Wortes von Adel Bestavros<br />
will ich versuchen,<br />
meine Beziehung zu den<br />
Menschen und zu Gott<br />
gerade in Zeiten, in denen<br />
einem das Leben schwer<br />
gemacht wird, nicht abreißen<br />
zu lassen: „Geduld<br />
mit anderen ist Liebe,<br />
Geduld mit sich selbst ist<br />
Hoffnung, Geduld mit Gott<br />
ist Glaube.“<br />
Geduld brauche ich<br />
auch beim Hineinwachsen<br />
in die Ordensgemeinschaft<br />
der <strong>Redemptoristen</strong><br />
und für das Studium<br />
der Theologie. Lange zehn<br />
Semester und gefühlte<br />
1000 Prüfungen sind der<br />
eher unangenehm zu bezeichnende<br />
äußere Rahmen.<br />
Doch verschiedene Dozenten sowie der<br />
Inhalt bereichern meinen Glauben, indem ihm<br />
u.a. die Selbstverständlichkeit genommen wird,<br />
indem er in Fächern wie „Die Gottesfrage vor<br />
der Herausforderung der Gegenwart“ oder der<br />
Philosophie äußerst kritisch hinterfragt wird, in<br />
Fächern wie „Gotteslehre“, „Christologie“ oder<br />
„Schöpfungstheologie“ durch Interpretationen<br />
und Wege, wie Gott heute gedacht werden kann,<br />
auf festen Grund gestellt wird und indem die Fächer<br />
des Bereichs der Theologischen Ethik für<br />
gelingendes menschliches Leben begründbare<br />
Konsequenzen und Handlungsmöglichkeiten aufzeigen,<br />
die den Anspruch haben, der Botschaft<br />
Jesu zu entspringen und zu entsprechen, die sie<br />
für heute lebbar zu machen versuchen.<br />
So möge auch dieses Jahr des Glaubens Ihnen<br />
und mir helfen, die eigene Beziehung zu dem, der<br />
will, dass Sie und ich gerade zu dieser Zeit leben,<br />
neu zu überdenken und zu vertiefen. Es möge<br />
helfen, den langen Atem der Geduld mit Gott zu<br />
haben und im Vertrauen darauf zu wachsen, dass<br />
Gott an mich glaubt, auch oder gerade dann,<br />
wenn Stunden der Finsternis an mir vorüberziehen,<br />
wenn nichts im Leben mehr klappt oder ich<br />
den Glauben zu verlieren drohe.<br />
Frt. Martin Fehl, Würzburg<br />
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