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gewerkschaften - Einblick-archiv.dgb.de - DGB

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GEWERKSCHAFTEN<br />

ÖTV-Debatte über Dienstleistungsgewerkschaft<br />

„Es lohnt, für ver.di zu kämpfen“<br />

In <strong>de</strong>r ÖTV wächst <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rstand gegen die geplante Dienstleistungsgewerkschaft.<br />

En<strong>de</strong> September will <strong>de</strong>r Hauptvorstand <strong>de</strong>r ÖTV über<br />

seine weitere Beteiligung entschei<strong>de</strong>n. einblick hat Herbert Mai gefragt,<br />

ob ver.di gescheitert ist.<br />

■ Am 27. September entschei<strong>de</strong>t<br />

<strong>de</strong>r Hauptvorstand, ob die ÖTV aus<br />

ver.di aussteigt. Dann liegt das Ergebnis<br />

<strong>de</strong>r erneuten Befragung <strong>de</strong>r<br />

Kreise vor. Wie groß sind die Chancen<br />

<strong>de</strong>r Dienstleistungsgewerkschaft<br />

noch?<br />

■ Ich halte sie nach wie vor für<br />

groß. Dafür müssen allerdings einige<br />

noch immer offene Fragen geklärt<br />

wer<strong>de</strong>n – insbeson<strong>de</strong>re die<br />

Präsenz in <strong>de</strong>r Fläche und die Frage<br />

<strong>de</strong>s <strong>de</strong>mokratischen Aufbaus von<br />

ver.di. Das grundsätzliche Ziel von<br />

ver.di ist auch in <strong>de</strong>r ÖTV unumstritten:<br />

ver.di ist eine wichtige Antwort<br />

auf die Verän<strong>de</strong>rungen in<br />

Wirtschaft und Arbeitswelt, gera<strong>de</strong><br />

im Dienstleistungsbereich.<br />

■ Trotz<strong>de</strong>m scheint die Zustimmung<br />

in <strong>de</strong>r ÖTV in <strong>de</strong>n letzten<br />

Wochen eher gesunken zu sein.<br />

■ Es stimmt, dass die Kritik gewachsen<br />

ist. Ich führe das insbeson<strong>de</strong>re<br />

darauf zurück, dass es in<br />

min<strong>de</strong>stens fünf Lan<strong>de</strong>sbezirken<br />

noch keine Einigung über die<br />

Bezirksbildung gibt. In <strong>de</strong>r ÖTV<br />

spielt Mitglie<strong>de</strong>rnähe eine wichtige<br />

Rolle. Die ÖTV hat zurzeit 163<br />

Kreisverwaltungen. Wir sind bereit,<br />

<strong>de</strong>ren Zahl auf 125 zu reduzieren.<br />

Darunter ist mit <strong>de</strong>r ÖTV nichts zu<br />

machen. Es wäre gut, wenn unser<br />

Kompromissvorschlag von <strong>de</strong>n<br />

an<strong>de</strong>ren Gewerkschaften, insbeson<strong>de</strong>re<br />

von <strong>de</strong>r HBV, akzeptiert<br />

wür<strong>de</strong>. Wohlgemerkt: Es geht nicht<br />

um Nachverhan<strong>de</strong>lnn son<strong>de</strong>rn darum,<br />

noch offene Punkte endlich<br />

zu regeln.<br />

■ Du bist einer <strong>de</strong>r Väter <strong>de</strong>r<br />

Dienstleistungsgewerkschaft. Warum<br />

kämpfst du in dieser kritischen<br />

Phase nicht offensiver für ver.di?<br />

■ Weil ich von öffentlichen Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen<br />

wenig halte. Ich<br />

konzentriere mich auf Veranstaltungen<br />

in <strong>de</strong>r<br />

ÖTV, auf <strong>de</strong>nen<br />

ich mich mit <strong>de</strong>r<br />

Kritik auseinan<strong>de</strong>r<br />

setze und<br />

überzeugen will.<br />

Ohne Überzeugung,<br />

ohne Begeisterung<br />

nach<br />

innen wird ver.di<br />

Herbert Mai<br />

for<strong>de</strong>rt Kompromissbereitschaft<br />

von <strong>de</strong>n<br />

an<strong>de</strong>ren ver.di-<br />

Gewerkschaften,<br />

um die<br />

Dienstleistungsgewerkschaft<br />

nicht zu<br />

gefähr<strong>de</strong>n.<br />

3<br />

nicht zu schaffen sein. Über öffentliche<br />

Äußerungen allein sind Mehrheiten<br />

nicht zu kriegen.<br />

■ In <strong>de</strong>n letzten Wochen ist <strong>de</strong>r<br />

Eindruck entstan<strong>de</strong>n, du hättest<br />

dich bereits von ver.di verabschie<strong>de</strong>t<br />

und wür<strong>de</strong>st dich darauf konzentrieren,<br />

Scha<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>r ÖTV<br />

abzuwen<strong>de</strong>n, sollte ver.di scheitern.<br />

Ist dieser Eindruck richtig?<br />

■ Nicht, was das Ziel betrifft. Ich<br />

halte ver.di nach wie vor für ein Ziel,<br />

für das es sich lohnt zu kämpfen.<br />

Allerdings benenne ich in <strong>de</strong>r letzten<br />

Zeit stärker die Punkte, die wir<br />

noch lösen müssen. Hieraus ist <strong>de</strong>r<br />

Eindruck entstan<strong>de</strong>n, ich wür<strong>de</strong> die<br />

Chancen von ver.di kritisch sehen.<br />

Aber das ist nicht <strong>de</strong>r Fall. Unabhängig<br />

davon bin ich natürlich darum<br />

bemüht, die ÖTV zusammenzuhalten<br />

und nicht in ver.di-Befürworter<br />

und ver.di-Gegner auseinan<strong>de</strong>r driften<br />

zu lassen, ja gera<strong>de</strong>zu auseinan<strong>de</strong>r<br />

fliegen zu lassen. Es ist meine<br />

Aufgabe, dafür zu sorgen, dass alle<br />

im Boot bleiben. Das hat aber<br />

nichts mit meiner grundsätzlichen<br />

Überzeugung zu tun.<br />

■ Falls ver.di scheitert, steht die<br />

ÖTV vor einer schwierigen Situation.<br />

Sparmaßnahmen sind dann<br />

unvermeidlich.Womit rechnest du?<br />

■ Auch die ÖTV muss sich auf<br />

geringere Beitragseinnahmen einstellen.<br />

Sie wird das, was sie jetzt<br />

im ver.di-Prozess als Kompromiss<br />

angeboten hat, etwa die Reduzierung<br />

<strong>de</strong>r<br />

Anzahl ihrer<br />

Kreise,<br />

auch für<br />

sich selbst<br />

als Orientierungsmarke<br />

ansehen. Falls ver.di<br />

scheitern sollte, müssen wir aber<br />

zunächst eine Diskussion führen,<br />

wie sich die ÖTV dann in <strong>de</strong>r Gewerkschaftslandschaft<br />

neu aufstellen<br />

will.<br />

■ Der Wi<strong>de</strong>rstand gegen ver.di ist<br />

auch ein Angriff auf dich. Wirst du<br />

im Falle <strong>de</strong>s Scheiterns von ver.di im<br />

November erneut für <strong>de</strong>n ÖTV-Vorsitz<br />

kandidieren?<br />

■ Ich sehe die Wi<strong>de</strong>rstän<strong>de</strong> gegen<br />

ver.di nicht als Angriff auf meine<br />

Person. Die ÖTV hat eine ausgeprägte<br />

Diskussionskultur, eine Kultur<br />

<strong>de</strong>r Toleranz an<strong>de</strong>ren Meinungen<br />

gegenüber. Dafür stehe ich. Ich<br />

bin kein autoritärer Gewerkschaftsführer,<br />

son<strong>de</strong>rn führe meine Gewerkschaft<br />

im Dialog. Im Übrigen:<br />

Wenn sich die ÖTV mit einer Sperrmin<strong>de</strong>rtheit<br />

gegen ver.di aussprechen<br />

sollte, dann ist das ein Problem<br />

<strong>de</strong>r gesamten ÖTV, nicht nur<br />

<strong>de</strong>s Vorsitzen<strong>de</strong>n.<br />

■ Wenn die ÖTV aus ver.di aussteigt,<br />

wollen die an<strong>de</strong>ren vier Gewerkschaften<br />

ver.di notfalls auch<br />

allein grün<strong>de</strong>n, die Tür aber für die<br />

ÖTV offen halten. Ist das eine realistische<br />

Perspektive?<br />

■ Ich halte das für keine gute<br />

Lösung. ver.di soll die Konkurrenz<br />

zwischen <strong>de</strong>n Gewerkschaften<br />

minimieren, Kräfte bün<strong>de</strong>ln, um gegenüber<br />

Arbeitgebern und Politik<br />

kraftvoll auftreten zu können. Ein<br />

Zusammenschluss ohne die ÖTV<br />

wür<strong>de</strong> die Konkurrenz noch erhöhen.<br />

Es wäre eine absolute Notlösung,<br />

die höchstens übergangsweise<br />

zum Tragen kommen könnte. •<br />

Foto: Jürgen Sei<strong>de</strong>l<br />

Chronologie<br />

Oktober 1997 DAG, DPG,<br />

GEW, GdED, HBV, IG Medien<br />

und ÖTV kündigen an, sich<br />

zu einer Dienstleistungsgewerkschaft<br />

zusammenzuschließen.<br />

Februar 1999 Sechs <strong>de</strong>r<br />

ursprünglich sieben Dienstleistungs<strong>gewerkschaften</strong><br />

präsentieren eine erste<br />

gemeinsame Positionsbestimmung.<br />

Die GdED hat sich<br />

kurz zuvor zurückgezogen,<br />

wenig später folgt die GEW.<br />

November 1999 Auf fünf<br />

parallelen Gewerkschaftstagen<br />

beauftragen DAG, DPG,<br />

HBV, IG Medien und ÖTV ihre<br />

Vorstän<strong>de</strong>, die Gründung<br />

einer „Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft“<br />

(ver.di)<br />

vorzubereiten.<br />

Dezember 1999 Die fünf<br />

Dienstleistungs<strong>gewerkschaften</strong><br />

bil<strong>de</strong>n die Gründungsorganisation<br />

„Go ver.di“.<br />

März 2000 Bei einer Umfrage<br />

in <strong>de</strong>r ÖTV fin<strong>de</strong>t ver.di<br />

nur 64 Prozent Zustimmung.<br />

In <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Gewerkschaften<br />

wächst <strong>de</strong>r Unmut.<br />

Sie fühlen sich erpresst.<br />

September 2000 Auf <strong>de</strong>r Basis<br />

einer erneuten Umfrage<br />

will <strong>de</strong>r Hauptvorstand <strong>de</strong>r<br />

ÖTV über seine weitere Beteiligung<br />

an ver.di entschei<strong>de</strong>n.<br />

Gleichzeitig kündigen<br />

die an<strong>de</strong>ren Gewerkschaften<br />

an, ver.di notfalls auch ohne<br />

die ÖTV zu grün<strong>de</strong>n. Alle<br />

Beteiligten sehen hierin<br />

nur eine Übergangslösung.<br />

➜<br />

Im Faxabruf<br />

0211 / 43 01 674<br />

Interview mit Herbert Mai<br />

zu <strong>de</strong>n Chancen von ver.di<br />

(Langfassung)<br />

einblick 15/00

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