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gewerkschaften - Einblick-archiv.dgb.de - DGB

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GEWERKSCHAFTEN<br />

Ein Jahr <strong>DGB</strong>-Bun<strong>de</strong>svorstand in Berlin<br />

„Das gibt ’nen Kick“<br />

Der Deutschen Presse-Agentur<br />

war‘s am 29. Juli 1999 eine Meldung<br />

wert: „<strong>DGB</strong>-Kopfstelle<br />

nimmt am 1. September in Berlin<br />

Arbeit auf.“ Wie hat sich seit<strong>de</strong>m<br />

die politische Arbeit, wie hat sich<br />

die Belegschaft verän<strong>de</strong>rt?<br />

Pressesprecher Hans-Jürgen<br />

Arlt, von jeher Berlin-Befürworter,<br />

fühlt sich bestätigt: Berlin sei „das<br />

Beste“, was <strong>de</strong>m <strong>DGB</strong> seit 50 Jahren<br />

passiert sei. Als politische Interessenvertretung<br />

habe er nur dort<br />

eine Chance. Und Berlin wer<strong>de</strong>,<br />

5<br />

15<br />

1 Wirtschaftsministerium 2 Bündnis 90/Die Grünen<br />

3 FDP 4 PDS 5 Innenministerium<br />

6 Bun<strong>de</strong>skanzleramt (im Bau) 7 Reichstag<br />

8 Arbeitgeberverbän<strong>de</strong> 9 Auswärtiges Amt<br />

10 Arbeitsministerium 11 Justizministerium<br />

12 Bun<strong>de</strong>srat 13 Finanzministerium<br />

14 Verkehrsministerium 15 CDU 16 SPD<br />

„was Bonn nie sein konnte – das<br />

politische und intellektuelle Zentrum<br />

<strong>de</strong>r Republik.“<br />

Die Arbeitsbedingungen <strong>de</strong>s<br />

<strong>DGB</strong> hätten sich auf Grund <strong>de</strong>r<br />

größeren Nähe zu <strong>de</strong>n politischen<br />

Entscheidungsträgern erheblich<br />

verbessert, heißt es in <strong>de</strong>r <strong>DGB</strong>-<br />

Spitze. Gleichzeitig müsse <strong>de</strong>r<br />

Dachverband seine Konturen schärfen<br />

und attraktiver wer<strong>de</strong>n. Denn<br />

das geballte Aufeinan<strong>de</strong>rtreffen<br />

von Medien, Politik und Verbän<strong>de</strong>n<br />

in Berlin habe die Konkurrenz um<br />

öffentliche Aufmerksamkeit ver-<br />

6<br />

schärft. Die politische Führung mag<br />

sich gar nicht vorstellen, von Düsseldorf<br />

aus agieren zu müssen. Aus<br />

<strong>de</strong>r Perspektive <strong>de</strong>r Hauptstadt<br />

hätte <strong>de</strong>r Verband dann nur noch<br />

marginale Be<strong>de</strong>utung.<br />

Zum Thema Berlin gibt’s an bei<strong>de</strong>n<br />

<strong>DGB</strong>-Standorten fast so viele<br />

Meinungen wie Beschäftigte. Die<br />

politische Notwendigkeit <strong>de</strong>s Umzugs<br />

bestreiten jedoch die wenigsten.<br />

Selbst die nicht, die ihren alten<br />

Wohnsitz beibehalten haben und<br />

in die Hauptstadt pen<strong>de</strong>ln, von<br />

Frau/Mann und Kin<strong>de</strong>rn getrennt<br />

1 2<br />

7<br />

Bran<strong>de</strong>nburger Tor<br />

Potsdamer Platz<br />

12 13<br />

<strong>DGB</strong><br />

Bun<strong>de</strong>svorstand<br />

Näher dran: Ob Kanzleramt, Regierung und Parlament, Parteien o<strong>de</strong>r Arbeitgeberverbän<strong>de</strong><br />

– alle sind vom <strong>DGB</strong>-Bun<strong>de</strong>svorstand aus schnell erreichbar.<br />

3<br />

10<br />

16<br />

14<br />

1 km<br />

leben. Nicht nur für sie hat sich die<br />

Reisetätigkeit wesentlich erhöht.<br />

Die Wege nach Bonn – beispielsweise<br />

ins dort noch ansässige<br />

Arbeitsministerium – o<strong>de</strong>r nach<br />

Brüssel sind länger gewor<strong>de</strong>n.<br />

Manche sind von Berlin begeistert<br />

und haben inzwischen ihren<br />

Wohnsitz gewechselt, an<strong>de</strong>re nehmen<br />

die Wochenend-Ehe zähneknirschend<br />

in Kauf, an<strong>de</strong>re wollen<br />

o<strong>de</strong>r können nicht pen<strong>de</strong>ln, arbeiten<br />

ganz o<strong>de</strong>r teilweise noch in<br />

Düsseldorf.Verwaltungsangestellte,<br />

die ausschließlich am alten Stand-<br />

11<br />

9<br />

8<br />

ort arbeiten, fühlen sich abgehängt.<br />

Die Arbeit mache „wirklich keinen<br />

Spaß mehr“, sagt eine. Manche<br />

quälen Existenzängste, weiß Betriebsratsvorsitzen<strong>de</strong>r<br />

Georg Faupel.<br />

Wer noch keinen neuen Job gefun<strong>de</strong>n<br />

habe, „wird ihn vielleicht auch<br />

nicht fin<strong>de</strong>n“.<br />

Größe und Struktur <strong>de</strong>r Belegschaft<br />

haben sich stark verän<strong>de</strong>rt.<br />

Insgesamt arbeiten in Berlin zurzeit<br />

104 Beschäftigte, 66 von ihnen aus<br />

Düsseldorf; acht wer<strong>de</strong>n von dort<br />

noch erwartet. Dann hat sich die<br />

Zahl <strong>de</strong>r Beschäftigten an <strong>de</strong>r Spree<br />

auf 112 erhöht. Vor <strong>de</strong>m Umzug<br />

zählte die <strong>DGB</strong>-Zentrale 179 Beschäftigte,<br />

perspektivisch sollen es<br />

156 wer<strong>de</strong>n. 38 <strong>de</strong>r 104 in Berlin<br />

Beschäftigten sind neu<br />

eingestellt wor<strong>de</strong>n, davon<br />

16 befristet.<br />

Wolfgang Baumgartner<br />

von <strong>de</strong>r Personalabteilung<br />

sieht in <strong>de</strong>r verän-<br />

4<br />

<strong>de</strong>rten Zusammensetzung<br />

durchaus Vorteile:<br />

„Die neuen Leute hauen<br />

richtig rein; die alten sind<br />

zwangsläufig motiviert,<br />

sonst wären sie nicht<br />

mitgegangen.“ Diese<br />

Mischung, so Baumgartner,<br />

„das gibt ’nen Kick.“<br />

Betriebsratschef Faupel<br />

hingegen schätzt die<br />

Situation negativ ein:<br />

„Die Betriebsgemeinschaft<br />

ist nicht mehr da,<br />

man lebt sich auseinan<strong>de</strong>r.“<br />

Von <strong>de</strong>n sieben Mitglie<strong>de</strong>rn<br />

<strong>de</strong>s Betriebsrats<br />

ist niemand nach Berlin gegangen.<br />

Und dort wird <strong>de</strong>ssen fehlen<strong>de</strong> Präsenz<br />

heftig kritisiert, sogar die Wahl<br />

einer eigenen Interessenvertretung<br />

erwogen. Beklagt wird dort auch<br />

das Fehlen einer Kantine, man trifft<br />

sich nur im Aufzug o<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>m<br />

Flur. Die Verwaltungsangestellte<br />

Silvia Grigun hat aus dieser Not eine<br />

Tugend gemacht und per E-Mail<br />

zum Frauen-Stammtisch in eine<br />

benachbarte Kneipe eingela<strong>de</strong>n.<br />

Mit Erfolg. Trotz Urlaubszeit kamen<br />

15 Frauen. Der Stammtisch will sich<br />

jetzt regelmäßig treffen. •<br />

Sensationell waren<br />

die Entscheidungen <strong>de</strong>s <strong>DGB</strong>-<br />

Bun<strong>de</strong>skongresses 1998 in<br />

Sachen Berlin-Umzug. Die<br />

erste vom 9. Juni lautete:<br />

„<strong>DGB</strong> zieht nicht nach Berlin.“<br />

Wi<strong>de</strong>r Erwarten hatte<br />

<strong>de</strong>r Antrag <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>svorstan<strong>de</strong>s,<br />

die Satzung zu<br />

än<strong>de</strong>rn und <strong>de</strong>n Sitz <strong>de</strong>r<br />

Zentrale in die Hauptstadt zu<br />

➜<br />

verlegen, nicht die erfor<strong>de</strong>rliche<br />

Zweidrittel-Mehrheit<br />

gefun<strong>de</strong>n. Doch tags darauf<br />

sah die Welt wie<strong>de</strong>r ganz<br />

an<strong>de</strong>rs aus: „Berlin-Umzug<br />

politisch beschlossen“, lautete<br />

die zweite Entscheidung.<br />

Eine große Mehrheit <strong>de</strong>r<br />

Delegierten beauftragte<br />

<strong>de</strong>n <strong>DGB</strong>-Vorstand, die Sitz-<br />

Verlegung „umgehend“ zu<br />

planen und durchzuführen.<br />

Und das geschah dann auch.<br />

Parallel dazu vereinbarten<br />

<strong>DGB</strong> und Betriebsrat einen<br />

Sozialplan: Fortsetzung aller<br />

Arbeitsverhältnisse in Berlin,<br />

Ausschluss betriebsbedingter<br />

Kündigungen bis En<strong>de</strong><br />

2002, Qualifizierungs- und<br />

Fortbildungsmaßnahmen,<br />

Umzugskostenerstattung<br />

und befristete Übernahme<br />

<strong>de</strong>r Kosten für doppelte<br />

Haushaltsführung sowie eine<br />

Abfindung für diejenigen,<br />

die eine neue Tätigkeit bei<br />

einem an<strong>de</strong>ren Arbeitgeber<br />

aufnehmen nach <strong>de</strong>r Formel<br />

Alter mal Betriebszugehörigkeit<br />

mal Bruttomonatsgehalt,<br />

geteilt durch 65.<br />

Berlin wird wohl auf <strong>de</strong>m<br />

<strong>DGB</strong>-Kongress 2002 auch<br />

offiziell zum Sitz <strong>de</strong>s <strong>DGB</strong><br />

erklärt.<br />

5 einblick 15/00

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