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FREIE SICHT : Adam Jankowski - Jovis Verlag

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Hans Zitko und Anne Marie Freybourg (Hrsg.)<br />

Werner Hofmann (1928–2013) gewidmet, von dem ich lernte, die Kraftlinien der Kunst zu begreifen.<br />

<strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong><br />

<strong>FREIE</strong> <strong>SICHT</strong> : <strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong><br />

und Künstler aus seiner Malereiklasse an der HfG Offenbach 1987-2013<br />

Dirk Baumanns<br />

Dorothee Diebold<br />

Bea Emsbach<br />

Goekhan Erdogan<br />

Oliver Flössel<br />

Parastou Forouhar<br />

Sebastian Heinrich<br />

Xenia Lesniewski<br />

Clemens Mitscher<br />

Sabine Moritz<br />

Julia Oschatz<br />

Erik Pfeiffer<br />

Röther von Wangenheim<br />

Frank Schylla<br />

Marcus Sendlinger<br />

Henning Strassburger<br />

Cornelia Thomsen<br />

Nasan Tur<br />

Tatiana Urban<br />

Markus Weisbeck<br />

Dan Zhu<br />

Peter Zizka<br />

Nassauischer Kunstverein Wiesbaden 2013<br />

2 <strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong><br />

3


Inhalt<br />

Bernd Kracke<br />

<strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong><br />

Elke Gruhn<br />

<strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong><br />

Philipp von Wangenheim<br />

Geleitwort<br />

Dank<br />

Zur Ausstellung<br />

Freie Sicht, oder die Welt, wie sie ist<br />

Fünf Uhr morgens<br />

7<br />

10<br />

11<br />

12<br />

20<br />

Freie Sicht<br />

Clemens Mitscher<br />

Sabine Moritz<br />

Peter Zizka<br />

Markus Weisbeck<br />

Marcus Sendlinger<br />

Julia Oschatz<br />

Bea Emsbach<br />

Frank Schylla<br />

Parastou Forouhar<br />

Nasan Tur<br />

Henning Strassburger<br />

Tatiana Urban<br />

Röther von Wangenheim<br />

Oliver Flössel<br />

Erik Pfeiffer<br />

Cornelia Thomsen<br />

Dirk Baumanns<br />

Goekhan Erdogan<br />

Dorothee Diebold<br />

Sebastian Heinrich<br />

Xenia Lesniewski<br />

Dan Zhu<br />

<strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong><br />

21<br />

22<br />

26<br />

30<br />

34<br />

38<br />

42<br />

46<br />

50<br />

54<br />

58<br />

62<br />

66<br />

70<br />

74<br />

78<br />

82<br />

86<br />

90<br />

94<br />

98<br />

102<br />

106<br />

110<br />

Anne Marie Freybourg<br />

Ohne Utopie geht es nicht<br />

Zur Malerei von <strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong><br />

114<br />

Hans Zitko<br />

Das paradoxe Unternehmen der Malerei<br />

Zu einigen Bildern von <strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong><br />

118<br />

<strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong><br />

Anhang zur Lehre<br />

Ansichten der Klasse<br />

Aus dem Arbeitstagebuch 1987<br />

Independent Artists<br />

Die Segel<br />

Beschreibungstexte der Lehrveranstaltungen<br />

Ausstellungen/Publikationen der Klasse<br />

Exkursionen<br />

Index/Diplomanden<br />

134<br />

136<br />

138<br />

141<br />

148<br />

150<br />

152<br />

154<br />

158<br />

Impressum<br />

160<br />

4 Sven Schuppar : »Goldrausch« 2008<br />

5


Bernd Kracke<br />

Geleitwort<br />

»So trifft man sich wieder«, dachte ich damals, als ich als neu berufener Professor für Elektronische<br />

Medien <strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong> 1999 in der Hochschule für Gestaltung (HfG) Offenbach<br />

traf, wo er schon seit 1987 als Professor für Malerei tätig war. Unsere erste Begegnung<br />

lag gut 25 Jahre zurück. 1974 lernten wir uns erstmalig in Hamburg an der Hochschule für<br />

bildende Künste kennen, im Atelier der Klasse von Almir Mavignier in der Spaldingstrasse<br />

am Berliner Tor; es war eine angemietete Atelier-Expositur im rauen innenstädtischen Industriegebiet<br />

der Hansestadt – auch damals hatten Kunsthochschulen schon mit Platzproblemen<br />

zu kämpfen, ähnlich wie derzeit die HfG Offenbach.<br />

Nun, nach 26 Jahren Lehrtätigkeit an der HfG Offenbach, geht <strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong>, der Hamburger<br />

aus Wien, von Bord. Ein gutes Vierteljahrhundert hat der in Danzig geborene und<br />

aufgewachsene, in Wien und Hamburg studierte und dort auch ansässige, in der Welt weit<br />

herumgekommene Künstler das Lehrgebiet Malerei geprägt – und auch ein Stück weit die<br />

gesamte HfG.<br />

Sven Schuppar, »Arche«, 2008<br />

Dazu trugen nicht nur sein unermüdliches Engagement in der künstlerischen Lehre und der<br />

programmatischen Entwicklung der Hochschule bei: Auch bei zentralen Publikationen war<br />

er immer wieder mitverantwortlich für Konzeption und Redaktion. Als Beispiele seien hier<br />

die erste Selbstverständnis- und Übersichtsbroschüre der HfG von 1991 oder die Festschrift<br />

»Gestalte/Create« genannt, die 2007 anlässlich des 175–jährigen Jubiläums unserer Institution<br />

erschienen ist.<br />

<strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong> hat die Kunst, die Malerei, auch als eine theoretische Disziplin verstanden<br />

und gelehrt; schließlich war seinem Studium der bildenden Kunst in Hamburg ebendort<br />

auch ein Studium der Kunstgeschichte gefolgt.<br />

Bemerkenswert fand ich immer, dass er davor Maschinenbau studierte. Man muss sich eine<br />

solche Entscheidung, einen solchen Schritt einschließlich der Konsequenzen, erst einmal<br />

vergegenwärtigen. Da ist ein Maschinenbauer, der sich in die Kunst verliebt. Davon gibt es<br />

sicherlich viele, aber hier ist einer, der den Rechenschieber in der Schublade wegschließt<br />

und zum Pinsel greift. Und nicht nur das: Er schwört seinem alten Glauben an das rein<br />

rationale Denken ab und heiratet die mitunter doch recht launische Malerei und bleibt ihr<br />

treu. Und sie ist ihm treu. So wie es aussieht wohl ein Leben lang. Kein Märchen, sondern<br />

der Lebensweg von <strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong>.<br />

6 Geleitwort<br />

Bernd Kracke : Geleitwort 7


Geleitwort<br />

Unaufhörlich beschäftigt sich <strong>Jankowski</strong> neben seiner künstlerischen Arbeit mit theoretischen<br />

Fragen zu den Begrifflichkeiten der Gestaltung sowie zu allgemeinen philosophischästhetischen,<br />

historisch-gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Prozessen und Erkenntnissen:<br />

Kunst mit Gefühl und Verstand.<br />

In seinen Bildern, die sich von realistischer Malerei hin zu einer abstrakten, mit Unschärfe<br />

agierenden Bildsprache entwickelte, verhandelte er auch seine theoretischen Reflexionen.<br />

Sein Lehrgebiet an der HfG Offenbach umschrieb er in einem Satz: »Forschungsschwerpunkt:<br />

Landschaftsmalerei im Zeitalter der digitalen Bildtechnologien«. Hier zeigt sich<br />

insbesondere – als Konzentrat – die Relevanz der Verzahnung alter und neuer Bildtechnologien<br />

für die Lehre an der HfG – mitgeprägt und mitgetragen von der Lehr- und Künstlerpersönlichkeit<br />

<strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong>, der auch als langjähriger Dekan von 1989 bis 2000 und<br />

von 2006 bis 2011 den Fachbereich Visuelle Kommunikation leitete und konturierte.<br />

Sicher ist es auch die Disziplin, die seine Arbeit, seine Lehre kennzeichnet; eine mitunter<br />

eiserne, wie man sie zum Rennradfahren benötigt, also für <strong>Adam</strong>s sportliches Hobby, dem<br />

er in seiner Freizeit leidenschaftlich frönt. Ehrlich, geradeaus, authentisch, ... <strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong><br />

hat es nie interessiert in ruhigem Gewässer zu schwimmen, vielmehr sind es die<br />

Ecken und Kanten, die Reibungen, die ihn charakterisieren – im Leben, der Lehre wie in<br />

der Kunst. Das wird fehlen.<br />

Umso mehr freue ich mich über die Ausstellung im Nassauischen Kunstverein Wiesbaden<br />

anlässlich seines Abschieds von der Hochschule, die mit seinen eigenen Werken und denen<br />

seiner Studierenden und Absolventen bestückt ist. Die Vielfalt – die TeilnehmerInnen<br />

kommen aus den Bereichen der Kunst und der Medien – verdeutlicht einmal mehr <strong>Adam</strong><br />

<strong>Jankowski</strong>s Offenheit für Neues und sein nachhaltiges Wirken an der Hochschule, für das<br />

ich ihm an dieser Stelle nochmals herzlich danken möchte.<br />

Mein herzlicher Dank geht auch an den Nassauischen Kunstverein Wiesbaden, der mit der<br />

Ausstellung »Freie Sicht: <strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong> und Künstler aus seiner Malereiklasse an der<br />

HfG Offenbach 1987–2013«, der Offenbacher Kunsthochschule eine sehr attraktive Gelegenheit<br />

eingeräumt hat, einen Teil seiner künstlerischen Leistungsfähigkeit in architektonisch<br />

sehr stimmungsvollen, zentral gelegenen Räumen der Landeshauptstadt Wiesbaden<br />

der Öffentlichkeit präsentieren zu können. Es ist eine interessante und produktive Zusammenarbeit,<br />

über deren Fortsetzung ich mich sehr freuen würde.<br />

Christian Janecke, Robert Lettner, Burghart Schmidt, <strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong>, Bernd Kracke,<br />

Peter Ballmaier, Eröffnung der Ausstellung »<strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong>/Robert Lettner: Philosophie der Landschaft«,<br />

Kunststation Kleinsassen/Fulda, März 2012, Foto: Fuldaer Nachrichten<br />

Prof. Bernd Kracke<br />

Präsident der Hochschule für Gestaltung Offenbach/M<br />

8 Geleitwort<br />

Bernd Kracke : Geleitwort 9


Dank<br />

Elke Gruhn<br />

Zur Ausstellung<br />

Ausstellungsprojekte mit einem Umfang wie »Freie Sicht« sind nicht selbstverständlich<br />

und entstehen nicht von selbst. Mein Dank für engagierte Mitwirkung an der Ausstellung<br />

und der Produktion des Katalogbuches gilt daher zuallererst den ausstellenden Künstlern.<br />

Ich bedanke mich auch bei den Autoren Dr. Anne Marie Freybourg und Dr. Hans Zitko, die<br />

mich mit ihren profund elaborierten Texten überrascht und erfreut haben.<br />

Als mitwirkende Künstler sind wir alle Frau Elke Gruhn und Frau Sara Stehr vom Nassauischen<br />

Kunstverein Wiesbaden für die Einladung zur Ausstellung und für die Unterstützung bei der<br />

Realisation des Projekts zu großem Dank verpflichtet. Auch dem gesamten Team des NKV<br />

Wiesbaden danke ich für seine tatkräftige Hilfe beim Aufbau. Zu danken ist weiterhin dem<br />

Art Regio Kulturengagement der Sparkassen Versicherung und dem Verein der Freunde<br />

und Förderer der HfG Offenbach/M, die mit ihren Zuwendungen die Ausstellung gefördert<br />

haben.<br />

Ohne eine großzügige Förderungszuwendung seitens des Hessischen Ministeriums für<br />

Wissenschaft und Kunst hätte der Druck dieser Publikation im vorliegenden Umfang<br />

nicht realisiert werden können – hier gilt mein besonderer Dank Frau Staatsministerin<br />

Eva Kühne-Hörmann. Ich danke auch Herrn Jochen Visscher vom jovis <strong>Verlag</strong> Berlin, und<br />

Herrn Philipp Sperrle, dem unerbittlichen Lektor mit scharf fokussierenden Augen, für ihre<br />

begeisterte Zusammenarbeit bei der Produktion dieses Buches.<br />

Mein besonders großer Dank geht an Herrn Prof. Bernd Kracke, Präsident der Hochschule<br />

für Gestaltung Offenbach/M, für seine vorausschauende Hilfestellung bei der Planung<br />

und Bewältigung des Projekts. Mit Dankbarkeit denke ich auch an andere Kollegen und<br />

Kolleginnen, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen an der Hochschule, die mich – nicht nur im<br />

vorliegenden Fall, sondern auch allgemein in der Lehre und bei der künstlerischen Arbeit<br />

– auf vielfältige Art mit Rat und Tat unterstützt und ermuntert haben – immer engagiert<br />

und mit viel Mutterwitz.<br />

And last but not least: Besonders herzlich möchte ich mich bei unserem Professor für<br />

Kunstgeschichte und Theorie der aktuellen Kunst, Herrn Dr. Christian Janecke, bei Herrn<br />

Dr. Burghart Schmidt, von 1997–2012 Professor für Sprache und Ästhetik an der HfG, und<br />

auch bei Herrn Dr. Hans Zitko, Professor für Wahrnehmungstheorie, für ihre klugen und<br />

kompetenten Anregungen bedanken und für ihre meist nachdenklich stimmenden, jedoch<br />

stets ermutigenden Analysen zur Kunst und Zeit.<br />

<strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong><br />

<strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong> beendet in diesem Jahr seine Lehrtätigkeit als Professor an der renommierten<br />

Hochschule für Gestaltung in Offenbach, deren positive Entwicklung er entscheidend<br />

mitgeprägt hat. Bezeichnend gleichermaßen für seinen kompromisslosen Stil<br />

der Lehre und die eigene künstlerische Laufbahn war und ist der Austausch mit anderen<br />

Künstlerinnen und Künstlern. Entsprechend konsequent gestaltet er das Resümee seiner<br />

Lehrtätigkeit in Form einer Gruppenausstellung in Kooperation mit Alumni aus seiner Klasse.<br />

Die Grundlage für sein ambitioniertes Ausstellungskonzept bildet der bis heute bestehende,<br />

sehr gute Kontakt zu den ehemaligen Schülerinnen und Schülern, Studentinnen und<br />

Studenten aus 26 Jahren Lehrtätigkeit. Den Grundsatz seiner Lehre »<strong>FREIE</strong> <strong>SICHT</strong>« – als<br />

Formel für eine unabhängige künstlerische Entwicklung — wählt <strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong> auch als<br />

Ausstellungstitel. Bis heute ist er bestens vertraut mit der künstlerischen Entwicklung der<br />

jüngeren Generation, wodurch es ihm gelingt, eine harmonische Ausstellung mit kontrapunktischer<br />

Raffinesse zu komponieren, die die Zielsetzung seiner Lehre als Melodie durch<br />

alle Räume des Kunstvereins trägt.<br />

Die Förderung zeitgenössischer Kunst und deren Vermittlung bilden die zwei Hauptaufgaben<br />

des Nassauischen Kunstvereins Wiesbaden, der programmatisch neben thematischen<br />

Gruppenausstellungen und dynamisch-experimentellen Einzelpositionen auch immer wieder<br />

Klassen der umliegenden Kunsthochschulen zeigt, um die aktuelle Entwicklung stichprobenhaft<br />

zu dokumentieren. Ein Unterfangen, das in der Landeshauptstadt Hessens auch<br />

als politisches Statement verstanden werden darf. Eine bilanzierende Ausstellung mit einer<br />

ganzen Gruppe von Künstlerinnen und Künstlern, deren Gemeinsamkeit zwar ein bestimmtes<br />

Element ihrer Ausbildung war, die jedoch heute „independent“ und etabliert, geografisch<br />

weit verstreut ihren eigenen Weg gehen, war für uns als gastgebende Institution<br />

spannendes Neuland — an dieser Stelle möchte ich allen Künstlerinnen und Künstlern für<br />

ihr großes Engagement danken. Für uns waren es neue Namen aber auch alte Bekannte, die<br />

zum Teil ihre Ausstellungslaufbahn bei uns im Haus starteten, aber immer eine Inspiration.<br />

»<strong>FREIE</strong> <strong>SICHT</strong>« versammelt Werke aus den unterschiedlichsten Bereichen und Medien der<br />

Kunst: Malerei, Zeichnung, Objekte, Künstlerfotografie, Rauminstallation, Designentwürfe,<br />

die in tradierten und digitalen Formen präsentiert werden. Diese Vielseitigkeit fasst <strong>Adam</strong><br />

<strong>Jankowski</strong> treffend zusammen: „Die Formen der Kunst sind vielfältig wie das Leben“ – ihm<br />

gilt der Dank für sein Lebenswerk.<br />

Elke Gruhn<br />

Künstlerische Leiterin Nassauischer Kunstverein Wiesbaden<br />

freunde der hfg<br />

10 <strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong> : Dank an Förderer und Kooperationspartner Elke Gruhn : Zur Ausstellung 11


<strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong><br />

Freie Sicht, oder die Welt wie sie ist<br />

Galerie nächst St. Stephan Wien 1969, Ausstellung<br />

»10 über 10«, 2 »Strukturelle Konstellationen« von<br />

<strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong>, vorne Objekt von Uta Beckmann<br />

Bilder malen ist schön. Ausstellungen machen ist auch schön. Woher stammt jedoch meine<br />

Lust an dem Zusammenstellen und Aufbauen von Ausstellungen? Die Erklärung liefern –<br />

wie so häufig – vermutlich Erlebnisse des Künstlers aus seinen Anfängen, aus jener Zeit,<br />

als er als junger Mann noch lernte, ein Künstler zu sein. Im Jahre 1968 – ich war gerade<br />

20 Jahre alt und studierte im ersten Jahr an der Wiener Kunstakademie – suchte mich in<br />

meinem mir von der Akademie gestellten Atelier, das sich im 3. Bezirk in der Keinergasse<br />

befand, der Bildhauer Oswald Oberhuber 1 auf. Als Assistent von Monsignore Otto Mauer,<br />

des damaligen Leiters der Galerie Nächst St. Stephan, war er gerade dabei, für die damals<br />

höchst angesehene Galerie – sie agierte noch nicht als leblose Kommerzbude, sondern als<br />

intellektuell vitale Programmgalerie – eine Ausstellung mit Arbeiten der jungen Generation<br />

zusammenzustellen. Oswald, genannt Ossi, Oberhuber schaute sich kurz in meinem Atelier<br />

um, hielt die Nase in den eingetrockneten Kochtopf mit den gebackenen Bohnen, würdigte<br />

die sorgfältig aufgebauten Bilder nur eines flüchtigen Blickes und sagte im Weggehen: »In<br />

der Ausstellung bist du dabei - schickst zwei große Bilder und baust ein Objekt auf.« Von<br />

nun an war ich in Oswald Oberhubers Umfeld und verfolgte sein künstlerisches Treiben<br />

mit angemessener Neugier. 1969 sah ich die von ihm ausgerichtete thematische Gruppenausstellung<br />

»Kunst ohne Künstler: Surrealisten ohne Surrealismus, Surrealismus ohne<br />

Surrealisten«, war aufmerksamer Gast bei mehren »Internationalen Kunstgesprächen«<br />

und besuchte seine Einzelausstellungen, unter anderem auch die Ausstellung »Galerie in<br />

Ruhe«. Mit solchen Aktivitäten gelang es Oswald Oberhuber, die bis dahin vom biederen,<br />

missverstandenen Surrealismus verkrustete österreichische Kunstszene für internationale<br />

Kunstformen zu öffnen. Für mich wurde dadurch klar, dass ein diskursiv ausgerichteter<br />

Künstler seine künstlerischen Projekte auch in Form von Ausstellungsprojekten realisieren<br />

und vorantreiben konnte. In dieser Hinsicht war Oberhuber wieder mal ganz vorne, diesmal<br />

im Medium der Sozialen Plastik.<br />

Tobias Kasan Nasew 2012<br />

Öl auf Leinwand, 70 x 50 cm<br />

Seit meinen künstlerischen Anfängen habe ich also gern Ausstellungen konzipiert und inszeniert.<br />

Als Lehrender an einer Kunsthochschule war ich froh darüber, dass das Machen<br />

von Ausstellungen zu den Pflichtübungen der künstlerischen Lehre gehört (siehe auch den<br />

Anhang zur Lehre). In der Ausstellung »Freie Sicht«, mit der ich nach 26 Jahren meine<br />

Lehrtätigkeit an der HfG Offenbach beende, habe ich Künstler und Künstlerinnen versammelt,<br />

die erstens als treibende Persönlichkeiten in meiner Klasse tätig waren und die zweitens<br />

auch noch heute, trotz aller widrigen Umstände, als erfolgreiche Künstler agieren.<br />

Mit ihren Werken verfolgen sie in unterschiedlichen Medien scheinbar unterschiedliche<br />

Konzeptionen, die man grob als neue Wege des zeitgenössischen Realismus oder eines<br />

aktuellen Surrealismus, einer mehr oder weniger subversiven Antikunst und sogar eines<br />

künstlerisch verstandenen Kommunikationsdesigns ... einordnen kann. Alle künstlerischen<br />

Positionen sind dabei natürlich kontextuell auf das Zeitalter der elektronischen Medien<br />

bezogen, die die heutigen Bildproduktionen bestimmen. Diese stilistisch mannigfaltigen<br />

Künstlerpositionen stellen jeweils individuelle Narrationen über unsere »Welt, die nicht<br />

weiß, warum sie da ist« 2 dar. Gemeinsam ist ihnen, dass sie die aktuellen Wirklichkeiten<br />

reflektieren, also die Ambivalenzen der Welt so beschreiben, wie wir sie hervorbringen und<br />

zu verstehen versuchen. Mit unterschiedlichen Formen der innovativen Ästhetik gehen sie<br />

der Frage nach, ob zeitgenössische Künstler relevante Aussagen zu einer immer komplexer<br />

werdenden Welt, einer neuen Welt ohne kohärente und homogene Systeme überhaupt noch<br />

liefern können.<br />

12 Freie Sicht<br />

<strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong> : Freie Sicht 13


Marcus Sendlinger malt klar aufgeräumte Bildkompositionen von großer farbiger Raffinesse:<br />

Farbe und Form auf höchstem ästhetischem Niveau, Schicht um Schicht aus der Tiefe<br />

des Bildraumes aufgebaut, Struktur um Struktur sauber verbunden. Man könnte meinen,<br />

seine Malerei sei ein abstrakter, geometrischer Kosmos aus dem althergebrachten, formstrengen<br />

Konstruktivismus, doch das Atelier von Marcus Sendlinger ist keine mit esoterischen<br />

Dogmen gefüllte Mönchszelle, sondern eine von Altöl geschwärzte Garage: Zwischen<br />

den Leinwänden sind überall Teile von zerlegten Motoren auszumachen, die als Ausgangspunkt<br />

für formale Bildeinfälle dienen oder als Readymades einfach ins Bild montiert werden.<br />

In seiner bildhauerischen Arbeit erweckt Sendlinger als kundiger Kenner der automobilen<br />

Vehikel historische Bikes, Autos und Wohnwagen zu neuem Leben; als Maler lässt er<br />

sich von der anorganischen Ästhetik der Maschinen zu seinen gemalten Bildkompositionen<br />

inspirieren, die Abstraktion und Realität dialektisch verklammern. Sendlingers Malerei und<br />

Installatio-nen zeugen nicht von der naiven Technophilie, von der die Gründungsväter der<br />

Moderne getragen wurden, sondern sind durchdrungen von einer Melancholie der Technik,<br />

die vom Ende des Zeitalters der Mechanik zu berichten weiß.<br />

Markus Weisbeck arbeitet im Bereich der angewandten und freien Grafik. Mit seiner Auffassung<br />

der angewandten Form steht er László Moholy-Nagy und anderen Gestaltern des<br />

Bauhaus nahe, denn seine Formensprache wurzelt in der konstruktivistischen Abstraktion,<br />

allerdings erweitert um die Erfahrungen des Minimalismus und Konzeptualismus der<br />

Gegenwart. Den anorganischen, kristallinen Formen und Strukturen, die Weisbeck für die<br />

Plakatserie zu Liam Gillicks Auftritt auf der Biennale Venedig 2009 entworfen hat, liegen<br />

keine realen dreidimensionalen Körper zugrunde, auch keine digitalen Verfremdungen,<br />

sondern reale Lichterscheinungen - energetisch aufgeladene Lichtstrahlen, gebeugt und<br />

gebrochen durch Prismen, deformieren typografische Zeichen. Die so imaginierten Formationen<br />

erinnern an Vergrößerungslinsen der Naturwissenschaftler, aber auch an Blicke<br />

in die Glaskugeln von Wahrsagerinnen, die damit Auskünfte über die Zukunft zu erlangen<br />

hoffen. Die vierte Dimension Zeit wird in diesen, die rationalen kartesischen Koordinaten<br />

auflösenden, Arbeiten als ein irreversibler Ablauf ohne umkehrbare Richtung beschworen.<br />

Auf diesen Aspekt weist auch der reflektierte rotierende Lichtstrahl der Arbeit » ... nach<br />

Joost Schmidt«.<br />

Der Maler Frank Schylla entwickelte seine Malerei gleichsam aus der Erfahrung der Optik<br />

eines Mikroskops. Seine Kunst basiert ebenfalls auf der Beobachtung der empirischen<br />

Naturprozesse, allerdings speist sich seine Bildwelt nicht aus der Physik, sondern aus den<br />

Phänomenen der Biologie und Humanmedizin, die ihm seit seiner Kindheit – und aus einem<br />

abgebrochenen Studium – vertraut sind. Auf der Leinwand erzeugt Frank Schylla mit seinen<br />

raffinierten Malverfahren einen Mikrokosmos aus Formen und Farben, der aus feinsten<br />

Binnenstrukturen und nuancierten Farbüberlagerungen besteht. Jeweils für sich betrachtet<br />

entwickeln diese Mikroteilchen eine eigene visuelle Wirkung. Aus einer gehörigen Entfernung<br />

betrachtet, schließen sie sich zu einer neuen Wirklichkeit zusammen und bieten dem<br />

Betrachter einen spannenden Einblick in poetische gefasste, abstrakte Landschaften und<br />

komplexe Formkomplikationen.<br />

Der Maler Oliver Flössel konzentriert sich in seiner Malerei auf Formphänomene und Inhalte,<br />

die nur in einem anderen, einem größeren Maßstab beobachtet werden können. Flössel<br />

arbeitet auf den Spuren des gestischen abstrakten Expressionismus, dessen Bildsprache er<br />

mit Formen aus den Straßengraffiti und mit den Attitüden des HipHop anreichert, setzt sich<br />

aber bewusst von den cremigen Farbkrusten ab, die die internationalen expressionistischen<br />

Neuwild-Maler mittels der von ihnen bevorzugten Schweinsborstenpinseln erzeugten. Flössels<br />

Bilder sind schrille, pseudopathetische Chiffren und Spuren jener psychologischen<br />

Aufgeregtheiten, die unser von Konsumzwängen der Werbung und von den Verblendungskulissen<br />

der Kulturindustrie geprägtes Leben in urbanen Unterhaltungsparadiesen hervorbringt.<br />

Es sind zugleich Versuche, im allgegenwärtigen Hintergrundrauschen der neuen<br />

Unübersichtlichkeit eine Sinnhaftigkeit zu entdecken.<br />

Auch die Malerei von Erik Pfeiffer kreist um das Thema der urbanen Konsum- und Mediengesellschaft.<br />

Seine in der polyfokalen Bildsprache eines modernen Kubismus aufgebauten<br />

Bilder zeigen komplexe Stadtlandschaften: Neubauten, bunt getüncht oder bereits im<br />

Einsturz begriffen, Durchblicke auf längst ausgebrannte, ehemals blühende Landschaften,<br />

absurde Brachen, Brücken und Schreberhäuschen. Alles bizarr zerklüftet, fragmentarisiert<br />

und durcheinandergeworfen. Erik Pfeiffers Darstellungen von bewohnten Interieurs lenken<br />

den Blick auf Billigmöbel und sonstigen Tinnef aus dem Supermarkt: schöner Schein, Erosionen,<br />

Implosionen, Medienterror ... In die große Komposition mit dem schönen, modernen<br />

Titel »e:\bilder\gesehen\scherbenbrandschatzen.jp«, die Erik Pfeiffer als ein »combine<br />

painting« angefertigt hat, ist ein Kontrollmonitor integriert, der Bilder einer Beobachtungskamera<br />

ins Bild bringt, die an einem an das Tableau geschraubten Metallgestell befestigt<br />

ist.<br />

Nadine Röther und Philipp von Wangenheim bilden das Künstlerduo Röther von Wangenheim.<br />

In dieser Konfiguration entwickeln sie konzeptuelle Skulpturen mit ironischem Charakter,<br />

wie dies exemplarisch in ihrer in Schwarzlicht getauchten Installation »Undercover«<br />

zum Vorschein kommt. Hier wird eine große Anzahl von dilettantisch gekritzelten, aber<br />

gerahmten Zeichnungen auf das Kostbarste illuminiert und zum Leuchten gebracht. Es ist<br />

eine seltene Technik, aber erst kürzlich bin ich in der Hamburger Ausstellung von Roberto<br />

Matta einem Bild begegnet, das von dem großen chilenischen Maler mit speziellen Farben<br />

für eine Präsentation im Schwarzlicht angefertigt worden ist. In ihrer individuellen Arbeit<br />

widmet sich Nadine Röther der Anfertigung von Objekten aus brüchigen Materialien und<br />

von höchst fragiler Erscheinung, während Philipp von Wangenheim sich immer mehr zu<br />

einem Beatschriftsteller entwickelt hat, der als singender Rockpoet seine Texte in Form von<br />

Post-Punk-Songs in die Ohren des Publikums trägt. Philipp von Wangenheim: »Der Mann<br />

mit Rummm«.<br />

Der poetische Kosmos, den Julia Oschatz in ihren Zeichnungen, Malereien, Animationen,<br />

Installationen und Performances vor uns ausbreitet, ist eine düstere Welt, die ohne die<br />

glitzernden Oberflächen der Konsumgesellschaft auskommt. Das befremdlich anmutende<br />

Tun und Treiben der von ihr entwickelten – und meistens auch von der Künstlerin dargestellten<br />

– Protagonisten findet in merkwürdigen Maskierungen an menschenleeren Örtlichkeiten<br />

von urzeitlicher Anmutung statt. Die Imaginationen rufen dem Betrachter die<br />

existenzialistischen Miserabilitäten in Erinnerung, wie sie etwa in Becketts »Warten auf<br />

Godot« oder in Ciorans nihilistischen Aphorismen zur Sprache kommen. Doch die so traurig<br />

und pessimistisch scheinende Welt von Julia Oschatz zeigt auch die komischen Aspekte<br />

der menschlichen Existenz. Sie offenbaren sich vor allem in ihren theatralisch konzipierten<br />

Videos. Hier agiert die Künstlerin in Rollen und Verkleidungen, deren Figuren den Betrachter<br />

auch an die absurden Späße der Dadaisten denken lassen, die diese in ihrem Züricher<br />

Theater Cabaret Voltaire zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges zelebrierten. Aber auch so<br />

manches eigene Erlebnis – im wahren Leben wie im Traum – kommt einem da in den Sinn.<br />

Auch Xenia Lesniewski inszeniert raumfüllende Installationen, die sich durch das Zusammenspiel<br />

mehrerer Medien auszeichnen: starkfarbige Zeichnungen, Texte, Papierobjekte<br />

und banale Fundstücke, Neonlampen, Projektionen und Abspielgeräte von Zeichentrickfilmen<br />

laden in eine hybride Welt von großer Signifikanz ein. Das komplexe Durcheinander<br />

der hier um die Aufmerksamkeit des Betrachters wetteifernden Informationen bringt Anna<br />

Oppermans komplex geschichtete »Ensembles« in Erinnerung. Xenia Lesniewskis Installationen<br />

präsentieren sich offener, nämlich als ein vitaler, stark aufgeladener Neo-Lettrismus;<br />

sie sind bunt, sinnlich, voll sexueller Anspielungen, lesbar und zugleich auch nicht<br />

lesbar, statisch und bewegt, flächig und räumlich, digital und analog, scheinbar fröhlich<br />

und doch voll Trauer ... »Große Abstraktion« und »große Realistik«, von der einst Riegl und<br />

Kandinsky sprachen, kommen hier zusammen und verschmelzen lebendig und kraftvoll in<br />

einer vielstimmigen Wechselwirkung.<br />

14 <strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong> : Freie Sicht<br />

<strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong> : Freie Sicht 15


Dorothee Diebold beschäftigt sich in ihrer Malerei mit Themen und gesellschaftlichen Rollen,<br />

denen man als moderne Frau nicht entkommen kann: gutes Aussehen, geschicktes<br />

Schminken, Sich-vorteilhaft-kleiden und Sich-verkleiden, ... Die Konstruktion des weiblichen<br />

Ichs als Erfüllung der von Medien und Werbung sozial definierten Rollen und Dresscodizes<br />

wird von der Malerin mit rauer Malerei in unbunten Farben auf lebensgroßen Formaten<br />

als eine albern anmutende Maskerade geschildert, die im normalen Leben ihren<br />

Höhepunkt im Schmuck eines royal anmutenden Hochzeitskleids findet. Oder eben in der<br />

ebenso fragwürdigen Fiktionalisierung der Frau als Nixe im infantilisierenden Ballettkleidchen<br />

oder ihrer Idealisierung als eine verführerische Madonna: »Flodde Biene«.<br />

Cornelia Thomsen erlernte in ihrem ersten Leben, das sich in den Kulissen der untergegangen<br />

DDR abspielte, in der bekannten Meißen-Manufaktur das akribische Handwerk einer<br />

Porzellanmalerin. In ihrem zweiten Leben, das im vereinigten Deutschland stattgefunden<br />

hat, gründete sie eine Familie und absolvierte ihr Kunststudium. Das dritte Leben brachte<br />

sie nach New York, wo sie angefangen hat, ihre »Streifenbilder« zu malen. Die akkurat<br />

auf Leinwand mit Ölfarben gemalten Streifenabstraktionen entwickelte Cornelia Thomsen<br />

aus Inspirationen, die sie auf Long Island beim Beobachten der Wellen des atlantischen<br />

Ozeans erlebt hat. Die Übersetzung der Wellenbewegung in neutrale und direkte Streifen<br />

führte zu einer abstrakten Arbeit, die sich mit grundlegenden Fragen der Farbe und der<br />

Linie beschäftigt. Das vertikale Format schließt jegliche Erinnerung an Landschaft aus, nur<br />

die Farbgebung stellt die Beziehung zum Wasser her. Cornelia Thomsen begann mit ihrem<br />

Zyklus der »Stripe Paintings«, bevor Gerhard Richter ähnliche Abstraktionen als digitale<br />

Figurationen in einem Buch veröffentlichte; der große deutsche Maler hat seine Kompositionen<br />

sicher aus ganz anderen künstlerischen Beweggründen entwickelt. Eine bewusste<br />

Affinität zu den fotografischen Bildwelten im Frühwerk von Gerhard Richter stellen aber<br />

Cornelia Thomsens autobiografisch aufgeladenen Erinnerungsbilder an ihr erstes Leben in<br />

der DDR dar: Ihre Serie »Role Models« fokussiert die exponierten Bonzen eines entrechtenden<br />

Systems.<br />

Bea Emsbach ist eine virtuose Meisterin der feinen Linie. Die Wesen und Visionen, die sie mit<br />

ihren formal perfekten Lineaments entwirft – und neuerdings auch als Figuren aus Wachs<br />

anfertigt –, muten im ersten Moment wie Gnome aus den Märchen der Brüder Grimm an,<br />

lassen uns aber auch an die Erfindungen und Eingebungen denken, mit denen Hieronymus<br />

Bosch seinen Zeitgenossen den richtigen Weg ins himmlische Jerusalem weisen wollte.<br />

Moderner denkenden Betrachtern fallen vielleicht die Experimente im Laboratorium des<br />

Herrn Viktor Frankenstein ein. Die Zeichnungen und Figuren von Bea Emsbach eröffnen<br />

uns Blicke in die Zukunft unserer zoologischer Spezies; sie erscheinen als künstlerische<br />

Vorwegnahmen von Mutanten aus den Giftküchen der avanciertesten Gentechnologien und<br />

Anthropotechniken, also als Geschöpfe, die nach uns unsere Welt bevölkern werden.<br />

Früher, in vorindustriellen Zeiten der Romantik, erlebte ein Reisender die Landschaft mit<br />

ihren uralten Tälern und Bergen, denen diverse Eiszeiten im Verlauf von Jahrmillionen ihre<br />

Form gegeben haben, als einen imposanten Ausdruck der Erhabenheit, der der Ewigkeit<br />

eigen ist. Ähnliche Ergriffenheit verspürte der romantisch geprägte Mensch gegenüber den<br />

lebendigen Formen der Natur, also den die Landschaften bewohnenden und sie schmückenden<br />

Pflanzen und Tieren, die in ihrer unendlichen Mannigfaltigkeit auch eine Verkörperung<br />

von Zeit und Ewigkeit darstellen. Tatiana Urban definiert in ihrer Malerei den modernen<br />

Menschen als einen Fremdling, der durch die Ökonomie des aktuellen Verschwendungskapitalismus<br />

aus der Natur herausgetreten ist und sich nun vor der dritten Natur durch<br />

Überlebensanzüge aus Kunststoff schützen muss. Es bleibt offen, ob der Zwang zur schützenden<br />

Verhüllung sich aus einer zwar auf das Üppigste gedeihenden, jedoch ins Feindliche<br />

verwandelten Natur ergibt oder aus dem Verlust der Immunität resultiert, den die menschliche<br />

Gattung erlitten hat.<br />

Auch der Maler und Performer Dirk Baumanns reflektiert in seiner Malerei und in seinen<br />

bemalten Skulpturen die Zerstörung der natürlichen Umwelt und der Potenziale der<br />

Naturressourcen. Seine großformatigen Gemälde zeigen apokalyptische Landschaften, die<br />

den Mythos von der alle Existenzprobleme heilenden Kraft des grenzenlosen Wirtschaftswachstums<br />

als einen Selbstbetrug entlarven. Parallel zur Beschäftigung mit dem gemalten<br />

Bild ist Dirk Baumanns intensiv als Performance-Künstler aktiv: als »Farbenfresser und<br />

Farbenspucker, Farbenkotzer und Farbenerbrecher ... « nimmt sein verkleideter, mit diversen<br />

Farbpumpen aufgerüsteter Körper buntschillernde Gestalten an und verwandelt den<br />

performenden Künstler in einen Mutanten, der direkt aus der Farbenküche der radioaktiven<br />

Elementarteilchen zu kommen scheint.<br />

Die Welt als Setzung, Handlung und Tatsache. Die Objekte und Installationen von Sebastian<br />

Heinrich entstehen als Transformationen und Metamorphosen von Readymade-<br />

Gegenständen, die als plastische Reaktion auf In-Situ-Raumsituationen entwickelt werden.<br />

Auf den ersten Blick wirken sie so nüchtern wie die positivistischen Theoreme von Ludwig<br />

Wittgenstein und anderer Verfechter der formalen Logik, die in dem Wiener Kreis versammelt<br />

waren. Sebastian Heinrich verhilft den Alltagsgegenständen durch seine formstrengen<br />

formalen Eingriffe zu einer neuen Gestalt, wodurch sie nicht nur eine neue Form, sondern<br />

auch eine neue Bedeutung erlangen. Sie erfahren eine neue semantische Aufladung und<br />

verwandeln sich in neue Wirklichkeiten. Was zuerst wie ein formaler Kommentar zum gebauten<br />

Raum oder zum Thema Objektskulptur aussieht, ist zugleich auch Kommentar zum<br />

sozialen Raum und zu den geistigen Dimensionen, die diesen füllen.<br />

Henning Strassburger ist ein Konzeptmaler, dessen Bilder ohne die Kenntnis der programmatischen<br />

Kontexte und theoretischen Codierungen, in die sie involviert sind, nur schwer<br />

zugänglich scheinen. Doch alle Theorie ist grau und folglich verfügen die häufig als Interventionen<br />

in den Raum platzierten Malereien von Henning Strassburger, unabhängig<br />

von der selbstreflexiven Distanz, die die bewusste theoretische Aufladung diesen Werken<br />

verleiht, über eine starke, unmittelbare Wirkung. Getragen von der Aura eines melancholischen<br />

Glamour, deklinieren Strassburgers Leinwände und Rauminstallationen konsequent<br />

die widersprüchliche und brüchige Ästhetik von »schön« und »hässlich«. Seine neuesten<br />

Bildobjekte rufen beim Betrachten intensive, weitergehende Assoziationen auf; etwa dann,<br />

wenn die Ornamentik der trivialen Teppiche oder die dekorativen Impulse der in sie einmontierten<br />

Tierfell-Trophäen 3 in Widerstreit treten mit der Antimalerei der auf Leinwände<br />

aufgetragenen Strukturen. Der in den Fesseln einer irrationalen Gläubigkeit gefangene<br />

Orient und der seit langen aus allen metaphysischen Wolken auf den Boden der Tatsachen<br />

gefallene Okzident werden formal miteinander in Beziehung gesetzt und verweisen so auf<br />

Realitäten, die die politischen Unternehmungen unserer Zeit bestimmen.<br />

Wir sind im mittleren Osten angekommen. Parastou Forouhar ist eine iranische Künstlerin<br />

und eine mutige und konsequente Frau, die seit Jahren unnachgiebig ihre Abrechnung mit<br />

den iranischen Mullahs vorantreibt, die ihre Eltern ermorden ließen. Vor Jahren bewarb<br />

sich Parastou Forouhar für das Gaststudium an der HfG Of mit farbigen, akademischen<br />

Studien. Die im Iran entstandenen, farbig gefassten Akte und Menschengruppen zeigten<br />

seltsam geschlechtslose Wesen, deren Sexualität und Sinnlichkeit von der repressiven und<br />

regressiven Doppelmoral der Mullahs vernichtet worden ist. Die Bilder hatten ästhetisch<br />

etwas sehr Spezielles und Parastou wurde in meine Studentengruppe aufgenommen. Schon<br />

bald entwickelte Parastou Forouhar aus der Tradition der iranischen Schrift – und aus der<br />

charakteristischen Ornamentik der iranischen Alltagsbildlichkeit – eine moderne Bildsprache,<br />

die es ihr ermöglichte, ihre Revolte gegen die Entrechtung von Mann und Frau durch<br />

die schiitischen Glaubenseiferer in unterschiedlichsten künstlerischen Medien zu artikulieren.<br />

Schon ihre ersten Arbeiten legen die Vermutung nahe, dass Parastou Forouhar zu<br />

den ersten Künstlerinnen gehört, die das Thema des Tschadors explizit im Kunstexkurs der<br />

Westkunst ästhetisch zu reflektieren und zu untersuchen begonnen haben.<br />

16 <strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong> : Freie Sicht<br />

<strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong> : Freie Sicht 17


Am anderen Ende der Welt herrschen andere Vorstellungen von dem, was wir Kunst nennen.<br />

Zeitgenössische Kunst aus China realisiert sich in der Regel entweder als Missverständnis,<br />

nämlich als seelenloser Abklatsch einer fehlinterpretierten westlichen Kunstmarktkunst,<br />

oder sie ist gefangen in Gefälligkeiten und Konventionen des Traditionellen. Das Einzigartige<br />

einer individuellen poetischen Phantasie ist in einem Staatsgebilde mit zwei Milliarden<br />

Menschen nicht vorgesehen und ergo in der zeitgenössischen Kunst aus China nur sehr<br />

selten auffindbar. Um so schöner sind die poetischen Paradiesgärten, die Dan Zhu in ihren<br />

Zeichnungen und Malereien vor uns ausbreitet; ihre Arbeiten zitieren traditionelle Anmutungen<br />

der chinesischen Tuschemalerei als kalligrafisch gewonnene Landschaft, bevölkern<br />

diese schwarzen Gärten und Landschaften jedoch mit einem höchst privaten Personal geheimnisvoller<br />

Menschen, Tiere und Mischwesen. Eingebungen aus individuellen Träumereien<br />

und traditionelle Formen der chinesischen Malerei werden miteinander versöhnt und<br />

in Einklang gebracht. Dan Zhus Bildfabeln strahlen einen unschuldigen Zauber aus und<br />

entführen unsere Phantasie in ein Zwischenreich fernöstlicher Capriccios.<br />

Der Künstler Goekhan Erdogan – sein Name weist auf türkische Wurzeln hin – geht in<br />

seinen Arbeiten den Problemen der Identität nach. Die Fragen »Wer bin ich, wer kann ich<br />

sein und werden?« werden ausgehend von fotografischen Selbstporträts von ihm sozusagen<br />

empirisch aufgeworfen und mit minimalistischen ästhetischen Mitteln zur Geltung gebracht:<br />

Das Subjekt will Bild werden. Obwohl Goekhan Erdogan fast immer mit Fotografien<br />

seiner selbst arbeitet, scheinen die privaten Implikationen der schwankenden Emigrantenexistenz<br />

für ihn nicht im Zentrum seiner Suche zu stehen, sondern die tiefergehenden<br />

Formen der Erscheinung und Greifbarkeit dieses Konfliktpotenzials, also die möglichen<br />

Freiheitsgrade in der Konstruktion von Persönlichkeit und Individualität, die unsere sich<br />

immer mehr ausdifferenzierende postmoderne Konsumgesellschaft den Menschen noch<br />

zugesteht.<br />

Auch die Biografie von Nasan Tur ist durch einen Migrationshintergrund geprägt. Es verwundert<br />

nicht weiter, dass auch er in vielen seiner Arbeiten Fragen der Identität und kulturellen<br />

Entwurzelung bearbeitet. Nasan Tur verbindet mit dieser Problematik jedoch nicht<br />

nur seine privaten, psychologischen Bezüge – exemplarisch festgehalten in der Fotoarbeit<br />

»Abschied von der Mutter« –, sondern thematisiert in seinen konzeptuell positionierten<br />

Arbeiten auch weitergehende soziale und politische Implikationen, mit denen die unterschiedlichen<br />

Generationen der Gastarbeiter in der Bundesrepublik konfrontiert wurden und<br />

werden. Nasan Tur greift in seiner Arbeit bewusst künstlerische Strategien der von Joseph<br />

Beuys propagierten »Sozialen Plastik« auf und verbindet sie häufig mit den ironischen<br />

und subversiven Impulsen der Fluxus-Bewegung. Die Objektinstallation »Like New«, die<br />

aus ausgelatschten Herrenschuhen besteht, denen durch sorgfältiges Polieren der Glanz<br />

des Neuzustands zurückgegeben wurde, gibt hier ein gutes Beispiel, ebenso wie die Arbeit<br />

»Breaking Records«, in der unser verinnerlichter Zwang zum Weiter, Schneller, Mehr ... mit<br />

sanfter Ironie aufs Korn genommen wird.<br />

Clemens Mitscher ist ein Fotografiekünstler, der seine Kunst der Fotografie konzeptuell und<br />

politisch positioniert hat. Dabei bedient er sich nicht nur des Blickes durch das Objektiv der<br />

Kamera und der digitalen Bildfundstücke, die er in den unendlichen Tiefen des virtuellen<br />

WorldWideWeb findet, sondern auch der manipulativen Eingriffe in Bildrealität, die die<br />

Kräfte der digitalen Photoshop-Technik dem zeitgenössischen Fotografen zur Verfügung<br />

stellen. In seiner künstlerischen Arbeit agiert Mitscher als ein wacher Analytiker der politischen<br />

Widersprüche. Da er ursprünglich aus dem Ansatz der Bildgebenden Fotografie<br />

kommt, inszeniert er in seinem verklausulierten Selbstbildnis den Fotokünstler als einen<br />

modernen Kampfpiloten, dessen Survivalkit und Erlebnisraum sich sowohl aus Ausrüstungsgegenständen<br />

aus der Pilotenwirklichkeit als auch aus einer fiktionalen Gegenständlichkeit<br />

zusammensetzt. Die Arbeit »Contextual Networks (Distribution, Enlightenment, Army, Illiquidity)«<br />

thematisiert im inhaltlichen Kontrast dazu die abstrakten Transfusionsprozesse<br />

des zeitgenössischen Finanzkapitalismus.<br />

Auch viele Arbeiten von Peter Zizka, der sein künstlerisches Selbstverständnis aus der<br />

Doppelidentität des Künstlers und des Kommunikationsdesigners bezieht, stellen bewusste<br />

Statements zu politischen Vorgängen dar. Seine konzeptuellen Skulpturen sind künstlerische<br />

Interventionen im öffentlichen Raum, die kompromisslos in den politischen Raum<br />

ausstrahlen. Die Installation »Das virtuelle Minenfeld«, die Peter Zizka bereits auch im<br />

Berliner Gebäude des Auswärtigen Amtes eingerichtet hat, lenkt die Aufmerksamkeit des<br />

Betrachters auf niederträchtigste Formen der modernen Barbarei, genauso wie seine im<br />

fernen Burundi durchgeführte Aktion »Symbiosis 1,5 Tonnen globale Verwicklung«, die<br />

sich der Unschädlichmachung von modernen automatischen Sturmgewehren widmet, die<br />

in Afrika von regulären Soldaten und marodierenden Rebellen alltäglich als Instrumente<br />

des tödlichen Terrors eingesetzt werden. Und dies nicht nur dort, sondern fast überall in der<br />

Welt; viele dieser Tötungsinstrumente stammen aus deutscher Produktion.<br />

Die Bilder von Sabine Moritz zeigen Tötungsmaschinen. Hubschrauber, Kriegsschiffe, Flugzeuge<br />

... alles Kriegsapparaturen, die im nicht abreißenden Flow die Seiten der Nachrichtenmedien<br />

füllen, aber in der Unterhaltungskunst des zeitgenössischen Kunstrummels<br />

kaum vorkommen. Es ist die Welt, wie sie ist, wie sie Abend für Abend uns in den Nachrichten<br />

präsentiert und im Bundestag zerredet wird. Im Kölner Atelier von Sabine Moritz gibt<br />

es eine weitere Werkfolge von größeren Ölbildern, die Szenen aus dem Russlandfeldzug<br />

festhalten: todmüde Soldaten, verwundete Partisanen, ein deutsches Exekutionskommando,<br />

verzweifelte Stadtbewohner, eine russische Ruinenstadt ... Diese Bilder sind radikal, so<br />

radikal, wie es nur junge, unbekümmerte Maler malen können. Sabine Moritz malt gegen<br />

das Vergessen des Individuellen – siehe auch ihren »Jena-Lobeda-Zyklus« – und gegen<br />

die Verdrängung und Verbiegung des Allgemeinen. Sie holt Geschichtliches wieder ins Gegenwärtige<br />

zurück.<br />

Für diese Ausstellung habe ich aus meiner Produktion ein Bild aus der aktuell entstehenden<br />

Serie der neuen Fenster-Bilder ausgewählt. Auf seine Weise imaginiert auch dieses Bild das<br />

alte Thema Krieg und Frieden und wird in der Ausstellung einen schöne Ergänzung zu den<br />

bildnerischen Statements meiner jungen KollegenInnen bilden.<br />

Die unterschiedlichen Künstlerbeiträge der Ausstellung fokussieren illusionslos und polyfokal<br />

widersprüchliche Fragmente unserer Welt und verbinden durch ihr Zusammenwirken<br />

das Reale und das Utopische. Sie tun es auf der Basis einer humanistischen Skepsis.<br />

In ihrem Zusammenspiel entfalten sie ein komplexes Panorama der Weltbetrachtung, das<br />

die Welt so zeigt, wie sie ist: verführerisch, chaotisch, partikularisiert, polyzentrisch, widersprüchlich,<br />

unsentimental und ungerecht, ständig in Veränderung begriffen und doch<br />

ständig auf der Stelle tretend, ständig den Sinn für das große Ganze verlierend und doch<br />

unablässig nach einem Sinn suchend ... Genau hier setzt die Arbeit derjenigen Künstler ein,<br />

die über einen freien Blick verfügen. Sie positionieren sich als ungebrochene Denker, die<br />

noch immer die Hoffnung nicht aufgegeben haben, unsere aus den Fugen geratene Welt<br />

durch ihre ästhetischen Interventionen vor ihrem Untergang bewahren zu können.<br />

1. Oswald Oberhuber gehört neben Werner Hofmann und Monsignore Otto Mauer zu den tragenden und<br />

prägenden Gestalten der Modernisierung der österreichischen Kunst nach dem Kriege; ihnen gebührt das<br />

Verdienst der Befreiung Österreichs von der Kitschepidemie der Wiener Schule des phantastischen Realismus<br />

und der Öffnung des österreichischen Kunstgeschehens im Sinne der internationalen ästhetischen<br />

Avantgarden. Oberhubers Verdienste als Künstler, Ausstellungsmacher, Galerieleiter, als auch Autor von<br />

kunsttheoretischen Publikationen (u. a. »Beispiele«, Edition Tusch, Wien 1970; »Wie Kunst entsteht«,<br />

Metroverlag, Wien 2009), als Lehrender und Rektor an der Akademie für Angewandte Kunst am Oskar-<br />

Kokoschka-Platz, Wien, können nicht hoch genug bewertet werden.<br />

2. So Werner Hofmann in seinem Vortrag über Gustave Courbet an der Goethe-Universität Frankfurt/M am<br />

Main am 20. November 2011.<br />

3. Der spanische König Juan Carlos hat unlängst mit dem Abschuss eines afrikanischen Elefanten auf den<br />

wahren Charakter der Tiertrophäe hingewiesen, nämlich auf die abgrundtiefe Spießigkeit ihrer Sammler.<br />

18 <strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong> : Freie Sicht<br />

<strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong> : Freie Sicht 19


Clemens Mitscher Contextual Networks (Distribution, Enlightenment, Army, Illiquidity) 2010<br />

4 Inkjet Prints, je 100 x 230 cm<br />

24 Freie Sicht<br />

Clemens Mitscher 25


Sabine Moritz Macbeth 2005<br />

Öl auf Papier, 42 x 63 cm<br />

Sabine Moritz Ambush 2007<br />

Öl auf Leinwand, 55 x 65 cm<br />

Sabine Moritz Dust 2008<br />

Öl auf Leinwand, 60 x 70 cm<br />

Sabine Moritz Skint 2005<br />

Öl auf Leinwand, 50 x 60 cm<br />

28 Freie Sicht<br />

Sabine Moritz 29


Markus Weisbeck Liam Gillick. Deutscher Pavillon Venedig 2009/2012<br />

Fine Art Pigment Print auf Tecco Barytpapier, 80 x 60 cm Expl. 1/3 (+ 1 a. p.)<br />

Kamera Jörg Baumann, Courtesy Kai Middendorf Gallery Frankfurt/M<br />

36 Freie Sicht<br />

Markus Weisbeck 37


Marcus Sendlinger Ausstellung »White Paintings«, 2008, Galerie Jean-Luc & Takako Richard, Paris<br />

links Wedges 2008, rechts P.F.G.-U. or Peinture Pour Adultes 2008, Acryl und Lack auf Leinwand, 160 x 260 cm<br />

Marcus Sendlinger Ausstellung »Genesis«, Galerie Jette Rudolph, Berlin 2007, links Genesis 2006, Acryl und Lack auf<br />

Leinwand, 160 x 290 cm, Privatsammlung, Zürich; rechts Semabrava 2007, Öl, Acryl und Lack auf Leinwand, 190 x<br />

250 cm, aus der Serie »Black Paintings«<br />

Marcus Sendlinger The V-oid 2009, Acryl und Lack auf Leinwand, 240 x 180 cm, aus der Serie »HiLos«<br />

40 Freie Sicht<br />

Marcus Sendlinger<br />

41


44 <strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong> <strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong> 45


Parastou Forouhar<br />

Geboren 1962 in Teheran/Iran /1984–90 Kunststudium an der Universität Teheran /seit 1991 in Deutschland<br />

/1992–94 Aufbaustudium an der Hochschule für Gestaltung Offenbach/M /1995–2000 Mitglied des<br />

Kunstprojektes Fahrradhalle Of /2001 Reisestipendium der Hessischen Kulturstiftung /Arbeitsstipendium<br />

der Kunstfonds–Stiftung /2004 Stipendium Schloss Balmoral /2005 Atelierstipendium Gertrude Zentrum<br />

für Zeitgenössische Kunst, Melbourne /2006 Co-Kuratorin, »Treibsand«, DVD Magazin für zeitgenössische<br />

Kunst/Teheran-Ausgabe /Stipendium der Villa Massimo /2007 Stipendium der BM Contemporary Art Center,<br />

Istanbul /2012 Co-Kuratorin, »Omid ist mein Name und der steht für Hoffnung«, JBS Anne Frank,<br />

Frankfurt/M /Einzelausstellungen u. a. /2001 »Blind Spot«, Kulturhaus Stavanger, Norwegen /2002<br />

»Schuhe ausziehen«, Ausstellungsraum de Ligt, Frankfurt/M / »Blind Spot«, Golestan Art Gallery, Teheran<br />

(wurde verboten) /2003 »Tausendundein Tag«, Hamburger Bahnhof, Berlin /2005 »Parastou Forouhar<br />

in Deutschen Dom«, Berlin / »Spielmannszüge«, Forum im Dominikanerkloster, Frankfurt/M / Saarland<br />

Künstlerhaus, Saarbrücken /2006 »Blind Spot«, Galerie Karin Sachs, München /2007 »Just A Minute«,<br />

Fondazione Pastificio Cerere, Rom /2009 »Parastou Forouhar«, Galerie Karin Sachs München / »Ich Ergebe<br />

Mich«, Azad Galerie Teheran / »Links of Violence«, Orgel Fabrik, Karlsruhe /2010 »Parastou Forouhar<br />

at RH Gallery«, NYC / »Parastou Forouhar at Leighton House Museum«, London /2011 »Written Room«,<br />

Fondazione Merz, Turin /2012 »Kein Heimspiel«, Kunst-Raum-Akademie, Weingarten /2013 »Die Poesie<br />

der ungeliebten Wahrnehmung«, Kunst Galerie Fürth / »Ornament and Crime«, Law Warshaw Gallery of<br />

Macalester College, St. Paul / »Der Schmerz hat ein feineres Zeitmaß«, Römer 9, Frankfurt/M /Gruppenausstellungen<br />

u.a. /2001 2. Berlin Biennale, Berlin / »Frankfurter Kreuz«, Schirn Kunsthalle, Frankfurt/M<br />

/ »Szenenwechsel XIX«, Museum für Moderne Kunst, Frankfurt/M / »Wegziehen«, Frauenmuseum, Bonn<br />

/2002 »Die Quelle als Inspiration«, Franckesche Stiftung, Halle /2003 »M_ARS – Kunst und Krieg«, Neue<br />

Galerie Graz, Österreich / Zan-e-irani, Frauenmuseum, Bonn /2004 Gabriele Münter Preis, Martin Gropius<br />

Bau, Berlin / Frauenmuseum, Bonn / »Die Zehn Gebote«, Deutsches Hygiene Museum, Dresden / 4. Busan<br />

Biennale, Busan, Süd Korea /2005 »Intersections«, Jüdisches Museum Melbourne / Jüdisches Museum<br />

San Francisco /2006 »Das kritische Auge«, NKV Aschaffenburg /2007 »Global Feminisms«, Brooklyn<br />

Museum, NYC / »Retracing Territories, Kunsthalle Fribourg / »Mahrem«, Santral Istanbul, Istanbul /2008<br />

»Mahrem«, Kunsthalle Wien / Tanas, Berlin / »Naqsh«, Pergamonmuseum, Berlin /2009 »Die Macht Des<br />

Ornaments«, Belvedere, Wien / »Traum und Wirklichkeit«, Zentrum Paul Klee, Bern / »In Istanbul zwischen<br />

Ankunft und Abfahrt«, BM Contemporary Art Center, Istanbul / TASWIR, Martin Gropius Bau, Berlin<br />

/2010 »Iran di Verso: Black or White?«, Verso Artecontemporanea, Turin / »Nagsh and Raghsh«, Museum<br />

für Islamische Kunst, Sharja / »21st Century«, Queensland Art Gallery, Brisbane /2011 »ZENDEGI«, Beirut<br />

Exhibition Center / »Ornamental Structures«, Stadtgalerie Saarbrücken / »Medi(t)ation« Asian Art Biennial,<br />

Museum of Fine Arts Taiwan /2012 »Töten«, Kunstpalais, Erlangen / »The Elephant in the Dark«, Devi<br />

Foundation, Dehli / »Feminist and ...«, Matrass Factory Museum, Pittsburgh / 7th Asia Pasific Triennal of<br />

Contemporary Art, Queensland Art Gallery /Publikationen: /2003 »Tausendundein Tag«, W. König <strong>Verlag</strong><br />

Köln /2010 »Parastou Forouhar – Art, Life and Death in Iran«, Saqi Books /2011 »Das Land, in dem meine<br />

Eltern umgebracht wurden – Liebeserklärung an den Iran«, Herder <strong>Verlag</strong> Freiburg /2012 »Im Namen<br />

Irans«, Selbstverlag Offenbach/M /2013 »Die Poesie der ungeliebten Wahrnehmung«, Kunst Galerie Fürth<br />

/www.parastou-forouhar.de<br />

oben: Parastou Forouhar Flashing 2009<br />

Fotografie auf Dibond, 60 x 80 cm<br />

rechts: Villa Massimo - Roman Martyrs 2006<br />

Fotostill aus einer Performance, Rom<br />

54 Freie Sicht<br />

55


Henning Strassburger Reinheit, Purheit, Klarheit 2011<br />

Öl auf Leinwand, 180 x 150 cm<br />

Henning Strassburger Ponyface 2011<br />

Öl auf Leinwand, 180 x 150 cm<br />

64 Freie Sicht<br />

Henning Strassburger<br />

65


Oliver Flössel Trinata 2011/12 Öl, Acryl, Lack, Ölkreide auf Leinwand, 160 x 270 cm<br />

Courtesy Schwarz Contemporary Berlin<br />

76 Freie Sicht<br />

Oliver Flössel 77


<strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong><br />

Goekhan Erdogan Split 2012 Offsetdrucke verleimt, 80 x 115 x 5 cm<br />

92 Freie Sicht<br />

Goekhan Erdogan 93


Sebastian Heinrich rechts: The Peacock Skirt 2012/2010<br />

Stahlkette, Saugnäpfe, Maße variabel, hier ca. 220 x 160 x 2 cm<br />

Sebastian Heinrich<br />

Geboren 1980 in Darmstadt /2002–13 Studium<br />

der visuellen Kommunikation an der Hochschule<br />

für Gestaltung Offenbach/M / Typografie bei<br />

Friedrich Friedl und Malerei bei <strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong><br />

/Ausstellungen /2013 »objectz hood«, HfG-Satellit<br />

(mit Sven Schuppar) Berlin /2012 »eine/r von siebzehn«,<br />

Auswahlausstellung Stipendium Vordemberge-Gildewart,<br />

Museum Wiesbaden / »Eindringen«,<br />

zusammen mit Studierenden der EBABX, Galerie<br />

Cortex Athletico, Bordeaux /2011 »COOP 5« Diamantenbörse,<br />

Frankfurt/M /2010 »Immer die<br />

schönste Malerei...«, Galerie Haasner, Wiesbaden<br />

doppelrock@web.de<br />

Sebastian Heinrich o. T. 2010<br />

grundiertes Baumwollgewebe, Keilrahmen, Klebeband, ca. 180 x 320 cm<br />

98 Freie Sicht<br />

99


Anne Marie Freybourg<br />

Ohne Utopie geht es nicht<br />

Zur Malerei von <strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong><br />

Kann Malerei extrem sein? Davon ist <strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong> überzeugt und diese Ansicht prägt<br />

sein Werk ebenso wie seine Lehrtätigkeit. Trotzdem, noch einmal nachgefragt: Kann Malerei<br />

überhaupt extrem sein? Wie sähe extreme Malerei aus? Schaut man heute noch einmal<br />

auf die frühen Werke von <strong>Jankowski</strong>, zeichnen sich darin erste Linien für eine Konzeption<br />

ab, wie und warum Malerei radikal sein kann. Als <strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong> nach der Hochschule in<br />

seinem ersten eigenen Atelier einen Blick aus dem Fenster warf, fand er ein Motiv, wie es<br />

nicht passender für den jungen Künstler sein konnte. Damals, in der maritimen Hansestadt<br />

Hamburg, sah <strong>Jankowski</strong> noch keine Seelandschaft. Dem rauen Landschaftsmotiv des<br />

Seestücks würde er sich erst später, nach den ersten eindrücklichen Segeltörns auf der Elbe<br />

und durch die Ostsee zuwenden. Er schaute auch noch nicht auf Medienbilder, die in der<br />

Presse über Weltraumeroberung und Raketentechnologie berichteten, die er dann später<br />

malte. Zuerst mutet seine Entscheidung für ein Bildmotiv, das den klassischen Malerblick<br />

aus dem Atelierfenster fasst, konventionell und fast bescheiden an. Aber <strong>Jankowski</strong><br />

erschien es trotzdem wertvoll genug, dass es unbedingt gemalt werden müsste.<br />

Ein Bild aus dieser Motivserie zeigt das modernistische, in den 1960er Jahren erbaute<br />

Hochhaus der Hamburger Polizei. Darüber fliegt ein Helikopter, der gleich auf dem Flugplatz<br />

oben auf dem Dach des Polizeihochhauses landen wird. Solche »action« verbindet man eher<br />

mit dem Kino, aber nicht mit gewöhnlicher Polizeiarbeit. Klassisch wären Polizisten auf<br />

der Straße, unsere Helfer und Beschützer; oder Kriminalbeamte, die das große wie kleine<br />

Verbrechen aufdecken. Was ist das also für eine Polizeiarbeit, die <strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong> mit dem<br />

Blick aus seinem Atelierfenster darstellt? Dabei ist völlig offen und auch gleichgültig, ob<br />

er das Geschehen real beobachtet oder sich vorgestellt hat. Entstanden ist diese Bildserie<br />

1978/79. Die Blicke aus dem Atelierfenster im Hamburger Stadtteil St. Georg sind, wie<br />

auch die zur gleichen Zeit entstandenen Nachtlandschaften trostloser Hinterhöfe oder<br />

der für die Putzkolonnen erleuchteten Firmensitze von Siemens oder Philipps, von der<br />

bedrückenden Atmosphäre des Deutschen Herbstes 1977 geprägt.<br />

Zu dieser Zeit entwickelten sich in der Kunst neue Formen wie Performance, Happening<br />

und »expanded cinema«, die man zuerst einmal eher als extrem bezeichnen würde, weil<br />

sie meist mit totalem Körpereinsatz operieren und auf eine radikale Konfrontation des<br />

Zuschauers aus sind. Aber diese Art des Extremen intendierte <strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong> nicht.<br />

Er wollte nicht die Auflösung des klassischen Mediums Malerei, er wollte weder die<br />

gezielte Verstörung des Betrachters noch eine Zerstörung von Material und Form. Seine<br />

schon damals gereifte Überzeugung, dass man auch in modernen Zeiten mit Malerei zu<br />

Erkenntnisgewinnen und vor allem zu einem veränderten und kritischen Bildverständnis<br />

beitragen kann, haben ihn darin bestärkt, darauf zu achten, dass das Extreme nicht als<br />

Anti-Ästhetik wie eine Gewalt auf das Medium der Malerei selbst durchschlägt. Damit wäre<br />

Malerei dann nämlich beendet gewesen. Und sie wurde ja genau im Zuge dieser neuen<br />

entgrenzten und negativen Ästhetik für tot erklärt.<br />

Als kritischer Aufklärer kann <strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong> keine Affinität zu einer destruktiven Gewalt,<br />

wie sie mit bestimmten Formen extremistischer Kunst einherging, haben. Ihm, der die<br />

Form liebt, ist der Schnitt durch das Bild und die Parzellierung des Bildraums in einzelne<br />

Bildabschnitte genug. Er setzt harte Montageschnitte, die er von der revolutionären Malerei<br />

der 1920er Jahre gelernt hat, zwischen höchst differente Bildteile. Aber er will die Kunst<br />

nicht so weit ins Fragmentarische treiben, dass sich die Form auflöst. Der Betrachter soll<br />

in den Bildern noch etwas zu sehen haben, er soll noch in ein, sei es realistisches oder<br />

abstraktes, imaginäres Bildliches eintauchen können. Die große Lust eines jeden Malers ist,<br />

ein Bild zu entwerfen, das den Betrachter verführt. Das ihn eventuell auch überwältigt, ihn<br />

aber vor allem ins Bild hineinzieht und ihm die Augen für das Sehen öffnet; für das Sehen<br />

des Malers und für das eigene Sehen.<br />

<strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong> Atelierausblick St. Georg Nr. 1 1978<br />

Acryl auf Leinwand, 200 x 130 cm<br />

Diese Idee von Malerei führt <strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong> mit Vehemenz fort. Folglich hält er nichts<br />

von der Behauptung, die Malerei sei tot. Und dass heute aus Vorsicht und Geschichts-<br />

114 Freie Sicht<br />

Anne Marie Freybourg 115


Hans Zitko<br />

Das paradoxe Unternehmen der Malerei<br />

Zu einigen Bildern von <strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong><br />

<strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong> Im Wattenmeer 2002 Acryl auf Leinwand, 240 x 200 cm<br />

Sucht man nach übergreifenden Themen oder Motiven, die für die Malerei <strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong>s<br />

kennzeichnend sind, so stößt man auf die Frage nach der Wahrheit und Geltung von Bildern:<br />

Was zeigen Bilder? Was zeigen sie nicht? Was verbergen sie? Täuschen sie womöglich das<br />

Subjekt, wie skeptische Theoretiker behauptet haben? Die Implikationen und Antworten<br />

auf die hier mit den Mitteln der Malerei selbst aufgeworfenen Probleme sind komplex. Die<br />

Betrachtung kann dort ansetzen, wo die Arbeit am Bild im buchstäblichen Sinne beginnt:<br />

Bei der Auswahl und Vorbereitung des Bildträgers, also jener Ebene, die die tragende Basis<br />

des malerischen Geschehens abgibt. Der Maler überlässt hier kaum etwas dem Zufall, er<br />

wählt diese oder jene Sorte roher Leinwand, spannt sie auf einen Keilrahmen, leimt sie,<br />

grundiert und schleift sie, bevor er die ersten Schichten auf die so entstandene Bildfläche<br />

aufträgt. In diesem Vorgehen äußert sich kein anachronistischer Verfahrenskonservatismus,<br />

sondern die klare Einsicht in die fundamentale Bedeutung des Bildgrundes für die Prozesse<br />

der Malerei. Die ästhetisch relevanten Entscheidungen beginnen bereits bei der Gradation<br />

und Dichte des Gewebes, der aufgetragenen Grundierung und dem Maß der Glättung des<br />

Bildkörpers. Dort, wo die Malerei sich im Bewusstsein der ihr immanenten Möglichkeiten<br />

entfaltet, behandelt sie die Leinwand nicht als ein neutrales und gleichgültiges Medium,<br />

sondern als ein visuell-taktiles Milieu, das sich in den aufgetragenen Strukturen stets in<br />

dieser oder jener Weise Geltung verschafft. Die Produktion von Werken hat es immer auch<br />

mit den Problemen des Austaxierens der Beziehungen zwischen Unter- oder Hintergründen<br />

und darüber gelegten Bildschichten zu tun, denn das, was auf den Bildkörper aufgetragen<br />

wird, bleibt in seiner Wirkung von den tragenden Voraussetzungen abhängig.<br />

118 Freie Sicht<br />

Hans Zitko 119


seiner zwischen Violett, Gelb und Blau changierenden Farbigkeit lässt das Bild zunächst<br />

Erinnerungen an die alte Orientmalerei aufsteigen, mit der europäische Künstler die<br />

fremde arabische Kultur in eine anziehende exotische Idylle verwandelten. Doch dieser<br />

bildhistorischen Assoziation treten gegenläufige Motive an die Seite. So lassen die vorund<br />

zurückspringenden Konturen von Farbflächen, mit denen der Maler an die Rolle des<br />

Ornaments in der orientalischen Welt erinnert, zugleich an Sägeblätter oder Panzerketten<br />

denken; der linke Teil der Komposition ähnelt darüber hinaus der Wand eines beschädigten<br />

Gebäudes mit Fenstern, die den Blick auf offenbar brennende Innenräume freigeben. Die<br />

sichtbaren Zeichen militärischer Gewalt verändern den Charakter der Leinwand: Das Bild,<br />

in dem zunächst versöhnliche Züge hervortreten, präsentiert sich schließlich als Schauplatz<br />

eines düster-apokalyptischen Geschehens, das an entsprechende Darstellungen bei Pieter<br />

Bruegel oder Hieronymus Bosch denken lässt; sämtliche Momente der Szene scheinen in<br />

dieser Wahrnehmungsperspektive von einem Prozess der Zerstörung erfasst zu sein. Dass in<br />

der Wahrnehmung des Bildes neben den Spuren des Schreckens die Reminiszenz an die alte<br />

Orientmalerei präsent bleibt, vermittelt der Komposition eine irritierende Doppeldeutigkeit,<br />

die sich durch keine Reflexionsanstrengung auflösen lässt. Doch mit dieser Konstellation<br />

ist das Ausdrucksspektrum des Bildes nicht erschöpft, denn dessen komplexe Struktur<br />

kehrt immer wieder auch den Charakter einer karnevalesken Inszenierung hervor. Was der<br />

Gedanke kaum zu leisten vermag, bewerkstelligt das Bild: Die Motive des Verhängnisses<br />

und des exotischen Traums erscheinen im Gewand einer Posse, die Heiterkeit provozieren<br />

würde, wenn nicht deren Implikationen dem Bewusstsein gegenwärtig wären.<br />

Mit diesem heterogenen Komplex rührt der Maler an entsprechende Phänomene in der<br />

Rezeption der Massenmedien, denn hier vermischen sich nicht selten Informations-,<br />

Erlösungs- und auch Unterhaltungsbedürfnisse. Die leitende Frage nach dem Verhältnis<br />

von Wahrheit und Schein betrifft nun nicht mehr nur die selektiven Operationen beim<br />

Bereitstellen von Nachrichten, sondern zugleich die Formen des Umgangs mit denselben<br />

auf Seiten der Adressaten, deren Bedürfnisse selbst auf die öffentliche Informationspolitik<br />

zurückwirken. Das Bild »Monitor Nr. 11« liefert einen skeptischen Blick auf dieses<br />

Geschehen und nährt den Zweifel, ob Wahrheit, wenn sie denn medial vermittelt würde,<br />

auch als solche behandelt und wirksam werden könnte. In jedem Fall führt die Frage nach<br />

der Wahrheit der Bilder und ihrer gesellschaftlichen Bedeutung auf die mit ihr verknüpfte<br />

Frage nach der Reflexions- und Differenzierungskraft des Medien verwendenden Subjekts,<br />

denn ohne entsprechende Kompetenzen bei den Nutzern ist der medial produzierte Schein<br />

nicht zu durchbrechen.<br />

Vergleichbare Implikationen besitzt »Monitor Nr. 6« (Abb. S. 130). Diese Leinwand<br />

zeigt eine leicht nach links verschobene, polychrome Fläche, die an die klassische<br />

Farbfeldmalerei erinnert; gerahmt wird diese Fläche durch ein dichtes Gefüge über- und<br />

ineinandergeschobener Segmente, die selbst wiederum von der freiliegenden Untermalung<br />

der Komposition eingefasst sind. Auch in diesem Fall kann man an einen Leuchttisch<br />

denken, auf dem Informationsmaterial ausgelegt, geschnitten und montiert wird. In der<br />

Betrachtung dieser Komposition stößt man auf eine irritierende Provokation: Während die<br />

zentral platzierte Farbzone das Bildgeschehen dominiert und aufgrund ihres Kontextes<br />

entsprechende Erwartungen aufkommen lässt, verweigert sie sich einer an konkreten<br />

Informationen interessierten Wahrnehmung; sie gibt nichts preis, sondern ähnelt einem<br />

dunstigen Himmel oder auch einem Bildschirm, auf dem nur noch eine Art von visuellem<br />

Rauschen sichtbar ist. Das Bild, das den Betrachter mit dem Zustand einer entropischen<br />

Entregelung jeder Ordnung konfrontiert, liefert einen fast ironischen Kommentar zu den<br />

Folgen einer zunehmenden Verdichtung von Informationsraten im Raum der öffentlichen<br />

Medien; gleichwohl verschwindet auch unter diesen Bedingungen die Wahrheit nicht.<br />

<strong>Jankowski</strong> greift zu den Mitteln der Malerei und demonstriert deren Potenzial in Zeiten<br />

eines kollabierenden Informationsaustausches. Das klassische Tafelbild dient ihm<br />

als Reflexionsorgan, dessen Differenzierungs- und Auflösungskraft mit den Defiziten<br />

apparativer Kommunikation stetig angewachsen ist. Mit der Perspektive der Wahrheit<br />

stirbt auch die Hoffnung nicht. Immer wieder greift der Maler auch in den apokalyptisch<br />

<strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong> Monitor Nr. 6 2003<br />

Acryl und Tesa auf Leinwand, 240 x 200 cm<br />

<strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong> Monitor Nr. 11 2006 Acryl, Zeitung und Tesa auf Leinwand, 240 x 180 cm<br />

130 Freie Sicht Hans Zitko 131


Anhang zur Lehre<br />

Hochschule für Gestaltung<br />

Offenbach am Main<br />

1987–2013<br />

134 <strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong> <strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong> 135


6. 4. 1987, Mo 12 h 1. Lehrveranstaltung<br />

0. LEHRANGEBOT: Theorie & Praxis moderner Malerei / Farbe<br />

Im Spezialbezug Visuelle Kommunikation<br />

1. VORSTELLUNG 1:<br />

Was ist Malerei?<br />

Welchen Sinn hat Malerei heute?<br />

Tagebuch, Sinnlichkeit, Freisein, Abenteuer<br />

Neuland, Entdeckungsfahrt/Reise, Identität,<br />

Egoismus, Unendlichkeit, Sprache,<br />

öffentliches Austragen individueller Konflike<br />

Sprechen durch Bilder, Verschärfte Wahrnehmung<br />

Gegenwelt, Lebensform,<br />

Denkweise, > Rücksichtslosigkeit!<br />

Wer spricht, der muß was zu sagen haben (Thema) und achtet auf die Art<br />

und Weise / Aussprache), wie er spricht (Form / Gestaltung), die Ursache<br />

seines Redens (Grund / Motiv) und reflektiert die Entwicklung seiner Äußerungen<br />

(Geschichte / Repertoire).<br />

Malerei = Bewusstseinsbildung<br />

+ Wirklichkeitsaneignung<br />

+ Wirklichkeitsbewältigung<br />

2. VORSTELLUNG: Der Dozent<br />

Biografie Ausbildung<br />

Werdegang<br />

Standpunkt<br />

Anspruch Fremdanspruch = Intensivierung des Lehrgebietes<br />

persönliche Konflikte:<br />

WIE ORGANISIERE ICH MEINE LEHRE UND FORSCHUNG?<br />

WIE ORGANISIERE ICH MEINE LEBENSUMSTÄNDE?<br />

WIE ORGANISIERE ICH MEINE ARBEIT?<br />

Situation also:<br />

UMBRUCH / AUFBRUCH / ANFANG<br />

Anfang: man steht vor dem Nichts<br />

Chance sich gemeinsam Einzurichten<br />

keine Routine<br />

Seminarsituation: Anfang / Impuls /<br />

gemensames Krisenmanagement<br />

Hindernisse : mangelnde Erfahrung<br />

# Strukturkenntnisse<br />

Geschichtslosigkeit/Kontinuierlichkeit<br />

LINIE:<br />

ANFANG – AUFBRUCH – ATELIER – AUGENKUNST<br />

Malerei nicht nur Denkform, sondern Handeln,<br />

Handwerk, konkreter Lebensraum:<br />

Der WEG ZUM MALER BEGINNT BEIM ANSTREICHEN DES<br />

ATELIERS/DER KLASSE<br />

3. VORSTELLUNG 3. : die Seminarteilnehmer<br />

Biografien, Werkansätze, Erwartungen<br />

Konzeptionen de Arbeit<br />

4. VORSTELLUNG DER ARBEITSBEDINGUNGEN<br />

Klassenraum + Einrichtungsgegenstände<br />

Werkzeuge<br />

Materialien<br />

anwesend etwa 10 Studenten,<br />

alle sehr ruhig. Klassenraum ein Sauhaufen.<br />

Nachmittags zum Mainhafen,<br />

Atelier besichtigen, das OK.<br />

Di. 7. 4. 1987<br />

2. Lehrveranstaltung<br />

A. Hauptproblem entrümpeln des Raumes + Ausmalen<br />

Einrichtung der Arbeitsplätze: Kochplatte<br />

Geschirr<br />

Radiorecorder<br />

Pinnwand<br />

Klassenbibliothek<br />

Kühlschrank<br />

B. Literaturliste: John Berger „Sehen“<br />

David Sylvester „Gespräche mit Francis Bacon“<br />

Harald Küppers „Das Grundgesetz der Farbenlehre“<br />

Max Dörner „Malmaterial“<br />

„New Spirit of Painting“ / „ZEITGEIST“ / „Deutsche<br />

Kunst seit 1945“<br />

Kunstdossier Die ZEIT Nr. 14 / 27. 3. 87<br />

Bourdieu P, „Die feinen Unterschiede“<br />

Arnold Hauser<br />

Eindrücke: Schule gespalten in Theoretiker/Handwerker<br />

die Verbindungslinie zu wenig ausgeprägt<br />

Koordinierung des Lehrangebots,<br />

Beziehungen stiften, Das Zusammenwirken der Disziplnen fördern<br />

keine Sektenbildung<br />

Studenten: schüchtern, ängslich, uninformiert,<br />

kleingehalten, vital, unselbstständig, gehemmt,<br />

unfrei, unter ihren Möglichkeiten.<br />

Offenbach/Frankfurt: trüb, trist, kleinbürgerlich, mutlos, unelegant, reduziert.<br />

C. Vorstellung der Studenten<br />

Biografien, Arbeitsproben, Motive, Erwartungen, Konzepte<br />

1. Oliver M. 6. Sem. Hauptstudium<br />

Malbuch „Selbstportrait“ > Grundfarben erotisch<br />

Markus A. 6. Sem. HpSt<br />

Malerei / Bildhauerei / Installation<br />

2. Uli W. 6. Semester<br />

abstrahierte Landschaften auf Papier<br />

kalte, erdfarbige Palette, Materialeinbauten + Skizzenbuch<br />

„Schöner Wohnen“<br />

Markus R.<br />

3. Martina S. 6. Semester<br />

schwarze Zeichnungen mit Fett, > Tiere<br />

„Schuhe + Winterlandschaft“, surreal<br />

4. Karola W. 6. Semester<br />

Ergebnis: als erstes Klasse entrümpeln und einrichten.<br />

Hauptproblem: ÄNGSTLICHKEIT<br />

Wenn jemand ängstlich malt, dann denkt<br />

er ängstlich. Wenn jemand ängstlich denkt,<br />

dann ist er unfrei. Wenn jemand unfrei ist,<br />

dann ist er nur ein Teil, ein Bruch<br />

seiner Selbst. Er liefert also nur ein<br />

Bruchteil seiner ab, also ein unwahres<br />

Bild seiner Fähigkeiten. Er bleibt unter seinem möglichen Standard.<br />

Dabei: Papier ist geduldig, die Farbe beisst nicht und künstlerisch kochen alle<br />

nur mit Wasser!<br />

Folge; Radikalisierung & Entschiedenheit. Ängste besiegen, frei werden,<br />

Enthemmung,<br />

MOTTO:<br />

vom Hasenfuß zum Himmelsstürmer!<br />

# zum Löwenherz!<br />

Skizzenbücher anlegen. Dialogmalereien.<br />

Psychogramme, Materialien sammeln. Vorräte anlegen<br />

Die Affen-geilsten Bilder müssen her,<br />

wer malt das schönste blau, rot oder grün?<br />

DESIGN IST VERPACKUNGSKUNST<br />

MALEREI IST AUFDECKUNGSKUNST<br />

1. REDUKTION<br />

2. KONZENTRATION<br />

3. RADIKALISMUS > SPARSAMKEIT, RUHE<br />

Kategorien f. Einschätzung von ästhetischen Gegenständen (nach Rudolf<br />

Arnheim)<br />

logische TRANSPARENZ<br />

materielle PRÄSENZ<br />

formale STRENGE<br />

inhaltliche IRRITATION<br />

BILDER SIND EXPLOSIONEN IM AUGE / GEHIRN<br />

DES BETRACHTERS<br />

Wie kann Malerei über ein Psychogramm hinausgeghen?<br />

KONVENTIONEN der Illustration, des Designs<br />

überwinden, um größtmöglichen Freiraum<br />

der Eigenständigkeit zu bekommen/<br />

MALEN nicht ABMALEN !<br />

DESIGN und ANTIDESIGN<br />

GESTALTUNGSGUERILLA<br />

F. Bacon - Eigenschaften eines Malers:<br />

a. Kunstgeschichte<br />

b. sich lächerlich machen<br />

c. ein Thema finden<br />

MALEN ALS INTELLEKTUELLE GESCHWINDIGKEIT<br />

13. 4. 1987 3. Lehrveranstaltung<br />

Ziel des Seminars: Ausbildung eines autonomen<br />

individuellen ästhetischen Bewußtseins / Handelns.<br />

Konzept für gestalterisches Handeln,<br />

individuelle Bildwelt<br />

Stoff sind Empfindungen, Gefühle, visuelle Ideen & Prozesse,<br />

Materialaktionen, Entwicklungen, Reaktionen<br />

individuelle Bildwelten müssen sind einmalig<br />

und müssen entsprechend behutsam behandelt werden!<br />

5. Tobias b. 8. Sem, Farb. Zeichnungen, Köpfe auf brüchigem Papier<br />

6 Bettina B., 4. Sem., lange abstrakte Landschaften, umgesetzte Spiegelungen,<br />

SW<br />

7. Annette K., 4. Sem., Strukturen für Buch, parallele Bilder<br />

8. Markus R., Kompositionen mit Tesa<br />

Lochstreifenbilder<br />

9. Susanne W., 4. Sem (Bühne)<br />

Köpfe in Kohle, s/w, vegetative Formen, Reihungsprinzip, Stichsäge<br />

14. 4. 1987 4. Lehrveranstaltung<br />

Farbkarte<br />

Schuhe<br />

Arbeitskluft<br />

gehemmt, ängstlich, anspruchslos, unfrei =<br />

KONVENTIONELL - wie abgefragte Gedichte<br />

-----<br />

Themenvorschläge: das Gehirn<br />

Musik-Partituren!<br />

Spiegelungen<br />

gelb-blau-rot<br />

SPIEGELUNGEN<br />

Partituren > BILDGESCHICHTEN<br />

visuelle Erzählungen<br />

PARADIESE<br />

Collagen aus Tesa<br />

Silberfolie<br />

Wellpappe<br />

Farbpapier<br />

3. Lehrveranstaltung 21. April 87<br />

1. Vorstellungsgespräche – Ende<br />

2. Korrektur erster Ergebnisse<br />

3. Film „6 Maler“<br />

Bilder. Farbobjekte - Farbräume<br />

Anhang zur Lehre<br />

138 Anhang zur Lehre : Aus dem Arbeitstagebuch 1987<br />

Anhang zur Lehre : Aus dem Arbeitstagebuch 1987 139


Beschreibungstexte der Lehrveranstaltungen<br />

103 <strong>Jankowski</strong>, Farbiges Gestalten. Seminar,<br />

wöchentlich, mittwochs, pünktlich. Bemerkung:<br />

Zum ersten Termin bitte Mappe mit Arbeitsproben<br />

mitbringen.<br />

Farbe und Form. Einführende Lehrveranstaltung<br />

zur Praxis des farbigen Gestaltens und zu den<br />

Techniken der freien Malerei anhand von definierten<br />

Aufgaben. Erprobung der Gestaltungselemente<br />

der Farbe und anderer Repertoires des malerischen<br />

Ausdrucks: Farbwert, Fläche und Raum, das Spiel<br />

der Kontraste, Proportion und Rhythmus, Komposition<br />

und Spannung, Struktur und Gestus ... Damit<br />

verbunden die Darstellung von Farbraum, Raum,<br />

Licht, Landschaft und Stimmung, Augenschein<br />

und Vision ... Verschärfte Wahrnehmung und das<br />

Denken in Bildern. Überlegungen zur Entstehungsweise,<br />

Wirkung und Funktion farbiger Bilder. Einführende<br />

Malmaterialkunde. Acryltechniken und<br />

Wasserfarben. Einführung in die Grundlagen der<br />

Farbtheorie und Farbsystematik. Freie künstlerische<br />

Arbeit an eigenen Bildwelten und Formenrepertoires<br />

in Form von Skizzen und Skizzenbüchern<br />

mit dem Ziel der Erkundung eigener Anliegen,<br />

Themen und Aussagen. Durchführung und Präsentation<br />

eigener Übungsaufgaben. Voraussetzungen<br />

für den Erwerb eines Leistungsnachweises: regelmäßige<br />

Teilnahme, erfolgreiches bildnerisches<br />

Arbeiten. Literatur siehe Aushang.<br />

111 <strong>Jankowski</strong>, Malerei I/II. Seminar, wöchentlich,<br />

donnerstags, pünktlich. Einzureichen sind ein<br />

schriftlich formuliertes Arbeitsvorhaben und eine<br />

persönliche Literaturliste. Bemerkung: Neue Studierende<br />

im 3. Semester legen eine repräsentative<br />

Auswahl ihrer künstlerischen Arbeiten mit allen<br />

Medien vor.<br />

Einführende Lehrveranstaltung bis zum Vordiplom.<br />

Freies künstlerisches Arbeiten in Form von formalen<br />

Experimenten, Übungspräsentationen und Ausstellungsbeiträgen.<br />

Grundlegende Beschäftigung<br />

mit Praxis, Technik und Theorie moderner Malerei<br />

in eigener Fragestellung. Fortführung eigener<br />

thematischer Anliegen und Aussagen in Form von:<br />

Arbeiten auf Papier, Malerei, Farbobjekte, Farbräume,<br />

Installationen, Modelle für den architektonischen<br />

Raum, freie Druckgrafik, freie Illustration<br />

etc. Einführung in die Geschichte und Theorie der<br />

modernen Kunst und in die theoretischen Probleme<br />

der zeitgenössischen Malerei. Studium der<br />

kunsthistorischen Vorgaben und Begegnungen mit<br />

aktuellen Erscheinungsformen moderner Kunst<br />

durch Vorträge, Ausstellungsbesuche und Exkursionen.<br />

Künstlerische Auseinandersetzung mit Gestaltungs-<br />

und Kommunikationstechniken der Neuen<br />

Medien: Design-Programme, Photoshop, Internet<br />

etc. Teilnahmevoraussetzungen: Schein Farbiges<br />

Gestalten und eigene bildnerische Arbeiten.<br />

Voraussetzungen für den Erwerb eines Leistungsnachweises:<br />

Formulierung eines Semestervorhabens,<br />

Präsentation eigener Arbeitsergebnisse.<br />

Semesterthema: Wie werde ich ein »Independent<br />

Artist?« »The Responsive Eye/Das empfindsame<br />

Auge« lautete in den 60er Jahren der Titel einer<br />

großen Op-Art-Ausstellung. Die Formulierung<br />

knüpft direkt an Eugène Delacroix‘ Postulat Ein<br />

Bild muss ein Fest fürs Auge sein! an und artikuliert<br />

die Erkenntnis, dass Malerei ihre Wirkung<br />

nicht nur den von ihr transportierten literarischen<br />

Inhalten, sondern auch ihren visuellen Inventionen<br />

und Innovationen verdankt. Das ist die<br />

Auffassung der Moderne. Die Theorie der Postmoderne<br />

behauptet seit dem Ende der 70er Jahre,<br />

dass formale Erfindungen nicht mehr möglich<br />

seien und propagiert den Rückgriff auf Stile und<br />

Inhalte, die an längst vergangene historische<br />

Epochen gebunden sind. Das hat Erfolg, denn es<br />

knüpft an redundante Sehgewohnheiten an, die<br />

dem Massenpublikum vertraut sind. Und an dessen<br />

Bedürfnis nach eingängiger Unterhaltung. Die Problematik<br />

des Fortschritts in der/durch die Malerei<br />

wird also in den letzten Jahren bewusst aus dem<br />

Kunstdiskurs ausgeblendet, doch die Frage bleibt<br />

bestehen, welche Folgen es für die Kultur und<br />

Gesellschaft gäbe, wenn z. B. auch die technischen<br />

Naturwissenschaften und ihre Technologiefächer<br />

nach einem solchem Verdikt agieren würden. Globalisierte<br />

Informationsgesellschaft schnurstracks<br />

zurückgebeamt ins 19. Jahrhundert? Oder kurz gefragt:<br />

Wie muss, wie kann Malerei nach Kandinsky,<br />

Picasso und Mondrian aussehen? Literatur? Wird<br />

per Aushang bekannt gegeben.<br />

125 <strong>Jankowski</strong>, Malerei III. Seminar, wöchentlich,<br />

donnerstags, pünktlich. Einzureichen sind ein<br />

schriftlich formuliertes Arbeitsvorhaben und eine<br />

persönliche Literaturliste. Neue Studierende im<br />

Hauptstudium legen eine repräsentative Auswahl<br />

ihrer künstlerischen Arbeiten aus aller Medien<br />

vor. Vertiefende Beschäftigung mit der zeitgenössischen<br />

Malerei in eigener Fragestellung. Individuelle<br />

analytische Arbeit an eigenständigen und<br />

innovativen Bildkonzeptionen, persönlichen Formenrepertoires,<br />

Farbpaletten und Malprozessen.<br />

Freie Druckgrafik. Auseinandersetzung mit den<br />

ästhetischen Techniken und Potenzialen der Neuen<br />

Medien (Fotografie, Video, digitales Zeichnen und<br />

Malen, Animation, 3-D-Simulation ...) im Hinblick<br />

auf ihre Integration bzw. Anwendung im eigenen<br />

Werkansatz. Vertiefende Beschäftigung mit der<br />

Geschichte und Theorie der modernen Kunst und<br />

Auseinandersetzung mit den aktuellen kunsttheoretischen<br />

Diskursen. Begegnungen mit aktuellen<br />

Erscheinungsformen moderner Kunst durch Vorträge,<br />

Ausstellungsbesuche und Exkursionen. Freie<br />

künstlerische Projekte in Form von selbstständigen<br />

Ausstellungen und Präsentationen, Entwürfen<br />

und Modellen für den öffentlichen und urbanen<br />

Raum. Freie Illustration und künstlerischer Plakatentwurf.<br />

Texte zur eigenen Arbeit; Selbstdarstellungsbroschüren,<br />

Kataloge, Dokumentationen<br />

(analog und digital). Max. Teilnehmerzahl: 15.<br />

Teilnahmevoraussetzungen: Leistungsnachweise in<br />

Malerei I und II und Vordiplomprüfung in Malerei<br />

bzw Zeichnen, Illustration, Bildhauerei, Fotografie,<br />

Kommunikationsdesign, Elektronische Medien,<br />

Film, etc.; Teilnahme an den Lehrveranstaltungen<br />

in Kunsttheorie, Kunstgeschichte, Mediensoziologie,<br />

Ästhetik und Kunstphilosophie ... Voraussetzungen<br />

für den Erwerb eines Leistungsnachweises:<br />

Formulierung der eigenen Semestervorhaben und<br />

regelmäßige Präsentationen eigener Projekte<br />

während der Semester 5 bis 9.<br />

Semesterthema: »Der neue Mensch«. Die Frage<br />

nach dem Handlungsmodus eines jeweils „Neuen<br />

Menschen“ stand stets im Zentrum der Kunstdebatten<br />

der jeweiligen Etappen der Moderne,<br />

ob nun im Jugendstil der Jahrhundertwende, im<br />

Konstruktivismus der 20er Jahre, in der verlogenen<br />

Propagandakunst der Nazis bzw. Stalinisten oder<br />

der PopArt der nach 1945 startenden Konsumgesellschaft.<br />

Zu Beginn des 21sten Jahrhunderts<br />

scheinen alle diese Entwürfe einer neuen Existenz<br />

gescheitert: Trotz allem Gewinn an rationaler Erkenntnis<br />

und humanistischer Aufklärung setzt die<br />

Gesellschaft des ungeregelten Finanzkapitalismus<br />

die irreversible Nivellierung der Lebensformen,<br />

die Zerstörung aller Lebensräume und Lebensressourcen<br />

fort. Die politische und ökonomische<br />

Versklavung der Welt wird durch digitale Technik<br />

perfektioniert: Weltweit treiben Oligarchen ihr<br />

Unwesen, ohne dass ihnen widersprochen wird.<br />

Die Helden der klassischen Moderne sind von<br />

Depressionen geplagt und müde und dröhnen<br />

sich mit Surrogaten zu. Die Frage nach neuen und<br />

zukunftsträchtigen Entwürfen für individuelle und<br />

kollektive Überlebensstrategien und Existenzformen<br />

in der Desinformationsgesellschaft des Verbrauchskapitalismus<br />

wird immer akuter: eine neue<br />

Herausforderung für Kunst und Künstler. Literatur?<br />

Wird per Aushang bekannt gegeben.<br />

Tobias Kasan, Rundgang 2012<br />

Tobias Kasan, Rundgang 2012<br />

150 Anhang zu Lehre : Die Lehrveranstaltungen<br />

<strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong> 151


Ausstellungen und Publikationen der Klasse<br />

1989 »Der letzte Stand des Irrtums«, Ina Bruchlos,<br />

Sabine Hartung, Jörg Hofmann, Bernd Meckes,<br />

Memory, Clemens Mitscher, Alex Oppermann,<br />

Oliver Raszewski, Gabi Schirrmacher, Heyne-Fabrik<br />

Offenbach/M<br />

2003 »Kunstpositionen«, zweite Ausstellung der<br />

HfG Off in der AHBR Bank Frankfurt/M. Katalog<br />

mit Arbeiten von u. a. Denise Bettelyoun, Oliver<br />

Flössel, Maike Häusling, Nadja Milenkovic, Nadine<br />

Röther<br />

Erik Pfeiffer, »COOP 5« Diamantenbörse FFM 2011<br />

Sandip Shah und Burghart Schmidt<br />

bKI Darmstadt 2006<br />

Eröffnung AHBR Bank FFM 2006, von links: Tatiana Urban, Lisa M. Klein, <strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong>,<br />

Sabine Freund, Henning Strassburger, Cornelia Thomsen<br />

Ausstellungen der Klasse<br />

Sven Schuppar, »COOP 5«, Diamantenbörse FFM 2011<br />

Goekhan Erdogan, HfG-Ölhalle 2011<br />

»COOP 5«, Diamantenbörse FFM 2011, mit Philippe Bouthier (links)<br />

und Franck Eon, Wandmalerei Tatiana Defraine<br />

1990 »HfG DA«, Ausstellung der HFG Offenbach in<br />

der Kunsthalle Darmstadt, Katalog<br />

1994 Symposion »Kunstanwender: Kunstsponsoring<br />

und Künstlerförderung«, Katalog »Kunstanwender«,<br />

Redaktion Alexander von Zaluskowski,<br />

Gabi Schirrmacher und Sabine Hartung, Gestaltung<br />

Oliver Raszewski<br />

1995 »Housewarming · Phase I – III«, Eröffnung<br />

der Fahrradhalle, Offenbach/M, danach bis 2004<br />

zahlreiche Austellungen von Studierenden, u. a.<br />

Ina Bruchlos, Sabine Hartung, Gabi Schirrmacher,<br />

Parastou Forouhar, Oliver Raszewski, Bea Emsbach,<br />

Sandip Shah, Edwin Schäfer / »Wycieczka<br />

do Polski / Ausflug nach Polen«, Ausstellung in<br />

der Kunstakademie Krakau. Katalog mit Arbeiten<br />

von Denise Bettelyoun, Delphine Buhro, Bea Emsbach,<br />

Sonja Gummert, Ralf Hubers, Eva Köstner,<br />

Markus Oeffinger, Edwin Schäfer, Frank Schylla,<br />

Marcus Sendlinger, Georgia Wilhelm, Oliver<br />

Raszewski. Texte von den Künstlern und von <strong>Adam</strong><br />

<strong>Jankowski</strong>: »Es gibt zu wenig Künstler in Hessen«<br />

1996 »ZVEH+HFG«, mit Thomas Baumgärtel, Bea<br />

Emsbach, Michael Moos, Julia Oschatz, Markus<br />

Oeffinger, Frank Schylla und Marcus Sendlinger,<br />

Zentralverband der Deutschen Elektrohandwerke<br />

Frankfurt/M / »Ultraschall*Transformer«, Ausstellungsprojekt<br />

der Malereiklasse mit Unterstützung<br />

der Schering AG, Galerie Art to Use Frankfurt/M.<br />

Katalog mit Thomas Baumgärtel, Bea Emsbach,<br />

Eva Köstner, Michael Moos, Markus Oeffinger,<br />

Bernd Reich, Julia Oschatz, Marcus Sendlinger,<br />

Frank Schylla, Texte: die Künstler und <strong>Adam</strong><br />

<strong>Jankowski</strong><br />

1999 »Freiheit–Brüderlichkeit–Tolereanz«, Katolog<br />

zum Wettbewerb der Freimaurerloge Charlotte<br />

zur Treue Offenbach/M / »Vor dem Börsengang«,<br />

Ausstellung der HfG Off in der Landeszentralbank<br />

in Hessen, Frankfurt/M, Katalog mit u. a. Bea Emsbach,<br />

Julia Oschatz, Frank Schylla<br />

2002 »Kunstpositionen«, erste Ausstellung der<br />

HfG Off in der AHBR Bank Frankfurt/M. Katalog<br />

mit Arbeiten u.a. von Sonja Gummert, Jan Lotter,<br />

Michael Moos, Bernd Reich, Stefan Reiling, Frank<br />

Schylla<br />

2004 »Kunstpositionen«, dritte Ausstellung der<br />

HfG Off in der AHBR Bank Frankfurt/M, Katalog<br />

mit Arbeiten von u. a. Romana Alferi, Jos Diegel,<br />

Markus Georg, Sven Schuppar<br />

2005 »Kunstpositionen«, vierte Ausstellung der<br />

HfG in der AHBR Bank Frankfurt/M, Katalog mit<br />

Arbeiten von u. a. Gokhan Erdogan, Elisa Jolas,<br />

Cornelia Thomsen, Tatiana Urban<br />

2006 »Immer die Schönste Malerei aus der Klasse<br />

Prof. <strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong>«. Ausstellung von Elisa<br />

Jolas, Oliver Flössel, Lisa Marei Klein, Henning<br />

Strassburger, Cornelia Thomsen, Tatiana Urban»<br />

in der Galerie k9 aktuelle Kunst Hannover, Februar/März<br />

2009. Katalog Hg. HfG Off, Gestaltung<br />

Maike Ossenberg<br />

2010 »Wer will schon den ganzen Tag die Welt<br />

verändern« Ausstellung von Dirk Baumanns,<br />

Eugen El, Goekhan Erdogan, Sebastian Heinrich,<br />

Anne-Kathrin Huisken, Xenia Lesniewski, Erik<br />

Pfeiffer, Sven Schuppar in der Galerie Brigitte<br />

Haasner Wiesbaden zur Aktion ZusammenKUNST<br />

Wiesbaden, September 2010. Katalog mit Texten<br />

von <strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong> und Christian Janecke<br />

2011 »COOP 5«, Ausstellung der HfG-Malereiklasse<br />

mit Dirk Baumanns, Tanja Herzen, Erik Pfeiffer,<br />

Dorothee Diebold, Tobias Kasan, Lisa Klinger,<br />

Kosta Tsobanides, Rosamaria Aquillar, Burak<br />

von Verstand, Christine Mederer, Dan Zhu, Prea<br />

Pupityastaporn, Oriana Fenwick, Markus Lüttgau,<br />

Sven Schuppar, Sebastian Heinrich – zusammen<br />

mit Studierenden von der Ecole des Beaux Arts<br />

Bordeaux mit Laurianne Bixhain, Leny Bernay,<br />

Clémentine Coupau, David Chastel, Tatiana Defraine,<br />

Mikael Igos, Laurent Daubisse, Jean-Pierre<br />

Dang, Marine Courillon, ehemalige Diamantenbörse,<br />

Frankfurt/M, Dezember 2011<br />

2012 »Spieglein Spieglein«, Studierende der Kunstgeschichte<br />

der Goethe-Universität Frankfurt/M,<br />

über Arbeiten von Studierenden aus der HfG-Malereiklasse<br />

Prof. <strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong> und Fotografieklasse<br />

Prof. Martin Liebscher«, Katalog zur Ausstellung<br />

im ehemaligen Haus des Börsenvereins<br />

Frankfurt/M. 27. Nov. – 16. Dez. 2012<br />

152 Anhang zur Lehre : Ausstellungen und Publikationen<br />

Anhang zur Lehre : Ausstellungen und Publikationen<br />

153


Stuttgart 2006, mit Christian Janecke (in türkis)<br />

Venedig 2009<br />

Paris 2008<br />

Krakau 1995<br />

Loreley 2004<br />

Düsseldorf 2012, mit Hans Zitko<br />

Wien 2008, mit Wolfgang Luy und Burghart Schmidt<br />

Bonn 2011<br />

Paris 2008, vor dem Atelier Eugene Delacroix<br />

Exkursionen<br />

Rolandseck 2009, mit Martin Liebscher, Christian Janecke und Burghart Schmidt<br />

Kassel 2012, mit Franck Eon, Philippe Bouthier und Wolfgang Luy<br />

Paris 2008<br />

Baden-Baden 2006<br />

156 Anhang zur Lehre : Exkursionen<br />

Anhang zur Lehre : Exkursionen 157

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