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FREIE SICHT : Adam Jankowski - Jovis Verlag

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Anne Marie Freybourg<br />

Ohne Utopie geht es nicht<br />

Zur Malerei von <strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong><br />

Kann Malerei extrem sein? Davon ist <strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong> überzeugt und diese Ansicht prägt<br />

sein Werk ebenso wie seine Lehrtätigkeit. Trotzdem, noch einmal nachgefragt: Kann Malerei<br />

überhaupt extrem sein? Wie sähe extreme Malerei aus? Schaut man heute noch einmal<br />

auf die frühen Werke von <strong>Jankowski</strong>, zeichnen sich darin erste Linien für eine Konzeption<br />

ab, wie und warum Malerei radikal sein kann. Als <strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong> nach der Hochschule in<br />

seinem ersten eigenen Atelier einen Blick aus dem Fenster warf, fand er ein Motiv, wie es<br />

nicht passender für den jungen Künstler sein konnte. Damals, in der maritimen Hansestadt<br />

Hamburg, sah <strong>Jankowski</strong> noch keine Seelandschaft. Dem rauen Landschaftsmotiv des<br />

Seestücks würde er sich erst später, nach den ersten eindrücklichen Segeltörns auf der Elbe<br />

und durch die Ostsee zuwenden. Er schaute auch noch nicht auf Medienbilder, die in der<br />

Presse über Weltraumeroberung und Raketentechnologie berichteten, die er dann später<br />

malte. Zuerst mutet seine Entscheidung für ein Bildmotiv, das den klassischen Malerblick<br />

aus dem Atelierfenster fasst, konventionell und fast bescheiden an. Aber <strong>Jankowski</strong><br />

erschien es trotzdem wertvoll genug, dass es unbedingt gemalt werden müsste.<br />

Ein Bild aus dieser Motivserie zeigt das modernistische, in den 1960er Jahren erbaute<br />

Hochhaus der Hamburger Polizei. Darüber fliegt ein Helikopter, der gleich auf dem Flugplatz<br />

oben auf dem Dach des Polizeihochhauses landen wird. Solche »action« verbindet man eher<br />

mit dem Kino, aber nicht mit gewöhnlicher Polizeiarbeit. Klassisch wären Polizisten auf<br />

der Straße, unsere Helfer und Beschützer; oder Kriminalbeamte, die das große wie kleine<br />

Verbrechen aufdecken. Was ist das also für eine Polizeiarbeit, die <strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong> mit dem<br />

Blick aus seinem Atelierfenster darstellt? Dabei ist völlig offen und auch gleichgültig, ob<br />

er das Geschehen real beobachtet oder sich vorgestellt hat. Entstanden ist diese Bildserie<br />

1978/79. Die Blicke aus dem Atelierfenster im Hamburger Stadtteil St. Georg sind, wie<br />

auch die zur gleichen Zeit entstandenen Nachtlandschaften trostloser Hinterhöfe oder<br />

der für die Putzkolonnen erleuchteten Firmensitze von Siemens oder Philipps, von der<br />

bedrückenden Atmosphäre des Deutschen Herbstes 1977 geprägt.<br />

Zu dieser Zeit entwickelten sich in der Kunst neue Formen wie Performance, Happening<br />

und »expanded cinema«, die man zuerst einmal eher als extrem bezeichnen würde, weil<br />

sie meist mit totalem Körpereinsatz operieren und auf eine radikale Konfrontation des<br />

Zuschauers aus sind. Aber diese Art des Extremen intendierte <strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong> nicht.<br />

Er wollte nicht die Auflösung des klassischen Mediums Malerei, er wollte weder die<br />

gezielte Verstörung des Betrachters noch eine Zerstörung von Material und Form. Seine<br />

schon damals gereifte Überzeugung, dass man auch in modernen Zeiten mit Malerei zu<br />

Erkenntnisgewinnen und vor allem zu einem veränderten und kritischen Bildverständnis<br />

beitragen kann, haben ihn darin bestärkt, darauf zu achten, dass das Extreme nicht als<br />

Anti-Ästhetik wie eine Gewalt auf das Medium der Malerei selbst durchschlägt. Damit wäre<br />

Malerei dann nämlich beendet gewesen. Und sie wurde ja genau im Zuge dieser neuen<br />

entgrenzten und negativen Ästhetik für tot erklärt.<br />

Als kritischer Aufklärer kann <strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong> keine Affinität zu einer destruktiven Gewalt,<br />

wie sie mit bestimmten Formen extremistischer Kunst einherging, haben. Ihm, der die<br />

Form liebt, ist der Schnitt durch das Bild und die Parzellierung des Bildraums in einzelne<br />

Bildabschnitte genug. Er setzt harte Montageschnitte, die er von der revolutionären Malerei<br />

der 1920er Jahre gelernt hat, zwischen höchst differente Bildteile. Aber er will die Kunst<br />

nicht so weit ins Fragmentarische treiben, dass sich die Form auflöst. Der Betrachter soll<br />

in den Bildern noch etwas zu sehen haben, er soll noch in ein, sei es realistisches oder<br />

abstraktes, imaginäres Bildliches eintauchen können. Die große Lust eines jeden Malers ist,<br />

ein Bild zu entwerfen, das den Betrachter verführt. Das ihn eventuell auch überwältigt, ihn<br />

aber vor allem ins Bild hineinzieht und ihm die Augen für das Sehen öffnet; für das Sehen<br />

des Malers und für das eigene Sehen.<br />

<strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong> Atelierausblick St. Georg Nr. 1 1978<br />

Acryl auf Leinwand, 200 x 130 cm<br />

Diese Idee von Malerei führt <strong>Adam</strong> <strong>Jankowski</strong> mit Vehemenz fort. Folglich hält er nichts<br />

von der Behauptung, die Malerei sei tot. Und dass heute aus Vorsicht und Geschichts-<br />

114 Freie Sicht<br />

Anne Marie Freybourg 115

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