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Kapitel 1: Einleitung<br />

1.1. Praktische Problemexposition<br />

Von 'Staatsversagen' ist häufig die Rede, wenn in jüngeren sozialwissenschaftlichen<br />

Untersuchungen die Steuerungsfähigkeit des modernen Staates und rechtlicher<br />

Steuerungsmittel erörtert wird. Erklärt wird dies mit Kapazitätsgrenzen und<br />

Koordinationsproblemen angesichts wachsender Staatsaufgaben oder mit der<br />

Ohnmacht des Nationalstaates gegenüber den wachsenden transnationalen Interdependenzen<br />

der Gesellschaft. In der Theorie funktionaler Differenzierung, die<br />

'Politik', 'Recht', 'Wirtschaft' und 'Wissenschaft' (etc.) als kommunikativ geschlossene<br />

Subsysteme konzipiert, ist ein Steuerungszentrum schließlich gar nicht mehr<br />

vorgesehen. Nach der Enttäuschung der staatsfixierten Planungseuphorien der<br />

70er Jahre ist mittlerweile Fatalismus oder zumindest Ernüchterung eingekehrt.<br />

Erwartungen konzentrieren sich heute - in analytischer wie in präskriptiver Hinsicht<br />

- vor allem auf dezentrale Vorgänge oder Modelle der horizontalen Koordinierung<br />

zwischen den Akteuren (respektive Subsystemen) und der Selbstregulierung,<br />

wobei dem Staat allenfalls noch die Rolle eines Moderators zugewiesen<br />

wird.<br />

Diese zumeist auf hohem Abstraktionsniveau geführte Diskussion läßt aber<br />

häufig die Tuchfühlung mit dem empirischen Wandel der Regulierungsformen<br />

und Regulierungsaufgaben vermissen. So ist insbesondere zu konstatieren, daß<br />

heute in den Industrieländern die klassischen Verteilungskonflikte verstärkt von<br />

Risikokonflikten, vor allem bei der Einführung neuer wissenschaftlicher Methoden<br />

und ihrer technologischen Anwendungen, abgelöst oder zumindest überlagert<br />

werden. 1 Risikokonflikte sind zwar ebenfalls interessengeleitet, zugleich aber<br />

auch von der immer schon vorhandenen, allerdings erst in jüngerer Zeit verstärkt<br />

wahrgenommenen Ungewißheit und Vorläufigkeit wissenschaftlicher Erkenntnis<br />

1 Risikokonflikte ergeben sich aus den intendierten oder nicht-intendierten Wirkungen von<br />

Entscheidungen, z.B. eine bestimmte Technologie einzuführen, auf zunächst Unbeteiligte,<br />

die diese Wirkungen als unerwünscht wahrnehmen. Weil solche Entscheidungen ubiquitär<br />

und die Folgen schwer berechenbar und a priori kaum begrenzbar sind, ist - im Unterschied<br />

zu Verteilungskonflikten - eine Herausbildung stabiler Interessengemeinschaften (Lager,<br />

Klassen etc.) relativ unwahrscheinlich. Die durch die Thematisierung von Risiken erzeugten<br />

Risse gehen vielmehr kreuz und quer durch die Gesellschaft und verschieben sich ständig<br />

(z.B. Beck, Risikogesellschaft, 1986; Lau, Soziale Welt 1989; Luhmann, Soziologie,<br />

1991).<br />

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