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Zuverlässigkeit und Lasten im konstruktiven Ingenieurbau

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<strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong><br />

<strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Teil I: <strong>Zuverlässigkeit</strong>stheoretische Gr<strong>und</strong>lagen<br />

R. Rackwitz<br />

Technische Universität München, 1993-2006<br />

Vorbemerkung<br />

Dieser Text ist <strong>im</strong> Laufe der Jahre <strong>im</strong> Zuge der zweisemestrigen, jeweils zweistündigen Vorlesung<br />

mit Übung ’’<strong>Zuverlässigkeit</strong>stheorie <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>Ingenieurbau</strong>’’ an der Technischen Universität<br />

München entstanden. Er enthält deswegen wesentlich mehr Stoff als in zwei Semestern routinemäßig<br />

vorgetragen werden kann, weil sich der Verfasser in den verschiedenen Jahrgängen jeweils andere<br />

Schwerpunkte gesetzt hat. Die Themen, die nicht zum Gr<strong>und</strong>bestand der Vorlesung gehören,<br />

sind jeweils mit einem Stern gekennzeichnet. Alle Sonderthemen enthalten z.T. in der Forschung<br />

erst kürzlich erhaltene Ergebnisse.


Inhaltsverzeichnis<br />

1. Die Sicherheitsproblematik <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong> 5<br />

2. Einführung in <strong>Zuverlässigkeit</strong>saufgaben 15<br />

2.1. Begriffe, Versagenswahrscheinlichkeit als Volumenintegral 15<br />

2.2. Einflüsse auf die Versagenswahrscheinlichkeit 17<br />

2.2.1.Unabhängige normalverteilte Basisvariable <strong>und</strong> linear begrenzte<br />

Versagensbereiche 17<br />

2.2.2.Korrelierte normalverteilte Variable <strong>und</strong> linear begrenzte Versagensbereiche 20<br />

2.2.3.Versagenswahrscheinlichkeit <strong>und</strong> Teilsicherheitsfaktoren 21<br />

2.2.4.Einfluß der Verteilungsfunktionen 23<br />

2.2.5.Einfluß statistischer Unsicherheiten 23<br />

2.2.6.Ein zeitvariantes <strong>Zuverlässigkeit</strong>sproblem 24<br />

3. <strong>Zuverlässigkeit</strong>stheorie 1. Ordnung (FORM) 26<br />

3.1. Der Begriff des Sicherheits- oder <strong>Zuverlässigkeit</strong>sindex 26<br />

3.2. Nichtlinear begrenzte differenzierbare Versagensflächen 29<br />

3.2.1.<strong>Zuverlässigkeit</strong>smethode 1. Ordnung (FORM) <strong>im</strong> Standardraum 29<br />

3.2.2.Ein einfacher Gradientenalgorithmus 30<br />

3.2.3.Nichtnormale, unabhängige Basisvariable 31<br />

3.2.4.Nichtnormale, abhängige Basisvariable 32<br />

3.3. Generalisierter <strong>Zuverlässigkeit</strong>sindex, Sensitivitäten <strong>und</strong> Elastizitäten 37<br />

3.4. Antwortflächenverfahren ∗ 39<br />

3.5. Das inverse <strong>Zuverlässigkeit</strong>sproblem ∗ 39<br />

A. S<strong>im</strong>ulationsmethoden 42<br />

A.1. Erzeugung von Zufallszahlen 42<br />

A.2. Einfache Monte-Carlo-Integration 42<br />

A.3. Monte-Carlo-Methoden mit Importanzstichprobenwahl 44<br />

A.4. Adaptive Monte-Carlo-Verfahren 45<br />

4. <strong>Zuverlässigkeit</strong>stheorie 2.Ordnung (SORM) 47<br />

4.1. Vorbereitende Überlegungen 47<br />

4.2. Einführung in die Theorie asymptotischer Laplaceintegrale 48<br />

4.3. Mehrd<strong>im</strong>ensionale asymptotische Laplaceintegrale ∗ 51<br />

4.4. Anwendung auf Integrale der Normalverteilung 54<br />

4.5. Berechnung bedingter Wahrscheinlichkeiten ∗ 63<br />

4.6. Berechnung der Versagenswahrscheinlichkeit <strong>im</strong> Originalraum ∗ 69<br />

4.7. Schlußbemerkung 74<br />

2


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

B. S<strong>im</strong>ulationsmethoden auf der Basis von SORM ∗ 76<br />

B.1. Monte-Carlo-Methoden mit Richtungsstichprobenwahl 76<br />

B.2. Verfahren mit asymyptotischer Stichprobendichte 79<br />

5. Systeme in der <strong>Zuverlässigkeit</strong>stheorie 83<br />

5.1. Zum Begriff des Systems in der <strong>Zuverlässigkeit</strong>stheorie 83<br />

5.2. Logische Analyse von Systeme 83<br />

5.3. Wahrscheinlichkeitsschranken für Systeme 87<br />

5.4. Berechnung der Wahrscheinlichkeiten von Vereinigungs- <strong>und</strong> Schnittmengen<br />

nach der <strong>Zuverlässigkeit</strong>stheorie 1. Ordnung 89<br />

5.5. Systematische Analysemethoden von Systemen 92<br />

5.5.1.Ereignisbäume 92<br />

5.5.2.Fehlerbäume 94<br />

C. Berechnung des multinormalen Integrals 96<br />

D. S<strong>im</strong>ulationsverfahren bei Systemen 98<br />

6. Theoretische Last- <strong>und</strong> Festigkeitsmodelle 99<br />

6.1. Mathematische Modelle 99<br />

6.1.1.Eind<strong>im</strong>ensionale Modelle 99<br />

6.1.2.Korrelierte normalverteilte Variable 100<br />

6.1.3.Zufallsfolgen <strong>und</strong> Extremwerte 101<br />

6.1.4.Markierte <strong>und</strong> gefilterte Poissonfolgen 104<br />

6.1.5.Markierte Erneuerungsprozesse 106<br />

6.1.6.Gaußsche Prozesse <strong>und</strong> Zufallsfelder 107<br />

6.1.7.Voraussage, Filterung, Interpolation <strong>und</strong> Kontrolle von Zufallsprozessen* 126<br />

6.2. Allgemeines zur Modellierung von <strong>Lasten</strong> 130<br />

6.2.1.Klassifizierung der Einwirkungen 130<br />

6.2.2.Filterung be<strong>im</strong> Übergang von Last zu Lastwirkung 130<br />

6.3. Allgemeine Festigkeitsmodelle 133<br />

6.3.1.Statische Festigkeit 133<br />

6.3.2.Kumulative Schädigungen 138<br />

6.3.3.Materialermüdung 141<br />

E. S<strong>im</strong>ulation von Zufallsprozessen <strong>und</strong> Zufallsfeldern 145<br />

7. Zeitvariante <strong>Zuverlässigkeit</strong>saufgaben 147<br />

7.1. Allgemeine Betrachtungen 147<br />

7.1.1.Problemstellung 147<br />

3


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

7.1.2.<strong>Zuverlässigkeit</strong>sfunktion <strong>und</strong> Risikofunktion 148<br />

7.1.3.Der Poissonprozeß 150<br />

7.1.4.Lebensdauerverteilungen 153<br />

7.1.5.Erneuerungsprozesse ∗ 154<br />

7.1.6.Begriff der Austrittsrate 158<br />

7.1.7.Schranken für die Versagenswahrscheinlichkeit 159<br />

7.1.8.Die Turkstra’sche Regel 161<br />

7.2. <strong>Zuverlässigkeit</strong> von Komponenten, deren Zustand von markierten<br />

Punktprozessen abhängen 162<br />

7.2.1.Versagenswahrscheinlichkeit bei Kombinationen von stationären<br />

Zufallsfolgen 162<br />

7.2.2.Berechnung von Austrittsraten von vektoriellen Rechteckwellenprozessen 163<br />

7.2.3.Austrittsraten bei Systemen (Sprungprozesse) ∗ 169<br />

7.3. Austrittsraten <strong>und</strong> mittlere Anzahl der Austritte bei differenzierbaren Prozessen 170<br />

7.3.1.Skalare stationäre Prozesse 171<br />

7.3.2.Austrittsrate für instationären, skalaren Gaußschen Prozeß ∗ 172<br />

7.3.3.Austrittsrate von Gaußschen Vektorprozessen ∗ 174<br />

7.3.4.Nicht-normale differenzierbare Prozesse ∗ 183<br />

7.3.5.Austrittsraten bei Systemen (differenzierbare Prozesse) ∗ 184<br />

7.3.6.Kombination von Prozessen mit nicht rechteckförmigen Marken (Point<br />

Crossing Method) ∗ 185<br />

7.4. Asymptotische Überlegungen 187<br />

7.5. Intermittierende Prozesse ∗ 190<br />

7.6. Kombination von differenzierbaren <strong>und</strong> Sprungprozessen ∗ 194<br />

7.7. Kumulative Versagenserscheinungen ∗ 196<br />

8. <strong>Zuverlässigkeit</strong> von Tragwerken 199<br />

8.1. Lineare, statische Systeme 199<br />

8.2. Nicht-lineare, statische Systeme ∗ 201<br />

8.3. Modellierung unsicherer Eigenschaften in Tragsystemen 202<br />

8.4. <strong>Zuverlässigkeit</strong>sberechnungen statisch beanspruchter Tragsysteme 203<br />

8.5. <strong>Zuverlässigkeit</strong> dynamischer, deterministischer Strukturen unter Gaußscher<br />

Belastung ∗ 206<br />

8.5.1.Einläufiger Schwinger 206<br />

8.5.2.Mehrläufige lineare Schwinger 215<br />

8.6. Anmerkungen zur <strong>Zuverlässigkeit</strong>sberechnung dynamischer Systeme 219<br />

F. Austrittsrate bei nichtlinearen Schwingern <strong>und</strong> bei nichtgaußischer Anregung ∗ 220<br />

4


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

F.1. Theoretische Gr<strong>und</strong>lagen 220<br />

F.2. Deterministische Gr<strong>und</strong>lagen der nichtlinearen Schwingungstheorie 222<br />

F.3. Anwendung 224<br />

9. Opt<strong>im</strong>ierung von baulichen Anlagen 227<br />

9.1. Allgemeines 227<br />

9.2. Versagen bei Errichtung oder Inbetriebnahme durch zeitinvariante <strong>Lasten</strong> 229<br />

9.3. Versagen durch extreme Belastungen 230<br />

9.3.1.Aufgabe des Bauwerks nach einem Versagen 230<br />

9.3.2.Systematischer Wiederaufbau nach einem Versagen 233<br />

9.4. Beliebige Versagensprozesse <strong>und</strong> andere Erneuerungsursachen 238<br />

9.4.1.Verwendung der Austrittsrate 238<br />

9.4.2.Versagen bei Inbetriebnahme 238<br />

9.4.3.Veraltung 239<br />

9.4.4.Zeitabhängiger Schaden 242<br />

9.4.5.Alterung 243<br />

9.4.6.Präventive Unterhaltung 246<br />

9.4.7.Blockweise Reparatur 250<br />

9.4.8.Endliche Erneuerungszeiten 251<br />

9.4.9.Bestehende Bauwerke 252<br />

9.4.10.Seriensysteme 253<br />

9.4.11.Schlußbemerkungen zur Anwendbarkeit des Erneuerungsmodells 257<br />

9.5. Aspekte der Risikoanalyse baulicher Anlagen 258<br />

9.6. Bemessung als Opt<strong>im</strong>ierungsaufgabe 260<br />

9.6.1.Allgemeines 260<br />

9.6.2.Die zeitinvariante Aufgabe 261<br />

9.6.3.Zeitvariante Aufgaben 263<br />

9.6.4.Numerische Auswertung der Laplacetransformation 265<br />

9.6.5.Seriensysteme 266<br />

9.6.6.<strong>Zuverlässigkeit</strong>sopt<strong>im</strong>ierung 267<br />

9.7. Zur Größe der Zinssätze 268<br />

9.7.1.Allgemeines 268<br />

9.7.2.Grenzen für Zinssätze 268<br />

9.7.3.Bemerkungen über gesellschaftliche Zins- <strong>und</strong> Nutzenraten* 269<br />

G. Opt<strong>im</strong>ierungsalgorithmen ∗ 276<br />

G.1. Vorbemerkungen 276<br />

G.2. Unrestringierte, nichtlineare aber ’’glatte’’ Opt<strong>im</strong>ierungsaufgaben 276<br />

5


G.3. Restringierte nichtlineare aber ’’glatte’’ Opt<strong>im</strong>ierungsaufgaben 278<br />

G.4. Zeitinvariante Probleme <strong>im</strong> Standardraum 283<br />

G.5. Zeitinvariante Probleme <strong>im</strong> Originalraum 287<br />

G.6. Zeitvariante Probleme (Standardraum) 287<br />

G.7. Schlußbemerkung 288<br />

10.Wie sicher ist sicher genug? 289<br />

10.1. Vorbemerkungen 289<br />

10.2. Der Lebensqualitätsindex 291<br />

10.2.1.Mathematische Herleitung 291<br />

10.2.2.Demographische Aspekte 298<br />

10.2.3.Der Lebensqualitätsindex als Indikator für den Entwicklungsstand eines<br />

Landes 302<br />

10.2.4.Einfache Anwendungen von Gl. (10.2.1.21) 305<br />

10.2.5.Berücksichtigung der Zeitpräferenz des Konsums <strong>und</strong> des Altersaufbaus<br />

einer Bevölkerung 306<br />

10.2.6.Zusammenstellung von Daten für verschiedene Länder 311<br />

10.2.7.Vergleich mit empirischen Angaben in der Literatur ∗ 312<br />

10.3. Anwendungen 314<br />

10.3.1.Kompensationskosten in Kosten-Nutzenüberlegungen 314<br />

10.3.2.Anwendung auf Anlagen bei durch die technische oder die natürliche<br />

Umwelt ausgelöstemVersagen 315<br />

10.3.3.Anwendung auf Risiken aus toxischen Substanzen ∗ 325<br />

10.4. Nachhaltigkeitsaspekte* 326<br />

11.Anwendung in Bauvorschriften 329<br />

11.1. Teilsicherheitsfaktoren - Stand der Normung 329<br />

11.1.1.Zeitinvarianter Fall 329<br />

11.1.2.Definition von charakteristischen Werten 331<br />

11.2. Zeitvarianter Fall - Lastkombination 332<br />

11.3. Ermüdungsnachweise 333<br />

11.4. Vorgesehene Lebensdauern <strong>und</strong> Zielzuverlässigkeiten 335<br />

11.5. Größe der Teilsicherheitsfaktoren in Euronormen 338<br />

Literatur 341<br />

4


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Kapitel 1. Die Sicherheitsproblematik <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong><br />

<strong>Ingenieurbau</strong><br />

Sicherheit, <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> Verfügbarkeit gehören zu den wichtigsten Eigenschaften von baulichen<br />

Anlagen <strong>und</strong> anderer technischer Objekte. Im allgemeinen werden sie durch vielerlei Unsicherheiten<br />

bedroht. Unter Sicherheit sei dabei die Abwesenheit von Gefährdungen für Leib <strong>und</strong><br />

Leben bei Gebrauch <strong>und</strong> für die Umwelt verstanden, die mit hoher Wahrscheinlichkeit gewährleistet<br />

werden muß . Das gilt auch wenn weder unsere Kenntnis von der natürlichen <strong>und</strong> künstlichen<br />

Umwelt perfekt ist noch vollkommen kontrolliert werden kann. Unter <strong>Zuverlässigkeit</strong> soll die Eigenschaft<br />

verstanden werden, die vorgesehene Funktion für die beabsichtigte Zeit des Gebrauchs<br />

mit ausreichend großer Wahrscheinlichkeit zu erfüllen. Unter Verfügbarkeit wollen wir schließlich<br />

die Eigenschaft verstehen, bei Gebrauch in nutzungsfähigem Zustand zu sein, d.h. nicht etwa<br />

wegen Inspektions- oder Wartungsarbeiten oder auch wegen den uneingeschränkten Gebrauch verhindernder<br />

Systemzustände (z.B. zu starke Schwingungen) nicht zur Verfügung zu stehen.<br />

Für bauliche Anlagen sind hohe Anforderungen an die Sicherheit charakteristisch. Solche haben<br />

in der Tat eine lange Geschichte, wie ein Teil des in Stein gemeißelten <strong>und</strong> <strong>im</strong> Louvre, Paris aufbewahrten<br />

Codex Hammurabi (Hammurabi, babylonischer König, 1728-1686 v. Chr.) in Bild 1.1<br />

belegt.<br />

Abb. 1.1.Auszug aus dem Codex Hammurabi (aus Bautechnik, 43, 1, 1966)<br />

Die Übersetzung dieses Textes lautet wie folgt:<br />

(1) Wenn ein Baumeister ein Haus baut für einen Mann <strong>und</strong> es für ihn vollendet, so soll dieser ihm<br />

als Lohn zwei Shekel Silber geben für je einen Sar (1 Shekel =360Weizenkörner =9, 1 g, 1<br />

Sar =14, 88 m 2 ).<br />

(2) Wenn ein Baumeister ein Haus baut für einen Mann <strong>und</strong> macht seine Konstruktion nicht stark,<br />

so daß es einstürzt <strong>und</strong> verursacht den Tod des Bauherrn: dieser Baumeister soll getötet werden.<br />

(3) Wenn der Einsturz den Tod eines Sohnes des Bauherrn verursacht, so sollen sie einen Sohn des<br />

5


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Baumeisters töten. Kommt ein Sklave des Bauherrn dabei um, so gebe der Baumeister einen<br />

Sklaven von gleichem Wert.<br />

(4) Wird be<strong>im</strong> Einsturz Eigentum zerstört, so stelle der Baumeister wieder her, was<strong>im</strong>merzerstört<br />

wurde, weil er das Haus nicht fest genug baute, baue er es auf eigene Kosten wieder auf.<br />

(5) Wenn ein Baumeister ein Haus baut <strong>und</strong> macht die Konstruktion nicht stark genug, so daß eine<br />

Wand einstürzt, dann soll er sie auf eigene Kosten verstärkt wieder aufbauen.<br />

Auch kann auf den nachfolgend angegebenen Passus § 330 <strong>im</strong> deutschen Strafgesetzbuch hingewiesen<br />

werden [190] .<br />

(1) Wer bei der Planung, Leitung oder Ausführung eines Baues oder des Abbruchs eines Bauwerkes<br />

gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik verstößt <strong>und</strong> dadurch Leib oder Leben eines<br />

anderen gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.<br />

(2) Ebenso wird bestraft, wer in Ausübung eines Berufs oder Gewerbes bei der Planung, Leitung<br />

oder Ausführung eines Vorhabens, technische Einrichtung in ein Bauwerk einzubauen oder eingebaute<br />

Einrichtungen dieser Art zu ändern, gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik<br />

verstößt <strong>und</strong> dadurch Leib oder Leben eines anderen gefährdet.<br />

Dieser hat seine Wurzeln in den mittelalterlichen Städtebauordnungen. Die Frage, was nun ’’allgemein<br />

anerkannte Regeln der Technik (Baukunst)’’ seien, wurde seit dem Ende des letzten Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

durch bauaufsichtlich eingeführte Regelwerke, wie die Normen des DIN, bauaufsichtliche<br />

Zulassungen, usw. beantwortet. In den für die Sicherheit maßgebenden Teilen werden Qualitätsanforderungen<br />

für die Produktion von Baustoffen spezifiziert, Nennwerte für Materialkenngrößen<br />

definiert, Sicherheitsbeiwerte für die Bemessung der Bauteile festgelegt sowie Verfahren zum<br />

Nachweis der Standsicherheit beschrieben <strong>und</strong> die dabei üblicherweise anzunehmenden <strong>Lasten</strong><br />

angegeben. Die Regelwerke unterliegen ständiger Überarbeitung durch Anpassung an den gewachsenen<br />

Stand der Kenntnis, veränderter Anforderungen an Sicherheit <strong>und</strong> Gebrauchsfähigkeit<br />

der Bauwerke <strong>und</strong> an die Erfahrung mit diesen Regeln. Entsprechend heißt es beispielsweise in<br />

der Bayerischen Bauordnung Artikel 3<br />

(1) Bauliche Anlagen, andere Anlagen <strong>und</strong> Einrichtungen <strong>im</strong> Sinn von Art. 1Abs. 1 Satz 2 sowie<br />

ihre Teile sind so anzuordnen, zu errichten, zu ändern <strong>und</strong> instand zu halten, daß die öffentliche<br />

Sicherheit <strong>und</strong> Ordnung, insbesondere Leben <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit, <strong>und</strong> die natürlichen Lebensgr<strong>und</strong>lagen<br />

nicht gefährdet werden. Sie müssen bei ordnungsgemäßer Instandhaltung die allgemeinen<br />

Anforderungen des Satzes 1 ihrem Zweck entsprechend angemessen dauerhaft erfüllen <strong>und</strong> ohne<br />

Mißstände benutzbar sein. ....<br />

(2) Die vom Staatsministerium des Inneren oder der von ihm best<strong>im</strong>mten Stelle durch öffentliche<br />

Bekanntmachung als Technische Baubest<strong>im</strong>mungen eingeführten technischen Regeln sind zu beachten.<br />

... Werden die allgemein anerkannten Regeln der Technik <strong>und</strong> Baukunst beachtet, gelten<br />

die entsprechenden bauaufsichtlichen Anforderungen dieses Gesetzes <strong>und</strong> der auf Gr<strong>und</strong> dieses<br />

Gesetzes erlassenen Vorschriften als eingehalten.<br />

Die bei der Erstellung der Regelwerke bevorzugte, empirische Vorgehensweise hat eine bis in die<br />

Anfänge der Mechanik <strong>und</strong> Festigkeitslehre zurückreichende Geschichte. Das Konzept der zulässigen<br />

Spannungen <strong>im</strong> sogenannten Spannungsnachweisverfahren geht wohl auf Navier zurück.<br />

Danach ist ein auf Biegung <strong>und</strong> Normalkraft beanspruchter Balken dann sicher, wenn gilt:<br />

σ = N A + M W ≤ zulσ = β γ<br />

(1.1)<br />

6


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Hierin ist σ die Randspannung, N die Normalkraft, M das Biegemoment, A die Querschnittsfläche<br />

<strong>und</strong> W das Widerstandsmoment. zul σ ist die sogenannte zulässige Spannung, die sich<br />

durch Division der Festigkeitsgröße β (Fließspannung, Proportionalitätsgrenze, Bruchfestigkeit,<br />

...) durch den Sicherheitsfaktor γ ergibt. Im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert wurden die damals üblichen Stähle<br />

mit einem Sicherheitsfaktor von nicht unter 3, Mauerwerk mit einem Sicherheitsfaktor nicht<br />

unter 5, beaufschlagt. Die Festigkeitsgröße wurde als ’’Mindestwert’’, manchmal aber auch als<br />

’’repräsentativer’’ Wert eingesetzt. Die Schnittgrößen N <strong>und</strong> M ergaben sich nach der linearen<br />

Elastizitätstheorie. Bei Stabilitätsproblemen wurde der Sicherheitsbeiwert jedoch den <strong>Lasten</strong> zugeschlagen.<br />

Das aus der Mode kommende, sogenannte ω-Verfahren <strong>im</strong> Stahlbau, welches den<br />

Knicksicherheitsnachweis formal als Spannungsnachweis führt, muß in diesem Sinne ebenfalls als<br />

ein Lastfaktorverfahren bezeichnet werden. Die neueren Nachweisverfahren sind sämtlich Verfahren<br />

mit sogenannten Teilsicherheitsbeiwerten. Deren ’’Format’’ kann <strong>im</strong> skalaren Fall allgemein<br />

wie folgt ausgedrückt werden:<br />

γ S S(..., ψ i γ i L N,i ,...) ≤ R(..., β N,j /(ϕ j γ j ),...)/γ R (1.2)<br />

Hierin ist S(.) eine Lastwirkungsgröße <strong>und</strong> R(.) die entsprechende Widerstandsgröße. L Ni (i=1,2,...)<br />

<strong>und</strong> β Nj (j=1,2,...) sind die Einwirkungen (<strong>Lasten</strong>, Zwängungen) bzw. den Widerstand best<strong>im</strong>mende<br />

Größen wie die Nennwerte der Materialfestigkeiten oder der geometrischen Parameter. Diese<br />

werden als charakteristische Werte, d.h. Werte, die nur mit einer vorgegebenen Wahrscheinlichkeit<br />

über- bzw. unterschritten werden, definiert. Die γ k sind die Teilsicherheitsbeiwerte. Der Bequemlichkeit<br />

halber werden sie als Faktoren ≥ 1 definiert. Anstelle multiplikativer ’’Sicherheitselemente’’<br />

findet man gelegentlich auch ’’additive’’ Sicherheitselemente δ i , <strong>und</strong> zwar insbesondere dann,<br />

wenn durch einen Faktor nicht die gewünschte Wirkung erzielt werden kann (Beispiel: Nennwerte<br />

nahe Null). Die Faktoren ψ k <strong>und</strong> ϕ k (0 ≤ ψ k , ϕ k ≤ 1) werden als Kombinationsfaktoren bezeichnet.<br />

Man verwendet sie als Korrekturfaktoren für die Teilsicherheitsbeiwerte, wenn das Zusammentreffen<br />

der jeweiligen Nennwerte auf ihrem ’’charakteristischen’’ Niveau unwahrscheinlich<br />

wird. Man sieht, daß die Teilsicherheitsbeiwerte ’’<strong>im</strong> Prinzip’’ dort angebracht werden können,<br />

wo die Unsicherheiten tatsächlich auch auftreten. Durch den Ansatz von Kombinationsfaktoren<br />

kann man sich zusätzlich den speziellen Gegebenheiten anpassen. In der praktischen Anwendung<br />

<strong>und</strong> zwar vor allem <strong>im</strong> internationalen Vergleich sieht man eine Vielzahl von Varianten der Gleichung<br />

(1.2), wobei die jeweilige Form <strong>und</strong> die einhergehenden Definitionen <strong>und</strong> Zahlenwerte oft<br />

den traditionellen Gewohnheiten entsprechen.<br />

Sicherheit <strong>und</strong> <strong>Zuverlässigkeit</strong> werden natürlich nicht durch mehr oder weniger rigorose Strafvorschriften<br />

gewährleistet. Sie werden auch nur indirekt durch ein Bauen nach Regelwerken, die wie<br />

vorstehend angedeutet, mit der Methode des ’’Versuchs <strong>und</strong> Irrtums’’ entwickelt wurden, gewährleistet.<br />

Die quantitative Größe der <strong>Zuverlässigkeit</strong> bleibt dabei <strong>und</strong>efiniert. Es erhebt sich daher<br />

die gr<strong>und</strong>sätzliche Frage, ob es rationale Konzepte <strong>und</strong> Methoden gibt, diese Größen schärfer einzugrenzen<br />

<strong>und</strong> damit auch eine zielgerichtete Entwicklung sicherer <strong>und</strong> zuverlässiger Anlagen<br />

einzuleiten.<br />

Maier [107] erkannte bereits 1926, daß eine rein empirische Anpassung der sicherheits- <strong>und</strong> damit<br />

auch zuverlässigkeitsrelevanten Elemente dieser Regelwerke zu gefährlichen Widersprüchen,<br />

zumindest aber zu unrationellen oder inkonsistenten Regeln führen kann. Er erhob die Forderung,<br />

eine Theorie der Sicherheit von baulichen Anlagen auf den Konzepten der Wahrscheinlichkeitstheorie<br />

<strong>und</strong> Statistik für die Behandlung der Unsicherheiten zu begründen. Für das dann erforderliche<br />

Rechnen mit mehreren Zufallsvariablen schlug er das Fehlerfortpflanzungsgesetz vor. Damit<br />

7


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

wurde eine zumindest genäherte Berücksichtigung der unterschiedlichen Streuungen in den Einflußgrößen<br />

<strong>und</strong> ihrer Bedeutung für die Sicherheit möglich. Wesentliches Verdienst von Maier<br />

ist auch, daß er erkannte, daß es nicht nur auf die Streuung einer Variablen ankommt, sondern<br />

in welchem funktionalen Zusammenhang diese mit den anderen Variablen steht. Maier machte<br />

aber noch keine konkreten Vorschläge zur Frage, was denn nun ’’sicher’’ genug sei. Forsell<br />

[53] schlug schon <strong>im</strong> Jahre 1924 vor, die Frage, was ’’sicher genug’’ sei, durch einen Ansatz<br />

der statistischen Entscheidungstheorie objektiv zu lösen. Er schlug vor, die Gesamtkosten eines<br />

Bauwerks, d.h. den Aufwand zur Realisierung des Bauwerks <strong>und</strong> die erwarteten Schadensfolgen<br />

(=Versagenswahrscheinlichkeit×Schadenskosten) zu min<strong>im</strong>ieren. Das kann man wie folgt schreiben:<br />

E[C] ≈ C 0 + c(γ)+HP f (γ) (1.3)<br />

E[C] sind die erwarteten Kosten, C 0 die von einem Bemessungsparameter γ unabhängigen Erstellungskosten,<br />

c(γ) die mit dem Sicherheitsbeiwert γ zunehmenden Kosten, H die Schadensfolgen<br />

<strong>und</strong> P f (γ) die mit γ abnehmende Versagenswahrscheinlichkeit (vergl. Bild 1.2).<br />

Erwartete<br />

Gesamtkosten<br />

Erwartete<br />

Versagenskosten<br />

Erstellungskosten<br />

Kostenm<br />

in <strong>im</strong> u m<br />

Parameter<br />

Abb. 1.2.Erwartete Gesamtkosten über Bemessungsparameter<br />

Diese Gesamtkosten haben für ein best<strong>im</strong>mtes γ <strong>und</strong> der zugehörigen Versagenswahrscheinlichkeit<br />

ein Min<strong>im</strong>um. Die Lage des Min<strong>im</strong>ums hängt von den Steigungen der Funktionen c(γ) <strong>und</strong> P f (γ)<br />

sowie von der Größe H ab. Forsell wies damit nach, daß Brücken, die ausschließlich für den<br />

landwirtschaftlichen Verkehr genutzt werden, nicht die gleiche hohe Sicherheit wie andere Brücken<br />

haben sollten. Die sicherheitsrelevanten Elemente in den Regelwerken wären so zu best<strong>im</strong>men,<br />

daß die Summe der für die Sicherheit aufgewendeten Kosten <strong>und</strong> der erwarteten Schadenskosten<br />

zu einem Min<strong>im</strong>um werden. Auf Detailfragen dieses Ansatzes gehen wir noch nicht ein.<br />

Eine Theorie der Bauwerkssicherheit <strong>und</strong> damit eine Theorie der <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> der Verfügbarkeit<br />

begann sich <strong>im</strong> eigentlichen Sinne aber erst mit den Arbeiten von Freudenthal [54] [55] in<br />

den 50-er Jahren zu entwickeln. Freudenthal <strong>und</strong> andere brachen mit der traditionellen, heute als<br />

deterministisch bezeichneten Denkweise, daß nämlich Einwirkungen <strong>und</strong> Widerstände als extreme<br />

Nennwerte, die praktisch nicht überschritten werden können, definiert werden <strong>und</strong> daß, wenn<br />

sie doch überschritten würden, es ausreicht, zwischen diesen einen ’’ausreichenden’’ Sicherheitsabstand<br />

festzulegen. Sie argumentierten, daß eine widerspruchsfreie Theorie der <strong>Zuverlässigkeit</strong><br />

8


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

nur auf der Gr<strong>und</strong>lage von Statistik <strong>und</strong> Wahrscheinlichkeitslehre entstehen könnte. Man bemühte<br />

sich, die unsicheren Größen durch Zufallsvariable bzw. Zufallsprozesse auf der Gr<strong>und</strong>lage von<br />

streuenden, statistisch erhobener Daten zu modellieren <strong>und</strong> um geeignete Formulierungen die Versagenswahrscheinlichkeiten<br />

auch zu berechnen.<br />

In anderen Technikbereichen fand eine ähnliche Entwicklung statt. Henley/Kumamoto [70] legen<br />

den Ursprung einer mathematischen <strong>Zuverlässigkeit</strong>stheorie in die Zeit der Entwicklung der<br />

deutschen Raketenwaffen vor dem zweiten Weltkrieg. Deren Anfänge waren durch schwere Rückschläge<br />

gekennzeichnet. Ein Mathematiker, der sich des Problems annahm, wies darauf hin, daß<br />

bei vielen Komponenten in einem System, deren Ausfall den Systemausfall bedeutet, es nicht genügt,<br />

das System auf die ’’schwächste’’ Komponente hin auszulegen. Man muß auch berücksichtigen,<br />

daß die anderen Komponenten ’’zufällig’’ zur schwächsten Komponente werden können. In<br />

der Elektrizitätswirtschaft hatte sich schon vorher die sogenannte n +1-Regel ausgebildet, d.h.<br />

wenn n Leitungen zur Versorgung eines Systems notwendig waren, so sollte man eine zusätzliche,<br />

red<strong>und</strong>ante Leitung vorsehen um bei Ausfall einer Leitung den sofortigen Systemkollaps vermeiden<br />

zu können. Wesentliche Impulse erhielt die ’’klassische’’ <strong>Zuverlässigkeit</strong>stheorie dann durch<br />

die rasante Entwicklung in der Militärtechnik, die <strong>Zuverlässigkeit</strong>saussagen für sehr komplizierte<br />

<strong>und</strong> große Systeme verlangte. Die ’’klassische’’ <strong>Zuverlässigkeit</strong>stheorie entwickelte sich aber<br />

auch aus zivilen Fragestellungen bei der Bedienung von Anforderungen an ein System (z.B. in der<br />

Lagerhaltung, bei der D<strong>im</strong>ensionierung von Stauanlagen, der Bemessung von Telephonzentralen,<br />

u.s.w). Dabei ist charakteristisch, daß der Strom der Anforderungen als zufälliger Zählprozeß modelliert<br />

wurde. Die Zeiten zwischen den Anforderungen (<strong>und</strong> die Bedienungszeiten) gehorchen<br />

best<strong>im</strong>mten Verteilungsfunktionen. Es lag nahe, diese Konzepte auf <strong>Zuverlässigkeit</strong>sprobleme anzuwenden.<br />

Man mußte nur die Zeiten zwischen den Anforderungen als Lebensdauern von Komponenten<br />

interpretieren. Auch lag nahe, Reparaturen in die Betrachtungen einzubeziehen. In neuerer<br />

Zeit ergaben sich große Fortschritte in der Theorieentwicklung <strong>und</strong> in Anwendungen durch die<br />

Anforderungen in der Sicherheitsanalyse von Atomkraftwerken. Interessanterweise entwickelte<br />

sich die ’’klassische’’ Richtung <strong>und</strong> die Theorie der Tragwerkszuverlässigkeit aber über lange Jahre<br />

fast unabhängig voneinander <strong>und</strong> erst neuerdings stellt sich eine Annäherung der Konzepte <strong>und</strong><br />

Verfahren ein.<br />

Während <strong>Zuverlässigkeit</strong> bei Tragwerken nach allgemeinem Verständnis vornehmlich durch eine<br />

adäquate Bemessung erreicht werden sollte <strong>und</strong> bei operativen Systemen auch durch eine zweckmäßige<br />

Strategie für Inspektionen <strong>und</strong> Reparaturen, sollte sie in best<strong>im</strong>mten Technikbereichen<br />

ganz besonders durch eine statistische Kontrolle der Qualität des Produktes erreicht werden. Es<br />

entstand in der ersten Hälfte dieses Jahrh<strong>und</strong>erts eine wirkungsvolle Theorie der statistischen Qualitätskontrolle,<br />

die sich ebenfalls unabhängig von den übergeordneten Theorien der <strong>Zuverlässigkeit</strong><br />

entwickelte [172] . Auf den direkten Zusammenhang zwischen Bauwerkssicherheit <strong>und</strong> Qualitätskontrolle<br />

wurde wohl erstmals von Blaut hingewiesen [13] .<br />

Obwohl Ende der 60iger Jahre erste Gr<strong>und</strong>lagen für die Anwendung der neuen Konzepte <strong>im</strong> Bauwesen,<br />

allerdings noch auf der sogenannten semi-probabilistischen Basis (vergl. Gl. (1.2)), vorgelegt<br />

wurden, war damals deutlich, daß dem weiteren Ausbau der Theorie <strong>und</strong> den Anwendungen<br />

Grenzen gesetzt waren. Diese waren zum einen in fehlenden Daten begründet. Zum anderen zeigte<br />

sich ein numerisches Problem, d.h. die Auswertung z.T. hochd<strong>im</strong>ensionaler Wahrscheinlichkeitsintegrale,<br />

für die kaum analytische Resultate zu erhoffen waren. Während das erstgenannte<br />

Problem durch systematische Datenerhebungen gelöst werden kann <strong>und</strong> für viele Bereiche zwischenzeitlich<br />

auch schon zufriedenstellend gelöst wurde, ist das zweite Problem letztlich nur durch<br />

schnelle Rechenanlagen beherschbar.<br />

9


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Von der internationalen gemeinsamen Kommission für Bauwerkssicherheit wurde zunächst eine<br />

Näherungslösung 1. Ordnung (FORM = First Order Reliability Method) erarbeitet (CEB,<br />

1976;[28] ), die sich in Anwendungen weithin durchgesetzt hat. Ihre theoretische Rechtfertigung<br />

gelang wenig später durch Anwendung der asymptotischen Analysis auf sogenannte Laplace Integrale<br />

(SORM = Second Order Reliability Method) [19] [75] . Beide Verfahren erwiesen sich<br />

auch als sehr zweckmäßig bei der Formulierung <strong>und</strong> rechnerischen Auswertung von Aufgaben,<br />

bei denen der Parameter Zeit eine Rolle spielt. In jüngster Zeit wurden noch best<strong>im</strong>mte Monte<br />

Carlo Verfahren vorgeschlagen, so daß man die Frage der Berechnung von Wahrscheinlichkeitsintegralen<br />

heute als gelöst betrachten kann. Eine Reihe von leistungsfähigen Rechenprogrammen<br />

steht zur Verfügung.<br />

In den Schriften (z.B. CEB, 1976[28] ; DIN, 1981[63] ; ISO, 1986[79] ), die z.T. normenähnlichen<br />

Charakter haben, kommt zum Ausdruck, daß der konstruktive <strong>Ingenieurbau</strong> bezüglich der Erfüllung<br />

von Sicherheitsanforderungen in der Tat eine neue, rationale Gr<strong>und</strong>lage hat. Die Festlegung<br />

von allgemeingültigen Sicherheitsanforderungen erwies sich jedoch als außerordentlich schwierig.<br />

Das ist zum Einen in der bereits erwähnten Empfindlichkeit der rechnerischen Ergebnisse von<br />

den Annahmen für das stochastische Modell begründet. Auf der anderen Seite ist die Quantifizierung<br />

der Schadensfolgen nach dem Ansatz von Forsell <strong>und</strong> seinen Verbesserungen problematisch<br />

[148] . Wie soll man Leib <strong>und</strong> Leben von Menschen bewerten? Kann man sich an Risiken in<br />

anderen Bereichen orientieren (vergl. hierzu die Zusammenstellung in Bild 1.3). Jeder Versuch<br />

dazu muß sich einer für diese Fragen sehr sensiblen Öffentlichkeit stellen. Die Gesetze <strong>und</strong> die<br />

Rechtsprechung gehen mit dieser Frage äußerst vorsichtig um 1 .<br />

Lind [92] <strong>und</strong> andere stellten das Postulat auf, daß die gegenwärtigen Bemessungsvorschriften<br />

<strong>im</strong> großen <strong>und</strong> ganzen bereits die erforderliche Sicherheit <strong>und</strong> <strong>Zuverlässigkeit</strong> von Bauwerken gewährleisten.<br />

Daher ist die systematische Festlegung der Anforderungen in einem probabilistischen<br />

Rahmen eine Frage der Nachrechnung bewährter Bauweisen mit dem neuen Instrumentarium. Die<br />

Kalibration der neuen Gr<strong>und</strong>lagen an Bewährtem <strong>und</strong> eine geeignete Klassifizierung nach dem zu<br />

erbringenden Aufwand für Sicherheit <strong>und</strong> den Schadensfolgen ermöglicht auch ungewöhnliche<br />

Situationen zu beherrschen. Damit kann das Problem der konkreten, expliziten Bewertung von<br />

Schadensfolgen bzw. ihrer Eintrittshäufigkeit in gewisser Weise umgangen werden <strong>und</strong> man hat<br />

eine Arbeitsgr<strong>und</strong>lage für die Erstellung von Regelwerken für den Entwurf, den Bau <strong>und</strong> den Betrieb<br />

von technischen Anlagen. Man braucht bei dieser Betrachtungsweise den oben erwähnten<br />

Opt<strong>im</strong>ierungsgedanken nicht aufzugeben. Ziel der Nachrechnung kann auch nur die Best<strong>im</strong>mung<br />

der so schwer zu best<strong>im</strong>menden Schadensfolgen H sein. Diese müssen ja nicht nur die direkten<br />

monetären Folgen sondern auch die indirekten die Beteiligten <strong>und</strong> die Gesellschaft betreffenden<br />

Folgen erfassen. Es besteht aber auch kein Zweifel, daß das Lindsche Postulat die Frage der Risikoakzeptanz<br />

nicht eigentlich löst, denn es beruht auf der Annahme, daß die gültigen Bemessungsvorschriften<br />

in ihrer weitgehend durch Versuch <strong>und</strong> Irrtum geprägten Entwicklung ein akzeptables<br />

Opt<strong>im</strong>um erreicht haben.<br />

1<br />

Bei einer probabilistischen Gr<strong>und</strong>lage der Regelwerke muß natürlich auch die Forderung in den Bauordnungen,<br />

daß nämlich Leben <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit ... nicht gefährdet werden, eine neue, realistischere Bedeutung bekommen. Eine<br />

Nichtgefährdung ist dann gegeben, wenn für ein Versagen einer baulichen Anlage oder Teilen davon nur eine ausreichend<br />

kleine Wahrscheinlichkeit besteht. Auf die Frage wie groß denn diese Versagenswahrscheinlichkeit sein darf,<br />

wird weiter unten noch zurückgekommen.<br />

10


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Tätigkeit<br />

Bergsteigen<br />

(intern.)<br />

Hochsee−<br />

fischerei<br />

Fliegen<br />

(Crew)<br />

Kohle−<br />

bergbau<br />

Auto−<br />

fahren<br />

Bau−<br />

arbeit<br />

Fliegen<br />

(P assag.)<br />

Fabrik−<br />

arbeit<br />

Gebäude−<br />

brände<br />

Haus−<br />

arbeit<br />

Bauwerks−<br />

versagen<br />

Todesrisiko<br />

/St<strong>und</strong>e/10 8<br />

betroff.Person<br />

Zahl<br />

/St<strong>und</strong>e/Jahr/<br />

betroff.Person<br />

Todesrisiko<br />

/10 4 Personen<br />

/Jahr<br />

2700 100 27<br />

59 2900 17<br />

Verhältnis<br />

Verw<strong>und</strong>ete/<br />

Tote<br />

120 1000 12 ¿ 1<br />

21 1600 3.3<br />

56 400 2.2 20<br />

7.7 2200 1.7 450<br />

120 100 1.2 ¿ 1<br />

2 2000 0.4<br />

0.15 5500 0.08 5<br />

2.1 5500 1.1<br />

0.002 5500 0.001 6<br />

Tabelle 1.1: Zusammenstellung der Risiken für Leib <strong>und</strong> Leben bei verschiedenen Tätigkeiten aus<br />

verschiedenen Quellen<br />

Die Diskussionen in den letzten drei Jahrzehnten um die Risiken der Kerntechnik haben hier die<br />

Begriffswelt ganz wesentlich erweitert. Es wurde vor allem deutlich, daß als Maßstab für die Akzeptanz<br />

einer Gefährdung durch die natürliche <strong>und</strong> technische Umwelt wie in der Versicherungswirtschaft<br />

tatsächlich das Produkt aus Eintrittshäufigkeit <strong>und</strong> Schadensfolge, heute als Risiko definiert,<br />

genommen werden muß — <strong>und</strong> nicht allein die Eintrittshäufigkeit wie in Bild 1.3.<br />

Schon in Tabelle 1.1 fällt auf, daß manche der Aktivitäten, die mit einem Risiko verb<strong>und</strong>en sind,<br />

freiwillig eingegangen werden (z.B. Bergsteigen) <strong>und</strong> andere, wie Hausarbeit, unvermeidlich sind.<br />

Bei manchen beruflichen Aktivitäten wird ein höheres Risiko akzeptiert, wohl weil eine Kompensation,<br />

z.B. in Form besserer Vergütung, größerer Freizeit, usw. erfolgt. Aus solchen Zusammenstellungen<br />

kann man allenfalls gewisse Grenzwerte ableiten. Im Hinblick auf die mittlere<br />

Sterberate von 10 −2 bis 10 −3 /Jahr aus allen Ursachen mag man beispielsweise ableiten, daß die<br />

Wahrscheinlichkeit durch Bauwerksversagen zu Tode zu kommen wesentlich kleiner als 10 −3 /Jahr<br />

sein muß. Die mittlere Sterberate infolge von Unfällen aller Art ist etwas über 10 −4 /Jahr. Etwa<br />

die Hälfte davon geht auf den Straßenverkehr zurück. Der Rest verteilt sich auf freiwillig eingegangene<br />

risikoreiche Tätigkeiten, Hausunfälle <strong>und</strong> andere riskante Tätigkeiten. Ist aber überhaupt<br />

zulässig, mit solchen mittleren Raten zu argumentieren? Es ist auch üblich geworden, die Häufigkeit<br />

von Naturkatastrophen über der jeweiligen Anzahl von Unfalltoten aufzugetragen (vergl.<br />

Bild 1.3 für verschiedene Risiken). Ein konstantes Risiko bedeutet in der doppelt-logarithmischen<br />

Auftragung offensichtlich eine unter 45 o geneigte Gerade. Die Kurven für die aufgenommenen<br />

11


H ä u fig k e it p ro J a h r<br />

Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

10<br />

1<br />

0.1<br />

0.01<br />

0.001<br />

0.0001<br />

12<br />

13<br />

7<br />

1 2<br />

3<br />

6 5<br />

8<br />

10<br />

9<br />

4<br />

1 - Flugzeugabsturz (<strong>im</strong> Flugzeug)<br />

2 - Brände<br />

3 - Explosion<br />

4 - Versagen von Staudämmen<br />

5 - Freisetzen von Chlor<br />

6 - Flugzeugabsturz (am Boden)<br />

7 - Tornados<br />

8 - Hurricanes<br />

9 - Erdbeben<br />

10- Hochwasser<br />

11- Meteoriteneinschlag<br />

12- Autoverkehr<br />

13- Eisenbahn<br />

0.00001<br />

11<br />

0.000001<br />

1E1 1E2 1E3 1E4 1E5 1E6<br />

M ittlere A n z a hl von O pfern p ro E re ig n is<br />

Abb. 1.3.Risikokurven für verschiedene Gefährdungen aus der natürlichen <strong>und</strong> technische Umwelt (nach<br />

[47] <strong>und</strong> anderen)<br />

Naturkatastrophen verlaufen interessanterweise flacher. Mit dem Anwachsen der Weltbevölkerung<br />

scheinen sich die Kurven in jüngster Zeit sogar nach rechts zu verschieben.<br />

In der Meerestechnik <strong>und</strong> anderen Bereichen hat man versucht in Diagrammen wie Bild 1.3 eine<br />

nicht zulässige <strong>und</strong> eine zulässige Region zu definieren, wobei auf beobachtete Schadensfälle<br />

Bezug genommen wird. Dazwischen befindet sich die sogenannte ALARP-Region (As Low As<br />

Reasonably Practicable). Ein Beispiel zeigt Abb. 1.4. Die Frage, wann nun sicher genug ist, kann<br />

hier noch nicht in der gebotenen Tiefe dargelegt werden. Das vorgestellte Zahlenmaterial <strong>und</strong><br />

die verschiedenen Ansätze für Akzeptanz von Risiken sollen hier nur auf ein zentrales Problem<br />

hinweisen, welches später noch ausführlich zu diskutieren sein wird. Insbesondere wird über die<br />

individuelle <strong>und</strong> öffentliche Zahlungsbereitschaft für Risikoreduktion zu sprechen sein, da man<br />

davon ausgehen muß, daß ein geringes Risiko auch etwas kostet.<br />

Es muß hervorgehoben werden, daß nur etwas über 10% der katastrophalen Bauwerkseinstürze<br />

<strong>und</strong> anderer Bauschäden auf ’’natürliche’’ Ursachen, d.h. auf Ursachen, deren Wirkungen bewußt<br />

in Kauf genommen werden weil sie ausreichend selten auftreten, zurückgehen. Der Großteil<br />

der Schäden wird durch menschliche Fehler, Fahrlässigkeit oder Unterlassungen verursacht. Nur<br />

sehr wenige, wenngleich oft recht spektakuläre Schäden gehen heute noch auf individuelle oder<br />

allgemeine Unkenntnis entscheidender Sachverhalte zurück (z.B. Einsturz der Tacoma Narrows<br />

Brücke). Immer dann, wenn man sich auf technisches Neuland hinauswagt, wird man aber mit so<br />

verursachten Schäden rechnen müssen. Sie sind letztlich nur durch sehr zögerliches Überschreiten<br />

des Erfahrungsbereiches vermeidbar. Die meisten der durch ’’normale’’ Fehler verursachten<br />

12


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Versagensrate<br />

0.1<br />

0.01<br />

Nicht zulässig<br />

1.10 3<br />

1.10 4<br />

ALARP<br />

1.10 5<br />

1 .10 6<br />

Zulässig<br />

aber subopt<strong>im</strong>al<br />

1 10 100 1.10 3<br />

Schadensfolgen<br />

Abb. 1.4.ALARP-Region <strong>im</strong> Risiko-Schadensfolgen-Diagramm<br />

Schäden sind jedoch durchaus vermeidbar. In Tabelle 1.2 sind beispielhaft einige Ergebnisse einer<br />

Untersuchungen [112] über r<strong>und</strong> 800 Bauschäden, die von Versicherungen abgewickelt werden<br />

mußten, zusammengefaßt.<br />

Bewußt akzeptiertes Risiko<br />

Fehlhandlungen der Beteiligten<br />

Tragwerkskomponenten<br />

Baugrube, Bauinstallationen<br />

Lehrgerüste, Hilfskonstruktionen<br />

Tragwerk<br />

Fehlhandlungen bei<br />

Planung<br />

Ausführung<br />

Planung+Ausführung<br />

Fehlhandlung bei Planung<br />

Konzept<br />

Statische Berechnung<br />

Zeichnungen,Listen<br />

Arbeitsvorbereitung<br />

Alle Schadensfälle Schadessumme Personenschäden<br />

25<br />

10<br />

15<br />

75<br />

90<br />

85<br />

Tabelle 1.2: Zusammenstellung von Schäden nach Matousek/Schneider (1976)<br />

12<br />

9<br />

44<br />

37<br />

35<br />

18<br />

34<br />

34<br />

19<br />

9<br />

Dabei sind<br />

37% auf Ignoranz, Sorglosigkeit <strong>und</strong> Fahrlässigkeit<br />

27% auf mangelhafte Kenntnis<br />

14% auf Unterschätzen von Einflüssen<br />

10% auf Vergeßlichkeit <strong>und</strong> Irrtümer<br />

6% auf ungerechtfertigtes Verlassen auf andere<br />

6% auf objektiv unbekannte Situationen <strong>und</strong> Einflüsse<br />

4<br />

11<br />

72<br />

40<br />

20<br />

22<br />

18<br />

49<br />

9<br />

5<br />

13<br />

22<br />

48<br />

20<br />

46<br />

20<br />

15<br />

40<br />

8<br />

20<br />

13


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

zurückzuführen. Von allen Fehlhandlungen hätten 55% durch eine gut konzipierte Qualitätssicherung<br />

entdeckt <strong>und</strong> beseitigt werden können. Nur bei 13% wäre eine Entdeckung unwahrscheinlich.<br />

Natürlich sind menschliche Fehler in hohem Maße ebenfalls Zufallserscheinungen <strong>und</strong> eine Reihe<br />

von interessanten Ansätzen zu ihrer Modellierung wurden vorgebracht. Ihren Folgen kann man<br />

aber kaum durch verschärfte Vorschriften in den Regelwerken begegnen, obwohl in der Ingenieurpraxis<br />

vielfach die zweifelhafte Auffassung zu hören ist, daß der (reichlich gewählte) Sicherheitsbeiwert<br />

alle Fehler <strong>im</strong> Entwurf, in der Bemessung, bei der Errichtung <strong>und</strong> der Nutzung unterhalb<br />

der groben Fahrlässigkeit abdeckt. Man muß vielmehr ihr Auftreten durch gute Ausbildung der<br />

Betroffenen, ein angenehmes Arbeitskl<strong>im</strong>a, eine angemessene Vergütung der Arbeiten, etc., vermeiden<br />

<strong>und</strong> sie gegebenenfalls durch (unabhängige) Kontrollen entdecken <strong>und</strong> beseitigen [81] .<br />

Aber auch eine Kontrolle kann nicht perfekt sein. Ihre Wirksamkeit muß zudem stark von der<br />

Komplexität der Aufgabe abhängen. Auch hier gibt es Modellierungsansätze.<br />

In Kapitel 2 werden zunächst an einfachen Beispielen die wichtigsten Begriffe <strong>und</strong> Zusammenhänge<br />

erläutert. Danach wird in Kapitel 3 die sogenannte <strong>Zuverlässigkeit</strong>stheorie I. Ordnung für<br />

zeitinvariante <strong>Zuverlässigkeit</strong>saufgaben vorgestellt. Verschiedene Monte Carlo S<strong>im</strong>ulationsmethoden<br />

werden wegen ihrer leichten Verständlichkeit <strong>und</strong> Realisierbarkeit in Anhang A aufgeführt.<br />

Die asymptotische <strong>Zuverlässigkeit</strong>stheorie II. Ordnung 4 mit auf ihr beruhenden S<strong>im</strong>ulationsverfahren<br />

in Anhang B kann be<strong>im</strong> ersten Studium des Textes übergangen werden. Die Einführung in<br />

die <strong>Zuverlässigkeit</strong>stheorie bei Systemen 5 wird jedoch empfohlen. Eine Anwendung auf Tragsysteme<br />

erfolgt erst in Kapitel 8. Auch wesentliche Teile des Kapitels über stochastische Modelle 6<br />

werden für das Verständnis späterer Kapitel benötigt. Im ausführlichen Kapitel 7 über zeitvariante<br />

<strong>Zuverlässigkeit</strong>saufgaben werden viele wichtige Berechnungsansätze vorgestellt. Das Kapitel 9<br />

informiert über zuverlässigkeitsorientierte Opt<strong>im</strong>ierung auf der Basis der Erneuerungstheorie sowie<br />

über zweckmäßige Rechenverfahren denen auch Anhang G gewidmet ist. Die Frage nach dem<br />

akzeptablen Risiko wird schließlich in Kapitel 10 nachgegangen. Den ersten Teil des Textes beschließt<br />

ein Abschnitt 11 über die Normung <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong>. Den Text begleiten<br />

viele Beispiele. Diese sollen nicht nur die theoretischen Zusammenhänge illustrieren. Sie enthalten<br />

aber auch viele Einsichten, die <strong>im</strong> Haupttext nicht ausgeführt werden.<br />

14


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Einführung in <strong>Zuverlässigkeit</strong>saufga-<br />

Kapitel 2.<br />

ben<br />

2.1. Begriffe, Versagenswahrscheinlichkeit als Volumenintegral<br />

Wir betrachten als Einführung zunächst den folgenden Sonderfall. Der Zustand eines Tragwerks<br />

hänge von einer Reihe von unsicheren Größen ab, die in einem Vektor X von Zufallsvariablen<br />

zusammengefaßt werden können. Bei einem mittig durch eine Einzellast L <strong>und</strong> durch das gleichmäßig<br />

verteilte Eigengewicht D belasteten einfachen Balken mit der Werkstoffestigkeit R ist beispielsweise<br />

X = (L, D, R) T ,wennD, L, <strong>und</strong> R als unsichere, zufällige Variable aufgefaßt<br />

werden. Den Vektor X nennen wir Vektor der Basisvariablen. Daneben hat man in der Regel<br />

noch einen deterministischen Parametervektor p. Hier entält er das Widerstandsmoment w <strong>und</strong><br />

die Spannweite `, d.h. p =(w, `) T . In Abänderung der gewöhnlichen Notation <strong>im</strong> Ingenieurwesen<br />

werden die zufälligen Variablen durchgängig mit großen Buchstaben gekennzeichnet <strong>und</strong><br />

die Parameter mit kleinen Buchstaben. Wir betrachten zunächst nur die zwei wesentlichen Zustände<br />

des Tragwerks, den gebrauchsfähigen bzw uneingeschränkt verfügbaren Zustand <strong>und</strong><br />

den Bruch- oder Versagenszustand. Offenbar geht das Tragwerk in den Versagenszustand über,<br />

wenn das durch die <strong>Lasten</strong> erzeugte Biegemoment in Balkenmitte das Bruchmoment, hier definiert<br />

durch Erreichen der Festigkeit in einer Randfaser des Balkens, übersteigt. Das ist <strong>im</strong>mer<br />

dann der Fall, wenn sich der Zufallsvektor X =(X 1 ,X 2 ,...,X n ) T <strong>im</strong> sogenannten Versagensbereich<br />

V = {Rw − D`2/8 − L`/4 ≤ 0} realisiert (vergl. Abb. 2.1). Der Versagensbereich<br />

wird also durch die Funktion g(x, p) ≤ 0 beschrieben. g(., .) nennt man Zustandsfunktion,<br />

g(., .) > 0 bezeichnet die intakten, volle Gebrauchsfähigkeit gewährleistende Zustände, g(., .) =0<br />

den sogenannten Grenzzustand <strong>und</strong> g(., .) ≤ 0 die ungewollten Versagenszustände. Weder der<br />

Vektor X noch der Vektor p hängen von einem weiteren Parameter, etwa der Zeit, ab. Dann ist<br />

F = {X ∈ V } das Versagensereignis <strong>und</strong> eine Hauptaufgabe der <strong>Zuverlässigkeit</strong>stheorie besteht<br />

darin die Wahrscheinlichkeit für dieses Ereignis zu berechnen, wenn X nach F (x) verteilt ist. Hier<br />

<strong>und</strong> <strong>im</strong> folgenden nehmen wir an, daß X auch eine Dichte f X (x) hat.<br />

Z<br />

Z<br />

P f = P (F )= dF X (x) = f X (x)dx (2.1.1)<br />

V<br />

Das Tragwerk versagt somit bei Erstbelastung mit Wahrscheinlichkeit P f oder nie. P f heißt Versagenswahrscheinlichkeit<br />

(probability of failure). Die Gegenwahrscheinlichkeit zur Versagenswahrscheinlichkeit<br />

ist die Überlebenswahrscheinlichkeit (survival probability) oder <strong>Zuverlässigkeit</strong><br />

(reliability) P r =1− P f . Aus Gl. (2.1.1) wird eines der Hauptprobleme der <strong>Zuverlässigkeit</strong>stheorie<br />

bereits deutlich. Man muß, da der Vektor der Basisvariablen oft hochd<strong>im</strong>ensional ist,<br />

mehrd<strong>im</strong>ensionale Volumenintegrale über z.T. kompliziert berandete Bereiche berechnen.<br />

Der zweid<strong>im</strong>ensionale Fall, d.h. bei dem V = {R ≤ S}. wobei R eine (verallgemeinerte) Widerstandsvariable<br />

<strong>und</strong> S eine (verallgemeinerte) Einwirkung, läßt sich in manchen Fällen analytisch<br />

berechnen. Sonst kann man numerisch integrieren. Wir nehmen an, daß R <strong>und</strong> S unabhängig sind<br />

<strong>und</strong> nach R ∼ F R (r) bzw. S ∼ F S (s) verteilt sind. Die Wahrscheinlichkeit für das Ereignis R ≤ s<br />

ist P (R ≤ s) =F R (s). Mitf S (s)ds der Wahrscheinlichkeit für s ≤ S ≤ s + ds erhält man (vergl.<br />

V<br />

15


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

L<br />

D<br />

R w<br />

Abb. 2.1.Bezeichnungen für einführendes Beispiel<br />

Bild 2.2)<br />

P f =<br />

Z ∞<br />

Z s<br />

−∞<br />

−∞<br />

f R (r)f S (s)dr ds =<br />

Z ∞<br />

Z s<br />

−∞<br />

−∞<br />

f R (r)dr f S (s)ds =<br />

Z ∞<br />

−∞<br />

F R (s)f S (s)ds (2.1.2)<br />

Beispiel 2.1.1.1: Versagenswahrscheinlichkeit bei unabhängig exponential-verteilter Beanspruchung<br />

S <strong>und</strong> gleich-verteilter Beanspruchbarkeit<br />

Für die angenommenen Verteilungen, d.h. der Dichte f R (r) =1/b;0 ≤ r ≤ b, b ≥ 0, für die<br />

Beanspruchbarkeit <strong>und</strong> der Dichte f S (s) =a exp[−as]; s, a ≥ 0 für die Beanspruchung ergibt Gl.<br />

(2.1.2)<br />

P f =<br />

Z b<br />

0<br />

s<br />

b aexp[−as]ds = a exp[−as]<br />

(−as − 1)| b<br />

b a 2 0 = 1 (1 − exp[−ab]) (1)<br />

ab<br />

Die Integration wird natürlich nur über den Definitionsbereich der Variablen erstreckt. Wenn die<br />

Beanspruchung S größer als die max<strong>im</strong>ale Beanspruchbarkeit r = b wird, erfolgt natürlich <strong>im</strong>mer<br />

Versagen. Also ist<br />

P f = 1 (1 − exp[−ab]) + exp [−ab] (2)<br />

ab<br />

#<br />

Die numerische Integration von Gl. (2.1.1) erfordert gewisse Vorkehrungen. Es ist zweckmäßig<br />

von<br />

Z<br />

Z ∞ Z ∞ Z xn=g −1 (x 1,x 2,...,x n−1)<br />

P f = f X (x)dx = ···<br />

f X (x 1 ,x 2 , ..., x n )dx n dx n−1 ...dx 1<br />

g(x)≤0<br />

−∞ −∞ −∞<br />

(2.1.3)<br />

auszugehen, wobei die Integration nur über den Definitionsbereich der jeweiligen Variablen zu<br />

erstrecken ist. Wenn die Integrationsgrenzen tatsächlich ±∞ sind, führt man am besten eine Variablentransformation<br />

durch, z.B. x i =1/t i ,so daß das Integral R ∞<br />

f(x)dx mit c einer geeigneten<br />

−∞<br />

Konstanten zu R 0 f(1/t)<br />

dt + R c<br />

f(x)dx + R 1/c f (1/t)<br />

dt wird. Die eigentliche Integration führt<br />

−1/c t 2<br />

−c 0 t 2<br />

man dann mit einem geeigneten Verfahren, z.B. Gauß-Legendre Integration durch. Das ist auch<br />

heute selbst bei Verwendung schneller Rechenanlagen in höheren D<strong>im</strong>ensionen außerordentlich<br />

aufwendig <strong>und</strong> nicht mehr genau. Im folgenden werden jedoch Alternativen vorgestellt.<br />

Die vorstehende Einteilung des Verhaltens des Tragwerkes in zwei Zustände reicht häufig nicht aus.<br />

Ein reales Tragwerk wird sich bei Belastung zunächst rein elastisch verhalten, d.h. es wird nach<br />

16


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

f (r)<br />

R<br />

f (s)<br />

S<br />

Einw irkung<br />

Widerstand<br />

ds<br />

r,s<br />

Abb. 2.2.Versagenswahrscheinlichkeit <strong>im</strong> zweid<strong>im</strong>ensionalen Fall<br />

Entlastung in seine Ausgangslage zurückkehren. Innerhalb dieses Bereiches der Belastungen kann<br />

es jedoch eine Last geben, für die die Gebrauchsfähigkeit (auch Gebrauchstauglichkeit), etwa<br />

durch zu große Verformungen, bereits eingeschränkt ist. Dafür ist es zweckmäßig, auch Grenzzustände<br />

der Gebrauchsfähigkeit definieren. Ein Beispiel ist V s = {h(X) − f 0 ≤ 0}. Darin<br />

ist h(X) die vom Zufallsvektor X abhängige Verformung <strong>und</strong> f 0 eine vorgegebene Grenzverformung.<br />

Der Index s (von serviceability l<strong>im</strong>it state) weist darauf hin, daß es sich um ein ’’Versagen’’<br />

gegenüber einer Gebrauchsfähigkeitsforderung handelt. Entsprechend bezeichnet man den oben<br />

betrachteten Zustand des Verlustes der Tragfähigkeit mit dem Index u (von ult<strong>im</strong>ate l<strong>im</strong>it state).<br />

Schließlich können bei Belastung irreversible Verformungen, z.B. durch Plastifizierungen, eintreten.<br />

Bei anschließender Entlastung verbleiben Schäden, <strong>im</strong> allgemeinen bis Reparatur sie beseitigt.<br />

Den zugehörigen Grenzzustand der Reversibilität bezeichnen wir hier mit dem Index r (von<br />

reversible l<strong>im</strong>it state). Oft gilt V u ⊆ V r ⊆ V s . Man beachte aber, daß die verschiedenen physikalischen<br />

Versagenszustände z.T. in verschiedenen Räumen bezüglich der beteiligten Variablen<br />

formuliert werden <strong>und</strong> daher die vorstehende Relation nicht notwendigerweise gültig ist. Tatsächlich<br />

bezogen sich die Erörterungen <strong>im</strong> einführenden Beispiel auf einen solchen Grenzzustand. Im<br />

weiteren werden wir <strong>im</strong> allgemeinen nicht besonders darauf hinweisen müssen, um welchen physikalischen<br />

Versagenszustand es sich handelt, da sich das aus dem Zusammenhang ergibt. Wichtig<br />

ist, daß für jede Zustandsbeschreibung eine binäre Beschreibung gilt <strong>und</strong> jede Realisation <strong>im</strong> jeweiligen<br />

Bereich V als Versagenszustand bezeichnet wird.<br />

2.2. Einflüsse auf die Versagenswahrscheinlichkeit<br />

2.2.1. Unabhängige normalverteilte Basisvariable <strong>und</strong> linear begrenzte<br />

Versagensbereiche<br />

Es sei angenommen, daß der Vektor der Zufallsvariablen in Gl. (2.1.1) ein unabhängiger, standardnormaler<br />

Zufallsvektor ist, d.h. U ∼ N n (0 ; I). Eine solche Darstellung kann, wie weiter<br />

unten noch gezeigt wird, <strong>im</strong>mer erreicht werden. Weiter sei F = {U ∈ V } das Versagensereignis<br />

<strong>und</strong> V = {a T u + a 0 ≤ 0} der Versagensbereich. Die Fläche ∂F = {a T u + a 0 =0} wird<br />

als Versagensfläche oder als Grenzzustandsfläche bezeichnet. Die Standardform (Hesse’sche<br />

17


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Normalform) ist:<br />

∂F = a T u + a 0 = aT<br />

kak u + a 0<br />

kak = αT u + β =0 (2.2.1.1)<br />

mit α T = aT<br />

kak , β = a 0<br />

kak , kαk =(P α i 2 ) 1/2 ,sodaßkαk =1.<br />

Die Größe Z = α T U ist ebenfalls normalverteilt mit dem Mittelwert E[Z] = E[α T U] =<br />

α T E[U] =0<strong>und</strong> der Varianz Var[Z] =Var[α T U]=α T Iα = α T α =1 2 . Daher ist für<br />

2<br />

Wir betrachten zwei normale Variable X <strong>und</strong> Y <strong>und</strong> berechnen die Verteilung der Summe Z = X + Y .Hierzu<br />

verwenden wir die sogenannte Faltungsformel. Es ist allgemein<br />

Z Z<br />

F Z (z) =<br />

g(x,y)≤z<br />

f X,Y (x, y)dx dy = −<br />

Z ∞<br />

∞−<br />

Z g<br />

−1<br />

mit g −1 = g −1 (z,y). Änderung der Integrationsvariable x in z ergibt<br />

Z ∞ Z z<br />

F Z (z) = f X,Y (g −1 ,y) ¯<br />

¯∂g−1 (z, y)<br />

∂z ¯ dzdy<br />

−∞<br />

−∞<br />

∞<br />

f X,Y (x, y)dxdy<br />

<strong>und</strong> somit<br />

Z ∞<br />

f Z (z) =<br />

−∞<br />

f X,Y (g −1 ,y) ¯<br />

¯∂g−1 (z,y)<br />

∂z ¯ dy<br />

Für Z = aX + bY wird daraus mit x = z−by<br />

a<br />

f Z (z) =<br />

<strong>und</strong> bei Unabhängigkeit der Variablen X <strong>und</strong> Y<br />

f Z (z) =<br />

<strong>und</strong> ∂g−1 (z,y)<br />

∂z<br />

Z ∞<br />

1<br />

−∞<br />

Z ∞<br />

−∞<br />

= ∂x<br />

∂z =a<br />

|a| f X,Y ( z − by ,y)dy<br />

a<br />

1<br />

|a| f X( z − by )f Y (y)dy<br />

a<br />

Das ist die genannte, allgemeine Faltungsformel. Die Dichte der normalverteilten Variablen X ist<br />

"<br />

f X (x) = √ 1 1<br />

exp − 1 µ # 2 x − mX<br />

2π σ X 2 σ X<br />

<strong>und</strong> entsprechend für die Variable Y. Damit ergibt sich<br />

Z "<br />

1 ∞<br />

f Z (z) =<br />

exp − 1 2πσ X σ Y −∞ 2<br />

"<br />

1<br />

=<br />

exp − 1 2πσ X σ Y 2<br />

mit u =1/σ 2 X +1/σ2 Y<br />

Z ∞<br />

−∞<br />

<strong>und</strong> v =<br />

mY<br />

σ 2 Y<br />

( µz 2 µ 2<br />

)#<br />

− y − mX y − mY<br />

+<br />

dy<br />

σ X σ Y<br />

( µz 2 µ 2<br />

)# Z − ∞<br />

mX mY<br />

+<br />

exp<br />

σ X σ Y −∞<br />

+ z−mX . Dann ist<br />

σ 2 X<br />

·<br />

− 1 ¡ ¢¸<br />

uy 2 − 2vy dy<br />

2<br />

·<br />

exp − 1 ¡ ¢¸ Z ∞<br />

·<br />

uy 2 − 2vy dy = exp − 1 ¡ 2¢¸<br />

uy 2 − 2vy + y 2 − y dy<br />

2<br />

−∞ 2<br />

18


V e rs a g e n s w a h rs c h e in lic h k e it<br />

Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

F = {α T u + β ≤ 0}<br />

Z<br />

P f = P (F )=<br />

V<br />

ϕ n (u)du = P (Z ≤−β) =Φ(−β) (2.2.1.2)<br />

ϕ n (u) ist die n-d<strong>im</strong>ensionale standardnormale Dichte mit Korrelationskoeffizientenmatrix I =<br />

{δ ij }(δ ij =Kronecker δ-Symbol mit δ ii =1für i = j <strong>und</strong> δ ij =0für i 6= j).<br />

ϕ n (u) =<br />

nY<br />

(2π) −1/2 exp[−u 2 i /2] = (2π)−n/2 exp[− 1 2 uT u]=(2π) −n/2 exp[− 1 2 kuk2 ]<br />

i=1<br />

In Bild 2.3 ist der Zusammenhang zwischen P f <strong>und</strong> β dargestellt.<br />

1<br />

0.1<br />

0.01<br />

1 10 3<br />

1 10 4<br />

1 10 5<br />

1 10 6<br />

1 10 7<br />

1 10 8<br />

1 10 9<br />

1 10 10<br />

0 1 2 3 4 5 6<br />

Abb. 2.3.Zusammenhang zwischen Versagenswahrscheinlichkeit <strong>und</strong> β<br />

β<br />

(2.2.1.3)<br />

Beispiel 2.2.1.1: Normalverteilte Einwirkung <strong>und</strong> normalverteilter Widerstand<br />

Mit diesem analytischen Resultat kann man einige gr<strong>und</strong>legende Einsichten gewinnen. Ein System<br />

habe den Widerstand R ∼ N(m R ; σ R ) <strong>und</strong> sei der Einwirkung S ∼ N(m S ; σ S ) ausgesetzt. R<br />

<strong>und</strong> S seien unkorreliert. Dann ist mit X i = U i σ i + m i :<br />

V = {R − S ≤ 0} = {U R σ R + m R − (U S σ S + m S ) ≤ 0}<br />

σ R<br />

σ<br />

= { p U R − p S<br />

U S + p m R−m S<br />

≤ 0} = {α R U R + α S U S + β ≤ 0}<br />

σ<br />

2<br />

R + σ 2 S σ<br />

2<br />

R + σ 2 S σ<br />

2<br />

R + σ 2 S<br />

<strong>und</strong> mit w = y − v/u<br />

Z ∞<br />

−∞<br />

·<br />

exp − 1 ¡ ¢¸ ·<br />

uy 2 − 2vy dy =exp − 1 2<br />

2<br />

Reduktion führt schließlich zu:<br />

f Z (z) = 1 √<br />

2π<br />

1<br />

p<br />

σ<br />

2<br />

X<br />

+ σ 2 Y<br />

v 2 ¸ Z ∞<br />

exp<br />

·− 1 uw2¸ r · 2π<br />

dy =<br />

u −∞ 2 u exp − 1 2<br />

⎡<br />

exp ⎣− 1 2<br />

Ã<br />

! 2<br />

⎤<br />

z − (m X + m Y )<br />

p ⎦<br />

σ<br />

2<br />

X<br />

+ σ 2 Y<br />

v 2 ¸<br />

u<br />

Also ist die Dichte der Summe wiederum normalverteilt mit dem Mittelwert m Z = m X + m Y <strong>und</strong> der Varianz<br />

σ 2 Z = σ2 X + σ2 Y<br />

. Dieses Ergebnis kann man rekursiv für n Variable anwenden..<br />

19


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Daher ist:<br />

Ã<br />

!<br />

P (V )=Φ(−β) =Φ −p m R−m S<br />

σ<br />

2<br />

R<br />

+ σ 2 S<br />

(2)<br />

Man sieht hier, daß man durch Umformung der Versagensgleichung die sogenannte Hessesche<br />

Normalform einer Geradengleichung erreicht wird. β ist der Abstand der Gerade vom Ursprung<br />

<strong>und</strong> die α ´s entsprechen den Richtungscosinus. Auch der Einfluß der Verteilungsparameter wird<br />

deutlich. β ist proportional zur Differenz der Mittelwerte <strong>und</strong> umgekehrt proportional zur Wurzel<br />

der Summe der Varainzen der beteiligten Variablen.<br />

#<br />

2.2.2. Korrelierte normalverteilte Variable <strong>und</strong> linear begrenzte<br />

Versagensbereiche<br />

Das Ergebnis gilt auch für korrelierte <strong>und</strong> nicht standardnormalverteilte Variable. Es ist nämlich<br />

<strong>im</strong>mer möglich korrelierte, nicht standard normalverteilte Variable durch unkorrelierte, standardnormalverteilte<br />

Variable darzustellen. War ursprünglich eine nicht standardnormale Variable<br />

gegeben, so stellen wir X wie folgt dar<br />

X ∼ N n (m ; Σ) (2.2.2.1)<br />

X − m = CU (2.2.2.2)<br />

<strong>und</strong> best<strong>im</strong>men die Matrix C so, daß die linke <strong>und</strong> rechte Seite von Gl. (2.2.2.2) die gleiche Kovarianzmatrix<br />

P = {σ ij ; 1 ≤ i, j ≤ n} haben. Da jede Kovarianzmatrix symmetrisch <strong>und</strong> positiv<br />

definit ist, kann C als untere Dreiecksmatrix gewählt werden, d.h. c ij =0für j>i. Es gelten die<br />

Best<strong>im</strong>mungsgleichungen<br />

Var(X i − m i )=σ ii =<br />

iX<br />

c 2 ik (2.2.2.3)<br />

k=1<br />

Cov((X i − m i )(X j − m j )) = σ ij =<br />

iX<br />

c ik c jk (2.2.2.4)<br />

k=1<br />

Also kann X <strong>im</strong>mer durch eine Linearkombination unkorrelierter, standardnormaler Variablen dargestellt<br />

werden. Die entsprechende Transformation besteht aus einer Verschiebung des Koordinatenursprungs,<br />

einer Skalierung der Achsen <strong>und</strong> einer Koordinatendrehung so, daß <strong>im</strong> transformierten<br />

Raum definitionsgemäß alle Variablen unkorreliert <strong>und</strong> standardnormal werden. Das ist<br />

in Abb. 2.4 dargestellt. Unkorrelierte normalverteilte Variable sind auch unabhängig.<br />

Anschaulich gesprochen handelt es sich um eine Translation, so daß die Mittelwerte zum Koordinatenursprung<br />

werden. Danach wird eine Drehung des Koordinatensystems durchgeführt derart,<br />

daß die Variablen unkorreliert werden, d.h. alle Kovarianzen außerhalb der Diagonalen werden<br />

zu Null. Schließlich werden die Achsen <strong>im</strong> neuen Koordinatensystem durch Division der jeweiligen<br />

Standardabweichungen neu skaliert (vergl. Bild 3.1.2). Ein geeigneter Algorithmus für die<br />

’’Entkorrelierung’’ wird erst in Abschnitt 6.1.2 vorgestellt.<br />

20


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

u<br />

r<br />

r<br />

Sicherer<br />

Bereich<br />

Linien gleicher<br />

W ahrscheinlichkeitsdichte<br />

Sicherer<br />

Bereich<br />

u<br />

s<br />

β<br />

Versagensbereich<br />

Versagensbereich<br />

s<br />

Abb. 2.4.Standardisierung des Basisvariablenraumes <strong>und</strong> geometrischer Sicherheitsindex<br />

Beispiel: 2.2.2.1: Korrelierte Variable<br />

Zwei Variable R <strong>und</strong> S haben die Kovarianzmatrix<br />

⎡<br />

P<br />

R,S = ⎣ σ2 R<br />

ρ R,S σ R σ S<br />

ρ R,S σ R σ S<br />

σ 2 S<br />

⎤<br />

⎦<br />

(1)<br />

Der Sicherheitsabstand oder die Sicherheitszone M = R − S hat den Mittelwert<br />

<strong>und</strong> die Varianz<br />

<strong>und</strong> daher ist<br />

m M = m R − m S (2)<br />

σ 2 M = σ 2 R + σ 2 S − 2σ R σ S ρ R,S (3)<br />

P (V )=P (M ≤ 0) = P (Z ≤−β) =Φ(−β) (4)<br />

mit β = m M /σ M . Bild 2.5 veranschaulicht für V R = V S =0.3 den großen Einfluß von Abhängigkeiten<br />

auf die Versagenswahrscheinlichkeit.<br />

#<br />

2.2.3. Versagenswahrscheinlichkeit <strong>und</strong> Teilsicherheitsfaktoren<br />

Mit dem ’’zentralen Sicherheitsfaktor’’ γ 0 = m R /m S , der das Verhältnis der Mittelwerte von R<br />

<strong>und</strong> S angibt, <strong>und</strong> den Variationskoeffizienten V i = σ i /m i (i = R, S) erhält man:<br />

γ<br />

β = 0 − 1<br />

p<br />

γ<br />

2<br />

0 VR 2 + V (2.2.3.1)<br />

S<br />

2<br />

Daraus folgt, daß P (V ) mit wachsendem γ 0 , d.h. dem Abstand der beiden Mittelwerte sinkt, aber<br />

mit den Streungen von R <strong>und</strong> S wächst. Bei großem V ist diese Beziehung nicht gut brauchbar,<br />

21


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

3<br />

β<br />

2.5<br />

2<br />

1.5<br />

1 0.5 0 0.5 1<br />

Abb. 2.5.Einfluß der Korrelation zwischen Einwirkung <strong>und</strong> Widerstand auf die Versagenswahrscheinlichkeit<br />

weil die Versagenswahrscheinlichkeit fast ausschließlich von den negativen R best<strong>im</strong>mt wird, die<br />

für Festigkeiten definitionsgemäß nicht existieren.<br />

MankanneinenSicherheitsfaktor auch auf andere Werte in den Verteilungen für R <strong>und</strong> S beziehen.<br />

Beispielsweise definiert die Beziehung<br />

x ki = m i + u pi σ i = m i (1 + u pi V i )<br />

die charakteristischen Werte der i − ten Variable als Fraktilen, wenn u pi der Merkmalswert<br />

der Standardnormalverteilung zur Wahrscheinlichkeit p i ist. Für dieGröße R n<strong>im</strong>mt man einen<br />

Wert <strong>im</strong> unteren Bereich der Verteilung. u p wird negativ. Für p =0.05 ist z.B. u p = −1.645.<br />

Für die Einwirkungsgröße S wählt man einen hohen Wert, z.B. u p =2.054, dem eine Überschreitungswahrscheinlichkeit<br />

von 0.02 entspricht. Der entsprechende (dezentrale oder periphere)<br />

Sicherheitsfaktor ist dann durch<br />

γ k = r k /s k = m R (1 + u p,R V R )/(m S (1 + u p,S V S )) = γ 0 (1 + u p,R V )/(1 + u p,S V S ) (2.2.3.2)<br />

definiert.<br />

Beispiel 2.1.2.1: Lognormal verteilte Variable<br />

Man sagt, daß eine Variable Y lognormal verteilt ist, wenn ihr Logarithmus X = lnY normalverteilt<br />

ist. Dabei hängen Mittelwert <strong>und</strong> Varianz mit den Parametern ξ <strong>und</strong> δ der Lognormalverteilung<br />

nach E[X] =lnξ = lnm − 1 2 δ2 ≈ lnm <strong>und</strong> σ 2 ln = δ2 =ln(1+V 2 ) ≈ V 2 zusammen. Da<br />

P f = P (R − S ≤ 0) = P (R/S ≤ 1) = P (ln(R/S) ≤ 0) = P (lnR − lnS ≤ 0), ermittelt man<br />

durch elementare Rechnung mit γ o = m R /m S<br />

Ã<br />

! ⎛<br />

q<br />

1+V 2<br />

⎞<br />

P f = Φ − m ln R − m<br />

p ln S<br />

ln(γ S<br />

Ã<br />

!<br />

0 )<br />

1+VR = Φ ⎝−p 2 ⎠<br />

σ<br />

2<br />

ln R<br />

+ σ 2 ln S<br />

ln((1 + V<br />

2<br />

R )(1 + VS 2)) ≈ Φ − ln γ 0<br />

p (1)<br />

V<br />

2<br />

R + VS<br />

2<br />

Diese Formel ist für jedes V, dieNäherung nur für kleineV i (i = R, S), gültig <strong>und</strong> kann für Abschätzungen<br />

verwendet werden. Allerdings weist die Lognormalverteilung hohen Werten von S<br />

bei großem V S in der Regel zu große Wahrscheinlichkeiten zu. In diesem Fall ist außerdem mit<br />

den Bezeichnungen von oben γ k = γ 0 exp(u p δ R − u q δ S ).<br />

ρ<br />

22


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

β<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

peripher<br />

global<br />

0<br />

0 1 2 3 4 5 6<br />

γ<br />

Abb. 2.6.Abhängigkeit des <strong>Zuverlässigkeit</strong>sindexes von globalen bzw, peripheren Sicherheitsbeiwert<br />

#<br />

2.2.4. Einfluß der Verteilungsfunktionen<br />

R <strong>und</strong> S seien nun unabhängig, aber nicht mehr normalverteilt. Nach Gl.(2.1.1.2.) ist:<br />

Z<br />

P f = P (R − S ≤ 0) = f S (s)F R (s)ds (2.2.4.1)<br />

Wir machen uns keine (tatsächlich vergebliche) Mühe, für die ausgewählten Verteilungsfunktionen<br />

Normalverteilung: F (x) =Φ( x−m ) σ<br />

Lognormalverteilung: F (x) =Φ( ln(x)−ln(ξ) )<br />

δ<br />

Gumbelverteilung: F (x) =exp(− exp(−α(x − u)))<br />

Weibullverteilung: F (x) =1− exp(−(x/w) k )<br />

mit<br />

ξ = m exp(−δ 2 /2), δ 2 =ln(1+(σ/m) 2 );<br />

u = m − 0.45σ, α =1.283/σ;<br />

w = m/Γ(1/k +1), σ 2 = w 2 (Γ(2/k +1)− Γ 2 (1/k + 1));<br />

eine analytische Lösung zu suchen, sondern integrieren numerisch. Diese Verteilungsfunktionen<br />

sind zum Vergleich in Bild 2.7 auf Normalverteilungspapier dargestellt. Man erkennt, daß größere<br />

Unterschiede für die extremen Bereiche auftreten.<br />

Aus Bild 2.8 ersieht man, daß die Wahl des stochastischen Modells (Verteilungsfunktion) besondere<br />

Sorgfalt erfordert. Die Unterschiede werden mit wachsendem Variationskoeffizienten <strong>und</strong> kleiner<br />

werdender Versagenswahrscheinlichkeit (wachsendes γ 0 ) <strong>im</strong>mer größer.<br />

2.2.5. Einfluß statistischer Unsicherheiten<br />

Wir haben bisher angenommen, daß die Verteilungsparameter bekannt <strong>und</strong> fest sind. Das ist in Anwendungen<br />

ein sehr seltener Fall. Im allgemeinen müssen die Parameter aus statistischen Daten<br />

geschätzt werden <strong>und</strong> sind somit selbst unsichere Variable. Strenggenommen ist die Versagenswahrscheinlichkeit<br />

eine bedingte Wahrscheinlichkeit.<br />

V<br />

P f (q) =P (X ∈ F |Q = q) (2.2.5.1)<br />

23


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

2<br />

4<br />

6<br />

8<br />

10<br />

0 0.5 1 1.5 2 2.5<br />

Abb. 2.7.Verschiedene Verteilungsfunktionen <strong>im</strong> normalen Wahrscheinlichkeitsnetz<br />

mit q dem unbekannten Parametervektor. Die unbedingte Versagenswahrscheinlichkeit ergibt sich<br />

nach:<br />

Z Z<br />

P f = dF X (x|q)dF Q (q) (2.2.5.2)<br />

Q<br />

V<br />

Wir nehmen beispielsweise an, daß m X , der Index ” X ” bezeichne eine Festigkeit, mittels einer<br />

Stichprobe vom Umfang n durch den Stichprobenmittelwert geschätzt wurde. Dieses Stichprobenmittel<br />

streut bekanntlich mit Var(X) =σ 2 /n um x. War X normalverteilt, so ist auch X<br />

normalverteilt. Dann kann man nach leichter Rechnung folgendes Resultat erhalten:<br />

Z ∞ Z ∞<br />

P f = f S (s)F X (s|X = t)ds f X (t| , σ X / √ Ã<br />

!<br />

x − m<br />

n)dt = Φ −p S<br />

−∞ −∞<br />

σ2 (1 + 1/n)+σ 2 S<br />

(2.2.5.3)<br />

Die Parameter der Stichprobe gehen also in das Endergebnis ein. Sie können die Standardabweichung<br />

der Sicherheitszone merklich vergrößern <strong>und</strong> damit auch die Versagenswahrscheinlichkeit.<br />

Bild 2.9 veranschaulicht dies für ein Beispiel.<br />

0.01<br />

1 10 3<br />

log(Pf)<br />

1 10 4<br />

0 20 40 60 80 100<br />

log(P f ) über Stichprobenumfang für Mittelwert normalverteilter Festigkeiten (V = 0.3)<br />

2.2.6. Ein zeitvariantes <strong>Zuverlässigkeit</strong>sproblem<br />

Wir behandeln wieder den einfachen R − S-Fall. Ein System sei einer Folge von unabhängigen,<br />

identisch verteilten Beanspruchungen in regelmäßigen Zeitabständen ausgesetzt. Gefragt ist<br />

n<br />

24


V e rs a g e n s w a h rs c h e in lic h k e it<br />

Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

1<br />

0.1<br />

0.01<br />

1 10 3<br />

No/No<br />

Gu/We<br />

No/W e<br />

1 10 4<br />

Gu/Ln<br />

1 10 5<br />

No/Ln<br />

1 2 3 4 5<br />

γ<br />

Abb. 2.8.Versagenswahrscheinlichkeit für verschiedene stochastische Modelle für Einwirkung <strong>und</strong> Widerstand<br />

die Versagenswahrscheinlichkeit für n derartige Belastungen. Das System überlebt, wenn alle n<br />

Belastungen kleiner als der Widerstand des Systems bleiben, oder, anders ausgedrückt, wenn das<br />

Max<strong>im</strong>um der Folge {S i } kleiner als der zufällige Widerstand R bleibt. Die Verteilungsfunktion<br />

von S max ist<br />

n\<br />

P (S max ≤ s) =P ( {S i ≤ s} = F n (s) =F n (s) (2.2.6.1)<br />

i=1<br />

Daher ist bei Unabängigkeit zwischen R <strong>und</strong> S i<br />

P f (n) =1−<br />

Z ∞<br />

−∞<br />

F n (r)f(r)dr (2.2.6.2)<br />

F n (s) ist in n nicht wachsend. Also ist P f (n) nicht fallend. Wenn S nach oben unbeschränkt ist,<br />

wird Versagen fürgroße n zu einem fast sicheren Ereignis.<br />

25


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Kapitel 3.<br />

(FORM)<br />

<strong>Zuverlässigkeit</strong>stheorie 1. Ordnung<br />

3.1. Der Begriff des Sicherheits- oder <strong>Zuverlässigkeit</strong>sindex<br />

Es ist zweckmäßig zunächst den <strong>im</strong> weiteren vielfach verwendeten Begriff des Sicherheits- oder<br />

<strong>Zuverlässigkeit</strong>sindex einzuführen. Es sei die <strong>Zuverlässigkeit</strong> eines Zugstabes mit dem Durchmesser<br />

X 3 <strong>und</strong> der Festigkeit X 2 unter der Last X 1 zu best<strong>im</strong>men (vergl. Abb. 3.1).<br />

X<br />

3<br />

X 2<br />

X<br />

1<br />

Abb. 3.1.Zugstab mit Festigkeit X 2 <strong>und</strong> mit kreisförmigem Querschnitt X 3 unter Last X 1<br />

Die drei Variablen seien unabhängig <strong>und</strong> log-normalverteilt nach X i ∼ LN(ξ, δ). Man sagt, daß<br />

eine Variable Y lognormal verteilt ist, wenn ihr Logarithmus X = lnY normalverteilt ist. Dabei<br />

hängen Mittelwert <strong>und</strong> Varianz mit den Parametern ξ <strong>und</strong> δ der Lognormalverteilung nach E(X) =<br />

lnξ = lnm − 1 2 δ2 ≈ lnm <strong>und</strong> σ 2 ln = δ2 =ln(1+V 2 ) ≈ V 2 zusammen.Ein Sicherheitsfaktor<br />

sei definiert durch Γ =(π/4)x 2 x 3 2 /x 1 . Versagen tritt für Γ ≤ 1 auf. Die Versagensfunktion ist<br />

deutlich nichtlinear. Also ist unter Verwendung von x i = u i δ i + ξ i<br />

V = {(π/4)x 2 x 3 2 /x 1 ≤ 1} = {Γ ≤ 1} = {ln(π/4) + ln x 2 +2ln x 3 − ln x 1 ≤ 0}<br />

= {ln(π/4) + (u 2 δ 2 + ξ 2 )+2(u 3 δ 3 + ξ 3 ) − (u 1 δ 1 + ξ 3 ) ≤ 0} (3.1.1)<br />

Das ist eine Versagensfläche, die in den Variablen u i linear ist, nicht dagegen in den urprünglichen<br />

Variablen x i . Aus Gl. (2.2.1.2) folgt:<br />

mit<br />

P (V )=Φ(−β) (3.1.2)<br />

β = ln(π/4) + ξ 2 +2ξ 3 − ξ 1<br />

(δ 2 2 +4δ 2 3 + δ 2 1) 1/2 (3.1.3)<br />

Dieses Ergebnis ist exakt. Wählt man insbesondere m =(6, 2, 3) T <strong>und</strong> σ 2 =(1.8 2 , 0.4 2 , 0.3 2 ) T ,<br />

so erhält man P (V )=Φ(−β) =Φ(−2.196) = 1.41 · 10 −2 .<br />

Für beliebige Verteilungsfunktionen aber dürfte kaum eine analytische Lösung existieren. Außerdem<br />

kann sich die Versagenswahrscheinlichkeit je nach stochastischem Modell für dieVaria-<br />

26


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

blen bei gleichbleibenden Mittelwerten <strong>und</strong> Varianzen merklich ändern. Frühzeitig hat man daher<br />

vorgeschlagen, durch die Definition eines gröberen Sicherheitsmaßstabes, dem Sicherheitsindex,<br />

nicht nur die Empfindlichkeit des Ergebnisses <strong>im</strong> Hinblick auf das gewählte stochastische Modell<br />

abzuschwächen, sondern auch mit wenigen Informationen, nämlich nur mit der Kenntnis von Mittelwert,<br />

der Varianz <strong>und</strong> gegebenenfalls den Kovarianzen auszukommen. Zudem kann dann der<br />

Erwartungswertkalkül eingesetzt werden, gegebenenfalls nach Entwicklung der Grenzzustandsfunktion<br />

in eine Taylorreihe. Diese Vorschläge führen leider nur zu sehr groben <strong>und</strong> auch nicht<br />

eindeutigen Näherungen. Das kann an dem bereits beschriebenen Beispiel demonstriert werden.<br />

Die folgenden Versagensbereiche sind einander mathematisch äquivalent, mechanisch basieren sie<br />

auf ganz unterschiedlichen Vorgehensweisen.<br />

n π<br />

4 x 2x 2 3 − x 1 ≤ 0o<br />

V 1 =<br />

V 2 =<br />

V 3 =<br />

V 4 =<br />

½<br />

x 2 − x ¾<br />

1<br />

π<br />

≤ 0<br />

4 x2 2<br />

n π<br />

4 x2 3 − x 1 /x 2 ≤ 0o<br />

½ π<br />

4<br />

¾<br />

x 2 x 2 3<br />

− 1 ≤ 0<br />

x 1<br />

(3.1.4)<br />

Im ersten Fall erfolgt der Nachweis <strong>im</strong> Raum der Schnittgrößen, <strong>im</strong> zweiten <strong>im</strong> Raum der Spannungen,<br />

<strong>im</strong> drittten <strong>im</strong> Raum der Flächen <strong>und</strong> <strong>im</strong> vierten <strong>im</strong> Raum der Sicherheitsfaktoren. Anwendung<br />

des Erwartungswertkalküls nach Linearisierung auf die erste Form bei Entwicklung in<br />

den Mittelwerten liefert<br />

<strong>und</strong> daraus<br />

M 1 = g 1 (X) ≈<br />

3X<br />

i=1<br />

∂g 1 (m)<br />

∂x i<br />

(X i − m i )<br />

≈ π 4 m 2m 2 3 − m 1 − (X 1 − m 1 )+ π 4 m2 3(X 2 − m 2 )+ π 2 m 2m 3 (X 3 − m 3 )<br />

E [M 1 ]=−m 1 + π 4 m 2m 2 3 <strong>und</strong> Var[M 1 ]=σ 2 1 +( π 4 m2 3σ 2 ) 2 +( π 2 m 2m 3 σ 3 ) 2<br />

Ähnlichwirdfür die anderen Formulierungen vorgegangen. Der Sicherheitsindex<br />

β C = E[M]<br />

D[M]<br />

(3.1.5)<br />

wird häufig nach Cornell benannt [32] . M wird Sicherheitszone oder Sicherheitsmarge genannt.<br />

Die Berechnung für das Beispiel zeigt nun β C,1 =1.86, β C,2 =2.29, β C,3 =2.29 <strong>und</strong><br />

β C,4 =1.40. Das bedeutet, daß der Sicherheitsindex nach Cornell nicht invariant gegenüber der<br />

gewählten mechanischen Formulierung ist. Da er ferner nur erste <strong>und</strong> zweite Momenteninformation<br />

benutzt, können Wahrscheinlichkeitsaussagen allenfalls vom Typ der Tschebyscheffschen<br />

27


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Ungleichung sein. Im vorliegenden Fall gilt z.B. 3 :<br />

P f,T ≤ min{1,<br />

1<br />

1+β 2 } (3.1.6)<br />

Für β C,1 =1.86 ist beispielsweise P f,T =2.24 · 10 −1 , ein Wert, der mit dem exakten Resultat<br />

P f =1.41 ·10 −2 zu vergleichen ist, oder, wenn man <strong>im</strong> Sinne des ’’Fehlerfortpflanzungsgesetzes’’<br />

M 1 als normalverteilte Variable ann<strong>im</strong>mt, mit P f =3.14 · 10 −2 . Hiermit ist illustriert, daß<br />

(1) das ’’Fehlerfortpflanzungsgesetz’’ nach entsprechender Linearisierung des mechanischen Zusammenhangs<br />

auch als Näherung wenig brauchbar ist <strong>und</strong> zwar, weil es nicht invariant gegenüber<br />

der speziellen Formulierung des Problems ist <strong>und</strong> weil die Annahme der Normalverteilung<br />

für die Ausgangsgröße M zumindest in den extremen Bereichen häufig nicht angemessen ist<br />

<strong>und</strong><br />

(2) eine strikte Anwendung der Tschebyscheffschen Ungleichung zu kaum brauchbaren Wahrscheinlichkeitsabschätzungen<br />

führt.<br />

Die Invarianz gegenüber der mechanischen Formulierung wurde jedoch von Hasofer <strong>und</strong> Lind<br />

[67] durch eine Modifizierung erreicht. Sie definierten<br />

q<br />

β HL =min{<br />

(x − m) T Σ −1<br />

X<br />

(x − m)} für {x : g(x) ≤ 0} (3.1.7)<br />

als Sicherheitsindex. Dabei ist P die Kovarianzmatrix von X. Nach Standardisierung derart, daß<br />

die Variablen U = P −1/2<br />

X<br />

(X − m) unkorreliert werden mit Mittelwert Null <strong>und</strong> Varianz Eins,<br />

erhält man<br />

β HL =min{ √ u T u} =min{kuk} für {u : g(u) ≤ 0} (3.1.8)<br />

Dieser Sicherheitsindex β HL hängt ebenfalls nur von den ersten <strong>und</strong> zweiten Momenten der beteiligten<br />

Variablen ab. Gl. (3.1.8) fordert, daß der min<strong>im</strong>ale Abstand β zwischen der Grenzzustandsfunktion<br />

<strong>und</strong> dem Koordinatenursprung mithilfe eines geeigneten Verfahrens zu finden ist. Das<br />

ist deswegen ausreichend, weil der neue Raum unkorrelierter Variabler offensichtlich rotationssymmetrisch<br />

ist. Im sogenannten β-Punkt u ∗ , dem Punkt auf der Grenzzustandsfunktion, der die<br />

Opt<strong>im</strong>ierungsbedingung in Gl.(3.1.8) erfüllt, müssen keine besonderen Eigenschaften erfüllt sein.<br />

Insbesondere wird die Differenzierbarkeit der Versagensfläche nicht gefordert. Wendet man dieses<br />

Verfahren auf das beschriebene Beispiel an, so findet man in allen drei denkbaren Formulierungen<br />

der Gl. (3.1.4) denselben Sicherheitsindex β HL =2.12.<br />

Damit ist aber nur die mechanische Invarianz hergestellt. Wahrscheinlichkeitsaussagen bleiben<br />

nach wie vor unbefriedigend <strong>und</strong> von der Qualität von Gl. (3.1.6). Für Normalverteilungen können<br />

aber zwei Resultate sofort angewendet werden. Wird durch den β-Punkt eine zu seinem Richtungsvektor<br />

senkrechte Ebene gelegt, die als Näherung für die Grenzzustandsfunktion aufgefaßt<br />

wird, ist Gl. (2.2.1.2) gültig,d.h.:<br />

P (V ) ≈ Φ(−β HL ) (3.1.9)<br />

3<br />

Formel (3.1.6) ist strengenommen nicht richtig, da sie für eineskalareGröße gilt. Richtig wäre <strong>im</strong> vorliegenden<br />

Fall eine Tschebyscheff ’sche Schranke in drei D<strong>im</strong>ensionen <strong>und</strong> mit der speziellen Form des Versagensbereiches.<br />

Diese liegt jedoch nicht vor.<br />

28


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Im allgemeinen wird dies nur eine grobe Näherung sein. Es können aber Schranken angeben<br />

werden. Wenn u ∗ tatsächlich ein eindeutiger Min<strong>im</strong>umspunkt ist, gilt:<br />

0 ≤ P (V ) ≤ 1 − χ 2 n(β 2 HL) (3.1.10)<br />

χ 2 n(.) ist hierbei die sogenannte χ 2 −Verteilung mit Freiheitsgrad n. Die untere Schranke ist trivial.<br />

Die obere Schranke ist für große n nicht mehr sehr nützlich weil viel zu groß. Trotzdem ist sie<br />

wesentlich besser als die entsprechende Tschebyscheff-Schranke Gl. (3.1.6).<br />

3.2. Nichtlinear begrenzte differenzierbare Versagensflächen<br />

3.2.1. <strong>Zuverlässigkeit</strong>smethode 1. Ordnung (FORM) <strong>im</strong> Standardraum<br />

Es sei U =(U 1 ,...,U n ) T ein unabhängiger standardnormaler Vektor <strong>und</strong> der Versagensbereich sei<br />

gegeben durch<br />

V = {g(U) ≤ 0} = {α T U + β ≤ 0} (3.2.1.1)<br />

mit g(0) > 0 and kαk =1. Dann ist die Versagenswahrscheinlichkeit<br />

P f = P (F )=P (U ∈ V )=Φ(−β) (3.2.1.2)<br />

u ∗ = −β α ist der sogenannte β-Punkt, α sein Richtungsvektor <strong>und</strong> β der (geometrische) Sicherheitsindex<br />

β =+ku ∗ k (vergl. Abschnitt 2.2.1)<br />

Das Standardnormalverteilungsintegral Φ(c) kann leicht mithilfe einer der üblichen Näherungen<br />

berechnet werden. In Gl. (3.2.1.2) wurde zwischen Versagensereignis F <strong>und</strong> Versagensbereich V<br />

unterschieden. Das ist formal richtig, aber hier nicht wirklich notwendig. Im folgenden werden<br />

wir häufig P (V ) für P (U ∈ V ) <strong>und</strong> P (F ) verwenden.<br />

Wir verallgemeinern nun dieses Ergebnis für nichtlineare differenzierbare Grenzzustandsfunktionen<br />

g(u) =0.Hierzuwirdg(u) <strong>im</strong> β-Punkt, dessen Existenz vorausgesetzt wird, in eine lineare<br />

Taylorreihe entwickelt. Der β-Punkt ist wie in Abschnitt 2.1.2 der Punkt auf g(u) =0mit dem<br />

geringsten Abstand zum Ursprung. Für das Vorzeichen von β vereinbaren wir<br />

β = { + ku∗ k für g(0) > 0<br />

− ku ∗ k für g(0) ≤ 0<br />

(3.2.1.3)<br />

mit<br />

β =min{ku ∗ k} für {u : g(u) ≤ 0} (3.2.1.4)<br />

Die Suche von u ∗ ist ein Opt<strong>im</strong>ierungsproblem unter der Bedingung einer Ungleichungsrestriktion.<br />

Wie bereits in Abschnitt 2.1.2.7 angedeutet, ist der β-Punkt ein natürlicher Entwicklungspunkt für<br />

die Grenzzustandsfunktion, da die mehrd<strong>im</strong>ensionale Dichte wie exp[−1/2 ku ∗ k 2 ] abfällt. In u ∗<br />

ist diese Dichte für g(u) ≤ 0 max<strong>im</strong>al. Für die Wahrscheinlichkeitsschätzung wird unterstellt,<br />

daß in einer ausreichend kleinen Umgebung von u ∗ die Menge g(u) ≤ 0 nicht leer ist, also die<br />

zugehörige Wahrscheinlichkeit nicht gleich Null ist. Man erhält die Näherung<br />

P f ≈ Φ(−β) (3.2.1.5)<br />

29


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

mit einem für den Augenblick noch nicht abschätzbaren Fehler. Im einzelnen ist also u ∗ = βα<br />

wobei α = −∇g(u ∗ )/ k∇g(u ∗ )k der negative, normalisierte Gradient von g(u ∗ )=0in u ∗ ist.<br />

Die lineare Approx<strong>im</strong>ation für g(u) =0kann als h(u) =α T (u−u ∗ )=α T u+β =0geschrieben<br />

werden. Gl. (3.2.1.5) ist aber sogar dann, wie erwähnt, eine allerdings grobe Näherung, wenn die<br />

Grenzzustandsfläche in u ∗ nicht differenzierbar ist.<br />

3.2.2. Ein einfacher Gradientenalgorithmus<br />

Die Suche nach einem β-Punkt kann Mühe bereiten. Es ist zweckmäßig, zunächst nur den wichtigsten<br />

Fall einer differenzierbaren Versagensfläche zu diskutieren. In Gl. (3.2.1.5) mit (3.2.1.4)<br />

wurde die <strong>Zuverlässigkeit</strong>sberechnung <strong>im</strong> wesentlichen auf eine Opt<strong>im</strong>ierungsaufgabe mit einer<br />

Nebenbedingung zurückgeführt. Wenn ein β-Punkt auf einer differenzierbaren Grenzzustandsfläche<br />

existiert, d.h. auf g(u) =0,muß er nach Lagrange bis auf einen Faktor, gleich dem negativen<br />

Gradienten der Versagensfläche in diesem Punkt sein, d.h. u ∗ = −λ∇g(u ∗ ). Mit dieser Aussage<br />

läßt sich ein einfacher Suchalgorithmus konstruieren. Es sei u (k) eine Näherung für den Punkt<br />

auf g(u), für den die Senkrechte auf der Tangentialebene zu g(u) durch den Ursprung geht. Wir<br />

entwickeln g(u) in u (k) in eine nach dem linearen Glied abgebrochene Taylorreihe:<br />

g(u (k+1) )=g(u (k) )+(u (k+1) − u (k) ) T ∇g(u (k) )=0 (3.2.2.1)<br />

Auflösung nach u (k+1) <strong>und</strong> Normierung des Gradienten ergibt:<br />

u (k+1) = ∇g(u(k) )<br />

k ∇g(u (k) ) k 2 £<br />

(u (k) ) T ∇g(u (k) ) − g(u (k) ) ¤ (3.2.2.2)<br />

λ = −<br />

£<br />

(u ∗ ) T ∇g(u ∗ ) − g(u ∗ ) ¤<br />

k ∇g(u ∗ ) k 2 (3.2.2.3)<br />

In der Regel muß ∇g(u (k) ) als Vorwärts-, Rückwärts- oder sogar als zentraler Differenzenquotient<br />

numerisch berechnet werden. Dieser Algorithmus konvergiert nicht <strong>im</strong>mer. Man kann ihn aber<br />

verbessern. Eine einfache, sichere Konvergenz erzeugende Modifikation ist<br />

u (k+1) := κu (k+1) +(1− κ)u (k)<br />

mit κ < 1 einer Zahl, die so zu wählen ist, daß die ° °u (k+1)° ° in jedem Schritt kleiner werden 4 .<br />

Hinweise für allgemeine Suchalgorithmen enthält Anhang G.<br />

4<br />

Die Aufgabe läßt sichnachdemAnsatzvonLagrangelösen. Es sei eine beliebige Funktion f(x) unter der Nebenbedingung<br />

g(x) ≤ 0 zu min<strong>im</strong>ieren. Die dazugehörige Lagrangefunktion ist definiert durch:<br />

L(x) =f(x)+λg(x)<br />

λ wird Lagrangemultiplikator genannt. Die Bedingung für einen opt<strong>im</strong>alen, regulären Punkt x ∗ (Kuhn-Tucker<br />

Bedingungen [100] )lauten:<br />

∇L(x ∗ ) = ∇f(x ∗ )+λ ∗ ∇g(x ∗ )=0<br />

g(x ∗ ) ≤ 0<br />

λ ∗ ≥ 0<br />

30


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

3.2.3. Nichtnormale, unabhängige Basisvariable<br />

Mittels einer Wahrscheinlichkeitstransformation ist es möglich die vorstehenden Ergebnisse auch<br />

bei beliebig verteilten Zufallsvektoren anzuwenden. Tatsächlich existiert für jeden Zufallsvektor<br />

X mit wenigstens bereichsweise differenzierbarer Verteilungsfunktion eine Transformation<br />

derart, daß<br />

X = T (U) (3.2.3.1)<br />

P f = P (k(X) ≤ 0) = P (k(T (U)) ≤ 0) = P (g(U) ≤ 0) (3.2.3.2)<br />

wobei die Abkürzung k(T (U)) = g(U) verwendet wurde. Für einen unabhängigen Vektor X mit<br />

den Randverteilungen F i (x) gilt die Identität:<br />

<strong>und</strong> daher [138] :<br />

F i (x i )=Φ(u i ) (3.2.3.3)<br />

X i = F −1<br />

i [Φ(U i )] (3.2.3.4)<br />

oder 5 U i = Φ −1 [F i (X i )] (3.2.3.5)<br />

Beispiel 3.2.3.1: Transformation einer gumbelverteilten Variablen<br />

Die erste Gleichung ist die Bedingung für ein Extremum der Lagrangefunktion. Wenn die Hessematrix ∇ 2 L(x ∗ )<br />

der Lagrangefunktion in x ∗ positiv definit ist, d.h. y T ∇ 2 L(x ∗ )y > 0 mit y 6= 0 einem beliebigen Vektor gilt (oder<br />

alle Eigenwerte von ∇ 2 L(x ∗ ) größer Null), ist x ∗ ein (lokales) Min<strong>im</strong>um. Nach Newton-Raphson ist eine iterative<br />

Lösung für das Gleichungssystem F(x) =0 mit x k+1 = x k + ∆x k nach linearer Entwicklung F(x) ≈ F(x k )+<br />

∇F(x k )∆x k = 0 <strong>im</strong> Punkt x k gegeben durch:<br />

∇F(x k )∆x k = −F(x k ) bzw. ∆x k = −∇F(x k ) −1 F(x k )<br />

worin ∇F(x k ) die Jacob<strong>im</strong>atrix von F(x) in x k .<br />

5<br />

Wir entwickeln Gl. (3.2.3.5) in eine lineare Taylorreihe<br />

mit<br />

u = Φ −1 [F (x)] + ∂<br />

∂x Φ−1 [F (x)] |x ∗(x − x ∗ )<br />

∂<br />

f(x<br />

∂x<br />

[F (x)] Φ−1 |x ∗ =<br />

∗ )<br />

ϕ[Φ −1 [F (x ∗ )]]. Einsetzen in Gl. (3.2.3.5) führt auf<br />

n<br />

o<br />

x − x ∗ − Φ −1 [F(x ∗ )] ϕ[Φ−1 [F (x ∗ )]]<br />

f(x<br />

u =<br />

∗ )<br />

ϕ[Φ −1 [F (x ∗ )]]<br />

f (x ∗ )<br />

= y − m Y<br />

σ Y<br />

mit y = x, y ∗ = Φ −1 [F (x ∗ )],m Y = x ∗ − y ∗ σ Y <strong>und</strong> σ Y = ϕ(y∗ )<br />

f(x ∗ )<br />

. Die neue Variable y ist normalverteilt mit<br />

Mittelwert m Y <strong>und</strong> Standardabweichung σ Y . Jede beliebig verteilte Variable kann daher näherungsweise durch eine<br />

äquivalente, normalverteilte Variable ersetzt werden, wenn der Entwicklungspunkt x ∗ richtig gewählt wird.<br />

31


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Die Gumbelverteilung lautet<br />

F (x) =exp[− exp[−α(x − ũ)]] (1)<br />

worin α ein Streuungsparameter <strong>und</strong> ũ ein Positionsparameter. Anwendung von Gl. (3.2.3.4)<br />

bzw.(3.2.3.5) ergibt:<br />

#<br />

X = T (U) =ũ − ln(−lnΦ(U))/α (2)<br />

U = T −1 (X) =Φ −1 [exp[− exp[−α(X − ũ)]]] (3)<br />

3.2.4. Nichtnormale, abhängige Basisvariable<br />

Der mehrd<strong>im</strong>ensionale Fall ist komplizierter. Wenn X die Verteilungsfunktion F (x) =P (X ≤<br />

x) =P (_ n i=1 {X i ≤ x i }) hat, ist es <strong>im</strong>mer möglich, diese durch ein Produkt bedingter Verteilungen<br />

darzustellen, d.h. durch F (x) =F 1 (x 1 )F 2 (x 2 |x 1 ) ... F n (x n |x 1 ,...,x n−1 ),worin<br />

mit<br />

f j (x 1 , ..., x j )=<br />

F i (x i |x 1 ,...,x i−1 )=<br />

Z ∞<br />

Z ∞<br />

−∞<br />

−∞<br />

Z x<br />

−∞<br />

f i (x 1 ,...,x i−1 ,s)<br />

ds (3.2.4.1)<br />

f i−1 (x 1 ,...,x i−1 )<br />

f(x 1 ,...,x j ,s j+1 ,...,s n )ds j+1 ...ds n (3.2.4.2)<br />

Die bedingten Verteilungen können nun nacheinander transformiert werden [71] . Die Transformation<br />

bezeichnen wir als Rosenblatt-Transformation [145] .<br />

Also ist:<br />

oder<br />

Φ(u 1 ) = F 1 (x 1 )<br />

Φ(u 2 ) = F 2 (x 2 |x 1 )<br />

.<br />

Φ(u n ) = F n (x n |x 1 ,...,x n−1 )<br />

X = T (U) =(T 1 (U 1 ),T 2 (U 1 ,U 2 ),...,T n (U 1 ,...,U n )) T (3.2.4.3)<br />

X 1 = F −1 [Φ(U 1 )] (3.2.4.4)<br />

X 2 = F −1 [Φ(U 2 )|F −1 [Φ(U 1 )]]<br />

X 3 = F −1 [Φ(U 3 )|F −1 [Φ(U 2 )|F −1 [Φ(U 1 )]],F −1 [Φ(U 1 )]]<br />

.<br />

32


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Beispiel 3.2.4.1: Verteilungsfunktion von Seezustandsparametern<br />

In der Meerestechnik beschreibt man den Seegang, der sich in gemäßigten Breiten etwa alle 3 bis<br />

6 St<strong>und</strong>en ändert, durch eine zweid<strong>im</strong>ensionale Zufallsfolge mit den Komponenten H s <strong>und</strong> T s .<br />

H s ist die sogenannte signifikante Wellenhöhe, die als Mittelwert des oberen Drittels der höchsten<br />

Wellenerhebungen definiert ist, <strong>und</strong> T s die dazugehörige Wellenperiode. Beobachtungen haben<br />

ergeben, daß für beideGrößen eine Weibullverteilung gut paßt.<br />

· ³ x<br />

F Hs (x) =1− exp −<br />

(1)<br />

u´k¸<br />

" µ #<br />

y<br />

k(x)<br />

F Ts (y|x) =1− exp −<br />

u(x)<br />

(2)<br />

mit u(x) =a 1 exp [a 2 x] <strong>und</strong> k(x) =b 1 exp [b 2 x] . Fürdienördliche Nordsee findet man a 1 =6.05,<br />

a 2 =0.07,b 1 =2.35,b 2 =0.21. Also ist<br />

<strong>und</strong><br />

F Hs ,T s<br />

(x, y) =F Ts (y|x)F Hs (x) (3)<br />

x =(− ln(Φ(−u 1 )) 1/k u (4)<br />

y =(− ln(Φ(−u 2 )) 1/(b 1 exp[b 2 x]) a 1 exp [a 2 x] (5)<br />

H s <strong>und</strong> T s definieren die Parameter des eigentlichen Wellenhebungsprozesses, d.h. sein Spektrum.<br />

Das Beispiel macht deutlich, daß die Abhängigkeit der zweiten Variablen von der ersten Variablen<br />

über die von der ersten Variablen abhängigen Verteilungsparameter, hier sogar über Funktionen,<br />

definiert wird.<br />

#<br />

Die vorstehenden Erörterungen werden nun an dem in Abschnitt 3.1 vorgeführten Beispiel illustriert.<br />

Beispiel 3.2.4.2: Versagenswahrscheinlichkeit eines Zugstabes<br />

Eine der möglichen Zustandsfunktion ist:<br />

M = g(X) = π 4 X 2 X 2 3 − X 1 (1)<br />

X 1 sei gumbelverteilt <strong>und</strong> X 2 <strong>und</strong> X 3 log-normalverteilt. Die Variablen seien unabhängig. Die<br />

Verteilungsfunktionen sind<br />

F 1 (x 1 )=exp[− exp[−α(x 1 − u)]] (2)<br />

<strong>und</strong><br />

F 2 (x 2 )=Φ( ln(x 2/ξ 2 )<br />

δ 2<br />

) (3)<br />

33


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

F 3 (x 3 )=Φ( ln(x 3/ξ 3 )<br />

) (4)<br />

δ 3<br />

Daher ist die Rosenblatt-Transformation<br />

X 1 =ũ − 1 α ln[−ln(Φ(U 1))] (5)<br />

X 2 = ξ 2 exp[U 2 δ 2 ] (6)<br />

X 3 = ξ 3 exp[U 3 δ 3 ] (7)<br />

Die Größe der Mittelwerte <strong>und</strong> Standardabweichungen vom Beispiel in Abschnitt 3.1 werden<br />

beibehalten. Die entsprechenden Parameter sind daher α = 1.283/σ 1 , ũ = m 1 − 0.45 σ 1 ,<br />

δ i =ln(1+(σ i /m i ) 2 ) 1/2 , ξ i = m i exp[−δ i 2 /2] (i = 2,3). Die Zustandsfunktion <strong>im</strong> Standardraum<br />

heißtdamit:<br />

Z = π 4 ξ 2 exp[U 2 δ 2 ](ξ 3 exp[U 3 δ 3 ]) 2 − (ũ − 1 α ln(−lnΦ(U 1))) (8)<br />

Die Ableitungen können analytisch angegeben werden.<br />

∂g(u)<br />

∂u 1<br />

= 1 1 ϕ(u 1 )<br />

α lnΦ(u 1 ) Φ(u 1 )<br />

(9)<br />

∂g(u)<br />

∂u 2<br />

= π 4 (ξ 3 exp[u 3 δ 3 ]) 2 ξ 2 exp[u 2 δ 2 ]δ 2 (10)<br />

∂g(u)<br />

= π ∂u 3 2 ξ 2 exp[u 2 δ 2 ]ξ 2 3 exp[2u 3 δ 3 ]δ 3 (11)<br />

Mit der Anfangslösung u 0 =0ergibt der Algorithmus (3.2.2.2):<br />

u 1 u 2 u 3 g(u) β<br />

0 0 0 8.02 -<br />

0.74 -1.25 -1.26 1.27 2.18<br />

1.48 -1.16 -1.17 -0.235 2.21<br />

1.61 -0.99 -0.99 -0.01 2.13<br />

1.60 -1.00 -1.01 10 −4 2.14<br />

Der Suchalgorithmus konvergiert in vier Schritten. Die Schätzung erster Ordnung für dieVersagenswahrscheinlichkeit<br />

ist P f ≈ Φ(− ku ∗ k)=1, 62 10 −2 <strong>und</strong> somit fast identisch mit dem exakten<br />

Resultat für log-normalverteilte Variable (vergl. Abschnitt 3.1).<br />

#<br />

Es gibt noch einige andere Möglichkeiten eine Formulierung <strong>im</strong> sogenannten Standardraum durch<br />

Verteilungstransformationen zu erhalten. Eine dieser Möglichkeiten mit etwas eingeschränktem<br />

Anwendungsbereich geht auf Nataf [119] zurück <strong>und</strong> wurde von Der Kiureghian/Liu [39] für<br />

Anwendungen in der <strong>Zuverlässigkeit</strong>stheorie aufbereitet. Das Nataf-Modell zur Beschreibung<br />

mehrd<strong>im</strong>ensionaler abhängiger Variabler ist nur eine Näherung. Nataf folgend wird jeweils zwei<br />

34


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Variablen X i <strong>und</strong> X j mit dem Korrelationskoeffizient ρ ij eine gemeinsame Verteilungsfunktion<br />

zugeordnet derart daß<br />

gemeinsam normal verteilt sind. Dann ist<br />

V i = Φ −1 [Fi(X i )] (3.2.4.5)<br />

V j = Φ −1 [Fj(X j )] (3.2.4.6)<br />

f Xi ,X j<br />

(x i ,x j )=ϕ 2 (v i ,v j ; ρ 0 , ij ) f X i<br />

(x i )f Xj (x j )<br />

ϕ(v i )ϕ(v j )<br />

(3.2.4.7)<br />

worin ϕ 2 (v i ,v j ; ρ 0 , ij ) die bivariate, standardisierte Normalverteilungsdichte<br />

ϕ 2 (x, y; ρ) = 1<br />

µ<br />

1<br />

p<br />

2π<br />

exp − 1 <br />

x 2 − 2xy + y 2<br />

1 − ρ<br />

2 2 1 − ρ 2<br />

<strong>und</strong> der ’’äquivalente’’ Korrelationskoeffizient aus<br />

ρ ij =<br />

=<br />

Z ∞ Z ∞<br />

−∞ −∞<br />

Z ∞ Z ∞<br />

−∞ −∞<br />

µ<br />

xi − m i<br />

σ i<br />

µ <br />

xj − m j<br />

ϕ<br />

σ 2 (v i ,v j ; ρ 0 , ij ) f X i<br />

(x i )f Xj (x j )<br />

dx i dx j<br />

j ϕ(v i )ϕ(v j )<br />

à !à !<br />

F<br />

−1<br />

X i<br />

(Φ(v i ) − m i F<br />

−1<br />

X j<br />

(Φ(v j ) − m j<br />

ϕ<br />

σ i<br />

σ 2 (v i ,v j ; ρ 0 , ij )dv i dv j<br />

j<br />

(3.2.4.8)<br />

zu berechnen ist. Das muß für die meisten Modelle auf numerischem Wege geschehen. Das Modell<br />

ist nur gültig für streng monotone, stetige Verteilungsfunktionen <strong>und</strong> solange die Matrix der ’’äquivalenten’’<br />

Korrelationskoeffizienten {ρ 0 , ij } positiv definit bleibt 6 . Das wird festgestellt, wenn<br />

man die Entkorrelierung nach Abschnitt 2.2.2 durchführt. Immerhin kann man Abhängigkeiten<br />

durch Korrelationskoeffizienten definieren. Die Transformation wird als Nataf-Transformation<br />

bezeichnet 7 .<br />

6<br />

Eine symmetrische Matrix A ist positiv-definit, wenn b T Ab ≥ 0 oder wenn A nur positive Eigenwerte besitzt.<br />

7<br />

Eine andere näherungsweise Wahrscheinlichkeitstransformation wird nach Hermite benannt [189] . Eine gegebene<br />

Verteilungsfunktion wird hierbei durch eine Entwicklung der Normalverteilung in Hermite-Polynome genähert.<br />

Daß sie näherungsweise durch die ersten vier standardisierten Momente charakterisiert wird, ist manchmal<br />

von Vorteil. h Man kann i sie als Spezialfall der Nataf-Transformation auffassen. Dabei ist für dieVariableX i mit<br />

α k,i = E (Xi−m i) k<br />

σ i<br />

<strong>und</strong> γ i = α 3,i sowie ε i = α 4,i<br />

F i (y i ) = Φ(y i ) − ˜h 3,i y i ϕ(y i ) − ˜h 4,i (yi 2 − 1)ϕ(y i ) (1)<br />

f i (y i ) = 1˜σ h<br />

ϕ(y i ) 1+˜h 3,i (yi 2 − 1) + ˜h<br />

i<br />

4,i (yi 3 − 3y i)<br />

i<br />

h 3,i = γ i<br />

6 ; h 4,i = ε i − 3<br />

24 ;˜σ i = κ i σ i ; y i = x i − m i<br />

˜σ i<br />

35


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Der in Abschnitt 3.2.2 angegebene Suchalgorithmus benötigt die Gradienten der Zustandfunktion,<br />

d.h. auch die Ableitungen der Verteilungstransformation. Es sei<br />

g(z) =g(z(x)) = g(z(T(u))) (3.2.4.9)<br />

eine allgemein formulierte Zustandsfunktion, in der z gewisse Funktionen der Basisvariablen x<br />

sind, die ihrerseits Funktionen des Standardvektors u sind. Die z(x) sind beispielsweise die<br />

Schnittgrößen als Funktionen der <strong>Lasten</strong>. Dann ist durch Anwendung der Kettenregel<br />

∇ u g(z(T(u))) = ∇ z g(z(T(u)))J z,x J x,u (3.2.4.10)<br />

h i<br />

∂p<br />

worin J p,q = i<br />

∂q j<br />

die Jacobi-Matrix der Transformation p = T(q) <strong>und</strong> speziell J x,u die Jacobi-<br />

Matrix der Rosenblatt-Transformation ist. Diese ist eine untere Dreiecksmatrix. Alle Elemente<br />

oberhalb der Diagonalen sind Null. Die Elemente der Diagonalen sind<br />

∂x i<br />

∂u i<br />

=<br />

<strong>und</strong> die anderen Elemente werden aus<br />

∂F i (x i |x 1,x 2,...,x i−1 )<br />

∂x j<br />

ϕ(u i )<br />

f i (x i | x 1 ,x 2 ,...,x i−1 ) ; j = i (3.2.4.11)<br />

∂x i<br />

ϕ(u j )<br />

= −<br />

; j 3<br />

˜h 4,i ≈ h 4,i − 27h 2 4,i ; ˜h 3,i ≈<br />

h3,i<br />

1<br />

; κ<br />

1+24˜h i ≈<br />

für α<br />

4,i (1+10˜h 3,i+42˜h 2 4,i )1/2 3,i < 3<br />

(2)<br />

<strong>und</strong> analog fürdieVariableX j .Für zwei Variable X i <strong>und</strong> X j mit Korrelationskoeffizient ρ ij gilt:<br />

ρ ij ≈ κ i κ j<br />

³ρ 0,ij + ˜h 3,i˜h3,j ρ 2 0,ij + ˜h 4,i˜h4,j ρ 3 0,ij<br />

´<br />

(3)<br />

Auch hier muß also ebenfalls ein äquivalenter Korrelationskoeffizient ρ 0,ij für die standardnormalen Variablen V i<br />

berechnet werden <strong>und</strong> abschließend entkorreliert werden. Die Matrix R 0 = {ρ 0 , ij } muß positiv definit sein. Die<br />

notwendigen Invertierungen sind analytisch. Insbesondere ergibt sich aus Gl. (1)<br />

h<br />

X i =˜σ i V i + ˜h 3,i (Vi 2 − 1) + ˜h<br />

i<br />

4,i (Vi 3 − 3V i ) + m i (4)<br />

mit V i einer standardnormalen aber korrelierten Variablen. In Gl. (4) muß ein Ploynom dritten Grades gelöst werden.<br />

Die Dichte der Verteilungsentwicklung muß stets nichtnegativ sein. Daher gibt es gewisse Einschränkungen bezüglich<br />

γ <strong>und</strong> ε > 0.<br />

36


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

3.3. Generalisierter <strong>Zuverlässigkeit</strong>sindex, Sensitivitäten <strong>und</strong><br />

Elastizitäten<br />

Wir definieren zunächst den sogenannten äquivalenten oder generalisierten <strong>Zuverlässigkeit</strong>sindex<br />

durch:<br />

P (U ∈ V ) ≈ P (α T E U + β E ≤ 0) = P (Z + β E ≤ 0) = Φ(−β E )<br />

bzw.<br />

β E = −Φ −1 (P (U ∈ V )) ≈−Φ −1 (P (α T E U + β E ≤ 0)) = −Φ −1 (P (Z + β E ≤ 0))<br />

α E <strong>und</strong> β E sind offensichtlich die Best<strong>im</strong>mungselemente einer Hyperebene mit gleichem Wahrscheinlichkeitsinhalt<br />

wie das ursprüngliche Problem P (U ∈ V ). Man erkennt, daß Cov [Z, U i ]=<br />

ρ i = α E,i . Also ist α E,i der Korrelationskoeffizient zwischen U i <strong>und</strong> der Zustandsvariablen Z.<br />

Die anderen Bedeutungen von α E,i als normalisierter Gradient <strong>und</strong> als Richtungskosinus der äquivalenten<br />

Hyperebene sind bereits bekannt. Wichtig ist, daß β E zwar <strong>im</strong> Standardraum definiert<br />

wird aber unabhängig von der Methode ist, mit der P (U ∈ V ) berechnet wird. V kann sogar ein<br />

System beschreiben.<br />

Abb. 3.2.Äquivalenter Sicherheitsindex<br />

Wir verschieben nun den Koordinatenursprung um eine kleine Größe ² (oder ersetzen U durch<br />

U + ²)<br />

β E (²) = −Φ −1 (P ((U + ²) ∈ V )) ≈−Φ −1 (P (α T E(U + ²)+β E ≤ 0))<br />

= −Φ −1 (P (α T E U ≤−β E − α T E ²)) = −Φ−1 (Φ(−β E − α T E ²)) = β E + α T E ²<br />

<strong>und</strong> somit<br />

∂β E (²)<br />

| ²i →0<br />

∂² i<br />

= α E,i (3.3.1)<br />

bzw.<br />

∂P f (²)<br />

| ²i →0 = ∂Φ(−β E(²))<br />

| ²i →0 = −ϕ(−β<br />

∂² i ∂² E )α E,i<br />

i<br />

(3.3.2)<br />

Offensichtlich ist α E,i ein Maß für die Empfindlichkeit von β E gegenüber (Mittelwerts-)Änderungen<br />

der Variablen U i . Mit asymptotischen Argumenten wie in Abschnitt 4 kann man nun zeigen, daß<br />

37


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

tatsächlich<br />

α E,i = α µ,i = α i = ∂β | u=u ∗ (3.3.3)<br />

β→∞ ∂u i<br />

Diese Größe, d.h. α E,i = α i , ist bekannt, sobald man den β−Punkt best<strong>im</strong>mt hat. Bei abhängigen<br />

Variablen X i ist die vorstehende Definition von α i für die transformierten Variablen U i zwar nach<br />

wie vor richtig. Es ist jedoch <strong>im</strong> allgemeinen nicht möglich eindeutig zurück in den X-Raum zu<br />

transformieren. Voraussetzungsgemäß ist aber U = T(X) <strong>und</strong> X = T −1 (U) <strong>und</strong> daher<br />

Fürunabhängige Variable st<strong>im</strong>mt α r,i mit α E,i überein.<br />

Auf ähnlichem Wege zeigt man, daß<br />

α r,i = −Φ−1 (F i (x ∗ i ))<br />

β E<br />

(3.3.4)<br />

α σ,i = −βα 2 i (3.3.5)<br />

α σ,i ist offensichtlich ein Maß für die Empfindlichkeit von β bei Änderung der Streuung der Variablen<br />

U i .<br />

Schließlich kann man parametrische Sensitivitäten nach<br />

α τ i<br />

= ∂β | u=u ∗ (3.3.6)<br />

∂τ i<br />

durch numerische Differentiation <strong>im</strong> β−Punkt best<strong>im</strong>men. Man kann zeigen, daß:<br />

wegen dβ<br />

dτ i<br />

= d(αT u ∗ )<br />

dτ i<br />

= dαT<br />

k∇ug(u,τ )k<br />

dg(u,τ )<br />

dτ i<br />

−g(u,τ )<br />

dβ<br />

dτ i<br />

=<br />

dτ i<br />

u ∗ + α T du∗<br />

dk∇ug(u,τ )k<br />

dτ i<br />

dτ i<br />

dg(u,τ )<br />

dτ i<br />

k∇ u g(u, τ )k | u=u ∗ (3.3.7)<br />

= α T du∗<br />

dτ i<br />

<strong>und</strong> d g(u,τ )<br />

| dτ i k∇ ug(u,τ )k u=u ∗<br />

dg(u,τ )<br />

dτ i<br />

k∇ ug(u,τ )k<br />

= |<br />

k∇ ug(u,τ )k 2 u=u ∗=<br />

| = α T du∗<br />

u=u ∗ dτ i<br />

d g(u,τ )<br />

| dτ i k∇ ug(u,τ<br />

.<br />

)k u=u ∗<br />

Unter ’’Elastizität’’ versteht man die entsprechende d<strong>im</strong>ensionslose Größe, d.h.<br />

Gelegentlich ist noch<br />

e i = ∂β τ i<br />

∂τ i β<br />

woraus folgt, daß dβ<br />

dτ i<br />

=<br />

(3.3.8)<br />

∂α(τ )<br />

∂τ i<br />

∂∇ u g(u,τ )<br />

∂∇<br />

∂τ<br />

= − i<br />

| u g(u,τ )<br />

u=u ∗<br />

k∇ u g(u, τ )k = −(I + βH)−1 ∂τ i<br />

k∇ u g(u, τ )k | (3.3.9)<br />

u=u ∗<br />

mit ½<br />

H =<br />

h ³³<br />

1 ∂ 2 g(u,τ ) 1<br />

k∇ u g(u,τ )k ∂u i ∂u j<br />

− ∂g(u,t)<br />

k∇ u g(u,τ )k ∂u i<br />

n o<br />

∂5 ug(u,t)<br />

= ∂ 2 g(u,t)<br />

∂t ∂t∂u i<br />

; i =1,...,n<br />

∂k5 u g(u,t)k<br />

∂u j<br />

¾<br />

+ ∂g(u,t) ∂k5 u g(u,t)k<br />

∂u j ∂u i<br />

; i, j =1,...,n<br />

´´iu=u ∗ ,<br />

<strong>und</strong> ∂∇ug(u,τ )<br />

∂τ i<br />

= ∇u∂g(u,τ )<br />

∂τ i<br />

von Interesse. Das Auftreten von<br />

zweiten Ableitungen zeigt, daß hier Information höherer Ordnung benötigt wird. Bei ’’fast’’ ebenen<br />

38


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Grenzzustandsflächen ist H nahe Null sodaß näherungsweise<br />

∂α(τ)<br />

∂τ i<br />

1<br />

≈−<br />

k5 u g(u, τ )k<br />

∂ 5 u g(u, τ )<br />

∂τ i<br />

(3.3.10)<br />

3.4. Antwortflächenverfahren ∗<br />

Bei schwierigen Berechnungsaufgaben, z.B. wenn in der Grenzzustandsfunktion die Antworten<br />

auf <strong>Lasten</strong> durch lineare oder nichtlineare, statische oder dynamische FE-Methoden berechnet werden<br />

müssen, können Näherungsverfahren zum Einsatz kommen. Eine Anwendung von FORM<br />

kann auch schwierig werden, wenn die benötigten Gradienten nicht oder numerisch nicht stabil<br />

genug ermittelt werden können. Am verbreitesten ist die Methode der Antwortflächen. Als Antwortfläche<br />

wählt man häufig eine quadratische Form, d.h.<br />

g(x) ≈ r(x) =a 0 + a T (x − x 0 )+(x − x 0 ) T B(x − x 0 )+² (3.4.1)<br />

Hierin sind a die Koeffizienten der linearen Terme <strong>und</strong> B ist die Matrix der Koeffizienten der<br />

quadratischen Terme. x 0 ist der zentrale Wert um den entwickelt wird <strong>und</strong> ² gegebenenfalls ein<br />

(skalarer) Fehlerterm. Flächen höherer Ordnung werden meist verworfen, da diese in Wahrheit<br />

nicht vorhandene Oszillationen hervorrufen können. Die Koeffizienten best<strong>im</strong>mt man entweder<br />

durch Taylorentwicklung, durch Lagrangesche Interpolation oder durch das Verfahren des Min<strong>im</strong>ums<br />

der Abweichungsquadrate. Nur dann kann auch der zusätzliche Fehlerterm best<strong>im</strong>mt werden.<br />

Am besten ist natürlich eine Entwicklung fürdieg(x) ≈ r(x) =0. Es kommt entscheidend<br />

darauf an, den Wert von x 0 richtigzuwählen, d.h. in unmittelbarer Nähe des β−Punktes. Das erfordert<br />

<strong>im</strong> allgemeinen Iteration. Desweiteren ist fürdieGüte der Approx<strong>im</strong>ation der Abstand der<br />

Stützpunkte vom zentralen Wert wichtig. Eine quadratische Form der in Gl. (3.4.1) gezeigten Art<br />

benötigt mindestens 1+n + n(n +1)/2 Funktionsauswertungen um die Koeffizienten best<strong>im</strong>men<br />

zu können <strong>und</strong> noch mindestens zusätzliche 10 um den Fehlerterm zu ermitteln. Es ist daher klar,<br />

daß diese Methode nur bei niedrigd<strong>im</strong>ensionalen Problemen angewandt werden kann. Man muß<br />

die quadratischen Terme auf die Wichtigen beschränken. Die weitere zuverlässigkeitstheoretische<br />

Auswertung erfolgt dann mit einer der vorgeführten bzw. noch vorzuführenden Methoden. Den<br />

Fehlerterm, wenn er zuverlässig ermittelt werden konnte, führt man als zusätzliche, in der Regel<br />

normalverteilte Basisvariable in die Rechnung ein. Dadurch hat man die Möglichkeit, den Fehler<br />

bei der Best<strong>im</strong>mung der Versagenswahrscheinlichkeit abzuschätzen. In schwierigen Fällen kann<br />

man auch eine Kombination von Antwortflächen <strong>und</strong> Importanzstichprobenverfahren, vor allem<br />

bei der Auswahl der Stützpunkte für die Antwortfläche, versuchen. Man kann sogar die Stützpunkte<br />

durch adaptive Stichprobenverfahren auswählen <strong>und</strong> durch Antwortflächen versuchen die<br />

wichtige Region schneller zu finden.<br />

3.5. Das inverse <strong>Zuverlässigkeit</strong>sproblem ∗<br />

Für den Ingenieur oft wichtiger als die Analyse eines technischen Objektes <strong>im</strong> Hinblick auf seine<br />

<strong>Zuverlässigkeit</strong> ist die Best<strong>im</strong>mung von in gewisser Hinsicht opt<strong>im</strong>alen Bemessungsparametern<br />

des Objektes unter Berücksichtigung der <strong>Zuverlässigkeit</strong>. Die Aufgabe ist der Aufgabe in Abschnitt<br />

3.2.2 unter gewissen Bedingungen sehr ähnlich.<br />

39


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Die genannte Opt<strong>im</strong>ierungsaufgabe (1.3) oder das inverse <strong>Zuverlässigkeit</strong>sproblem läßt sich nun<br />

wie folgt formulieren:<br />

Z(p) = B(p)(1 − P f (p)) − C i (p) − L(p) · P f (p)<br />

≈ B(p) − C i (p) − L(p) · P f (p)<br />

Z(.) ist zu max<strong>im</strong>ieren. Dabei sind C(·) die Baukosten des Tragwerks <strong>und</strong> L(·) die Versagenskosten.<br />

B(.) ist der Nutzen bei Bestand des Tragwerks. Der erwartete Nutzen ist also B(p)(1 −<br />

P f (p)) <strong>und</strong> L(p)P f (p) sind die erwarteten Schadenskosten. Meist ist B(p) =B, L(p) =L <strong>und</strong><br />

P f (p) eine sehr kleine Zahl. Es genügt daher die erwarteten Gesamtkosten K(·)<br />

K(p) = C(p)+L · P f (p)<br />

≈ C(p)+L · Φ (− min (kuk : g(u, p) ≤ 0)) (3.5.1)<br />

zu min<strong>im</strong>ieren. Eine <strong>Zuverlässigkeit</strong>snebenbedingung wird spezifiziert durch die Ungleichung<br />

Φ(−β(p)) ≤ Pf<br />

max . Dabei ist Pf<br />

max eine max<strong>im</strong>ale, erlaubte Versagenswahrscheinlichkeit. Anstelle<br />

der Kosten kann man natürlich auch Gewicht, Volumen oder ähnliches als Zielgröße wählen.<br />

Im einfachsten Fall handelt es sich um die Opt<strong>im</strong>ierung von K(p) mit der Nebenbedingung<br />

Φ(−β(p)) ≤ Pf<br />

max . Vollständig heißtdiezulösende Aufgabe<br />

Min<strong>im</strong>iere:<br />

Unter den Bedingungen:<br />

K(p) =C(p)+L · Φ (−β(p))<br />

Φ (−β(p)) ≤ Pf<br />

max<br />

(3.5.2)<br />

h k (p) ≤ 0,k =1,...,q<br />

u u ≤ u ≤ u o<br />

p u ≤ p ≤ p o<br />

Die Restriktionen h k (p) ≤ 0 sind zusätzlich eingeführt, um ’’vernünftige’’ Entwürfe gewährleisten<br />

zu können. Außerdem wird man den Raum der Parameter durch p u ≤ p ≤ p o <strong>und</strong> den Raum der<br />

Basisvariablen durch u u ≤ u ≤ u o schon aus numerischen Gründen beschränken wollen. In dieser<br />

allgemeinen Form handelt es sich um eine wesentlich schwierigere <strong>und</strong> aufwendigere Aufgabe als<br />

die einfache Opt<strong>im</strong>ierung <strong>im</strong> Rahmen der <strong>Zuverlässigkeit</strong>sberechnung. Es handelt sich um zwei<br />

übereinander angeordnete Opt<strong>im</strong>ierungsaufgaben. Der übergeordnete Algorithmus opt<strong>im</strong>iert die<br />

Kosten, der andere löst die <strong>Zuverlässigkeit</strong>saufgabe.<br />

Eine manchmal interessierende Fragestellung bei für die <strong>Zuverlässigkeit</strong> sehr wichtigen Tragwerkskomponenten<br />

ist die Max<strong>im</strong>ierung der <strong>Zuverlässigkeit</strong> bei vorgegebenen Max<strong>im</strong>alkosten für<br />

den Aufwand für <strong>Zuverlässigkeit</strong>. Diese Aufgabe kann wie folgt formuliert werden.<br />

Max<strong>im</strong>iere:<br />

Unter den Bedingungen:<br />

β(p)<br />

K(p) ≤ K max<br />

(3.5.3)<br />

h k (p) ≤ 0,k =1,...,q<br />

u u ≤ u ≤ u o<br />

p u ≤ p ≤ p o<br />

40


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Auch hier kann anstelle der Kosten Gewicht oder Materialaufwand, usw. stehen. Das ist von<br />

der mathematischen Seite her gesehen eine dem Ansatz (3.3.5) analoge Aufgabe. Man muß nur<br />

Zielfunktion <strong>und</strong> Restriktionsfunktion miteinander vertauschen. Bei manchen Anwendungen in<br />

der Luft- <strong>und</strong> Raumfahrt ist diese Variante besonders interessant, da es auf Gewichtsmin<strong>im</strong>ierung<br />

bei gleichzeitig max<strong>im</strong>aler <strong>Zuverlässigkeit</strong> ankommen kann.<br />

Die Aufgaben (3.5.2) <strong>und</strong> (3.5.3) werden wesentlich einfacher, wenn einfache Kosten, d.h. Kosten<br />

ohne erwartete Schadenskosten, angesetzt werden dürfen. Auf Fragen der zuverlässigkeitsorientierten<br />

Opt<strong>im</strong>ierung kommen wir in Abschnitt 9 in allgemeinerem Zusammenhang noch einmal<br />

zurück.<br />

41


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

ANHANG A:<br />

S<strong>im</strong>ulationsmethoden<br />

A.1.<br />

Erzeugung von Zufallszahlen<br />

Stochastische S<strong>im</strong>ulation erfordert die Erzeugung langer Reihen von Zufallszahlen mit gegebener<br />

Verteilung. Solche erzeugt man am besten mit einem digitalen Rechner als sogenannte Pseudo-<br />

Zufallszahlen. Der erste Schritt ist die Erzeugung von <strong>im</strong> Intervall [0, 1] gleichverteilten, unabhängigen<br />

Zufallszahlen. Die Gr<strong>und</strong>idee ist folgende: Man geht von dem Nachkommaanteil einer<br />

irrationalen Zahl, z.B. π, aus. Mit diesem führt man gewisse Operationen, z.B. Potenzieren, aus<br />

<strong>und</strong> erhält durch den Nachkommaanteil der entstandenen Zahl wiederum eine Zufallszahl, <strong>und</strong> so<br />

fort. Der jeweilige Algorithmus ist sorgfältig auf Unabhängigkeit <strong>und</strong> Gleichverteilung zu testen.<br />

In den meisten Rechnern sind solche ’’Zufallsgeneratoren’’ <strong>im</strong>plementiert. Alle Folgen von Zufallszahlen<br />

hängen vom Anfangswert, dem sogenannten SEED-Wert, ab. Ist nun eine Serie von<br />

gleichverteilten Zufallszahlen g i ,i=1, 2,....erzeugt, erhält man aus<br />

x i = F −1<br />

X (g i) (A.1.1)<br />

die zur Verteilung F X (x) gehörige Zufallszahl. Für manche Verteilungen gibt es spezielle Algorithmen.<br />

Ein Paar der häufig vorkommenden standard normalen Zufallszahlen erzeugt man z.B.<br />

durch<br />

u 1 = (−2ln(g 1 )) 1 2 sin(2πg2 )<br />

u 2 = (−2ln(g 1 )) 1 2 cos(2πg2 )<br />

Zufallszahlen für Zufallsvektoren erzeugt man analog zum Vorgehen bei der Rosenblatt-Transformation.<br />

Man muß nur Φ(u i ) durch g i = F (g i ) ersetzen, also<br />

x 1 = F1 −1 (g 1 )<br />

x 2 = F2 −1 (g 2 | x 1 )<br />

.<br />

x n = Fn −1 (g n | x 1 ,x 2 , ..., x n−1 )<br />

Korrelierte standard normale Variable generiert man wie in Gl. (6.1.2.6) mit Gl. (6.1.2.5). Weiterführende<br />

Literatur findet man bei Rubinstein [152] .<br />

A.2.<br />

Einfache Monte-Carlo-Integration<br />

Im Abschnitt 3 wurden Näherungen für Wahrscheinlichkeitsintegrale angestrebt, die aber nicht nur<br />

einen gewissen gedanklichen Aufwand erforderten, sondern auch in der Realisierung in Computerprogrammen<br />

nicht trivial sind. Hierbei ging es <strong>im</strong> wesentlichen darum, hochd<strong>im</strong>ensionale numerische<br />

Integration zu vermeiden. Besonders naheliegend ist natürlich Methoden der stochastischen<br />

S<strong>im</strong>ulation für Berechnungen der Versagenswahrscheinlichkeit anzuwenden. Die einfachste Art<br />

42


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

der Berechnung eines Wahrscheinlichkeitsintegrals ist nachfolgend dargestellt.<br />

Z<br />

P (V )=<br />

V<br />

f X (x)dx =<br />

Z<br />

1(x ∈ V )f X (x)dx = E[1(X ∈ V )]<br />

< n (A.2.1)<br />

Hierin ist 1(x ∈ V ) die sogenannte Indikatorfunktion für den interessierenden Bereich mit den<br />

folgenden Eigenschaften:<br />

1(x ∈ V )=<br />

n<br />

1 für x∈V<br />

0 für x /∈V<br />

Kann man Realisierungen des Vektors X in effizienter Weise zufällig erzeugen, gilt:<br />

bP (V ) ≈ 1 N<br />

NX<br />

1(x i ∈ V ) (A.2.2)<br />

i=1<br />

wobei b P (.) den Wahrscheinlichkeitsschätzer bezeichnet. Das ist ein erwartungstreuer Schätzer für<br />

den wahren Wert von P (V ), d.h.<br />

P (V )=E[ b P (V )] =<br />

NX<br />

i=1<br />

1<br />

N E[1(x i ∈ V )] = E[1(x ∈ V )]<br />

(A.2.3)<br />

Seine Varianz ist <strong>im</strong> Fall unabhängiger Realisationen des Vektors X :<br />

Var[ ˆP (V )] =<br />

NX<br />

i=1<br />

1<br />

N Var[1(x 2 i ∈ V )] = 1 Var[1(x ∈ V )]<br />

N (A.2.4)<br />

mit<br />

die durch<br />

⎧<br />

Var[1(X ∈ V )] ≈ 1 ⎨<br />

1<br />

N − 1 ⎩N<br />

Z<br />

Var[1(x ²V)] = 1 2 (x ∈ V )f X (x)dx − P (V ) 2 (A.2.5)<br />

< n<br />

(<br />

NX<br />

1 2 1<br />

(x i ∈ V ) −<br />

N<br />

i=1<br />

) ⎫ 2<br />

NX<br />

⎬<br />

1(x i ∈ V )<br />

⎭<br />

i=1<br />

(A.2.6)<br />

geschätzt wird. Leider ist ein solches Vorgehen für die Best<strong>im</strong>mung von Versagenswahrscheinlichkeiten,<br />

d.h. von <strong>im</strong> allgemeinen kleinen Größen, sehr unzweckmäßig, da ein sehr hoher Berechnungsaufwand<br />

erforderlich ist, um ausreichend genaue Ergebnisse zu erzielen. Man vergegenwärtige<br />

sich nur, daß es sich hierbei um ein Bernoulli Exper<strong>im</strong>ent handelt. Es sei p die nach<br />

Gl. (A.2.2) zu schätzende Wahrscheinlichkeit. Dann ist die mittlere Anzahl von ’’Treffern’’ gleich<br />

Np <strong>und</strong> die Varianz gleich Np(1 − p). Der Variationskoeffizient ist also<br />

V [ ˆP ]=<br />

p<br />

Np(1 − p)<br />

Np<br />

≈ 1 √ Np<br />

(A.2.7)<br />

43


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Daraus sieht man, daß man gute Ergebnisse nur bei großem N, d.h. für N >> 1/p, erhalten<br />

kann. Es gibt viele andere Varianten der Monte-Carlo-Methode. Ein gelegentlich angewandtes<br />

Verfahren ist das sogenannte sphärische Stichprobenverfahren. Die Grenzzustandsgleichung(en)<br />

sei(en) <strong>im</strong> n-d<strong>im</strong>ensionalen Standardraum formuliert. Nun generiert man n-1 zufällige Winkel<br />

φ i =(φ 1 , φ 2 ,...,φ n−1 ) T für einen Suchstrahl, <strong>und</strong> sucht, ausgehend von u = 0, mit einem geeigneten<br />

Verfahren entlang des Suchstrahls den Abstand r i der Grenzzustandsfunktion zum Ursprung.<br />

Dann ist<br />

ˆP (V ) ≤ 1 NX £<br />

1 − χ<br />

2<br />

N<br />

n (ri 2 ) ¤ (A.2.8)<br />

i=1<br />

mit χ 2 n (.) der χ2 -Verteilung mit Freiheitsgrad n eine Schätzung der Versagenswahrscheinlichkeit<br />

(vergl Gl. (3.1.10)). Das Verfahren ist nur geeignet, wenn hyperkugelähnliche sichere Bereiche<br />

vorliegen. Die Effizienz des Verfahrens fällt mit der D<strong>im</strong>ension n stark ab. Wenn es sich um<br />

Seriensysteme handelt, ist es oft besser, statt Hyperkugeln als Approx<strong>im</strong>ation linear begrenzte<br />

Polyeder zu verwenden. Wenn man dann in g(u) noch den Gradienten bildet, hat man ein noch<br />

besseres Ergebnis.<br />

A.3.<br />

Monte-Carlo-Methoden mit Importanzstichprobenwahl<br />

Wesentlich effizienter sind Schemata mit Importanzstichprobenwahl (Importance-sampling), bei<br />

denen man P (V ) durch<br />

Z<br />

P (V )=E[1(X ∈ V )] = 1(x ∈ V ) f X(x)<br />

< h n X (x) h X(x)dx<br />

(A.3.1)<br />

berechnet mit h(x) der sogenannten ’’Importance-sampling’’ -dichte. Dann ist:<br />

P (V )=E[1(X ∈ V ) f X(x)<br />

h X (x) ] ≈ 1 N<br />

NX<br />

i=1<br />

1(x i ∈ V ) f X(x i )<br />

h X (x i )<br />

(A.3.2)<br />

Hier ist also 1(x i ∈ V ) nach Gl. (A.2.2) bzw (A.2.6) durch 1(x i ∈ V ) f X(x i )<br />

h X (x i<br />

zu ersetzen. Die<br />

)<br />

wesentliche Frage ist, wie man die Stichprobendichte so wählt, daß ein möglichst kleiner Variationskoeffizient<br />

der Schätzung entsteht. Wählt man z.B.<br />

h X (x) = R<br />

1(x ∈ V )f X(x)dx<br />

(A.3.3)<br />

1(x ∈ V )f<br />

< n X (x)dx<br />

so zeigt man leicht, daß, da <strong>im</strong> Nenner ja genau die Größe P (V ) steht, die Varianz der Schätzung<br />

zu Null wird. Das ist natürlich wenig hilfreich, da man gerade P (V ) schätzen möchte. Jede<br />

Näherung für P (V ) sollte eine Schätzung jedoch effizienter machen. Kennt man beispielsweise<br />

den β−Punkt <strong>im</strong> Standardraum, so liegt es nahe für h X (x) wiederum eine Normalverteilung mit<br />

unabhängigen oder auch abhängigen Komponenten <strong>und</strong> Mittelwert <strong>im</strong> β−Punkt zu wählen, d.h.<br />

h U (u) =ϕ U (u − u ∗ ; cI). Mit c ≈ 1 hat man gute Erfahrungen gemacht. In diesem Fall hat<br />

man eine Trefferwahrscheinlichkeit von ungefähr 0.5. Die Effizienz des Verfahrens hängt nicht<br />

wesentlich von der zu schätzenden Versagenswahrscheinlichkeit <strong>und</strong> von der D<strong>im</strong>ension n ab. Man<br />

44


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

beachte auch, daß die Auswertung der Indikatorfunktion nur einfache Zustansfunktionsaufrufe<br />

erfordert.<br />

u<br />

1<br />

Im po rta nzstic h-<br />

probendichte h(u)<br />

g(u) = 0<br />

u<br />

2<br />

Abb. 3.1.Importanzstichprobenverfahren bei bekanntem β−Punkt<br />

Auf Bucher [26] geht die Idee zurück, die Effizienz des Verfahrens dadurch zu erhöhen, daß<br />

man <strong>im</strong> wesentlichen nur <strong>im</strong> Versagensbereich s<strong>im</strong>uliert. Als Importanzstichprobendichte wählt<br />

man also h(u | g(u) ≤ 0). Wenn das Koordinatensystem mittels einer Orthogonaltransformation<br />

(u → v) derart gedreht wird, daß eine Achse, z.B. die u n -Achse, durch den β-Punkt u ∗ geht,<br />

ist z.B. h(v | g(v) ≤ 0) = ϕ(v 1 ,v 2 ,...,v n−1 )ϕ(v n | v n ≥ f(v 1 ,v 2 ,...,v n−1 )) mit v n der Lösung<br />

von g(v 1 ,v 2 ,...,v n−1 ,v n )=0<strong>und</strong> v n >f(v 1 ,v 2 ,...,v n−1 ) wenn g(v 1 ,v 2 ,...,v n−1 ,v n ) <<br />

0. Bei bekanntem β-Punkt, d.h. v ∗ = (0, 0,...0,vn) ∗ berechnet man h(v | g(v) ≤ 0) näherungsweise<br />

durch h(v | g(v) ≤ 0) = ϕ(v 1 ,v 2 , ..., v n−1 )ϕ(v n | v n > f(v 1 ,v 2 ,...,v n−1 )) ≈<br />

ϕ(v 1 ,v 2 ,...,v n−1 ) ϕ(vn)Φ(−f (v 1,v 2 ,...,v n−1 ))<br />

Φ(−β)<br />

wobei f(v 1 ,v 2 , ..., v n−1 ) als Abstand der Grenzzustandsfläche<br />

zur Ebene α T u =0zu interpretieren ist. Eine bedingte, standard normale Variable W =<br />

U | U>bmit Verteilungsfunktion Φ(u | U>b),u>b,wird durch w i = Φ −1 (g i +(1− g i )Φ(b))<br />

zufällig erzeugt. Damit ist also<br />

P (V ) ≈ 1 N<br />

NX<br />

1(U i ∈ V )<br />

i=1<br />

ϕ U (u i )<br />

ϕ U ((u i − α T u i α) − Φ −1 (g i +(1− g i )Φ(f(v 1 ,v 2 ,...,v n−1 )))α)<br />

(A.3.4)<br />

In dieser Form ist das Verfahren sehr effizient, da fast jedes Mal ein ’’Treffer’’ erzielt wird. Allerdings<br />

erfordert es genau N Gleichungslösungen.<br />

A.4.<br />

Adaptive Monte-Carlo-Verfahren<br />

Das Verfahren mit Importanzstichprobenzentrum in der Nähe des β−Punktes wird oft adaptiv angewandt,<br />

d.h. man verändert während der S<strong>im</strong>ulation die Importanzstichprobendichte (siehe [26]<br />

45


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

<strong>und</strong> viele andere). Bei einfachen Komponenten startet man die S<strong>im</strong>ulation am Mittelwertsvektor.<br />

Wird g(x i ) zufällig kleiner, verwendet man diesen Punkt als nächstes Zentrum der Importanzstichprobendichte.<br />

Wenn füreinx i g(x i ) ≤ 0, verwendet man als Zentrum der Importanzstichprobendichte<br />

nur noch zentrale Werte für dieg(x i ) ≤ 0 <strong>und</strong> ändert das Zentrum nur noch, wenn |g(x i )|<br />

kleiner <strong>und</strong> die Dichte f X (x i ) größer wird als füreinfrüher gef<strong>und</strong>enes x i . Diese Suche nach dem<br />

’’wichtigen’’ Bereich stellt eines der einfachsten stochastischen Suchverfahren dar. Mit dem ersten<br />

g(x i ) ≤ 0 beginnt man mit der Schätzung der Versagenswahrscheinlichkeit nach Gl. (A.3.2).<br />

Dieses Verfahren benötigt keine Ableitungen von g(x) <strong>und</strong> auch keine Wahrscheinlichkeitstransformation,<br />

obwohl es <strong>im</strong> transformierten Raum wegen der dann gegebenen Rotationssymmetrie<br />

am besten funktioniert. Die Effizienz dieses Suchverfahrens n<strong>im</strong>mt mit der D<strong>im</strong>ension n stark<br />

ab. Man kann es <strong>im</strong> Hinblick auf verschiedene Kriterien noch verbessern. Z.B. kann man ein ’’-<br />

besseres’’ Zentrum nur mit allmählich kleiner werdender Wahrscheinlichkeit akzeptieren. Außerdem<br />

kann man die Schrittweite, mit der ein bestehendes Zentrum in Richtung ’’besseres’’ Zentrum<br />

verändert wird, allmählich verkleinern. Dann besteht eine gewisse Möglichkeit, nicht in lokalen<br />

Zentren, d.h. lokalen Max<strong>im</strong>a von f X (x), ’’hängen’’ zu bleiben <strong>und</strong> hat damit ein Suchverfahren,<br />

welches globale Min<strong>im</strong>a zu identifizieren <strong>im</strong>stande ist.<br />

46


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Kapitel 4.<br />

(SORM)<br />

<strong>Zuverlässigkeit</strong>stheorie 2.Ordnung<br />

4.1. Vorbereitende Überlegungen<br />

Es liegt nahe eine Verbesserung der Ergebnisse 1.Ordnung durch Entwicklung der Grenzzustandsfunktion<br />

in eine Taylorreihe 2.Ordnung <strong>im</strong> β-Punkt zu versuchen. Hierzu muß die Versagensfläche<br />

mindestens zwe<strong>im</strong>al differrenzierbar sein. Die Matrix der zweiten Ableitungen, die Hessesche Matrix,<br />

sei S U (u ∗ ). Anstelle der vollständigen quadratischen Form kann man auch sogenannte Stützparaboloide<br />

untersuchen [50] . Dabei sind solche von Interesse, die die Versagensfläche besonders<br />

in der Umgebung des β-Punktes gut approx<strong>im</strong>ieren (vergl. Bild 4.1).<br />

u<br />

2<br />

v = w<br />

n<br />

n<br />

w j<br />

l(u) = 0<br />

δ<br />

n<br />

β<br />

u<br />

1<br />

q(u) = 0<br />

g(u) = 0<br />

R n<br />

Abb. 4.1.Unterstützendes Paraboloid<br />

Stützparaboloide werden erhalten, indem man zunächst eine Achse, z.B. die u n -Achse in den β-<br />

Punkt hineindreht. Die Elemente der Transformationsmatrix D kann man mit dem Schmidtschen<br />

Orthogonalisierungsverfahren best<strong>im</strong>men. Für<br />

u = Dv (4.1.1)<br />

mit beispielsweise d 1 = α (α =Richtungskosinus des β-Punktes u ∗ ) berechnet man z.B. die<br />

Spaltenvektoren von D aus<br />

d i =<br />

c i<br />

kc i k mit c Xi−1<br />

i = e i − cj(e T i cj);i =2, 3,...,n (4.1.2)<br />

j=1<br />

47


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

e i =(0, 0,...,0, 1, 0,...0) ist der i-te Einheitsvektor der Koordinatenachsen. Nach dieser Drehung<br />

ist g i (v ∗ )=∂g(v ∗ )/∂v i =0für i 6= 1<strong>und</strong> v ∗ =(β, 0, ..., 0) T .Deswegenist<br />

<strong>und</strong> daraus<br />

1<br />

2 vT S V (v ∗ )v + g 1 (v ∗ )(v 1 − β) =0 (4.1.3)<br />

v 1 = β − g 1 (v ∗ ) −1 1 2 vT S V (v ∗ )v (4.1.4)<br />

Im allgemeinen ist es besser die zweiten Ableitungen erst <strong>im</strong> v-Raum zu best<strong>im</strong>men, da die Matrix<br />

S(v ∗ ) eine (n − 1) × (n − 1)-Matrix ist <strong>im</strong> Gegensatz zur n × n-Matrix S(u ∗ ). Die Eigenwerte<br />

κ i von S(v ∗ ) sind die Lösungen der charakteristischen Gleichung<br />

Ã<br />

det −S(v ∗ )<br />

¯<br />

∂g(v ∗ −1<br />

)<br />

∂v 1<br />

¯¯¯¯ − κ I<br />

!<br />

=0 (4.1.5)<br />

I ist die Einheitsmatrix. Sie sind mit den Hauptkrümmungen identisch. In der Praxis best<strong>im</strong>mt<br />

man die Eigenwerte nicht direkt aus der charakteristischen Gleichung, sondern durch iteratives<br />

Diagonalisieren der Matrix S(v ∗ )/g 1 (v ∗ ), z.B. nach der Methode von Jacobi. Die zu κ gehörenden<br />

Eigenvektoren sind die Richtungen der Hauptkrümmungen. Schließlich mag man noch eine<br />

orthogonale (Hauptachsen)-Transformation w = Tvwie oben ausführen. Dann ist sogar:<br />

κ i = − ∂2 g(w ∗ )<br />

∂w 2 i<br />

¯<br />

∂g(w ∗ )<br />

∂w 1<br />

−1 ¯¯¯¯<br />

(4.1.6)<br />

Die Hauptkrümmungen können natürlich in jedem Koordinatensystem berechnet werden, da sie<br />

invariant gegenüber orthogonalen Transformationen sind. Die Hauptkrümmungen sind positiv<br />

wenn sie zum Ursprung gerichtet sind. Also ist<br />

p(w) =β − w 1 + 1 2<br />

nX<br />

κ i wi 2 =0 (4.1.7)<br />

i=2<br />

eine quadratische Approx<strong>im</strong>ation für g(w) = 0. Hierbei definieren wir die Krümmungen als<br />

positiv wenn sie zum Ursprung hin gerichtet sind. Eine exakte Berechnung des Wahrscheinlichkeitsinhaltes<br />

dieses Paraboloids gestaltet sich schwierig (siehe jedoch Beispiel 4.4.2). Stattdessen<br />

werden wir asymptotische Lösungen anstreben. Außerdem kann es sich bei <strong>Zuverlässigkeit</strong>saufgaben<br />

auch um die Berechnung der Wahrscheinlichkeiten von Vereinigungs- oder Schnittmengen<br />

handeln für die eine allgemeine Vorgehensweise notwendig ist.<br />

4.2. Einführung in die Theorie asymptotischer Laplaceintegrale<br />

Zur Einführung betrachten wir Integrale des Typs<br />

I(λ) =<br />

Z b<br />

a<br />

h(x)exp[−λ f(x)]dx (4.2.1)<br />

48


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

worin f(x) <strong>und</strong> h(x) > 0 best<strong>im</strong>mte, ausreichend glatte Funktionen sind. Ist insbesondere f(x) =<br />

x <strong>und</strong> erstreckt sich der Integrationsbereich von 0 bis ∞, so ist die Formel die sogenannte Laplacetransformation,<br />

die aufgr<strong>und</strong> einer Reihe von nützlichen Eigenschaften, z.B. sehr einfacher<br />

Regeln für Faltungs- oder Differentiations- bzw. Integrationsoperationen in gewissen Bereichen<br />

der Technik gerne benutzt wird. Auch die in Gl. (4.2.1) angegebene allgemeinere Form wird als<br />

Laplaceintegral bezeichnet. λ > 1 ist darin ein Parameter. Wir untersuchen das Verhalten dieses<br />

Integrals für λ →∞, wobei wir zwei Fälle unterscheiden. Im ersten Fall nehmen wir an, daß<br />

f(x) <strong>im</strong> Intervall [a, b] eine monoton wachsende Funktion ist. Sie habe in a ihr Min<strong>im</strong>um. Dort<br />

ist f 0 (a) > 0. Offensichtlich wird mit wachsendem λ das Integral durch die Werte des Integranden<br />

in der Umgebung des Punktes x = a best<strong>im</strong>mt. Wir ziehen die Funktion h(x) mit dem Wert<br />

h(a) nach dem Mittelwertsatz der Integralrechnung vor das Integral <strong>und</strong> entwickeln die Funktion<br />

f(x) in eine nach dem ersten Glied abgebrochene Taylorreihe<br />

I(λ) =<br />

≈<br />

≈<br />

≈<br />

Z b<br />

a<br />

h(a)<br />

h(x)exp[−λ f(x)]dx<br />

Z b<br />

a<br />

exp[−λ(f(a)+f 0 (a)(x − a)+...)]dx<br />

h(a)exp[−λ(f(a) − f 0 (a)a)]<br />

Z b<br />

a<br />

exp[−λ(f 0 (a)x + ...)]dx<br />

h(a)exp[−λ(f(a) − f 0 (a)a)](−λ f 0 (a)) −1 {exp[−λ f 0 (a)b] − exp[−λ f 0 (a)a]}<br />

(4.2.2)<br />

Ohne Verlust an Allgemeinheit können wir a =0annehmen. Das ist durch Koordinatentranslation<br />

<strong>im</strong>mer erreichbar. Dann ist es offenbar möglich bei beliebigem b


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

<strong>und</strong> für b =0<br />

I(λ) ≈ h(0) exp[−λ f(0)](−λ f 0 (0)) −1 (4.2.5)<br />

Im zweiten Fall nehmen wir an, daß f(x) ein Min<strong>im</strong>um <strong>im</strong> Inneren des Bereiches [a, b] hat. Ohne<br />

Verlust an Allgemeinheit ist x ∗ =0<strong>und</strong> h(0) > 0. Wieder entwickeln wir f(x) in eine Taylorreihe,<br />

die nach dem ersten nicht verschwindenden Glied abgebrochen wird. Mit f 0 (0) = 0 <strong>und</strong> f”(0) > 0<br />

sowie a = −² 1 <strong>und</strong> b = ² 2 ist nun:<br />

I(λ) =<br />

Z b<br />

a<br />

h(x)exp[−λ f(x)]dx = h(0)<br />

Z +²2<br />

Z +²2<br />

−² 1<br />

exp[−λ(f(0) + 1 2 f”(0)x2 + ...)]dx<br />

≈ h(0) exp[−λ f(0)] exp[− 1<br />

−² 1<br />

2 λ f”(0)x2 ]dx (4.2.6)<br />

µ 1/2 2π<br />

√ √<br />

= h(0) exp[−λ f(0)]<br />

[Φ(² 2 (λf”(0))) − Φ(−²1 (λf”(0)))]<br />

λf”(0)<br />

Auch wenn ² 1 bzw ² 2 klein gewählt werden, kann man <strong>im</strong>mer ein λ finden, so daß der Fehler, der<br />

entsteht, wenn die Integralgrenzen zu ±∞ gesetzt werden, vernachlässigbar wird:<br />

µ 1/2 Z 1<br />

+∞<br />

I(λ) ≈ h(0) exp[−λf(0)]<br />

exp[− 1 λf”(0) −∞ 2 ξ2 ]dξ (4.2.7)<br />

µ 2π 1/2<br />

≈ h(0) exp[−λf(0)]<br />

λf”(0)<br />

Um die Argumentation zu veranschaulichen, ist in Bild 4.2 das Verhalten des Integranden fürwachsendes<br />

λ dargestellt. Wäre der kritische Punkt ein Randpunkt <strong>und</strong> f 0 (x) =0,soüberlegt man<br />

leicht, daß Formel (4.2.7) gilt, aber dividiert durch Zwei.<br />

1<br />

0.8<br />

0.6<br />

0.4<br />

λ=1<br />

0.2<br />

λ=3<br />

λ=10<br />

0<br />

4 3 2 1 0 1 2 3 4<br />

Abb. 4.2.Integrand von Gl. (5.2.7) bei wachsendem λ für f(x) =x 2<br />

Man kann nun zeigen, daß die rechten Seiten der Gl. (4.2.5) <strong>und</strong> (4.2.7) für λ →∞asymptotisch<br />

exakte Näherungen für die linken Seiten sind. Hierzu muß ein ’’kritischer’’ Punkt existieren, d.h.<br />

ein Punkt x ∗ für den die Funktion f(x) zu einem Min<strong>im</strong>um wird. Aus der vorstehenden Ableitung<br />

50


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

wird klar, worin der entsprechende Beweis bestehen muß. Zum Ersten ist es der Nachweis, daß<br />

bei der Entwicklung der Funktion f(x) tatsächlich nur das erste nicht verschwindende Glied berücksichtigt<br />

werden muß. Zum Zweiten ist es der Nachweis, daß man die Funktion h(x) fürgroße<br />

λ als so schwach veränderlich ansehen kann, daß sie als Konstante mit dem Wert <strong>im</strong> kritischen<br />

Punkt vor das Integral für λ →∞gezogen werden kann. Schließlich ist nachzuweisen, daß die<br />

Umgebung des kritischen Punktes das Integral so sehr dominiert, daß man den Integrationsbereich<br />

auch beliebig vergrößern kann. Denn nur in diesem Fall hat man auch <strong>im</strong>mer, also, wie man noch<br />

sehen wird, auch <strong>im</strong> mehrd<strong>im</strong>ensionalen Fall eine analytische Lösung des Integrals.<br />

4.3. Mehrd<strong>im</strong>ensionale asymptotische Laplaceintegrale ∗<br />

Mehrd<strong>im</strong>ensionale Laplaceintegrale haben, wie weiter unten noch deutlich wird, vielfältige Anwendungen<br />

in der <strong>Zuverlässigkeit</strong>stheorie. Im folgenden werden wir zunächst zwei Hilfssätze angeben,<br />

von denen der erste, der die wesentlichen Eigenschaften der asymptotischen Näherungen<br />

enthält, auch bewiesen werden soll. Gegenstand der Untersuchungen sind Integrale vom Typ<br />

Z<br />

I(λ) = h(y) exp[−λ f(y)]dy (4.3.1)<br />

D<br />

für λ →∞wobei y =(y 1 , y 2 ,...,y n ) T , <strong>und</strong> D ein einfach zusammenhängender Bereich in<br />

R n , der den Koordinatenursprung enthält. f(y) ist mindestens zwe<strong>im</strong>al differenzierbar <strong>und</strong> hat<br />

ein Min<strong>im</strong>um <strong>im</strong> Ursprung y = y ∗ = 0. h(y) ist eine um den Ursprung herum ’’langsam’’<br />

veränderliche Funktion <strong>und</strong> es ist h(0) 6= 0.<br />

Es sei N eine kleine Umgebung von y ∗ = 0 derart, daß die folgenden Bedingungen erfüllt sind:<br />

Dann gilt:<br />

Z<br />

Z<br />

D∩N<br />

Z<br />

D<br />

D<br />

f(0) < inf{f(y) :y ∈ D\N} (4.3.2)<br />

h(y) exp[−λ f(y)]dy > 0 (4.3.3)<br />

|h(y)| exp[−λ f(y)]dy < ∞ (4.3.4)<br />

Z<br />

h(y)exp[−λ f(y)]dy ∼<br />

D∩N<br />

h(y)exp[−λ f(y)]dy (4.3.5)<br />

für λ →∞ 8 .<br />

Die Bedingungen (4.3.2) bis (4.3.4) sprechen für sich. Ganz analog zum eind<strong>im</strong>ensionalen Fall<br />

besagt Gl. (4.3.5), daß für λ →∞<strong>im</strong> wesentlichen nur eine kleine Umgebung N zum Integral<br />

I(λ) beiträgt. Das erlaubt, die Funktionen h(y), f(y) <strong>und</strong> möglicherweise die Funktionen g i (y)<br />

die D definieren, d.h. wenn D durch D = {∩g i (y) ≤ 0} gegeben ist, durch Taylorentwicklungen<br />

bis zum ersten nicht verschwindenden Glied zu nähern. Außerdem besagt Gl. (4.3.5), daß der<br />

8<br />

Hierbei steht das Zeichen ” ∼ ” für asymptotisch exakt, d.h. es wird<br />

verwendet.<br />

k(x) ∼ g(x) für<br />

k(x)<br />

l<strong>im</strong><br />

x→∞ g(x) =1<br />

51


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Integrationsbereich vergrößert werden kann, d.h. auch den Bereich D\N umfassen darf, da dieser<br />

nur in vernachlässigbarer Weise zum Integral beiträgt.<br />

Es kann vorkommen, daß D als Vereinigung D = ∪D i von Schnittmengen D i = ∩D ij gegeben<br />

ist. In diesem Fall kann D mehrere kritische Punkte y 0i haben. Dann ist es mit λ →∞<strong>im</strong>mer<br />

möglich, Umgebungen N i dieser Punkte derart zu finden, die disjunkt werden. Also ist:<br />

l<strong>im</strong><br />

λ→∞<br />

I(λD)<br />

I( S m<br />

i=1 (λD i ∩ N i )) = I(λD)<br />

P m =1 (4.3.6)<br />

i=1 I(λD i ∩ N i )<br />

Man braucht also nur alle Beiträge zur Vereinigung aufzusummieren.<br />

Im folgenden werden einige wichtige Fälle in Form von Sätzen ohne Beweise aber mit Hinweisen<br />

auf ihre Ableitung angegeben. SATZ 1 bis SATZ 3 enthalten unmittelbare Verallgemeinerungen<br />

des eind<strong>im</strong>ensionalen Problems. SATZ 4 ist eine Verallgemeinerung durch Kombination von SATZ<br />

1 <strong>und</strong> SATZ 3. SATZ 5 ist eine Verallgemeinerung von SATZ 4, die speziell für einfache Wahrscheinlichkeitsintegrale<br />

nützlich ist.<br />

SATZ 1: [17]<br />

Es sei angenommen, daß der Ursprung, an welchem die Funktion f(y) ihr Min<strong>im</strong>um hat, <strong>im</strong> Inneren<br />

des Bereiches D liegt (0 ∈ D). f(y) habe die quadratische Taylorentwicklung<br />

f(y) ≈ f(0)+ 1 2 yT S(0)y + ...<br />

Die Hessematrix S(0) = { ∂ 2f(0)<br />

∂y i ∂y j<br />

; i, j =1,...,n} der partiellen Ableitungen zweiter Ordnung<br />

von f(y) in der Umgebung von y = 0 ist positiv definit. Vereinbarungsgemäß sind die ersten<br />

Ableitungen von f(y) in y ∗ =0gleich Null, d.h. ∇f(0) =0. Dannist:<br />

Z<br />

I(λ) = h(y)exp[−λ f(y)]dy ∼ h(0)exp[−λ f(0)]( 2π λ )n/2 |Det(S(0))| −1/2 (4.3.7)<br />

D<br />

für λ →∞ 9 .Für Gl. (4.3.7) wird das nach Aitken benannte Integral benötigt:<br />

·<br />

(2π)<br />

ZR −n/2 exp − 1 ¸<br />

2 xT Sx dx = |Det(S)| −1/2 (4.3.8)<br />

n<br />

#<br />

SATZ 2: [17]<br />

Wenn der Gradient ∇f(0) an einem Randpunkt y ∗ = 0 verschwindet <strong>und</strong> die Integration nur<br />

über den positiven Bereich erstreckt wird, aber sonst alle Bedingungen des Satzes 1 erfüllt sind,<br />

9<br />

Dieses Resultat kann am einfachsten dadurch hergeleitet werden, daß man durch eine orthogonale Koordinatentransformation<br />

(Rotation) die Glieder außerhalb der Diagonalen der Hessematrix S(0) zum Verschwinden bringt. Die<br />

Funktion h(y) wird mit ihrem Wert an der Stelle y = 0 vor das Integral gezogen. Der Exponent <strong>im</strong> Integral wird<br />

dann zu<br />

exp[−λ(f(0)+ 1 P n<br />

2 i=1 s ii y 2 i )]=exp[−λ f(0)] Q n<br />

i=1 exp[−λ/2 s ii y 2 i ].<br />

Daher ist<br />

I(λ) =h(0)exp[−λ f(0)](2π/λ) n/2 Q n<br />

i=1 (s ii) −1/2<br />

unter R Beachtung der Tatsache, daß<br />

∞<br />

−∞ (2π)−1/2 exp[−λ/2 s ii y 2 i ]dy i =(2π/λ) 1/2 (s ii ) −1/2 ,<br />

wenn die Integration von −∞ bis +∞ erstreckt wird.<br />

52


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

bekommt man durch einfache Überlegung<br />

Z<br />

I(λ) = h(y)exp[−λ f(y)]dy<br />

für λ →∞<br />

#<br />

SATZ 3: [24]<br />

Es sei nun a i = ∂f(0)<br />

∂y i<br />

D∩R<br />

∼ h(0)exp[−λ f(0)]( 2π λ )n/2 2 −n Det(S(0)) −1/2 (4.3.9)<br />

> 0 für i =1,...,n, <strong>und</strong> die Funktion f(y) habe ihr Min<strong>im</strong>um <strong>im</strong> Ursprung.<br />

Der Integrationsbereich sei der positive Quadrant in R n . Die Funktion f(y) habe in y = 0 die<br />

Entwicklung:<br />

f(y) ≈ f(0)+a T y<br />

Wie bei Satz 1 wird h(0) <strong>und</strong> der Term exp[−λ f(0)] vor das Integral gezogen. Es ist 10 :<br />

Z<br />

I(λ) = h(y)exp[−λ f(y)] dy<br />

D∩R n +<br />

Y n −1<br />

∼ h(0)exp[−λ f(0)]λ −n ∂f(0)<br />

¯ ∂y i<br />

¯¯¯¯<br />

i=1<br />

(4.3.10)<br />

für λ →∞.<br />

#<br />

SATZ 4 :[24]<br />

∂f (0)<br />

Es sei k ∈ {0,...,n}. Die Funktion f(y) habe ihr Min<strong>im</strong>um <strong>im</strong> Ursprung. Dort ist jedoch<br />

∂y i<br />

><br />

0 für i =1,...,k<strong>und</strong> die Hessematrix S(0) ={ ∂2 f(0)<br />

∂y i ∂y j<br />

; i, j = k+1,...,n} der zweiten Ableitungen<br />

von f(y) in der Umgebung des Ursprungs ist positiv definit. In der Entwicklung für f(y) behält<br />

man nur die führenden Terme bei, d.h.:<br />

f(y) ≈ f(0)+<br />

kX<br />

i=1<br />

∂f(0)<br />

∂y i<br />

y i +<br />

nX<br />

i,j=k+1<br />

∂ 2 f(0)<br />

∂y i ∂y j<br />

y i y j<br />

Der Integrationsbereich sei R k + × R n−k .Dannist:<br />

Z<br />

I(λ) =<br />

exp[−λ f(y)]dy<br />

∼<br />

D∩(R k + Rn−k )<br />

h(0)exp[−λ f(0)]<br />

n−k<br />

(2π) 2<br />

λ n+k<br />

2<br />

für λ →∞. Dieser Satz kombiniert die Sätze 1 <strong>und</strong> 3.<br />

#<br />

à kY −1 ∂f(0)<br />

¯ ∂y<br />

i=1 i<br />

¯¯¯¯<br />

! |Det(S(0))| −1/2 (4.3.11)<br />

10<br />

Wenn über den ganzen positiven Quadranten integriert wird, errechnet man leicht, daß R ∞<br />

0<br />

exp[−λ a i y i ]dy i =<br />

(λ a i ) −1 .<br />

53


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

SATZ 5 :[24]<br />

f(y) habe ein Min<strong>im</strong>um in y ∗ 6= 0 <strong>und</strong> D sei gegeben durch D = T k<br />

i=1 D i mit D i = {y :<br />

g i (y) ≤ 0} <strong>und</strong> k ∈ {1, 2,...,n}. f(y) sowie die Funktionen g i (y) seien wenigstens zwe<strong>im</strong>al in<br />

y ∗ differenzierbar <strong>und</strong> die Funktion h(y) sei in y ∗ stetig <strong>und</strong> h(y ∗ ) 6= 0.Iny ∗ gelte g i (y ∗ )=0<br />

für i =1, 2,...,k. Die Gradienten a i = ∇g i (y ∗ )(i =1, 2, ..., k) seien linear unabhängig. Es ist<br />

a ij =0für i =1, 2, ..., k <strong>und</strong> j = k +1, ..., n. Das bedeutet auch, daß ∂f(y ∗ )/∂y i =0für<br />

i = k +1,...,n<strong>und</strong> daß der Gradient in der Form<br />

∇f(y ∗ )=<br />

kX<br />

γ i a i<br />

i=1<br />

mit γ i < 0 für i =1, 2,...,kdargestellt werden kann. Anwendung von Satz 3 bzw. 4 ergibt:<br />

Z<br />

I(λ) = h(y)exp[−λ f(y)]dy<br />

∼<br />

D<br />

à kY<br />

!<br />

h(y ∗ )exp[−λ f(y ∗ )](2π) n−k<br />

2 λ<br />

− n+k<br />

2 |det(A)| −1 |γ i | −1 |det(D)| −1/2 (4.3.12)<br />

i=1<br />

für λ →∞. Darin ist A = {a ij ; i, j =1, 2,...,k} eine nicht singuläre Matrix <strong>und</strong> D = {d ij ;<br />

i, j = k +1,...,n} ebenfalls nicht singulär mit d ij = ∂2 f (y ∗ )<br />

∂y i ∂y j<br />

− P k<br />

s=1 γ ∂ 2 g s(y ∗ )<br />

s ∂y i ∂y j<br />

.Für k = n ist<br />

det(D) =1.<br />

Dies ist ein allgemeineres Resultat als in Satz 4 <strong>und</strong> wird Ausgangspunkt für die Berechnung von<br />

Wahrscheinlichkeitsintegralen sein. Zwei Spezialfälle sind von besonderem Interesse. Für k =1<br />

zeigt man insbesondere [17]<br />

Z<br />

I(λ) = h(y)exp[−λ f(y)]dy (4.3.13)<br />

∼<br />

D<br />

h(y ∗ )exp[−λ f(y ∗ )](2π) n−1<br />

2 λ<br />

− n+1<br />

2 k∇g(y ∗ )k −1 | det(D)| −1/2<br />

mit γ 1 = k∇f (y∗ )k<br />

.Für k = n erhält man<br />

k∇g(y ∗ )k<br />

Z<br />

I(λ) = h(y)exp[−λ f(y)]dy (4.3.14)<br />

D<br />

à kY<br />

!<br />

∼ h(y ∗ )exp[−λ f(y ∗ )](2π) −1 λ −n/2 | det(A)| −1 |γ i | −1<br />

i=1<br />

Die Resultate (4.3.7) bis (4.3.14) können in asymptotischen Sinne nicht verbessert werden.<br />

4.4. Anwendung auf Integrale der Normalverteilung<br />

Die wesentliche Idee die vorstehenden Ergebnisse auf die Berechnung von Wahrscheinlichkeitsintegralen<br />

anzuwenden besteht nun in einer Skalierung des Integrationsbereiches durch einen Faktor<br />

b (vergl. Bild 4.3). Wir nehmen bis auf weiteres an, daß nach einer Rosenblatt-Transformation des<br />

54


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

ursprünglichen Zufallsvektors die Integration <strong>im</strong> Standardraum erfolgen kann. Es ist<br />

Z<br />

P (V )= ϕ(y)dy (4.4.1)<br />

V<br />

zu berechnen. Es sei b ≥ 1. Dann ist mit u = y b −1 [75]<br />

Z<br />

Z<br />

Z<br />

P (bV )= ϕ(y)dy = b n ϕ(bu)du =(2π) − 1 2 b<br />

n<br />

bV<br />

V<br />

V<br />

exp[−b 2 kuk 2 /2] du (4.4.2)<br />

Es ist klar, daß Gl. (4.4.2) mit h(u) =1, f(u) =kuk 2 /2 <strong>und</strong> λ = b 2 genau die gewünschte Form<br />

für eine Anwendung von Satz 5 besitzt. Ist nun der Bereich V an sich schon klein, erhält man die<br />

Wahrscheinlichkeit P (V ) des unskalierten Bereiches durch Setzen von b =1.<br />

u<br />

1<br />

b β<br />

β<br />

u<br />

2<br />

Abb. 4.3.Skalierung des Integrationsbereiches<br />

Wir wenden nun Satz 5 formal an. Dabei wird zunächst das asymptotische Ergebnis angegeben <strong>und</strong><br />

dann die Näherung für b =1. Bei der Anwendung des Satzes muß man einige Fälle unterscheiden.<br />

Der Versagensbereich sei durch V = { T m<br />

i=1 V i} mit V i = {g i (u) ≤ 0} definiert. Der gemeinsame<br />

β−Punkt sei<br />

(<br />

)<br />

m\<br />

ku ∗ k =min{kuk} für u : (g i (u) ≤ 0)<br />

(4.4.3)<br />

z.B. mit einem Algorithmus in Anhang H best<strong>im</strong>mt <strong>und</strong> es ist ku ∗ k > 1 <strong>und</strong> g i (0) > 0 fürwenigstens<br />

ein i ∈ {1, 2, ..., m}. Diese Bedingung garantiert, daß ku ∗ k 6= 0<strong>und</strong> daß ku ∗ k ein Randpunkt<br />

des Versagensbereiches ist. Für die Funktionen g i (u ∗ ),i=1, 2, ..., k, sei g i (u ∗ ) ≈ a T i (u−u ∗ )=0<br />

<strong>und</strong> die zugehörigen Gradienten a i = ∇g i (u ∗ ) 6= 0seien linear unabhängig, wobei 1 ≤ k ≤ n.<br />

Für k>nist V in der Regel leer. Weiter ist g i (u ∗ ) < 0 für i = k +1,...,m.Zweckmäßigerweise<br />

führt man eine orthonormale Transformation v = T T u (T −1 = T T ) durch. Die erste Spalte<br />

T 1 ist beispielsweise gleich α 1 = −a 1 / ka 1 k . Die weiteren Spalten berechnet man nach dem<br />

Schmidtschen Orthogonalisierungsverfahren:<br />

d i =<br />

c i<br />

kc i k mit c i = e i −<br />

i=1<br />

Xi−1<br />

cj(e T i cj);i = n − 1,n− 2,...,1 (4.4.4)<br />

j=1<br />

55


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

T i =<br />

S i<br />

kS i k mit S Xi−1<br />

i = α i − S j (α T i S j); i =2,...,k<br />

Außerdem sei b i = T T a i <strong>und</strong> B = {b i ; i =1,...,k} . Mit v ∗ = T T u ∗ ist dann g i (v ∗ ) < 0 <strong>und</strong><br />

v ∗ i =0für i = k +1,...,msowie b ij =0für 1 ≤ i ≤ k <strong>und</strong> k +1≤ j ≤ m. Dann ist [75]<br />

mit<br />

P (bV ) ∼ |det(D)| −1/2 P (b<br />

D = {δ ij −<br />

kX<br />

s=1<br />

i=1<br />

j=1<br />

k\<br />

k\<br />

V i ) ≈ |det(D)| −1/2 P ( V i ) (4.4.5)<br />

i=1<br />

γ s<br />

∂ 2 g s (v ∗ )<br />

∂v i ∂v j<br />

; i, j = k +1,...,n} <strong>und</strong> γ = B −1 v ∗<br />

wobei γ i < 0 für j = k +1,...,n.Daraus ergeben sich zwei Spezialfälle. Es sei g 1 (0) ≥ 0 <strong>und</strong><br />

V = {g 1 (u) ≤ 0}. Dannerhält man [19]<br />

P (bV ) ∼ kv ∗ k −1 |det(D)| −1/2 b −1 ϕ 1 (v ∗ ) ≈ kv ∗ k −1 |det(D)| −1/2 ϕ 1 (kv ∗ k) (4.4.6)<br />

mit D = {δ ij −<br />

; i, j =2, ..., n} <strong>und</strong> dem Kronecker Symbol (δ ij =1für i = j<br />

<strong>und</strong> δ ij = 0 für i 6= j). Dieses zentrale Ergebnis kann man noch etwas einfacher schreiben.<br />

Im gedrehten Koordinatensystem ist nämlich β = ku ∗ k = kv1k ∗ mit v1<br />

∗ = (β, 0,...,0). Werden<br />

dort die Hauptkrümmungen (Eigenwerte von 2 g 1 (v ∗ )<br />

1 ∂<br />

k∇g(v ∗ )k ∂v i ∂v j<br />

) von g 1 (v) =0berechnet sowie<br />

Φ(−x) ≈ ϕ(x)/x verwendet, ist [19] :<br />

kv∗ k<br />

k∇g(v ∗ )k<br />

∂ 2 g 1 (v ∗ )<br />

∂v i ∂v j<br />

n−1<br />

Y<br />

P (V ) ≈ Φ(−β) (1 − ϕ(β)<br />

Φ(−β) κ i) −1/2<br />

≈<br />

i=1<br />

n−1<br />

Y<br />

Φ(−β) (1 − βκ i ) −1/2 (4.4.7)<br />

i=1<br />

Die erste Formel nach [76] ist etwas genauer als die Zweite 11 .<br />

Gibt es m verschiedene β−Punkte, jeweils mit gleichem β, darf man die Wahrscheinlichkeiten<br />

nach Gl. (4.3.6) aufsummieren.<br />

Der Versagensbereich sei nun durch V = { T k<br />

i=1 V i} mit V i = {g i (u) ≤ 0} definiert. Im β-Punkt<br />

u ∗ sei g i (u) ≈ α T i (u − u∗ )=0mit α i = ∇g i(u ∗ )<br />

für i =1, 2,...,k. k∇g i (u ∗ )k u∗ habe wie oben die<br />

Darstellung u ∗ = P k<br />

i=1 γ i a i . Hier ist keine Drehung notwendig, sehr wohl aber die Prüfung der<br />

11<br />

Wenn keine Orthogonaltransformation, wie <strong>im</strong> Zusammenhang mit Gl. (5.4.5), durchgeführt wurde, gilt<br />

P(V ) ≈ Φ(−β) |det ((I − P)H(I − P) − P)| −1/2<br />

n<br />

o<br />

β<br />

mit H = I −<br />

k∇g(u ∗ )k G(u∗ 1<br />

)) <strong>und</strong> P = ∇g(u ∗ )∇g(u ∗ ) T . Entsprechende Formeln ohne die Schreibweise<br />

vereinfachende Orthogonaltransformation kann man auch für den allgemeinen Fall<br />

k∇g(u ∗ )k 2 aufschreiben.<br />

56


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

linearen Unabhängigkeit. Dann ergibt Satz 5:<br />

à kY<br />

!<br />

P (bV ) ∼ |det(A)| −1 |γ i | −1 b −k ϕ k (u ∗ ) ≈ |det(R)| −1/2<br />

i=1<br />

kY<br />

i=1<br />

ϕ 1 (u ∗ i )<br />

|−γ i |<br />

(4.4.8)<br />

mit det(A) =det(R) 1/2 wegen R = A T A. Man sieht, daß diese Formel eine asymptotische<br />

Näherung für das mehrd<strong>im</strong>ensionale Normalverteilungsintegral ist, da β i = −α T i u∗ <strong>und</strong> R =<br />

{α T i α j} <strong>und</strong> somit P (V ) ∼ Φ k (−β; R). Hier ist keine Ermittlung von Hessematrizen notwendig.<br />

Lineare Abhängigkeit ist beispielsweise gegeben, wenn mindestens ein ¯¯ρij¯¯ =1für i 6= j.<br />

Für die Schnittwahrscheinlichkeiten in Gl. (4.4.4) verwendet man jedoch nur fürsehrgroßes kv ∗ k<br />

Gl. (4.4.7) <strong>und</strong> sonst die Verfahren in Anhang B. In all diesen Fällen ist (sind) natürlich der (die)<br />

kritische(n) Punkt(e) (β-Punkte) aufzusuchen, d.h. der(die) Punkt(e), für den<strong>im</strong>BereichV die<br />

Dichte ϕ(v) max<strong>im</strong>al, oder unter Ausnützung der Rotationssymmetrie des Standardraumes, kvk<br />

bzw. kvk 2 min<strong>im</strong>al wird (werden). Dabei können durch die spezielle Funktion f(v) =1/2 kvk 2<br />

wesentliche Vereinfachungen erzielt werden. Insbesondere ist der Gradient ∇f(v) =v <strong>und</strong> die<br />

Hessematrix von f(v) ist gleich der Einheitsmatrix. Entsprechend Gl. (4.3.4) werden die Mengen<br />

V`,`= k +1,...,min Gl. (4.4.4) nicht berücksichtigt, da fürsieg`(v ∗ ) < 0. Man kann sie näherungsweise<br />

berücksichtigen, indem man β−Punkte höherer Ordnung nach dem Prinzip ° v ∗`°°<br />

n<br />

=<br />

min {kvk} für v : T o<br />

m<br />

j=1,j6=` (g j(v) ≤ 0) ∩ g`(v) =0 best<strong>im</strong>mt <strong>und</strong> dort linearisiert, so daß die<br />

V` durch g`(v) ≈ α T` (v − v∗`) ≤ 0 gegeben sind. Das erfordert eine Verfeinerung des Suchalgorithmus.<br />

Die Schnittwahrscheinlichkeit in Gl. (4.4.4) ist dann P ( T m<br />

i=1 V i) ∼ Φ m (−β; R), es<br />

werden also alle aktiven <strong>und</strong> alle inaktiven ’’Komponenten’’ berücksichtigt. Eine Korrektur 2.<br />

Ordnung wird nur in Bezug auf die Komponenten k +1,...,mdurchgeführt.<br />

Für die <strong>im</strong> vorstehenden beschriebenen Aufgaben muß jeweils ein eindeutiger β-Punkt existieren.<br />

Die Versagenswahrscheinlichkeiten bei mehreren β-Punkten, die sämtlich gef<strong>und</strong>en werden<br />

müssen, können nach Gl. (4.3.6) asymptotisch aufaddiert werden oder man verwendet Gl. (4.3.9).<br />

Gl. (4.4.4) mit (4.4.7) repräsentieren das asymptotische SORM. Wenn ku ∗ k nicht À 1, sagenwir<br />

< 2, sollte man die Korrektur 2.ter Ordnung weglassen <strong>und</strong> hat nur das grobe FORM-Resultat<br />

oder S<strong>im</strong>ulationsverfahren.<br />

Beispiel 4.4.1: Versagenswahrscheinlichkeit eines Zugstabs (Fortsetzung von Beispiel 3.2.4.2)<br />

Aus der Tabelle am Ende von Beispiel 3.2.4.2 ermittelt man zunächst den Vektor der Richtungskosinus<br />

zu α = {u i /β; i =1, 2, 3} = −∇g(u ∗ )/ k∇g(u ∗ )k = {−0.748, 0.467, 0.471}. Daraus<br />

errechnet sich die Transformationsmatrix entsprechend dem Orthogonalisierungsalgorithmus in<br />

Abschnitt 4.4 <strong>und</strong> die gedrehte Hessematrix zu<br />

⎡<br />

D = ⎣<br />

0.748 0.396 0.533<br />

−0.467 0.884 0.000<br />

−0.471 −0.249 0.846<br />

⎤<br />

⎦ ; G =<br />

1<br />

k∇g(u ∗ )k<br />

· 0.0061 0.0069<br />

0.0069 0.0103<br />

Wie man sieht, ist hier die erste Achse in den β-Punkt hineingedreht worden.<br />

Hieraus best<strong>im</strong>men sich die (positiven) Krümmungsradien R i =1/κ i nach Gl. (4.1.5) mit k∇g(v ∗ )k =<br />

k∇g(u ∗ )k =3.90 durch Lösung der entsprechenden quadratischen Gleichung zu<br />

R 1 =1073.1, R 2 =64.9<br />

Im Vergleich zu β =2.14 sind diese Radien sehr groß <strong>und</strong> es ist nur eine kleine Korrektur des<br />

Resultats erster Ordnung zu erwarten. In der Tat berechnet man nach Gl. (4.4.5) (in der Form mit<br />

Hauptkrümmungen)<br />

¸<br />

57


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

P f ≈ Φ(−2.135){(1 − 2.135/1073.1)(1 − 2.135/64.9)} −1/2 =1.67 10 −2<br />

oder<br />

β E = −Φ −1 (P f )=2.126<br />

Man kann durch numerische Integration oder durch S<strong>im</strong>ulationsverfahren zeigen, daß dies das<br />

(auf drei Stellen nach dem Komma) exakte Resultat ist. Da sich weiter die Log-Normalverteilung<br />

für kleine Variationskoeffizienten nicht stark von der Gumbelverteilung unterscheidet, kann gute<br />

Übereinst<strong>im</strong>mung mit dem in Abschnitt 3.1 erhaltenen Resultat festgestellt werden.<br />

#<br />

Beispiel 4.4.2: Parabolische Grenzzustandsfunktion<br />

Für das Paraboloid Gl. (4.1.7), welches Gl. (4.4.6) entspricht, gibt es ein exaktes Resultat für alle<br />

β <strong>und</strong> füralleKrümmungen [171] .<br />

P (V )= 1 2 − 1 π<br />

Z ∞<br />

0<br />

Ã<br />

!<br />

sin βt + 1 Xn−1<br />

tan −1 (−κ j t)<br />

2<br />

j=1<br />

h i<br />

exp − t2 2<br />

t Q n−1<br />

j=1 (1 + dt (1)<br />

κ2 jt 2 )<br />

1/4<br />

Für β ≤ 0 muß |β| <strong>und</strong> κ j = −κ j gesetzt werden. Die numerische Integration verlangt etwas<br />

Geschick. In der nachfolgenden Tabelle werden die beiden Formen von Gl. (4.4.6) <strong>und</strong> das exakte<br />

Resultat für n =3verglichen.<br />

β κ 1 κ 2 Gl.(3.2.1.5) Gl.(1) Gl.(4.4.6a) Gl.(4.4.6b)<br />

3 ∗ 0.5 0.5 1.3499E-3 0.0170 - -<br />

2 ∗ 0.5 0.5 0.0228 0.0906 - -<br />

1 ∗∗ 0.5 0.5 0.1587 0.3272 0.6682 0.3173<br />

0 ∗∗ 0.5 0.5 0.5 0.6681 0.8319 0.5<br />

0 ∗∗ -0.5 -0.5 0.5 0.3419 0.3574 0.5<br />

1 ∗∗ -0.5 -0.5 0.1587 0.0878 0.0900 0.1058<br />

2 -0.5 -0.5 0.0228 0.0102 0.0104 0.0114<br />

3 -0.5 -0.5 1.3499E-3 6.6108E-4 5.1103E-4 5.3996E-4<br />

4 -0.5 -0.5 3.1671E-5 9.9403E-6 1.0175E-5 1.0557E-5<br />

∗) β > 1/κ, ∗∗) |β| < 1<br />

Die asymptotische Theorie ist nur gültig für eindeutige β−Punkte. Daher kann Gl. (4.4.6) nicht<br />

für β > 1/(+κ i ) angewandt werden, da in diesem Fall der zu β gehörige Punkt einem Max<strong>im</strong>umspunkt<br />

entspricht. Sie gilt eigentlich aber auch erst für β À 1. Gl. (1) ist daher eine Verbesserung<br />

nur für den nicht-asymptotischen Fall. Tatsächlich findet man, daß bei negativen (vom Ursprung<br />

weggerichteten) Krümmungen durch Gl. (4.4.6a) noch bei β =0gute Resultate erzielt werden,<br />

bei positiven Krümmungen (zum Ursprung hingerichteten) Krümmungen werden die Ergebnisse<br />

jedoch schnell schlecht <strong>und</strong> unbrauchbar. Sind die Krümmungen kleiner, so sind die asymptotischen<br />

Näherungen ausgezeichnet. Sie werden jedoch umso schlechter je größer n wird. FORM<br />

ist bei diesem Beispiel wenig befriedigend. Andere exakte Ergebnisse sind nicht bekannt.<br />

Ob der Krümmungsterm wesentlich ist, kann man oft mit erträglichem Aufwand durch eine einfache<br />

Betrachtung entscheiden. Für symmetrische Matrizen G gilt spur(G) = P n−1<br />

i=1 G = P n−1<br />

ii i=1 κ i.<br />

Also genügt es zunächst nur die Hauptdiagonale von G zu berechnen, aus der vorstehenden Beziehung<br />

eine mittlere Hauptkrümmung zu best<strong>im</strong>men, diese allen Hauptkrümmungen zuzuweisen<br />

<strong>und</strong> dann in Gl. (4.4.6) zu verwenden. Das kann natürlich nur eine grobe Abschätzung sein.<br />

#<br />

58


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Beispiel 4.4.3: Summe von exponentialverteilten Variablen [19] [56]<br />

Dieses Beispiel ist als Testbeispiel bei der Entwicklung von SORM vielfach verwendet worden <strong>und</strong><br />

es ist eines der sehr delikaten Beispiele. Es seien n unabhängige, identisch exponentialverteilte<br />

Variable mit Verteilungsfunktion F (x) =1− e −x gegeben <strong>und</strong><br />

g(X) =n + a √ n −<br />

nX<br />

X i (1)<br />

i=1<br />

Dann ist x i = − ln(Φ(−u i )) <strong>und</strong> daher<br />

g(U) =n + a √ n +<br />

nX<br />

ln(Φ(−U i )) (2)<br />

i=1<br />

Man findet unschwer analytisch, daß nur ein β-Punkt mit den Koordinaten<br />

u ∗ i = u∗ = −Φ −1 (e −a/√ n−1 ) (3)<br />

existiert <strong>und</strong> es ist<br />

β = √ ¯<br />

n ¯−Φ −1 (e −a/√n−1 ) ¯ (4)<br />

Die Krümmungen sind aus Symmetriegründen für gegebene a <strong>und</strong> n alle gleich<br />

κ i = √ 1 µ <br />

ϕ(u ∗ )<br />

n Φ(−u ∗ ) − u∗<br />

(5)<br />

Daher ist mit Φ(−x) ∼ ϕ(x)<br />

x<br />

P f (g(U) ≤ 0) ∼ Φ(− √ n |u ∗ |)<br />

(1 − x−2 + ...) für x →∞<br />

µ<br />

−<br />

n−1<br />

1 − u ∗ ( ϕ(|u∗ |)<br />

Φ(− |u ∗ |) − 2<br />

|u∗ |)<br />

∼ Φ(− √ µ −<br />

n−1<br />

3<br />

n |u ∗ 2<br />

|)<br />

u ∗2<br />

(6)<br />

Die exakte Lösung dieses Problems ist die Gammaverteilung, die die Verteilung exponentialverteilter<br />

Variablen ist (siehe Tabelle 6.1):<br />

P f (g(U) ≤ 0) = 1 − F Γ (n + a √ n; n) (7)<br />

Das ist ein sehr extremes Beispiel. Bildet man nämlich den Quotienten von (6) <strong>und</strong> (7) für β →<br />

∞, so stellt man fest, daß er mit wachsendem n <strong>und</strong> jedes a gegen einen Wert ungleich Eins<br />

geht, also nicht asymptotisch exakt ist. Das liegt daran, daß sich die Grenzzustandsfunktion in<br />

dem Quadranten, der den β-Punkt enthält, <strong>im</strong>mer mehr einer Hyperkugel annähert. Dann kann<br />

natürlich nicht mehr davon gesprochen werden, daß die Umgebung des β-Punktes asymptotisch<br />

die ganze Wahrscheinlichkeitsmasse enthält. In diesem Fall kann man zwar von dem FORM-<br />

Resultat ausgehen, muß jedoch auf andere Weise die Krümmungskorrektur durchführen. Darauf<br />

wird in Anhang A oder B eingegangen. Betrachtet man dagegen den umgekehrten Fall bei dem die<br />

Krümmungen vom Ursprung weg gerichtet sind <strong>und</strong> der ganz analog analytisch berechnet werden<br />

59


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

kann, also<br />

g(X) =<br />

nX<br />

X i − (n + a √ n) (8)<br />

i=1<br />

stellt man für alle|β| À1 hervorragende Übereinst<strong>im</strong>mung zwischen dem SORM-Ergebnis <strong>und</strong><br />

dem exakten Resultat fest. Es ist<br />

P f (g(U) ≤ 0) = F Γ (n + a √ n; n) (9)<br />

Hier muß a natürlich negativ > − √ n genommen werden. Die Krümmungen sind wie in Gl. (5)<br />

aber mit −1 multipliziert. In den nachstehenden Bildern 4.4 <strong>und</strong> 4.5 werden die Unterschiede für<br />

n =10gezeigt.<br />

Beta<br />

3.5<br />

FORM-beta > SORM-beta<br />

3.0<br />

2.5<br />

2.0<br />

1.5<br />

1.0<br />

Tvedt~Exakt<br />

0.5<br />

Breitung/<br />

Hohenbichler<br />

0.00 0.50 1.00 1.50 2.00 2.50 3.00 3.50 4.00<br />

a<br />

Abb. 4.4.Exakte <strong>und</strong> asymptotische Lösung für konvexen sicheren Bereich<br />

#<br />

Beispiel 4.4.4: Versagensfläche ohne Krümmung <strong>im</strong> β−Punkt [116]<br />

Es ist möglich, daß die Versagensfläche zwar einen eindeutigen β−Punkt besitzt, dort aber lokal<br />

keine Krümmungen hat. Dann ist jede Krümmungskorrektur wirkungslos. Die folgende Grenzzustandsfunktion<br />

zeigt beispielsweise ein solches Verhalten.<br />

à !<br />

n−1 2<br />

1 X<br />

g(u) =3− u 2 i − u n<br />

C<br />

Mit C =7<strong>und</strong> n =3ergeben FORM <strong>und</strong> SORM in der Tat das gleiche Resultat β =3=<br />

−Φ −1 (1.35 ·10 −3 ),während eine Rechnung mit den S<strong>im</strong>ulationsverfahren mit Importanzstichprobenwahl<br />

<strong>im</strong> Anhang A β =2.45 = −Φ −1 (7 · 10 −3 ) ergibt.<br />

#<br />

Beispiel 4.4.5: Kleines Danielssystem [75] ∗<br />

Die nachstehende Abbildung 4.6 zeigt ein sogenanntes Daniels-System, bei dem allen Fasern bei<br />

Belastung die gleiche Dehnung aufgeprägt wird. Bei Belastung dieses Systems versagt zunächst<br />

die schwächste Faser, dann die zweitschwächste Faser, etc. Be<strong>im</strong> Bruch einer Faser muß sich<br />

die Last auf die verbliebenen intakten Fasern gleichmäßig verteilen. Bei weiterer Steigerung der<br />

i=1<br />

60


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Beta<br />

4.0<br />

3.5<br />

3.0<br />

Tvedt~Exakt<br />

FORM-beta < SORM-beta<br />

2.5<br />

2.0<br />

1.5<br />

1.0<br />

0.5<br />

Breitung/<br />

Hohenbichler<br />

-2.50 -2.00 -1.50 -1.00 -0.50 0.00<br />

a<br />

Abb. 4.5.Exakte <strong>und</strong> asymptotische Lösung für konkaven sicheren Bereich<br />

Last muß man bei einer gewissen Last erwarten, daß die Festigkeit der verbliebenen Fasern nicht<br />

mehr ausreicht um die auf diese umgelagerte Last aufzunehmen. Das System versagt. Dabei sind<br />

dynamische Effekte vernachlässigt.<br />

Die Fasern haben identisch <strong>und</strong> unabhängig verteilte Festigkeiten X i . Bei Ordnung nach ( bX 1 ≤<br />

bX 2 ≤ ... ≤ bX n ) erkennt man, daß die Festigkeit des Systems durch<br />

gegeben ist. Also ist<br />

R =<br />

max<br />

n<br />

k=1<br />

n(n − k +1) b X k<br />

o<br />

à n<br />

!<br />

\<br />

P f (s) =P {(n − k +1) X b k − s ≤ 0}<br />

k=1<br />

<strong>und</strong> damit ist ein Parallelsystem (Schnittmengensystem) zu berechnen. Die Verteilungsfunktion<br />

von b X 1 ist<br />

F 1 (x 1 )=1− [1 − F (x 1 )] n (3)<br />

Die Verteilungsfunktionen der X i sind die Verteilungsfunktionen der ursprünglichen Variablen aber<br />

gestutzt bei X i = x 1 .<br />

(1)<br />

(2)<br />

P (X i ≤ x| bX i = x 1 )= F X(x) − F X (x 1 )<br />

1 − F X (x 1 )<br />

für x>x 1 ,i=2,...,n (4)<br />

Entsprechend ist die Verteilungsfunktion von bX 2 | bX 1 = x 1<br />

·<br />

F 2 (x 2 |x 1 )=1− 1 − F ¸n−1<br />

X(x 2 ) − F X (x 1 )<br />

für x 2 >x 1 (5)<br />

1 − F X (x 1 )<br />

<strong>und</strong> allgemein<br />

F i (x 2 |x 1 ,...,x i−1 )=1−<br />

·<br />

1 − F ¸n−i−1<br />

X(x i ) − F X (x i−1 )<br />

für x i >x i−1 >... >x 1 (6)<br />

1 − F X (x i−1 )<br />

61


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

. . . .<br />

Abb. 4.6.Ideales Daniels-System<br />

Damit kann die Rosenblatt-Transformation durchgeführt werden. In der folgenden Tabelle sind<br />

die <strong>Zuverlässigkeit</strong>sindizes für einige Größen des Daniels-Systems angegeben.<br />

n I ku ∗ k IIa IIb IIc Exakt<br />

(1) (2) (3) (4) (5) (6) (7)<br />

1 2.00 2.00 2.00 2.00 2.00 2.00<br />

3 1.50 1.50 1.82 1.82 1.82 1.82<br />

5 1.58 1.34 1.76 1.76 1.83 1.87<br />

10 1.59 1.19 1.72 1.72 1.84 2.03<br />

15 - 1.16 1.64 1.64 2.05 2.19<br />

20 - 1.16 1.60 1.61 2.20 2.32<br />

Tabelle für Daniels-System (elastisch spröder Fall)<br />

Für die numerischen Berechnungen wurde die Last zu s = n(m + a σ) mit a = −2 angenommen<br />

<strong>und</strong> einVariationskoeffizient von V = σ/m =0.2 für die nach N(m; σ) verteilten Faserfestigkeiten.<br />

In der Spalte (2) sind zunächst die <strong>Zuverlässigkeit</strong>sindizes für eine Rechnung mit individueller<br />

Linearisierung ohne jede Korrektur 2-ter Ordnung angegeben. Vergleich mit dem exakten Resultat<br />

in Spalte (7) die nach Daniels [?] nach der nachstehenden Rekursionsformel berechnet werden<br />

P f (s) :=F (n) (s) =<br />

nX<br />

(−1) k+1 ( n k )F X k<br />

k=1<br />

(n−k)<br />

(s)F<br />

X<br />

(<br />

s<br />

n − k +1 ) (7)<br />

zeigt, daß in diesem Fall eine Theorie erster Ordnung nicht ausreicht. Spalte (3) zeigt den Abstand<br />

des gemeinsamen β-Punktes zum Ursprung. In Spalte (4) wurden <strong>im</strong> β-Punkt nur die aktiven Komponenten<br />

linearisiert, also keinerlei Korrektur 2-ter Ordnung vorgenommen. Erstaunlicherweise<br />

weichen die Werte in Spalte (5), bei denen eine 2-te Ordnung Korrektur vorgenommen wurde,<br />

praktisch nicht von den Werten der Spalte (4) ab. Das weist darauf hin, daß die Grenzzustandsflächen<br />

<strong>im</strong> β-Punkt nur sehr wenig gekrümmt sind. Erst die in Spalte (6) verfolgte Strategie, auch die<br />

inaktiven Komponenten in linearisierter Form mitzuberücksichtigen, ergibt <strong>im</strong> Vergleich zu Spalte<br />

(7) akzeptable Resultate, <strong>und</strong> das sogar <strong>im</strong> Hinblick auf die Tatsache, daß der geometrische <strong>Zuverlässigkeit</strong>sindex<br />

in Spalte (3) für große n ziemlich niedrig ist. Es kann durch Erhöhung der<br />

<strong>Zuverlässigkeit</strong> des Systems, z.B. durch Verkleinerung des Parameters a oder des Variationskoeffizienten<br />

V gezeigt werden, daß schon bei geometrischen <strong>Zuverlässigkeit</strong>sindizes von ≥ 2 bei<br />

größeren n die inaktiven Komponenten schnell unwichtig werden.<br />

62


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Obwohl es bei diesem Beispiel um methodische Erörterungen ging, soll doch auf das Verhalten<br />

des <strong>Zuverlässigkeit</strong>sindex mit wachsendem n hingewiesen werden. Wie man sieht, sinkt der Index<br />

zunächt mit wachsendem n <strong>und</strong> steigt dann wieder an, wie man es von einem hochred<strong>und</strong>anten<br />

System erwartet. Die Lastabtragung durch kleine Daniels-Systeme ist also unsicherer als wenn die<br />

Last nur durch eine einzige starke Komponente abtragen würde. Dieser Tatbestand hat erhebliche<br />

praktische Bedeutung.<br />

Die gleiche Rechnung kann man auch für ideal elasto-plastisches Material durchführen. Man sieht,<br />

daß bereits die geometrischen <strong>Zuverlässigkeit</strong>sindizes (Spalte (2) den exakten Werten recht nahe<br />

kommen. Die exakten Wahrscheinlichkeiten werden wie folgt berechnet.<br />

µ<br />

P f (s) =Φ − s √ − nm <br />

(8)<br />

nσ<br />

n I ku ∗ k IIa IIb IIc Exakt<br />

(1) (2) (3) (4) (5) (6) (7)<br />

1 2.00 2.00 2.00 2.00 2.00 2.00<br />

3 3.21 3.21 3.21 3.45 3.50 3.46<br />

5 4.01 4.01 4.01 4.45 4.48 4.47<br />

10 5.47 5.47 5.47 6.28 6.33 6.33<br />

15 6.59 6.59 6.59 7.69 7.73 7.75<br />

20 7.54 7.54 7.54 8.87 8.90 8.94<br />

Tabelle für Daniels-System (elasto-plastischer Fall)<br />

In diesem Fall wachsen die <strong>Zuverlässigkeit</strong>sindizes monoton mit n. Auch dieser Tatbestand hat<br />

große praktische Bedeutung. Eine Linearisierung <strong>im</strong> β-Punkt (Spalte (3) ist noch nicht sehr erfolgreich,<br />

die Hinzunahme der Korrekturen 2-ter Ordnung (Spalte (5) produziert aber fast das exakte<br />

Ergebnis. Das bedeutet, daß in diesem Fall die Krümmungen groß sind, was auch die Rechnung<br />

ausweist. In Spalte (6) sind wie <strong>im</strong> elastisch-spröden Fall formal auch die inaktiven Komponenten<br />

berücksichtigt. Im plastischen Grenzfall sind das alle Komponenten. Aus den kleinen Differenzen<br />

zwischen den Spalten (5) <strong>und</strong> (6) mag man daher ganz allgemein auf die erzielbaren Genauigkeiten<br />

bei Hinzunahme der nicht aktiven Komponenten schließen. Die Ursachen dieser Differenzen sind<br />

aber nicht theoretischer, sondern rein numerischer Natur (Ungenauigkeiten bei der Best<strong>im</strong>mung<br />

des gemeinsamen β-Punktes, der Gradienten <strong>und</strong> zweiten Ableitungen in diesem Punkt sowie bei<br />

der Auswertung der mehrd<strong>im</strong>ensionalen Normalverteilung).<br />

Insgesamt kann hervorragende Übereinst<strong>im</strong>mung mit den exakten Resultaten festgestellt werden.<br />

#<br />

4.5. Berechnung bedingter Wahrscheinlichkeiten ∗<br />

Bedingte Versagenswahrscheinlichkeiten<br />

P f (F |A ∩ B ∩ C...) =<br />

P(F ∩ A ∩ B ∩ C ∩ ...)<br />

P(A ∩ B ∩ C ∩ ...)<br />

(4.5.1)<br />

werden durch getrennte Berechnung des Zählers <strong>und</strong> des Nenners in Gl. (4.5.1) ermittelt. Bedingende<br />

Ereignisse können z.B. aktuelle Beobachtungen sein, die Ergebnisse von Probebelastungen<br />

<strong>und</strong> ähnliches.<br />

63


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Wenn das bedingende Ereignis jedoch als Gleichheitsbedingung formuliert werden muß, ergeben<br />

sich einige Besonderheiten. Dann sind Oberflächenintegrale (erster Art) des Typs<br />

Z<br />

I(D) = ϕ n (x)ds(x) (4.5.2)<br />

D<br />

mit D = E ∩ F = T l<br />

i=1 {Ei}∩ _m i=l+1 {Fi} = T l<br />

i=1 {ei(X) =0}∩ _m i=l+1 gi(X) ≤ 0} zu lösen.<br />

X =(X 1 ,...,X n ) T ist der n-d<strong>im</strong>ensionale Zufallsvektor mit gegebener Verteilungsfunktion <strong>und</strong><br />

es ist l2<br />

½<br />

a(n) = a 2−m<br />

2<br />

0 + 2 − m<br />

¾ 2<br />

YCπ m/2 nE[S m 2−m<br />

]<br />

2<br />

(2)<br />

64


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

wobei s(n) als Zufallsbelastung eingeführt wurde <strong>und</strong> das Zeitintegral auf der rechten Seite nach<br />

dem Ergodensatz (Gesetz der großen Zahlen für Zufallsprozesse) durch den Ensemblemittelwert<br />

ersetzt wurde. a 0 ist die Anfangsrißlänge. Als einfaches Versagenskriterium wird die Überschreitung<br />

einer gewissen Rißlänge a cr genommen. Also ist<br />

V = {a cr − a(n) ≤ 0} (3)<br />

Für Berechnungen der Versagenswahrscheinlichkeit führt man zweckmäßigerweise mindestens die<br />

Anfangsrißlänge <strong>und</strong> den Parameter C als Zufallsvariable ein. Wenn nun nach t 1 Jahren inspiziert<br />

wird <strong>und</strong> kein Riß beobachtet wird, so kann man die Beobachtung durch<br />

B(t 1 )={a(t 1 ) ≤ a th + ²} (4)<br />

beschreiben. Dabei ist a th eine Rißlänge, die gerade noch entdeckt werden kann. ² ist ein Meßfehler.<br />

Nach der Beobachtung kann die Versagenswahrscheinlichkeit für den Zeitraum bis zur<br />

nächsten Inspektion t 2 nach Gl. (4.5.1) mit (4.5.3) berechnet werden.<br />

P f (t 1 + t 2 |B(t 1 )) = P (V (t 1 + t 2 ) ∩ B(t 1 ))<br />

P (B(t 1 ))<br />

(5)<br />

Wir nehmen nun noch an, daß zum Zeitpunkt t 1 + t 2 ein Riß der Größe a 2 beobachtet wird <strong>und</strong><br />

nun zu entscheiden ist, ob man mit seiner Reparatur noch bis zum Inspektionszeitpunkt t 1 +t 2 +t 3<br />

warten kann. Die letzte Beobachtung wird durch<br />

C(t 1 + t 2 )={a(t 1 + t 2 ) − (a 2 + δ) =0} (6)<br />

beschrieben. δ ist wiederum ein Meßfehler. Nunmehr hat man also<br />

P f (t 1 + t 2 + t 3 |B(t 1 ) ∩ C(t 1 + t 2 )) = P (V (t 1 + t 2 ) ∩ B(t 1 ) ∩ C(t 1 + t 2 ))<br />

P (B(t 1 ) ∩ C(t 1 + t 2 ))<br />

(7)<br />

zu berechnen, wobei man beachte, daß Gl. (6) nunmehr eine Gleichheitsbedingung ist.<br />

#<br />

Beispiel 4.5.2: Versagenswahrscheinlichkeit eines existierenden Bauwerks<br />

Die Zustandsfunktion einer wichtigen Komponente eines Bauwerks, welches einem neuen Verwendungzweck<br />

mit höherer Last zugeführt werden soll, laute<br />

V (t) ={R − (D + L(t)) ≤ 0} (1)<br />

Darin ist R der Komponentenwiderstand, D die Lastwirkung aus Eigengewicht <strong>und</strong> L(t) die in<br />

der Zeit veränderliche Nutzlastwirkung. Zum Zeitpunkt t 1 habe man neben der Feststellung, daß<br />

die Komponente bisher nicht versagt hat, noch die Information, daß die höchste während der Nutzung<br />

aufgetretene Nutzlastwirkung gleich ` war. Außerdem hat man für den Tragwerkswiderstand<br />

zerstörungsfreie Prüfungen mit dem Ergebnis ρ durchgeführt. L 1 (t) sei durch eine Zufallsfolge<br />

modellierbar. Also ist<br />

V (t 1 )={R − (D +max{L 1 (t 1 )}) > 0} (2)<br />

B l = {max{L(t} = `} (3)<br />

65


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

B ρ = {R = ρ + ²} (4)<br />

mit ² einem Meßfehler <strong>und</strong> für die neue Nutzung durch L 2 (t)<br />

V (t) ={R − (D +max{L 2 (t)}) ≤ 0} (5)<br />

Somit wird die Versagenswahrscheinlichkeit für den Zeitraum [0,t]<br />

P f (V (t)|B l ∩ B ρ ∩ V (t 1 )) = P (V (t) ∩ B l ∩ B ρ ∩ V (t 1 ))<br />

P (B l ∩ B ρ ∩ V (t 1 ))<br />

(6)<br />

die man natürlich beschränkt bleiben muß. Hierbei ist wichtig zu bemerken, daß die einzelnen<br />

Ereignisse in Gl. (6) z.T. hoch abhängig sind. Beispielsweise sind die Variablen R <strong>und</strong> D in den<br />

Ereignissen V (t 1 ) <strong>und</strong> V (t) enthalten. Die Möglichkeit die <strong>Zuverlässigkeit</strong> von existierenden<br />

Bauwerken nach Schädigungen oder fürzukünftige Nutzungsänderungen auf diesem Wege zu bewerten<br />

hat in der Praxis große Bedeutung.<br />

#<br />

Beispiel 4.5.3: Opt<strong>im</strong>ierung einer Probebelastung<br />

Die für den Start erforderlichen Feststoffraketen der Raumfahrt können als hochfeste zylindrische<br />

Behälter unter Innendruck aufgefaßt werden. Um Gewicht zu sparen verwendet man u.a. hochfeste,<br />

durch sogenanntes Fließdrücken hergestellte Stähle. Man kann trotz sorgfältigster Herstellung<br />

<strong>und</strong> anschließende Qualitätskontrolle das Entstehen von kleinen Rissen nicht mit Sicherheit ausschließen.<br />

Daher wird für die einzelnen Zylinderschüsse in der Regel noch eine abschließende<br />

Druckprüfung durchgeführt. Diese Druckprüfung ist jedoch in verschiedener Hinsicht problematisch.<br />

Zunächst ist festzustellen, daß kleinste Risse, etwa in der Größe von 1 [mm] auch bei<br />

sorgfältigster zerstörungsfreier Prüfung nicht mehr entdeckt werden können. Eine Druckprüfung<br />

auf niedrigem Niveau bringt aber kaum zusätzliche Information. Ein <strong>im</strong> Vergleich zur Belastung<br />

<strong>im</strong> späteren Betrieb zu hohes Niveau kann die Zahl der bereits bei der Druckprüfung versagenden<br />

Zylinderschüsse unwirtschaftlich anwachsen lassen. Wenn kleine Risse vorhanden, können diese<br />

Risse wachsen <strong>und</strong> damit die <strong>Zuverlässigkeit</strong> bei der eigentlichen Verwendung vermindern.<br />

Für einen inneren kreisförmigen Riß mit Halbmesser a kann man vereinfachend folgendes Instabilitätskriterium<br />

aufstellen.<br />

(<br />

V =<br />

Darin sind<br />

K r = K 1 /K 1c = σ √ (πa)Y (a)/K 1c<br />

σ = Spannung<br />

K 1c =Bruchzähigkeit des Materials<br />

a =Rißlänge<br />

Y (a) ≈ 1.12 =Geometriefaktor<br />

L r = p i /p 0<br />

p i =Innendruck<br />

p 0 ≈ [t/r(R y + R m )/2]1.07[1 − πa 2 /(4t(a + t))]<br />

R y =Fließgrenze des Stahls<br />

R m =Bruchgrenze des Stahls<br />

L r<br />

[8/π 2 ln(sec(πL r /2))] 1/2 − K r ≤ 0<br />

)<br />

(1)<br />

66


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

t =Wanddicke<br />

r =Zylinderradius<br />

Bei der Druckprüfung wächst der Riß nach einem modifizierten für duktile Werkstoffe geltenden<br />

Gesetz um<br />

∆a =<br />

π<br />

6(R y K 1c ) 2 K 4 1,q<br />

1 − ( K 1,q<br />

K 1c<br />

) 2 (2)<br />

mit K 1 , q = σ q (πa) 1/2 dem Spannungsintensitätsfaktor bei Probebelastung mit dem Druck q <strong>und</strong><br />

der Spannung σ q = qr/t.Für das Versagen bei der Druckprüfung gilt Gl. (1) aber mit p i durch q<br />

<strong>und</strong> a durch a + ∆a ersetzt. Für das Bestehen der Druckprüfung gilt<br />

½<br />

D =<br />

L r<br />

[8/π 2 ln(sec(πL r /2))] − K r > 0|p i = q, a = a + ∆a<br />

Also ist die bedingte Versagenswahrscheinlichkeit aus<br />

¾<br />

(3)<br />

P (V |D) =<br />

P (V ∩ D)<br />

P (D)<br />

(4)<br />

zu berechnen. Für die numerische Auswertung gelten die folgenden Angaben.<br />

Variable Verteilungsfunktion Mittelwert Variationskoeffizient<br />

p i Normal 125 [bar] 0.08<br />

R y Normal 1450 [MPa] 0.05<br />

R m Normal 1700 [MPa] 0.05<br />

K 1c Normal 105 [MPa √ m] 0.15<br />

a Rayleigh 1 [mm] 0.52<br />

t Normal 8.5 [mm] 0.02<br />

r Konstant 1500 [mm] -<br />

Die folgende Abb. 4.7 zeigt einige Ergebnisse. Als <strong>Zuverlässigkeit</strong> war mindestens ein <strong>Zuverlässigkeit</strong>sindex<br />

von β=4.26 (P f =10 −5 ) einzuhalten. Das ist die gepunktelte Linie. Man erkennt, daß<br />

diese <strong>Zuverlässigkeit</strong> bei den gemachten Annahmen nicht erreichbar ist. Wenn jedoch der Prüfdruck<br />

etwa auf den sogenannten MEOP (Max<strong>im</strong>um Expected Operating Pressure) eingestellt wird,<br />

kann die erforderliche <strong>Zuverlässigkeit</strong> erreicht werden. Zusätzlich ist die Wahrscheinlichkeit des<br />

Versagens bei der Probebelastung dargestellt. Das bedeutet, daß bei diesem Prüfdruck etwa 1 %<br />

der Zylinderschüsse bei der Probebelastung versagen.<br />

#<br />

Beispiel 4.5.4: <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> Qualitätskontrolle<br />

Ein wichtiges Instrument <strong>Zuverlässigkeit</strong> zu erzielen ist die Qualitätskontrolle. Der Zusammenhang<br />

von <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> Qualitä tskontrolle kann ebenfalls auf der Gr<strong>und</strong>lage von bedingten<br />

Versagenswahrscheinlichkeiten entwickelt werden. Es sei angenommen, daß eine Kontrolle<br />

eingerichtet ist. Diese entnehme dem Herstellungsprozeß zufällig Proben, die anhand einer best<strong>im</strong>mten<br />

Abnahmevorschrift über Abnahme <strong>und</strong> Ablehnung der entsprechenden Betrachtungseinheit<br />

entscheiden. Erfolgt Ablehnung, so wird die Betrachtungseinheit entweder zurückgewiesen<br />

oder einer in der Regel sorgfältigeren Nachprüfung unterzogen. Diese Betrachtungseinheiten<br />

seien hier nicht weiter von Interesse. Statistische Qualitätskontrolle kann jedoch ’’ungenügende’’<br />

Betrachtungseinheiten aufgr<strong>und</strong> der begrenzten Probenahme nur mit gewisser Wahrscheinlichkeit<br />

67


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

4.5<br />

4.0<br />

3.5<br />

β (V D )<br />

3.0<br />

2.5<br />

2.0<br />

1.5<br />

β (D)<br />

110 12 0 13 0 14 0 15 0<br />

q [bar]<br />

Abb. 4.7.β bei Druckprüfung <strong>und</strong> bei Verwendung nach bestandener Druckprüfung in Abhängigkeit vom<br />

Prüfdruck<br />

entdecken. Eine Versagenswahrscheinlichkeit muß also best<strong>im</strong>mt werden unter der Annahme, daß<br />

eine Qualitätskontrolle vorhanden ist, die ’’ungenügende’’ Betrachtungseinheiten (Lose) nur mit<br />

gewisser Wahrscheinlichkeit ausfiltert. Es sei f Θ (θ) das sogenannte Qualitätsangebot. Die Qualität<br />

ist durch den streuenden Vektor Θ, z.B. Mittelwert <strong>und</strong> Standardabweichung, beschrieben.<br />

Weiter sei eine Abnahmevorschrift gegeben. Beliebt ist A = {¯x n ≥ x a ∩ x min ≥ x b } wenn die<br />

Qualtitätsanforderung als p%-Quantil definiert sind. Darin ist ¯x n = 1 n<br />

P n<br />

i=1 x i der aus der unabhängigen<br />

Stichprobe vom Umfang n ermittelte Mittelwert, x min der kleinste Eizelwert <strong>und</strong> x a <strong>und</strong><br />

x b vorgegebe Abnahmegrenzen. Die Operationscharakteristik (Annahmewahrscheinlichkeit) des<br />

Abnahmetests sei L(A | θ) =P (¯x n ≥ x a ∩ x min ≥ x b | θ). Dann ist<br />

P f = P (V | A) =<br />

P (V ∩ A)<br />

P (A)<br />

(4.5.4)<br />

worin<br />

P (A) =<br />

Z ∞<br />

−∞<br />

P (¯x n ≥ x a ∩ x min ≥ x b | θ)f Θ (θ)dθ (4.5.5)<br />

also die Wahrscheinlichkeit für alle angenommenen Betrachtungseinheiten. Wenn für das Abnahmeereignis<br />

A = © P<br />

x a − 1 n<br />

n i=1 x ª<br />

i ≤ 0 ∩ x min ≥ x b geschrieben wird, hat man die gewünschte<br />

Formulierung.<br />

µ½<br />

P (V ∩ A) =E Θ<br />

·P ({g(X, Θ) ≤ 0} ∩ x a − 1 X<br />

¾<br />

¸<br />

n<br />

n X i ≤ 0 ∩ {x b − X min ≤ 0} | Θ)<br />

i=1<br />

(4.5.6)<br />

Diese Formulierung gilt für beliebige Verteilungsfunktionen von X <strong>und</strong> kann natürlich für kompliziertere<br />

Abnahmevorschriften verallgemeinert werden.<br />

Das ist jedoch nur ein Aspekt der Qualitätskontrolle. Ihre Wirksamkeit hängt neben den Details der<br />

Abnahmevorschrift ganz wesentlich von der Stabilität des Qualitätsangebots ab. Diese Stabilität<br />

erreicht man z.B. durch ein System von Eigen- <strong>und</strong> Fremdüberwachung. Die Eigenüberwachung<br />

<strong>und</strong> ihre Wirkung auf die Versagenswahrscheinlichkeit wurde schon beschrieben. Eigenüberwachung<br />

aber ist mehr. Sie ist vielmehr die bewußte Steuerung der Produktion <strong>im</strong> Hinblick auf ein<br />

68


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

durch den Wert von Θ festgelegtes Qualitätsniveau. Θ ist aus der Sicht des Entwurfsverfassers<br />

eine Zufallsvariable, da die Produktionsstrategien der Hersteller unterschiedlich sind <strong>und</strong> der Produzent<br />

in der Regel <strong>im</strong> vorhinein nicht bekannt ist. Die Aufgabe der Fremdüberwachung ist die<br />

Sicherung des langfristigen Qualitätsniveaus, also der Verteilung von Θ. Sieüberprüft nicht nur<br />

das Qualitätsniveau sondern auch die Funktionsfähigkeit der Elemente der Produktionssteuerung.<br />

Auf weitere Details der Qualitätskontrolle kommen wir in Abschnitt 10 zurück.<br />

#<br />

4.6. Berechnung der Versagenswahrscheinlichkeit <strong>im</strong> Originalraum<br />

∗<br />

Alle bisherigen Überlegungen beruhten darauf zuerst eine Wahrscheinlichkeitstransformation in<br />

den Standardraum vorzunehmen. Das kann Mühe bereiten, da bei manchen Verteilungsfunktionen<br />

die Inverse nur numerisch gebildet werden kann. Außerdem kann durch die Transformation<br />

die Versagensfläche in ihrer Gestalt verformt werden. Man kann jedoch auch eine asymptotische<br />

Näherungslösung für den Originalraum ableiten. Man geht wiederum von SATZ 5 in Abschnitt<br />

4.3 aus. Im Standardraum war die wesentliche Aufgabe den β−Punkt als min<strong>im</strong>alen Abstand der<br />

Versagensfläche vom Ursprung mithilfe eines geeigneten Algorithmus zu best<strong>im</strong>men. Das entspricht<br />

der Suche nach der max<strong>im</strong>alen Normalverteilungsdichte <strong>und</strong> genau dieses Konzept wird <strong>im</strong><br />

Originalraum angewandt. Es sei also f(x) die zwe<strong>im</strong>al differenzierbare Dichte eines beliebigen,<br />

möglicherweise abhängigen Zufallsvektors X <strong>und</strong> l(x) =ln(f(x)) die dazugehörige sogenannte<br />

Log-Likelihoodfunktion. Die Versagensfläche g(x) =0sei mindestens zwe<strong>im</strong>al differenzierbar.<br />

Es wird mit einem geeigneten Opt<strong>im</strong>ierungalgorithmus die max<strong>im</strong>ale Dichte bzw. Likelihoodfunktion<br />

gesucht, d.h.<br />

(<br />

)<br />

m\<br />

l(x ∗ )=max{l(x)} für x : g(x) ≤ 0 ; m ≤ n (4.6.1)<br />

Mit<br />

i=1<br />

β = p −l(x ∗ ); l(x ∗ ) < 0 (4.6.2)<br />

kann die Versagenswahrscheinlichkeit geschrieben werden als<br />

Z ·<br />

P (X ∈ bV )= exp b 2 l(x) ¸ Z<br />

β 2 dx = exp £ b 2 k(x) ¤ dx (4.6.3)<br />

V<br />

Das ist ein Integral der Form (4.3.1). Hier interpretiert man λ = b 2 . In x ∗ sei g i (x ∗ )=0für<br />

i =1, ..., k <strong>und</strong> g i (x ∗ ) < 0 für i = k +1, ..., m. Fürgroßes β <strong>und</strong> daher ausreichend gut mit b =1<br />

ist dann:<br />

mit<br />

P f = P (X ∈ V ) ≈ (2π) n−k<br />

2<br />

V<br />

f(x ∗ )<br />

det(A(x ∗ )) p |det(L(x ∗ ))| Q k<br />

i=1 |γ i|<br />

γ = A −1 (x ∗ )∇l(x ∗ ); γ i > 0 für i =1,...,k<br />

(4.6.4)<br />

69


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Die beiden Spezialfälle sind [20] :<br />

A(x ∗ ) = (Og 1 (x ∗ ), Og 2 (x ∗ ),...,Og k (x ∗ ))<br />

(<br />

)<br />

L(x ∗ ∂ 2 l(x ∗ )<br />

kX ∂ 2 g(x ∗ )<br />

) =<br />

− γ<br />

∂x i ∂x s ; i, j = k +1,...,n<br />

j ∂x i ∂x j<br />

s=1<br />

P f = P (X ∈ V ) ≈ (2π) n−1 f(x ∗ )<br />

2<br />

kOl(x ∗ )k p ; für k =1<br />

|det(H(x ∗ ))|<br />

H(x ∗ ) = T T (x ∗ )L(x ∗ )T(x ∗ ); T(x ∗ )=(d 2 , d 3 ,...,d n );<br />

d 1 = Og(x∗ )<br />

kOg(x ∗ )k ; γ = kOl(x∗ )k<br />

kOg(x ∗ )k<br />

(4.6.5)<br />

f(x ∗ )<br />

P f = P (X ∈ V ) ≈<br />

det(A(x ∗ )) Q n<br />

i=1 |γ ; für k = n (4.6.6)<br />

i|<br />

mit d i in Gl. (4.1.2) <strong>und</strong> f(x ∗ ) der Dichte <strong>im</strong> ’’wahrscheinlichsten’’ Versagenspunkt x ∗ . Im Vergleich<br />

mit Gl. (4.4.4) sind diese Ergebnisse nur unerheblich komplizierter. Allerdings ist die Wirkung<br />

des Parameters b bei den beiden Vorgehensweisen etwas unterschiedlich. Daher entstehen<br />

auch geringfügig unterschiedliche Ergebnisse. In extremen Fällen st<strong>im</strong>men sogar die asymptotischen<br />

Ergebnisse nicht überein 12 .<br />

12<br />

Eine manchmal interessante Variante bei nur einer Komponente erhält man, wenn man die Versagenswahrscheinlichkeit<br />

wie folgt schreibt:<br />

P f =<br />

ZR n−1 Z<br />

g(x,y)≤0<br />

Z<br />

f Y (y | x)dy f X (x)dx = h(x) f X (x)dx<br />

R n−1 (1)<br />

mit x =(x 1 ,...,x n−1 ), y = x n <strong>und</strong> h(x) = R g(x,y)≤0 f Y (y | x)dy 6= 0. Wenn der Integrand ein eindeutiges<br />

Max<strong>im</strong>umhat,kannalsoGl.(4.3.7)für einen inneren Punkt verwendet werden <strong>und</strong> es ist<br />

P f ≈<br />

(2π)<br />

n−1<br />

2 h(x ∗ )f X (x ∗ )<br />

det(L(x ∗ )) 1/2 (2)<br />

mit L(x ∗ )=−∇ 2 l(x ∗ ) <strong>und</strong> l(x ∗ )=lnh(x ∗ )+lnf X (x ∗ ) sowie x ∗ der Lösung von max {l(x)}. Ist insbesondere<br />

y unabhängig von x <strong>und</strong> y = g −1 (x),sodaß y ≤ g −1 (x) Versagen bedeutet, gilt<br />

P f ≈<br />

(2π)<br />

n−1<br />

2 P(x ∗ )f X (x ∗ )<br />

det(L(x ∗ )) 1/2 (3)<br />

mit dem ein-d<strong>im</strong>ensionalen Integral P (x ∗ )= R g(x,y)≤0 f Y (y | x)dy <strong>und</strong> h(x ∗ ) in l(x ∗ ) durch P(x ∗ ) ersetzt. Interessant<br />

ist diese Variante, weil ein innerer Punkt ohne Restriktionen zu suchen ist, was manchmal einfacher ist. Noch<br />

wichtiger ist, daß h(x) irgendeine Funktion von x sein kann, z.B. der Erwartungswert einer Funktion, eine bedingte<br />

Versagenswahrscheinlichkeit oder, wie in Kapitel 7 noch gezeigt, eine bedingte Anzahl der Austritte. Natürlich können<br />

x <strong>und</strong> y unabhängig normalverteilt sein. Für parabolische Grenzzustandsfunktionen erhält man dann exakt Gl.<br />

(4.4.6a).<br />

70


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Beispiel 4.7.1: Lineare Versagensfläche <strong>und</strong> zwei unabhängige χ 2 2−Verteilungen<br />

Die Verteilung der Größe χ 2 n = P n<br />

i=1 U i 2 heißt bekantlich χ 2 −Verteilung mit dem Freiheitsgrad n.<br />

Es gilt F χ 2(x; n) =F Γ ( x; n ). Geometrisch ist das eine Hyperkugel <strong>im</strong> Standardraum. In diesem<br />

2 2<br />

Fall muß ein Vorgehen <strong>im</strong> Standardraum bei größerem n schließlich versagen, da kein β−Punkt<br />

gef<strong>und</strong>en werden kann. Deshalb konnte in Beispiel 4.4.3 festgestellt werden, daß einArbeiten<strong>im</strong><br />

Standardraum bei größerem n nicht zum gewünschten Erfolg führt. Es sei<br />

g(x) =18− x 1 − x 2 (1)<br />

mit X 1 <strong>und</strong> X 2 jeweils χ 2 2−verteilt mit der Dichte<br />

f(x i )= 1 ·<br />

4 x i exp − 1 ¸<br />

2 x i ; x ≥ 0 (2)<br />

Die Log-Likelihoodfunktion lautet:<br />

l i (x) =− ln(4) + ln(x i ) − x i /2; i =1, 2 (3)<br />

Die Likelihoodfunktion hat ein Max<strong>im</strong>um <strong>im</strong> Punkt (18/2, 18/2) <strong>und</strong> daher gilt Formel (4.6.8).<br />

Man berechnet<br />

∂l(x)<br />

∂x i<br />

= 1/x i − 1/2; i =1, 2<br />

∂ 2 l(x)<br />

= −1/x 2 i ; i =1, 2<br />

∂x 2 i<br />

∂ 2 l(x)<br />

= 0<br />

∂x 1 ∂x 2<br />

∂g(x)<br />

= −1; i =1, 2<br />

∂x i<br />

½ ¾<br />

∂ 2 g(x ∗ )<br />

G = ; i =1, 2<br />

∂x i ∂x j<br />

=<br />

·<br />

0 0<br />

0 0<br />

Die anderen Größen ergeben sich unmittelbar. Dann findet man aus Gl. (4.6.8)<br />

P f = √ 3.085 · 10−5<br />

2π<br />

0.55 · 0.11 =1.266 · 10−3 (4)<br />

Die exakte Lösung ist P f =1− χ 2 (18; 4) = 1.234 · 10 −3 , da Summen von χ 2 n- verteilten Variablen<br />

wieder χ 2 n 1 +n 2<br />

−verteilt sind. Eine Formulierung <strong>im</strong> Standardraum ergibt P f,FORM =<br />

6.09 · 10 −4 ,P f,SORM =1.566 · 10 −3 <strong>und</strong> P f,SIM =1.238 · 10 −3 mit dem Anhang A (Gl. B.1.12)<br />

besprochenen Importanzstichprobenverfahren bei N = 100. Hier sind die in beiden Räumen<br />

gewonnenen Ergebnisse akzeptabel. Man kann zeigen, daß auch bei großem n das Gl. (4) entsprechende<br />

Ergebnis asymptotisch exakt ist - <strong>im</strong> Gegensatz zur Formulierung <strong>im</strong> Standardraum,<br />

die einen mit n zunehmenden Fehler ergibt.<br />

#<br />

¸<br />

71


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Beispiel 5.7.2: Lineare Versagensfläche <strong>und</strong> zweid<strong>im</strong>ensionale Exponentialverteilung [71]<br />

Auch dieses relativ akademische Beispiel hat in der Entwicklung der Theorie eine große Rolle<br />

gespielt. Eine zweid<strong>im</strong>ensionale Exponentialverteilung hat die Form<br />

F X1 ,X 2<br />

(x 1 ,x 2 )=1− exp [−x 1 ] − exp [−x 2 ]+exp[−(x 1 + x 2 + θx 1 x 2 )] ; x 1 ,x 2 ≥ 0 (1)<br />

mit der Dichte<br />

f X1,X 2<br />

(x 1 ,x 2 )=(x 1 + x 2 + θx 1 x 2 )exp[−(x 1 + x 2 + θx 1 x 2 )] ; x 1 ,x 2 ≥ 0 (2)<br />

<strong>und</strong> 0 ≤ θ ≤ 1 einem Parameter, der den Abhängigkeitsgrad der Komponenten steuert. θ =0entspricht<br />

eine bivariaten Exponentialverteilung mit unabhängigen Komponenten. θ =1entspricht<br />

einer bivariaten Exponentialverteilung mit voll abhängigen Komponenten. Man berechnet dafür<br />

einen Korrelationskoeffizienten von ρ ≈ 0.4. Als Zustandsfunktion wählen wir ähnlich wie <strong>im</strong><br />

vorigen Beispiel:<br />

g 1 (x) =18− 3x 1 − 2x 2 (3)<br />

Wir betrachten den Fall θ =1. Bei θ ¿ 1 ist das Beispiel ’’gutartig’’.UmdieGültigkeitsgrenzen<br />

der Verteilungen zu berücksichtigen, fügen wir die beiden zusätzlichen Zustandsfunktionen<br />

g 2 (x) = −x 2 (4)<br />

g 3 (x) = −x 1 (5)<br />

hinzu, so daß der Versagensbereich zu V = {(g 1 (x) ≤ 0) ∩ (g 2 (x) ≤ 0) ∩ (g 3 (x) ≤ 0)} wird.<br />

Das Beispiel erlaubt, eine ganze Reihe von Aspekten zu illustrieren. Im Originalraum stellt man<br />

zunächst fest, daß es zwei kritische Punkte bei (6, 0) <strong>und</strong> (0, 9) gibt, wovon der erste Punkt das<br />

globale Max<strong>im</strong>um der Log-Likelihoodfunktion angibt. Im Punkt (6, 0) sind g 1 (x) =0,g 2 (x) =0<br />

sowie g 3 (x) =−6 <strong>und</strong> somit k = n =2. Deshalb ist Formel (4.6.9) anzuwenden. Es ist:<br />

· ¸ −3 0<br />

A =<br />

−2 −1<br />

· ¸ −0.833<br />

Ol(6, 0) =<br />

−5.833<br />

· ¸ 0.278<br />

γ =<br />

5.278<br />

Damit ist<br />

P (V )= f X 1 , X2<br />

(6, 0)<br />

det(A)γ 1 γ 2<br />

=<br />

1.49 · 10−2<br />

3 · 0.278 · 5.278 =3.38 · 10−3 (6)<br />

Berücksichtigung des anderen kritischen Punktes <strong>und</strong> Summenbildung beider Ergebnisse erbringt<br />

P (V ) ≈ 3.40 · 10 −3 .Das durch numerische Intergration ermittelte exakte Ergebnis ist P (V )=<br />

2.94 · 10 −3 .<br />

Auch <strong>im</strong> Standardraum läßt sich das Beispiel behandeln. Die für die Rosenblatt-Transformation<br />

notwendigen Gleichung für die bedingten Verteilungsfunktionen sind<br />

F (x 1 ) = 1− exp [−x 1 ]=Φ(u 1 ) (7)<br />

72


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

F (x 2 |x 1 ) = 1− (1 + x 2 )exp[−x 2 (1 + x 1 )] = Φ(u 2 ) (8)<br />

Die erste Form kann analytisch invertiert werden, die zweite Gleichung muß man numerisch invertieren.<br />

Man kann auch in umgekehrter Reihenfolge vorgehen (Vertauschung der Indizes). Man hat<br />

nur Gl (3) zu berücksichtigen, da durch die Transformation die Gültigkeitsgrenzen der Verteilungsfunktion<br />

(1) automatisch erfüllt sind (<strong>im</strong> Standardraum nämlich von −∞ bis +∞). Auchindiesem<br />

Fall gibt es zwei kritische Punkte, nämlich u ∗ 1 =(2.782, 0.100) <strong>und</strong> u∗ 2 =(−1.296, 3.253) mit<br />

β 1 =2.784 <strong>und</strong> β 2 =3.501 (vergl. Abb. 4.8). Man findet beide Punkte indem man einen Algorithmus<br />

beispielsweise wiederholt mit zufälligen Startwerten suchen läßt. Damit ist nach Gl. (4.3.3)<br />

P f,FORM,1 ≥ 2.68 · 10 −3 bzw. P f,FORM,2 ≥ 2.79 · 10 −3 <strong>und</strong>, wenn man das Problem als Seriensysem<br />

auffaßt, d.h. die Wahrscheinlichkeit für die Vereinigung der in Abb. 4.8 gezeichneten linear<br />

begrenzten Bereiche nach GL.(4.3.9) berechnet, P f,FORM ≈ 2.94 ·10 −3 , also das exakte Ergebnis.<br />

Nicht ganz so gut sind die Näherungen für die andere Reihenfolge der Transformation. Die dabei<br />

best<strong>im</strong>mten kritischen Punkte sind u ∗ 1 =(−1.123, 2.400) <strong>und</strong> u ∗ 2 =(3.630, 0.142) mit β 1 =2.649<br />

<strong>und</strong> β 2 =3.633. Diesmal ergibt sich bei Betrachtung als Seriensystem P f,FORM,1 ≥ 4.04 · 10 −3<br />

<strong>und</strong> P f,FORM,2 ≥ 4.18 · 10 −3 .<br />

6<br />

5<br />

6<br />

5<br />

u* I<br />

u* II<br />

u* I<br />

4<br />

3<br />

u* II<br />

4<br />

3<br />

2<br />

2<br />

1<br />

1<br />

6 5 4 3 2 1 0 1 2 3 4 5 6<br />

1<br />

6 5 4 3 2 1 0 1 2 3 4 5 6<br />

1<br />

2<br />

2<br />

Abb. 4.8.Versagensfläche <strong>im</strong> Standardraum bei zwei Reihenfolgen der Rosenblatt-Transformation<br />

Schließlich verwenden wir noch die Nataf-Transformation (Gl. (3.2.4.6)), die ja nur die Marginalverteilungen<br />

<strong>und</strong> den Korrelationskoeffizienten benötigt. Die Rechnung ergibt 1.50 · 10 −2 . Dieses<br />

relativ schlechte Ergebnis ist natürlich eine Folge der Tatsache, daß die Exponentialverteilung eine<br />

Verteilung ist, die sehr stark von der Normalverteilung abweicht. Das Nataf-Modell <strong>und</strong> die<br />

dazugehörige Transformation sind eben nur Näherungen. Bei kleinem Korrelationskoeffizienten<br />

<strong>und</strong> weniger stark von der Normalverteilung abweichenden Randverteilungen ist das Nataf-Modell<br />

aber durchaus brauchbar.<br />

#<br />

73


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Beispiel 5.7.3: Gegenbeispiel zur Arbeit <strong>im</strong> Originalraum<br />

Die Grenzzustandsfunktion sei<br />

g(x, y) =β − x<br />

mit X einer standard normalen Variablen <strong>und</strong> Y einer log-normalverteilten Variablen derart daß<br />

logY/σ standard normalverteilt. Das exakte Resultat ist natürlich Φ(−β). Das ist auch das FORM/<br />

SORM-Resultat <strong>im</strong> Standardraum. Anwendung von GL. (4.6.4) ergibt jedoch √ 2πϕ(σ)ϕ(β)/β ≈<br />

e −σ2 /2 Φ(−β) wobei der kritische Punkt (x, y) =(β,e −σ2 ) ist. Abhängig von σ kann man also jede<br />

Wahrscheinlichkeit zwischen 0 <strong>und</strong> 1 erhalten.<br />

#<br />

4.7. Schlußbemerkung<br />

Die Abschnitte 3 <strong>und</strong> 4 waren der Berechnung von Wahrscheinlichkeitsintegralen gewidmet. FORM/SORM<br />

sind <strong>im</strong> ganzen gesehen sehr leistungsfähig <strong>und</strong> haben eine gute theoretische Gr<strong>und</strong>lage. SORM<br />

begründet FORM. Sie verlangen ein bzw. zwe<strong>im</strong>al differenzierbare Grenzzustandsfunktionen, differenzierbare<br />

stochastische Modelle <strong>und</strong> die Existenz eines eindeutigen β−Punktes, der mittels<br />

einer Opt<strong>im</strong>ierung gef<strong>und</strong>en werden muß. Die angeführten Berechnungsbeispiele zeigen, daß in<br />

extremen Fällen eine Methode 1. Ordnung (FORM) nicht ausreichen kann. Dann ist wenigstens<br />

eine Methode 2. Ordnung (SORM) angebracht - wenn man sich dies vom numerischen Aufwand<br />

her leisten kann. Die drei letzten Beispiele sowie Beispiel 4.4.3 <strong>und</strong> Beispiel 4.4.4 demonstrieren<br />

nicht nur die Anwendung der Methoden, sondern vor allem ihre Genauigkeit <strong>und</strong> mögliche<br />

Schwierigkeiten.<br />

Die oft nicht sehr einschränkende Forderung nach Differenzierbarkeit von Grenzzustandfunktion<br />

<strong>und</strong> stochastischem Modell rührt aus der Verwendung von gradientenbasierten Opt<strong>im</strong>ierungsalgorithmen<br />

her (siehe Abschnitt 3.2.2). Alternativ kann man auch gradientenfreie Opt<strong>im</strong>ierungsalgorithmen<br />

(siehe Anhang H) verwenden. Dann hat man wenigstens FORM-Ergebnisse.<br />

Die Frage, in welchem Raum gearbeitet werden soll, kann nicht eindeutig beantwortet werden. Für<br />

Beispiel 4.4.3 erhält man <strong>im</strong> Standardraum nicht <strong>im</strong>mer die asymptotisch richtigen Ergebnisse. Eine<br />

Lösung <strong>im</strong> Originalraum existiert nicht. Man kann aber auch Beispiele finden, in denen das<br />

Arbeiten <strong>im</strong> Ursprungsraum zu asymptotisch nicht richtigen Ergebnissen führt (vergl. Beispiel<br />

4.7.3). Es gibt Hinweise, daß <strong>im</strong> Standardraum <strong>im</strong>mer dann richtige asymptotische Ergebnisse<br />

erhalten werden wenn ein eindeutiger β−Punkt existiert. Allgemein kann das Arbeiten <strong>im</strong> Standardraum<br />

auch wegen der besseren Skalierung des Opt<strong>im</strong>ierungsproblems empfohlen werden.<br />

Für das ungewöhnliche Beispiel 4.4.4 gibt es mit der vorgeführten FORM-SORM Methodik keine<br />

Lösung. Vorsicht ist also geboten, wenn die Krümmungen numerisch sehr klein berechnet werden.<br />

Dann ist die Grenzzustandsfunktion entweder tatsächlich fast linear oder man hat ein Problem wie<br />

in Beispiel 4.4.4 vorliegen.<br />

Weiter ist da das Problem der multiplen ’’kritischen’’ Punkte, welches sowohl <strong>im</strong> Standardraum<br />

als auch <strong>im</strong> Ursprungsraum auftreten kann <strong>und</strong> das bei Anwendungen große Sorgfalt erfordert. Es<br />

ist geboten, alle kritischen Punkte aufzufinden, z.B. durch Starten des Suchalgorithmus von zufälligen<br />

Startpunkten, die Grenzzustandsfunktion lokal linear oder quadratisch zu nähern <strong>und</strong> dann<br />

wenigstens die Versagenswahrscheinlichkeiten für alle Punkte aufzusummieren. Glücklicherweise<br />

existiert meist nur ein einziger ’’kritischer’’ Punkt.<br />

Be<strong>im</strong> Arbeiten <strong>im</strong> Standardraum hängt das Ergebnis, wie in Beispiel 4.7.2 demonstriert, u.U. auch<br />

von der speziellen Reihenfolge der Rosenblatt-Transformation ab, da die jeweils ermittelten Versa-<br />

74


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

genswahrscheinlichkeiten nach FORM oder SORM Näherungen sind. Praktisch signifikant können<br />

Fehler jedoch nur bei relativ unzuverlässigen Problemen, wie in den vorgestellten Beispielen,<br />

werden.<br />

Wenn in Standardraum gearbeitet wird, ist es manchmal wichtig eine exakte Wahrscheinlichkeitstransformation<br />

wie die Rosenblatt-Transformation zu wählen (vergl. Beispiel 4.7.2). Andernfalls<br />

können nur sehr näherungsweise Ergebnisse entstehen.<br />

In schwierigen, unübersichtlichen Fällen kann man sich jedoch <strong>im</strong>mer der besprochenen S<strong>im</strong>ulationsmethoden<br />

in den Anhängen A <strong>und</strong> B bedienen. Diese Verfahren werden häufig als exakte<br />

Verfahren bezeichnet. Das sind sie natürlich nur, wenn der Stichprobenumfang gegen ∞ geht.<br />

Schließlich soll erwähnt werden, daß es fürdieLösung der numerischen Aufgaben eine Reihe von<br />

Rechenprogrammen gibt, die z.T. alle beschriebenen Berechnungsverfahren ausführen können <strong>und</strong><br />

dem Benutzer durch eine gute Benutzeroberfläche die Anwendung sehr erleichtern.<br />

75


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

S<strong>im</strong>ulationsmethoden auf der Ba-<br />

ANHANG B:<br />

sis von SORM ∗<br />

B.1.<br />

Monte-Carlo-Methoden mit Richtungsstichprobenwahl<br />

Nun ist es jedoch kaum sinnvoll, eine Wahrscheinlichkeitsschätzung nach Abschnitt 3 oder sogar 4<br />

durch eine Schätzung durch S<strong>im</strong>ulation zu ersetzen. Wie wir gesehen haben, mußte eine wichtige<br />

Region ja schon best<strong>im</strong>mt werden <strong>und</strong> es ist zweckmäßig von den schon gef<strong>und</strong>enen Näherungen<br />

auszugehen. S<strong>im</strong>ulation dient dann nur noch der Schätzung des möglicherweise gemachten<br />

Fehlers. Es ist:<br />

P (V )=P (A) P (V )<br />

P (A) = P (A)C<br />

(B.1.1)<br />

worin P (A) die Wahrscheinlichkeit einer Näherung der Grenzzustandsfläche <strong>und</strong> der zweite Faktor<br />

eben durch ’’<strong>im</strong>portance sampling’’ best<strong>im</strong>mt wird. Dieser Faktor kann durch:<br />

C = P (V )<br />

P (A) = ZV<br />

1<br />

·1(X ∈ V )<br />

P (A) f X(x)dx = E<br />

1(X ∈ A)<br />

f X (X)<br />

h X (X)<br />

¸<br />

≈ 1 N<br />

NX<br />

i=1<br />

1(x i ∈ V ) f X (x i )<br />

1(x i ∈ A) h X (x i )<br />

(B.1.2)<br />

abgeschätzt werden. Wiederum entsteht die Frage, wie man die Stichprobendichte so wählt, daß<br />

ein möglichst kleiner Variationskoeffizient entsteht. Wie in Anhang A wird man versuchen diese<br />

Dichte um den kritischen Punkt zu konzentrieren. Damit ist die Lage der Stichprobendichte<br />

festgelegt. Es ist aber schwierig, ohne weitere Überlegungen <strong>und</strong> Rechnungen Aussagen über<br />

die opt<strong>im</strong>ale Streubreite der Stichprobenfunktion zu machen. Es ist auch anzustreben, die vielen<br />

Fehlversuche, die auch bei diesem Schema noch auftreten, zu vermeiden. Das erreicht man indem<br />

man z.B. auf einer Ebene senkrecht zum Richtungsvektor des β−Punktes s<strong>im</strong>uliert <strong>und</strong> dann<br />

den Quotienten der Lösungen in Richtung des β−Punktes bildet. Die Verhältnisse werden wiederum<br />

wesentlich übersichtlicher, wenn man zunächst eine Wahrscheinlichkeitstransformation in den<br />

Standardraum vorn<strong>im</strong>mt. Außerdem drehen wir der Bequemlichkeit halber das Koordinatensystem<br />

mittels einer Orthogonaltransformation (u → v) derart, daß eine Achse, z.B. die u n -Achse,<br />

durch den β-Punkt u ∗ geht <strong>und</strong> damit <strong>im</strong> neuen System die Koordinaten (0,...,0,u ∗ ) T hat. Dann<br />

ist:<br />

Z<br />

Z<br />

P (V )= ϕ n (v)dv = 1 V (v,v n )ϕ(v n )dv n ϕ n−1 (v)dv (B.1.3)<br />

V<br />

ZR n−1 R 1<br />

mit v =(v 1 ,...v n−1 ) T <strong>und</strong> 1(v,v n ) der Indikatorfunktion für V . Die Integration über v n ist analytisch,<br />

d.h.<br />

Z<br />

Z f (v)<br />

p(v) = 1 V (v,v n )ϕ(v n )dv n = ϕ(v n )dv n = Φ(f(v))<br />

R 1 −∞<br />

76


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

wobei v n


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Die interessierende Wahrscheinlichkeit kann geschrieben werden als:<br />

P (V )=P (g(V,V n ) < 0) = 1 V (v,v n )ϕ(v n )du n¸<br />

ϕ n−1 (v)dv<br />

ZR<br />

·ZR n−1 1<br />

(B.1.7)<br />

Einführung von<br />

Z<br />

p(v) = 1 V (v,v n )ϕ(v n )dv n =<br />

R 1<br />

Z f (v)<br />

−∞<br />

ϕ(v n )dv n = Φ(f(v))<br />

(B.1.8)<br />

<strong>und</strong> der Näherung nach Gl. (4.3.5)<br />

q(v) =<br />

Z t(v)<br />

−∞<br />

ϕ(v n )dv n = Φ(t(v))<br />

(B.1.9)<br />

ergibt:<br />

Z<br />

Z<br />

p(v)<br />

P (V )= p(v)ϕ n−1 (v)dv =<br />

R n−1 R q(v) q(v)ϕ n−1(v)dv (B.1.10)<br />

n−1<br />

Mit der Taylorentwicklung ln Φ(−β + x) = lnΦ(−β) +x ψ(−β) +lnR(x) mit ψ(−β) =<br />

ϕ(−β)/Φ(−β), R(x) einem Fehlerterm <strong>und</strong> t(v) nach Gl. (B.4.5) kann man Gl. (B.4.8) wie folgt<br />

modifizieren:<br />

Z<br />

p(v)<br />

P (V ) =<br />

R q(v) exp[ln q(v)]ϕ n−1(v)dv<br />

Z<br />

n−1 p(v)<br />

≈<br />

R q(v) Φ(−β)exp[1 2 ψ(−β) Xn−1<br />

κ i vi 2 ]R(v)ϕ n−1(v)dv<br />

n−1 i=1<br />

Z<br />

n−1<br />

p(v)<br />

= Φ(−β)<br />

R q(v) R(v) Y<br />

ϕ(v i (1 − ψ(−β)κ i ) 1/2 )dv<br />

n−1<br />

n−1<br />

Y<br />

= Φ(−β)<br />

i=1<br />

i=1<br />

(1 − ψ(−β)κ i ) 1/2 Z<br />

n−1<br />

p(v)<br />

R q(v) R(v) Y ϕ(v i (1 − ψ(−β)κ i ) 1/2 )<br />

dv<br />

(1 − ψ((−β)κ n−1 i )) 1/2<br />

n−1<br />

Y<br />

= Φ(−β) (1 − ψ(−β)κ i ) −1/2 E[Z(V)] (B.1.11)<br />

i=1<br />

Darin ist Z(v) =R(v)p(v)/q(v) wobei v ein unabhängiger, normalverteilter Vektor mit Mittelwert<br />

0 <strong>und</strong> der Varianz (1 − ψ(−β)κ i ) −1 ist.R(v) ist der Fehlerterm. Asymptotisch ist Z(v) nur<br />

wenig verschieden von 1 <strong>und</strong> wir haben mit Z(v) =1eine neue Ableitung von Gl.(4.4.6), da<br />

ψ(−β) ∼ β. Den letzten Term best<strong>im</strong>mt man nach<br />

E[Ẑ(V )] ≈ 1 N<br />

NX<br />

k=1<br />

p(v k )<br />

q(v k ) R(v k) ≈ 1 N<br />

NX<br />

k=1<br />

Φ(f(v k ))<br />

Φ(−β)<br />

i=1<br />

"<br />

#<br />

exp − 1 n−1<br />

2 ψ(−β) X<br />

κ i vik<br />

2<br />

i=1<br />

(B.1.12)<br />

Unter best<strong>im</strong>mten Voraussetzungen kann man sogar nachweisen, daß der so best<strong>im</strong>mte Schätzer<br />

des Korrekturterms in Gl. (B.4.9) der Schätzer mit der geringsten Varianz unter allen denkbaren<br />

78


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Schätzern ist. Falls (1 − ψ(−β)κ i ) ≤ 0 wählt man ein κ i so, daß (1 − ψ(−β)κ i ) > 0. Die Genauigkeit<br />

des Verfahrens hängt nur unwesentlich von der zu schätzenden Versagenswahrscheinlichkeit<br />

<strong>und</strong> der D<strong>im</strong>ension n ab. Ähnlich geht man bei Durchschnittsmengen oder Vereinigungsmengen<br />

vor. Man muß jedoch bedenken, daß die Hauptkrümmungen bekannt sein müssen, was zusätzlichen<br />

Aufwand bedeutet. Oft ist es daher zweckmäßig, die S<strong>im</strong>ulation direkt von der FORM-<br />

Approx<strong>im</strong>ation zu starten. Bei hohen D<strong>im</strong>ensionen n wird die Methode dann erst richtig wirksam.<br />

Und sie scheint sehr robust zu sein. Die Nullstellenbest<strong>im</strong>mung in Richtung der v n −Achse kann<br />

bei stark gekrümmten Grenzzustandsfunktionen jedoch aufwendig werden. Die Verfahren in Gl.<br />

(B.5.5) oder (B.5.11) bzw. (B.5.12) sind natürlich auch bei Seriensystemen analog zu Gl. (B.3.5)<br />

anwendbar.<br />

B.2.<br />

Verfahren mit asymyptotischer Stichprobendichte<br />

Ein ähnlich effizientes Verfahren wurde in [108] entworfen. Man kann nämlich zeigen, daß<br />

die bedingte, asymptotische Dichte <strong>im</strong> Versagensbereich in einem gedrehten Koordinatensystem<br />

(β−Punkt auf der v n -Achse) <strong>und</strong> für ein in den β−Punkt verschobenes Koordinatensystem, d.h.<br />

für v n > β, β →∞, durch<br />

"<br />

#<br />

n−1<br />

1 Y<br />

h(v) =<br />

(1 − βκ<br />

(2π) − n−1<br />

i ) 1/2 exp − 1 Xn−1<br />

(1 − βκ i )vi<br />

2 β exp [−βv n ] (B.2.1)<br />

2<br />

2<br />

i=1<br />

gegeben ist, d.h. durch n − 1 unabhängige normalverteilte Variable mit Mittelwert 0 <strong>und</strong> Varianz<br />

(1 − βκ i ) −1 <strong>und</strong> eine Exponentialverteilung mit Parameter β. Diese Dichte verwendet man als<br />

Importanzstichprobendichte in Gl. (B.3.2). Aufgr<strong>und</strong> der speziellen Wahl der Importanzstichprobendichte<br />

ist die Indikatorfunktion fast <strong>im</strong>mer Eins. Dieses Verfahren benötigt keine Liniensuche.<br />

Bei zum Ursprung hin gekrümmten <strong>und</strong> von der quadratischen Form abweichenden Versagensflächen<br />

tritt ein Problem auf. Alle s<strong>im</strong>ulierten Punkte nach Gl. (B.2.1) liegen in einem Halbraum<br />

mit v n > β. Gewisse Versagensbereiche werden daher nicht erfaßt. Es ist dann zweckmäßig, den<br />

Verschiebungsbetrag für das Koordinatensystem angemessen zu verkleinern. Ein Vorschlag hierzu<br />

enthält [108] . Alternativ kann auch<br />

½ ¾<br />

ρβ exp [−βvn ];wenn v<br />

h(v n ) =<br />

n < 0<br />

(1 − ρ)β exp [−βv n ];wenn v n ≥ 0<br />

½ ¾<br />

0 wenn κi ≤ 0; i =1, 2, ..., n − 1<br />

mit ρ =<br />

2+ ¡P κ i >0 1 − κ ¢ 2 gewählt werden. Bei Schnittmengensystemen<br />

i<br />

V = T m<br />

s=1 V s, <strong>und</strong> hier ist das Verfahren mit asymptotischer Importanzstichprobendichte den anderen<br />

Verfahren überlegen, gilt analog<br />

"<br />

#<br />

1<br />

h(v) =det(C) exp − 1 mX<br />

kY<br />

"<br />

#<br />

kX<br />

c<br />

(2π) − m−k<br />

ij v i v j (|∇g i (ν ∗ )γ<br />

2 2<br />

i |)exp − (|∇g i (ν ∗ )γ i | ω i )<br />

i,j=k+1 i=1<br />

i=1<br />

(B.2.2)<br />

d.h. das Produkt einer n − k-d<strong>im</strong>ensionalen Normalverteilung mit Mittelwert 0 <strong>und</strong> Kovarianzmatrix<br />

C −1 <strong>und</strong> k unabhängigen Exponentialverteilungen mit Parameter |∇g i (u ∗ )γ i | . Dabei gilt<br />

g i (u ∗ )=0,i =1,...k <strong>und</strong> g i (u ∗ ) < 0,i = k +1,...m<strong>und</strong> es sind ω i =(ν − ν ∗ ) ∇g i(ν ∗ )<br />

,i =<br />

k∇g i (ν ∗ )k<br />

i=1<br />

79


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

1,...k <strong>und</strong> γ i die Lösungen des Gleichungssystem u ∗ = P k<br />

n<br />

i=1 γ i∇g i (u ∗ ), γ i < 0 sowie C =<br />

δ ij − P o<br />

k<br />

s=1 γ ∂ 2 g s(v ∗ )<br />

s ∂v i ∂v j<br />

; i, j = k +1,...,m . Gl. (B.2.2) hat, wie man sieht, den gleichen Aufbau<br />

wie Gl. (B.2.1). Beide Formeln können auch für den Originalraum ausgeschrieben werden.<br />

Die Versagenswahrscheinlichkeit wird nunmehr durch<br />

ˆP f ≈ 1 N<br />

nX<br />

i=1<br />

1(v i ∈ V ) ϕ(v i)<br />

h(v i )<br />

(B.2.3)<br />

berechnet. Dabei muß auf die Nichtorthogonalität der ersten k Restriktionen Rücksicht genommen<br />

werden. Es wird also keine Approx<strong>im</strong>ation verbessert, sondern direkt geschätzt. Man benötigt allerdings<br />

zweiter Ordnung Information. Das ist bei großen D<strong>im</strong>ensionen ein Nachteil. Auf weitere<br />

Details kann nicht eingegangen werden.<br />

Das Vorliegen von Gl. (B.2.2) in Verbindung mit den für Gl. (A.3.4) <strong>und</strong> (A.3.5) dargelegten Konzepten<br />

erlaubt nun auch ganze Schnittmengensystem der Form V = S` T m<br />

r=1 s=1 V rs zu berechnen.<br />

Die Gewichte w r werden zweckmäßigerweise nach der 1. Ordnung Version für Schnitte, d.h. nach<br />

berechnet.<br />

w r =<br />

Φ(−β r ; R r )<br />

P`<br />

k=1 Φ(−β k; R k )<br />

Beispiel B.4.1: Rechnung für Beispiel 4.4.3 (Gl. (1))<br />

In Beispiel 4.4.3 wurde demonstriert, daß in seltenen Fällen eine SORM-Approx<strong>im</strong>ation nicht<br />

asymptotisch exakt ist. Dann kann man durch geeignete Importanzstichprobenverfahren <strong>im</strong>mer<br />

eine beliebig genaue Lösung erreichen. Mit a = n =10ist beispielsweise β FORM =6.816,<br />

β SORM =5.747 <strong>und</strong> mit N =100in Gl. (A.5.10) β SIMULATION ≈ 5.966. Die zugehörige Schätzung<br />

der Versagenswahrscheinlichkeit hat dann einen Variationskoeffizienten von V =10.39%.<br />

Für N =1000erhält man β SIMULATION ≈ 5.985 bei V =3.46%.<br />

#<br />

Beispiel B.4.2: Vergleich der S<strong>im</strong>ulationsverfahren<br />

Beispielhaft seien die verschiedenen Verfahren anhand der Zustandsfunktion [108]<br />

g(u) =b − u 1 + a n<br />

nX<br />

(cosh(u i ) − 1) (1)<br />

für n =10,b=3.5 <strong>und</strong> a =1bzw −0.1 miteinander verglichen. Angegeben ist die mittlere<br />

Anzahl der Stichproben um einen Variationskoeffizienten von 0.05 zu erreichen <strong>und</strong> die zugehörige<br />

Schätzung von β. Das mit einem Variationskoeffizienten von < 0.01 zu erzielende ’’exakte’’<br />

Ergebnis ist β ≈ 3.934 bzw. 3.440.<br />

i=2<br />

80


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

a =1 a = −0.1<br />

N β N β<br />

FORM 28 3.5 28 3.5<br />

SORM 93 3.865 93 3.454<br />

A.2.2 8 ·10 6 3.916 1.2 ·10 6 3.435<br />

A.3.2 - FORM 3000 3.959 1500 3.465<br />

Adaptives A.3.2 12000 3.922 10000 3.433<br />

B.1.9 - FORM 300·4+28=1228 3.911 25·4+28=128 3.435<br />

B.1.9 -SORM 30·3+93=183 3.937 5·3+93=108 3.439<br />

B.2.3 72+93=165 3.941 503+93=596 3.446<br />

SORM ist schon recht genau. Das Verfahren nach Gl. (A.2.2) ist hier für eine praktische Anwendung<br />

vom Aufwand her indiskutabel. Das Verfahren Gl. (A.2.8) versagt. Auch das Verfahren Gl.<br />

(A.3.2) mit vorheriger Best<strong>im</strong>mung des β−Punktes oder dasselbe nach Abschnitt A.4 adaptiv angewandte<br />

Verfahren ist zu aufwendig. Die letzten drei Verfahren sind allen anderen weit überlegen.<br />

Die Variante Gl. (B.1.9-FORM) geht von der Linearisierung aus <strong>und</strong> braucht daher etwas mehr<br />

Funktionsaufrufe in der Liniensuche als die Variante Gl. (B.1.9-SORM). Diese ist hier sehr effizient,<br />

da ein Paraboloid eine hervorragende Näherung für Gl. (1) darstellt. Bei Gl. (B.2.3) beachte<br />

man, daß jeder Funktionsaufruf einen Stichprobenpunkt bedeutet. Erstaunlicherweise benötigt<br />

man bei a = −0.1 weniger Stichproben als bei a =1.<br />

#<br />

Beispiel B.4.3: FORM/SORM <strong>und</strong> Importanzstichprobenverfahren bei hohen D<strong>im</strong>ensionen<br />

Importanzstichprobenverfahren werden mit zunehmender D<strong>im</strong>ension <strong>im</strong>mer wichtiger. Das veranschauliche<br />

das folgende einfache Beispiel. Die Grenzzustandsfunktion sei<br />

g(X) =±<br />

nX<br />

X i ∓ C j (1)<br />

i=1<br />

mit C j =(n + a √ n),j =1, 2. Die X i seien lognormalverteilt mit Mittelwert 1 <strong>und</strong> Variationskoeffizient<br />

0.2. β−Punkt <strong>und</strong> Krümmungen sind hier zwar analytisch, sie werden aber zum Vergleich<br />

numerisch berechnet. Ergebnisse für verschiedene n zeigt nachfolgende Tabelle.<br />

n C j m FORM β FORM m SORM β SORM m FORM+IMP β FORM+IMP<br />

50 45.76 154 2.47 1480 3.08 164 2.95-3.05<br />

50 54.24 154 3.61 1480 2.80 164 2.90-3.10<br />

100 94.00 304 2.13 5455 3.01 314 2.95-3.05<br />

100 106.00 304 3.93 5455 2.75 314 2.90-3.10<br />

200 191.51 603 1.69 20904 3.00 613 2.95-3.05<br />

200 208.46 603 4.37 20940 2.61 613 2.90-3.10<br />

1000 981,03 3004 -0.07 504505 3.00 3014 2.95-3.05<br />

1000 1018.97 3004 6.13 504505 2.59 3014 2.90-3.10<br />

Hier wurde a = ∓3·0.2 genommen. Nach dem zentrale Grenzwertsatz ist β dann näherungsweise<br />

gleich3inallenFällen. m bezeichnet die Anzahl der Funktionsaufrufe. Die Lognormalverteilung<br />

läßt die Grenzzustandsgleichung leicht gekrümmt werden <strong>und</strong> zwar vom Ursprung weg <strong>im</strong><br />

jeweils ersten <strong>und</strong> zum Ursprung hin <strong>im</strong> jeweils zweiten Fall. Die Krümmungen nehmen mit n ab.<br />

Der numerische Aufwand wächst linear mit n bei FORM <strong>und</strong> quadratisch bei SORM. Drei Gra-<br />

81


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

dientenschritte sind erforderlich um den β−Punkt zu lokalisieren. Die FORM-Ergebnisse werden<br />

mit zunehmendem n ziemlich schlecht <strong>und</strong> dann unbrauchbar. Die SORM-Resultate sind für alle<br />

n gerade noch akzeptabel, der numerische Aufwand jedoch nicht. Der Vergleich mit den FORM-<br />

Resultaten zeigt, daß die Krümmungskorrektur aufgr<strong>und</strong> der hohen D<strong>im</strong>ensionen sehr groß ausfällt.<br />

Nurr<strong>und</strong>10zusätzliche Stichproben nach dem Verfahren Gl. (B.1.10) (ohne Information<br />

zweiter Ordnung) ergeben hier jedoch eine sehr gute Schätzung mit einem Variationskoeffizienten<br />

von r<strong>und</strong> 5%. Die Spanne der β−Werte bei verschiedenen Läufen mit einem zufälligen SEED-Wert<br />

zeigt, daß die vom Ursprung weg gekrümmte Grenzzustandsfunktion etwas gutartiger ist.<br />

#<br />

82


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Kapitel 5.<br />

Systeme in der <strong>Zuverlässigkeit</strong>stheorie<br />

5.1. Zum Begriff des Systems in der <strong>Zuverlässigkeit</strong>stheorie<br />

Im allgemeinen wird unter einem System ein Verband verschiedener <strong>und</strong> deutlich unterscheidbarer<br />

Komponenten verstanden, dessen einwandfreies Funktionieren <strong>im</strong> Hinblick auf die verschiedenen<br />

technischen Anforderungen an das System das Funktionieren aller oder gewisser Teilmengen<br />

der Komponenten erfordert. Bei der mathematischen Modellierung eines Systems muß man die<br />

Komponenten z.T. künstlich einführen, da eine eindeutige Unterscheidung aus dem physikalischen<br />

Sachverhalt nicht <strong>im</strong>mer natürlich ist. Bezüglich der Arbeitsweise der Komponenten <strong>und</strong> ganz besonders<br />

für ihr Zusammenwirken <strong>im</strong> System muß man weitere Idealisierungen vornehmen. Die<br />

wichtigste ist, daß sich <strong>im</strong> allgemeinen Komponenten nur entweder <strong>im</strong> intakten oder <strong>im</strong> defekten<br />

Zustand befinden können. Es gibt zwar Versuche, diese einfache Beschreibung des Zustandes<br />

von Komponenten zu verfeinern, beispielsweise durch Einführung von Zwischenzuständen. Eine<br />

<strong>Zuverlässigkeit</strong>sanalyse wird dann jedoch erheblich erschwert <strong>und</strong> kann hier nicht weiter verfolgt<br />

werden. Eine Darstellung der Zustände einer Komponente durch zwei Zustände, d.h. den intakten<br />

<strong>und</strong> den defekten, wird Boolesche Darstellung genannt. Tatsächlich haben wir diese <strong>im</strong> vorigen<br />

Abschnitt bei der Beschreibung von reparierbaren Komponenten bereits angewandt. Für einSystem<br />

wollen wir nun ebenfalls nur eine Boolesche Beschreibung des Zustandes zulassen wobei<br />

nicht genug unterstrichen werden kann, daß dies, bezogen auf das System, eine noch weitergehende<br />

Idealisierung der Wirklichkeit bedeutet. Schließlich wollen wir nur sogenannte kohärente<br />

Systeme betrachten, d.h. Systeme die intakt bleiben, wenn eine intakte Komponente hinzugefügt<br />

wird.<br />

Es ist nützlich die verschiedenen Arten von Sytemen aus der Sicht der <strong>Zuverlässigkeit</strong>stheorie grob<br />

zu klassifizieren. Ein Seriensystem versagt, wenn auch nur eine seiner Komponenten versagt. Ein<br />

typisches Beispiel ist die Kette, bei der das Versagen jedes einzelnen Gliedes auch Kettenversagen<br />

entspricht. Ein Parallelsystem versagt, wenn auch die letzte Komponente versagt. Solche<br />

Systeme nennt man auch red<strong>und</strong>ant. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, daß das Versagen<br />

einer oder auch mehrerer Komponenten noch nicht das Versagen des Systems bedeuten muß.<br />

Beispiele sind in der Regel Versorgungsanlagen für Wasser oder Elektrizität. Wir werden sehen,<br />

daß diesen Systemen wegen der zweiwertigen Beschreibung ihrer Zustände ganz best<strong>im</strong>mte Mengenoperationen<br />

zukommen. In der <strong>Zuverlässigkeit</strong>stheorie werden wir daher auch schon dann von<br />

einem System sprechen, wenn eben solche Operationen für eine Bescheibung des Systemzustandes<br />

notwendig sind. Im allgemeinen sind Systeme aus vielen Komponenten in komplexer logischer<br />

Anordnung von seriellen <strong>und</strong> parallelen Untersystemen zusammengesetzt. Nachfolgend werden<br />

zunächst einige formale Regeln für die Analyse derartiger Systeme aufgestellt.<br />

5.2. Logische Analyse von Systeme<br />

Es sei F i = {X ∈ V i } das Versagensereignis der i−ten Systemkomponente <strong>und</strong> F das Versagensereignis<br />

des Systems. FüreinSeriensystem (’’oder’’ Verbindung) ist das Versagensereignis die<br />

Vereinigung der Einzelereignisse<br />

F s = ∪F i (5.2.1)<br />

83


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

2 3 2 3<br />

1 1<br />

4<br />

4<br />

F 1 F2 F 3 F4 F1 F2 F3 F4<br />

2 3<br />

2<br />

3<br />

1 1<br />

4<br />

4<br />

(F1 F2) (F3 F4) (F1 F2) (F3 F4)<br />

Abb. 5.1.Versagensbereiche <strong>und</strong> Schaltbilder von elementaren Systemen<br />

Für einParallelsystem (’’<strong>und</strong>’’-Verbindung) ist das Versagensereignis der Schnitt der Einzelereignisse<br />

F p = ∩F i (5.2.2)<br />

Entsprechend haben Parallelsysteme in Serie (Vereinigungen von Schnitten) die Darstellung<br />

F sp = ∪∩F ij (5.2.3)<br />

<strong>und</strong> parallelgeschaltete Seriensystem (Schnitte von Vereinigungen) die Darstellung<br />

F ps = ∩∪F st (5.2.4)<br />

Diese Systeme sind für ein Beispiel durch ihre Versagensbereiche <strong>und</strong> ihr Blockdiagramm in Abb.<br />

5.1 dargestellt.<br />

Von großer Bedeutung ist, daß jedes System durch eine der beiden letzten Darstellungen beschrieben<br />

werden kann, indem man von den distributiven Gesetzen der Mengenalgebra Gebrauch macht.<br />

F i ∩ (F j ∪ F k )=(F i ∩ F j ) ∪ (F i ∩ F k ) (5.2.5)<br />

84


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

F i ∪ (F j ∩ F k )=(F i ∪ F j ) ∩ (F i ∪ F k ) (5.2.6)<br />

Ferner werden wesentliche Reduktionen durch die sogenannten Absorptionsregeln, d.h. durch<br />

F i ∪ F j = F j<br />

F i ∩ F j = F i<br />

} für F i ⊆ F j (5.2.7)<br />

(F i ∪ F k ) ⊂ F j<br />

(F i ∩ F k ) ⊂ F j<br />

} für F i ⊂ F j <strong>und</strong> F k ⊂ F j (5.2.8)<br />

möglich. Hierdurch kann man die Menge ’’min<strong>im</strong>al’’ machen. Min<strong>im</strong>ale Schnittmengen sind<br />

solche die keine andere Schnittmenge als echte Teilmenge enthalten. Analog wird die Darstellung<br />

(5.2.4) als Pfadmenge bezeichnet. Diese ist min<strong>im</strong>al wenn sie keine andere Pfadmenge als echte<br />

Teilmenge enthält.<br />

Im ersten Schritt der Analyse eines Systems ist die logische Struktur des Systems zu ermitteln. Im<br />

zweiten mehr formalen Schritt wird die gef<strong>und</strong>ene Menge dann auf eine min<strong>im</strong>ale Menge reduziert.<br />

Erst <strong>im</strong> dritten Schritt sind gegebenenfalls Wahrscheinlichkeitsberechungen auszuführen.<br />

Beispiel 5.2.1: Wasserversorgungssystem<br />

Wir betrachten ein einfaches Versorgungssystem wie in nachstehendem Bild. Zwei Versorger S1<br />

<strong>und</strong> S2 bedienen zwei Verbraucher A1 and A2. Die Pfeile deuten die möglichen Versorgungsrichtungen<br />

an. Das System versagt bei einer außergewöhnlichen Beanspruchung, wenn nur einer der<br />

beiden Verbraucher nicht versorgt wird. Hier ist es leicht möglich das Versagensereignis vollständig<br />

aufzuschreiben.<br />

S2<br />

S1<br />

A1<br />

A2<br />

Abb. 5.2.Beispiel für ein Versorgungssystem<br />

F = {[F 1 ∩ (F 2 ∪ F 3 ) ∩ (F 3 ∪ F 4 ∪ F 5 )] ∪ [(F 1 ∪ F 5 ) ∩ (F 3 ∪ F 4 ) ∩ (F 2 ∪ F 3 ∪ F 5 )]} (1)<br />

Ein Schaltdiagramm (Blockdiagramm) ist gut geeignet die logische Struktur deutlich zu machen<br />

(vergl. Bild). Man betrachtet die Versorgung von A1 <strong>und</strong> A2 getrennt. Z.B. wird A1 nicht mehr<br />

versorgt, wenn die Leitung 1 ’’<strong>und</strong>’’ Leitung 2 ’’oder’’ 3 ’’<strong>und</strong>’’ Leitung 3 ’’oder’’ 4 ’’oder’’ 5versagt<br />

haben. Die Versagensmenge ist jedoch noch nicht min<strong>im</strong>al. Wir wenden zunächst die Regeln<br />

(5.2.5) <strong>und</strong> (5.2.6) an <strong>und</strong> erhalten fürA1<br />

F A1 = {(F 1 ∩ F 2 ∩ F 3 ) ∪ (F 1 ∩ F 2 ∩ F 4 ) ∪ (F 1 ∩ F 2 ∩ F 5 ) ∪ (2)<br />

∪(F 1 ∩ F 3 ∩ F 3 ) ∪ (F 1 ∩ F 3 ∩ F 4 ) ∪ (F 1 ∩ F 3 ∩ F 5 )}<br />

85


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

(man führe alle ’’Schnitte’’, die zum Versagen führen, in der oberen Hälfte des Blockdiagramms<br />

aus).<br />

3 2 1<br />

4 3<br />

5<br />

2 3 1<br />

1 2 4<br />

1 2 3<br />

1 3<br />

1 2 2 3 1<br />

3 3 3 4 5<br />

4 4 5 5<br />

3 4<br />

5<br />

5<br />

2 5<br />

4 5<br />

Abb. 5.3.Schaltbilder für Versorgungssystem<br />

Dann werden die Absorptionsregeln angewandt. Zunächst werden all Mehrfachereignisse in den<br />

Schnittmengen bis auf eine el<strong>im</strong>iniert. Dann werden die Mehrfachschnittmengen bis auf eine gestrichen.<br />

Schließlich werden alle Schnittmengen, die Teilmengen anderer Schnittmengen sind,<br />

beseitigt. Man erhält:<br />

F = {(F 1 ∩ F 3 ) ∪ (F 3 ∩ F 5 ) ∪ (F 4 ∩ F 5 ) ∪ (F 1 ∩ F 2 ∩ F 4 ) ∪ (F 1 ∩ F 2 ∩ F 5 )} (3)<br />

Ganz analog bekommt man eine Pfadmenge. Nach den de Morganschen Regeln ist A ∩ B = A∪B<br />

and A ∪ B = A ∩ B. Daher hat man für die Darstellungen ∪∩F ij = Ω \ (∩ ∪F ij ) <strong>und</strong><br />

∩∪F ij = Ω \ (∪ ∩F ij ). Nach dem man also die min<strong>im</strong>ale Schnittmenge für die Versagensereignisse<br />

gef<strong>und</strong>en hat, erzeugt man durch Übergang zu den komplementären Ereignissen <strong>und</strong><br />

komplementären Mengenoperationen die min<strong>im</strong>ale Pfadmenge für die sicheren Ereignisse. Das<br />

Resultat ist<br />

F = {(F 1 ∪ F 5 ) ∩ (F 1 ∪ F 3 ∪ F 4 ) ∩ (F 2 ∪ F 3 ∪ F 4 ) ∩ (F 2 ∪ F 3 ∪ F 5 ) ∩ (F 3 ∪ F 4 ∪ F 5 )} (4)<br />

#<br />

Beispiel 5.2.2: Zeitvariante Systeme mit exponential verteilten Versagenszeiten der Komponenten<br />

Für unabhängige, exponentialverteilte Versagenszeiten, d.h. mit Verteilungsfunktion F i (t) =1−<br />

exp [−ρ i t] ,i=1, 2, ρ 1 6= ρ 2 , lassen sich die Systemversagenswahrscheinlichkeiten leicht berechnen.<br />

Bei den Parallelsystemen unterscheidet man solche mit kalter Reserve <strong>und</strong> heißer Reserve,<br />

d.h. bei ersterem ’’arbeitet’’ <strong>im</strong>mer nur eine Komponente, die nach Ausfall durch eine andere, in<br />

Reserve stehende Komponente ersetzt wird. Bei heißer Reserve ’’arbeiten’’ <strong>im</strong>mer alle Komponenten<br />

gleichzeitig. Bei Tragsystemen kommt praktisch nur der Fall mit heißer Reserve vor, wenn<br />

man eine solche Unterscheidung überhaupt treffen möchte.<br />

P f,S = P ( [ 2<br />

{T i − t ≤ 0}) =1− P ( \ 2<br />

{T i − t>0}) =1− exp [−(ρ 1 + ρ 2 )t] (1)<br />

i=1 i=1<br />

86


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Abb. 5.4.Versagensbereiche für ideale Seriensysteme <strong>und</strong> ideale Parallelsysteme mit heißer <strong>und</strong> kalter Red<strong>und</strong>anz<br />

P f,P H = P ( \ 2<br />

{T i − t ≤ 0}) =1− exp [−ρ 1 t] − exp [−ρ 2 t]+exp[−(ρ 1 + ρ 2 )t] (2)<br />

i=1<br />

P f,PC = P ( X 2<br />

{T i − t ≤ 0}) =<br />

i=1<br />

Es gilt <strong>im</strong>mer<br />

Z t Z τ<br />

wie man aus den Bildern erkennen kann.<br />

#<br />

0<br />

0<br />

f 1 (τ−t)f 2 (σ)dσdτ =1− ρ 2 exp [−ρ 1 t] − ρ 1 exp [−ρ 2 t]<br />

ρ 2 − ρ 1<br />

(3)<br />

P f,S ≥ P f,PH ≥ P f,PC<br />

5.3. Wahrscheinlichkeitsschranken fürSysteme<br />

Nachfolgend berechnen wir die Versagenswahrscheinlichkeit von Systemen unter den vereinfachenden<br />

Annahmen, daß die Komponentenereignisse entweder voll voneinander abhängig oder<br />

voneinander unabhängig sind.<br />

Für ein Seriensystem (oder Verknüpfung) hat man für unabhängige Ereignisse nach Übergang zu<br />

den komplementären Ereignissen:<br />

n[<br />

n\<br />

nY<br />

nY<br />

P f , S = P ( F i )=1− P ( F i )=1− P (F i )=1− (1 − P (F i )) (5.3.1)<br />

i=1<br />

i=1<br />

i=1<br />

i=1<br />

87


V e rs a g e n s w a h rs c h e in lic h k e it<br />

Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

1<br />

Seriensystem<br />

0.5<br />

P arallelsystem<br />

m it kalter Reserve<br />

Parallelsystem<br />

mit heiß er Reserve<br />

0<br />

0 2 4 6 8 10<br />

t<br />

Abb. 5.5.Versagenswahrscheinlichkeit für Seriensystem, Parallelsystem mit heißer Reserve <strong>und</strong> Parallelsystem<br />

mit kalter Reserve<br />

Analog erhält man für Parallelsysteme unter den gleichen Bedingungen:<br />

n\<br />

P f , P = P ( F i )=<br />

i=1<br />

nY<br />

P (F i ) (5.3.2)<br />

i=1<br />

Im voll abhängigen Fall ist:<br />

n[<br />

P f , S = P ( F i )=max{P (F i )} (5.3.3)<br />

i=1<br />

n\<br />

P f , P = P ( F i )=min{P (F i )} (5.3.4)<br />

Bei beliebiger Abhängikeit der Ereignisse gelten die Schranken 1. Ordnung:<br />

i=1<br />

max{P (F i )} ≤ P f , S ≤<br />

nX<br />

P (F i ) (5.3.5)<br />

i=1<br />

0 ≤ P f , P ≤ min{P (F i )} (5.3.6)<br />

Systeme mit komplexerer Struktur sind schwieriger zu behandeln. Wenn das System in disjunkte<br />

Schnittmengen zerlegt wurde, kann man das dritte Axiom der Wahrscheinlichkeitstheorie direkt<br />

anwenden, wobei zu beachten ist, daß die Schnittmengen Versagensereignisse <strong>und</strong> Überlebensereignisse<br />

enthalten können. Disjunktivität herzustellen ist zwar möglich, aber recht aufwendig.<br />

Außerdem können sich Schwierigkeiten bei der näherungsweisen Berechnung der Einzelereignisse<br />

ergeben.<br />

Wenn die Schnittmengen nicht disjunkt aber min<strong>im</strong>al sind, kann man die bekannte Entwicklungsformel<br />

für die Wahrscheinlichkeit der Vereinigung von Ereignissen verwenden.<br />

n[<br />

P (<br />

i=1<br />

F i )= X i<br />

P (F i )− X i


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Hierbei ist wichtig zu bemerken, daß die verschiedenen in dieser Formel vorkommenden Schnittmengen<br />

die gleichen Basisereignisse enthalten können. Die Vereinigung über die Schnittmengen<br />

muß daher Rücksicht darauf nehmen, daß Abhängigkeiten zwischen den Schnittmengen bestehen.<br />

Die Berücksichtigung von Termen höherer Ordnung in Gl. (5.3.4) kann Mühe bereiten. Außerdem<br />

ist nicht offensichtlich, wo man die Entwicklung gegebenenfalls abbrechen kann, da die Glieder<br />

<strong>im</strong> allgemeinen zuerst zunehmen <strong>und</strong> dann wieder fallen. Es ist jedoch möglich, einfache Schranken<br />

wachsender Ordnung <strong>und</strong> Schärfe zu konstruieren. Die gr<strong>und</strong>legende Idee ist leicht aus Bild<br />

5.4 zu ersehen. Für die ersten beiden Ereignisse hat man<br />

P (F 1 ∪ F 2 )=P (F 1 )+P (F 2 ) − P (F 1 ∩ F 2 )<br />

F<br />

2<br />

F<br />

1<br />

F 1<br />

F 2<br />

F 2<br />

F 3<br />

F 1<br />

F 2<br />

F 3<br />

F 1 F 3<br />

F<br />

3<br />

Abb. 5.6.Ableitung von Schranken zweiter Ordnung für Vereinigungswahrscheinlichkeiten<br />

Für das dritte Ereignis in einer Vereinigung erhält man eine obere Schranke, wenn die größere<br />

Schnittwahrscheinlichkeit, d.h. P (F 1 ∩ F 3 ) oder P (F 2 ∩ F 3 ) von dem zusätzlichen Term P (F 3 )<br />

abgezogen wird. Eine untere Schranke gewinnt man, wenn man die Summe dieser Schnittwahrscheinlichkeiten<br />

abzieht unter der Bedingung, daß diese Summe nicht größer sein kann als P (F 3 ).<br />

Wiederholte Anwendung dieses Schemas auf alle n Ereignisse in der Vereinigung ergibt:<br />

n[<br />

P (<br />

i=1<br />

F i )={ ≤ P (F 1)+ P n<br />

i=2 (P (F i)− max P {F i ∩ F j })<br />

j


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

welche gleich der Korrelationskoeffizientenmatrix R ist, da Z ein Vektor mit Mittelwert 0 <strong>und</strong><br />

Varianz 1 ist [72] :<br />

P f = P (∩ m i=1 {Z i ≤−β i })=Φ m (−β; R) (5.4.1)<br />

Φ m ist das mehrd<strong>im</strong>ensionale Normalverteilungsintegral. Für Vereinigungen V = ∪ n i=1V i ist entsprechend:<br />

P f = P (∪ m i=1{Z i ≤−β i })=1− P (∩ m i=1{Z i > −β i }) (5.4.2)<br />

= 1− P (∩ m i=1 {Z i ≤ β i })=1− Φ m (β; R)<br />

Die Berechnung des mehrd<strong>im</strong>ensionalen Normalverteilungsintegrals ist <strong>im</strong> allgemeinen schwierig<br />

<strong>und</strong> ist schon in Abschnitt 4.4 diskutiert (siehe GL. (4.4.5) <strong>und</strong> [151] sowie [73] ).<br />

Beispiel 5.4.1: Parallel- <strong>und</strong> Seriensysteme mit äquikorrelierten Komponenten<br />

Man betrachte Systeme bei denen jede Komponente mit der unsicheren Last S beaufschlagt wird<br />

<strong>und</strong> die die unsicheren <strong>und</strong> unabhängigen Festigkeiten R i ,haben. Sie weisen jeweils die gleiche<br />

Normalverteilung auf. Also ist<br />

V i = {R i − S ≤ 0} = {α i U i + α S U S + β ≤ 0} = {Z i ≤−β} (1)<br />

Der Korrelationskoeffizient der Sicherheitszonen ist<br />

ρ =<br />

σ 2 S<br />

σ 2 R + σ2 S<br />

(2)<br />

Also ist für das Parallelsystem<br />

<strong>und</strong> für das Seriensystem<br />

P f = P (∩ m i=1 {Z i ≤−β}) =Φ m (−β; {ρ}) (3)<br />

P f = P (∪ m i=1{Z i ≤−β}) =1− Φ m (β; {ρ}) (4)<br />

In diesem Fall kann das mehrd<strong>im</strong>ensionale Normalverteilungsintegral durch einfache Integration<br />

ermittelt werden, z.B. für das Parallelsystem entsprechend [42] :<br />

Φ m (−β; R) =<br />

Z ∞<br />

−∞<br />

ϕ 1 (t)<br />

mY<br />

i=1<br />

Φ 1 ( −β i − λ i t<br />

p<br />

1 − λ<br />

2<br />

i<br />

)dt (5)<br />

wenn ρ ij = λ i λ j (ρ ii =1;−1 ≤ λ i ≤ 1). Fürdenäquikorrelierten Fall ist (ρ ij ≥− 1<br />

m−1 ):<br />

Φ m (−β; R) =<br />

Z ∞<br />

−∞<br />

ϕ 1 (t)<br />

mY<br />

i=1<br />

Φ 1<br />

µ −βi − √ ρt<br />

√ 1 − ρ<br />

<br />

dt (6)<br />

Das nachfolgende Bild zeigt die bemerkenswerte Abhängigkeit des <strong>Zuverlässigkeit</strong>sindexes für<br />

ideale Parallel- <strong>und</strong> Seriensysteme mit äquikorrelierten <strong>und</strong> äquizuverlässigen Komponenten mit<br />

Korrelationskoeffizient ρ <strong>und</strong> Anzahl der Komponenten m. Man sieht, daß besonders Parallelsy-<br />

90


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

steme sehr empfindlich auf die Größe des Systems <strong>und</strong> die Korrelation zwischen den Komponenten<br />

reagieren.<br />

10<br />

ρ=0.1<br />

β<br />

9<br />

8<br />

7<br />

6<br />

ρ=0.3<br />

ρ=0.5<br />

ρ=0.7<br />

β = 4.25<br />

Parallelsysteme<br />

ρ=0.9<br />

5<br />

ρ=0.99<br />

4<br />

ρ=0.99<br />

ρ=0.9<br />

ρ=0.0,0.5<br />

3 0 10 20 30 40 50<br />

m<br />

Seriensysteme<br />

Abb. 5.7.Versagenswahrscheinlichkeit (β = −Φ −1 (P f ))für Systeme mit äquikorrelierten <strong>und</strong> äquizuverlässigen<br />

Komponenten<br />

Für Seriensysteme kann man gut auch die Schranken Gl. (5.3.8) verwenden.<br />

#<br />

Beispiel 5.4.2: Starr-plastischer Rahmen mit verschiedenen Versagensmodi<br />

Ein Portalrahmen kann auf die <strong>im</strong> Bild gezeigten Arten (Versagensmodi) versagen. Mithilfe des<br />

Arbeitssatzes erhält man drei Zustandsfunktionen.<br />

M 1 = X 1 + X 2 + X 4 + X 5 − X 6 h (1a)<br />

M 2 = X 1 +2X 3 +2X 4 + X 5 − X 6 h − X 7 h (1b)<br />

M 3 = X 2 +2X 3 + X 4 − X 7 h (1c)<br />

Die Konstante ist h =5[m]. Für die unsicheren Variablen gilt<br />

Variable Vert.-Typ m i σ i<br />

X 1 ...X 5 LN 134.9 [kNm] 13.49 [kNm]<br />

X 6 LN 50 [kN] 15 [kN]<br />

X 7 LN 40 [kN] 12 [kN]<br />

Durchführung der in diesem Fall sehr einfachen Transformation <strong>und</strong> Best<strong>im</strong>mung des jeweiligen<br />

β−Punktes ergibt:<br />

Modus β α 1 α 2 α 3 α 4 α 5 α 6 α 7<br />

1 2.71 0.084 0.084 - 0.084 0.084 -0.986 -<br />

2 2.88 0.077 - 0.150 0.150 0.077 -0.827 -0.509<br />

3 3.44 - 0.084 0.164 0.084 - - -0.979<br />

91


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

h<br />

X<br />

6<br />

2<br />

X<br />

3<br />

7<br />

4<br />

1<br />

5<br />

2 h<br />

Abb. 5.8.Versagensmodi eines Portalrahmens<br />

Die Korrelationsmatrix der Sicherheitszonen lautet:<br />

⎡<br />

1.000 0.841 0.014<br />

R = ⎣ 0.841 1.000 0.536<br />

0.014 0.536 1.000<br />

⎤<br />

⎦<br />

Geht man nach Gl. (5.3.9) vor, so errechnet sich folgende Matrix der Schnittwahrscheinlichkeiten<br />

bei Berechnung nach FORM:<br />

⎡<br />

⎤<br />

P = ⎣ 3.36·10−3<br />

symm.<br />

9.20·10 −4 1.99·10 −3<br />

⎦<br />

1.14·10 −6 4.25·10 −5 2.91·10 −4<br />

Die nach Gl. (5.3.9) erforderlichen Schnittwahrscheinlichkeiten werden nach Standardisierung<br />

der Sicherheitszonen nach Z i = M i−m i<br />

σ i<br />

am besten aus<br />

Z ρij<br />

Φ 2 (−β i , −β j ; ρ ij )=Φ(−β i )Φ(−β j )+<br />

0<br />

#<br />

1<br />

"−<br />

2π √ 1 − u exp 1 (β 2 i − 2uβ i β j + β 2 j)<br />

du (2)<br />

2 2 1 − u 2<br />

mit numerischer Integration <strong>und</strong> ρ ij = α T i α j berechnet (siehe z.B. [59] ). Damit sind die Schranken<br />

nach Gl. (5.3.5) bzw. (5.3.9)<br />

3.36 · 10 −3 ≤ 4.67 · 10 −3 ≤ P f ≤ 4.67 · 10 −3 ≤ 5.64 · 10 −3 (3)<br />

Die verbesserten Schranken (5.3.9) sind in diesem Fall bis auf zwei Stellen nach dem Komma<br />

schon exakt. Das gleiche Ergebnis erhält man wenn man nach Gl. (5.4.2) vorgeht.<br />

#<br />

5.5. Systematische Analysemethoden von Systemen<br />

5.5.1. Ereignisbäume<br />

Ereignisbäume zeigen die (gegebenenfalls zeitliche) Abfolge von Ereignissen, die schließlich zu<br />

einem Systemversagen führen. Vollständige Ereignisbäume enthalten auch diejenigen Ereignisse,<br />

die nicht zum Versagen führen. Meist beginnt man mit einem auslösenden Ereignis. Das wird an<br />

einem Beispiel demonstriert.<br />

92


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Beispiel 5.5.1: Beispiel für Ereignisbaumanalyse<br />

Eine Eisenbahnstrecke sei durch Felssturz gefährdet. Dann ergibt sich z.B. der folgende Ereignisbaum<br />

für einen Unfall mit Entgleisung.<br />

Schadensfolgen<br />

Zugverkehr<br />

gestoppt<br />

kein Unfall<br />

sehr klein<br />

Felssturz<br />

Zugverkehr<br />

nicht<br />

gestoppt<br />

Zug<br />

gewarnt<br />

kein Aufprall<br />

Aufprall<br />

Zug<br />

entgleist<br />

nicht<br />

klein<br />

mittel<br />

Zug entgleist<br />

groß<br />

Zug<br />

nicht<br />

gewarnt<br />

kein Aufprall<br />

Aufprall<br />

Zug<br />

entgleist<br />

nicht<br />

klein<br />

mittel<br />

Zug entgleist<br />

groß<br />

Abb. 5.9.Ereignisbaum bei Felssturz auf Eisenbahngleis<br />

#<br />

Ein anderes Beispiel könnte z.B. ein statisch unbest<strong>im</strong>mtes Fachwerk sein bei dem bei Beanspruchung<br />

zunächst ein beliebiger Stab versagt. Dann lagert sich die Last auf die verbleibenden Stäbe<br />

um. In dem neuen Tragwerk kann nun ein weiterer Stab versagen <strong>und</strong> wieder erfolgt Lastumlagerung.<br />

Das geht so fort bis das statisch best<strong>im</strong>mte System einen weiteren Stab verliert. Natürlich<br />

muß man alle möglichen ’’Wege’’ untersuchen.<br />

Das auslösende Ereignis A ist die Bedingung für alle folgenden Ereignisse. Und die Wahrscheinlichkeit<br />

auf einem best<strong>im</strong>mten ’’Weg’’ zu einer best<strong>im</strong>mten Folge zu gelangen ist die Wahrscheinlichkeit<br />

der Schnittmenge aller Ereignisse auf dem entsprechenden ’’Weg’’. Formal kann das wie<br />

folgt geschrieben werden:<br />

P (W i | A) =P ((F 1i ∩ F 2i | F 1i ∩ ... ∩ F ki | F 1i ,F 2i ,F k−1i ) | A) (5.5.1.1)<br />

Die einzelnen Versagensereignisse sind als bedingte Ereignisse geschrieben um auszudrücken, daß<br />

be<strong>im</strong> Versagen von F ji möglicherweise alle vorangegangenen Ereignisse, z.B., wie oben erwähnt,<br />

bei Lastumlagerung, eine Rolle spielen. Nicht beendete ’’Wege’’ ergeben eine obere Wahrscheinlichkeitsschranke<br />

für den entsprechenden ’’Weg’’. Entsprechend ergibt die Summe der Wahrscheinlichkeit<br />

aller beendeten Versagenswege eine untere Schranke für die Versagenswahrscheinlichkeit<br />

des Systems, die Summe der Wahrscheinlichkeit aller beendeten <strong>und</strong> nicht beendeten Versagenswege<br />

eine obere Schranke für die Versagenswahrscheinlichkeit.<br />

93


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

5.5.2. Fehlerbäume<br />

Fehlerbäume haben sich als sehr wertvolles weiteres Hilfsmittel bei der Analyse von komplizierteren<br />

Systemen erwiesen. Sie bestehen aus einer Reihe von Ereignissen, die in beliebiger logischer<br />

Verknüpfung zum Versagen des Systems führen. Das ’’Top’’-Ereignis ist das Systemversagen. Man<br />

untersucht, welche Teilereignisse zum ’’Top’’-Ereignis führen können. Die Vorgehensweise wird<br />

an einem Beispiel erläutert.<br />

Beispiel 5.5.2: Beispiel für Fehlerbaumanalyse<br />

Gegeben sei eine Hochwasserentlastungsanlage, die versagen kann weil das entsprechende Entlastungswehr<br />

bei Hochwasser nicht geöffnet werden kann. Das Hochwasser überflutet die Dämme,<br />

wenn der Pegel höher als die Dammkrone ist (1). Das Wehr kann nicht geöffnet werden wenn es<br />

klemmt (2) oder der Wehrmotor versagt (3) oder wenn die Stromversorgung nicht funktioniert.<br />

Die Stromversorgung für den Wehrmotor versagt, wenn die externe Stromversorgung ausfällt (4)<br />

<strong>und</strong> die Notstromversorgung versagt. Die Notstromversorgung versagt, wenn der Generator ausfällt<br />

(6) oder der Dieselmotor für den Generator ausfällt. Der Dieselmotor versagt, wenn entweder<br />

die Treibstoffversorgung nicht funktioniert oder wenn der Dieselmotor nicht anspringt. Die Treibstoffversorgung<br />

versagt, wenn kein Diesel vorhanden ist (7) oder wenn sich das Absperrventil der<br />

Dieseltreibstoffleitung nicht öffnen läßt (8). Der Dieselmotor springt nicht an wenn die Batterie<br />

zum Anlassen leer ist (9) <strong>und</strong> wenn der Hilfsmechanismus zum Anlassen des Moters versagt. Dieser<br />

besteht aus einer mit Druckluft betriebenen Turbine. Er versagt, wenn <strong>im</strong> Drucklufttank nicht<br />

genügend Druck herrscht (10) oder wenn die mit Druckluft betriebene Anlaßturbine versagt (5).<br />

Das System läßt sich leicht darstellen <strong>und</strong> durch Anwendung der Regeln in Gl. (4.2.5) bis (4.2.8)<br />

auf eine min<strong>im</strong>ale Schnittmenge von Ereignissen reduzieren.<br />

Ereignis<br />

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10<br />

Schnittmenge<br />

1 x x - - - - - - - -<br />

2 x - x - - - - - - -<br />

3 x - - x - x - - - -<br />

4 x - - x - - x - - -<br />

5 x - - x - - - x - -<br />

6 x - - x x - - - x -<br />

7 x - - x - - - - x x<br />

Um die Methoden der Abschnitte 3 <strong>und</strong> 4 anwenden zu können, stellt man die Zustandgleichungen<br />

der Ereignisse wie folgt dar:<br />

g 1 (x) = h − p (1)<br />

g 2 (x) = u 2 − Φ −1 (p f 2 ) (2)<br />

g 3 (x) = u 3 − Φ −1 (p f 3 ) (3)<br />

g 4 (x) = u 4 − Φ −1 (p f 4 ) (4)<br />

g 5 (x) = u 5 − Φ −1 (p f 5 ) (5)<br />

g 6 (x) = u 6 − Φ −1 (p f 6 ) (6)<br />

g 7 (x) = u 7 − Φ −1 (p f 7 ) (7)<br />

g 8 (x) = u 8 − Φ −1 (p f 8 ) (8)<br />

g 9 (x) = u 9 − Φ −1 (p f 9 ) (9)<br />

94


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Flood<br />

overtops<br />

dyke<br />

waterlevel<br />

><br />

height<br />

and<br />

spillway<br />

closed<br />

or<br />

loss of<br />

power<br />

mech.<br />

failure<br />

of gate<br />

gate<br />

motor<br />

fails<br />

and<br />

loss<br />

offsite<br />

power<br />

emergency<br />

unit fails<br />

or<br />

Diesel<br />

engine fails<br />

generator<br />

fails<br />

or<br />

no fuel to<br />

engine<br />

engine does<br />

not start<br />

or<br />

and<br />

lack of<br />

fuel<br />

fuel<br />

switch<br />

fails<br />

battery<br />

empty<br />

aux. starting<br />

device fails<br />

or<br />

no air<br />

in tank<br />

turbine<br />

fails<br />

Abb. 5.10.Fehler-(Versagens-)baum für Überflutung einer Dammkrone<br />

g 10 (x) = u 10 − Φ −1 (p f 10 ) (10)<br />

Hierbei ist h die Dammhöhe <strong>und</strong> p der Pegelstand. Die p fi sind (statistisch best<strong>im</strong>mte) Ausfallswahrscheinlichkeiten<br />

für die jeweiligen Systemkomponenten <strong>und</strong> die u i standardnormale Hilfsvariable.<br />

Die Ereignisse (3), (6) <strong>und</strong> z.B. (8) können abhängige Ereignisse sein. Diese Ereignisse<br />

werden durch die Wirkung von Feuchtigkeit in gleicher Weise (negativ) beeinflußt. Das kann man<br />

gut durch Korrelationen zwischen den entsprechenden u 0 i s modellieren.<br />

#<br />

Es gibt noch einige andere systematische Analysemethoden, die hier nicht vorgestellt werden sollen.<br />

95


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Berechnung des multinormalen In-<br />

ANHANG C:<br />

tegrals<br />

Die Berechnung von Seriensystemen <strong>und</strong> Parallelsystemen erfordert die Berechnung des Multinormalverteilungsintegrals<br />

(vergl. z.B. Abschnitt 5.4, Beispiel 5.4.2 <strong>und</strong> Gl. (4.4.5) <strong>und</strong> (4.4.6)).<br />

Ein Spezialfall ist in Gl. (5) von Beispiel 5.4.1 angegeben, eine asymptotische Näherung in Gl.<br />

(4.4.5). Diese kann man noch in etwas anderer Form schreiben [151] .<br />

m\<br />

·<br />

1<br />

P (Z ≤ c) =P ( {Z i ≤ c i })∼<br />

(2π) m/2p det(R) exp − 1 ³Y m<br />

2 (cT R c)¸ −1 d i´−1<br />

(C.1)<br />

i=1<br />

i=1<br />

mit d = R −1 c. Hierbei müssen alle c i ≤ 0 <strong>und</strong> strikt d i > 0 sein. Leider erweist sich die einfache<br />

Gl. (4.4.5) nur fürsehrgroße, negative c i <strong>und</strong> kleine r ij als befriedigend genau. Man kann jedoch<br />

die Ergebnisse von Abschnitt 4.4 ihrerseits auf die Berechnung von P (Z ≤ c) anwenden. Hierzu<br />

formulieren wir das Problem etwas um. Jede korrelierte standardnormalverteilte Variable läßtsich<br />

nach Abschnitt 6.1.2 als Linearkombination unkorrelierter Variablen darstellen:<br />

iX<br />

Z i = a ij U j<br />

(C.2)<br />

j=1<br />

wobei ka i k =1. Damit kann die Schnittwahrscheinlichkeit in Gl. (D.1) wegen P (A ∩ B) =<br />

P (B)P (A | B) wie folgt entwickelt werden ([72] ,[73] ).<br />

à m<br />

! Ã<br />

\<br />

m<br />

!<br />

\<br />

P (Z ≤ c) =P (Z 1 ≤ c 1 )P (Z i ≤ c i | Z 1 ≤ c 1 ) = Φ(c 1 )P {g i (U) ≤ 0}<br />

i=2<br />

à m<br />

Ã<br />

\<br />

= Φ(c 1 )P a i1 Y 1 +<br />

= Φ(c 1 )P<br />

i=2<br />

à m<br />

\<br />

i=2<br />

!!<br />

iX<br />

a ij U j − c i ≤ 0<br />

j=2<br />

³<br />

a i1 Y 1 + ¡ ¢ ´!<br />

1 − a 2 1/2<br />

i1 U (2)<br />

i − c i ≤ 0<br />

i=2<br />

(C.3)<br />

mit Y 1 = Φ −1 (Φ(c 1 )Φ(U 1 )) der Rosenblatt-Transformation der bei gestutzten Variablen Z 1 = U 1<br />

<strong>und</strong> U (2)<br />

i neuen, unabhängigen, standard normalverteilten Variablen, die die Summen P i<br />

j=2 a ijU j<br />

ersetzen. Die D<strong>im</strong>ension des Schnittes wurde damit n um Eins vermindert. Damit ist nach Abschnitt<br />

4.4 das Opt<strong>im</strong>ierungsproblem min{kuk} für u : T o<br />

m<br />

i=2 g i(u 1 ,u (2)<br />

i ) ≤ 0 mit g i (u 1 ,u (2)<br />

i )=<br />

a i1 y 1 +(1− a 2 i1) 1/2 u (2)<br />

i − c i in jeweils zwei D<strong>im</strong>ensionen pro Komponente zu lösen <strong>und</strong> man hat<br />

also<br />

Ã<br />

\ m<br />

P (Z ≤ c) ≈ Φ(c 1 )C 2 P<br />

i=2<br />

³<br />

´!<br />

α (2)T<br />

i (u − u ∗ ) ≤ 0 = Φ(c 1 )C 2 Φ m−1 (c (2) ; R (2) ) (C.4)<br />

= −∇g i (u (2)∗ )/ k<br />

ij U j. Dort ist auch ausgeführt, daß die c (2) durch c (2) =<br />

mit C 2 dem Korrekturfaktor zweiter Ordnung nach Abschnitt 4.4 <strong>und</strong> α (2)T<br />

i<br />

∇g i (u (2)∗ ) k <strong>und</strong> Z (2)<br />

i<br />

= P m<br />

j=1 α(2)<br />

96


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

n o<br />

−α (2)T<br />

i u ∗ gegeben sind <strong>und</strong> R (2) durch R (2) =<br />

nun rekursiv an. Am Ende hat man<br />

P (Z ≤ c) =Φ m (c; R) =Φ(c 1 )<br />

n o<br />

α (2)T<br />

i α (2)<br />

j . Dieses Konzept wendet man<br />

mY<br />

i=2<br />

C i Φ(c (i)<br />

i ) (C.5)<br />

Sowohl die Gradienten als auch die Hessematrix sind bei der einfachen Form von Gl. (D.3) analytisch<br />

<strong>und</strong> nur der erste Eigenwert der Hessematrix ist ungleich Null. Die C i lassen sich ergeben<br />

daher wie in Abschnitt 4.4 leicht ausrechnen (siehe <strong>im</strong> Einzelnen [60] ). Die mit Gl. (D.5) erhaltenen<br />

Ergebnisse sind asymptotisch exakt <strong>und</strong> sonst gute Näherungen. Alternativ kann man auch<br />

die Krümmungskorrektur weggelassen <strong>und</strong> wegen<br />

P (U i ≤ c i | U 1 ≤ c 1 )= P ((U i ≤ c i ) T (U 1 ≤ c 1 ))<br />

P (U 1 ≤ c 1 )<br />

= P ((P i<br />

j=1 a ijU j ≤ c i ) T (U 1 ≤ c 1 ))<br />

P (U 1 ≤ c 1 )<br />

= Φ 2(c i ,c 1 ; a i1 )<br />

Φ(c 1 )<br />

(C.6)<br />

noch in jedem Schritt verbesserte c 0 (i)<br />

i in Gl. (D.5) verwenden, sofern g i (0) > 0 für alle i (=’’großer<br />

Schnitt’’). Φ 2 (., .; .) berechnet man mit Gl. (2) von Beispiel 5.4.3.<br />

c 0 (i)<br />

i = Φ −1 µ<br />

Φ2 (c i ,c 1 ; a i1 )<br />

Φ(c 1 )<br />

<br />

(C.7)<br />

Bei ¯Φ m (c; R) =P ( S m<br />

i=1 {Z i >c i }) geht man zum Komplement über<br />

¯Φ m (c; R) =1− Φ m (−c; R)<br />

(C.8)<br />

Der numerische Aufwand steigt etwa mit m 2 . Bei großem m n<strong>im</strong>mt die Genauigkeit ab. In den<br />

letzten Jahren hat die Berechnung der Multinormalverteilung verstärkt Aufmerksamkeit gef<strong>und</strong>en.<br />

Insbesondere hat sich Genz [58] [59] diesem Problem gewidmet <strong>und</strong> z.T. aufwendige numerische<br />

aber theoretisch exakte Lösungen vorgeschlagen. Erstaunlich gute Näherungen wurden von Pandey<br />

[129] abgeleitet, die jüngst in [83] noch etwas verbessert werden konnten.<br />

97


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

ANHANG D:<br />

S<strong>im</strong>ulationsverfahren bei Systemen<br />

S<strong>im</strong>ulationsverfahren sind bei Vorliegen von Systemproblemen natürlich ebenfalls anwendbar, gegebenenfalls<br />

mit geringfügigen Modifikationen. Wenn der Versagensbereich als Vereinigungsmenge<br />

gegeben ist <strong>und</strong> man für jede der Komponenten den β−Punkt kennt, geht man für jede<br />

Komponente wie für eine einzelne Komponente beschrieben vor, muß jedoch jeweils auch die<br />

Komponente nach dem Monte Carlo-Verfahren auswählen. Hierfür bietet es sich an, die diskreten<br />

Wahrscheinlichkeiten <strong>im</strong> Standardraum näherungsweise nach<br />

zu best<strong>im</strong>men <strong>und</strong> zu s<strong>im</strong>ulieren, so daß<br />

P (V ) = E[1(U ∈<br />

≈<br />

1 N<br />

m[<br />

k=1<br />

NX<br />

1(U i<br />

∈<br />

i=1<br />

w i =<br />

Φ(−β i )<br />

P m<br />

k=1 Φ(−β k)<br />

V k ) ϕ U (u)<br />

h U (u) ]=E[1(U ∈ m<br />

[<br />

k=1<br />

m[ ϕ<br />

V k )<br />

U (u ik )<br />

P m<br />

k=1 w kϕ U (u ik −u ∗ k )]<br />

k=1<br />

ϕ<br />

V k )<br />

U (u)<br />

P m<br />

k=1 w kϕ U (u − u ∗ k )]<br />

(D.1)<br />

(D.2)<br />

mit h U (u) = P m<br />

k=1 w kϕ U (u ik −u ∗ k ) der Importanzstichprobendichte. Meist n<strong>im</strong>mt man nur 1(U i ∈<br />

V k ) anstelle von 1(U i<br />

∈ S m<br />

k=1 V k), da ja sicher ist, daß wenn der generierte Punkt in einer Komponente<br />

liegt, er auch in der Vereinigung liegt. Wenn der Versagensbereich als Schnittmenge gegeben<br />

ist, vermindert sich die Trefferwahrscheinlichkeit <strong>und</strong> das S<strong>im</strong>ulationsverfahren kann schnell ineffizient<br />

werden.<br />

98


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Theoretische Last- <strong>und</strong> Festigkeitsmo-<br />

Kapitel 6.<br />

delle<br />

6.1. Mathematische Modelle<br />

Dieser Abschnitt enthält wichtige Gr<strong>und</strong>lagen für die Modellierung der unsicheren Größen. Eine<br />

Modellierung kann erfolgen<br />

• durch einfache unabhängige oder abhängige Zufallsvariable.<br />

• durch ein- bzw. mehrd<strong>im</strong>ensionale Zufallsprozesse<br />

• durch Zufallsfelder<br />

Die wichtigsten dieser Modelle werden in ihren Gr<strong>und</strong>zügen definiert. Weitere Einzelheiten <strong>und</strong><br />

einige besondere Modelle werden in Abschnitt 7 erörtert.<br />

Unsicherheiten lassen sich einteilen in:<br />

• Unsicherheiten, die durch einen stochastischen Mechanismus erzeugt werden, wie etwa die<br />

Streuungen bei der Produktion von Stahl oder die Turbulenz des natürlichen Windes.<br />

• Statistische Unsicherheiten, die allein daher rühren, daß es in der Regel nicht möglich ist, aus<br />

zufällig streuenden Erscheinungen mit einer endlich großen Stichprobe alle Parameter, z.B. den<br />

Mittelwert, eines stochastischen Modells zuverlässig zu schätzen.<br />

• Epistemische oder Modellunsicherheiten.<br />

Alle diese Unsicherheiten werden zweckmäßigerweise durch das Konzept des Zufalls erfaßt <strong>und</strong><br />

durch die Mittel der Wahrscheinlichkeitstheorie beschrieben. Die rein stochastischen Unsicherheiten<br />

liegen nicht notwendigerweise in der Natur des Sache. Sie entstehen z.T. durch die unvollkommene<br />

Kenntnis der tatsächlichen Vorgänge <strong>und</strong> ihrer Randbedingungen. Ein wichtiges Mittel<br />

der Beschreibung ist die Verteilungsfunktion. Aber dieses selbst ist bereits ein Modell, welches <strong>im</strong><br />

Sinne K. Poppers nur falsifiziert aber nicht verifiziert werden kann. Statistische Unsicherheiten<br />

sind gegebenenfalls zu berücksichtigen, indem man die Parameter ihrerseits als unsichere Variable<br />

auffaßt, deren Verteilungsgesetz natürlich von jeweiligen Modell <strong>und</strong> dem Informationsumfang abhängt.<br />

Häufig am schwierigsten sind Modellunsicherheiten, hier sind die mechanischen Modelle<br />

gemeint, zu erfassen. Jedes Modell vom Tragverhalten von Bauwerken enthält Idealisierungen <strong>und</strong><br />

Vereinfachungen <strong>und</strong> meist nur eine kleine Auswahl der möglichen Parameter. Diese Unsicherheiten<br />

sind oft deterministischer Natur. Es erweist sich jedoch als zweckmäßig den deterministischen<br />

Anteil zu ’’randomisieren’’.<br />

6.1.1. Eind<strong>im</strong>ensionale Modelle<br />

Für alle unsicheren Größen muß ein stochastisches Modell gewählt werden. Tabelle 6.1 enthält<br />

einige der wichtigsten Modelle für eind<strong>im</strong>ensionale, unsichere Variable.<br />

99


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Name Verteilungsdichte Def.-bereich Mittelwert Standard-<br />

Verteilungsfunktion Par.-bereich abweichung<br />

Rechteck f X (x) = 1<br />

a+b<br />

a ≤ x ≤ b<br />

b−a 2<br />

F X (x) = x−a<br />

a ≤ b<br />

b−a h ¡<br />

Normal f X (x) = √ 1<br />

2πσ<br />

exp x−m<br />

¢ i 2<br />

F X (x) =Φ ¡ x−m<br />

σ<br />

³<br />

Log- f X (x) = 1 ϕ ln(x)/ξ<br />

δx δ<br />

³ ´<br />

normal F X (x) =Φ ln(x)/ξ<br />

δ<br />

− 1 2<br />

¢<br />

=<br />

R x<br />

−∞<br />

´<br />

σ<br />

1<br />

ϕ ¡ y−m<br />

σ σ<br />

−∞


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

E[(X i − m i )(X j − m j )] = σ ij =<br />

iX<br />

c ik c jk (6.1.2.4)<br />

k=1<br />

Führt man zusätzlich noch die Normierung Z i =(X i − m i )/σ ii ein <strong>und</strong> daher σ ij = ρ ij σ ii σ jj<br />

mit R = © ρ ij<br />

ª<br />

der Matrix der Korrelationskoeffizienten, so findet man mit der sogenannten Cholesky’sche<br />

Dreieckszerlegung.<br />

<strong>und</strong> somit<br />

a 11 = ρ 11 =1<br />

a i1 = ρ i1 ; 2 ≤ i ≤ n<br />

Xi−1<br />

a ii = (ρ ii − a 2 ik) 1/2 ;2≤ i ≤ n<br />

k=1<br />

j−1<br />

X<br />

a ij = (ρ ij −<br />

k=1<br />

a ik a jk ) 1<br />

a jj<br />

;1


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

an. Die Amplituden sind unabhängig voneinander <strong>und</strong> streuen sämtlich nach dem Verteilungsgesetz<br />

F (x). In der <strong>Zuverlässigkeit</strong>stheorie sind nun nicht nur das Verteilungsgesetz der Folge <strong>und</strong><br />

seine Lastwechselfrequenz von Interesse, sondern weitere Größen, von denen einige wichtige <strong>im</strong><br />

folgenden erörtert werden sollen.<br />

X(n)<br />

n<br />

Abb. 6.1.Approx<strong>im</strong>ierende Zufallsfolge für einen realen Lastprozeß<br />

Für den Zeitraum [0,t] mit t/d = n ist die Extremwertverteilung<br />

mit der Dichte<br />

F maxX (x) =F n X(x) (6.1.3.1)<br />

f maxX (x) =n(F X (x)) n−1 f X (x) (6.1.3.2)<br />

Fürgroßes x kann F n (x) wegen ln(F n (x)) = n ln(F (x)) ≈ n(F (x) − 1) durch<br />

F maxX (x)) ≈ exp [−n(1 − F X (x))] (6.1.3.3)<br />

genähert werden. Bild 6.2 veranschaulicht den Verlauf der Dichtefunktionen bei wachsendem n.<br />

Man erkennt, daß mit wachsendem n auch das Mittel wächst. Außerdem wird die Streuung kleiner.<br />

In jedem Fall wird der Variationskoeffizient kleiner.<br />

Als (mittlere) Wiederkehrperiode eines Wertes x W in einer Zufallsfolge versteht man den Mittelwert<br />

der Zeit, die zwischen den Überschreitungen von x W verstreicht, d.h.<br />

in Einheiten von d.<br />

T W =<br />

1<br />

1 − F X (x W )<br />

(6.1.3.4)<br />

Asymptotische Extremwertverteilungen ∗<br />

Von Bedeutung ist, daß es ähnlich wie für Summen von Zufallsvariablen für die Extrema von<br />

Zufallsfolgen Grenzverteilungen <strong>und</strong> zwar <strong>im</strong> wesentlichen drei Typen gibt. Das Entstehen einer<br />

dieser Typen hängt von der Form der Verteilungsfunktion <strong>im</strong> extremen Bereich ab. Sie werden <strong>im</strong><br />

folgenden auf anschauliche Weise hergeleitet.<br />

Die Verteilung nach Gumbel für Max<strong>im</strong>a (Typ I)<br />

Der obere Bereich der Verteilungsfunktion der Zufallsvariablen X habe die Form:<br />

F X (y) ≈ 1 − e −h(y)<br />

102


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

1.5<br />

1<br />

0.5<br />

0<br />

0 1 2 3 4<br />

x<br />

Abb. 6.2.Dichte von Extremwertverteilungen (Rayleighverteilung fürn=1mitm= p π/2)<br />

Ein charakteristischer Wert für Y bei einer Folge der Länge n, in dem die Verteilungsfunktion<br />

entwickelt werden soll, ist offensichtlich jener Wert für denP (Y > y n )=1/n = e −h(yn) .Man<br />

schreibt daher zunächst:<br />

F X (y) ≈ 1 − 1 n e−[h(y)−h(yn)]<br />

Wegen l<strong>im</strong> (1 − a<br />

n→∞ n )n = e −a kann man die Extremwertverteilung<br />

F Y (y) ≈<br />

µ1 − 1 n<br />

n e−[h(y)−h(yn)]<br />

für n →∞durch<br />

F Y (y) ≈ exp [− exp [− {h(y) − h(y n )}]]<br />

approx<strong>im</strong>ieren. Entwickelt man noch h(y) − h(y n ) in eine nach dem linearen Glied abgebrochene<br />

Taylor-Reihe, d.h.<br />

so erhält man in<br />

Mittelwert <strong>und</strong> Varianz berechnen sich zu<br />

h(y) − h(y n ) ≈ α(y − u)<br />

F Y (y) =exp[− exp [−α(y − u)]] (6.1.3.5)<br />

E [Y ] = u + γ α<br />

(6.1.3.6)<br />

Var[Y ] = π2 1, 645<br />

≈<br />

6α2 α 2 (6.1.3.7)<br />

γ =0.577 ist die sogenannte Eulersche Zahl. Eine Gumbelverteilung für Min<strong>im</strong>alwerte kann<br />

man ebenfalls ableiten. Sie ist jedoch weniger gebräuchlich.<br />

103


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Die Verteilung nach Frechet für Max<strong>im</strong>alwerte(TypII)<br />

Die Verteilung von X werde nun <strong>im</strong> oberen Bereich durch<br />

F X (x) =1− (v/x) k ; x ≥ 0<br />

approx<strong>im</strong>iert. Wieder ist v ein charakteristischer Wert fürden:<br />

Fürgroße x ist<br />

F X (x) =1− 1/n<br />

F X (x) =1− 1 n (v x )k<br />

<strong>und</strong><br />

F Y (y) =<br />

·1 − 1 )k¸n<br />

n (v y<br />

≈ exp<br />

·−( v )k¸<br />

y<br />

(6.1.3.8)<br />

Mittelwert <strong>und</strong> Varianz sind:<br />

E [Y ] = v Γ(1 − 1/k) (6.1.3.9)<br />

Var[Y ] = v 2 (Γ(1 − 2/k) − Γ 2 (1 − 1/k)) (6.1.3.10)<br />

Es kann ein Min<strong>im</strong>alwert eingeführt werden. Dann setzt man y := y − y 0 .<br />

Verteilung nach Weibull für Min<strong>im</strong>alwerte (Typ III)<br />

Im unteren Bereich folge die Verteilungsfunktion nun einem Potenzgesetz<br />

F X (y) ≈ cy β für y ≥ 0<br />

Logarithmieren von 1 − F Y (y) =[1− F X (y)] n ergibt ln(1 − F Y (y)) = n ln(1 − F X (y))<strong>und</strong><br />

Entwicklung des Logarithmus nach ln(1 − x) ≈−x -...<strong>und</strong> daher ln(1 − F Y (y)) ≈−ncy β . Also<br />

ist mit α = nc die Verteilungsfunktion der Weibullverteilung<br />

Mittelwert <strong>und</strong> Varianz errechnen sich zu<br />

F Y (y) =1− exp[−αy β ] (6.1.3.11)<br />

E [Y ] = α −1/β Γ(1 + 1/β) (6.1.3.12)<br />

Var[Y ] = α −2/β (Γ(1 + 2/β) − Γ 2 (1 + 1/β) (6.1.3.13)<br />

Auch hier kann ein Min<strong>im</strong>alwert eingeführt werden. Dann setzt man y = y − y 0 .<br />

Natürlich gibt es die Gumbel- <strong>und</strong> Frechetverteilung auch für Min<strong>im</strong>a <strong>und</strong> die Weibullverteilung<br />

für Max<strong>im</strong>a. Sie sind jedoch weniger gebräuchlich. Umfangreiches Material über Extremwertverteilungen<br />

enthält das Buch von Gumbel [64] .<br />

6.1.4. Markierte <strong>und</strong> gefilterte Poissonfolgen<br />

Viele extreme Lastereignisse lassen sich gut durch einen markierten Punktprozeß modellieren. Der<br />

Punktprozeß selbst best<strong>im</strong>mt das zeitliche Eintreten der Lastereignisse. Der spezielle Poissonsche<br />

104


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Punktprozeß wird in Abschnitt 7 ausführlich behandelt. Die zufälligen Marken sind z.B. Amplituden,<br />

Frequenzinhalt, Dauer des Impulses, Impulsform, etc. (vergl. z. B. Bild 6.3). Beispiele<br />

sind z.B. Stürme, Erdbeben, Explosionen, <strong>Lasten</strong> infolge Fahrzeuganprall etc. Im allgemeinen ist<br />

der Poissonprozeß für den Auftrittsprozeß eine sehr gute Annahme. Dann ist auch sichergestellt,<br />

daß die (exponentialverteilten) Zeiten zwischen den Ereignissen wesentlich größer ausfallen als<br />

die ’’Dauern’’ der Ereignisse.<br />

S(t)<br />

1/λ<br />

Abb. 6.3.Markierte Poissonfolge<br />

Extremverteilungen kann man bei eind<strong>im</strong>ensionalen Marken leicht ableiten. Für den Fall unabhängiger,<br />

einfach markierter Poissonfolgen wie in Bild 6.3 gezeigt, ist das Ergebnis exakt.<br />

∞X (λt) i<br />

∞X<br />

F max (a) = exp[−λt]F i (λtF X (a)) i<br />

i!<br />

X(a) =exp[−λt]<br />

i!<br />

i=0<br />

i=0<br />

= exp[−λt]exp[λtF X (a)] = exp[−λt(1 − F X a))] (6.1.4.1)<br />

Ausnahmsweise betrachten wir an dieser Stelle auch einen instationären, einfach markierten Poissonprozeß.<br />

Esseiλ(τ) die zeitabhängige Auftrittsrate. Eine Austrittsrate läßt sich definieren als<br />

Wahrscheinlichkeit eines Sprungereignisses pro Zeiteinheit multipliziert mit der Wahrscheinlichkeit,<br />

daß der Sprung über das Niveau a hinausgeht:<br />

ν + (τ) =λ(τ)[1 − F X (a; τ)] (6.1.4.2)<br />

Wenn der Auftrittsprozeß ein Poissonprozeß war, muß auch der Austrittsprozeß ein Poissonprozeß<br />

sein. Anstelle des Vorgehens in Gl. (6.1.4.1) verwenden wir nun eine Eigenschaft des Poissonprozesses.<br />

Offenbar ist die Wahrscheinlichkeit, daß das Max<strong>im</strong>um des Prozesses kleiner als die<br />

Grenze a(τ) in [0,t] bleibt, auch gleich der Wahrscheinlichkeit, daß die Zeit bis zum ersten Sprungereignis<br />

größer ist als t. Damit ist<br />

P (T ≤ t) =P ( \ ∞<br />

{X(τ) ≤ a(τ)}) =P (N a(t) =0)=exp[− [1 − F X (a; τ)]λ(τ)dτ]<br />

i=0<br />

0<br />

(6.1.4.3)<br />

Die Marken sind häufig mehrd<strong>im</strong>ensional, bei einem Erdbeben etwa die Intensität der Erdbeschleunigungen<br />

in horizontaler <strong>und</strong> vertikaler Richtung, der Frequenzgehalt <strong>und</strong> die Dauer, deren<br />

(zufällige) Änderung von Ereignis zu Ereignis ganz unterschiedliche Auswirkungen auf Bauwerke<br />

haben kann. Ein anderes Beispiel sind Stürme, deren Marken die Windgeschwindigkeit, Windrichtung<br />

<strong>und</strong> Dauer sind (vgl. Bild 6.4). Trotzdem kann eine Zeit bis zum ersten Versagen angegeben<br />

t<br />

Z t<br />

105


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

werden, wenn man von dem der Gl. (6.1.4.3) zugr<strong>und</strong>eliegenden Konzept Gebrauch macht. Es<br />

sei nämlich V = {g(X) ≤ 0} das Versagensereignis <strong>und</strong> p = P (V ) seine Wahrscheinlichkeit. Im<br />

stationären Fall ist:<br />

P (T ≤ t) =P (N V (t) =0)=1− exp[−λtp V ] (6.1.4.4)<br />

Dann ist es nicht sinnvoll von einem Extremwertproblem zu sprechen. Man geht auch nicht von<br />

Gl. (6.1.4.3) sondern von P (N V (t) =0)aus.<br />

X (t)<br />

1<br />

X (t)<br />

2<br />

t<br />

Ein gefilterter Poissonprozeß ist definiert durch:<br />

Abb. 6.4.Mehrd<strong>im</strong>ensional markierte Poissonfolge<br />

N(t)<br />

X<br />

X(t) = w(t, t i ,Y i )=<br />

i=1<br />

Z ∞<br />

0<br />

w(t, τ,Y)dN(τ) (6.1.4.5)<br />

Hierin ist N(t) ein Poissonprozeß mit Rate λ(t), der die Zeitpunkte t i erzeugt <strong>und</strong> w(t, t i ,Y i ) eine<br />

Antwortfunktion auf den Impuls zum Zeitpunkt t i mit der (möglicherweise vektoriellen) Größe<br />

Y i . Es ist w(t, t i ,Y i )=0für t


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

sogenannten Rechteckwellen wie in Bild 6.5 gezeigt. Im Gegensatz zur <strong>im</strong> vorigen Abschnitt besprochenen<br />

gefilterten Poissonfolge währt die Marke nunmehr genau so lang wie ein Erneuerungsintervall.<br />

Für die Zeiten zwischen den Erneuerungen gilt Unabhängigkeit. Das gleiche gilt fürdie<br />

möglicherweise mehrd<strong>im</strong>ensionalen Marken in verschiedenen Erneuerungszeiträumen. Die Marken<br />

innerhalb eines Erneuerungszeitraumes können jedoch voneinander abhängig sein. Markierte<br />

Erneuerungsprozesse werden auch häufig als Modelle für sogenannte Trägerprozesse verwendet.<br />

So kann man z.B. Seezustände charakterisieren, also durch die zufällige ’’signifikante’’ Wellenhöhe<br />

H s <strong>und</strong> die davon stochastisch abhängige Periode T 0 .Zusätzliche Details zu Erneuerungsprozessen<br />

enthält Abschnitt 7.5.1.<br />

X(t)<br />

τ τ + ∆<br />

Abb. 6.5.Markierter Rechteckwellen-Erneuerungsprozeß<br />

t<br />

6.1.6. Gaußsche Prozesse <strong>und</strong> Zufallsfelder<br />

Eind<strong>im</strong>ensionaler Gaußprozeß<br />

Ein besonders wichtiger Prozeß für die Modellierung von <strong>Lasten</strong> ist der Gaußsche Prozeß <strong>und</strong><br />

hier vor allem der stationäre Gaußsche Prozeß mit stetigen <strong>und</strong> differenzierbaren Pfaden. Seine<br />

Bedeutung erhält er durch die Möglichkeit, die sehr leistungsfähige sogenannte Korrelationstheorie<br />

für Zufallsprozesse strikt anzuwenden. Beispiele für <strong>Lasten</strong>, die gut durch Gaußprozesse beschrieben<br />

werden können, ist der bereits erwähnte Seegang, die Geschwindigkeit des natürlichen<br />

Windes, Erdbebenbeschleunigungen <strong>und</strong> Außentemperaturen. In gewissem Umfang ist der Gaußsche<br />

Prozeß auch Ausgangspunkt für nichtgaußische Prozesse. Und er kann leicht auf zufällige<br />

Vektorprozesse <strong>und</strong> Zufallsfelder verallgemeinert werden.<br />

Die Mittelwertsfunktion des Gaußprozesses X(t) ist<br />

E[X(t)] = m X (t) =<br />

Die (Auto)kovarianzfunktion ist definiert durch<br />

C X (t 1 ,t 2 )=Cov[X(t 1 ),X(t 2 )] =<br />

Z ∞ Z ∞<br />

−∞<br />

−∞<br />

Z ∞<br />

−∞<br />

xf X (x; t)dx (6.1.6.1)<br />

(x 1 −m X (t 1 ))(x 2 −m X (t 2 ))f X (x 1 ,x 2 ; t 1 ,t 2 )dx 1 dx 2<br />

(6.1.6.2)<br />

<strong>und</strong> es gilt C X (t, t) ≥ 0, C X (t 1 ,t 2 ) = C X (t 2 ,t 1 ) sowie nach der Schwarzschen Ungleichung<br />

|C X (t 1 ,t 2 )| ≤ (C X (t 1 ,t 2 )C X (t 2 ,t 1 )) 1/2 . Die zweid<strong>im</strong>ensionale Verteilungsdichte für den allgemeinen,<br />

<strong>im</strong> Mittelwert <strong>und</strong> in der Kovarianzfunktion instationären Gaußprozeß lautet mit C X (t 1 ,t 2 )=<br />

107


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

σ(t 1 )σ(t 2 )ρ(t 1 ,t 2 ) wobei ρ(t 1 ,t 2 ) die Autokorrelationskoeffizientenfunktion<br />

f(x 1 (t 1 ),x 2 (t 2 )) =<br />

1<br />

2π σ(t 1 )σ(t 2 )(1 − ρ 2 (t 1 ,t 2 )) exp[−1 1<br />

1/2 2 1 − ρ 2 (t 1 ,t 2 )<br />

⎧<br />

⎪⎨ ( x 1(t 1 )−m(t 1<br />

⎫<br />

)<br />

σ(t 1<br />

) 2<br />

) ⎪⎬<br />

−2ρ(t 1 ,t 2 )( x 1(t 1 )−m(t 1 )<br />

σ(t 1<br />

)( x 2(t 2 )−m(t 2 )<br />

) σ(t 2<br />

)<br />

)<br />

]<br />

⎪⎩<br />

+( x 2(t 2 )−m(t 2<br />

⎪<br />

)<br />

σ(t 2<br />

) 2 ⎭<br />

)<br />

(6.1.6.3)<br />

Ein Prozeß U(t) heißt standardisiert, d.h.E [U(t)] = 0 <strong>und</strong> C U (t 1 ,t 2 )=ρ U (t 1 ,t 2 ), was durch<br />

U(t) = X(t)−m(t) erreicht wird.<br />

σ(t)<br />

Ein Prozeß ist strikt stationär, wenn die Verteilungsdichte nicht vom Zeitpunkt t 1 abhängt. Er ist<br />

schwach stationär, wenn m(t 1 )=m(t 2 )=m sowie σ(t 1 )=σ(t 2 )=σ, <strong>und</strong> die Kovarianzfunktion<br />

C(t 1 ,t 2 ) nur vom zeitlichen Abstand τ = |t 1 − t 2 | abhängt, d.h. C(t 1 ,t 2 )=C(τ) ≤ C(0).<br />

Für ergodische Prozesse gilt darüberhinaus für T →∞<br />

<strong>und</strong><br />

E[X(t)] = hX(t)i = m X =l<strong>im</strong><br />

T →∞<br />

R X (τ) =hX(t + τ)X(t)i =l<strong>im</strong><br />

T →∞<br />

1<br />

T<br />

1<br />

T<br />

Z T<br />

0<br />

Z T<br />

0<br />

X(τ)dτ (6.1.6.4)<br />

X(t + τ)X(t)dt (6.1.6.5)<br />

<strong>und</strong> es ist C X (τ) =R X (τ) − m 2 X. Erwartungswerte können also auch als Zeitmittel anstatt als<br />

Ensemblemittel berechnet werden. Das zeitliche Mittel wird durch das Operationszeichen h.i ausgedrückt.<br />

Für <strong>im</strong> Mittel ergodische Prozesse muß gelten<br />

l<strong>im</strong><br />

T →∞<br />

1<br />

T<br />

Z T<br />

0<br />

C(τ)dτ =0<br />

<strong>und</strong> für normale, in der Kovarianz ergodische Prozesse:<br />

l<strong>im</strong><br />

T →∞<br />

1<br />

T<br />

Z T<br />

0<br />

C 2 (τ)dτ =0<br />

Ergodizität <strong>im</strong>pliziert Stationarität. Die Umkehrung gilt nicht notwendigerweise.<br />

Wir setzen Stetigkeit <strong>und</strong> Differenzierbarkeit sowie Integrierbarkeit der Pfade voraus. Stetigkeit,<br />

Differenzierbarkeit <strong>und</strong> Integrierbarkeit müssen <strong>im</strong> Rahmen der Theorie der stochastischen Prozesse<br />

neu definiert werden. Gemeint ist hier Stetigkeit, Differenzierbarkeit <strong>und</strong> Integrierbarkeit<br />

<strong>im</strong> quadratischen Mittel (siehe z.B. [33] ). Es ist für stationäre Prozesse:<br />

• Stetigkeit <strong>im</strong> quadratischen Mittel<br />

l<strong>im</strong><br />

τ→0 E £ {X(t + τ) − X(t)} 2¤ =2[C(0) − C(τ)] = 0 (6.1.6.6)<br />

108


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

• Differenzierbarkeit <strong>im</strong> quadratischen Mittel<br />

" ½<br />

l<strong>im</strong> E Ẋ(t) −<br />

ε→0<br />

• Integrierbarkeit <strong>im</strong> quadratischen Mittel<br />

⎡(<br />

l<strong>im</strong> E ⎣<br />

b − a<br />

nX<br />

X(t i ) −<br />

δ→0 n<br />

i=1<br />

¾ # 2<br />

X(t + ε) − X(t)<br />

=0 (6.1.6.7)<br />

ε<br />

Z b<br />

a<br />

) ⎤ 2<br />

X(t)dt ⎦ =0 (6.1.6.8)<br />

mit δ = t i+1 − t i <strong>und</strong> n = b−a.<br />

δ<br />

Stetigkeit <strong>im</strong> quadratischen Mittel bedeutet nicht auch Stetigkeit der Trajektorien eines Zufallsprozesses.<br />

Differenzierbarkeit bedeutet, daß ∂ 2 C(τ)/∂τ 2 in τ =0existiert <strong>und</strong> dort wegen Symmetrie<br />

∂C(τ)/∂τ =0. So gehört beispielsweise C(τ) =σ 2 exp [−a |τ|] zu einem nicht differenzierbaren<br />

<strong>und</strong> C(τ) =σ 2 exp [−aτ 2 ] zu einem differenzierbaren Prozeß.<br />

Der Mittelwert des Ableitungsprozesses Ẋ(t) ist definiert durch:<br />

E[Ẋ(t)] = dm X(t)<br />

(6.1.6.9)<br />

dt<br />

Für die Kreuzkovarianzfunktion zwischen dem Pfad des Prozesses <strong>und</strong> seiner Ableitung ist<br />

h<br />

i<br />

Cov[X(t 1 ), Ẋ(t 2 )] = E (X(t 1 ) − m X (t 1 ))(Ẋ(t 2) − mẊ(t 2 )) = ∂Cov[X(t 1),X(t 2 )]<br />

∂t 2<br />

(6.1.6.10)<br />

<strong>und</strong> die (Auto)-Kovarianzfunktion der Ableitung des Prozesses:<br />

Cov[Ẋ(t 1 ), Ẋ(t 2 )] = ∂Cov[X(t 1), Ẋ(t 2 )]<br />

∂t 1<br />

= ∂2 Cov[X(t 1 ),X(t 2 )]<br />

∂t 1 ∂t 2<br />

(6.1.6.11)<br />

Für stationäre Prozesse ist<br />

<strong>und</strong> damit mit τ = t 1 − t 2<br />

E[X(t)] = m X (6.1.6.12)<br />

Cov[X(t 1 ),X(t 2 )] = Cov[X(t 1 ),X(t 1 + τ)] = C XX (τ) (6.1.6.13)<br />

da t 1 beliebig gewählt werden kann. In diesem Falle ist auch<br />

E[Ẋ(t)] = 0 (6.1.6.14)<br />

<strong>und</strong><br />

Cov[X(t), Ẋ(t + τ)] =<br />

∂Cov[X(t),X(t + τ)]<br />

∂τ<br />

= C (τ) =−C XẊ ẊX (τ) =−∂C(τ)<br />

∂τ<br />

(6.1.6.15)<br />

109


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

sowie<br />

∂Cov[X(t), Ẋ(t + τ)]<br />

Cov[Ẋ(t), Ẋ(t + τ)] =<br />

∂τ<br />

= ∂2 Cov[X(t),X(t + τ)]<br />

∂τ 2<br />

= − ∂2 C(τ)<br />

∂τ 2<br />

(6.1.6.16)<br />

<strong>und</strong> es ist wegen Symmetrie C(τ) =C(−τ) <strong>und</strong> C .<br />

(0) = 0 wegen C X X XẊ(τ) =−C ẊX (−τ).<br />

Also ist der Ableitungsprozeß für τ =0unabhängig vom Prozeß selbst. Cov[X(t), Ẋ(t + τ)]<br />

ist <strong>im</strong> allgemeinen jedoch nicht Null. Ẋ(t) ist ebenfalls stationär wennX(t) stationär. Die Existenz<br />

der zweiten Ableitung der Autokovarianzfunktion ist, wie erwähnt, eine Bedingung für die<br />

Differenzierbarkeit von X(t).<br />

Als Beispiel für die Integration eines stationären Prozesses berechnen wir das gleitende Mittel.<br />

Es ist<br />

M T (T )= 1 X(τ)dτ (6.1.6.17)<br />

T 0<br />

Vertauschung von Integral- <strong>und</strong> Erwartungswertbildung ergibt<br />

· Z 1 T<br />

¸<br />

E [M T (T )] = E X(τ)dτ = 1 Z T<br />

E [X(τ)] dτ = Tm X<br />

= m X (6.1.6.18)<br />

T<br />

T<br />

T<br />

0<br />

Z T<br />

0<br />

Für die Varianz erhält man<br />

Var[M T (T )] = 1<br />

T 2 Z T<br />

0<br />

= σ2 X<br />

T 2 ·Z T<br />

= σ2 X<br />

= 2σ2 X<br />

T<br />

0<br />

Z T<br />

0<br />

0<br />

C X (|t 1 − t 2 |)dt 1 dt 2<br />

ρ X (τ)dτ<br />

Z T −τ<br />

0<br />

dt 1 +<br />

·Z T<br />

(T − τ)ρ<br />

T 2 X (τ)dτ +<br />

0<br />

·Z T<br />

(1 − τ ¸<br />

T )ρ X(τ)dτ<br />

Z 0<br />

−T<br />

Z 0<br />

−T<br />

Z T<br />

ρ X (τ)dτ dt 1¸<br />

−τ<br />

¸<br />

(T − τ)ρ X (τ)dτ<br />

(6.1.6.19)<br />

Ist X(t) ein Gaußprozeß, sosindnatürlich auch Ableitungen <strong>und</strong> Integrale des Prozesses Gaußprozesse.<br />

Für große T <strong>und</strong> R ∞<br />

ρ<br />

0 X (τ)dτ < ∞ hat man näherungsweise (Vergrößerung des Integrationsbereiches<br />

auf T = ∞ in Gl. (6.1.6.19))<br />

Var[A(T )] ≤ min{σ 2 X , σ2 X<br />

T δ} = σ2 X für T ≤ δ<br />

σ 2 X<br />

T<br />

δ für T>δ<br />

(6.1.6.20)<br />

mit<br />

Z ∞<br />

δ =2 ρ X (τ)dτ = π G X(0)<br />

(6.1.6.21)<br />

0<br />

σ 2 X<br />

dem sogenannten Korrelationsmaßstab des Prozesses X(t) mit G X (0) der weiter unten erläuterten<br />

halbseitigen Spektraldichte. T/δ darf man als eine Art äquivalenter Stichprobenumfang n equ für<br />

eine unabhängige Stichprobe auffassen, da Var £ ¯X ¤ = Var[X] /n equ .<br />

110


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Im Rahmen der Korrelationstheorie ist eine der Darstellung der Abhängigkeitsstruktur durch die<br />

Kovarianzfunktion äquivalente Darstellung durch die spektrale Dichte möglich. Insbesondere läßt<br />

sich für denzentrierten Prozeß X(t) mit E[X(t)] = 0 die Kovarianzfunktion, jetzt mit R(τ)<br />

bezeichnet, formal durch das Fourierintegral<br />

R(τ) =<br />

Z +∞<br />

−∞<br />

mit der inversen Beziehung<br />

S(ω) = 1<br />

2π<br />

Z +∞<br />

−∞<br />

S(ω)exp[iωτ]dω =2<br />

R(τ)exp[−iωτ]dτ = 1 π<br />

Z +∞<br />

0<br />

Z +∞<br />

0<br />

S(ω)cos(ωτ)dω (6.1.6.22)<br />

R(τ)cos(ωτ)dτ (6.1.6.23)<br />

darstellen. Häufig benutzt man anstelle der Spektraldichte S(ω) die physikalisch sinnvolle, halbseitige<br />

Spektraldichte G(ω) =2S(ω). Die spektralen Momente sind definiert durch<br />

λ k =<br />

Z +∞<br />

−∞<br />

ω k S(ω)dω (6.1.6.24)<br />

Dabei ist<br />

λ 0 = σ 2 X =<br />

Z +∞<br />

−∞<br />

S(ω)dω (6.1.6.25)<br />

Z +∞<br />

λ 2 = σ 2 . = ω 2 S(ω)dω (6.1.6.26)<br />

X<br />

−∞<br />

Z +∞<br />

λ 4 = σ 2 .. = ω 4 S(ω)dω (6.1.6.27)<br />

X<br />

−∞<br />

mit interessanten Interpretationen. Das nullte spektrale Moment ist z.B. gerade die Varianz des<br />

Prozesses. Für jedes spektrale Moment existiert eine charakteristische Frequenz, d.h.<br />

µ 1/k λk<br />

Ω k =<br />

(6.1.6.28)<br />

λ 0<br />

Die zentrale (mittlere) Frequenz ist<br />

ω 0 = Ω 2 = p λ 2 /λ 0 (6.1.6.29)<br />

Zwei nicht ganz gleichwertige sogenannte Irregularitätsfaktoren (Bandbreitenparameter) sind<br />

δ =<br />

ε =<br />

µ<br />

1 − λ2 1<br />

λ 0 λ 2<br />

1/2<br />

(6.1.6.30)<br />

µ<br />

1 − λ2 2<br />

λ 0 λ 4<br />

1/2<br />

(6.1.6.31)<br />

111


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Dabei variieren beide Parameter zwischen 0 <strong>und</strong> 1. δ <strong>und</strong> ² wachsen mit wachsender Bandbreite.<br />

Gl. (6.1.6.28) erfordert die Existenz des zweiten <strong>und</strong> Gl. (6.1.6.29) sogar die Existenz des vierten<br />

spektralen Momentes.<br />

Beispiel 6.1.6.1: Spektraldichte bei R(τ) =σ 2 exp [−a |τ|] ,a>0 <strong>und</strong> weißes Rauschen.<br />

Man sieht zunächst, daß ein Prozeß mit dieser Autokorrelationsfunktion in Null nicht differenzierbar<br />

ist. Anwendung von Formel (6.1.6.20) auf die Autokorrelationsfunktion liefert:<br />

S(ω) = 1 Z ∞<br />

σ 2 exp [−a |τ|]exp[−iωτ] dτ<br />

2π<br />

= σ2<br />

2π<br />

= σ2<br />

2π<br />

= σ2<br />

2π<br />

−∞<br />

Z ∞<br />

−∞<br />

exp [−a |τ| − iωτ] dτ<br />

·Z ∞<br />

exp [−aτ − iωτ] dτ +<br />

0<br />

·<br />

1<br />

a + iω + 1 ¸ ·<br />

= σ2<br />

a − iω π<br />

Z 0<br />

−∞<br />

¸<br />

a<br />

a 2 + ω 2<br />

¸<br />

exp [+aτ − iωτ] dτ<br />

(1)<br />

Abb. 6.6.Autokorrelationsfunktion <strong>und</strong> zugehöriges Spektrum für exponentiell korrelierten Gaußprozeß<br />

Wenn der Parameter a größer wird, konzentriert sich R(τ) <strong>im</strong>mermehrbeiτ =0<strong>und</strong> S(ω) n<strong>im</strong>mt<br />

nur noch ganz allmählich mit ω ab. Dieses Spektrum ermöglicht daher die Einführung des Begriffes<br />

des weißen Rauschens, d.h. eines Prozesses bei dem alle Frequenzen ω ’’fast’’ gleich häufig<br />

vertreten sind. Für a →∞ist S(ω) =S 0 = σ 2 /a <strong>und</strong> die dazugehörige Autokorrelationsfunktion<br />

ist R(τ) =2πS 0 δ(τ). Die Varianz des (zentrierten) Prozesses ist<br />

Var[X(t)] =<br />

Z ∞<br />

−∞<br />

σ 2<br />

π<br />

·<br />

¸<br />

a<br />

a 2 + ω 2<br />

dω = R(0) = σ 2 (2)<br />

Der Ableitungsprozeß des weißes Rauschens besitzt, wie man aus Gl. (6.1.6.24) sieht, unendlich<br />

große Varianz. Weißes Rauschen läßt sich physikalisch nicht realisieren, ist aber häufig eine sehr<br />

nützliche mathematische Idealisierung. Der Korrelationsmaßstab ist<br />

Z ∞<br />

δ =2 ρ X (τ)dτ = π G X(0)<br />

= 2 (3)<br />

0<br />

σ 2 X a<br />

112


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

<strong>und</strong> die Varianz des gleitenden Mittels<br />

·Z T<br />

Var[A T (T )] = 2σ2 (1 − τ )ρ(τ)dτ¸<br />

T<br />

T<br />

0<br />

½<br />

= 2σ2<br />

(aT) 2 (aT − 1+exp[−aT]) ≤ min σ 2 , 2σ2<br />

aT<br />

#<br />

Beispiel 6.1.6.2: Spektraldichte bei R(τ) =σ 2 exp [−aτ 2 ] ,a > 0<br />

Hier liegt offensichtlich ein beliebig oft differenzierbarer Prozeß vor. Seine Spektraldichte ist<br />

S(ω) = 1<br />

2π<br />

Z ∞<br />

−∞<br />

σ 2 exp £ −aτ 2¤ exp [−iωτ] dτ =<br />

·<br />

σ2<br />

2 √ aπ exp − ω2<br />

4a<br />

Alle spektralen Momente existieren. Der Korrelationsmaßstab berechnet sich zu<br />

¸<br />

¾<br />

(4)<br />

(1)<br />

δ =2<br />

Z ∞<br />

0<br />

ρ X (τ)dτ = π G X(0)<br />

σ 2 X<br />

r π<br />

=<br />

a<br />

(2)<br />

<strong>und</strong> die exakte Varianz des gleitenden Mittels zu<br />

Var[A T (T )] = σ2<br />

aT<br />

£√ aπT erf(<br />

√ aT) − 1+exp<br />

£<br />

−aT<br />

2 ¤¤ ≤ min<br />

r ¾<br />

½σ 2 , σ2 π<br />

T a<br />

(3)<br />

#<br />

Reichhaltige, zusätzliche Ergebnisse über Gaußsche Prozesse findet man z.B. bei Cramer/Leadbetter<br />

[33] <strong>und</strong> Vanmarcke [176] .<br />

Gaußsche Vektorprozesse ∗<br />

Die Beschreibungsmittel für Vektorprozesse sind direkte Verallgemeinerungen der Definitionen für<br />

skalare Prozesse. Neben den marginalen Größen sind zusätzlich aber Kreuzkovarianzfunktionen<br />

zu definieren.<br />

C XY (t 1 ,t 2 )=Cov[X(t 1 ),Y(t 2 )] =<br />

Z ∞ Z ∞<br />

−∞<br />

−∞<br />

(x − m X (t 1 ))(y − m Y (t 2 ))f X,Y (x, y; t 1 ,t 2 )dxdy<br />

(6.1.6.32)<br />

Für reelle Prozesse ist C XY (t 1 ,t 2 )=C YX (t 2 ,t 1 ). Bei Stationarität gilt C XY (τ) =C YX (−τ).<br />

Bei zentrierten Prozessen ist R XY (t 1 ,t 2 )=C XY (th<br />

1 ,t 2 ). Auch Vektorprozesse i standardisiert man<br />

am besten für jedes t, so daß E [U(t)] = 0 <strong>und</strong> E U(0)U(τ) T = I. Bei stationären Prozessen<br />

h i<br />

ist dann auch notwendigerweise E ˙U(t) =0. Die Matrix der Kovarianzfunktionen des (stationären)<br />

Ableitungsprozesses ist analog Gl. (6.1.6.16) E<br />

hẊ(0)Ẋ(τ) i T = RẊẊ (τ) =¨R X (τ) =<br />

h i<br />

{− ∂2 R ij (τ )<br />

}.E X(0)Ẋ(τ) T = R (τ) =Ṙ ∂τ 2<br />

XẊ X (τ) ={− ∂R ij(τ)<br />

} ist eine in der Regel vollbesetzte<br />

Matrix. Für τ =0ist sie schiefsymmetrisch <strong>und</strong> es ist Ṙ ii (0) = 0, d.h. X i (τ) <strong>und</strong> Ẋ i (τ)<br />

∂τ<br />

sind unkorreliert für jedes τ. Die Matrizen R U (τ), Ṙ U (τ) <strong>und</strong> ¨R U (τ) <strong>im</strong> standardisierten <strong>und</strong><br />

entkorrelierten Raum erhält man z.B. für τ = t ∗ aus R U (t ∗ )=A(t ∗ ) −1 R X (t ∗ )(A(t ∗ ) −1 ) T = I,<br />

Ṙ U (t ∗ )=A(t ∗ ) −1 Ṙ X (t ∗ )(A(t ∗ ) −1 ) T bzw. ¨R U (t ∗ )=A(t ∗ ) −1 ¨R X (t ∗ )(A(t ∗ ) −1 ) T mit A(t ∗ ) der<br />

Koeffizientenmatrix in Gl. (6.1.2.6). Das Vorhandensein der Matrix Ṙ U (t ∗ ) verhindert, daß man<br />

113


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

R U (τ) <strong>und</strong> ¨R U (τ) gleichzeitig diagonalisieren kann. Die Wiener-Chintchin-Beziehungen fürden<br />

zentrierten Prozeß lauten<br />

R XY (τ) =<br />

S XY (ω) = 1<br />

2π<br />

Z +∞<br />

−∞<br />

Z +∞<br />

−∞<br />

S XY (ω)exp[iωτ]dω (6.1.6.33)<br />

R XY (τ)exp[−iωτ]dτ (6.1.6.34)<br />

Die Kreuzspektren S XY (ω) <strong>und</strong> S YX (ω) sind <strong>im</strong> allgemeinen konjugiert komplex. Deshalb ist<br />

S XY (ω) = S ∗ YX (ω) = S∗ XY (−ω) = S YX(−ω). Die Kreuzkorrelationsfunktion kann in einen<br />

symmetrischen <strong>und</strong> einen ant<strong>im</strong>etrischen Anteil zerlegt werden.<br />

R XY (τ) = 1 2 [R XY (τ)+R XY (−τ)] + 1 2 [R XY (τ) − R XY (−τ)] (6.1.6.35)<br />

Mit exp [−iωτ] =cos(ωτ) − i sin(ωτ) ergibt sich<br />

S XY (ω) = 1<br />

2π<br />

i<br />

2π<br />

Z +∞<br />

−∞<br />

Z +∞<br />

1<br />

2 [R XY (τ)+R XY (−τ)] cos(ωτ)dτ −<br />

1<br />

−∞ 2 [R XY (τ) − R XY (−τ)] sin(ωτ)dτ<br />

= Co XY (ω) − iQ XY (ω) (6.1.6.36)<br />

Co XY (ω) ist das sogenannte Kospektrum <strong>und</strong> Q XY (ω) das sogenannte Quadraturspektrum wobei<br />

Co XY (ω) =Co XY (−ω) <strong>und</strong> Q XY (ω) =−Q XY (−ω). Das Quadraturspektrum ist null, wenn<br />

R XY (τ) eine gerade Funktion ist. Eine oft verwendete GrößefürdieAbhängigkeit zweier Prozesse<br />

ist die sogenannte Kohärenzfunktion.<br />

Coh 2 XY = |S XY (ω)| 2<br />

S X (ω)S Y (ω) = Co XY (ω) 2 + Q XY (ω) 2<br />

S X (ω)S Y (ω)<br />

(6.1.6.37)<br />

Sie gibt den quadrierten Korrelationskoeffizienten für jede Frequenz an.<br />

Ergodizität, Stetigkeit, Differenzierbarkeit <strong>und</strong> Integrierbarkeit sind analog zum eind<strong>im</strong>ensionalen<br />

Fall definiert.<br />

Beispiel 6.1.6.3: Korrelationsmatrix für den modalen Ausgang eines Schwingungssystems mit<br />

mehreren Freiheitsgraden<br />

Die Schwingungen eines mehrläufigen, linearen, viskos gedämpften Tragwerks unter Zufallsbelastungen<br />

sind ihrerseits zufällig. Bei Belastung durch weißes Rauschen kann man für den stationären<br />

Zustand insbesondere zeigen, daß die Kovarianzfunktionsmatrix der modalen Koordinaten<br />

gegeben ist durch (siehe auch Abschnitt 8.4)<br />

C(t 2 − t 1 )= © C ij (t 2 − t 1 )=πS 0<br />

£<br />

αij g i (t 2 − t 1 )+β ij h i (t 2 − t 1 ) ¤ ; t 2 >t 1 ,i,j =1, 2,...,N ª<br />

(1)<br />

114


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

mit<br />

"<br />

#<br />

ξ<br />

g i (τ) =exp[−ω i ξ i τ] cos(ω d,i τ)+ p1 i<br />

sin(ω<br />

− ξ<br />

2 d,i τ)<br />

i<br />

(2)<br />

h i (τ) =exp[−ω i ξ i τ]<br />

1<br />

ω d,i<br />

sin(ω d,i τ) (3)<br />

ω d,i = ω i<br />

q1 − ξ 2 i (4)<br />

α ij =<br />

4(ω i ξ i + ω j ξ j )<br />

¡ ¢<br />

ω<br />

2<br />

i − ω 2 2<br />

j +4ω i ω j (ω i ξ j + ω j ξ i )(ω i ξ i + ω j ξ j )<br />

(5)<br />

β ij =<br />

2 ¡ ¢<br />

ω 2 j − ω 2 i<br />

¡ ¢<br />

ω<br />

2<br />

i − ω 2 2<br />

j +4ω i ω j (ω i ξ j + ω j ξ i )(ω i ξ i + ω j ξ j )<br />

(6)<br />

worin ω k <strong>und</strong> ξ k die jeweiligen Eigenfrequenzen bzw. die modalen Dämpfungsverhältnisse <strong>und</strong> S 0<br />

die Stärke des (eind<strong>im</strong>ensionalen) Eingangs. Die Autokovarianzfunktionen sind differenzierbar.<br />

Für t 1 ≥ t 2 sind i <strong>und</strong> j zu vertauschen. Außerdem gilt α ij = α ji <strong>und</strong> β ij = −β ji . Die C ij (t 2 −<br />

t 1 ) sind gedämpfte Schwingungen. C(t 2 − t 1 ) ist eine symmetrische, positiv definite Matrix,<br />

Ċ(t 2 − t 1 )= d<br />

dt 2<br />

C(t 2 − t 1 ) ist eine schiefsymmetrische Matrix <strong>und</strong> ¨C(t 2 − t 1 )=<br />

d2<br />

dt 1dt 2<br />

C(t 2 − t 1 )<br />

wiederum eine symmetrische, positiv-definite Matrix. Der Verformungsausgang des Systems wird<br />

schließlich als Linearkombination aus den modalen Antworten Y (t) = P n<br />

i=1 η iX i (t) gewonnen.<br />

#<br />

Gaußsche Zufallsfelder ∗<br />

Eine Beschreibung durch Zufallsfelder wird notwendig, wenn der Parameter ein Vektor ist, z.B.<br />

die Raumkoordinaten <strong>und</strong> gegebenenfalls die Zeit, also etwa bei Bodeneigenschaften, den turbulenten<br />

Windgeschwindigkeiten in Raum <strong>und</strong> Zeit, bei der Verteilung von Kontaminationen <strong>im</strong><br />

Gr<strong>und</strong>wasser oder bei der Beschreibung des Seegangs. Skalare Gaußsche Felder sind durch ihre<br />

Mittelwertsfunktion <strong>und</strong> die Kovarianzfunktion vollständig definiert. Allerdings ist nunmehr der<br />

Parameter ein Vektor t =(t 1 .t 2 ,...,t m ).<br />

m(t) =E [X(t)] (6.1.6.38)<br />

C X (t 1 , t 2 )=Cov [X(t 1 ),X(t 2 )] (6.1.6.39)<br />

Die Kovarianzfunktion ist positiv definit <strong>und</strong> es ist C X (t 1 , t 2 )=C X (t 2 , t 1 ).<br />

Das Feld wird homogen genannt, wenn die Kovarianzfunktion nur von der Vektordifferenz θ =<br />

t 1 − t 2 abhängt. Dann ist<br />

m = m(t) =E [X(t)] (6.1.6.40)<br />

C X (t 1 , t 2 )=C X (t 1 − t 2 )=Cov [X(t),X(t + θ)] = C X (θ) (6.1.6.41)<br />

115


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Das Feld heißt isotrop, wenn die Kovarianzfunktion nur vom Abstand τ = kt 1 − t 2 k abhängt <strong>und</strong><br />

somit invariant gegenüber Translationen, Rotationen <strong>und</strong> Spiegelungen ist <strong>und</strong> damit:<br />

C X (t 1 , t 2 )=C X (τ) (6.1.6.42)<br />

Ergodizität, Stetigkeit, Differenzierbarkeit <strong>und</strong> Integrierbarkeit sind analog zum eind<strong>im</strong>ensionalen<br />

Fall definiert.<br />

Für die Korrelationsfunktion von homogenen <strong>und</strong> zentrierten Feldern gibt es eine Spektraldarstellung.<br />

R X (θ) =<br />

Z ∞<br />

−∞<br />

S X (κ) = 1<br />

(2π) m Z ∞<br />

exp £ iκ T θ ¤ S X (κ)dκ (6.1.6.43)<br />

−∞<br />

exp £ −iκ T θ ¤ R X (θ)dθ (6.1.6.44)<br />

Es gibt einige häufig vorkommende Sonderfälle. Wenn für jedes Argument R(..., θ i ,...)=R(..., −θ i ,...)<br />

gilt, nennt man das Feld quadrant-symmetrisch. Dann ist (Hinweis auf X jetzt weggelassen)<br />

<strong>und</strong> natürlich:<br />

Das Feld heißt separierbar, wenn<br />

<strong>und</strong> damit<br />

σ 2 = R(0) =<br />

G(κ) =2 m S(κ) (6.1.6.45)<br />

Z ∞<br />

−∞<br />

S(κ)dκ =<br />

Z ∞<br />

0<br />

G(κ)dκ (6.1.6.46)<br />

R(θ) =R(θ 1 )R(θ 2 )...R(θ m ) (6.1.6.47)<br />

S(κ) =S(κ 1 )S(κ 2 )...S(κ m ) (6.1.6.48)<br />

Allgemein läßt sich die Korrelationsfunktion eines m-d<strong>im</strong>ensionalen Feldes aus<br />

R(θ m )=R(θ n )R(θ k ) (6.1.6.49)<br />

erzeugen wobei m = n + k <strong>und</strong> R(θ n ) <strong>und</strong> R(θ k ) jeweils zulässige Korrelationsfunktionen sein<br />

müssen.<br />

Manchmal, z.B. bei der Modellierung des durch ebene Wellen charakterisierten Seegangs, ist die<br />

Korrelationsstruktur eines Zufallsfeldes richtungsabhängig. Dann wird häufig der Ansatz<br />

R(θ, φ) =R(θ)s(φ) (6.1.6.50)<br />

verwendet, z.B. mit s(φ) = 1 π cos( φ−φ 0<br />

2<br />

) 2 für |φ − φ 0 | < π.<br />

Isotrope Felder sind <strong>im</strong>mer homogen, quadrant-symmetrisch aber nicht unbedingt separierbar. Bei<br />

isotropen Feldern können die vorstehenden mehrd<strong>im</strong>ensionalen Integrale auf eind<strong>im</strong>ensionale In-<br />

116


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

tegrale durch Übergang zu Kugelkoordinaten reduziert werden.<br />

R R (ρ) =(2π) m/2 Z ∞<br />

S R (κ) =<br />

0<br />

Z<br />

1 ∞<br />

(2π) m/2<br />

0<br />

J m−2<br />

2<br />

(κρ) m−2<br />

2<br />

J m−2<br />

2<br />

(κρ)<br />

κ m−1 S R (κ)dκ (6.1.6.51)<br />

(κρ) m−2<br />

2<br />

(κρ)<br />

ρ m−1 R R (ρ)dρ (6.1.6.52)<br />

worin J k (.) die Besselfunktionen 1. Art <strong>und</strong> k-ter Ordnung sind. Die radialen Spektralfunktionen<br />

integrieren sich nicht zu σ 2 auf, sondern es ist<br />

σ 2 =<br />

Z ∞<br />

0<br />

G(κ)dκ =<br />

π m/2<br />

2 m−1 Γ(m/2)<br />

Z ∞<br />

0<br />

κ m−1 G R (κ)dκ (6.1.6.53)<br />

Auch hier gibt es den Begriff des Korrelationsmaßstabes. Für isotrope Felder ist<br />

Z<br />

α m = δ m π m/2<br />

∞<br />

m<br />

Γ( m +1) =(2π)m−1 2<br />

0<br />

ξ m−1 ρ(ξ)dξ = π m GR (0)<br />

σ 2 (6.1.6.54)<br />

³<br />

Γ(<br />

δ m = α m 2 +1)<br />

´1/m<br />

m π ist offensichtlich der Radius einer m-d<strong>im</strong>ensionalen Hyperkugel. Natürlich<br />

m/2<br />

muß das Integral R ∞<br />

ξ m−1 ρ(ξ)dξ existieren. Bei separierbaren, anisotropen Feldern ist<br />

0<br />

α m = Y m<br />

δ 1,i. (6.1.6.55)<br />

i=1<br />

Beispiel 6.1.6.4: Exponentiell korreliertes, dreid<strong>im</strong>ensionales Feld<br />

Die Korrelationsfunktion<br />

" #<br />

3X<br />

R(ρ) =R(ρ 1 , ρ 2 , ρ 3 )=σ 2 exp − a i |ρ i |<br />

beschreibt ein nicht differenzierbares, separierbares Feld mit Spektraldichte<br />

i=1<br />

(1)<br />

S(κ) =S(κ 1 , κ 2 , κ 3 )= σ2<br />

π 3 a 1 a 2 a 3<br />

(κ 2 1 + a 2 1)(κ 2 2 + a 2 2)(κ 2 3 + a 2 3)<br />

(2)<br />

Wie <strong>im</strong> eind<strong>im</strong>ensionalen Fall entsteht für a i →∞mehrd<strong>im</strong>ensionales weißes Rauschen mit<br />

R(ρ) =R(ρ 1 , ρ 2 , ρ 3 )=σ 2 δ(ρ 1 )δ(ρ 2 )δ(ρ 3 ) (3)<br />

S(κ) =S(κ 1 , κ 2 , κ 3 )=<br />

σ2<br />

(4)<br />

(2π) 3<br />

#<br />

Beispiel 6.1.6.5: Beispiele für isotrope Korrelationsfunktionen<br />

Die folgenden Korrelationsfunktionen für ρ ≥ 0<br />

117


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

I : R(ρ) =σ 2 exp [−aρ];a>0 (1)<br />

II : R(ρ) =σ 2 exp [−aρ]cos(bρ); a ≥ b>0 (2)<br />

III : R(ρ) =σ 2 exp £ −aρ 2¤ ; a>0 (3)<br />

IV,1 : R(ρ) =σ 2 (1 − ρ/a); ρ ≤ a (4)<br />

" Ã<br />

IV,2 : R(ρ) =σ 2 1 − 2 π<br />

ρ<br />

a<br />

r<br />

!#<br />

³ ρ<br />

´2<br />

1 − +sin −1 ( ρ a a ) ; ρ ≤ a (5)<br />

IV,3 : R(ρ) =σ 2 (1 − 1.5(ρ/a)+0.5(ρ/a) 3 ); ρ ≤ a (6)<br />

V : R(ρ) =σ 2 (aρ)n K n (aρ)<br />

Γ(n)2 n−1 ; a>0 (7)<br />

haben die radialen Spektralfunktionen für κ ≥ 0. Auf den ersten Blick unterscheiden sich die<br />

verschiedenen Modelle nicht stark.<br />

Typ G 1 (κ) G 2 (κ) G 3 (κ)<br />

I<br />

II<br />

σ 2<br />

π<br />

III<br />

IV<br />

V<br />

σ 2<br />

σ 2<br />

σ 2 2a<br />

a<br />

a<br />

π (a 2 +κ 2 ) 3/2 2π (a 2 +κ 2 ) 3/2 π 2 (a 2 +κ 2 )<br />

R 2<br />

a(κ 2 +a 2 +b 2 )<br />

2σ 2 ∞<br />

σ<br />

R(ρ)J<br />

(κ 4 +2κ 2 (a 2 −b 2 )+(a 2 +b 2 ) 2 ) π 0 0 (κρ)ρdρ 2 a(κ 4 +2(a 2 +b 2 )κ 2 +(a 2 −b 2 )(a 2 +b 2 )<br />

h i<br />

h i<br />

π (κ 4 +2κ 2 h(a 2 −b 2 i)+(a 2 +b 2 ) 2 ) 2<br />

√σ 2<br />

aπ<br />

exp − κ2<br />

σ 2<br />

− κ2<br />

σ 2<br />

exp − κ2<br />

4a<br />

π 4a<br />

(aπ) 3/2 4a<br />

"<br />

#<br />

σ 2 sin(aκ/2)<br />

R κ 2 a 2 −4<br />

2σ 2 ∞<br />

R(ρ)J<br />

π aκ 2 π 0 0 (κρ)ρdρ 12σ 2 cos(aκ)+<br />

π 2 κ 6 a 3<br />

+ 4+2 a 2 −4aκ sin(aκ)<br />

π 2 κ 6 a 3<br />

2σ 2 a 2n Γ(n+1/2)<br />

4σ 2 a 2n n<br />

8σ 2 a 2n Γ(n+3/2)<br />

π 1/2 Γ(n)(a 2 +κ 2 ) n+1/2<br />

π(a 2 +κ 2 ) n+1<br />

π 3/2 Γ(n)(a 2 +κ 2 ) n+3/2<br />

Die erste Korrelationsfunktion ist in allen D<strong>im</strong>ensionen gültig. Sie ist nicht die gleiche Funktion<br />

wie in Beispiel 6.1.6.4. Für die zweite gilt a>b>0 für m =2<strong>und</strong> a> √ 3b>0 für m =3.Außerdem<br />

ist die Spektralfunktion für m =2nicht analytisch <strong>und</strong> man muß Gl. (6.1.6.53) anwenden.<br />

Die dritte ist ebenfalls in jeder D<strong>im</strong>ension gültig. Die vierte eind<strong>im</strong>ensionale Funktion (IV) gehört<br />

zu einem ’’moving average’’ Prozeß. Diese Funktion ist in höheren D<strong>im</strong>ensionen nicht mehr positiv<br />

definit. Das sphärische Analogon ist für den dreid<strong>im</strong>ensionalen Fall angegeben. Allerdings<br />

gilt, daß eine Korrelationsfunktion, die in m D<strong>im</strong>ensionen gültig ist, auch für n


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Abb. 6.7.Vergleich verschiedener (eind<strong>im</strong>ensionaler) Autokorrelationsfunktionen <strong>und</strong> Spektren (gleicher<br />

Korrelationsmaßstab)<br />

#<br />

Anisotrope Felder lassen sich leicht aus isotropen Feldern erzeugen. Es ist nämlich<br />

R(ρ) =R( ° ° ρ T Aρ ° ° ) (6.1.6.56)<br />

mit A einer Diagonalmatrix, die nicht proportional zur Einheitsmatrix ist. Solche Felder werden<br />

Felder mit Ellipsoidstruktur genannt. Sie sind ebenfalls quadrant-symmetrisch.<br />

Eine wichtige Form von Zufallsfeldern umfaßt Felder bei denen Zeit- <strong>und</strong> Raumkoordinaten gleichzeitig<br />

vorkommen, z.B. <strong>im</strong> Wind- <strong>und</strong> Meeresingenieurwesen. Wir nehmen Homogenität<strong>im</strong>Raum<br />

<strong>und</strong> Stationarität in der Zeit an. Bei festgehaltenen Raumkoordinaten gilt<br />

<strong>und</strong> bei festgehaltener Zeit<br />

σ 2 =<br />

σ 2 =<br />

Z ∞<br />

−∞<br />

Z ∞<br />

−∞<br />

S(κ)dκ = R(ρ) |ρ=0 (6.1.6.57)<br />

S(ω)dω = R(τ) | τ =0 (6.1.6.58)<br />

Natürlich existieren die vollen Wiener-Chintchin-Beziehungen Gl. (6.1.6.44) <strong>und</strong> (6.1.6.45) mit<br />

entsprechender Interpretation der Parameter. Die Raum-Zeit Kreuzspektraldichten haben insbesondere<br />

die Form<br />

R(ρ,τ) =<br />

Z ∞<br />

−∞<br />

exp [iωτ] S(κ,ω)dω (6.1.6.59)<br />

119


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

S(κ,ω) = 1 Z ∞<br />

exp [−iωτ] R(τ)dτ (6.1.6.60)<br />

2π −∞<br />

Dann ist es nützlich, die Kreuzspektraldichte mit ihrem Wert für κ = 0 zu normalisieren.<br />

ρ ω (κ) = S(κ,ω)<br />

S(0,ω) = S(κ,ω)<br />

S(ω)<br />

(6.1.6.61)<br />

Diese frequenzabhängige Autokorrelationskoeffizientenfunktion gibt den Grad der räumlichen<br />

Korrelation für jedes ω an. Natürlich ist<br />

Durch<br />

ρ(κ) =<br />

Z ∞<br />

−∞<br />

ρ ω (κ) S(ω) dω (6.1.6.62)<br />

σ2 Coh(κ, ω) =|ρ ω (κ)| 2 = |S(κ,ω)|2<br />

(6.1.6.63)<br />

S(ω) 2<br />

wird schließlich die Kohärenzfunktion <strong>im</strong> räumlichen Fall definiert.<br />

Die Mittelwertbildung von homogenen Zufallsfeldern über best<strong>im</strong>mte Bereiche ist von großer<br />

praktischer Bedeutung. Analog zum eind<strong>im</strong>ensionalen Fall gilt für das einfache Mittel über einen<br />

Bereich mit Volumen D = D 1 D 2 ···D m <strong>und</strong> α m dem (isotropen) Korrelationsmaßstab sowie δ m<br />

dem zugehörigen Korrelationsradius<br />

· Z ¸<br />

1<br />

E X(ξ)dξ = m (6.1.6.64)<br />

Var<br />

D<br />

Z<br />

· 1<br />

D<br />

D<br />

D<br />

¸<br />

X(ξ)dξ<br />

= 1 D 2 Z<br />

D<br />

Z<br />

D<br />

Cov [X(ξ),X(η)] dξdη ≤ min<br />

½ ¾<br />

σ 2 , σ2 α m<br />

D<br />

(6.1.6.65)<br />

Beipiel. 6.1.6.7 Varianz des Mittels eines zweid<strong>im</strong>ensionales Feldes über Rechteck<br />

Für ein zweid<strong>im</strong>ensionales, separierbares Feld mit der Autokorrelationsfunktion<br />

ρ(ξ 1 , ξ 2 )=exp £ − P 2<br />

i=1 a ¤<br />

iξ 2 i ist die Varianz des Mittels über den (rechteckigen) Bereich D =<br />

D 1 D 2<br />

σ 2 2Y<br />

√ πai D i erf ¡ √ ¢<br />

ai D i − 1+exp[−ai D 2 ½<br />

¾<br />

i ]<br />

Var[M(D)] =<br />

≤ min σ 2 , σ 2 π<br />

(D 1 D 2 ) 2 a<br />

i=1<br />

i Di<br />

2 a 1 a 2 D 1 D 2<br />

(1)<br />

Eine analytische Formel für die Kovarianz von Mitteln über zwei Rechtecke läßt sich ebenfalls<br />

finden. Sie ist länglich.<br />

#<br />

Wir betrachten noch das allgemeinere Integral<br />

Z<br />

I(D) = g(ξ)X(ξ)dξ (6.1.6.66)<br />

D<br />

120


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Hierbei ist g(ξ) eine deterministische ’’Gewichtsfunktion’’. Es ist in Analogie <strong>und</strong> Verallgemeinerung<br />

zum eind<strong>im</strong>ensionalen Fall<br />

·Z<br />

¸ Z<br />

Z<br />

E g(ξ)X(ξ)dξ = g(ξ)E [X(ξ)] dξ =E [X(ξ)] g(ξ)dξ (6.1.6.67)<br />

D<br />

D<br />

D<br />

·Z<br />

¸ Z Z<br />

Var g(ξ)X(ξ)dξ = g(ξ)g(η)Cov [X(ξ),X(η)] dξdη (6.1.6.68)<br />

D<br />

D D<br />

<strong>und</strong> für zwei solche Integrale<br />

·Z<br />

Z<br />

¸ Z<br />

C I (ξ, η) =Cov g(ξ)X(ξ)dξ, h(η)X(η)dη = g(ξ)h(η)Cov [X(ξ),X(η)] dξdη<br />

D a D b<br />

ZD a D b<br />

(6.1.6.69)<br />

Gl. (6.1.6.68) bis (6.1.6.69) sind <strong>im</strong> allgemeinen nur sehr aufwendig auszuwerten. Es gibt aber<br />

eine einfache, obere Schranke wenn C X (ξ, η) ≥0 für alle ξ, η ∈D × D. Dann ist aufgr<strong>und</strong> der<br />

³ R<br />

Schwarzschen Ungleichung in der Form f(x, y)k(x, y)dxdy´2<br />

D×D<br />

≤ ¡R f 2 (x, y)dxdy ¢¡R D D k2 (x, y)dxdy ¢<br />

·Z<br />

¸ Z Z<br />

Var g(ξ)X(ξ)dξ ≤ g 2 (ξ)dξ C X (ξ, η)dξdη (6.1.6.70)<br />

D<br />

D<br />

D<br />

wegen f(ξ, η) =g(ξ) <strong>und</strong> k(ξ, η) =g(η) <strong>und</strong> C X (ξ, η) =C X (η, ξ) ≥ 0. Außerdem ist entsprechend<br />

Gl. (6.1.6.55)<br />

Z<br />

Z<br />

C X (ξ, η)dξdη = C X (0, η)dη ≤Var[X(ξ)] α m (6.1.6.71)<br />

D<br />

D<br />

wegen C X (ξ, η) ≤Var[X(ξ)] = Var[X(0)] <strong>und</strong> daher<br />

·Z<br />

¸<br />

(·Z<br />

Var g(ξ)X(ξ)dξ ≤ Var[X(ξ)] min g(ξ)dξ<br />

D<br />

D<br />

¸2<br />

, α m<br />

Z<br />

D<br />

g 2 (ξ)dξ<br />

)<br />

(6.1.6.72)<br />

Hierin ist α m = δ m m<br />

πm/2<br />

der oben eingeführte Korrelationsmaßstab. Diese Näherung ist recht<br />

Γ( m +1) 2<br />

gut, wenn δ m ¿ D 1/m bei kompaktem D <strong>und</strong> nicht zu starker Anisotropie. Man beachte, daß die<br />

Kovarianzfunktion eine nichtnegative Funktion sein muß <strong>und</strong> damit z.B. die zweite Kovarianzfunktion<br />

in Beispiel 6.1.6.5 ausgeschlossen ist.<br />

Beispiel 6.1.6.8: Lastwirkung auf Stütze<br />

Verkehrslasten des Hochbaus L(x, y) werden für einen gegebenen Zeitpunkt als isotrope Zufallsfelder<br />

modelliert. Eine mit linear-elastischer Rechnung ermittelte Lastwirkung, z.B. die Normalkraft<br />

auf eine Stütze mit Einzugsfläche A, ist<br />

Z<br />

S(A) = i(x, y)L(x, y)dxdy (1)<br />

A<br />

121


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Dann ist für den Mittelwert<br />

<strong>und</strong> die Varianz nach Gl. (6.1.6.73)<br />

Var[S(A)] ≤ Var[L(x, y)] min<br />

Z<br />

E [S(A)] = E [L(x, y)] i(x, y)dxdy (2)<br />

A<br />

(·Z ¸2 Z<br />

i(x, y)dxdy , α 2<br />

A<br />

A<br />

R (1, α 2<br />

·Z<br />

¸2<br />

= Var[L(x, y)] i(x, y)dxdy min<br />

A<br />

i 2 (x, y)dxdy<br />

)<br />

A i2 (x, y)dxdy<br />

£RA i(x, y)dxdy¤ 2<br />

#<br />

Für die Kovarianz zweier Integrale können ebenfalls gewisse Vereinfachungen angegeben werden.<br />

Hier geben zunächst ein wichtiges Ergebnis für die Mittelwerte über zwei kubische Bereiche mit<br />

den Seiten parallel zu den Achsen an. Abb. 6.6 veranschaulicht die geometrischen Gegebenheiten<br />

<strong>im</strong> zweid<strong>im</strong>ensionalen Fall aus dem auch der m-d<strong>im</strong>ensionale Fall ableitbar ist. Offenbar gilt<br />

(siehe auch Gl. (6.1.6.19))<br />

· Z ¸<br />

1<br />

Var[M(D)] = Var X(ξ)dξ = Var[X(ξ)] γ(d) (6.1.6.73)<br />

D D<br />

mit der sogenannten Varianzfunktion<br />

γ(d) =<br />

1<br />

Q m<br />

i=1 d i<br />

Z d1<br />

−d 1<br />

...<br />

Z dm<br />

−d m<br />

Y m<br />

i=1<br />

µ<br />

1 − |ς <br />

½ ¾<br />

i|<br />

α<br />

ρ(ς)dς ≤ min 1, Q m<br />

d m<br />

i i=1 d i<br />

)<br />

(3)<br />

(6.1.6.74)<br />

Bei separierbarem Feldern ist min{δ i } = δ m . Dann kann man durch Anwendung der Sätze der<br />

Integralrechnung für das Mehrfachintegral in Gl. (6.1.6.70) zeigen, daß <strong>im</strong> ein-, zwei- <strong>und</strong> dreid<strong>im</strong>ensionalen<br />

Fall<br />

Cov [M 1 (D 1 ),M 2 (D 2 )] = Var[X(ξ)]<br />

2<br />

Cov [M 1 (D 1 ),M 2 (D 2 )] = Var[X(ξ)]<br />

4<br />

Cov [M 1 (D 1 ),M 2 (D 2 )] = Var[X(ξ)]<br />

8<br />

3X<br />

(−1) k γ(d 1k ) (6.1.6.75)<br />

k=0<br />

3X<br />

k=0 `=0<br />

3X<br />

3X<br />

(−1) k (−1)`γ(d 1k ,d 2`) (6.1.6.76)<br />

3X<br />

k=0 `=0 m=0<br />

3X<br />

(−1) k (−1)`(−1) m γ(d 1k ,d 2`,d 3m )<br />

(6.1.6.77)<br />

Bei isotropen Feldern <strong>und</strong> gleicher Größe der Quader vereinfachen bzw. verkürzen sich diese<br />

Formeln noch wesentlich. Und natürlich kann man die Funktion γ(d) wie in Gl. (6.1.6.75) von<br />

oben abschranken.<br />

Für anders berandete Bereiche zerlegt man näherungsweise den Bereich in (kleine) kubische Bereiche<br />

<strong>und</strong> verfährt analog. Schließlich kann man das gleiche Konzept für gewichtete Integrale<br />

122


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

wie in Gl. (6.1.6.67) anwenden, d. h. man setzt in Näherung z.B. für den zweid<strong>im</strong>ensionalen Fall<br />

Z<br />

mX<br />

N = h(ξ 1 , ξ 2 )X(ξ 1 , ξ 2 )dξ 1 dξ 2 ≈ h j M j (6.1.6.78)<br />

D<br />

worin h j das ’’Gewicht’’ <strong>im</strong> Zentrum oder <strong>im</strong> Schwerpunkt (in Bezug auf die Funktion h(ξ 1 , ξ 2 ))<br />

des j-ten (kleinen) Rechtecks <strong>und</strong> M j das entsprechende Mittel. Für zwei gewichtete Integrale N i<br />

<strong>und</strong> N j verwendet man für die Kovarianz zwischen M i <strong>und</strong> M j die Formeln (6.1.6.76-78). Integrale<br />

der Art (6.1.6.67) kommen in der Bodenmechanik, bei stochastischen FE-Modellen <strong>und</strong> bei<br />

vielen anderen Anwendungen vor.<br />

j=0<br />

Abb. 6.8.Geometrische Bezeichnungen von zwei rechteckigen Bereichen<br />

Die Formeln in (6.1.6.64) bis (6.1.6.78) behandelten den Fall, daß Mittel über achsenparallele Flächen<br />

oder Volumen zu bilden sind. Sehr wichtig sind jedoch auch die statistischen Charakteristika<br />

von Mitteln über geneigte oder gekrümmte Linien oder Flächen (z.B. bei Fließflächen in der Bodenmechanik).<br />

Dann muß man offensichtlich Oberflächenintegrale lösen. Die Fläche S sei durch<br />

die folgende explizite, eindeutige Parameterdarstellung gegeben.<br />

Dann ist für ein zentriertes, homogenes Feld<br />

E [M (S)] = 1<br />

A(S)<br />

ξ 3 = h(ξ 1 , ξ 2 ) (6.1.6.79)<br />

Z<br />

S<br />

E [X(ξ)] dS(ξ) =m (6.1.6.80)<br />

Var[M(S)] =<br />

=<br />

σ 2<br />

ρ(ξ, η)dS(ξ, η)<br />

A(S)<br />

ZS<br />

2<br />

σ 2<br />

ρ(ξ<br />

A(S)<br />

ZB<br />

2 1 , ξ 2 ,h(ξ 1 , ξ 2 ), η 1 , η 2 ,h(η 1 , η 2 )<br />

123


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

q q<br />

× 1+h 2 1 + h 2 2 1+h 2 1 + h 2 2dξ 1 dξ 2 dη 1 dη 2 (6.1.6.81)<br />

Cov [M(S j ),M(S k )] =<br />

Z<br />

σ 2 ZB j<br />

ρ(ξ<br />

A(S j )A(S k )<br />

j,1 , ξ j,2 ,h j (ξ j,1 , ξ j,2 )), ξ k,1 , ξ k,2 ,h k (ξ k,1 , ξ k,2 ))) ×<br />

B<br />

q<br />

q<br />

k<br />

× 1+h 2 j,1 + h2 j,2 1+h 2 k,1 + h2 k,2 dξ j,1dξ j,2 dξ k,1 dξ k,2 (6.1.6.82)<br />

mit h i,j = ∂h i(ξ 1 ,ξ 2 )<br />

; j =1, 2 <strong>und</strong> B der eindeutigen Projektion von S auf die (ξ<br />

∂ξ j<br />

1 , ξ 2 )−Ebene<br />

sowie<br />

Z q<br />

A(S) = 1+h 2 1 + h 2 2dξ 1 dξ 2 (6.1.6.83)<br />

der Fläche von S.<br />

B<br />

Beispiel 6.1.6.9: Scherfestigkeit des Bodens auf zwei zueinander geneigten Flächen<br />

Die Scherfestigkeit eines Bodens sei durch ein homogenes Gaußsches Zufallsfeld mit Mittelwert<br />

m, Standardabweichung · σ 2 sowie der separierbaren Autokorrelationsfunktion<br />

ρ(ξ) =exp − P ³ ´2¸<br />

ξi<br />

i=x,y,z b i<br />

charakterisiert. Standardisierung ergibt<br />

U(ξ) = X(ξ) − m<br />

(1)<br />

σ<br />

Bei Stabilitätsuntersuchungen von Böschungen stellt sich z.B. die Aufgabe, die Parameter der<br />

Mittel über zwei Flächen zu berechnen. Wir nehmen eine zylinderförmige Bruchfläche an <strong>und</strong> approx<strong>im</strong>ieren<br />

diese stückweise durch gegeneinander geneigte, ebene Teilflächen. Die Flächen seien<br />

parallel zur x-Achse. Der Mittelwert des standardisierten Feldes ist gleich Null. Wegen Separierbarkeit<br />

des Feldes ist mit Gl. (1) von Beispiel 6.1.6.7 <strong>und</strong> der Parameterdarstellung (ξ 1 ,h j (ξ 1 )) =<br />

(ξ 1 ,a j ξ 1 + z 0j )<br />

à µ ( " µ #)! q 2<br />

Var[M(S j )] = σ2 √πbx L L 1+a 2<br />

erf + b 2 j<br />

L 2 x 1 − exp −<br />

×<br />

b x b x A(S j ) 2<br />

Z yj + v j Z "<br />

yj + v j µ <br />

2<br />

2 ξ1 − ξ 2 µ #<br />

×<br />

exp −<br />

2 aj ξ<br />

− 1 + z 0j − (a j ξ 2 + z 0j ) 2<br />

b z<br />

y j − v j<br />

2<br />

y j − v j<br />

2<br />

= σ2<br />

L 2 Ã<br />

√πbx<br />

erf<br />

1<br />

v 2 j<br />

b y b z<br />

b 2<br />

·√πbvj<br />

erf<br />

b y<br />

µ ( " µ #)!<br />

L L<br />

2<br />

+ b 2 x 1 − exp −<br />

×<br />

b x b x<br />

µ<br />

vj b<br />

b y b z<br />

<br />

+ b y b z<br />

½1 − exp<br />

·− v2 j b2<br />

b 2 yb 2 z<br />

¸¾¸<br />

dξ 1 dξ 2<br />

(2)<br />

124


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

q<br />

mit a j =tan(α j ),b 2 = b 2 z + a 2 jb 2 y <strong>und</strong> A(S j )= 1+a 2 j v j. Für die Kovarianzen gilt das erste<br />

Integral in (2) für S j <strong>und</strong> das zweite Integral für S k .<br />

à µ ( " µ #)! q p<br />

Cov [M(S j ),M(S k )] = σ2 √πbx L L 2 1+a 2<br />

erf + b 2 j 1+a<br />

2<br />

k<br />

L 2 x 1 − exp −<br />

b x b x A(S j )A(S k )<br />

Z yj + v j Z "<br />

yk + v k µ <br />

2<br />

2 ξj − ξ 2 µ #<br />

k aj ξ j + z 0j − a k ξ k + z 2<br />

0k<br />

×<br />

exp −<br />

−<br />

dξ<br />

y j − v j<br />

y 2 k − v k<br />

2<br />

b y<br />

b j dξ k<br />

z<br />

( "<br />

= σ2<br />

L 2 Ã<br />

√πbx<br />

erf<br />

× 1<br />

v j v k<br />

Z yk + v k<br />

2<br />

y k − v k<br />

2<br />

µ L<br />

+ b 2 x<br />

b x<br />

√ "<br />

π<br />

2 b yb z exp<br />

−<br />

1 − exp<br />

µ #)! 2 L<br />

−<br />

×<br />

b x<br />

µ # 2 ξk (a j − a k )+z 0j − z 0k<br />

(A(ξ<br />

b 2 k ) − B(ξ k )) dξ k<br />

×<br />

(3)<br />

mit<br />

A(ξ k )= 1 µ −(b<br />

2<br />

b erf z + a j a k b 2 y)ξ k − a j b 2 y(z 0j − z 0k )+b 2 (y j + v j<br />

b y b z b<br />

2 )<br />

<br />

B(ξ k )= 1 µ −(b<br />

2<br />

b erf z + a j a k b 2 y )ξ k − a j b 2 y (z 0j − z 0k )+b 2 (y j − v j<br />

b y b z b<br />

Man muß numerisch integrieren. Numerisch integrieren müßte man auch, wenn die Diskretisierung<br />

in eine endliche Anzahl von Teilebenen wegen hoher Krümmung zu großen Fehlern führen<br />

würde oder wenn die Fläche doppelt gekrümmt ist. Die Matrix der Kovarianzen muß positiv definit<br />

bleiben.<br />

2 )<br />

<br />

Abb. 6.9.<br />

125


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

#<br />

Skalare nichthomogene/instationäre Zufallsfelder können ebenfalls definiert werden, sind jedoch<br />

außerordentlich schwierig <strong>und</strong> aufwendig zu behandeln. Nichtgaußische skalare Felder lassen<br />

sich gegebenenfalls mit den in Gl. (3.2.4.6) bis (3.2.4.10) angegebenen Hilfsmitteln bearbeiten.<br />

Auf Vektor- <strong>und</strong> sogar Tensorfelder, wie sie z.B. in der Turbulenztheorie vorkommen, kann nicht<br />

eingegangen werden. Zusätzliche Ergebnisse über Gaußsche Zufallsfelder findet man z.B. in [10]<br />

, [33] , [176] , [2] <strong>und</strong> [194] .<br />

6.1.7. Voraussage, Filterung, Interpolation <strong>und</strong> Kontrolle von<br />

Zufallsprozessen*<br />

In den vorangegangenen Unterabschnitten wurden (stationären) Zufallsprozesse <strong>und</strong> -folgen behandelt.<br />

In der Praxis kommen nun noch eine Reihe von wesentlich weitergehenden Aufgaben<br />

vor, die hier kurz angedeutet werden sollen. Sie werden in der Literatur häufig unter dem Begriff<br />

’’opt<strong>im</strong>ale lineare Filterung oder Schätzung’’ zusammengefaßt. Dabei bedeutet opt<strong>im</strong>al ein<br />

Qualitätskriterium in dem Sinne, daß die Varianz der Voraussage, Filterung oder Interpolation zu<br />

einem Min<strong>im</strong>um wird. Für diese Aufgaben benötigt man best<strong>im</strong>mte Stichprobenfunktionen. Linear<br />

bedeutet, daß nur Linearkombinationen der Stichprobenelemente verwendet werden. Im Gegensatz<br />

zur Parameterschätzung will man nun aber den gesamten Verlauf des Prozesses schätzen,<br />

interpolieren oder extrapolieren. Um konkret zu werden nehmen wir an, daß ein Zufallsprozeß,<br />

z.B. die Verdichtung eines künstlichen Bodens, die Windgeschwindigkeit, der Mineralgehalt einer<br />

Lagerstätte, die Streckgrenze eines gewalzten Blechs, etc., in diskreten, äquidistanten Zeit-<br />

(Raum)punkten beobachtet worden sei. Beobachtet wird eine Größe, die in der Regel aus dem<br />

eigentlichen Signal <strong>und</strong> dem Meßfehler in der Form y(t) = x(t) +²(t) besteht. Gegeben sei<br />

zunächst die ohne Meßfehler gemessene die Folge x(i∆t), (i =1,...,N).<br />

Eine Interpolationsaufgabe liegt vor, wenn der Prozeß X(t) nun auch zu beliebigen Zeitpunkten<br />

zwischen den Beobachtungspunkten best<strong>im</strong>mt werden soll. Das kann man natürlich nur mit<br />

best<strong>im</strong>mter Genauigkeit, die durch die Varianz der Schätzung quantifiziert wird. Dabei muß die<br />

Varianz des Schätzers bei Abwesenheit von Meßfehlern in allen Beobachtungspunkten gleich Null<br />

sein <strong>und</strong> mit wachsendem Abstand von einem Beobachtungspunkt zunehmen. Wenn Meßfehler<br />

vorhanden sind, ist der Mittelwert der Schätzung <strong>im</strong> Beobachtungspunkt gleich der Beobachtung<br />

<strong>und</strong> die Varianz der Schätzung ist gleich der Varianz des Meßfehlers. Da die Kovarianzfunktionen<br />

von vielen Prozessen mit dem gegenseitigen Abstand von zwei Zeitpunkten abnehmen, vermuten<br />

wir, daß sowohl der geschätzte Mittelwert als auch die geschätzte Varianz des Interpolationspunktes<br />

sich mit zunehmendem Abstand vom Beobachtungspunkt den Werten des Prozesses selbst<br />

annähern. Gesucht sind also die Koeffizienten a ij in<br />

E[X(t j )] = a oj +<br />

NX<br />

a ij x(t i ) (6.1.7.1)<br />

i=1<br />

für j =1,...,M derart, daß die Varianz der Schätzungen zu einem Min<strong>im</strong>um wird.<br />

Eine Filterungsaufgabe liegt vor, wenn Meßfehler vorhanden sind. Dann müssen die Beobachtungen<br />

x(t i ) durch die Messungen (mit Fehler) y(t i ) ersetzt werden.<br />

126


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Eine Voraussageaufgabe liegt vor, wenn die Zukunft des Prozesses, z.B. zum Zeitpunkt t N + τ,<br />

von Interesse ist. Diese soll mit<br />

E[X(t N + τ)] =<br />

NX<br />

a i x(t N − ϑ i ) (6.1.7.2)<br />

i=1<br />

geschätzt werden. Die ϑ i sind die Zeitpunkte der bereits vorliegenden Beobachtungen. Wiederum<br />

sollen die Koeffizienten a i opt<strong>im</strong>al best<strong>im</strong>mt werden.<br />

Eng damit verwandt ist die Kontrollaufgabe. Wir können nämlich z.B. annehmen, daß es möglich<br />

ist, den Prozeß zu einem Zeitpunkt t n


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Daraus findet man<br />

Damit ist also<br />

a 1 = C(t 1,t 2 )<br />

σ 2 (t 2 )<br />

= ρ(t 1 ,t 2 ) σ(t 1)<br />

σ(t 2 )<br />

(6.1.7.9)<br />

bX(t 1 )=E[ b X(t 1 )] = E[X(t 1 )|X(t 2 )=x(t 2 )] = m(t 1 )+ C(t 1,t 2 )<br />

σ 2 (t 2 ) (x(t 2) − m(t 2 )) (6.1.7.10)<br />

mit (min<strong>im</strong>aler) Varianz<br />

Im stationären Fall ist sogar<br />

Var[X(t 1 )|X(t 2 )] = σ 2 (t 1 )[1 − ρ 2 (t 1 ,t 2 )] (6.1.7.11)<br />

ˆX(t) =m +[x(t − τ) − m)]ρ(τ) (6.1.7.12)<br />

Var[X(t)|X(t − τ)] = σ 2 [1 − ρ 2 (τ)] ≤ σ 2 (6.1.7.13)<br />

Hier wird deutlich, daß die Varianz nicht vom beobachteten Wert abhängt <strong>und</strong> nur von ρ(τ) <strong>und</strong> der<br />

Varianz des Prozesses selbst. Insbesondere ist Var[X(t)|X(t−τ)] → 0 für |ρ(τ)| → 1,d.h.τ → 0,<br />

<strong>und</strong> Var[X(t)|X(t − τ)] → σ 2 für ρ(τ) → 0, d.h.τ →∞. Es ist in diesen Grenzfällen auch<br />

X(t) → x(t − τ) bzw. X(t) → m entsprechend unseren Erwartungen. Diese Schlußfolgerungen<br />

sind natürlich nur dann sinnvoll, wenn |ρ(τ)| mit τ gegen Null hin abn<strong>im</strong>mt.<br />

Der mehrd<strong>im</strong>ensionale Fall läuft ganz analog. Wir bezeichnen den zu schätzenden Vektor mit<br />

X 1 =(X(t 11 ), X(t 12 ),...X(t 1M )) T <strong>und</strong> den Beobachtungsvektor mit X 2 =(X(t 21 ), X(t 22 ),...<br />

X(t 2N )) T bzw. mit der Realisation x 2 =(x(t 21 ), x(t 22 ),...,x(t 2N )) T <strong>und</strong> teilen den Gesamtvektor<br />

X =(X 1 ,X 2 ) T , d.h.<br />

½ ¾ · ¸<br />

X =(X 1<br />

, X 2 ) T m1 C11 C<br />

= ,<br />

12<br />

m 2 C 21 C 22<br />

Die Schätzer sind<br />

Die Koeffizienten der Matrix A erhält man aus<br />

<strong>und</strong> von a 0 aus<br />

womit<br />

<strong>und</strong> die (min<strong>im</strong>ale) Varianz der Schätzungen<br />

bX = E[X 1 |X 2<br />

= x 2 ]=a 0 + Ax 2 (6.1.7.14)<br />

A = C 12 C −1<br />

22 (6.1.7.15)<br />

a 0 = m 1 −Am 2 (6.1.7.16)<br />

ˆX 1 = m 1 +C 12 C −1<br />

22 (x 2 −m 2) (6.1.7.17)<br />

Var[X 1 |x 2<br />

]=C 11|2 = C 11 −C 12 C −1<br />

22 C 21 (6.1.7.18)<br />

128


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Oft ist M =1<strong>und</strong> die Formeln vereinfachen sich wesentlich. In allen Formeln wird unterstellt,<br />

daß die Parameter des Prozesses, d.h. die Mittelwertsfunktion m(t), die Varianzfunktion σ 2 (t)<br />

<strong>und</strong> die Kovarianzfunktion C(t 1 , t 2 ) bzw. die Autokorrelationsfunktion ρ(t 1 , t 2 ) bekannt sind.<br />

Das ist auch der schwerwiegendste Einwand gegen die vorgestellte Theorie. Sie erlaubt zwar die<br />

Rekonstruktion (mit Fehlerterm) ganzer Zufallsfunktionen, bedingt jedoch bereits gute Kenntnis<br />

über den betrachteten Prozeß. Außerdem wurden <strong>im</strong> Vorstehenden keine Meßfehler berücksichtigt.<br />

Das kann jedoch leicht durch Setzen von<br />

C(t 1 , t 2 )=C M δ(|t 1 − t 2 |)+C R (t 1 , t 2 ) (6.1.7.19)<br />

erreicht werden, wenn alle Fehler voneinander unabhängig sind (δ(x) =1für x =0<strong>und</strong> δ(x) =0<br />

für x 6= 0).<br />

Die vorgestellte Theorie wurde bereits in [88] <strong>und</strong> [188] in ihren wesentlichen Zügen aufgestellt<br />

<strong>und</strong> zwar für stetige, stationäre Prozesse (Felder) auch in einer für viele Anwendungen zweckmäßigeren<br />

spektralen Version. Auf ihre Darstellung soll hier verzichtet werden, zumal sich in der<br />

Anwendung die Analyse <strong>im</strong> ursprünglichen Parameterraum durchzusetzen scheint. Wesentliche<br />

Verbesserungen <strong>und</strong> Verallgemeinerungen wurden aber seither erreicht. Wir verweisen insbesondere<br />

auf die von [86] vorgeschlagenen Algorithmen. Zusammenfassende, ausführliche Erörterungen<br />

finden sich beispielsweise bei [153] <strong>und</strong> bei [127] . Es gibt auch Bayessche Varianten,<br />

die zwar in der Ökonometrie entwickelt wurden, aber für Ingenieuranwendungen geradezu prädestiniert<br />

erscheinen (siehe z.B. [196] ).Schließlich ist eine nichtlineare Theorie, bei der also die<br />

Beobachtungen nichtlinear kombiniert werden, entwickelt worden. Die vielfältigen Anwendungen<br />

in der Meßtechnik,der Steuer-<strong>und</strong> Regelungstechnik, der Lagerstättenk<strong>und</strong>e <strong>und</strong> in der Wirtschaft<br />

haben in jüngster Zeit eine ganze Reihe von Rechenprogrammen hervorgebracht, die die z.T. aufwendigen<br />

rechnerischen Operationen erledigen. Die obigen, etwas summarischen Erörterungen<br />

mögen zumindest die Handhabung solcher Hilfsmittel erleichtern helfen.<br />

Beispiel 6.1.7.1: Interpolation eines Zufallsprozesses<br />

Ein stationärer Gaußscher Prozeß mit Mittelwert Null <strong>und</strong> Kovarianzfunktion C(τ) =4exp[− |τ|]<br />

werde zwischen zwei Beobachtungen x(1) = −0.5 <strong>und</strong> x(2) = 1.0 interpoliert. Die Meßfehlervarianz<br />

sei 0.2. Das ergibt den folgenden Verlauf von bedingter Voraussage <strong>und</strong> Varianz.<br />

#<br />

Abb. 6.10.Interpolation eines Gaußprozesses<br />

129


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

6.2. Allgemeines zur Modellierung von <strong>Lasten</strong><br />

6.2.1. Klassifizierung der Einwirkungen<br />

Unter Einwirkung versteht man jede Wirkung, die Beanspruchungen in einem Bauwerk erzeugt,<br />

d.h. alle Einwirkungen aus der natürlichen <strong>und</strong> technischen Umwelt sowie diejenigen aus der<br />

Nutzung des Bauwerks. Man unterscheidet<br />

• ständige Einwirkungen, deren Änderungen in der Zeit gering <strong>und</strong> langsam erfolgen<br />

Beispiele: Eigenlasten des Tragwerks, Erddruck, Vorspannung, Zwänge aus der Bauart, Beanspruchungen infolge Schwinden<br />

oder Stützensenkungen<br />

• veränderliche Einwirkungen, deren Änderungen in der Zeit häufig <strong>und</strong> wesentlich sind<br />

Beispiele: Alle Einwirkungen aus der Nutzung der Bauwerke sowie Wind, Schnee <strong>und</strong> Temperatur<br />

• außergewöhnliche Einwirkungen, derGröße zwar erheblich sein kann, deren Auftrittswahrscheinlichkeit<br />

für ein gegebenes Bauwerk, bezogen auf die beabsichtigte Nutzungsdauer, klein<br />

ist <strong>und</strong> deren Einwirkungsdauer meist kurz ist<br />

Beispiele: Anpralllasten, Explosionen, Erd- oder Schneelawinen, Erdbeben<br />

Feste Einwirkungen haben eine feste, gegebene räumliche Verteilung. Lastwirkungen können<br />

best<strong>im</strong>mt werden, wenn die Größe der Einwirkung, z.B. als Zufallsvariable, in einem Punkt des<br />

Tragwerks gegeben ist (Beispiel: Wasserdruck). Bei freien Einwirkungen ist die räumliche Verteilung<br />

in der Zeit veränderlich (Beispiel: die meisten Nutzlasten) <strong>und</strong> es gibt ein ungünstigste<br />

räumliche Anordnung. Statische Einwirkungen sind solche Einwirkungen, die keine nennenswerten<br />

Massenkräfte hervorrufen. Dynamische Einwirkungen erzeugen Massenkräfte, die nicht<br />

vernachlässigt werden können.<br />

6.2.2. Filterung be<strong>im</strong> Übergang von Last zu Lastwirkung<br />

Nur in Ausnahmefällen ist die Last selbst von Interesse, z.B. Winddruck auf eine kleine Fassadenfläche<br />

oder die Radlast auf einem unmittelbar befahrenen Belag. Für mittelbar beanspruchte<br />

Tragwerksglieder erfolgt bei linearem <strong>und</strong> quasi-statischem Tragverhalten eine ’’Filterung’’ durch<br />

Z<br />

S i (A, t) = i i (x, y)L(x, y, t)dxdy (6.2.2.1)<br />

A<br />

mit S i (A, t) der Lastwirkung infolge der räumlich verteilten Last L(x, y, t) <strong>und</strong> i i (x, y) der Einflußfläche.<br />

Die ’’Filterung’’ erfolgt <strong>im</strong> wesentlichen <strong>im</strong> Raum. Die tatsächliche feste oder freie,<br />

deterministische oder stochastische räumliche Fluktuation der Einwirkungen wird in der Praxis oft<br />

ersetzt durch eine äquivalente Einwirkung, die die gleiche Lastwirkung erzeugt. Es gilt:<br />

Z<br />

Z<br />

i i (x, y)L eq (x, y, t, α)dxdy = i i (x, y)L(x, y, t)dxdy (6.2.2.2)<br />

A<br />

mit L eq (x, y, t, α) dem standardisierten ’’Lastbild’’ <strong>und</strong> α einem Skalierungsfaktor. Beispiele sind<br />

die räumlich gleichverteilten Nutzlasten des Hochbaus oder der SLW (Schwerlastkraftwagen) zusammen<br />

mit den zugehörigen räumlich gleichverteilten <strong>Lasten</strong> in Haupt- <strong>und</strong> Nebenspur bei Brücken.<br />

Das ist nur näherungsweise möglich, da eine solches äquivalentes Lastbild vom anzusetzenden<br />

Wahrscheinlichkeitsniveau <strong>und</strong> von der Einflußfläche abhängt. Bei dieser Vorgehensweise, die<br />

A<br />

130


Amplitude<br />

Amplitude<br />

Amplitude<br />

Amplitude<br />

Amplitude<br />

Amplitude<br />

Amplitude<br />

Amplitude<br />

Amplitude<br />

Amplitude<br />

Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

die Handhabung von <strong>Lasten</strong> in der Praxis sehr erleichtert, sind <strong>Lasten</strong> <strong>und</strong> Tragwerksform <strong>und</strong> -<br />

größe nicht mehr voneinander unabhängig.<br />

Bei dynamischer Last lautet die entsprechende Beziehung<br />

Z t Z<br />

S i (A, t) = h i (t − τ)i i (x, y)L(x, y, t)dxdydτ (6.2.2.3)<br />

0<br />

A<br />

h i (t − τ) ist die Antwortfunktion des Systems zum Zeitpunkt t auf einen Einheits<strong>im</strong>puls zur Zeit<br />

τ. Hier erfolgt zusätzlich noch eine ’’Filterung’’ in der Zeit.<br />

Wenn mehrere <strong>Lasten</strong> gleichzeitig einwirken, entsteht das Problem der Lastkombination. Die Verhältnisse<br />

veranschaulicht Abb. 6.7.<br />

Im statischen Fall müssen z.B. räumlich verteilte Einzellasten zunächst zu Blocklasten zusammengefaßt<br />

werden. Das entspricht einer lokalen Mittelung, die schon aus rein meßtechnischen Gründen<br />

erforderlich ist. Diese werden dann mit den Ordinaten der Einflußfläche multipliziert <strong>und</strong> aufintegriert.<br />

Dann wird z.B. eine räumlich gleichförmig verteilte äquivalente Last best<strong>im</strong>mt, die zur<br />

gleichen Lastwirkung führt. Im dynamischen Fall, hier ist eine Betrachtung <strong>im</strong> Frequenzbereich<br />

zweckmäßig, muß zunächst ebenfalls eine räumliche Mittelung, gegebenenfalls zusammen mit einer<br />

Tranformation, be<strong>im</strong> Wind etwa der Übergang von der Windgeschwindigkeit zum Winddruck,<br />

geschehen. Dann erfolgt <strong>im</strong> allgemeinen recht selektive Frequenzfilterung.. Erst dann bekommt<br />

man die Spektraldichte der Lastwirkung. In manchen Fällen geht man noch einen Schritt weiter.<br />

Man best<strong>im</strong>mt nun eine quasi-statische Ersatzlast, die die gleiche Lastwirkung ergibt, wie die<br />

dynamische Rechnung.<br />

Statische<br />

Beanspruchung<br />

(räumliche Filterung)<br />

Dynamische<br />

Beanspruchung<br />

(zeitliche Filterung)<br />

Einwirkung<br />

Länge<br />

Frequenz<br />

Zeit<br />

Belastung<br />

Länge<br />

Frequenz<br />

Länge<br />

Frequenz<br />

Tragwerksfilter<br />

Tragwerksantwort<br />

Länge<br />

Frequenz<br />

Zeit<br />

Abb. 6.11.Räumliche <strong>und</strong> zeitliche Filterung von Einwirkungen durch das Tragwerk<br />

131


Windgeschwindigkeit<br />

Magnitude<br />

Beschleunigung<br />

Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Jede sinnvolle probabilistische Modellierung von Einwirkungen geht von einer hierarchischen<br />

Struktur aus. Damit können die verschiedenen Abhängigkeiten näherungsweise aber für praktische<br />

Zwecke ausreichend wirklichkeitsnah erfaßt werden. Das veranschaulicht Abb. 6.8 in dem<br />

oben Erdbeben durch einen markierten Erneuerungsprozeß modelliert werden. Mit dem ’’Makromodell’’<br />

werden nur Informationen über die zeitliche Struktur der Auftrittsereignisse sowie über<br />

die ’’Stärke’’ erfaßt. Die <strong>im</strong> allgemeinen mehrd<strong>im</strong>ensionale ’’Stärke’’ beschreibt <strong>im</strong> ’’Mikromodell’’<br />

die Parameter des Zufallsprozesses der Bodenbeschleunigungen, also Größe, Zeitverlauf,<br />

Dauer, etc.. Im Bild darunter, wieder grob vereinfacht, ist für die Windeinwirkungen dargestellt,<br />

wie von einem Makromodell für die mittleren 10-min Geschwindigkeiten die Parameter der Böigkeit<br />

best<strong>im</strong>mt werden. Die Grenze zwischen Makromodell <strong>und</strong> Mikromodell ist nicht leicht zu<br />

ziehen. Sie muß sowohl physikalische als auch stochastische Aspekte miteinbeziehen.<br />

Zeit<br />

Zeit<br />

mittlere10 min<br />

Geschwindigkeit<br />

Böengeschwindigkeit<br />

Zeit<br />

Abb. 6.12.Hierarchisierung von Lastmodellen<br />

Das heißt aber, daß zur realitätsnahen Modellierung von <strong>Lasten</strong> eine ganze Reihe von Operationen,<br />

etwa Integration, Erwartungswertbildung, Mittelbildung <strong>und</strong> Extremwertbildung notwendig sind.<br />

Das ist Gegenstand der Theorie der <strong>Lasten</strong>. Wie <strong>im</strong> einzelnen vorgegangen werden muß, hängt<br />

stark vom Typ der Last <strong>und</strong> vom Verwendungszweck ab.<br />

132


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

6.3. Allgemeine Festigkeitsmodelle<br />

6.3.1. Statische Festigkeit<br />

Bei der Modellierung von streuenden Materialeigenschaften, hier werden nur Festigkeiten betrachtet,<br />

kommt es ebenfalls auf eine Hierarchisierung der Streuungen an. Im allgemeinen genügt eine<br />

Einteilung auf drei Niveaus<br />

• Makroniveau<br />

• Mesoniveau<br />

• Mikroniveau<br />

Auf dem Mikroniveau untersucht man die von der Mikrostruktur (Atome, Körner, Korngrenzen,<br />

Fasern, etc.) der Werkstoffe herrührenden Streuungen. Auf diesem Niveau entsteht die physikalische<br />

Festigkeit. Sie ist <strong>im</strong> Normalfall Exper<strong>im</strong>enten nicht zugänglich.<br />

Auf dem Mesoniveau kann man die technische Festigkeit an geeigneten Probekörpern best<strong>im</strong>men<br />

<strong>und</strong> z.B. einer Qualitätskontrolle unterwerfen. Zweckmäßigerweise bezieht man die Festigkeiten<br />

auf gewisse Einheiten, z.B. Bauwerke, Produktionseinheiten wie Schmelzen, Betonierabschnitte<br />

oder auch Bodeneigenschaften unter einem (nicht zu großen Bauwerk). Innerhalb dieser Einheiten<br />

gibt es in der Regel ausgeprägte räumliche Korrelation. Das muß bei der Hochrechnung auf<br />

Bauteilfestigkeiten berücksichtigt werden. Näherungsweise kann man annehmen, daß innerhalb<br />

dieser Einheiten die Verteilungen stationär wenn nicht sogar ergodisch sind. Es ergibt sich ein<br />

in Bezug auf die mittleren Werte <strong>und</strong>/oder die Streuungen mehr oder weniger stark ausgeprägter<br />

’’Größeneffekt’’.<br />

Auf dem Makroniveau kann man Streuungen zwischen Produktionseinheiten <strong>und</strong> Produktionsstätten<br />

definieren. Bei Böden ist dies z.B. die geologisch bedingte Unsicherheit über die tatsächliche<br />

Bodenart. Diese Streuungen kann man <strong>im</strong> Prinzip durch umfassende Probennahmen <strong>und</strong> anschließende<br />

statistische Auswertungen beseitigen. Oft kann man annehmen, daß die den Produktionseinheiten<br />

zukommende Streuung eine unabhängige Folge bilden.<br />

Damit ist symbolisch<br />

X i (ξ) =X 0,i + X 1 (ξ)<br />

Der Index ’’i’’ bezeichne die Produktionseinheit, ξ den Ortsvektor innerhalb der Produktionseinheit.<br />

X i (ξ) ist somit wegen des Anteils X 0,i ein nichtergodisches Feld. Im folgenden werden<br />

wir vorrangig den ergodischen Teil X 1 (ξ) behandeln. Oft sind jedoch beide Anteile in gleicher<br />

Größenordnung.<br />

Es gibt <strong>im</strong> wesentlichen drei verschiedene stochastische Modelle für Festigkeiten, bei denen jeweils<br />

andere Operationen durchzuführen sind um von der Festigkeit des ’’Elements’’ auf die Festigkeit<br />

des ’’Bauteils’’ zu kommen. Diese Operationen umfassen <strong>im</strong> wesentlichen Integral- <strong>und</strong><br />

Summenbildung sowie Extremwertbildung.<br />

• Modell idealer Plastizität<br />

• Modell ideal spröder Materialien<br />

• Modell paralleler Fasern<br />

Bei realen Werkstoffen hat man es meist mit einer Kombination der den Gr<strong>und</strong>modellen zukommenden<br />

Operationen zu tun.<br />

133


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Ideal plastisches Werkstoffverhalten<br />

Bei ideal-plastischem Werkstoffverhalten trägt jedes Element nach Erreichen der Plastizitätsgrenze<br />

die Last mit der räumlich streuenden Plastizitätsgrenze. Der Widerstand eines best<strong>im</strong>mten Bauteils<br />

wird durch Integration über die hier zur Vereinfachung eben angenommene ’’Gleitfläche’’ gewonnen,<br />

d.h. aus R(A) = R σ(ξ)dξ. Die Elementfestigkeit kann als homogenes Zufallsfeld aufgefaßt<br />

A<br />

werden. Daher ist die mittlere Bauteilfestigkeit<br />

·Z<br />

E [R(A)] = E<br />

mit der Varianz<br />

Z<br />

Var[R(A)] =<br />

A<br />

Z<br />

A<br />

A<br />

¸<br />

σ(ξ)dξ = AE [σ(ξ)] (6.3.1.1)<br />

Cov [σ(ξ 1 , η 1 ), σ(ξ 2 , η 2 )] dA 1 dA 2 (6.3.1.2)<br />

Damit ist der Mittelwert pro Einheitsfläche unabhängig von der Fläche. Die Varianz n<strong>im</strong>mt dagegen<br />

mit der Fläche ab. Bei stark mischenden Zufallsfeldern, d.h. Feldern, die fürgenügend großen<br />

Abstand unabhängig werden, gilt der zentrale Grenzwertsatz, also näherungsweise eine Normalverteilung<br />

für R(A). Bei nur langsam abfallender Autokovarianzfunktion erfolgt die Annäherung<br />

jedoch nur langsam. Auf die Ausführungen zu Mitteln bei Zufallsfeldern in Abschnitt 6.1.6 wird<br />

hingewiesen.<br />

Ideal sprödes Werkstoffverhalten<br />

Bei ideal sprödem Materialverhalten ist das schwächste Element (oder der größte Defekt) für das<br />

Bauteilversagen verantwortlich. Es gelten analoge Betrachtungen wie bei der Ableitung der Weibullverteilung<br />

(Weibull, 1939[184] ).<br />

³<br />

wenn ln(1 − F (σ)) ≈−<br />

F R (σ) = 1− (1 − F (σ)) V/V 0<br />

· ¸<br />

V<br />

= 1− exp ln(1 − F (σ))<br />

V<br />

" 0<br />

≈ 1 − exp − V µ # k σ − σ0<br />

V 0 σ c<br />

σ−σ 0<br />

σ c<br />

(6.3.1.3)<br />

´k<br />

angesetzt werden kann, V0 ein geeignet gewähltes Referenzvolumen<br />

<strong>und</strong> V das tatsächliche Bauteilvolumen. Mit zunehmendem Volumen n<strong>im</strong>mt die Festigkeit<br />

daher stark ab, d.h. die mittlere Festigkeit wie E [R] =σ 0 + σ c (V/V 0 ) −1/k Γ(1 + 1/k). Bei<br />

inhomogener Beanspruchung durch s(x, y, z) = sw(x, y, z) <strong>und</strong> σ 0 =0ist<br />

F R (σ) ≈ 1 − exp<br />

"− 1 µ σ k Z<br />

V 0 σ c<br />

V<br />

w(x, y, z)dV<br />

#<br />

(6.3.1.4)<br />

Analoge Betrachtungen gelten für Oberflächendefekte. Strenggenommen gelten diese Verteilungen<br />

nicht für mehrachsige Beanspruchung <strong>und</strong> nur für in der Beanspruchungsrichtung ausgedehnte<br />

Körper. Dem ’’Element’’ kann jedoch eine physikalische Bedeutung gegeben werden. Wenn man<br />

das Element als Defekt (z.B. ein innerer, flächiger Riß, eine Pore oder ein Einschluß) deutet, kann<br />

man ähnliche Verteilungen auch für mehraxiale Beanspruchungen herleiten (Matsuo, 1981[113] ).<br />

134


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Fürden’’bruchmechanischen’’ Ansatz fassen wir nachstehend einige Gr<strong>und</strong>lagen zusammen. Für<br />

einen Riß in einem elastischen Medium ist<br />

σ XX = K n<br />

I<br />

√ cos(θ/2) [1 − sin(θ/2) sin(3θ/2)] − ρ o<br />

2πr 2r cos(3θ/2)<br />

σ YY = K n<br />

I<br />

√ cos(θ/2) [1 + sin(θ/2) sin(3θ/2)] + ρ o<br />

2πr 2r cos(3θ/2)<br />

σ ZZ = ν(σ XX + σ YY ) (6.3.1.5)<br />

σ XY = K n<br />

I<br />

√ sin(θ/2cos(θ/2) cos(3θ/2) − ρ o<br />

2πr 2r sin(3θ/2)<br />

σ XZ = σ YZ =0<br />

Für den ebenen Spannungszustand ist σ ZZ =0. Meist setzt man ρ =0, d.h. n<strong>im</strong>mt den mathematisch<br />

spitzen Riß an. Die Größe K I heißt Spannungsintensitätsfaktor <strong>und</strong> ist unabhängig von r<br />

<strong>und</strong> θ. Aus einer D<strong>im</strong>ensionsbetrachtung folgt, daß<br />

K I = Y (a)σ √ πa (6.3.1.6)<br />

Y (a) ist eine von der Beanspruchungsart, der Rißgeometrie <strong>und</strong> der Rißorientierung abhängige<br />

Funktion. Für den inneren elliptischen Riß ist beispielsweise<br />

K I = σ√ πa<br />

H<br />

µsin(ϕ) 2 + a2<br />

c 2 cos(ϕ)2 1/4<br />

(6.3.1.7)<br />

mit H ≈ 3π + π a 2<br />

. Für ϕ = π/2 ist der Spannungsintensitätsfaktor am größten <strong>und</strong> für ϕ =0am<br />

8 8 c 2<br />

kleinsten. Auch die Rißöffnungsweite kann berechnet werden.<br />

v R = 1+κ)<br />

4G σ√ a 2 + x 2 für x ≤ a (6.3.1.8)<br />

mit κ =(3− ν)/(1 + ν) für den ebenen Spannungszustand <strong>und</strong> κ =(3− ν) für den ebenen<br />

Verformungszustand (G =Schubmodul, ν =Poissonsche Zahl). Für einen halbelliptischen Riß an<br />

der Oberfläche hat man abgesehen von einem zusätzlichen Faktor 1.12 die gleichen Ergebnisse.<br />

An der Rißspitze (r =0)werden die Spannungen unendlich groß. Dort werden Plastifizierungen<br />

eintreten, deren Größe man abschätzen kann. Die Spannungen in der Nähe von Einschlüssen oder<br />

von Poren können ebenfalls berechnet werden. Sie sind kleiner als die bei Rissen. Wenn entweder<br />

die angelegten Spannungen oder der Riß selbst zu groß wird, wird der Riß instabil. Das kann man<br />

nach Griffith durch eine Energiebetrachtung ermitteln. Wir betrachten einen ’’Schlitz’’ in einer<br />

unendlich großen Platte der Dicke Eins. Die durch den Riß freigesetzte elastische Energie ist<br />

π(1 + κ)<br />

U el =<br />

8G σ2 a 2 Y (a, c) 2 (6.3.1.9)<br />

Diese Energie entspricht der Arbeit, die notwendig ist um den Riß wieder zu schließen.<br />

A = 1 2 V Rσ (6.3.1.10)<br />

135


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

wobei V R das entstandene Hohlvolumen ist. Dieses Volumen ist mit Gl. (6.3.1.8) <strong>und</strong> Y (a, c) =1<br />

<strong>und</strong> daher<br />

V R =4<br />

Z a<br />

0<br />

v R (x)dx (6.3.1.11)<br />

π(1 + κ)<br />

A =<br />

8G σ2 a 2 (6.3.1.12)<br />

Die Oberflächenenergie eines Risses von der Länge 2a ist<br />

Σ =2(2aγ 0 ) (6.3.1.13)<br />

mit γ 0 der spezifischen Oberflächenenergie. Die kritische Spannung wird durch Variation der<br />

Gesamtenergie gewonnen.<br />

∂Π<br />

∂a = δ(U el + Σ + W) =0 (6.3.1.14)<br />

mit W der äußeren Arbeit, die hier keine Rolle spielt. Man erhält<br />

bzw.<br />

s<br />

σ cr =<br />

16Gγ 0<br />

π(1 + κ)a<br />

(6.3.1.15)<br />

K I,c = 16Gγ 0<br />

(1 + κ)<br />

(6.3.1.16)<br />

Der Riß wird instabil, wenn K I,c ≤ K I . Die vorgestellte Theorie ist nur für ideal spröde Werkstoffe,<br />

wie z.B. Glas, gültig aber dort in hervorragender Weise exper<strong>im</strong>entell verifiziert. Bei nicht<br />

zu großen plastischen Zonen kann man die Theorie aber auch für elasto-plastische Baustoffe anwenden<br />

- natürlich mit den entsprechenden Modifikationen. Hier ist wichtig, daß dem Element in<br />

Weibulls Theorie eine physikalische Bedeutung gegeben wurde. Sind in einem Bauteil also Risse<br />

vorhanden, z.B. entsprechend einem Poissonschen Feld verteilt, so wird das Bauteil durch den<br />

größten <strong>und</strong> ungünstigst orientierten Riß versagen. Es gilt also<br />

P f (V )=1− exp [−λVP(K I,c ≤ K I )] (6.3.1.17)<br />

Bei diesem Modell erfolgt keine gegenseitige Beeinflussung der Spannungsverhältnisse an den<br />

verschiedenen Rissen.<br />

Das Modell des Faserbündels<br />

Ein weiteres Festigkeitsmodell ist das Modell eines Bündels von unabhängigen, parallelen <strong>und</strong><br />

ideal spröden Fasern, jeweils mit der Festigkeitsverteilung F (σ). Wenn man die Festigkeiten innerhalb<br />

des Bündels der Größe nach ordnet, kann das Bündel eine Last auf verschiedene Weise<br />

abtragen (vergl. Beispiel 4.4.5)<br />

R =max<br />

nn ˆX 1 , (n − 1) ˆX 2 ,...,2 ˆX n−1 , ˆX<br />

o<br />

n<br />

136


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Für große Bündel läßt sich eine asymptotische Formel ableiten (Daniels; 1945,1989[37] [38] .<br />

Danach ist die Festigkeit des Bündels asymptotisch normalverteilt mit<br />

E [R] = nx 0 (1 − F (x 0 )) + C (6.3.1.18)<br />

Var[R] = nx 2 0 F (x 0)(1 − F (x 0 )) + D (6.3.1.19)<br />

worin x 0 =max{x(1 − F (x))} <strong>und</strong> l<strong>im</strong> x→∞ x(1 − F (x)) = 0. Das Bündel entwickelt also bei<br />

x = x 0 seine größte Festigkeit. Dann sind nF (x 0 ) der Fasern bereits gebrochen. C <strong>und</strong> D sind<br />

für kleine Bündel maßgebliche Verbesserungen.<br />

C =0.996n 1/3 α (6.3.1.20)<br />

mit<br />

α 3 =<br />

D = −0.317n 2/3 α 2 (6.3.1.21)<br />

f(x 0 ) 2 x 4 0<br />

2f(x 0 )+f 0 (x 0 )x 0<br />

Beispiel 6.3.1.1: Weibullverteilte Einzelfestigkeiten<br />

Für F (x) =1− exp £ −ax b¤ ist<br />

<strong>und</strong> damit<br />

x 0 =(ab) −1/b (1)<br />

E [R] = n(ab) −1/b exp £ −b −1¤ (2)<br />

Var[R] = n(ab) ¡ −1/b exp £ −b −1¤ − exp £ −2b −1¤¢ (3)<br />

Die Größe a ergibt sich zu<br />

·<br />

α = a − 1 b b<br />

− b+3<br />

3b exp − 1 ¸<br />

3b<br />

(4)<br />

#<br />

Fürgroße Paralleldrahtkabel ist das Modell eine hervorragende Näherung.<br />

Reale Werkstoffe<br />

Für best<strong>im</strong>mte Werkstoffe beschreiben die vorgestellten Modelle die exper<strong>im</strong>entellen Bef<strong>und</strong>e<br />

schon sehr gut. Für duktilen Stahl oder kohäsiven Boden stellt das ideal plastische Modell eine<br />

sehr gute Näherung dar. Sehr spröde Baustoffe werden durch das Modell des ’’schwächsten’’<br />

Gliedes gut beschrieben. Paralleldrahtkabel werden in hervorragender Weise durch das Modell von<br />

Daniels erfaßt. Beton oder andere keramische Werkstoffe verhalten sich komplizierter. Man muß<br />

die verschiedenen Modelle kombinieren. Vor allem muß beachtet werden, daß eine ’’Lokalisierung’’<br />

der ’’Schäden’’ bei Annäherung an den Versagenszustand eintritt. Neuere Untersuchungen<br />

zeigen dies auf rein statistischen Wege für das Danielssystem. Das führt zu der Schlußfolgerung,<br />

daß die Verteilungen von Festigkeiten zwischen der Normalverteilung <strong>und</strong> der Weibullverteilung<br />

liegen müssen.<br />

137


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

6.3.2. Kumulative Schädigungen<br />

Werkstoffe können altern. Eine Alterung erfolgte z.B. vollkommen unabhängig von der Lastgeschichte<br />

der die Komponente ausgesetzt war, etwa durch chemische Einwirkungen. Das ist nun<br />

aber eher der Sonderfall. Häufig sind es gerade die wiederholt auftretenden Beanspruchungen, die<br />

akkumulierende Schädigungen erzeugen, so daß die Komponente den Beanspruchungen nach einer<br />

gewissen Zeit nur noch verminderten Widerstand leistet. Versagen erfolgt, wenn entweder die<br />

Schädigungen einen Grenzwert erreichen oder wenn eine extreme Beanspruchung auf eine geschädigte<br />

Komponente einwirkt. Wir betrachten zunächst den ersten Fall. Die einfachste Formulierung<br />

für einen kumulativen Vorgang ist:<br />

dx(t)<br />

= f(x(t), z(t)) (6.3.2.1)<br />

dt<br />

worin X ein best<strong>im</strong>mter Schadensindikator <strong>und</strong> Z(t) der Beanspruchungsprozeß. Das Schadensinkrement<br />

pro Zeiteinheit ist damit eine Funktion des zum Zeitpunkt bereits eingetretenen Schadens<br />

<strong>und</strong> der zum Zeitpunkt t auftretenden Beanspruchung. Ist insbesondere<br />

dx(t)<br />

= f(x(t))h(z(t)); h(z(t)) > 0 (6.3.2.2)<br />

dt<br />

so kann man die Differentialgleichung separieren <strong>und</strong> integrieren. Wenn die Beanspruchung ein<br />

Zufallsprozeß Z(t) ist, ist natürlich auch der Schadensindikator X(t) ein Zufallsprozeß . Den<br />

Versagenszustand bezeichnen wir mit:<br />

V (t) ={x cr − X(t) ≤ 0} (6.3.2.3)<br />

Darin ist x cr ein gegebenenfalls zufälliger Grenzschaden. Integration ergibt:<br />

Z x(t)<br />

x(t 0)<br />

Z<br />

dx(τ) t<br />

f(x(τ)) =<br />

t 0<br />

h(Z(τ))dτ (6.3.2.4)<br />

woraus<br />

Ψ(X(t)) − Ψ(X(t 0 )) = χ(t 0 ,t) (6.3.2.5)<br />

X(t) =Ψ −1 [χ(t 0 ,t)+Ψ(X(t 0 ))] (6.3.2.6)<br />

Die Funktion Ψ(.) hängt, abgesehen von nicht aufgeführten Konstanten, von der Funktion f(.) ab.<br />

Beispielsweise kann man f(x(t)) = x(t) n wählen. Dann ist Ψ(x(t)) durch<br />

n =0:Ψ(x(t)) = x(t)<br />

n =1:Ψ(x(t)) = ln x(t)<br />

n>1:Ψ(x(t)) = xn+1<br />

n +1<br />

138


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

gegeben. Der Fall n =0ist ein Modell fürAbnützungsvorgänge, so etwa für die Dicke des durch<br />

darüberrollenden Verkehr aufgezehrten Straßenbelags oder den flächigen Korrosionsabtrag in der<br />

Spritzwasserzone von Schiffen oder Sp<strong>und</strong>wänden. Die Fälle n>1 entsprechen den Gesetzen für<br />

die Rißfortpflanzung in metallischen Werkstoffen (vergl. Abschnitt 6.3.2). x(t) wird dort explizit<br />

als Rißlänge interpretiert. N<strong>im</strong>mt man n = −1, so best<strong>im</strong>mt man<br />

n = −1 :Ψ(x(t)) = x(t) 2 /2<br />

<strong>und</strong> kann die entsprechende Gleichung als das Ficksche Gesetz für den Karbonatisierungsfortschritt<br />

in Beton interpretieren.<br />

Offensichtlich ist χ(t 0 ,t) eine Zufallsvariable, wenn Z(τ) ein Zufallsprozeß ist. Wenn h(Z(τ))<br />

strikt nichtnegativ ist, ist der Schadensindikator monoton wachsend. Wenn Z(t) kein Zufallsprozeß,<br />

sondern eine Zufallsfolge ist, muß man die Integrale durch Summen ersetzen. Von entscheidender<br />

Bedeutung ist der additive Charakter der rechten Seite, da er unter best<strong>im</strong>mten Bedingungen<br />

die Anwendung des Gesetzes der großen Zahlen (hier in der Form des sogenannten Ergodensatzes)<br />

<strong>und</strong> sogar des zentralen Grenzwertsatzes erlaubt. Setzt man voraus, daß Z(t) ein stationärer,<br />

ausreichend mischender Prozeß ist <strong>und</strong> h(Z(τ)) eine monotone Funktion von Z(τ) ist, ist nach<br />

dem Ergodensatz in der Form<br />

das Zeitintegral:<br />

l<strong>im</strong><br />

T →∞<br />

1<br />

2T<br />

Z +T<br />

−T<br />

h(Z(τ))dτ = E[h(Z(t))]<br />

χ(t 0 ,t) ∼ E[h(Z(τ))](t − t 0 ) (6.3.2.7)<br />

Obwohl darin der Zufallsprozeß Z(τ) bzw. h(Z(τ)) nur noch mit seinem Mittelwert eingeht,<br />

reicht dieser Ansatz in vielen Anwendungen bereits aus, da die einzelnen durch die Beanspruchung<br />

verursachten Schädigungen sehr klein sind, deren Anzahl, d.h. (t − t 0 ),abersehrgroß ist. Der<br />

Schadensverlauf ist in Abb. 6.13 dargestellt. Wenn er eine streng monoton wachsende Funktion<br />

ist, kann man also den Versagensbereich durch Gl. (6.3.2.3) definieren <strong>und</strong> die <strong>Zuverlässigkeit</strong> mit<br />

einem Verfahren für zeitinvariante Aufgaben berechnen.<br />

χ(t 0 ,t) ist nach dem zentralen Grenzwertsatz aber auch asymptotisch normalverteilt. Der Prozeß<br />

χ(t 0 , τ) mit τ als Parameter ist asymptotisch ein Gaußscher Prozeß für dessen vollständige<br />

Beschreibung die Kenntnis der Mittelwertsfunktion <strong>und</strong> der Kovarianzfunktion ausreicht. Wäre<br />

insbesondere h(Z(τ)) = Z(τ) <strong>und</strong> wäre Z(τ) ein unkorrelierter Gaußscher Prozeß mit Mittelwert<br />

µ <strong>und</strong> Varianz σ 2 , so erkennt man, daß χ(t 0 , τ) ein Brownscher Prozeß ist, für den alle Kenngrößen<br />

leicht angegeben werden können. χ(t 0 , τ) hat den Mittelwert<br />

<strong>und</strong> die Varianz<br />

E[χ(t 0 , τ)] = (τ − t 0 )µ (6.3.2.8)<br />

Var[χ(t 0 , τ)] = (τ − t 0 )σ 2 (6.3.2.9)<br />

139


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Wählt man nun außerdem noch f(x(t)) = 1 in Gl. (6.3.2.2), so erhält man für vorgegebenes t = τ<br />

<strong>und</strong> t 0 =0<br />

P (X(t) ≤ x) ∼ Φ( x − µt<br />

σ √ t ) (6.3.2.10)<br />

Für den Grenzschaden x cr gilt aber<br />

P (X(t) ≤ x cr )=P (T ≤ t) =F (t) =Φ( x cr − µt<br />

σ √ ) (6.3.2.11)<br />

t<br />

mit der Dichte f(t) = xcr−µt<br />

σt 3/2<br />

ϕ( xcr−µt<br />

σ √ ). Gl. (6.3.2.11) ist damit auch die Verteilungsfunktion der<br />

t<br />

Lebensdauer. Formel (6.3.2.11) weist endliche Wahrscheinlichkeiten auch negativen Schadensindikatoren<br />

zu. Das ist <strong>im</strong> Widerspruch zur oben eingeführten Positivität der Funktion Z(τ). Diese<br />

Inkonsistenz kann jedoch für D[Z(τ)]/E[Z(τ)] ¿ 1 hingenommen werden. Gl. (6.3.2.11) ist keine<br />

Normalverteilung, denn die Zufallsvariable, d.h. die Versagenszeit T, steht sowohl <strong>im</strong> Zähler<br />

als auch <strong>im</strong> Nenner.<br />

X (τ)<br />

x cr<br />

τ<br />

T 1<br />

T<br />

2<br />

T<br />

3<br />

t<br />

Abb. 6.13.Zeitlicher Verlauf von Schadensindikatoren <strong>und</strong> Erstüberschreitungszeiten<br />

In vielen Fällen erfolgt eine Schädigung nicht sofort sondern erst nach einer ’’Initiierungsphase’’.<br />

Beispiele sind viele Korrosionsvorgänge, etwa Karbonatisierung oder das Eindringen von Chlorid<br />

in Beton <strong>und</strong> nachfolgender Korrosionsabtrag in der Stahlbewehrung. Auch bei Materialermüdung<br />

in metallischen Werkstoffen unterscheidet man häufig eine Phase bis zur Initiierung eines<br />

Makrorisses <strong>und</strong> die daran anschließende Rißfortpflanzung. In den Initiierungsphasen ist noch<br />

keine Festigkeitsabnahme beobachtbar. Gleichwohl ist das Material schon geschädigt. Dann muß<br />

man diese Phasen getrennt betrachten <strong>und</strong> hat für die Zeit bis zum Festigkeitsversagen z.B.<br />

F (t) =F e (t) ¯F i (t)+<br />

Z t<br />

0<br />

f i (τ)[F e (τ)+(1− F e (τ))F d (t − τ)] dτ (6.3.2.12)<br />

Hierin ist F i (t) die Verteilungsfunktion der Initiierungszeit, F e (t) die Verteilungsfunktion eines<br />

Versagens in der Initiierungszeit <strong>und</strong> F d (t) die Verteilungsfunktion eines Versagens bei abnehmender<br />

Festigkeit. Die Zeiten T i ,T e <strong>und</strong> T d sind hier unabhängig genommen.<br />

140


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

6.3.3. Materialermüdung<br />

Materialermüdung ist in den meisten Fällen die Folge des Auftretens von Rissen - gegenenfalls<br />

nach einer gewissen Initiierungszeit. An den Rißspitzen treten bei ideal-elastischem Material<br />

Spannungssingularitäten auf. Für das Wachstum von Rissen unter konstanter, periodischer Beanspruchung<br />

gilt für nicht zu große <strong>und</strong> nicht zu kleine Risse die Paris-Ergodansche Beziehung<br />

da<br />

dn = C(∆K)m (6.3.3.1)<br />

mit ∆K = Y (a)∆σ √ πa der Spannweite des sogenannten Spannungsintensitätsfaktors (Y (a) =von<br />

der Rißgeometrie abhängige Funktion <strong>und</strong> ∆σ =max{σ}−min {σ} der Spannungsspannweite).<br />

Separierung <strong>und</strong> Intergration von Gl. (6.3.2.1) ergibt<br />

mit<br />

Ψ(a) =<br />

Ψ(a) =C∆σ m n (6.3.3.2)<br />

Z a<br />

a 0<br />

da<br />

(Y (a) √ πa) m (6.3.3.3)<br />

Für Y (a) =1kann man analytisch integrieren.<br />

⎧<br />

⎫<br />

⎨<br />

´<br />

a(N) =<br />

³a 2−m<br />

2<br />

2<br />

0 + 2−mCπ<br />

m 2 ∆σ m 2−m<br />

⎬<br />

N für m 6= 2<br />

2<br />

⎩<br />

a 0 exp [Cπ∆σ 2 N] für m =2<br />

⎭<br />

(6.3.3.4)<br />

Hierin ist N die Anzahl der Spannungswechsel bis zum Erreichen der Rißlänge a(N). C <strong>und</strong> m<br />

sind exper<strong>im</strong>entell zu best<strong>im</strong>mende Materialeigenschaften. m ist dabei eine vom Mechanismus<br />

der Rißfortpflanzung (auf dem Mikroniveau) abhängige Materialkonstante <strong>und</strong> hat Werte von 2<br />

bei sehr sprödem Material <strong>und</strong> von 4 bei sehr duktilem Material. Wenn man das Erreichen einer<br />

best<strong>im</strong>mten kritischen Rißlänge a cr als Ermüdungsversagen ann<strong>im</strong>mt, so hat man in<br />

N∆S m = Ψ(a cr)<br />

= K (6.3.3.5)<br />

C<br />

nichts anderes als die sogenannte Wöhlerlinie, die aus der Sicht der Bruchmechanik häufig als<br />

’’Anrißlinie’’ bezeichnet werden kann. Für nicht konstante Beanspruchung zieht man meist die<br />

sogenannte lineare Schadensakkumulationshypothese [128] [115] heran, die der Integration der<br />

rechten Seite von Gl. (6.3.2.1) zwangsläufig zugr<strong>und</strong>e liegt (Integration ist eine lineare Operation)<br />

X n i<br />

=1 (6.3.3.6)<br />

N i<br />

i<br />

worin n i die Lastspielzahl auf dem Niveau ∆S i <strong>und</strong> N i die auf diesem Niveau ertragbaren Lastspiele.<br />

Unter dieser Annahme <strong>und</strong> der Annahme, daß die Belastung einen ergodischen Prozeß<br />

darstellt, kann man eine schädigungsgleiche Belastung definieren.<br />

∆s m eqn =<br />

Z n<br />

0<br />

∆S(t) m dt = nE [∆S m ] (6.3.3.7)<br />

141


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Diese Formel setzt die Gültigkeit des sogenannten Ergodensatzes, eine auf ergodische Prozesse<br />

angewandte Variante des Gesetzes der großen Zahlen, voraus. Die (deterministische) Größe<br />

∆s eq = E [∆S m ] 1/m kann für viele Belastungsprozesse berechnet werden. Hierbei kommt es<br />

darauf an, nur die wirklich schädigungswirksamen Belastungszyklen zu zählen. Für einen ideal<br />

schmalbändigen, stationären, mittelwertsbereinigten Gaußprozeß mit Standardabweichung σ,<br />

dessen Spannungsspitzen einer Rayleighverteilung folgen, ist [114]<br />

" # X<br />

Z ∞<br />

E ∆Si<br />

m = ν 0 T (2x) m x ·<br />

i<br />

0 σ exp − 1 ¸<br />

x 2<br />

= ν 2 2 σ 2 0 T (2 √ 2) m σ m Γ(1 + m 2 ) (6.3.3.8)<br />

Hierbei ist ν 0 die Rate der positiven Nullkreuzungen des Prozesses <strong>und</strong> T die in Betracht gezogene<br />

Zeitdauer. Jedes Spannungsspiel ist durch ∆S i =maxS i − min S i =2· max S i gegeben. Die<br />

Schmalbändigkeit sichert fast perfekte Korrelation zwischen max S i <strong>und</strong> min S i . Bei breitbändigen<br />

Prozessen sollte man Korrekturen durchführen, die hier nicht angegeben werden können. Eine<br />

auch physikalisch einleuchtende Zählmethode ist die sogenannte ’’Rain-flow Methode’’, die in<br />

der Praxis häufig verwendet wird. Jeder Spannungszeitlauf wird in eine Folge von lokalen Spitzen<br />

<strong>und</strong> Senken aufgelöst. Daraus bildet man eine Folge von ’’Dächern’’, die ein Regentropfen (’’Rainflow’’)<br />

herunterlaufen kann. FürdieZählmethode gelten folgende Regeln (vergl. Bild 6.14).<br />

• Ein ’’Rain-flow’’ startet an jeder Spitze <strong>und</strong> jeder Senke.<br />

• Ein ’’Rain-flow’’ der an einer Spitze gestartet wird, wird gestoppt, wenn er auf eine Spitze trifft,<br />

bei der das nächste Dach weiter als das Ausgangsdach auskragt.<br />

• Ein ’’Rain-flow’’ der an einer Senke gestartet wird, wird gestoppt, wenn er auf eine Spitze trifft,<br />

bei der die Senke des nächsten Daches weniger auskragt als die des Ausgangsdaches.<br />

• Wenn ’’Rain-flow’’ von der Spitze eines Daches ’’herabfällt’’ <strong>und</strong> einen anderen ’’Rain-flow’’<br />

trifft, wird er abgebrochen.<br />

• Ein neuer ’’Rain-flow’’-Pfad wird erst begonnen, wenn der vorhergehende beendet wurde.<br />

Damit werden neben den schnell variierenden Spannungszyklen auch die langsam variierenden<br />

Zyklen miterfaßt. Das liefert ein Histogramm der Größe der Spannungszyklen <strong>und</strong> deren Mittelwert.<br />

Die Größe B(∆s) =n[1 − F ∆S (∆s)] bezeichnet man als Belastungskollektiv. Häufig wird<br />

man es durch theoretische Modelle, z.B. eine Weibullverteilung, annähern, gegebenenfalls durch<br />

eine Mischung mehrerer Modelle.<br />

In der Praxis beobachtet man nun häufig, daß eine Art Dauerfestigkeit existiert, so daß man Gl.<br />

(6.3.2.5) durch<br />

³ ´−m<br />

N = K ∆S<br />

∆S D<br />

für ∆S ≥ ∆sD<br />

(6.3.3.9)<br />

∞ für ∆S ≤ ∆s D<br />

ersetzen sollte. Man kann diesen Ansatz desweiteren, z.B. durch K = K 0<br />

³<br />

1 − ¯S<br />

R´m<br />

<strong>im</strong> Hinblick<br />

auf die Mittelspannung ¯S mit R der Materialfestigkeit, verfeinern. Nachdem man aber festgestellt<br />

hat, daß Spannungen unterhalb der sogenannten ’’Dauerfestigkeit’’ ∆s D das Material ebenfalls<br />

schädigen können, muß man noch weiter modifizieren. Die überzeugende theoretische Gr<strong>und</strong>lage<br />

hierzu geht auf [57] zurück. Die Überlegungen sind <strong>im</strong> Einzelnen in der genannten Literatur<br />

enthalten. Hier teilen wir nur ein praktisch brauchbares Näherungsresultat mit [143] (vergl. auch<br />

142


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Bild 6.14):<br />

N =<br />

³ ´−m<br />

∆S<br />

K D ∆s D<br />

für ∆S ≥ ∆sD<br />

³ ´−(2m−1)<br />

∆S<br />

(6.3.3.10)<br />

K D,∞ ∆s D<br />

für ∆sD,∞ ≤ ∆S ≤ ∆s D<br />

∞ für ∆S ≤ ∆s D,∞<br />

Die Wahl 2m − 1 anstelle von m <strong>im</strong> die Dauerfestigkeit schädigenden Bereich ist theoretisch<br />

<strong>und</strong> empirisch gut begründet. Meist wird ∆s D,∞ gleich Null gesetzt, was theoretisch nicht ganz<br />

richtig ist. Am Knick gilt natürlich K D = K D,∞ <strong>und</strong> daher K D = K D,∞ = N für ∆S = ∆s D .<br />

Die ’’Dauerfestigkeit’’ ∆s D setzt man in der Praxis aus versuchstechnischen Gründen bei etwa<br />

2÷5·10 6 Lastwechseln an, während für ∆s D,∞ eine Lastwechselzahl von etwa 10 8 genommen<br />

wird.<br />

Abb. 6.14.Rain-flow Zählmethode a. Ursprünglicher Spannungsverlauf, b. Idealisierter Spannungsverlauf<br />

in ’’Dachform’’<br />

Eine äquivalente Spannungsspannweite kann ebenfalls ermittelt werden. Nunmehr hat man, wiederum<br />

unter Verwendung des Ergodensatzes für die Anzahl der Zyklen unterhalb bzw. oberhalb<br />

von ∆s D<br />

£<br />

∆s m eqn = n (F ∆S (∆s D ) − F ∆S (∆s D,∞ )) E ¤<br />

∆s D<br />

∆s D,∞ ∆S<br />

2m−1<br />

+n (1 − F ∆S (∆s D )) E ∞ ∆s D<br />

[∆S m ] (6.3.3.11)<br />

n ist die z.B. <strong>im</strong> Rain-flow-Verfahren festgestellte Gesamtzyklenzahl.<br />

Auch bei Rißfortpflanzungsrechnungen muß man gegebenenfalls mit mehreren Sektionen der Rißfortpflanzungskurve<br />

rechnen. Bei duktilerem Material gibt es einen ausgeprägten Reihenfolgeneinfluß<br />

der Größe der Spannungsspannweiten bei der Rißfortpflanzung. Bei stochastischer Belastung<br />

ist dieser rechnerisch äußerst schwierig zu erfassen. Er wird am besten durch zweckmäßige<br />

Wahl der Parameter in Gl. (6.3.2.10) berücksichtigt.<br />

Die Lebendauern N streuen stark, auch bei fest angenommenen Parametern der Wöhlerlinie (Variationskoeffizient<br />

≈ 0.3÷1.0). IngewissenFällen ist ein ’’schwächstes’’ Glied-Modell angemessen,<br />

143


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Abb. 6.15.Wöhlerlinie mit schädigungsabhängiger ’’Dauerfestigkeit’’<br />

also eine Weibullverteilung. Z.B. findet man in der einschlägigen Literatur die Verteilung<br />

" µ #<br />

n k<br />

F (n) =1− exp −<br />

(6.3.3.12)<br />

K∆s −m<br />

equ<br />

Sonst wird häufig eine Lognormalverteilung angesetzt.<br />

144


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

ANHANG E:<br />

Zufallsfeldern<br />

S<strong>im</strong>ulation von Zufallsprozessen <strong>und</strong><br />

Bereits Rice (1944) [144] hat die folgenden analytischen Darstellungen eines stationären Gaußschen<br />

Prozesses angegeben.<br />

X(t) =<br />

Y (t) =<br />

N−1<br />

X<br />

(2 G(ω i )∆ω) 1/2 cos(ω i t + ϕ i ) (E.1)<br />

i=0<br />

N−1<br />

X<br />

(A i cos(ω i t)+B i sin(ω i t)) (E.2)<br />

i=0<br />

Darin sind G(ω) die einseitige spektrale Dichte, ω i = i ∆ω, ω o = N ∆ω ein oberer Grenzwert für<br />

den G(ω) ≈ 0 für ω ≥ ω o , ϕ i in [0, 2π] gleichverteilte Phasenwinkel <strong>und</strong> A i <strong>und</strong> B i unabhängige<br />

normalverteilte Variable mit Mittlewert Null <strong>und</strong> Standardabweichung (2 G(ω i )) 1/2 . Der zweite<br />

Prozeß ist nicht ergodisch aber für jedes N strikt normalverteilt. Der erste Prozeß ist ergodisch <strong>und</strong><br />

nach dem zentralen Grenzwertsatz nur asymptotisch normalverteilt. In der Praxis reicht N ≈ 500<br />

bis 1000 aus um eine auch in den extremen Bereichen sehr gute Näherung an die Normalverteilung<br />

zu erreichen. Beide Prozesse sind periodisch mit T 0 =2π/∆ω. Die Eigenschaft der Ergodizität<br />

läßt die erste Variante in der Anwendung als geeigneter erscheinen. In der Regel werden Gl. (E.1)<br />

<strong>und</strong> Gl. (E.2) unter Verwendung der schnellen Fouriertransformation (FFT) berechnet. Hierzu wird<br />

z.B. Gl. (E.1) wie folgt geschrieben.<br />

à N −1<br />

!<br />

X<br />

X(t) =


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

sen muß. Die bisherigen Schemata gehen durchwegs davon aus, daß die Abhängigkeitsstruktur<br />

durch die zeitabhängige Kovarianzfunktion dargestellt werden kann. Das bedeutet, daß nur solche<br />

Prozesse dargestellt werden können, bei denen die Kovarianzfunktion die Abhängigkeitsstruktur<br />

eindeutig beschreibt. Feller [49] weist speziell darauf hin, daß die marginalen Verteilungen eines<br />

mehrd<strong>im</strong>ensionalen, korrelierten <strong>und</strong> normalverteilten Vektors <strong>im</strong>mer normal sind. Die umgekehrte<br />

Aussage gilt jedoch nicht allgemein. Jedes mit der Kovarianzfunktion arbeitende Verfahren muß<br />

zunächst aus der Kovarianzfunktion des nichtnormalen Prozesses X(t) eine Kovarianzfunktion<br />

des entsprechenden normalen Prozesses U(t) erzeugen. Dann kann der Zeitverlauf des normalen<br />

Prozesses nach einer der vorstehend angegebenen Methoden generiert werden. Schließlich ist der<br />

gesuchte nichtnormale Prozeß durch Anwendung der Transformation X(t) =F −1 [Φ(U(t))] zu<br />

bilden.<br />

Bei stärkerer Abweichung von der Normalität muß der Einfluß der nichtnormalen Verteilung auf<br />

die Autokovarianzfunktion berücksichtigt werden. Eine erste Möglichkeit verwendet die sogenannte<br />

Nataf-Transformation (vergl. Abschnitt 3.2.3 <strong>und</strong> Nataf [119] ).<br />

Eine Verallgemeinerung von Gl. (E.1) auf homogene Gaußsche Zufallsfelder ist einfach. Man hat<br />

für Zufallsfelder, fürdieS(κ) =S(−κ) ist [162]<br />

X(ξ) = √ XN 1<br />

2 k<br />

k1=1k2=1<br />

XNn<br />

... (2 S(κ k )∆κ) 1/2 cos(κ T k ξ + ϕ k ) (E.6)<br />

kn=1<br />

mit k =(k 1 , k 2 ,...,k n ), κ k =(κ 1k1 , κ 2k2 ,...,κ nkn ) T , κ iki = k i ∆κ i <strong>und</strong> den in [0, 2π] gleichverteilten<br />

Phasenwinkeln ϕ k .<br />

Die S<strong>im</strong>ulation von homogenen Gaußschen Vektorprozessen <strong>und</strong> -feldern ist komplizierter. Darauf<br />

kann nicht eingegangen werden.<br />

146


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Kapitel 7.<br />

Zeitvariante <strong>Zuverlässigkeit</strong>saufgaben<br />

7.1. Allgemeine Betrachtungen<br />

7.1.1. Problemstellung<br />

Im allgemeinen hängen sowohl X als auch gewisse Parameter q von der Zeit τ ab. Das erfordert<br />

eine genauere Beschreibung der Kriterien für das Verhalten der Tragwerke <strong>und</strong> der Versagensereignisse.<br />

Wie sonst bezeichnet g(X(τ); τ) ≤ 0 den Versagenszustand <strong>und</strong> g(X(τ); τ) =0den<br />

Grenzzustand. X(τ) ist ein vektorieller stochastischer Prozeß. Eine Art zeitabhängige Versagenswahrscheinlichkeit<br />

ist offensichtlich:<br />

Z<br />

N(τ) =P (X(τ) ∈ V (τ)) =<br />

V (τ)<br />

f X (x, τ)dx (7.1.1.1)<br />

Diese stellt eine Art Nichtverfügbarkeit der Komponente zum Zeitpunkt τ dar. Sie ist nur gelegentlich<br />

von Interesse. Für ihre Berechnung gelten die in Abschnitten 2 bis 5 angedeuteten Verfahren.<br />

τ ist ein einfacher Parameter. Von größerer Bedeutung ist die Wahrscheinlichkeit, daß der Versagenszustand<br />

zum ersten Mal in einem vorgegebenen Zeitintervall erreicht wird. Als Beispiel betrachten<br />

wir den Kollaps eines Tragwerks unter zufällig in der Zeit streuenden <strong>Lasten</strong> S(τ) (vergl.<br />

Bild 7.1). Der Einfachheit halber sind Widerstand <strong>und</strong> Einwirkung skalare Größen <strong>und</strong> es gilt für<br />

die physikalische Beschreibung der jeweiligen Versagenszustände<br />

V (τ) ={g k (X(τ)) ≤ 0} = {R k − S(τ) ≤ 0}, k = s, r, u. (7.1.1.2)<br />

Wie <strong>im</strong> zeitvarianten Fall bezeichnet s den Grenzzustand der Gebrauchsfähigkeit, r den Grenzzustand<br />

reversibler Verformungen <strong>und</strong> u den Grenzzustand der Tragfähigkeit. t sei die beabsichtige<br />

Nutzungsdauer des Objektes. Die Zeit, den Versagenszustand zum ersten Mal zu erreichen, ist eine<br />

Zufallsvariable T <strong>und</strong> das Versagensereignis ist F = {T ≤ t}. Die Versagenswahrscheinlichkeit<br />

kann wie folgt geschrieben werden:<br />

P (F )=P (T ≤ t) =F T (t) =1− P (g(X(τ),q) > 0 für alle τ in [0,t]) (7.1.1.3)<br />

Die Versagenswahrscheinlichkeit ist eine Funktion der Zeit. Entsprechend definiert man die Versagenswahrscheinlichkeitsfunktion<br />

F (t) =1− R(t) =P (T ≤ t) bzw. die <strong>Zuverlässigkeit</strong>sfunktion<br />

R(t) =P (T >t), worinT (Index für den Bezug auf einen best<strong>im</strong>mten Grenzzustand<br />

weggelassen) die Zeit bis zum ersten Eintritt des Ereignisses V (τ) ={g(X(τ); τ) ≤ 0} <strong>im</strong> Zeitraum<br />

[0,t] ist. Die Aufgabe, die Wahrscheinlichkeit dieses Ereignisses zu berechnen, wird <strong>im</strong><br />

folgenden als Erstüberschreitungsproblem oder Schwellenwertproblem bezeichnet. Schwierig<br />

ist die Bedingung einzuhalten, daß der Versagensbereich V zum ersten Mal betreten wird.<br />

147


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

R=r<br />

S (τ)<br />

τ<br />

T 1<br />

T<br />

2<br />

T<br />

3<br />

t<br />

Abb. 7.1.Definition der Erstüberschreitung eines Niveaus<br />

7.1.2. <strong>Zuverlässigkeit</strong>sfunktion <strong>und</strong> Risikofunktion<br />

<strong>Zuverlässigkeit</strong> wird als Wahrscheinlichkeit der Funktionstüchtigkeit bezogen auf einen best<strong>im</strong>mten<br />

Zeitraum [0,t], zum Beispiel die beabsichtigte Nutzungsdauer, definiert, d.h. als<br />

R(t) =P (T >t)=1− P (T ≤ t) =1− F (t) (7.1.2.1)<br />

mit T der zufälligen Zeit zum Versagen unter der stillschweigenden Annahme, daß R(0) = 1. F (t)<br />

ist die Verteilungsfunktion von T. Sie hat die Dichte<br />

dF (t)<br />

f(t) = (7.1.2.2)<br />

dt<br />

mit der Bedeutung f(t)dt = P (Versagen in [t, t + dt]). IstF (t) (der Index T wird weggelassen)<br />

bekannt, so sind der Mittelwert<br />

m = E[T ]=<br />

<strong>und</strong> die Varianz<br />

Z ∞<br />

0<br />

tf(t)dt = −tR(t)| ∞ 0 +<br />

Z ∞<br />

0<br />

R(t)dt =<br />

σ 2 = Var[T ]=E[T 2 ] − E 2 [T ]=2<br />

Z ∞<br />

0<br />

Z ∞<br />

0<br />

R(t)dt =<br />

Z ∞<br />

0<br />

[1 − F (t)]dt<br />

(7.1.2.3)<br />

tR(t)dt − m 2 (7.1.2.4)<br />

wichtige Kenngrößen der <strong>Zuverlässigkeit</strong>.<br />

War ein technisches Objekt bis zum Zeitpunkt t intakt, so ist die bedingte <strong>Zuverlässigkeit</strong> zum<br />

Zeitpunkt t + t 0 , t 0 > 0, von Interesse.<br />

R(t + t 0 |t) =P (T >t+ t 0 |T>t)= P ({T >t+ t 0} ∩ {T >t})<br />

P (T >t)<br />

= R(t + t 0)<br />

R(t)<br />

148


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Man definiere nun:<br />

1<br />

r(t) =l<strong>im</strong> P (t ≤ T ≤ t + ∆|T >t) (7.1.2.5)<br />

∆→0 ∆<br />

Weiter sei R(t, t+∆) die Wahrscheinlichkeit des Nichtversagens in [t, t+∆] unter der Bedingung,<br />

daß die Komponente bis zum Zeitpunkt t intakt war. Offensichtlich ist<br />

F (t, t + ∆) = 1− R(t, t + ∆) =P (t ≤ T ≤ t + ∆|T >t)<br />

=<br />

P ({t ≤ Tt}) P (t ≤ Tt)<br />

P (T >t)<br />

=<br />

F (t + ∆) − F (t)<br />

R(t)<br />

Grenzübergang ∆ → 0 ergibt die sogenannte bedingte Versagensrate (Ausfallrate), Risikofunktion<br />

oder altersbedingte Mortalität<br />

r(t) =<br />

F 0 (t)<br />

1 − F (t) = f(t)<br />

1 − F (t) = (t)<br />

−R0 R(t)<br />

(7.1.2.6)<br />

Für R(0) = R 0 erhält man durch Integration<br />

R(t) =R 0 exp[−<br />

Z t<br />

0<br />

r(u)du] (7.1.2.7)<br />

Meist ist R(0) = R 0 =1. r(t) ist eine wichtige <strong>Zuverlässigkeit</strong>scharakteristik <strong>und</strong> hat die Bedeutung<br />

P (Versagen in [t, t+dt]| Überleben in [0,t]). Sie ist somit ungleich f(t), welche, multipliziert<br />

mit dt, die unbedingte Versagenswahrscheinlichkeit pro Zeiteinheit beschreibt. Weiter leitet man<br />

ab:<br />

r ( )<br />

f(t) =r(t)exp[−<br />

Z t<br />

Ausfälle be<strong>im</strong> ersten Einschalten<br />

0<br />

r(u)du] (7.1.2.8)<br />

τ<br />

Frühausfälle<br />

Zufallsausfälle<br />

Ausfälle durch Alterung<br />

<strong>und</strong> Ermüdung<br />

Abb. 7.2.Typische Risikofunktion von technischen Objekten<br />

Statistisch wird r(t) bei gegebener Population der Größe n als Verhältnis der <strong>im</strong> Intervall [t, t+∆t]<br />

ausfallenden Komponenten zur Gesamtzahl der bis t überlebenden Komponenten gebildet. Risikofunktionen<br />

zeigen oft den in Bild 7.2 gezeigten Verlauf. Wegen ihres charakteristischen Verlaufs<br />

spricht man von der sogenannten ’’Badewannen’’kurve. In dieser Kurve wird der anfangs hohe<br />

149


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Wert der Risikofunktion mit den Ausfällen bei erstmaliger Inbetriebnahme <strong>und</strong> mit Frühausfällen<br />

in Zusammenhang gebracht. Diese Frühausfälle rühren von Entwurfs- oder auch Produktionsfehlern<br />

her. Danach findet sich eine relativ stabile Phase mit fast konstanten Versagensraten, d.h. mit<br />

rein zufälligen Ausfällen. In der Spätphase n<strong>im</strong>mt die Risikofunktion wieder zu. Darin kommen<br />

Ermüdungs-, Alterungs- <strong>und</strong> Abnützungserscheinungen zum Ausdruck. In diesem Bereich n<strong>im</strong>mt<br />

natürlich auch die <strong>Zuverlässigkeit</strong> rasch ab.<br />

Der konstante Wert charakterisiert die Phase rein zufälliger Ausfälle. Ist nämlich r(t) = r =<br />

const., soistmitR 0 =1aus Gl. (7.1.2.7)<br />

R(t) = exp[−rt] (7.1.2.9)<br />

F (t) = 1− exp[−rt]<br />

Gl. (7.1.2.9) ist die Exponentialverteilung. Die bedingte <strong>Zuverlässigkeit</strong><br />

R(t + ∆) =<br />

R(t + ∆)<br />

R(t)<br />

=<br />

exp [−r(t + ∆)]<br />

exp [−rt]<br />

=exp[−r ∆] (7.1.2.10)<br />

hängt nur von ∆, aber nicht von t ab. Diese ’’Gedächtnislosigkeit’’ des Ausfallprozesses setzt man<br />

mit absolutem Zufall gleich.<br />

7.1.3. Der Poissonprozeß<br />

Wir leiten nun einen in der <strong>Zuverlässigkeit</strong> äußerst wichtigen Punkt- oder Zählprozeß N(t) ab.<br />

Sein Name, nämlich Poissonprozeß,rührt aus der Tatsache her, daß für seine Ableitung ganz ähnliche<br />

Argumente verwendet werden wie für die Poissonverteilung. Die Bedeutung dieses Prozesses<br />

in der <strong>Zuverlässigkeit</strong>stheorie rechtfertigt eine exakte Ableitung. Für einen homogenen Poissonprozeß<br />

müssen folgende Bedingungen vorliegen<br />

a. Die Zufallsvariablen N(T 1 ) <strong>und</strong> N(T 2 ) in zwei disjunkten Intervallen [t 11 ,t 12 ] <strong>und</strong> [t 21 ,t 22 ] sind<br />

unabhängig.<br />

b. Die Wahrscheinlichkeit fürmehralseinEreignisin∆ für ∆ → 0 ist vernachlässigbar klein.<br />

c. Die Wahrscheinlichkeit P (N(t) =k) hängt nur von t <strong>und</strong> k ab.<br />

Insbesondere ist E[N(t)] = λt mit<br />

1<br />

λ =l<strong>im</strong> P (N(∆) =1)+(Term vernachlässigbarer Ordnung) (7.1.3.1)<br />

∆→0 ∆<br />

150


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Die Wahrscheinlichkeit für n Ereignisse in [0,t] ist dann 13<br />

p(N(t) =n) = (λt)n e −λt<br />

n!<br />

Bild 7.3 zeigt den Verlauf eines Poissonschen Zählprozesses.<br />

N(t)<br />

(7.1.3.2)<br />

8<br />

7<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

t<br />

Abb. 7.3.Poissonscher Zählprozeß<br />

Der Poissonprozeß ist ein Prozeß mit diskreten Zuständen <strong>und</strong> stetigem Parameter (Zeit). Der Poissonprozeß<br />

hat unabhängige Zuwächse (Bedingung a). Seine Zuwächse sind homogen (Bedingung<br />

c).<br />

13<br />

Mit P k werden die Wahrscheinlichkeiten für k Ereignisse bezeichnet. Es werden Intervalle [0,t] <strong>und</strong> [t, t + ∆]<br />

betrachtet. Aus Bedingung a. <strong>und</strong> dem Satz von der totalen Wahrscheinlichkeit folgt:<br />

i. P 0 (t + ∆) =P 0 (t)P 0 (∆)<br />

ii. P n (t + ∆) = P n<br />

k=0 P n−k(t)P k (∆); n =1, 2,...<br />

Damit erhält man unter Verwendung von Gl. (7.1.3.1):<br />

iii. P 1 (∆) =λ ∆+(Term vernachlässigbarer Ordnung)<br />

iv. 1 − P 0 (∆) − P 1 (∆) = P ∞<br />

k=2 P k(∆) =(Term vernachlässigbarer Ordnung)<br />

woraus aus iii. mit iv.<br />

v. P 0 (∆) =1− λ ∆ +(Term vernachlässigbarer Ordnung)<br />

folgt <strong>und</strong> aus i. <strong>und</strong> v. bzw. ii., iii. <strong>und</strong> v. nach Division durch ∆<br />

P<br />

vi. 0(t+∆)−P 0(t)<br />

∆<br />

= −λ P 0 (t) − P0(t)<br />

∆<br />

(Term vernachlässigbarer<br />

P<br />

Ordnung)<br />

P<br />

vii. n (t+∆)−P n (t)<br />

n<br />

k=0<br />

= −λ P<br />

∆<br />

n (t)+λ P n−1 (t)+<br />

P k(t)<br />

(Term vernachlässigbarer Ordnung)<br />

∆<br />

Grenzübergang ∆ → 0 ergibt nun<br />

viii. P0(t) 0 =−λ P 0 (t)<br />

ix. Pn(t) 0 =−λ P n (t)+λ P n−1 (t)<br />

Wegen P 0 (0) = 1 <strong>und</strong> P n (0) = 0 für n ≥ 1 ist<br />

x. P 0 (t) =exp[−λt]<br />

Gl. (ix) wird durch den Ansatz<br />

xi. P n (t) =exp[−λt]h n (t)<br />

gelöst mit h 0 (t) =1<strong>und</strong> h n (0) = 0 für n ≥ 1. Einsetzen von (xi.) in (ix.) ergibt<br />

xii. h 0 n(t) =λ h n−1 (t)<br />

mit<br />

xiii.a h 0 1 (t) =λ<br />

xiii.b h 1 (t) =λt<br />

xiii.c h 2 (t) = (λt)2<br />

2!<br />

xiii.d h 3 (t) = (λt)3<br />

3!<br />

<strong>und</strong> daher allgemein<br />

xiii.n h n (t) = (λt)n<br />

n!<br />

was in (xi.) eingesetzt zum Ergebnis (7.1.3.2) führt.<br />

151


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Die Mittelwertsfunktion des Poissonprozesses ist, wie erwähnt, E[N(t)] = λt <strong>und</strong> die Varianzfunktion<br />

ist ebenfalls Var[N(t)] = λt, wie man leicht ausrechnet. Also sinkt die Funktion des<br />

Variationskoeffizienten wie 1/ √ (λt). Die Superposition von zwei Poissonprozessen mit den Parametern<br />

λ 1 <strong>und</strong> λ 2 ist wieder ein Poissonprozeß mit dem Parameter λ 1 + λ 2 . Ein Poissonprozeß<br />

mit Zufallsfilterung, d.h. jedes Ereignis realisiert sich nur mit Wahrscheinlichkeit p, ist ebenfalls<br />

ein Poissonprozeß mit dem Parameter λp.<br />

Wir fragen nun nach der Wahrscheinlichkeitsverteilung der Zeit zwischen den Ereignissen, genauer<br />

zunächst nach der Verteilung der Zeit bis zum ersten Ereignis. Es ist<br />

<strong>und</strong> damit für P (T ≤ t)<br />

P (T >t)=1− F T (t) =p(N(t) =0)= (λt)0 e −λt<br />

0!<br />

= e −λt (7.1.3.3)<br />

F T (t) =1− exp[−λt]<br />

Dies ist die durch Gl. (7.1.2.9) bereits bekannte Verteilungsfunktion der Exponentialverteilung.<br />

Sie hat die Dichte<br />

f T (t) =λ exp[−λt] (7.1.3.4)<br />

den Mittelwert E[T ]=1/λ <strong>und</strong> die Varianz Var[T ]=1/λ 2 <strong>und</strong>, wie schon erwähnt, r(t) =λ.<br />

Häufig betrachtet man inhomogene Poissonprozesse. Beisolchenhängt die Intensität ebenfalls<br />

von der Zeit ab. Dann ist E[N(t)] = R t<br />

λ(τ) dτ. Dieübrigen Resultate bleiben gültig. Man muß<br />

0<br />

nur jeweils λt durch R t<br />

λ(τ) dτ ersetzen.<br />

0<br />

Später wird der Fall von Bedeutung sein, daß ein Poissonsches Versagen von einem zufälligen<br />

Parameter X abhängt. Dann gilt offensichtlich<br />

R ∞<br />

E [f(t, X)]<br />

r(t) =<br />

E [1 − F (t, X)] = λ(x)exp[−λ(x)t] f<br />

0 X (x)dx<br />

R ∞<br />

(7.1.3.5)<br />

exp [−λ(x)t] f<br />

0 X (x)dx<br />

Die Ableitung ergibt<br />

¡R ∞<br />

r 0 λ(x)exp[−λ(x)t] f<br />

0 X (x)dx ¢2 − R ∞<br />

exp [−λ(x)t] f<br />

0 X (x)dx R ∞<br />

λ(x) 2 exp [−λ(x)t] f<br />

0 X (x)dx<br />

(t) =<br />

¡R ∞<br />

exp [−λ(x)t] f<br />

0 X (x)dx ¢ 2<br />

Der Nenner ist <strong>im</strong>mer positiv. Das Zählerintegral<br />

Z ∞<br />

0<br />

(7.1.3.6)<br />

(z − λ(x)) 2 exp [−λ(x)t] f X (x)dx = Az 2 − 2Bz + C ≥ 0 (7.1.3.7)<br />

mit offenk<strong>und</strong>iger Bezeichnung (d.h. A = R ∞<br />

e −λ(x)t f(x)dx, B = R ∞<br />

R<br />

λ(x)e −λ(x)t f(x)dx, C =<br />

0 0 ∞<br />

λ 2 (x)e −λ(x)t f(x)dx) kann man auch als quadratische Gleichung schreiben. Es ist bei beliebigen<br />

z nichtnegativ. Also ist das Zählerintegral B 2 − AC ≤ 0, <strong>und</strong> daher r 0 (t) ≤ 0, d.h. r(t) ist<br />

0<br />

monoton fallend. Im Laufe der Zeit werden solche Elemente <strong>im</strong>mer zuverlässiger denn man kann<br />

zeigen, daß<br />

l<strong>im</strong> r(t) =λ 0 (7.1.3.8)<br />

t→∞<br />

152


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

mit λ 0 dem kleinsten Wachstumspunkt von F (x). Istalsoλ(x) eine von x 0 mit x monoton wachsende<br />

Funktion, so ist r 0 = λ(x 0 ).<br />

7.1.4. Lebensdauerverteilungen<br />

Lebensdauerverteilungen sind Verteilungen der Zeit bis zum Auftreten des ersten Versagensereignisses.<br />

Die Exponentialverteilung<br />

Zweifellos das wichtigste Modell für zeitvariante Versagenserscheinungen ist der homogene Poissonprozeß<br />

<strong>und</strong> die mit ihm verb<strong>und</strong>ene Exponentialverteilung für die Lebensdauern. Sie wurde<br />

oben schon angegeben.<br />

Die Gammaverteilung<br />

Die Verteilung der Summe von k unabhängigen, mit dem Parameter λ exponential verteilten Variablen,<br />

ist die spezielle Gammaverteilung oder Erlangverteilung. Das ist die Wartezeit bis zum<br />

k − ten Ereignis bei einem Poissonprozeß. Da<br />

bekommt man<br />

P (N(t) t)=P (<br />

F Tk (t) =1−<br />

Xk−1<br />

i=0<br />

(λt) i<br />

mit der Dichte (beachte: (k − 1)! = Γ(k)).<br />

f Tk (t) =<br />

Mittelwert <strong>und</strong> Varianz berechnen sich zu:<br />

i!<br />

kX<br />

τ i >t) (7.1.4.1)<br />

i=0<br />

exp[−λt] = 1<br />

Γ(k)<br />

Z λt<br />

0<br />

u k−1 e −u du (7.1.4.2)<br />

λ<br />

(k − 1)! (λt)k−1 exp[−λt] = λ<br />

Γ(k) (λt)k−1 exp[−λt] (7.1.4.3)<br />

E[T k ] = k/λ (7.1.4.4)<br />

Var[T k ] = k/λ 2 (7.1.4.5)<br />

Die Berechnung der Ausfallsrate ist etwas komplizierter.<br />

−1<br />

r(t) = λ<br />

µ1+λt (λt)k−1 + ...+ (λt)k−1<br />

(k − 1)!<br />

(k − 1)!<br />

µZ ∞<br />

−1<br />

= λ(λt) k−1 exp[−λt] τ exp[−τ]dτ k−1 (7.1.4.6)<br />

Die Gamma-Verteilung ist auch für nicht-ganzzahlige k definiert. Dafür gilt der jeweils letzte<br />

Ausdruck in diesen Formeln. Die Ausfallsrate ist für k>1 monoton steigend <strong>und</strong> es gilt stets<br />

r(t) < λ. Für k =1entsteht die Exponentialverteilung. Für k λ. Die Eignung der Gammaverteilung als Lebensdauerverteilung<br />

kann am besten begründet werden, wenn man ann<strong>im</strong>mt, daß die interessierende Komponente aus<br />

λ<br />

153


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

genau k Unterkomponenten, die nach einander entsprechend dem Poissonschen Modell ausfallen<br />

müssen, besteht.<br />

Die Weibullverteilung<br />

Ein anderes, sehr flexibles Modell entspricht der Weibull-Verteilung, wobei häufig ihre Entstehung<br />

als asymptotische Verteilung des Min<strong>im</strong>ums einer Folge von Zufallsvariablen als Erklärungsmodell<br />

herangezogen wird (siehe Abschnitt 7.2.1.1). Sie gilt für eine aus sehr vielen Unterkomponenten<br />

zusammengesetzte Komponente, die versagt, wenn die erste Unterkomponente versagt. Je nach<br />

Größe der Parameter kann dabei die Versagensrate mit der Zeit abnehmen, konstant bleiben oder<br />

auch zunehmen. Man erhält die für Lebensdauern am meisten gebrauchte Form:<br />

R(t) = exp[−αt β ] (7.1.4.7)<br />

f(t) = αβt β−1 exp[−αt β ]<br />

r(t) = αβt β−1<br />

Mittelwert, Varianz <strong>und</strong> Variationskoeffizient in dieser Notation sind:<br />

E[T ] = α −1/β Γ(1/β +1) (7.1.4.8)<br />

Var[T ] = α −2/β [Γ(2/β +1)− Γ 2 (1/β +1)] (7.1.4.9)<br />

V [T ] = (Γ(2/β +1)/ 2 (1/β +1)− 1) 1/2 ≈ (1/β) 0.94 ≈ 1.2/β (7.1.4.10)<br />

Für β =1entsteht die Exponentialverteilung. Die Verteilung für β =2heißt Rayleighverteilung,<br />

die aufgr<strong>und</strong> ganz anderer Überlegungen erzeugt werden kann (als Verteilung der Wurzel aus der<br />

Summe von zwei quadrierten normalverteilten Variablen).<br />

Es gibt viele andere Lebensdauerverteilungen, u.a. solche die als Risikofunktion die Badewannenkurve<br />

haben.<br />

7.1.5. Erneuerungsprozesse ∗<br />

Die Klasse der Erneuerungsprozesse stellt eine Verallgemeinerung des Poissonschen Punktprozesses<br />

dar. Sie wird in der <strong>Zuverlässigkeit</strong>stheorie der Tragwerke zunehmend bedeutend. Erneuerungsprozesse<br />

erzeugen Folgen von Punkten, deren Erneuerungszeiten zwar unabhängig aber nicht<br />

mehr unbedingt exponential verteilt sind. Sie sind für die Beschreibung von Versagensprozessen,<br />

mit oder ohne ’’Erneuerung’’ geeignet. Auch extreme Lastereignisse wie Erdbeben lassen sich gut<br />

beschreiben (siehe auch Abschnitt 6.1.4). Im folgenden werden nur einige der wichtigsten Ergebnisse<br />

mitgeteilt.<br />

Wir wollen annehmen, daß eine Komponente sofort nach ihrem Ausfall durch eine Neue mit den<br />

gleichen stochastischen Charakteristiken ersetzt wird.<br />

τ τ τ<br />

1<br />

2<br />

3<br />

τ 4<br />

T T T<br />

1<br />

2<br />

Abb. 7.4.Trajektorie eines Erneuerungsprozesses<br />

3<br />

154


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Wir best<strong>im</strong>men zunächst die Anzahl der Erneuerungen in einem vorgegebenen Zeitraum. Die<br />

Komponenten haben unabhängige, zufällige, identisch verteilte Lebensdauern τ i , τ 2 ,...,τ n <strong>und</strong> die<br />

Versagenszeiten sind T 1 = τ 1 , T 2 = T 1 + τ 2 ,..., T n = T n−1 + τ n (siehe Bild 7.4). Offensichtlich<br />

ist<br />

nX<br />

P (N(t) >n)=P (T n ≤ t) =P ( τ i ≤ t) =F n (t) (7.1.5.1)<br />

<strong>und</strong><br />

i=1<br />

P (N(t) =n) =F n (t) − F n+1 (t) (7.1.5.2)<br />

worin F i (t) =P ( P i<br />

j=1 τ j ≤ t). Diezufälligen Lebensdauern haben endliche Momente beliebiger<br />

Ordnung. Die mittlere Anzahl von Ausfällen <strong>im</strong> Intervall [0,t] kann damit nach<br />

H(t) = E[N(t)] =<br />

=<br />

∞X<br />

F n (t) =<br />

n=1<br />

∞X<br />

nP(N(t) =n) =<br />

n=1<br />

∞X<br />

n=1<br />

Z t<br />

0<br />

f n (u)du =<br />

∞X<br />

n(F n (t) − F n+1 (t))<br />

n=1<br />

Z t<br />

0<br />

h(u)du (7.1.5.3)<br />

berechnet werden. F n+1 (t) kann durch R F n (t − u)dF(u) ersetzt werden. Daher gibt es für denselben<br />

Sachverhalt auch die folgende Darstellung als Integralgleichung<br />

H(t) =F (t)+<br />

∞X<br />

n=1<br />

Z t<br />

0<br />

F n (t − u)dF (u) =F (t)+<br />

Z t<br />

0<br />

H(t − u)dF(u) (7.1.5.4)<br />

Diese Gleichung wird als Erneuerungsgleichung bezeichnet. Sie ist vor allem von theoretischem<br />

Interesse. Die Funktion H(t) =E[N(t)] wird als Erneuerungsfunktion bezeichnet. Ihre Ableitung<br />

h(t) = l<strong>im</strong><br />

∞X<br />

=<br />

∆t→0 +<br />

n=1<br />

P (eine oder mehrere Erneuerungen in [t, t + ∆t])<br />

= ∂H(t)<br />

∆t<br />

∂t<br />

P (eine Erneuerung in [t, t + ∆t] zum n-ten Mal)<br />

∞X<br />

= f n (t)<br />

∆t<br />

l<strong>im</strong><br />

∆t→0 +<br />

n=1<br />

(7.1.5.5)<br />

wird als Erneuerungsdichte oder, in Anwendungen der <strong>Zuverlässigkeit</strong>stheorie, als Ausfallsintensität<br />

bezeichnet <strong>und</strong> entspricht der mittleren Anzahl von Ausfällen pro Zeiteinheit bzw. der<br />

unbedingten Versagensrate, d.h. die Bedingung, daß die Komponente bis zum Zeitpunkt t überlebt<br />

hat, wie bei der Risikofunktion, ist fallengelassen. Außerdem können <strong>im</strong> Prinzip ein oder<br />

mehrere Ausfälle <strong>im</strong> Zeitintervall dt erfolgen. Die Wahrscheinlichkeit für mehr als einem Ausfall<br />

sei jedoch von vernachlässigbarer Ordnung.<br />

Die Größe h(t) (oder H(t)) kann nur in Sonderfällen leicht berechnet werden. Für die exponentielle<br />

<strong>Zuverlässigkeit</strong>sfunktion ist H(t) = λt <strong>und</strong> h(t) = λ, wie man leicht aus H(t) =<br />

P ∞<br />

n=1 nP(N(t) =n) =P ∞<br />

n=1 n (λt)n exp [−λt] =λt ausrechnet. Für normalverteilte Erneuen!<br />

155


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

2.5<br />

Erneuerungsdichte/(1/Mittelwert)<br />

2<br />

1.5<br />

1<br />

0.5<br />

0<br />

0 1 2 3 4 5 6<br />

1/Mittelwert<br />

Abb. 7.5.Erneuerungsdichte/(1/Mittelwert) über 1/Mittelwert für verschiedene Variationskoeffizienten<br />

(V=0.2,V=0.035,V=0.5)<br />

rungszeiten mit Mittelwert m <strong>und</strong> Standardabweichung σ ist (Achtung: der Wahrscheinlichkeitsinhalt<br />

der negativen Schwänze wird als sehr klein angenommen)<br />

h(t) =<br />

∞X<br />

n=1<br />

1<br />

σ √ n ϕ n( t − nm<br />

σ √ n )<br />

Die Erneuerungsdichte hat einen charakteristischen, einer gedämpften Schwingung ähnlichen Verlauf<br />

wie Abb. 7.5 zeigt. Die Schwingung ist um so stärker je kleiner der Variationskoeffizient ist.<br />

Im allgemeinen muß die Erneuerungsfunktion <strong>und</strong> die Erneuerungsintensität numerisch ermittelt<br />

werden. Eine besonders geeignete Methode wird in [7] vorgeschlagen. Sie geht von der Erneuerungsgleichung<br />

(7.1.5.4) aus <strong>und</strong> löst diese numerisch indem die untere <strong>und</strong> obere Schranke für<br />

Riemann-Stieltjes Integrale verwendet wird. H(t) ist eine nicht-fallende Funktion. Daher ist<br />

H L (kτ) = F (kτ)+<br />

≤<br />

kX<br />

H L ((k − i)τ)∆F (iτ) ≤<br />

i=1<br />

H(kτ) ≤ F (kτ)+<br />

kX<br />

H U ((k − i +1)τ)∆F (iτ) =M U (kτ) (7.1.5.6)<br />

i=1<br />

für konstante Inkremente der Länge τ in [0,t] mit ∆F (iτ) =F (iτ) − F ((i − 1)τ) <strong>und</strong> nτ = t.<br />

Die entstehenden linearen Gleichungssysteme können <strong>im</strong>mer gelöst werden. Die Erneuerungsintensitäterhält<br />

man durch numerische Differentiation.<br />

156


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Für H(t) gibt es einfache Schranken, die man auf elementare Weise herleiten kann 14 :<br />

F (t) ≤ H(t) ≤<br />

F (t)<br />

1 − F (t)<br />

(7.1.5.7)<br />

Weiter gibt es einige wichtige, asymptotische Resultate, deren strenge Herleitung hier nicht erfolgen<br />

kann:<br />

l<strong>im</strong><br />

t→∞<br />

H(t)<br />

t<br />

= 1 m<br />

(7.1.5.8)<br />

l<strong>im</strong> [H(t + τ) − H(t)] = τ (7.1.5.9)<br />

t→∞ m<br />

l<strong>im</strong> h(t) = 1 wenn f(t) → 0 für t → ∞ (7.1.5.10)<br />

t→∞ m<br />

l<strong>im</strong> [H(t) − t<br />

t→∞ m ] = σ2<br />

2m − 1 (7.1.5.11)<br />

2 2<br />

Die erste Feststellung st<strong>im</strong>mt mit der Intuition überein, daß die mittlere Anzahl von Ausfällen pro<br />

Zeiteinheit asymptotisch gleich dem Reziprokwert der mittleren Lebensdauer m ist. Die zweite<br />

Feststellung kann ebenfalls leicht interpretiert werden <strong>und</strong> ist in gewissem Sinne eine stärkere<br />

Aussage als Gl. (7.1.5.8). Die dritte <strong>und</strong> vierte Feststellung sind Stationaritätsaussagen für den<br />

Ausfallprozeß für große t mit σ der Standardabweichung der Lebensdauer. Aus der letzten Feststellung<br />

kann man ein etwas verbessertes H(t) gewinnen. Im folgenden werden nur die Aussagen<br />

von Gl. (7.1.5.8) bis Gl. (7.1.5.10) benötigt.<br />

Man unterscheidet zwischen dem gerade vorgestellten gewöhnlichen Erneuerungsprozeß, dem<br />

modifizierten Erneuerungsprozeß <strong>und</strong> dem Gleichgewichtserneuerungsprozeß. Be<strong>im</strong> modifizierten<br />

Erneuerungsprozeß n<strong>im</strong>mt man für die Zeit bis zum ersten Ereignis eine andere Verteilungsfunktion<br />

als für die darauf folgenden Zeiten an. Das kann sinnvoll sein bei Komponenten, die<br />

altern <strong>und</strong> deren Alter man kennt. Be<strong>im</strong> Gleichgewichtserneuerungsprozeß unterstellt man, daß<br />

Erneuerungen schon seit langer Zeit laufen. Der Nullpunkt der Zeitachse fällt daher zufällig in eine<br />

Zeit zwischen zwei Erneuerungen. FürdiesenProzeß ist Gl. (7.1.5.8) gültig fürjedeZeit,wieunmittelbar<br />

einsichtig. Wir best<strong>im</strong>men noch die ’’Restlebensdauer’’ T F einer Komponente. Damit T F<br />

in das Intervall [τ, τ + ∆τ] fällt, muß die Komponente entweder <strong>im</strong> Intervall [t + τ,t+ τ + ∆τ]<br />

versagen oder hatte zu einem gewissen u eine Erneuerung <strong>im</strong> Intervall [t − u, t − u + ∆u] <strong>und</strong> versagt<br />

dann <strong>im</strong> Intervall [u + τ,u+ τ + ∆τ] , wobei angenommen ist, daß .∆u ¿ 1 <strong>und</strong> ∆τ ¿ 1.<br />

Die Dichte von T F ist daher<br />

f TF (t) =f 1 (t + τ)+<br />

Z t<br />

0<br />

h(t − u)f(u + τ)du<br />

14<br />

Für alternde Komponenten, d.h. solche mit wachsender Risikofunktion, geben Barlow/Proschan [8] eine bessere<br />

obere Schranke an:<br />

tF(t)<br />

H(t) ≤ R t<br />

(1 − F (τ))dτ<br />

0<br />

157


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Wenn t →∞<strong>und</strong> auch f 1 (t) → 0 für t →∞ist asymptotisch wegen Gl. (7.1.5.8)<br />

f TF (τ) = 1 m<br />

Z t<br />

0<br />

f(u + τ)du = 1 m<br />

Z ∞<br />

τ<br />

f(v)dv = 1 − F (τ)<br />

m<br />

(7.1.5.12)<br />

Mit einer ähnlichen Betrachtung findet man, daß die Dichte der Zeit seit der letzten Erneuerung der<br />

gleichen Verteilung folgt. Für Gleichgewichtserneuerungsprozesse ist das Ergebnis sogar exakt für<br />

jedes t.<br />

Man kann noch zeigen, für unsere Zwecke weniger wichtig, daß aufgr<strong>und</strong> des zentralen Grenzwertsatzes<br />

die Anzahl N(t) für t → ∞ asymptotisch normalverteilt ist mit Mittelwert <strong>und</strong> t<br />

m<br />

15<br />

. Viele weitere Ergebnisse zur Erneuerungstheorie enthält die Mo-<br />

Standardabweichung σ m<br />

nographie von Cox [35]<br />

q<br />

t<br />

m<br />

7.1.6. Begriff der Austrittsrate<br />

Für das weitere führen wir einige neue Bedingungen <strong>und</strong> Definitionen ein. Wir bezeichnen mit<br />

N(t) den Zählprozeß der Austritte (vergl. Abb. 7.6). Ein Punktprozeß heißt regulär, wenn<br />

l<strong>im</strong><br />

∆→0<br />

P (N(τ, τ + ∆) > 1)<br />

∆<br />

=0 (7.1.6.1)<br />

d.h. in einem genügend kleinen Zeitintervall ∆ ist die Wahrscheinlichkeit von mehr als einem<br />

Ereignis vernachlässigbar klein. Die Wahrscheinlichkeit für ein Ereignis in ∆ nennt man <strong>im</strong> vorliegenden<br />

Zusammenhang Austrittsrate<br />

ν + 1<br />

(τ) =l<strong>im</strong> P (N(τ, τ + ∆) =1) (7.1.6.2)<br />

∆→0 ∆<br />

15<br />

Gelegentlich ist der sogenannte alternierende Erneuerungsprozeß von Interesse. Dabei wechseln sich zwei Arbeitsweisen,<br />

z.B. eine aktive Phase <strong>und</strong> eine Ruhephase, ab. Jede dieser Phasen hat eine eigene Verteilungsfunktion<br />

für die jeweiligen Dauern. Die Verteilungsfunktion der Dauer eines Zyklus ergibt sich als Faltung beider Verteilungsfunktionen.<br />

Daraus berechnet man die Erneuerungsfunktion. Die Wahrscheinlichkeit, daß bei mit dem Parameter λ 1<br />

exponentialverteilten aktiven Phasen <strong>und</strong> mit dem Parameter λ 2 exponentialverteilten Ruhephasen zu einem beliebigen<br />

Zeitpunkt eine aktive Phase angetroffen wird, ist durch Vergleich des Prozesses in zwei benachbarten Zeitpunkten<br />

bzw. nach Grenzübergang ∆ → 0 <strong>und</strong> Umformung<br />

mit der Lösung<br />

p 1 (t + ∆) =(1− λ 1 ∆)p 1 (t)+λ 2 (1 − p 1 (t))<br />

ṗ 1 (t)+(λ 1 + λ 2 )p 1 (t) =λ 2<br />

p 1 (t) = λ 2<br />

+ λ 1<br />

exp [−(λ 1 + λ 2 )t]<br />

λ 1 + λ 2 λ 1 + λ 2<br />

womit der stationäre Zustand durch<br />

gegeben ist.<br />

l<strong>im</strong> p 1(t) = λ 2<br />

t→∞ λ 1 + λ 2<br />

158


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

wenn für den ursprünglichen Prozeß<br />

ν + 1<br />

(τ) =l<strong>im</strong><br />

∆→0 ∆ P 1({X(τ) ∈ V } ∩ {X(τ + ∆) ∈ V }) (7.1.6.3)<br />

wobei der Index ” 1 ” für die Wahrscheinlichkeit auf die Gültigkeit von Gl. (7.1.6.1) hinweist <strong>und</strong><br />

V zur Vereinfachung zeitunabhängig ist. Erneuerungsprozesse sind reguläre Prozesse. Regularität<br />

bedeutet weiter die Additivität der Kreuzungswahrscheinlichkeiten in sich nicht überlappenden<br />

Zeitintervallen, d.h. für den Mittelwert der Austritte <strong>im</strong> Intervall [0,t] gilt<br />

E[N(t)] =<br />

Z t<br />

0<br />

ν + (τ)dτ (7.1.6.4)<br />

Die Rate der Eintritte in den sicheren Bereich wird vollständig analog gebildet.<br />

x cr<br />

X(t)<br />

1<br />

2<br />

3<br />

N(t)<br />

Abb. 7.6.Schwellenwertkreuzungen <strong>und</strong> Zählprozeß der Schwellenwertkreuzungen<br />

Für stationäre Prozesse <strong>und</strong> zeitinvariante Grenzzustandsfunktion kann man die Zeitintegration<br />

leicht vornehmen<br />

E[N(t)] = ν + t (7.1.6.5)<br />

<strong>und</strong> es ist offensichtlich ν + = ν − , d.h. die Austrittsrate ist gleich der Eintrittsrate.<br />

Regularität des Austrittsprozesses ist insbesondere eine der Voraussetzungen für die Anwendung<br />

der Methode der Austritte oder Schwellenwertkreuzungen, denn nur dann ist die Austrittsrate<br />

definiert. Offensichtlich darf der Ausgangsprozeß X(τ) nicht zu stark ’’zittern’’ (vergl. Bild 7.7).<br />

7.1.7. Schranken für die Versagenswahrscheinlichkeit<br />

Wir kommen nun zu der durch Gl. (7.1.1.3) gestellten Aufgabe zurück. Im Gegensatz zu Abschnitt<br />

2.2.2 bis 2.2.5 sei nun die Verteilung der Zeit bis zum Versagen einer Komponente weder aus einem<br />

mathematischen Modell der in Abschnitt 2.2.2 vorgeführten Art noch durch Beobachtungen direkt<br />

best<strong>im</strong>mbar.<br />

Eine erste Methode führt die allgemeine Fragestellung auf ein skalares Problem zurück für das eine<br />

Lösung existiert. Diese Methode wurde in Abschnitt 2.2.6 angewandt. Das ist aber nur für sta-<br />

159


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

a<br />

X(t)<br />

τ τ + d τ<br />

Abb. 7.7.Beispiel für einen nicht regulären Prozeß<br />

tionäre, eind<strong>im</strong>ensionale Folgen oder skalare Zufallsprozesse, für die eine Max<strong>im</strong>umsverteilung<br />

angegeben werden kann, möglich. In Abschnitt 6.1.3-4 sind eine Reihe solcher Max<strong>im</strong>umsverteilungen<br />

angegeben. Im mehrd<strong>im</strong>ensionalen Fall hat der Begriff eines Max<strong>im</strong>ums keinen Sinn<br />

mehr. Eine Möglichkeit ist aber, einen neuen skalaren Prozeß Y (τ) =g(X(τ); τ) zu konstruieren.<br />

Versagen nach der in Gl. (7.1.1.3) benützten Definition erfolgt, wenn zum ersten Mal Y (τ) ≤ 0 in<br />

[0,t]. Offensichtlich ist:<br />

P f (t) = F T (t) =P (T ≤ t) =1− P (Y (τ) > 0 für alle τ ∈ [0,t])<br />

n[<br />

≥ P ( {Y (τ i ) ≤ 0}) ≥ max<br />

n<br />

{P (Y (τ i) ≤ 0)} (7.1.7.1)<br />

i=1<br />

i=1<br />

wobei die Zeitachse in eine geeignete Anzahl n von kleinen Teilintervallen zerlegt wird <strong>und</strong> ∆ =<br />

τ i −τ i−1 . Also wird die Best<strong>im</strong>mung der Wahrscheinlichkeit der Zeit bis zum ersten Nulldurchgang<br />

des Prozesses Y (τ) von oben durch eine skalare Extremwertbetrachtung ersetzt. Die Schwierigkeiten<br />

dieser Methode liegt in der Konstruktion des neuen Prozesses Y (τ), der auf z.T. komplexe<br />

Weise über die Funktion g(.) von allen Komponenten von X(τ) abhängt. Das kann erhebliche<br />

Schwierigkeiten bereiten. Näherungsweise kann man natürlich FORM-Konzepte für Seriensysteme<br />

verwenden. Nach entsprechender Transformation in den standardnormalen Raum hat man die<br />

folgende Aufgabe zu lösen:<br />

n[<br />

n[<br />

P f (t) ≥ P ( {g(U(τ)) ≤ 0}) =P ( {α(τ i ) T U(τ i )) + β(τ i ) ≤ 0}<br />

i=1<br />

i=1<br />

n\<br />

= 1− P ( {Z i ≤ β(τ i )}) ≈ 1 − Φ n (β(τ i ); R)<br />

= {<br />

i=1<br />

≤ P (Z 1 ≤ β(τ 1 )) + P n<br />

i=2 (P (Z i ≤ β(τ i ))<br />

− max P {(Z i ≤ β(τ i )) ∩ (Z j ≤ β(τ j ))})<br />

j


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

st<strong>im</strong>men kann <strong>und</strong> eine gute Lösung für das Multinormalverteilungsintegral hat (siehe Anhang C).<br />

Die triviale untere Wahrscheinlichkeitsschranke max n i=1 {P (Y (τ i ) ≤ 0)} mag in Anwendungen<br />

nützlich sein.<br />

Wesentlich breitere Anwendung erfährt die dritte Methode der Schwellenwertkreuzungen oder<br />

der Austritte von X(τ) aus dem zulässigen Bereich. Hierzu formuliert man den zum ursprünglichen<br />

Prozeß gehörigen Zählprozeß N(t) der Austritte aus dem sicheren Bereich. Man kann eine<br />

wichtige obere Wahrscheinlichkeitsschranke angeben. Versagen erfolgt, wenn entweder X(0) ∈ V<br />

oder N(t) > 0. Demnach ist<br />

P f (t) = 1− P (X(τ) ∈ V ) für alle τ ∈ [0,t]<br />

= P ({X(0) ∈ V } ∪ {N(t) > 0})<br />

= P (X(0) ∈ V )+P ({X(0) ∈ V } ∩ {N(t) > 0})<br />

= P (X(0) ∈ V )+P (X(0) ∈ V )P (N(t) > 0|X(0) ∈ V )<br />

= P (X(0) ∈ V )+P (X(0) ∈ V ) X ∞<br />

P (N(t) =j|X(0) ∈ V )<br />

≤<br />

P (X(0) ∈ V )+P (X(0) ∈ V ) X ∞<br />

j=1<br />

j=0<br />

jP(N(t) =j|X(0) ∈ V )<br />

= P (X(0) ∈ V )+P (X(0) ∈ V )E[N(t)|X(0) ∈ V ]<br />

≤ P (X(0) ∈ V )+E[N(t)] (7.1.7.3)<br />

In Zeile drei wurde P (A ∪ B) =P (A) +P (Ā ∩ B) <strong>und</strong> in der letzten Zeile P (B)P (A|B) =<br />

P (A ∩ B) ≤ min {P (A),P(B)} mit P (B) À P (A) verwendet. Diese Schranke ist gut für<br />

P (X(0) ∈ V ) ¿ 1 <strong>und</strong> wenn in der sechsten Zeile der Term für j =1dominiert.<br />

7.1.8. Die Turkstra’sche Regel<br />

Die Lösung des Problems (7.1.7.1) wird auch Lastkombinationsproblem genannt. Ein erster Vorschlag<br />

zur Behandlung von Kombinationen mehrerer stationärer Einwirkungen stammt von Turkstra<br />

[170] . Turkstra nahm an, daß die <strong>Lasten</strong> unabhängig sind <strong>und</strong> berechnete eine untere Schranke<br />

für die Versagenswahrscheinlichkeit, indem er unterstellt, daß zu einem beliebigen Zeitpunkt<br />

jeweils eine Last ihr Extremum ann<strong>im</strong>mt während alle anderen <strong>Lasten</strong> einen Wert aus ihrer Augenblicksverteilung<br />

realisieren. Also ist<br />

½<br />

¾<br />

P f ≥ max n i=1 P (g(R,S 1 (τ),S 2 (τ),...,max {S i(τ)} ,...,S n (τ)) ≤ 0 (7.1.8.1)<br />

0≤τ ≤t<br />

Hierin ist R eine Widerstandsgröße, die S i (τ) sind zeitveränderliche Einwirkungen. Das ist eine<br />

untere, in der Regel unter den genannten Voraussetzungen gar nicht so unkonservative Schranke,<br />

weil die größte Wahrscheinlichkeit auch zu anderen Zeitpunkten erreicht werden kann. Wegen ihrer<br />

Einfachheit ist die ’’Turkstrasche Regel’’ in der Praxis sehr beliebt <strong>und</strong> unter den genannten Bedingungen<br />

häufig auch eine gute Näherung. Das zeitvariante <strong>Zuverlässigkeit</strong>sproblem oder Lastkombinationsproblem<br />

wird auf mehrere zeitinvariante <strong>Zuverlässigkeit</strong>sprobleme zurückgeführt. Man<br />

muß nur die jeweiligen Augenblicksverteilungen <strong>und</strong> die dazugehörigen Extremwertverteilungen<br />

kennen.<br />

161


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

7.2. <strong>Zuverlässigkeit</strong> von Komponenten, deren Zustand von<br />

markierten Punktprozessen abhängen<br />

7.2.1. Versagenswahrscheinlichkeit bei Kombinationen von stationären<br />

Zufallsfolgen<br />

Ein praktisch wichtiges Modell für <strong>Lasten</strong> ist die stationäre, mehrd<strong>im</strong>ensionale Zufallsfolge. Sie<br />

ist in Bild 7.8 dargestellt. Die Komponenten X 1 (t),X 2 (t),...,X n (t) der Zufallsfolge seien unabhängig.<br />

Jede Komponente der Zufallsfolge ist charakterisiert durch eine deterministische Dauer<br />

τ i <strong>und</strong> die Komponenten seien derart geordnet, daß τ 1 > τ 2 >...>τ n . Außerdem seien die Dauern<br />

durch τ i = m i τ i−1 best<strong>im</strong>mt, wobei m>0 eine ganze Zahl. Dann ergeben sich auch die<br />

’’Wiederholungszahlen’’ <strong>im</strong> Zeitraum t s , also r i = t s /τ i , als ganze Zahlen. Schließlich seien alle<br />

Realisationen einer Komponenten von X i unabhängig. Mit diesen Einschränkungen kann die<br />

Aufgabe zeitbezogene Versagenswahrscheinlichkeiten zu berechnen auf eine Extremwertaufgabe<br />

zurückgeführt werden.<br />

Bei einer einfachen Summe ist zunächst<br />

Abb. 7.8.Kombination zweier Zufallsfolgen<br />

max {X 1 (t)+X 2 (t)+... + X n (t)} =max{X 1 (t)+... + X n−2 (t)+... + Z n−1 (t)} (7.2.1.1)<br />

mit Z n−1 (t) =X n−1 (t)+max τ n−1<br />

{X n (t)} zu bilden. Die Verteilungsfunktion von max τ n−1<br />

{X n (t)}<br />

τ n−1<br />

τn<br />

ist Fn<br />

(x) <strong>und</strong> die Verteilung von Z n−1 (t) ergibt sich aus der Verteilung der Summe von X n−1 (t)<br />

<strong>und</strong> max τ n−1<br />

{X n (t)} , d.h. aus der Faltungsformel<br />

F Zn−1 (z) =<br />

Z z<br />

−∞<br />

τ n−1<br />

τn<br />

F n−1 (x)Fn (z − x)dx (7.2.1.2)<br />

Damit ist das Problem um eine D<strong>im</strong>ension vermindert. Dieses Schema kann man rekursiv auf alle<br />

<strong>Lasten</strong> anwenden, wenn die Faltungsoperationen befriedigend genau <strong>und</strong> effizient durchgeführt<br />

werden können. In [138] ist ein auf FORM beruhender Algorithmus angegeben, der beliebige<br />

Verteilungsfunktionen durch die äquivalenten Normalverteilungen nach Gl. (3.2.3.7) ersetzt, so<br />

daß Z n−1 (t) nach N(m n (x ∗ n)+m n−1 (x ∗ n−1), (σ 2 n(x ∗ n)+σ 2 n−1(x ∗ n−1)) 1/2 ) verteilt ist. Diese Vertei-<br />

162


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

lung hängt natürlich vom Entwicklungspunkt x ∗ ab. Wie in Abschnitt 3 bis 5 wird dieser iterativ<br />

ermittelt, so daß die Dichte f 1 (x ∗ 1) · f 2 (x ∗ 2) · ... · f n (x ∗ n) jeweils max<strong>im</strong>al wird. Auf Details des Algorithmus<br />

kann nicht eingegangen werden. Er erweist sich als sehr effizient <strong>und</strong> <strong>im</strong> Rahmen von<br />

FORM auch als sehr genau. In [138] ist noch die Verallgemeinerung auf nichtlineare Kombinationen<br />

vorgenommen.<br />

Sonst muß fast <strong>im</strong>mer von der Methode der Austrittsraten Gebrauch gemacht werden.<br />

7.2.2. Berechnung von Austrittsraten von vektoriellen<br />

Rechteckwellenprozessen<br />

Wir berechnen die Austrittsraten für Prozesse mit regulären, sprunghaften Änderungen (Sprungprozesse).<br />

Für einen skalaren, stationären Rechteckwellenerneuerungsprozeß mit Erneuerungsrate<br />

λ <strong>und</strong> unabhängigen nach F (x), x ≥ 0, verteilten Amplituden (vergl. Bild 6.5):<br />

ν + (a)∆ = P ({Sprung in [τ, τ +∆]}∩{X(τ) ≤ a}∩{X(τ +∆) >a}) =λ∆ F X (a)(1−F X (a))<br />

E[N(0,t)] = t λ F X (a)(1 − F X (a)) (7.2.2.1)<br />

Danach ist der Mittelwert der Austritte direkt proportional zur Länge des betrachteten Zeitintervalls<br />

[0,t] <strong>und</strong> der Erneuerungsrate λ. DerTermF X (a)(1 − F X (a)) ist klein für kleines a, hat für ein<br />

best<strong>im</strong>mtes a ein Max<strong>im</strong>um (bei stetigem <strong>und</strong> un<strong>im</strong>odalem F (x)) <strong>und</strong> geht fürgroße a gegen Null<br />

(vergl. Bild 7.9).<br />

1<br />

0.67<br />

v+(a)=λ[1-F(a)]<br />

0.33<br />

v+(a)=λF(a)[1-F(a)]<br />

0<br />

0 1 2 3 4<br />

a<br />

Abb. 7.9.Austrittsrate für Rechteckwellenprozeß als Funktion des Niveaus a<br />

Kehrt der (stationäre) Prozeß dagegen vor jeder Erneuerung nach Null zurück ist:<br />

ν + (a)∆ = P ({Sprung in [τ, τ + ∆]} ∩ {X(τ + ∆) >a}) =λ∆(1 − F X (a)) (7.2.2.2)<br />

In diesem Fall hat die Austrittsrate das Aussehen der komplementären Verteilungsfunktion von<br />

X. Beide Arten der Abhängigkeit der Austrittsrate vom Niveau a sind für die betrachteten Fälle<br />

bei stationären Anfangsbedingungen typisch. Man kann sogar eine (schwache Abhängigkeit) der<br />

163


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Amplituden zulassen <strong>und</strong> hat dann<br />

zu berechnen. Wie für Zufallsfolgen gilt auch<br />

ν + (a) =λ P ({X(τ) ≤ a} ∩ {X(τ + ∆) >a}) (7.2.2.3)<br />

F maxX (a) ∼ exp[−ν + (a)t] (7.2.2.4)<br />

Bei instationären Vorgängen kann man manchmal analytisch integrieren, z. B. bei linear veränderlicher<br />

Schwellenwertfunktion a(t) =a 0 + a 1 t <strong>und</strong> standard normalen Amplituden:.<br />

E £ N + (t 1 ,t 2 ) ¤ = λ a 1<br />

(a(t 2 )Φ(−a(t 2 )) − ϕ(a(t 2 )) − (a(t 1 )Φ(a(t 21 )) − ϕ(a(t 1 ))) (7.2.2.5)<br />

Die Vorgehensweise läßt sich leicht auf Vektorprozesse übertragen (vergl Bild 7.10). Der stationäre<br />

Prozeß X(τ) habe n unabhängige Komponenten X i (τ) mit Erneuerungsrate λ i <strong>und</strong> Verteilungsfunktion<br />

F i (x). Es gilt Regularität, d.h. in einem kleinen Zeitintervall springt nur jeweils eine<br />

Komponente mit Wahrscheinlichkeit λ i ∆. Die Sprungereignisse sind unabhängig. Die Rate der<br />

Austritte in den Bereich V ist dann (den Bezug auf die Zeit τ lassen wir <strong>im</strong> vorliegenden stationären<br />

Fall weg)<br />

n[<br />

ν + (V )∆ = P ( {Sprung in [0, ∆]} ∩ {X i ∈ V } ∩ {X + i ∈ V })<br />

=<br />

=<br />

=<br />

≤<br />

i=1<br />

nX<br />

∆ λ i P ({X i ∈ V } ∩ {X + i ∈ V })<br />

i=1<br />

nX<br />

∆ λ i P (X i + x ∈<br />

ZR ¯V )P (X + i + x ∈ V ) f X1 ,X 2 ,...X i−1 ,X i+1 ,...,X n<br />

(x)dx<br />

n−1<br />

i=1<br />

nX<br />

∆ λ i [P (X + i ∈ V ) − P ({X i ∈ V )} ∩ {X + i ∈ V })]<br />

i=1<br />

nX<br />

∆ λ i P (X + i ∈ V ) (7.2.2.6)<br />

i=1<br />

Hierin bezeichnet X i den Prozeß X vor <strong>und</strong> X + i den Prozeß nach dem Sprung der i−ten Komponente.<br />

Regularität des mehrd<strong>im</strong>ensionalen Erneuerungsprozesses bedeutet Disjunktivität der<br />

Sprungereignisse. Daher gilt die Summe der Wahrscheinlichkeiten für die Austrittsereignisse.<br />

Die zweite Wahrscheinlichkeit in eckigen Klammern ist die Wahrscheinlichkeit dafür, daß X i<br />

<strong>und</strong> X + i vor <strong>und</strong> nach dem Sprung in V sind. Die Ereignisse {X i ∈ V } <strong>und</strong> {X + i ∈ V } bzw.<br />

{X i ∈ V )}∩{X + i ∈ V } sind abhängige Ereignisse, da sich nur eine Komponente <strong>im</strong> Zeitintervall<br />

änderte, alle anderen jedoch nicht. In der vorletzten Zeile wurde P (A ∩ B) =P (B) − P (Ā ∩ B)<br />

verwendet.<br />

164


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Abb. 7.10.Austritte eines vektoriellen Rechteckwellenerneuerungsprozesses<br />

N<strong>im</strong>mt man zunächst an, daß der Versagensbereich nach Transformation in den Standardraum<br />

durch V = © α T u + β ≤ 0 ª gegeben ist, so berechnet man [23]<br />

ν + (V ) =<br />

=<br />

nX<br />

i=1<br />

nX<br />

i=1<br />

λ i<br />

£<br />

P<br />

¡©<br />

α T U i > −β ª ∩ © α T U + i ≤−β ª¢¤ =<br />

λ i [Φ(−β) − Φ 2 (−β, −β; ρ i )] = Φ(−β)<br />

nX<br />

i=1<br />

nX<br />

i=1<br />

λ i [Φ 2 (β, −β; ρ i )]<br />

·<br />

λ i 1 − Φ ¸<br />

2(−β, −β; ρ i )<br />

Φ(−β)<br />

(7.2.2.7)<br />

wobei man den letzten Faktor oft vernachlässigt, da meist Φ 2 (−β, −β; −ρ i ) ¿ Φ(−β). In diesen<br />

Formeln ist ρ i =1− α 2 i , wie man leicht ausrechnet, indem man die Kovarianz zwischen<br />

dem Zustand des Prozesses vor <strong>und</strong> nach dem Sprung, d.h. Cov £ ¤<br />

α T U i , α T U + i , ermittelt. Nur<br />

wenige andere analytische Ergebnisse sind bekannt. Ist in Analogie zum Ergebnis Gl. (3.1.10)<br />

beispielsweise <strong>im</strong> Standardraum V = © u T u−β 2 > 0 ª , so findet man mit der letzten Formel in<br />

Gl. (7.2.2.6)<br />

ν + (V ) =<br />

=<br />

nX<br />

i=1<br />

nX<br />

i=1<br />

Z β 2<br />

λ i f χ 2<br />

n−1<br />

(x)F χ 2<br />

1<br />

(β 2 − x)(1 − F χ 2<br />

1<br />

(β 2 − x))dx<br />

0<br />

λ i<br />

Z β 2<br />

0<br />

x n−2 h<br />

2 n−3<br />

2 Γ( n−1 ) exp 2<br />

− x 2<br />

i µ (β 2 µ<br />

− x) 1/2<br />

(β<br />

erf √<br />

µ1 2 <br />

− x) 1/2<br />

− erf √ dx<br />

2 2<br />

(7.2.2.8)<br />

Hierin ist f χ 2<br />

n−1<br />

(x) dieDichtederχ 2 n−1-Verteilung <strong>und</strong> F χ 2<br />

1<br />

(.) die Verteilungsfunktion der χ<br />

n<br />

o<br />

2 1-<br />

Verteilung <strong>und</strong> man integriert numerisch. Für V = (u − η) T (u − η)−β 2 > 0 , also einer nichtzentrierten<br />

Hyperkugel, erhält man ein ähnliches Ergebnis. Man hat nur Dichte <strong>und</strong> Verteilungsfunktion<br />

der zentralen χ 2 ν-Verteilungen durch die entsprechenden nichtzentralen χ 2 ν,δ -Verteilungen<br />

165


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

mit Nichtzentralitätsparameter δ 2 = P n<br />

i=1 η2 i zu ersetzen. Die χ 2 ν,δ-Verteilung ist allerdings schwierig<br />

zu berechnen. Einfach ist weiter die Austrittsrate aus achsenparallelen Kuben.<br />

Für allgemeine, nichtlineare Zustandsfunktionen ist keine allgemeine exakte Lösung bekannt.<br />

Asymptotisch kann man jedoch zeigen, daß [22]<br />

ν + (V )=<br />

nX<br />

i=1<br />

n−1<br />

Y<br />

λ i Φ(−β) (1 − βκ i ) −1/2 (7.2.2.9)<br />

i=1<br />

mit β =min{kuk} für g(u) ≤ 0 <strong>und</strong> κ i den Hauptkrümmungen <strong>im</strong> Lösungspunkt u ∗ . Dieses Ergebnis<br />

entspricht dem zeitinvarianten Fall Gl. (4.4.6). Die Wahrscheinlichkeit von Sprüngen aus<br />

dem unsicheren Bereich in den unsicheren Bereich, d. h. P ({X i ∈ V )} ∩ {X + i ∈ V }) verschwindet<br />

aber die bekannte Krümmungskorrektur muß hinzugefügt werden. Ergebnis (7.2.2.9) besagt,<br />

daß auch hier FORM/SORM mit Erfolg eingesetzt werden kann. Die mittlere Anzahl der Austritte<br />

gewinnt man durch Zeitintegration - auch <strong>im</strong> nichtstationären Fall. Für stationäre Prozesse ist<br />

demnach<br />

E £ N + (t 1 ,t 2 ) ¤ = ν + (V )(t 2 − t 1 ) (7.2.2.10)<br />

Beispiel 7.2.2.1: Versagensrate bei symmetrisch bewehrter, nicht knickgefährdeter, rechteckiger<br />

Stahlbetonstütze<br />

Für symmetrisch bewehrte, kurze Stahlbetonstützen (`=5000mm) kann man folgende Näherungslösung<br />

für die Zustandsfunktion ableiten:<br />

mit<br />

M U (N) =−N h 2<br />

g(X) =M U (N) − M ≤ 0 (1)<br />

µ µ <br />

N<br />

h<br />

− 1 +2A s<br />

bhaf c 2 − d f s (2)<br />

Dabei sei N = G + P 1 , M = P 2`, b = h = 300 mm, d = 30 mm, A s = 1600 mm <strong>und</strong><br />

a =0.85. Die <strong>Lasten</strong> P 1 ind P 2 sind Sprungprozesse. Alle Variablen sind unabähngig. Die sonst<br />

noch benötigten Daten sind in der nachfolgenden Tabelle enthalten.<br />

Variable Bez. Vert. m σ λ<br />

Betondruckfestigkeit f c [MPa] X 1 LN 48 5 -<br />

Stahlstreckgrenze f s [MPa] X 2 LN 400 30 -<br />

Eigengewichtslast G [kN] X 3 N 500 50 -<br />

Vertikallast P 1 [kN] X 4 Gu 1500 150 10<br />

Horizontallast P 2 [kN] X 5 Gu 20 2 100<br />

Die Austrittsrate ist:<br />

ν + =<br />

mX<br />

i=1<br />

#<br />

n−1<br />

Y<br />

λ i<br />

"Φ(−β) (1 − βκ j ) −1/2 − Φ 2 (−β S , −β S ; ρ i )<br />

j=1<br />

(3)<br />

Die Rechnung ergibt β =4.652, α =(0.517, 0.107, −0.087, −0.838, −0.104) T <strong>und</strong><br />

166


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

κ =(0.048, 0.019, −0.009, −0.002) T . Damit ist ν + =2.1 · 10 −4 nach Gl. (7.2.2.9). Es erweist<br />

sich als zweckmäßig ³ für β in Φ 2 (., .; .) die für linear begrenzte Bereich gültige äquivalente Größe<br />

β S = −Φ −1 Φ(−β) Q −1/2´<br />

n−1<br />

j=1 (1 − βκ j) zu verwenden.<br />

#<br />

Bei allgemeinen instationären Prozessen <strong>und</strong>/oder zeitvarianter Grenzzustandsfunktion muß man<br />

zusätzliche Näherungen treffen, wenn nicht über die Zeit numerisch integriert wird. Es zeigt sich<br />

nämlich, daß eine Anwendung der asymptotischen Konzepte nur bei sehr großem β zu ausreichend<br />

guten Näherungen führt. Eine ebenfalls mit asymptotischen Argumenten hergeleitete, bessere Näherung<br />

ist<br />

E £ N + (t 1 ,t 2 ) ¤ =<br />

Z t2<br />

t 1<br />

nX<br />

i=1<br />

n−1<br />

Y<br />

λ i (τ)Φ(−β(τ)) (1 − β(τ) κ i (τ)) −1/2 dτ<br />

i=1<br />

n−1<br />

Y<br />

≈ Φ(−β(t ∗ )) (1 − β(t ∗ ) κ i (t ∗ )) −1/2 C T (7.2.2.11)<br />

i=1<br />

C T =<br />

P n<br />

i=1 λmod<br />

i (t ∗ ) 1−exp[−|f 0 (t ∗ )|(t 2 −t 1 )]<br />

für ∂β(t∗ )<br />

6= 0<br />

q |f 0 (t³<br />

∗ )| ∂τ<br />

Φ( p −f 00 (t ∗ )(t 2 − t ∗ )) − Φ( p ´<br />

−f 00 (t ∗ )(t 1 − t ∗ ))<br />

P n<br />

i=1 λmod i (t ∗ )<br />

2π<br />

−f 00 (t ∗ )<br />

für ∂β(t∗ )<br />

∂τ<br />

=0, ∂2 β(t ∗ )<br />

∂τ 2 > 0<br />

mit f(τ) = lnΦ(−β(τ)), f 0 (τ) ≈ −β(τ) ∂β(τ ) , f 00 (τ) ≈ −β(τ) ∂2 β(τ )<br />

<strong>und</strong> t ∗ dem kritischen<br />

∂τ ∂τ 2<br />

Punkt, an dem die Austrittsrate max<strong>im</strong>al wird. Dieser Punkt muß jeweils mit einem geeigneten<br />

Suchalgorithmus gef<strong>und</strong>en werden <strong>und</strong> ist entweder ein Randpunkt oder ein innerer Punkt<br />

des betrachteten Zeitintervalls (vergl. Bild 7.11). Das Suchkriterium ist nunmehr min{kuk} für<br />

{u,t: g(u,t) ≤ 0} . Wenn ∂2 β(t ∗ )<br />

> 0, ∂β(t∗ )<br />

=0<strong>und</strong> t ∗ ein Randpunkt ist, ist der halbe Wert zu<br />

∂τ 2 ∂τ<br />

nehmen. In dieser Näherung wurde bezüglich t Gl. (4.2.2) bzw. (4.2.6) angewendet. Wenn nur die<br />

Sprungrate zeitveränderlich ist, ist das Zeitintegral nur über die Summe der Sprungraten zu bilden.<br />

Genaue Ergebnisse enthält Anhang F.<br />

Abb. 7.11.Randpunkt <strong>und</strong> innerer Punkt<br />

167


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Gewisse Verallgemeinerungen der vorgestellten Theorie sind möglich. So ist es einfach mit einem<br />

Sprungereignis mehrere, gegebenenfalls voneinander amplitudenabhängige Änderungen des Prozesses<br />

zu assoziieren. Man kann die Sprungereignisse auch mit zwei Intensitätsparametern, z.B.<br />

λ i = λ 0 + η i , beschreiben. λ 0 beschreibt die gleichzeitige Erneuerung aller an der Gruppe beteiligten<br />

Prozesse <strong>und</strong> η i die zusätzlichen Erneuerungen der i-ten Komponente. Abhängigkeiten der<br />

Sprungwahrscheinlichkeiten kann man weiter durch sogenannte Cluster-Modelle berücksichtigen<br />

(vergl. [187] , [159] ). Die Berechnungen werden sehr aufwendig.<br />

Gewisse Ergebnisse wurden auch für auto- <strong>und</strong> kreuzkorrelierte, normalverteilte Amplituden erbracht<br />

[139] . In Verallgemeinerung von Gl. (7.2.2.7) sei bei linear begrenzten sicheren Bereichen<br />

angenommen, daß die Amplituden V der standardisiert normalverteilten Rechteckwellen die<br />

Kreuzkorrelationsmatix R V haben <strong>und</strong> die Amplituden vor <strong>und</strong> nach dem Sprung der i-ten Komponente<br />

die seriellen Korrelationskoeffizienten ρ + i,j (−1 ≤ ρ+ i,j ≤ 1, j =1,...,n) derart, daß die<br />

Korrelationsmatrizen der vergrößerten Vektoren (V i , V + i ) positiv definit sind. Diese Forderung<br />

ist nicht <strong>im</strong>mer leicht zu erfüllen. Sie ist meist erfüllt, wenn die letzte Reihe <strong>und</strong> letzte Spalte<br />

von R V zu R + V mit ρ+ i,j = ρ i,j$ i , −1 ≤ $ i ≤ 1, aufgefüllt werden <strong>und</strong> natürlich ρ + n+1,n+1 =1.<br />

Kreuzkorrelationen <strong>im</strong>plizieren notwendigerweise serielle Korrelationen. Die weitere Rechnung<br />

läuft <strong>im</strong> standardisierten aber noch nicht entkorrelierten Raum (beachte: Entkorrelieren bedeutet<br />

Rotation des Raumes. Damit würden die Sprünge nicht mehr achsenparallel.). Bei linearer Grenzzustandsfunktion<br />

<strong>im</strong> entkorrelierten u-Raum g(u) =α T uu + β =0ist <strong>im</strong> standardisierten <strong>und</strong><br />

korrelierten Raum g(v) =α T v v +<br />

kv∗ k<br />

√ =0mit α v = − v∗ . Die Vektoren Z<br />

α T v R vα v<br />

kv ∗ k i = α T v V i <strong>und</strong><br />

Z i + = α T v V+ i haben die Kovarianzmatrix Cov £ ¤ P<br />

Z i ,Z i<br />

+ = α<br />

T<br />

v Rα v −α n<br />

v,i j=1 α v,j(ρ i,j − ρ + i,j )<br />

<strong>und</strong> daher<br />

nX<br />

ν + (V )= λ i [Φ(−b) − Φ 2 (−b, −b; ρ i )] (7.2.2.12)<br />

i=1<br />

kv<br />

mit b =<br />

∗ k<br />

P<br />

<strong>und</strong> ρ<br />

(α T v R vα v) 1/2 i =1− α n<br />

v,i j=1 α v,j(ρ i,j − ρ + i,j )/(αT vR v α v ). Die Bedingung ρ i ≤<br />

1,i = 1,...,n definiert zulässige Korrelationsmatrizen. Gl. (7.2.2.12) reduziert sich auf Gl.<br />

(7.2.2.7) bei verschwindenden Auto- <strong>und</strong> Kreuzkorrelationen. Bei nicht normalverteilten Amplituden<br />

kann man näherungsweise die Nataf-Transformation (Gl. (3.2.4.6) bis (3.2.4.9)) oder<br />

die Hermite-Transformation (siehe Fußnote dort) anwenden, wenn sie positiv definite Korrelationsmatrizen<br />

liefern (<strong>im</strong> v-Raum). Bezüglich der Korrekturen 2.Ordnung geht man wie oben vor.<br />

Insgesamt ist die Berücksichtigung der Kreuzkorrelationen von R V vor allem bei der Best<strong>im</strong>mung<br />

von β bzw. b sehr wichtig während den seriellen Korrelationen weniger Bedeutung zukommt.<br />

Beispiel 7.2.2.2: Stationäre Austrittsrate bei korrelierten Sprungprozessen<br />

Die bei spröden Metallen manchmal verwendete Grenzzustandsfunktion (Schubspannungshypothese<br />

nach Tresca) sei<br />

g(x) =R − p (X 1 (t) − X 2 (t)) 2 +4X 3 (t) (1)<br />

Die normalen Sprungprozesse haben jeweils die Sprungrate λ 1,2,3 =1<strong>und</strong> den Mittelwertsvektor<br />

m =(6, 1, 3) T sowie die Standardabweichungen σ =(1.8, 0.5, 1.5) T <strong>und</strong> seien äquikorreliert mit<br />

ρ ij =0.8 <strong>und</strong> seriellem Korrelationskoeffizienten ρ + ij =0.5. Außerdem ist R =18.Derβ u−Punkt<br />

168


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

wird zunächst <strong>im</strong> u-Raum unter Verwendung der Transformationmatrix (vergl. Abschnitt 6.1.2)<br />

⎡<br />

A = ⎣ 1 0 0<br />

⎤<br />

0.8 0.6 0 ⎦ (2)<br />

0.8 0.27 0.54<br />

zu β u =3.04 mit u ∗ =(2.87, 0.57, 1.45) T berechnet <strong>und</strong> somit x ∗ =(11.16, 2.32, 7.84) T .Damit<br />

ist <strong>im</strong> β−Punkt die Bedingung für dieGültigkeit von Gl. (1) erfüllt. Die Hauptkrümmungen<br />

der Grenzzustandsfläche in u ∗ sind mit κ =(0.015, 10 −8 ) T klein, so daß eine FORM-Lösung<br />

befriedigend genau ist. Das ergibt v ∗ = Au ∗ =(2.87, 2.64, 3.23) T womit β v = kv ∗ k =5.06<br />

kv<br />

<strong>und</strong> b =<br />

∗ k<br />

√ =3.15. Die Berechnung nach Gl. (7.2.2.12) ergibt dann ν + =1.7 · 10 −3 .<br />

α T v R v α v<br />

Für unabhängige Komponenten errechnet sich nach Gl. (7.2.2.9) ν + =4.1 · 10 −4 . Unter den<br />

vorliegenden, nichtasymptotischen Bedingungen machen sich die Korrektur für dieSprünge aus<br />

dem unsicheren in den unsicheren Bereich <strong>und</strong> die Korrelationen bemerkbar.<br />

#<br />

In Anwendungen denkbare Abhängigkeiten zwischen Sprungereignissen <strong>und</strong> Amplituden (starke<br />

Stürme haben z.B. die Tendenz länger anzudauern) wurden bisher nur für Spezialfälle untersucht.<br />

7.2.3. Austrittsraten bei Systemen (Sprungprozesse) ∗<br />

Der Vollständigkeit halber überlegen wir noch wie die Austrittsraten bei Systemen, die wie in<br />

Abschnitt 5 als Vereinigungs- oder Schnittmengen dargestellt werden, zu berechnen sind. Der<br />

Einfachheit verwenden wir nur die <strong>Zuverlässigkeit</strong>stheorie 1. Ordnung <strong>und</strong> lassen mögliche Korrekturen<br />

2. Ordnung weg. Bei stationären, standardisierten Rechteckwellenerneuerungsprozessen<br />

geht man z.B. von Gleichung (7.2.2.12) aus. Wir berechnen zunächst die Austrittsraten in Schnitt<strong>und</strong><br />

Vereinigungsmengen. Mit V r = © α T r U − β r ≤ 0 ª <strong>und</strong> V s = © α T s U − β s ≤ 0 ª ist [139]<br />

(der Index ’’v’’ als Hinweis, daß <strong>im</strong> standardisierten aber noch nicht entkorrelierten Raum gearbeitet<br />

wird, ist weggelassen)<br />

m\<br />

nX<br />

ν + ( V r )= λ i [Φ m (−c; R c ) − Φ 2m (−d, − d; R d,i )] (7.2.3.1)<br />

r=1<br />

i=1<br />

mit<br />

n<br />

o<br />

β<br />

c =<br />

r<br />

; r =1,...,m<br />

(α T r Rαr)1/2<br />

d =[c, · c] T ; ¸<br />

Rc R<br />

R d,i =<br />

e,i<br />

n<br />

R e,i R c<br />

R c =<br />

R e,i =<br />

o<br />

(α T r Rα r)<br />

(α T r Rα r) 1/2 (α T s Rα s)<br />

; r, s =1,...,m<br />

n P 1/2 α T<br />

r Rα nj=1 t−α t,i α t,j (ρ ij −ρ + ij,i )<br />

; r =1, ..., m; t = m +1,...,2m<br />

(α T r Rα r) 1/2 (α T t Rα t) 1/2<br />

o<br />

Das entsprechende Ergebnis für Vereinigungsmengen lautet:<br />

m[<br />

nX<br />

ν + ( V r )= λ i [(1 − Φ m (c; R c )) − (1 − Φ 2m (d, d; R d,i ))] (7.2.3.2)<br />

r=1 i=1<br />

169


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Ein Parallelsystem versagt nun, wenn die i-te Komponente von U in die Schnittmenge V P =<br />

∩ m r=1V r der Versagensbereiche springt, vor dem Sprung aber in wenigstens einem der sicheren<br />

Bereiche der Komponenten des Systems war. Das kann man wie folgt schreiben:<br />

⎛(<br />

) ⎧<br />

⎫⎞<br />

nX<br />

m\ ⎨<br />

ν + (V P )= λ i P ⎝ U + i ∈ V r ∩<br />

⎩ U i ∈ [ \ ⎬<br />

¯Vj ⎠ (7.2.3.3)<br />

⎭<br />

i=1<br />

r=1<br />

j∈M k<br />

Hierin ist M k ⊆ Q die k-elementige Untermenge der Gesamtmenge Q (r =1,...,m). Die konkrete<br />

Berechnung ist mühevoll. Asymptotisch kann der gesamte zweite Term in der Schnittwahrscheinlichkeit<br />

P ({.} ∩ {.}) entfallen. Das ist unter nichtasymptotischen Bedingungen auch eine obere<br />

Schranke.<br />

Das nicht red<strong>und</strong>ante Seriensystem, bei dem also der Prozeß vor dem Sprung <strong>im</strong> sicheren Bereich<br />

aller Systemkomponenten sein muß <strong>und</strong> nach dem Sprung in irgendeinem der unsicheren Bereiche<br />

einer Komponente des Systems, hat die Austrittsrate:<br />

Ã<br />

nX<br />

m<br />

(<br />

[ ©U ª \ m<br />

©<br />

ν + +<br />

(V S ) = λ i<br />

"P<br />

i ∈ V k ∩ Ui ∈ ¯V<br />

ª )!#<br />

j<br />

=<br />

≤<br />

≤<br />

i=1<br />

k=1<br />

Ã<br />

nX [ m<br />

λ i<br />

"P<br />

i=1<br />

i=1<br />

k=1<br />

©<br />

U<br />

+<br />

i<br />

"<br />

nX X m µ<br />

λ i P ¡ U + i<br />

nX<br />

i=1<br />

λ i<br />

k=1<br />

X m<br />

k=1<br />

P ¡ U + i ∈ V k<br />

¢<br />

j=1<br />

∈ V k<br />

ª ! − P<br />

à m<br />

[<br />

k=1<br />

{M k }<br />

©<br />

U<br />

+<br />

i ∈ V k<br />

ª<br />

∩<br />

m<br />

\<br />

j=1<br />

{U i ∈ V j }<br />

!#<br />

<br />

¢ © © ª © ª<br />

∈ V k − max P ( U<br />

+<br />

i ∈ V k ∩ U<br />

+<br />

i ∈ V j )<br />

11<br />

, 0<br />

)<br />

(7.2.3.5)<br />

Das ergibt durch die zweite Wahrscheinlichkeit in Gl. (7.2.2.6) eine Korrektur, die man entweder<br />

auf der sicheren Seite vernachlässigt oder aber wie in Gl. (7.2.3.4) durch Anwendung der Schranken<br />

in Gl. (5.3.5) oder sogar Gl. (5.3.9) abschätzt. Man beachte, daß für den ersten Term in der<br />

zweiten Zeile von Gl. (7.2.3.4) die obere <strong>und</strong> für den zweiten Term die untere Schranke in Gl.<br />

(5.3.9) verwendet wurde. Die Berechnung der Größe A erfordert die Auswertung von m +1−<br />

bzw. m +2-d<strong>im</strong>ensionalen Normalverteilungsintegralen.<br />

7.3. Austrittsraten <strong>und</strong> mittlere Anzahl der Austritte bei differenzierbaren<br />

Prozessen<br />

170


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

7.3.1. Skalare stationäre Prozesse<br />

Ein f<strong>und</strong>amentales Ergebnis für Prozesse mit differenzierbaren Pfaden ist die sogenannte Ricesche<br />

Formel [144] . Zunächst betrachten wir den skalaren <strong>und</strong> stationären Fall. Die gemeinsame<br />

Dichte von X(τ) <strong>und</strong> Ẋ (τ) sei f X,Ẋ<br />

(x, ẋ). Die Kreuzungswahrscheinlichkeit für das Niveau a<br />

in [τ, τ + 4] fürgenügend kleines 4 ist (siehe auch Bild 7.12):<br />

ν + (a)4τ = P (N + (τ, τ + 4) =1)<br />

o n<br />

o<br />

= P (<br />

nẊ ≥ 0 ∩ a − 4Ẋ ≤ X ≤ a )<br />

=<br />

Z ∞ Z a<br />

0<br />

= 4f X (a)<br />

a−4ẋ<br />

Z ∞<br />

0<br />

= 4f X (a)E ∞ 0<br />

f X,Ẋ<br />

(x, ẋ)dxdẋ<br />

ẋfẊ(ẋ|a)dẋ<br />

i hẊ|X = a<br />

(7.3.1.1)<br />

Streichung von 4 ergibt die Austrittsrate. In der vierten Zeile wurde der Mittelwertssatz der Integralrechnung<br />

verwendet. Dieses Ergebnis gilt für beliebige, differenzierbare Prozesse. Weiter<br />

ist<br />

E £ N + (t 1 ,t 2 ) ¤ = ν + (a)(t 2 − t 1 ) (7.3.1.2)<br />

Beispiel 7.3.1.1: Stationärer Gaußscher Prozeß mit Autokovarianzfunktion C(τ) =σ 2 X exp [−bτ 2 ]<br />

Bei einem stationären Gaußschen Prozeß sind X(τ) <strong>und</strong> Ẋ(τ) unabhängig. Daher ist<br />

"<br />

f X (a) = √ 1 1<br />

exp − 1 µ # 2 a − mX<br />

(1)<br />

2π σ X 2 σ X<br />

<strong>und</strong><br />

E ∞ 0<br />

i hẊ|X = a = E0<br />

∞<br />

hẊi<br />

= σẊ<br />

√<br />

2π<br />

(2)<br />

Also ist<br />

"<br />

ν + (a) = √ σẊ 1<br />

ϕ( a − m X<br />

)= 1 σ Ẋ exp − 1 µ # 2 a − mX<br />

2π σ X σ X 2π σ X 2 σ X<br />

(3)<br />

Die benötigte Standardabweichung der Geschwindigkeit des Prozesses wird nach GL.(6.1.6.16)<br />

ermittelt, d.h.<br />

dC(τ)<br />

= −2σ 2<br />

dτ<br />

Xbτ exp £ −bτ 2¤ (4)<br />

d 2 C(τ)<br />

dτ 2 = −2σ 2 Xb exp £ −bτ 2¤¡ 1 − 2bτ 2¢ (5)<br />

171


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

<strong>und</strong> daher<br />

Der Ausdruck ν + M = ν+ (m X )= 1<br />

#<br />

2π<br />

σ 2 Ẋ = −d2 C(0)<br />

dτ 2 =2σ 2 Xb (6)<br />

σ Ẋ<br />

σ X<br />

heißt Rate der Mittelwertskreuzungen.<br />

7.3.2. Austrittsrate fürinstationären, skalaren Gaußschen Prozeß ∗<br />

Formel (7.3.1.1) muß abgeändert werden in<br />

Abb. 7.12.Austritt bei differenzierbarem Prozess<br />

ν + (a)4 = P (N + (τ, τ + 4) =1)<br />

o<br />

o<br />

= P (<br />

nẊ ≥ ȧ ∩<br />

na − 4(Ẋ − ȧ) ≤ X ≤ a )<br />

=<br />

Z ∞ Z a<br />

ȧ<br />

= 4f X (a)<br />

a−4(ẋ−ȧ)<br />

Z ∞<br />

ȧ<br />

= 4f X (a)E ∞ ȧ<br />

f X,Ẋ (x, ẋ)dxdẋ<br />

(ẋ − ȧ)f (ẋ|a)dẋ<br />

Ẋ i<br />

hẊ − ȧ|X = a<br />

(7.3.2.1)<br />

Um zu kompakten Resultaten zu gelangen, wird das Niveau a(τ) <strong>und</strong> der Prozeß selbst wie folgt<br />

standardisiert.<br />

Y (τ) =<br />

X(τ) − m(τ)<br />

σ(τ)<br />

<strong>und</strong> b(τ) =<br />

a(τ) − m(τ)<br />

σ(τ)<br />

(7.3.2.2)<br />

Dann nämlich sind Y (τ) <strong>und</strong> .<br />

Y (τ) für jedes τ unkorreliert. Mit der Autokorrelationsfunktion<br />

ρ(τ 1 , τ 2 )= C(τ 1, τ 2 )<br />

σ(τ 1 )σ(τ 2 )<br />

(7.3.2.3)<br />

172


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

erhält man dann für die Varianz des Ableitungsprozesses<br />

ω 2 0 = ∂2 ρ(τ 1 , τ 2 )<br />

∂τ 1 ∂τ 2<br />

| τ =τ 1 =τ 2<br />

= 1<br />

σ 2 (τ)<br />

"<br />

∂ 2 C(τ 1 , τ 2 )<br />

∂τ 1 ∂τ 2<br />

| τ =τ 1 =τ 2<br />

+<br />

µ # 2 ∂σ(τ)<br />

∂τ<br />

(7.3.2.4)<br />

<strong>und</strong> somit<br />

ν + (a(τ)) = ν + (b(τ)) = ϕ(b(τ))<br />

Z ∞<br />

.<br />

b(τ)<br />

1<br />

(ẏ −<br />

ω ḃ)ϕ( ẏ<br />

)dẏ = ω 0<br />

0 ω ϕ(b(τ))Ψ(ḃ(τ) ) (7.3.2.5)<br />

0 ω 0<br />

mit Ψ(x) = R ∞<br />

(ξ − x)ϕ(ξ)dξ = ϕ(x) − xΦ(−x). Diese Funktion zeigt Abb. 7.13.<br />

x<br />

4<br />

3<br />

Ψ (x)<br />

2<br />

1<br />

0<br />

3 2 1 0 1 2 3<br />

x<br />

Abb. 7.13.Ψ(x) mit x = ḃ(τ)<br />

ω 0<br />

sowie Asymptote<br />

Für lineare Schwellenwertfunktionen b(τ) =b 0 + ḃτ kann man ein analytisches Resultat ableiten.<br />

E £ N + (t 1 ,t 2 ) ¤ = ω 0<br />

ḃ (Φ(−b(t 2) − Φ(−b(t 1 )) Ψ( ḃ ) (7.3.2.6)<br />

ω 0<br />

Für instationäre Gaußsche Prozesse gibt es zwei asymptotische Resultate:<br />

s<br />

P f (t) ∼ P f (0) + Φ(−b(t ∗ ))ω 0 (t ∗ )<br />

1<br />

ω 2 0(t ∗ ) + b(t∗ )<br />

¨b(t∗ ) für 0 ≤ t∗ ≤ t (7.3.2.7)<br />

wenn der Punkt t ∗ mit max<strong>im</strong>aler Austrittsrate <strong>im</strong> Inneren des Intervalls [0,t] liegt <strong>und</strong><br />

P f (t) ∼ Φ(−b(t ∗ )) (7.3.2.8)<br />

wenn der Punkt t ∗ mit max<strong>im</strong>aler Austrittsrate an einem Randpunkt des Intervalls [0,t] liegt. ¨b(t ∗ )<br />

ist hierbei die zweite Ableitung der nach Gl. (7.3.2.2) standardisierten Schwellenwertfunktion.<br />

Beide Ergebnisse sind bemerkenswert. Wenn in Gl. (7.3.2.7) die Krümmung der Schwellenwertfunktion<br />

sehr groß wird, spielen die Eigenschaften des Ableitungsprozesses praktisch keine Rolle<br />

mehr. Das ist in Gl. (7.3.2.8) noch ausgeprägter. Insgesamt erweisen sich die asymptotischen<br />

Ergebnisse (in Bezug auf die Zeitintegration nach Gl. (7.1.6.4)) ganz generell als weniger gut.<br />

173


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Besser ist die folgende Formel für den Randpunkt.<br />

E £ N + (t 1 ,t 2 ) ¤ !<br />

h<br />

i<br />

Ãḃ(t<br />

≈ ω 0 (t ∗ )Φ(−b(t ∗ ∗ ) 1 − exp −b(t ∗ ¯<br />

) ¯ḃ(t∗ ) ¯ (t 2 − t 1 )<br />

))Ψ<br />

ω 0<br />

¯<br />

¯ḃ(t∗ ) ¯<br />

(7.3.2.9)<br />

Sie wird durch Laplaceintegration in der Zeit von Gl. (7.3.2.5) hergeleitet. In [66] ist eine ähnlich<br />

abgeleitete, sehr gute Näherungsformel für den inneren Punkt angegeben.<br />

E £ N + (t 1 ,t 2 ) ¤ ≈ ω 0 (t ∗ )ϕ(b(t ∗ )) ×<br />

⎡<br />

s<br />

1+γ<br />

×<br />

2<br />

⎢<br />

b(t ∗ )¨b(t ∗ )<br />

⎣<br />

mit γ 2 = ¨b(t ∗ ) 1<br />

<strong>und</strong> τ b(t ∗ ) ω 0(t ∗ ) 1,2 =<br />

q<br />

b(t ∗ )¨b(t ∗ )(t 1,2 − t ∗ ).<br />

n p p o<br />

Φ(τ 2 1+γ2 ) − Φ(τ 1 1+γ2 )<br />

− √ 2π<br />

q¨b(t<br />

√ 1<br />

∗ )<br />

×<br />

ω 0 (t ∗ ) 1+γ 2 b(t ∗ )<br />

×{ϕ(τ 1 )Φ(−τ 1 γ)} − ϕ(τ 2 )Φ(τ 2 γ)<br />

⎤<br />

⎥<br />

⎦<br />

(7.3.2.10)<br />

Beispiel 7.3.2.1: Qualität der Schranken für die zeitabhängige Versagenswahrscheinlichkeit<br />

Abb. 7.14 soll demonstrieren, daß mit den Näherungen für die Zeitintegration über ν + (τ) in Gl.<br />

(7.2.2.11) <strong>und</strong> (7.3.2.9) sehr gute Approx<strong>im</strong>ationen erhalten werden. Die Schwellenwertfunktion<br />

ist b(t) =b 0 + b 1 t mit b 0 = −4.0 <strong>im</strong> Intervall [0, 1] für standardnormale Amplituden. Alle Ergebnisse<br />

gehen von der Schranke Gl. (7.1.7.2) aus. Die durchgezogenen Linien entsprechen Gl.<br />

(7.2.2.11) bzw. (7.3.2.9). Die gestrichelten <strong>und</strong> gepunktelten Linien verwenden die exakten Ergebnisse<br />

nach Gl. (7.2.5.5) bzw. (7.3.2.6). Die gestrichelten Linien verwenden zusätzlich noch<br />

das asymptotische Resultat (7.4.6). Gl. (7.3.2.8) fällt hier mit der unteren Schranke zusammen<br />

<strong>und</strong> erweist sich als ungenügend.<br />

#<br />

7.3.3. Austrittsrate von Gaußschen Vektorprozessen ∗<br />

Die Berechnung von Austrittsraten für stationäre Vektorprozesse ist <strong>im</strong> allgemeinen schwierig <strong>und</strong><br />

nur für Sonderfälle analytisch. Die Eigenschaften des Prozesses X(t) sind durch den Mittelwertsvektor<br />

m(t) <strong>und</strong> die Kovarianzmatrizen C XX (t 1 ,t 2 ),C (t XẊ 1,t 2 ) <strong>und</strong> CẊẊ (t 1,t 2 ) vollständig beschrieben.<br />

Es ist h generell i zweckmäßig, den Vektorprozeß X(t) zu standardisieren, d.h. derart, daß<br />

E [U(t)] = E ˙U(t) =0, R(0) = I mit <strong>im</strong> allgemeinen vollbesetzten Matrizen Ṙ(0) <strong>und</strong> ¨R(0)<br />

(vergl. Angaben nach Gl. (6.1.6.32)). Formel (7.3.1.1) muß modifiziert werden. In Analogie zum<br />

eind<strong>im</strong>ensionalen Fall ist [14]<br />

P ({U(t) ∈∆(∂V (t))} T n ˙U N (t) > ∂ ˙V<br />

o<br />

(t) in [τ ≤ t ≤ τ + ∆])<br />

ν + (t) = l<strong>im</strong><br />

(7.3.3.1)<br />

∆→0 ∆<br />

wobei ˙U N (t) =n T (u,t) ˙U(t) die Projektion von ˙U(t) auf die Normale n(u,t) =−α(u,t) von<br />

∂V (t) <strong>im</strong> Punkt (u,t) ist. ∆(∂V (t)) ist eine dünne Schicht um ∂V (t) mit der Dicke ( ˙u N (t) −<br />

174


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Beta<br />

4.2<br />

4.1<br />

4<br />

3.9<br />

3.8<br />

3.7<br />

3.6<br />

3.5<br />

3.4<br />

3.3<br />

3.2<br />

3.1<br />

3<br />

2.9<br />

2.8<br />

2.7<br />

2.6<br />

2.5<br />

Sprungprocesse<br />

Normalprocesse<br />

Obere<br />

Schranke in Pf<br />

2.4<br />

1.5 1 0.5 0 0.5 1<br />

b1<br />

Untere<br />

Schranke in Pf<br />

Abb. 7.14.Qualität der Schranken für die Versagenswahrscheinlichkeit (___Gl. (7.1.7.3) mit Gl.(7.2.2.10)<br />

bzw. Gl. (7.3.2.9), - - - Gl.(7.4.6) mit Gl.(7.2.5.5) bzw. Gl. (7.3.2.6)), . . . Gl. (7.1.7.3) mit Gl.(7.2.5.5)<br />

bzw. Gl. (7.3.2.6))<br />

∂ ˙V (t))∆. Also ist<br />

³<br />

P {U(t) ∈ ∆(∂V (t))} \ n o<br />

˙U N (t) > ∂ ˙V (t)<br />

Z Z<br />

=<br />

ϕ n+1 (u, ˙u N ,t)dud ˙u N<br />

∆(∂V (t)) ˙U N (t)>∂ ˙V (t)<br />

Z Z<br />

= ∆<br />

∂V (t)<br />

´<br />

in [τ ≤ t ≤ τ + ∆]<br />

( ˙u N − ∂ ˙V (t))ϕ n+1 (u, ˙u N ,t)ds(u)d ˙u N (7.3.3.2)<br />

˙U N (t)>∂ ˙V (t)<br />

Die Integration über ∆(∂V (t)) wandelt man in eine Oberflächenintegration <strong>und</strong> diese wiederum<br />

durch geeignete Parameterisierung in eine Volumenintegration um. Im stationären Fall findet man<br />

mit ∂V ≡ g(u) =0(vergl. Abb. 7.15)<br />

Z Z ∞<br />

Z Z ∞<br />

ν + (∂V ) = ˙u N ϕ n+1 (u, ˙u N )d ˙u N ds(u) = ˙u N ϕ 1 ( ˙u N |U = u)ϕ n (u)d ˙u N ds(u)<br />

=<br />

Z<br />

∂V<br />

0<br />

E0<br />

∞<br />

∂V<br />

h<br />

˙UN |U = ui<br />

ϕ n (u)ds(u) =<br />

Z<br />

∂V<br />

0<br />

R n−1 E ∞ 0<br />

h<br />

˙U N |U = ui<br />

ϕ n−1 (ũ,p(ũ))T (ũ)dũ<br />

(7.3.3.3)<br />

wobei u n = p(ũ) = g<br />

r<br />

−1 (u 1 ,u 2 ,...,u n−1 ) die (eindeutige) explizite Parameterdarstellung der<br />

Oberfläche <strong>und</strong> T (ũ) = 1+ P ³<br />

n−1 ∂<br />

i=1 ∂u i<br />

p(ũ, τ)´2<br />

die zugehörige Transformationsdeterminan-<br />

175


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

te. Die andere Möglichkeit ein Oberflächenintegral durch eine vollständige Parameterisierung der<br />

Oberfläche zu berechnen wird weiter unten dargestellt.<br />

Die Verteilung von ˙U bedingt auf U = u ist natürlich ebenfalls eine Normalverteilung mit durch<br />

Regression erhaltenen Mittelwertsvektor <strong>und</strong> Kovarianzmatrix.<br />

h i<br />

E ˙U|U = u = Ṙ U (0)R U (0) −1 (u − E [U]) (7.3.3.4)<br />

h i<br />

C ˙U|U = u = ¨R U (0) − Ṙ U<br />

(0) T R U (0) −1 Ṙ U (0) (7.3.3.5)<br />

wobei E [U] =0<strong>und</strong> R U (0) = I. Also ist ˙U N auch eine normalverteilte Variable mit Mittelwert<br />

<strong>und</strong> Varianz<br />

h i<br />

m 0 (u) = E ˙U N |U = u = n(u) T Ṙ U (0)R U (0) −1 (u − E [U]) (7.3.3.6)<br />

h i h i<br />

σ 2 0 (u) = Var ˙U N |U = u = n(u) T ¨R U (0) − Ṙ U<br />

(0) T R U (0) −1 Ṙ U (0) n(u) (7.3.3.7)<br />

Damit kann der Erwartungswert <strong>im</strong> Integranden von Gl. (7.3.3.3) analytisch berechnet werden:<br />

h µ µ <br />

E0<br />

∞ m0 (u)<br />

m0 (u)<br />

˙U N |U = ui<br />

= Ψ(m 0 (u), σ 0 (u)) = σ 0 (u)ϕ + m 0 (u)Φ<br />

(7.3.3.8)<br />

σ 0 (u)<br />

σ 0 (u)<br />

Die Formeln (7.3.3.1) bis (7.3.3.8) gelten sinngemäß, wenn es sich um nicht standardisierte Prozesse<br />

handelt. h<br />

Wenn in E0<br />

∞ ˙U N |U = ui<br />

die Bedingung U = u entfallen kann (Unabhängigkeit von U <strong>und</strong> ˙U),<br />

ist:<br />

h i Z<br />

h i<br />

ν + (∂V )=E0<br />

∞ ˙U N ϕ(u)ds(u) =E0<br />

∞ ˙U N f(∂V ) (7.3.3.9)<br />

∂V<br />

Abb. 7.15.Austritt eines differenzierbaren Vektorprozesses<br />

176


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Dabei ist f(∂V ) die Dichte des Vektors u, <strong>und</strong> damit, multipliziert mit einem kleinen Zeitintervall,<br />

die Wahrscheinlichkeit, daß sich der Prozeß zu einem beliebigen Zeitpunkt auf der Versagensfläche<br />

∂V befindet.<br />

Beispiel 7.3.3.1: Stationäre Austrittsrate bei linearen Grenzzustandsflächen<br />

Die Versagensfläche ist gegeben durch:<br />

( nX<br />

)<br />

∂V = α i u i + β =0<br />

i=1<br />

(1)<br />

Man kann durch eine geeignete Transformation <strong>im</strong>mer erreichen, daß die Prozesse standardisiert<br />

werden. Bei Unabhängigkeit von U <strong>und</strong> ˙U können auch die Ableitungsprozesse unkorreliert gemacht<br />

werden <strong>und</strong> haben dann als Korrelationsmatrix eine Diagonalmatrix ¨R(0) = {κ 2 i ,i=1,...,n}.<br />

Der Normalenvektor ist n = −α. Der skalare Ableitungsprozeß senkrecht zur Versagensfläche ist<br />

˙U N (τ) =<br />

nX<br />

n i ˙U i (τ) (2)<br />

i=1<br />

<strong>und</strong> hat Mittelwert Null <strong>und</strong> die Varianz<br />

κ 2 N =<br />

nX<br />

n 2 i κ 2 i (3)<br />

i=1<br />

Dann ist entsprechend Beispiel 7.3.1.1<br />

h i<br />

E ˙U N<br />

= κ N<br />

√ (4)<br />

2π<br />

<strong>und</strong><br />

ν + (∂V )=E<br />

h<br />

˙U N<br />

i<br />

f(∂V )= κ N<br />

√<br />

2π<br />

ϕ(β) (5)<br />

κ N kann als Standardabweichung des ˙U N -Prozesses gedeutet werden. Bei linear begrenzten Versagensbereichen<br />

kann man das vorliegende Problem wegen Z = α T U <strong>im</strong>mer auf ein skalares<br />

Problem zurückführen. Z <strong>und</strong> ˙U N sind jedoch, wie in Abschnitt 6.1.6 gezeigt, unabhängig. Die<br />

Bedingung, daß U <strong>und</strong> ˙U unabhängigseinmüssen, ist also gar nicht notwendig. Der instationäre<br />

Vektorprozeß bei linearer Grenzzustandsfläche kann demgemäß analog nach Abschnitt 7.3.2<br />

behandelt werden.<br />

#<br />

Beispiel 7.3.3.2: Stationäre Austrittsraten für isotrope Prozesse aus Hyperkugeln [177]<br />

Es sei V = {u T u − β 2 > 0}. Das ist ein Grenzfall ähnlich dem in Gl. (3.1.10). Der Vektorprozeß<br />

sei isotrop, d.h. die Komponenten des Prozesses sind unabhängig <strong>und</strong> standardisiert. Der<br />

Ableitungsprozeß ˙U sei von U unabhängig. Daher kann die Kovarianzmatrix des Ableitungsprozesses<br />

unabhängig von U diagonalisiert werden <strong>und</strong> die Elemente der Diagonale sind κ 2 .Esist<br />

177


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

h i<br />

E ˙U N = κ/(2π). Verwendung von Gl. (7.3.3.4) führt dann auf<br />

ν + (∂V )=E<br />

h i<br />

h i<br />

˙UN f(∂V )=E ˙UN f χ 2 n<br />

(β 2 )=<br />

κ √<br />

2π<br />

β n−1 ·<br />

2 n 2 −1 Γ( n) exp 2<br />

− β2<br />

2<br />

¸<br />

(1)<br />

f χ 2 n<br />

(β 2 ) ist die Dichte der zentralen χ 2 n−Verteilung. Das Ergebnis kann auf nichtzentrierte Hyperkugeln<br />

mit Radius r <strong>und</strong> Entfernung √ δ des Mittelpunkts vom Ursprung verallgemeinert werden.<br />

Dann ist<br />

h i<br />

h i<br />

ν + (∂V )=E ˙UN f(∂V )=E ˙U N f χ 2<br />

n,δ<br />

(β 2 )= √ κ X ∞<br />

p(j, δ/2)f χ 2<br />

2π<br />

n+2j<br />

(r 2 ) (2)<br />

j=0<br />

0.15<br />

0.1<br />

n=1<br />

n=2<br />

n=5 n=10 n=30<br />

nue+(b)<br />

0.05<br />

0<br />

0 2 4 6 8<br />

b<br />

Abb. 7.16.Austrittsrate aus Hyperkugeln (κ =1)<br />

p(j, δ/2) ist die Poissonsche Wahrscheinlichkeitsfunktion Gl. (7.1.3.2). Das Verhalten der Austrittsrate<br />

kann an dem Verhalten der χ 2 n−Verteilungsdichte studiert werden. Diese hat ihr Max<strong>im</strong>um<br />

bei β 0 = √ n − 1. Für β < β 0 bleibt der Prozeß diemeisteZeitaußerhalb von V. DieRatebei<br />

β 0 entspricht der Rate der Nullkreuzungen <strong>im</strong> stationären Fall. Für β ≥ β 0 fällt die Austrittsrate<br />

rasch ab aber ihr Wert wächst bedeutend mit n (vergl. auch Gl. (3.1.10) <strong>und</strong> Abb. 7.16). Die<br />

Formeln (1) bzw. (2) mögen analog zu Gl. (3.1.10) zu einer oberen Abschätzung dienen.<br />

#<br />

Allgemeine, differenzierbare Versagensflächen sind schwierig zu behandeln. Es gibt nur wenige<br />

analytische Resultate. Es existieren jedoch asymptotische Ergebnisse, die eine quadratische<br />

Entwicklung der Versagensfläche benützen. Ohne Ableitung geben wir nur das Resultat für den<br />

standardisierten, stationären Prozeß an [21] :<br />

E £ N + (t 1 ,t 2 ) ¤ n−1<br />

ϕ(β) Y<br />

= ω 0 √ (1 − βκ i ) −1/2 (t 2 − t 1 ) (7.3.3.10)<br />

2π<br />

i=1<br />

mit<br />

h i<br />

ω 2 0 = n(u∗ ) T ¨R(0) − Ṙ(0) T GṘ(0) n(u ∗ ) (7.3.3.11)<br />

178


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

mit β =min{kuk} für {g(u) =0} <strong>und</strong> vorausgesetzt, daß g(0) > 0. In Gl. (7.3.3.5) erkennt<br />

man den Korrekturterm für dieKrümmungen der Versagensfläche (vergl. Gl. (5.4.6)) <strong>und</strong> in<br />

der Gleichung für ω 0 tritt <strong>im</strong> Vergleich zu Gl. h (3) in Beispiel 7.3.3.1 ein in der Regel kleiner<br />

Term mit den Kreuzkorrelationen Ṙ(0) = E U(0) ˙U(0) i T zusammen mit der Matrix der zweiten<br />

n<br />

o<br />

Ableitungen G = k∇g(u ∗ )k −1 ∂2 g(u ∗ )<br />

∂u i ∂u j<br />

; i, j =1,...,n hinzu. Wiederum ist also der Bereich<br />

um den β−Punkt für die Wahrscheinlichkeitsintegrationen am wichtigsten. Formel (7.3.3.10) mit<br />

(7.3.3.11) wird <strong>im</strong> wesentlichen wiederum durch Entwicklung der Grenzzustandsfunktion in ein<br />

Paraboloid, welches auch für die Parameterisierung hergenommen wird, erhalten.<br />

Beispiel 7.3.3.3: v. Misessches Fließkriterium<br />

Die Beanspruchungen am Fußpunkt eines linearen Schwingers (Schornstein) seien durch einen<br />

stationären Gaußprozeß beschrieben. An einem best<strong>im</strong>mten Ort trete Fließen des Materials ein<br />

wenn:<br />

R 2 − (X 1 (t) 2 + X 2 (t) 2 − X 1 (t)X 2 (t)+3X 3 (t) 2 ) ≤ 0 (1)<br />

Darin sind R =150die (deterministische) Streckgrenze, X 1 (t) <strong>und</strong> X 2 (t) zwei Normalspannungen<br />

<strong>und</strong> X 3 (t) die zugehörige Schubspannung. Der Mittelwertsvektor sei m =(100, 50, 10) T <strong>und</strong><br />

wegen Stationarität ṁ =(0, 0, 0) T . Die Kovarianzmatrix ist:<br />

·<br />

CXX (0) C<br />

C(0) =<br />

(0)<br />

¸<br />

XẊ CẊX (0) CẊẊ (0) =<br />

⎢<br />

⎣<br />

⎡<br />

400.0 100.4 24.2 0 73.8 45.3<br />

100.4 158.0 50.8 −73.8 0 52.3<br />

24.2 50.8 100 −45.3 −52.3 0<br />

0 −73.8 −15 100.0 39.9 15.1<br />

73.8 0 −52.3 39.9 88.9 40.3<br />

45.3 52.3 0 15.1 40.3 100<br />

Die Koeffizienten erhält man z.B. aus den Gleichungen (1) bis (6) in Beispiel 6.1.6.3 mit ω =<br />

(0.5, 0.75, 1) T , ξ =(0.2, 0.15, 0.1) T <strong>und</strong> S 0 =20/π. Nach Normierung der Teilmatrizen mit<br />

σ ii σ jj = √ p<br />

C ii Cjj ergibt sich die Transformationsmatrix A (vergl. Abschnitt 6.1.2) zu:<br />

⎡<br />

A = ⎣ 1 0 0<br />

⎤<br />

0.40 0.92 0 ⎦ (3)<br />

0.12 0.39 0.91<br />

⎤<br />

⎥<br />

⎦<br />

(2)<br />

womit X = AU <strong>und</strong><br />

⎡<br />

R UU = A −1 R XX (A −1 ) T = ⎣ 1 0 0<br />

⎤<br />

0 1 0 ⎦<br />

0 0 1<br />

⎡<br />

⎤<br />

0 0.32 0.11<br />

R U ˙U = A−1 R XẊ (A−1 ) T = ⎣ −0.32 0 0.43 ⎦<br />

−0.11 −0.43 0<br />

⎡<br />

⎤<br />

0.25 0.06 0.02<br />

R ˙U ˙U = A−1 RẊẊ (A−1 ) T = ⎣ 0.06 0.57 0.1 ⎦<br />

0.02 0.1 1<br />

(4a)<br />

(4b)<br />

(4c)<br />

179


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Mit R = r =150(hier deterministisch) ergibt sich der β−Punkt zu u ∗ =(3.35, 0.08, 0.73) T mit<br />

β =3.45 <strong>und</strong> α =(−0.98, −0.02,0.21) T sowie:<br />

⎡<br />

⎤<br />

· ¸<br />

0.12<br />

k∇g(u)k =5.45 · 10 3 1<br />

−658.4 86.7 −66.2<br />

; κ = ; G = ⎣ 86.7 −355.9 −212.7 ⎦ (5)<br />

0.034 k∇g(u)k<br />

−66.2 −212.7 −500.9<br />

h i<br />

Damit ist ω 2 0 = n T ¨R − Ṙ T GṘ n =0.303 <strong>und</strong> E [N + (0, 1)] ∼ 3.34 · 10 −4 . Tatsächlich gibt es<br />

zwei β−Punkte. Der andere hat β =5.73 <strong>und</strong> kann daher außer Betracht bleiben. Eine Rechnung<br />

ohne Berücksichtigung der Krümmungen ergibt mit ω 2 0 = n T ¨Rn nur:<br />

E £ N + (0, 1) ¤ ≈ ω 0<br />

√<br />

2π<br />

ϕ(β) =2.41 · 10 −4 (6)<br />

Die Berechnung mit ω 2 0 = n T ¨Rn =0.296 aber Berücksichtigung der Korrektur Q n−1<br />

hi=1 (1−βκ i) −1/2<br />

i<br />

erbringt 3.33 · 10 −4 . Daraus ersieht man, daß der Term −Ṙ T GṘ in ω 2 0 = n T ¨R − Ṙ T GṘ n<br />

unbedeutend ist während die Krümmungskorrektur durchaus wichtig werden kann.<br />

#<br />

Grenzzustandsflächen, die mehrd<strong>im</strong>ensionale Festigkeitskriterien beschreiben, sind in der Regel<br />

geschlossene, konvexe Oberflächen in niedrigen D<strong>im</strong>ensionen <strong>im</strong> Lastwirkungsraum (Spannungen,<br />

Schnittgrößen, Traglasten). Dann ist das Arbeiten in sphärischen (Kugel-) Koordinaten wesentlich<br />

zweckmäßiger, da man die Oberflächenintegration über die Winkel vornehmen kann <strong>und</strong><br />

<strong>im</strong>mer eindeutige Darstellungen der Oberfläche hat. Wir entwickeln die Theorie für den wichtigen<br />

dreid<strong>im</strong>ensionalen Fall. Jeder Punkt (x, y, z) <strong>im</strong> kartesischen System hat <strong>im</strong> Kugelkoordinatensystem<br />

die Darstellung<br />

x = φ(θ, ϕ) =r(θ, ϕ)cosϕ sin θ;<br />

y = ψ(θ, ϕ) =r(θ, ϕ)sinϕ sin θ;<br />

z = χ(θ, ϕ) =r(θ, ϕ)cosθ<br />

mit 0 ≤ r(θ, ϕ) < ∞; −π < ϕ ≤ π; 0 ≤ θ ≤ π, wenn die z-Achse (Polachse) vertikal, θ<br />

den Winkel von der z-Achse <strong>und</strong> ϕ den Winkel in der x–y-Ebene von der x-Achse mißt. Damit<br />

ist jedes Festigkeitskriterium auch in Kugelkoordinaten darstellbar. Den Vektor (x, y, z) T bezeichnen<br />

wir parametrisiert mit τ =(φ(θ, ϕ),ψ(θ, ϕ), χ(θ, ϕ)) T . Damit ist die Parameterdarstellung der<br />

Grenzzustandsfläche möglich. Wir verzichten auf jede Standardisierung des Prozesses.<br />

ν + (∂V ) =<br />

=<br />

=<br />

=<br />

Z<br />

E0<br />

∞<br />

∂V<br />

Z π Z π<br />

E0<br />

∞<br />

0 −π<br />

Z π Z π<br />

E0<br />

∞<br />

0 −π<br />

Z π Z π<br />

E0<br />

∞<br />

0 −π<br />

h<br />

˙ T N |T = τ<br />

i<br />

ϕ 3 (τ )ds(τ )<br />

h i<br />

T ˙N<br />

|T = τ ϕ 3 (τ) √ EG − F 2 dϕdθ<br />

h i<br />

T ˙N<br />

|T = τ ϕ 3 (τ) √ EG − F 2 dϕdθ<br />

h i<br />

T ˙<br />

1 1<br />

N |T = τ<br />

(2π) 3/2 |det(C τ )| ×<br />

180


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

·<br />

× exp − 1 √EG<br />

2 (τ − m)T C −1<br />

τ (τ − m)¸<br />

− F<br />

2<br />

dϕdθ<br />

(7.3.3.12)<br />

mit<br />

E =<br />

F =<br />

G =<br />

µ ∂φ(θ, ϕ) 2 µ 2 µ 2<br />

∂ψ(θ, ϕ) ∂χ(θ, ϕ)<br />

+<br />

+<br />

∂θ<br />

∂θ<br />

∂θ<br />

∂φ(θ, ϕ) ∂φ(θ, ϕ) ∂ψ(θ, ϕ) ∂ψ(θ, ϕ) ∂χ(θ, ϕ)<br />

+ +<br />

∂θ ∂ϕ ∂θ ∂ϕ ∂θ<br />

µ ∂φ(θ, ϕ) 2 µ ∂ψ(θ, ϕ) 2 µ ∂χ(θ, ϕ) 2<br />

+<br />

+<br />

∂ϕ<br />

∂ϕ<br />

∂ϕ<br />

∂χ(θ, ϕ)<br />

∂ϕ<br />

mit √ EG − F 2 der Fläche des Oberflächenelementes. War urspünglich die Grenzzustandsfunktion<br />

als g(τ) =g(x, y, z) =g(φ(θ, ϕ), ψ(θ, ϕ), χ(θ, ϕ)) = 0 gegeben, so ist nunmehr als wesentliche<br />

Aufgabe die Funktion r(θ, ϕ) zu best<strong>im</strong>men, also r(θ, ϕ) =g −1 (cos ϕ sin θ, sin ϕ sin θ, cos θ).<br />

Vereinbarungsgemäß ist diese Invertierung <strong>im</strong>mer eindeutig. Sie ist für manche Festigkeitskriterien<br />

analytisch, für viele andere jedoch nur numerisch möglich.<br />

Beispiel 7.3.3.4: Exaktes Resultat für v. Misessches Fließkriterium<br />

Für das Fließkriterium (1) in Beispiel 7.3.3.3 findet man durch einfache Rechnung<br />

r(θ, ϕ) =<br />

R p (2 − c f s f )<br />

q ¡6<br />

− s<br />

2<br />

t s 4 f + s2 t s 2 f − 4s2 t − 3c f s f<br />

¢ (1)<br />

mit s t =sin(θ),s f =sin(ϕ),c f =cos(ϕ). Damit sind alle benötigten Ableitungen analytisch<br />

wenngleich länglich, sodaß sie hier nicht angegeben werden. Auch die Komponenten des Normalenvektors<br />

n(θ, ϕ) sind analytisch. Schließlich muß man Gl. (7.3.3.12) numerisch integrieren.<br />

Das Ergebnis für sonst gleiche Verhältnisse wie in Beispiel 7.3.3.3 ist ν + (∂V ) ≈ 1.56 · 10 −4 .<br />

Der Unterschied zwischen exakter <strong>und</strong> asymptotischer Lösung verschwindet, wie es sein muß,bei<br />

größerem β.<br />

#<br />

Asymptotische Ergebnisse für den instationären Fall wurden ebenfalls entwickelt. Für kritische<br />

Randpunkte gilt Gl. (7.3.2.8) mit b(t ∗ ) = β(t ∗ ). Die Lösung für innere, kritische Punkte ist<br />

kompliziert. Man geht besser von den Näherungen in Gl. (7.3.2.9) bzw. (7.3.2.10) aus, d.h. von:<br />

E £ N + (t 1 ,t 2 ) ¤ ³ h i ´<br />

≈ n(u ∗ ,t ∗ ) T ¨R(t ∗ ) − Ṙ(t ∗ ) T G(u ∗ ,t ∗ )Ṙ(t ∗ ) n(u ∗ ,t ∗ ) ×<br />

n−1<br />

Y<br />

×Φ(−β(t ∗ )) (1 − β(t ∗ )κ i (t ∗ )) −1/2 ×<br />

i=1<br />

à !<br />

h<br />

˙β(t ∗ ) 1 − exp −β(t ∗ ) ¯ ˙β(t i<br />

∗ ) ¯ (t 2 − t 1 )<br />

×Ψ<br />

ω 0 (t ∗ )<br />

¯ ˙β(t ∗ (7.3.3.13)<br />

) ¯<br />

181


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

für den Randpunkt <strong>und</strong><br />

E £ N + (t 1 ,t 2 ) ¤<br />

≈<br />

³ h i ´<br />

n(u ∗ ) T ¨R(t ∗ ) − Ṙ(t∗ ) T G(u ∗ ,t ∗ )Ṙ(t∗ ) n(u ∗ ) ×<br />

n−1<br />

Y<br />

×ϕ(β(t ∗ )) (1 − β(t ∗ )κ i (t ∗ )) −1/2 ×<br />

×<br />

s<br />

i=1<br />

1+γ 2<br />

β(t ∗ )¨β(t ∗ )<br />

⎡<br />

⎢<br />

⎣<br />

n p p o<br />

Φ(τ 2 1+γ2 ) − Φ(τ 1 1+γ2 )<br />

− √ q<br />

2π<br />

√ 1 ¨β(t ∗ )<br />

×<br />

ω 0 (t ∗ ) 1+γ 2 β(t ∗ )<br />

×{ϕ(τ 1 )Φ(−τ 1 γ)} − ϕ(τ 2 )Φ(τ 2 γ)<br />

(7.3.3.14)<br />

q<br />

mit γ 2 = ¨β(t ∗ ) 1<br />

<strong>und</strong> τ β(t ∗ ) ω 0(t ∗ ) 1,2 = β(t ∗ )¨β(t ∗ )(t 1,2 − t ∗ ) für den inneren Punkt. Oberflächenintegration<br />

<strong>im</strong> u-Raum <strong>und</strong> Zeitintegration werden mithin als entkoppelt betrachtet. Mit erhöhtem<br />

Aufwand kann man aber auch Gl. (7.1.6.4) numerisch integrieren.<br />

Mankannschließlich direkt von Gl. (7.1.6.3) ausgehen. Gl. (7.1.6.3) schreiben wir hierzu wie<br />

folgt (Formulierung <strong>im</strong> u-Raum vorausgesetzt):<br />

ν + 1<br />

(τ) = l<strong>im</strong><br />

∆→0 ∆ P 1({U(τ) ∈ V (τ)} ∩ {U(τ + ∆) ∈ V (τ + ∆)})<br />

≈ 1 ∆ P 1({g(U(τ)) > 0} ∩ {g(U(τ + ∆)) ≤ 0})<br />

≈ 1 ∆ P 1({α(τ) T U + β(τ) > 0} ∩ {α(τ + ∆) T U + + β(τ + ∆) < 0})<br />

= 1 ∆ Φ 2(β(τ), −β(τ + ∆); ρ(τ, τ + ∆)) (7.3.3.15)<br />

mit ρ(τ, τ + ∆) = −α(τ) T α(τ + ∆). U <strong>und</strong> U + sind verschiedene, allerdings hoch negativ<br />

korrelierte Vektoren. Numerisch diffizil ist die Festlegung von ∆. Die zweid<strong>im</strong>ensionale Normalverteilung<br />

Φ 2 (., .; .) wird mit Formel (2) in Beispiel 4.4.2 berechnet. Diese Lösung <strong>im</strong> Rahmen von<br />

FORM läßt sich nicht ohne weiteres verbessern. Eine Krümmungskorrektur wie in Gl. (7.3.3.10)<br />

kann nicht berechnet werden. Bei nichtstationären Problemen muß man Gl. (7.1.6.4) numerisch<br />

integrieren. Diese direkte Berechnungsmethode wurde erstmals in [65] näher untersucht.<br />

⎤<br />

⎥<br />

⎦<br />

Beispiel 7.3.3.5: Vergleich von Formel (7.3.3.15) mit Beispiel 7.3.1.1<br />

Wir betrachten eine Grenzzustantsfunktion des Form g(u(t),a)=a − u(t) =0mit a =4<strong>und</strong><br />

dem in Beispiel 7.3.1.1 verwendeten Parameter b =1für einen stationären Prozeß. Formel (3)<br />

von Beispiel 7.3.1.1 ergibt ν + (4) = 7.55 · 10 −5 während Gl. (7.3.3.15) mit ∆ =0.1 (entspricht<br />

ρ(τ, τ + ∆) =− exp [−b∆ 2 ]=−0.99) ν + (4) = 7.44 · 10 −5 ergibt. Wenn ∆ wesentlich kleiner<br />

gewählt wird, kann wegen ρ →−1 die Berechnung von Φ 2 (., .; .) ungenau werden. Bei zu großem<br />

∆ können sich Ungenauigkeiten bei der Berechnung von ρ(τ, τ + ∆) ergeben.<br />

#<br />

182


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Eine weitere Variante ist besonders bei dynamischen Problemen interessant. Versagen erfolgt definitionsgemäß<br />

wenn g(u(t)) = 0 eine Nullkreuzung von oben hat.<br />

ν − (τ) =<br />

Z 0<br />

−∞<br />

|ġ(u(t))| f(g(u(t)) = 0, ġ(u(t)))dġ(u(t)) (7.3.3.16)<br />

Hierin ist f(g(u(t), ), ġ(u(t))) die gemeinsame Dichte von g(u(t)) <strong>und</strong> dg(u(t)) = ġ(u(t)). Diese<br />

Formulierung ist praktisch nicht auswertbar, da die gemeinsame Dichte f(., .) sehr schwierig<br />

dt<br />

oder gar nicht zu berechnen ist. Für differenzierbare (Vektor-)Prozesse U(t) sind g 1 = −g(u(t)<br />

<strong>und</strong> g 2 = g(u(t + ∆)) für kleine ∆ hochkorreliert (fast funktional abhängig). Das kann bei der<br />

Transformation in den Standardraum, bei der Suche nach den ’’kritischen’’ Punkten <strong>und</strong> bei der<br />

Auswertung des Integrals für die Schnittwahrscheinlichkeit zu numerischen Schwierigkeiten führen.<br />

Dann ist es besser g 2 durch<br />

zu nähern.<br />

Für die Suche nach dem (den) β−Punkt(en) löst man<br />

g 2 = g(u(t + ∆)) ≈ g(u(t)) + ġ(u(t))∆ (7.3.3.17)<br />

min {kuk} für g 1 ≤ 0 \ g 2 ≤ 0 (7.3.3.18)<br />

Normalerweise wird <strong>im</strong> Lösungpunkt u ∗ sowohl g 1 (.) =0wie auch g 2 (.) =0sein. Wenn der<br />

Lösungspunkt zwar auf g 1 =0liegt aber g 2 6=0, löst man zusätzlich<br />

min {kuk} für g 1 ≤ 0 \ g 2 =0 (7.3.3.19)<br />

oder setzt näherungsweise u ∗ 2 = γu ∗ 1 mit γ der Lösung von g 2 (γu ∗ 1)=0. Im gemeinsamen Punkt<br />

u ∗ oder in den Punkten u ∗ 1 <strong>und</strong> u ∗ 2 wird dann linearisiert. Die Schnittwahrscheinlichkeit berechnet<br />

man aus dem bivariaten Normalverteilungsintegral Φ 2 (β 1 , −β 2 ; ρ) (Gl.(2) in Beispiel 5.4.2) mit<br />

ρ = α T 1 α 2 <strong>und</strong> α i = − ∇g i(u ∗ i )<br />

k∇g i (u ∗ i<br />

)k;<br />

i =1, 2.<br />

7.3.4. Nicht-normale differenzierbare Prozesse ∗<br />

Unter gewissen Umständen können diese Ergebnisse auf nicht-normale, stationäre oder nichtstationäre<br />

Prozesse ausgedehnt werden. Hierzu gehen wir von der Darstellung in Gl. (3.2.4.6)<br />

bis (3.2.4.12) aus, d.h. wir nehmen an, daß ein nicht-normaler Prozeß durch eine ’’gedächtnislose’’<br />

monotone Funktion erzeugt werden kann<br />

X(t) =g(Z(t)) (7.3.4.1)<br />

worin Z(t) ein standardnormaler Prozeß.Für den Prozeß mit Verteilungsfunktion F (x(t)) ist demnach:<br />

Z(t) =Φ −1 [F (X(t))] (7.3.4.2)<br />

183


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Bei Stationarität ist der Zusammenhang zwischen den Autokorrelationsfunktionen von X(t) <strong>und</strong><br />

Z(t) gegeben durch (in Analogie zu Gl. (3.2.4.9))<br />

ρ X (τ) =<br />

=<br />

Z ∞ Z ∞<br />

−∞ −∞<br />

Z ∞ Z ∞<br />

−∞ −∞<br />

µ µ <br />

x1 − m 1 x2 − m 2<br />

σ 1 σ 2<br />

ϕ 2 (z 1 ,z 2 ; ρ Z (τ)) f X 1<br />

(x 1 )f X2 (x 2 )<br />

dx 1 dx 2<br />

Φ(z 1 )Φ(z 1 )<br />

à !à !<br />

F<br />

−1<br />

X 1<br />

(Φ(z 1 ) − m 1 F<br />

−1<br />

X 2<br />

(Φ(z 2 ) − m 2<br />

ϕ<br />

σ 1<br />

σ 2 (z 1 ,z 2 ; ρ Z (τ))dz 1 dz 2<br />

2<br />

(7.3.4.3)<br />

mit m i = m(t i ), σ i = σ(t i ),x i = x(t i ),z i = z(t i ). Wie für das Nataf-bzw. Hermitemodell gibt<br />

es Beschränkungen. Insbesondere gilt ρ X (0) = ρ Z (0) = 1 bzw. bei ρ X (τ) =0auch ρ Z (τ) =0.<br />

Weiter ist |ρ X (τ)| ≤ |ρ Z (τ)| <strong>und</strong> man kann den Wertebereich von ρ X (τ) bei ρ Z (τ) =−1 best<strong>im</strong>men.<br />

Dasselbe Konzept kann man bei Vektorprozessen <strong>und</strong> bei Feldern, allerdings mit gewissen<br />

Einschränkungen, anwenden. Bei Vektorprozessen muß man noch nach Gl. (6.1.2.6) mit Z = AU<br />

entkorrelieren. Für die Berechnung der Austrittsrate ist nur die Berechnung von ρ Z (τ) <strong>und</strong> ρ 00 Z (τ)<br />

in τ =0(stationärer Fall) bzw. in τ = t ∗ (instationärer Fall) notwendig.<br />

Beispiel 7.3.4.1: Lognormaler Prozeß<br />

Es sei<br />

X(t) =w +exp(m X + σ X U(t)) (1)<br />

X(t) ist damit log-normalverteilt <strong>und</strong> U(t) ein standardnormaler Prozeß. Aus Formel (7.3.4.2)<br />

best<strong>im</strong>mt man<br />

ρ X (τ) = (1 + v2 ) ρ U (τ) − 1<br />

(2)<br />

v 2<br />

mit v =<br />

σ X<br />

. Hierbei wurde die Beziehung E £<br />

m X<br />

(X(t) − w) k¤ = E £ exp(m<br />

−w X + σ X U(t)) k¤<br />

verwendet. Beispielsweise darf bei v =0.3 nur noch −0.917 ≤ ρ X (τ) ≤ 1 sein.<br />

#<br />

Austrittsraten berechnet man unter der Bedingung, daß X(t) dann einen Austritt hat, wenn auch<br />

U(t) einen Austritt hat, d.h. füreineÜberschreitung des Niveaus b<br />

ν + (b) = σ U<br />

·− .<br />

2π exp 1 ¡ g −1 (b) ¢ ¸<br />

2<br />

(7.3.4.4)<br />

2<br />

worin σ . U = p −ρ 00 U (0).<br />

Analog kann man mehrd<strong>im</strong>ensionale ’’Natafprozesse’’ definieren. Der mit ihnen verb<strong>und</strong>ene numerische<br />

Auswand kann erheblich werden.<br />

7.3.5. Austrittsraten bei Systemen (differenzierbare Prozesse) ∗<br />

Bei differenzierbaren, stationären, standardisierten <strong>und</strong> entkorrelierten Gaußvektorprozessen muß<br />

man beachten, daß ein Austreten in den unsicheren Bereich von Systemen nur durch einen Aus-<br />

184


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

schnitt der Grenzzustandsfläche <strong>und</strong> nur jeweils durch eine dieser erfolgen kann. Die Austrittsereignisse<br />

durch verschiedene Grenzzustandsflächen sind disjunkt. Ein Parallelsystem sei also durch<br />

den Schnitt von m unsicheren Bereichen definiert, der aber auf m verschiedenen Wegen betreten<br />

werden kann. Bei m linearen (oder linearisierten) Grenzzustandsflächen, d.h. V P = {∩ m k=1 g k(u) ≤<br />

0} mit ∂V k = {g k (u) ≈ α T k u+b k =0}, g k (0) ≥ 0 für wenigstens ein k, ist mit Gl. (7.3.3.8) <strong>im</strong><br />

Sinne eines Resultats erster Ordnung bei zeitinvarianten Grenzzustandsflächen<br />

ν + (V P ) =<br />

mit (x) + =max{0,x} <strong>und</strong><br />

=<br />

≈<br />

mX<br />

Z<br />

k=1<br />

mX Z<br />

k=1<br />

∂V k<br />

E<br />

h<br />

(−α T ˙U)<br />

i<br />

k + |U = u ϕ n (u)ds(u)<br />

Ψ(m k (u), σ k )ϕ n (u)ds(u)<br />

∂V k<br />

mX<br />

Ψ(m k (u ∗ ), σ k )ϕ(b k )Φ m−1 (c k ; B k ) (7.3.5.1)<br />

k=1<br />

c k = {b s − b k α T s α k ;1≤ s ≤ m; s 6= k}<br />

B k = {α T s α t − (α T s α k)(α T t α k); 1 ≤ s, t ≤ m; s, t 6= k}<br />

h<br />

i<br />

Ψ(m k (u ∗ ), σ k ) = E (−α T ˙U) k + |U = u<br />

µ <br />

µ <br />

mk (u ∗ )<br />

= σ k ϕ<br />

+ m k (u ∗ mk (u ∗ )<br />

)Φ<br />

σ k σ k<br />

wobei Φ 0 (.; .) =1,b s = α T s u∗ ,b k = α T k u∗ , σ 2 k = αT k ( ¨R − ṘṘ T )α k ,m k (u ∗ )=−α T k Ṙu∗ 6=0<br />

für m ≥ 2 <strong>und</strong> 2 ≤ m ≤ n sowie u ∗ der gemeinsame β−Punkt, der auf einer Ecke oder Kante<br />

des unsicheren Bereiches liegen muß <strong>und</strong> α k die Richtungsvektoren der in u ∗ linearisierten<br />

Grenzzustandsflächen (alle α k linear unabhängig). Dieser Ausdruck ist in voller Allgemeinheit<br />

hingeschrieben. Eine asymptotische Lösung kann man ebenfalls angeben [74] . Die Austrittsrate<br />

in Vereinigungsmengen (g k (0) ≥ 0 für k =1,..,m)erhält man bei vollkommen analoger Argumentation<br />

aus Gl. (7.3.5.1) durch Ersatz von ϕ(b k )Φ m−1 (c k ; B k ) durch ϕ(b k )[1− Φ m−1 (c k ; B k )]<br />

mit nunmehr Φ 0 (.; .) =0<strong>und</strong> m verschiedenen u ∗ k wobei nunmehr m k(u ∗ k )=0<strong>und</strong> σ2 k = αT ¨Rα k k<br />

da α k <strong>und</strong> u ∗ k senkrecht aufeinander stehen.<br />

Bei instationärenProzessenhängen alle Größen auch von der Zeit ab. Bei Parallelsystemen verwendet<br />

man näherungsweise Gl. (7.2.2.9) oder (7.3.2.9) mit<br />

β(t ∗ ) bzw. b(t ∗ )=min{kuk} für{u,t : ∩ m k=1 g k(u,t) ≤ 0} (7.3.5.2)<br />

Bei Seriensystemen können die kritischen Punkte in der Zeit verschieden sein. Es ist klar, daß<br />

Systembetrachtungen recht aufwendig werden können.<br />

7.3.6. Kombination von Prozessen mit nicht rechteckförmigen Marken<br />

(Point Crossing Method) ∗<br />

Schließlich soll hier noch erwähnt werden, daß die Behandlung von markierten Sprungprozessen<br />

mit anderen als rechteckförmigen Marken auf große Schwierigkeiten stößt <strong>und</strong> nur in besonderen<br />

185


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Fällen noch möglich ist. Eine vielfach verwendete, spezielle Methode ist die sogenannte ’’point<br />

crossing method’’, deren Gr<strong>und</strong>idee nachfolgend kurz dargestellt sei. Wir betrachten die Summe<br />

zweier unabhängiger, stationärer Prozesse:<br />

X(t) =X 1 (t)+X 2 (t) (7.3.6.1)<br />

Die Austrittsrate ist nach Rice (siehe Abschnitt 3.1):<br />

Z ∞<br />

ν + X (a) = ẋf XẊ (a, ẋ)dẋ (7.3.6.2)<br />

0<br />

f X Ẋ (x, ẋ) kann als Faltungsintegral der Dichten f X 1 Ẋ 1<br />

(x 1 , ẋ 1 ) <strong>und</strong> f X2 Ẋ 2<br />

(x 2 , ẋ 2 ) dargestellt werden.<br />

Z ∞ Z ∞<br />

f X Ẋ (x, ẋ) = f X1 Ẋ 1<br />

(x 1 , ẋ 1 )f X2 Ẋ 2<br />

(x − x 1 , ẋ − ẋ 1 )dẋ 1 dx 1 (7.3.6.3)<br />

−∞<br />

−∞<br />

Mit ẋ = ẋ 1 + ẋ 2 ergibt das eingesetzt in Gl. (7.2.3.2)<br />

Z ∞ Z ∞ Z ∞<br />

ν + X (a) = ẋ 1 f X1 Ẋ 1<br />

(x, ẋ 1 )f X2 Ẋ 2<br />

(a − x, ẋ 2 )dẋ 2 dẋ 1 dx<br />

+<br />

−∞ −∞ ẋ 2 =−ẋ<br />

Z 1<br />

∞ Z ∞ Z ∞<br />

−∞<br />

−∞<br />

ẋ 2 =−ẋ 1<br />

ẋ 2 f X1 Ẋ 1<br />

(x, ẋ 1 )f X2 Ẋ 2<br />

(a − x, ẋ 2 )dẋ 2 dẋ 1 dx (7.3.6.4)<br />

Die dreifachen Integrale haben nur für Spezialfälle analytische Lösungen. Durch Vergrößerung<br />

des Integrationsbereiches erhält man jedoch eine obere Schranke [91]<br />

Z ∞<br />

Z ∞<br />

Z ∞<br />

ν + X (a) ≤ ẋ 1 f X1 Ẋ 1<br />

(x, ẋ 1 )f X2 Ẋ 2<br />

(a − x, ẋ 2 )dẋ 2 dẋ 1 dx<br />

=<br />

−∞ ẋ 1 =0 ẋ 2 =−∞<br />

Z ∞ Z ∞ Z ∞<br />

+<br />

−∞<br />

Z ∞<br />

−∞<br />

ẋ 1 =−∞<br />

ẋ 2 =0<br />

ν + X 1<br />

(x)f X2 (a − x)dx +<br />

ẋ 2 f X1 Ẋ 1<br />

(x, ẋ 1 )f X2 Ẋ 2<br />

(a − x, ẋ 2 )dẋ 2 dẋ 1 dx<br />

Z ∞<br />

−∞<br />

ν + X 2<br />

(x)f X1 (a − x)dx (7.3.6.5)<br />

<strong>und</strong> analog durch Verkleinerung des Integrationsbereiches eine untere Schranke [91]<br />

Z ∞<br />

ν + X (a) ≥ ν + X 1<br />

(x)f X2 (a − x)(1 − FẊ2<br />

|X 2<br />

(0,a− x))dx<br />

+<br />

−∞<br />

Z ∞<br />

−∞<br />

ν + X 2<br />

(a − x)f X1 (x)(1 − FẊ1<br />

|X 1<br />

(0,x))dx (7.3.6.6)<br />

Gl. (7.3.6.6) unterscheidet sich von Gl. (7.3.6.5) durch den letzten Term, der einen Wert zwischen<br />

r<strong>und</strong> 0.5 (d.h. bei Unabhängigkeit von X i <strong>und</strong> Ẋ i ) <strong>und</strong> Eins ann<strong>im</strong>mt.. Obere <strong>und</strong> untere Schranke<br />

liegen daher in der Regel nahe beieinander. In den Formeln (7.3.6.5) <strong>und</strong> (7.3.6.6) ist ν + X i<br />

(x)<br />

die jeweils eind<strong>im</strong>ensionale Austrittsrate <strong>und</strong> f Xj (a − x) dx die sogenannte Augenblickswahrscheinlichkeit<br />

der anderen Komponente. Die folgende Tabelle gibt einige Funktionen für ν + X (x)<br />

<strong>und</strong> f X (x) an:<br />

186


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Prozeß ν + X (x) f X(x)<br />

’’Spike’’ λ(1 − F S (x)) δ(x)<br />

Rechteckwelle λ(1 − F S (x)) f S (x)<br />

R ∞<br />

Dreiecks<strong>im</strong>puls λ(1 − F S (x))<br />

x<br />

Parabolischer Impuls λ(1 − F S (x))<br />

R ∞<br />

x<br />

R ∞<br />

x<br />

f S (s)<br />

√<br />

s<br />

1<br />

2 1− x s<br />

ds<br />

f S (s)<br />

ds<br />

s<br />

Invers-parab. Impuls λ(1 − F S (x))<br />

2(1 − x/s) f S(s)<br />

i<br />

ds<br />

s<br />

Differenzierbar f S (x)E0<br />

hṠ ∞ | S = x f S (x)<br />

Die Größe s bezeichnet die zufällige Max<strong>im</strong>alamplitude eines Impulses, λ ist die Sprungrate. Es<br />

ist bemerkenswert, daß die spezielle Lage der jeweiligen Spitze innerhalb des Impulses nicht in<br />

die Formeln eingeht. Die Integrale löst man numerisch. Dasselbe Konzept kann man bei mehr als<br />

zwei Prozessen anwenden. Bei drei Prozessen ist beispielsweise:<br />

Z ∞<br />

Z ∞<br />

Z ∞<br />

ν + X (a) ≤ ν + X 1<br />

(x)f X2 +X 3<br />

(a−x)dx+ ν + X 2<br />

(x)f X1 +X 3<br />

(a−x)dx+ ν + X 3<br />

(x)f X1 +X 2<br />

(a−x)dx<br />

−∞<br />

−∞<br />

(7.3.6.7)<br />

Die Ansätze können in verschiedener Hinsicht, z.B. für Instationarität, nichtlineare Kombination,<br />

Abhängigkeit <strong>und</strong> Clusterung, verallgemeinert werden. Die Ergebnisse werden dann jedoch<br />

schnell unhandlich <strong>und</strong> ungenau.<br />

7.4. Asymptotische Überlegungen<br />

Eine asymptotische Verschärfung von Gl. (7.1.7.2) gelingt wie folgt. Wir teilen das Intervall [0,t]<br />

für einen stationären Prozess in n gleich große Intervalle [0,t n ]=[0,t] /n <strong>und</strong>nehmenzunächst<br />

an, daß die Austritte in diesen Unterintervallen unabhängig sind, so daß<br />

P (kein Austritt in [0,t]) = P (N + (0,t)=0)=P n (N + (0,t n )=0)<br />

∞X<br />

= (1− P (N + (0,t n ) > 0)) n =(1− P (N + (0,t n )=i)) n<br />

≥<br />

(1 −<br />

i=1<br />

−∞<br />

∞X<br />

iP(N + (0,t n )=i)) n =(1− E[N + (0,t n )]) n<br />

i=0<br />

= ((1 − ν + (V )t n ) n =<br />

µ<br />

1 − ν + (V ) t n n<br />

∼ exp[−ν + (V )t](7.4.1)<br />

für große n gilt. Dabei vergrößern wir n derart, daß ν + (V )t = const, d.h. durch Vergrößerung<br />

von t bei gleichzeitiger Verkleinerung von ν + (V ). Die Annahme der Unabhängigkeit verifizieren<br />

wir durch die sogenannte Mischungsbedingung<br />

|P (A ∩ B) − P (A)P (B)| ≤ g(τ) mit τ 2 g(τ) → 0 für τ →∞ (7.4.2)<br />

Darin ist <strong>im</strong> vorliegenden Fall A = {(X(ϑ) ∈ V ) ∩ (X(ϑ + ∆) ∈ V )} <strong>und</strong> B = {(X(ϑ + τ) ∈<br />

V ) ∩ (X(ϑ + ∆ + τ) ∈ V )}. Wie man sieht, ist die angegebene Mischungsbedingung eine<br />

(schwächere) Variante der Bedingung der Ergodizität <strong>im</strong> stationären Fall. Die Austrittsereignisse<br />

sind aber solange abhängig als noch wenigstens eine Komponente von X(ϑ) <strong>im</strong> Intervall [0, τ]<br />

kein Sprungereignis hatte. Daher ist für Poissonsche Sprünge<br />

187


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Da<br />

P (mindestens eine Komponente hat keinen Sprung in [ϑ, ϑ + τ])<br />

n[<br />

= P ( (Komponente i hat keinen Sprung in [ϑ, ϑ + τ])<br />

≤<br />

=<br />

i=1<br />

nX<br />

P (Komponente i hat keinen Sprung in [ϑ, ϑ + τ])<br />

i=1<br />

nX<br />

exp[−λ i τ]=g(τ) (7.4.3)<br />

i=1<br />

l<strong>im</strong> τ 2<br />

τ→∞<br />

nX<br />

exp[−λ i τ]=0 (7.4.4)<br />

i=1<br />

ist, ist die Mischungsbedingung (7.4.2) erfüllt. Man kann in Gl. (7.4.3) aber auch jeden anderen<br />

Erneuerungsprozeß annehmen. Damit ist bewiesen, daß asymptotisch<br />

P f (t) =P (T


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

"<br />

= exp<br />

"−ν + M t exp − 1 µ ## 2 a − mX<br />

2 σ X<br />

=exp<br />

·−ν + M<br />

·− t exp 1 ξ2¸¸<br />

2<br />

(2)<br />

mit ξ = a−m X<br />

σ X<br />

<strong>und</strong> ν + M der Rate der positiven Mittelwertskreuzungen. Wie man sieht, hat die Variable<br />

ln(−ν + M t exp £ −ξ 2 /2 ¤ = −ξ 2 /2 − ln(ν + Mt) eine Gumbelverteilung. Indem man die Entwicklung<br />

ξ ≈ p 2ln(ν + M t)(1+ ξ/2ln(ν+ Mt)+...) benutzt, findet man, daß der Mittelwert asymptotisch<br />

gleich<br />

<strong>und</strong> die Varianz gleich<br />

E [M(t)] ≈<br />

q<br />

2ln(ν + M t)+ 0.577<br />

p<br />

2ln(ν<br />

+<br />

M t) (3)<br />

Var[M(t)] ≈ p<br />

σ X 2ln(ν<br />

+<br />

M t) (4)<br />

ist.<br />

#<br />

Derart ideale Voraussetzungen sind jedoch meist nicht gegeben. Die Mischungsbedingung ist<br />

insbesondere nicht erfüllt, wenn gewisse Komponenten von X(τ) nicht von der Zeit abhängen,<br />

sondern einfache Zufallsvariable sind. Es bezeichne R diesen (nicht-ergodischen) Vektor. R beschreibe<br />

z.B. die Festigkeitseigenschaften der Komponente. Dann gilt die Formel (7.4.5) nur noch<br />

bedingt, d.h. unter der Bedingung R = r. Die totale Versagenswahrscheinlichkeit erhält man aus<br />

Z<br />

Z<br />

£<br />

P f (t) = P f (t|r)dF R (r) ∼ 1 − exp[−E[N + (0,t)|r]]dF R (r) ≤ E R E[N + (0,t)|R] ¤<br />

R n R<br />

R n R<br />

π 2<br />

(7.4.8)<br />

Das ist eine spürbare Verkomplizierung <strong>und</strong> man verwendet am besten die obere Schranke. Falls<br />

jedoch die bedingende Größe, wir nennen sie zur Unterscheidung Q, ihrerseits ein ergodischer Prozeß<br />

ist, z.B . die Parameter von Seezuständen oder die 10-min Mittel der Windgeschwindigkeiten<br />

darstellt, gilt<br />

P f (t) ∼ 1 − exp[−E[ν + (V (Q))]t] (7.4.9)<br />

Das Entstehen dieser <strong>im</strong> Vergleich mit Gl. (7.4.6) wesentlich einfacheren Beziehung zeigen wir<br />

durch Betrachten einer unabhängigen Folge Q i . Hierzu beachten wir, daß tf Q (q)∆q näherungsweise<br />

die mittlere Zeit ist, in der sich die Folge Q <strong>im</strong> Zustand q ≤ Q < q + ∆q mit ∆q einer<br />

kleinen Größe befindet. Also ist<br />

Z<br />

n\<br />

P f (t) = 1− exp[−ν + (q)t]dF Q (q) ≈ 1 − exp[−ν + (q i )tf Q (q i )∆q]<br />

R n Q<br />

= 1− exp[−<br />

i=1<br />

nX<br />

Z<br />

ν + (q i )tf Q (q i )∆q] ≈ 1 − exp[−t<br />

i=1<br />

R n Q<br />

ν + (q)f Q (q)dq]<br />

= 1− exp[−tE Q [ν + (Q)]] ≤ tE Q [ν + (Q)] (7.4.10)<br />

189


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Die Schranken in Gl. (7.4.6) <strong>und</strong> (7.4.7) können natürlich kombiniert werden. Damit ist also unter<br />

Verwendung von Gl. (7.4.6) <strong>und</strong> (7.4.7) sowie (7.1.7.1) <strong>und</strong> (7.1.7.2) [154]<br />

P f (t) ={ ≤ P f(0) + E R [E Q [N + (t)|R, Q]] ≤ 1<br />

≥ max [0,t] {P f (τ)}<br />

(7.4.11)<br />

Die Anwendung beider Schranken macht praktisch nur Sinn, wenn 1/ P λ i ¿ t bzw. 2π/ω 0 ¿ t,<br />

d.h. wenn die Änderungsfrequenz der Prozesse <strong>im</strong> betrachteten Zeitintervall [0,t] größer als Eins<br />

ist.<br />

7.5. Intermittierende Prozesse ∗<br />

Für die Rechteckwellenprozesse in Abschnitt 7.2.2 wurde angenommen, daß die Dauer der Rechteckwelle<br />

gleich der Zeit zwischen zwei Erneuerungen ist. Man beachte, daß der Erneuerungsprozeß<br />

sich nach Gl. (7.1.5.6) bereits in einem asymptotischen Zustand befindet <strong>und</strong> es daher ausreichte<br />

seine wesentliche Zeitcharakteristik durch die Sprungrate oder alternativ durch die mittlere<br />

Zeit zwischen den Erneuerungen zu charakterisieren. Es kommt aber vor, daß die Dauern kürzer<br />

sind als die Zeiten zwischen den Erneuerungen. Wenn die Rechteckwellen beispielsweise Hochbaulasten<br />

modellieren sollen, die Erneuerungen entsprechen dabei Mieterwechseln, so gibt es sicher<br />

Zeiten in denen das Bauwerk nicht vermietet werden kann <strong>und</strong> somit keine <strong>Lasten</strong> vorhanden<br />

sind. Um eine solche Situation zu modellieren, ist es nun notwendig Verteilungsannahmen fürdie<br />

jeweiligen Zeiten zu machen. Das folgende Modell ist eines der einfachsten Modelle [163] . Man<br />

kann mit ihm jedoch schon sehr viele Situationen gut erfassen. Es sei der Erneuerungsprozeß ein<br />

Poissonprozeß mit Intensität κ. Dann sind die Zeiten zwischen den Erneuerungen nach<br />

F Ta (t) =1− exp [−κt] (7.5.1)<br />

mit dem Mittelwert 1/κ verteilt. Die Dauern der Rechteckwellen seien durch eine andere Exponentialverteilung<br />

F Td (t) =1− exp [−(κ + µ)t] (7.5.2)<br />

mit dem Mittelwert 1/(κ+µ) ≤ 1/κ definiert. Diese Verteilung entsteht, wenn man die Verteilung<br />

der Dauern F Td 0 (t) =1−exp [−µt] bei der jeweils nächsten Erneuerung stutzt. Die Zeiten T a <strong>und</strong><br />

T d seien unabhängig. Die Wahrscheinlichkeit zu einem beliebigen Zeitpunkt den ’’an/aus’’-Prozeß<br />

<strong>im</strong> Zustand ’’aus’’ bzw. ’’an’’ anzutreffen, ist<br />

p 0 = E [T a] − E [T d ]<br />

E [T a ]<br />

p 1 = E [T d]<br />

E [T a ] = ρ<br />

1+ρ<br />

= 1<br />

1+ρ<br />

(7.5.3)<br />

(7.5.4)<br />

wobei ρ = κ/µ mit Ankunft-Dauer-Intensität bezeichnet werden soll. Den ’’an’’-Zustand bezeichnen<br />

wir mit 1 <strong>und</strong> den ’’aus’’-Zustand mit 0 (vergl. Abb. 7.17 ). Jeder Lastprozeß kann nun mit<br />

dem ’’an/aus’’-Prozeß multipliziert werden <strong>und</strong> hat dann ein Aussehen wie in Abb. 7.18 dargestellt.<br />

Für ρ → 0 entsteht ein Impulsprozeß, d.h. ein Prozeß mit sehr kurzen Dauern, für ρ →∞ein<br />

Prozeß, der’’fast <strong>im</strong>mer’’ an ist. Man beachte, daß die Charakteristiken des ’’an/aus’’-Prozesses<br />

nichts mit der Sprungrate λ des in Abbildung 7.17 gewählten Rechteckwellenprozesses zu tun<br />

190


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

S(t)<br />

1<br />

t<br />

Abb. 7.17.’’an/aus’’-Prozeß<br />

haben. Nur wenn λ = κ ist offensichtlich <strong>im</strong> Mittel nur eine Rechteckwelle in einer ’’an’’-Zeit<br />

vorhanden.<br />

Man kann das Ergebnis (7.5.3) <strong>und</strong> (7.5.4) auch auf anderem Wege erhalten, indem man ein bekanntes<br />

Resultat der Erneuerungstheorie verwendet. Man bezeichne mit p i (t + 4t)(i =0, 1) die<br />

Wahrscheinlichkeit, daß sich der ’’an/aus’’-Prozeß in einem der beiden Zustände befinde. Dann ist<br />

<strong>und</strong><br />

p 0 (t + 4t) = p 0 (t)(1 − κ4t)+p 1 (t)µ4t<br />

bzw.<br />

ṗ 0 (t) = −κp 0 (t)+µp 1 (t) (7.5.5)<br />

p 1 (t + 4t) = p 1 (t)(1 − µ4t)+p 0 (t)κ4t<br />

bzw.<br />

ṗ 1 (t) = −µp 1 (t)+κp 0 (t) (7.5.6)<br />

wobei die jeweils zweiten Gleichungen durch Grenzübergang für 4t → 0 erhalten werden. Unter<br />

stationären Bedingungen, d.h. ṗ 0 (t) =ṗ 1 (t) =0, ergeben beide Gleichungen<br />

κp 0 − µp 1 =0 (7.5.7)<br />

was zusammen mit p 0 + p 1 =1das Resultat in (7.5.3) <strong>und</strong> (7.5.4) ergibt.<br />

Wir betrachten nun zwei <strong>Lasten</strong>. Für diese kann man 4 Zustände definieren<br />

I : Beide ’’an/aus’’- Pr ozesse sin d ’’aus’’<br />

II : Der erste ’’an/aus’’- Pr ozeß ist ’’an’’ <strong>und</strong> der zweite ist ’’aus’’<br />

III : Der zweite ’’an/aus’’- Pr ozeß ist ’’an’’ <strong>und</strong> der erste ist ’’aus’’<br />

IV : Beide ’’an/aus’’- Pr ozesse sind ’’an’’<br />

Die entsprechenden Wahrscheinlichkeiten bezeichnen wir mit p 0 ,p (1)<br />

1 ,p (2)<br />

1 <strong>und</strong> p 2 . Dann ist<br />

p 0 (t + 4t) = p 0 (t)(1 − (κ 1 + κ 2 )4t)+p (1)<br />

1 (t)µ 1 4t + p (2)<br />

1 (t)µ 2 4t<br />

bzw.<br />

ṗ 0 (t) = −(κ 1 + κ 2 )p 0 (t)+µ 1 p (1)<br />

1 (t)+µ 2 p (2)<br />

1 (t) (7.5.8)<br />

191


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

S(t)<br />

t<br />

1/(κ+µ)<br />

1/κ<br />

Abb. 7.18.Intermittierender Rechteckwellenprozeß<br />

p (1)<br />

1 (t + 4t) = p(1) 1 (t)(1 − (µ 1 + κ 2 )4t)+p 0 (t)κ 1 4t + p 2 (t)µ 2 4t<br />

bzw.<br />

ṗ (1)<br />

1 (t) = −(µ 1 + κ 2 )p (1)<br />

1 (t)+κ 1p 0 (t)+µ 2 p 2 (t) (7.5.9)<br />

p (2)<br />

1 (t + 4t) = p (2)<br />

1 (t)(1 − (µ 2 + κ 1 )4t)+p 0 (t)κ 2 4t + p 2 (t)µ 1 4t<br />

bzw.<br />

ṗ (2)<br />

1 (t) = −(µ 2 + κ 1 )p (2)<br />

1 (t)+κ 2 p 0 (t)+µ 1 p 2 (t) (7.5.10)<br />

p 2 (t + 4t) = p 2 (t)(1 − (µ 1 + µ 2 )4t)+p (1)<br />

1 (t)κ 1 4t + p (2)<br />

1 (t)κ 2 4t<br />

bzw.<br />

ṗ 2 (t) = −(µ 1 + µ 2 )p 2 (t)+κ 2 p (1)<br />

1 (t)+κ 1p (2)<br />

1 (t) (7.5.11)<br />

Unter stationären Bedingungen wird daraus<br />

(κ 1 + κ 2 )p 0 − µ 1 p (1)<br />

1 − µ 2 p (2)<br />

1 = 0 (7.5.12)<br />

(µ 1 + κ 2 )p (1)<br />

1 − κ 1 p 0 − µ 2 p 2 = 0 (7.5.13)<br />

(µ 2 + κ 1 )p (2)<br />

1 − κ 2 p 0 − µ 1 p 2 = 0 (7.5.14)<br />

(µ 1 + µ 2 )p 2 − κ 2 p (1)<br />

1 − κ 1 p (2)<br />

1 = 0 (7.5.15)<br />

Zusammen mit p 0 + p (1)<br />

1 + p (2)<br />

1 + p 2 =1ergibt das<br />

p 0 =<br />

p (1)<br />

1 =<br />

p (2)<br />

1 =<br />

1<br />

(1 + ρ 1 )(1 + ρ 2 )<br />

ρ 1<br />

(1 + ρ 1 )(1 + ρ 2 )<br />

ρ 2<br />

(1 + ρ 1 )(1 + ρ 2 )<br />

(7.5.16)<br />

(7.5.17)<br />

(7.5.18)<br />

192


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

p 2 =<br />

ρ 1 ρ 2<br />

(1 + ρ 1 )(1 + ρ 2 )<br />

(7.5.19)<br />

mit ρ 1 = κ 1 /µ 1 <strong>und</strong> ρ 2 = κ 2 /µ 2. Für N <strong>Lasten</strong> verallgemeinert hat man:<br />

p 0 =<br />

1<br />

Q N<br />

m=1 (1 + ρ m)<br />

(7.5.20)<br />

p (i)<br />

1 =<br />

ρ i<br />

Q N<br />

m=1 (1 + ρ m)<br />

(7.5.21)<br />

p (i,j)<br />

2 =<br />

p (i,j,k)<br />

3 =<br />

ρ i ρ j<br />

Q N<br />

m=1 (1 + ρ ; i


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

#<br />

Erstaunlicherweise gelten die gleichen Formeln wenn die Dauern der ’’an’’-Zeiten nicht durch die<br />

jeweils nächsten Erneuerungen gestutzt werden. Gewisse Ergebnisse wurden auch für allgemeine<br />

Erlangverteilungen der Dauern <strong>und</strong> der Zeiten zwischen den Erneuerungen erhalten. Numerisch<br />

unterscheiden sich diese nur wenig von den Ergebnissen für Exponentialverteilungen. Schließlich<br />

konnten noch instationäre ’’an/aus’’-Wahrscheinlichkeiten ermittelt werden, die entstehen, wenn<br />

man anstelle der zufälligen Anfangsbedingungen gewisse Anfangsbedingungen deterministisch<br />

vorgibt.<br />

7.6. Kombination von differenzierbaren <strong>und</strong> Sprungprozessen ∗<br />

Die Kombination von differenzierbaren Prozessen <strong>und</strong> Sprungprozessen ist einfach wenn man<br />

Regularität des Austrittsprozesses voraussetzt. Dann können Austritte nämlich nur erfolgen, wenn<br />

entweder der Sprungprozeß S J (t) eine Erneuerung hat <strong>und</strong> gleichzeitig der differenzierbare Prozeß<br />

S D (t) zufällig einen Wert aus seiner Amplitudenverteilung ann<strong>im</strong>mt oder wenn der Sprungprozeß<br />

S J (t) einen zufälligen Wert ann<strong>im</strong>mt <strong>und</strong> der differenzierbare Prozeß S D (t) einen Austritt erfährt.<br />

Das ist in Bild 7.19 für die Summe solcher Prozesse dargestellt. Also ist<br />

E £ N + (t)|r, q ¤ ≤ E £ N + J (t)|r, q, s D¤<br />

+ E<br />

£<br />

N<br />

+<br />

D (t)|r, q, s J<br />

¤<br />

(7.6.1)<br />

X1(t)<br />

X2(t)<br />

X1(t)+X2(t)<br />

t<br />

X 1(t) an<br />

X 2 (t ) a n<br />

X 1(t) a n<br />

X 2 (t ) a n<br />

X 1(t ) u n d X 2 (t ) a n<br />

Abb. 7.19.Kombination von Rechteckwellenprozeß mit differenzierbarem Prozeß<br />

Das gilt natürlich auch bei intermittierenden Prozessen für die jeweils aktiven Zustände.<br />

Beispiel 7.6.1: Schlanke Stahlstütze mit Doppel-T-Profil (Eulerfall 1)<br />

194


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

P<br />

1<br />

P<br />

2<br />

P<br />

3<br />

P 4<br />

b<br />

f<br />

0<br />

t<br />

h<br />

d<br />

Abb. 7.20.Stahlstütze unter kombinierten <strong>Lasten</strong><br />

Die stochastischen Charakteristika einer Stütze seien mit (F S ,P 1 ,P 2 ,P 3 ,T,B,D,H,F 0 ,E)<br />

Variable Symbol<br />

£<br />

[Ei nheit] Verteilung Mittel/St.abw. κ [1/Jahr] ρ<br />

Streckgrenze F N<br />

¤<br />

S Normal 500/25 - -<br />

mm 2<br />

Eigengewicht P 1 [N] Normal 800000/150000 - -<br />

Last 1 P 2 [N] Normal 400000/141400 0.1 ∞<br />

Last2 P 3 [N] Lognormal 800000/200000 10 1<br />

Last 3 P 4 [N] Normal 400000/141400 - 1<br />

Stegdicke T [mm] Normal 10/0.5 - -<br />

Flanschbreite B [mm] Lognormal 300/3.0 - -<br />

Flanschdicke D [mm] Lognormal 20/2.0 - -<br />

Profilhöhe H [mm] Lognormal 300/5.0 - -<br />

Anfangsexzetrizität F 0 [mm] Normal m F0 /σ F0 - -<br />

E-Modul<br />

E £ ¤<br />

N<br />

Normal 210000/4200 - -<br />

mm 2<br />

mit<br />

m F0 =<br />

q<br />

2∗B∗D+T ∗H<br />

0.5∗B∗D∗H 2 + T ∗H 3<br />

12<br />

20<br />

+ s<br />

500<br />

<strong>und</strong><br />

σ F 0 =0.3 ∗ m F0<br />

gegeben. Alle Variablen sind voneinander unabhängig. Die Länge der Stütze beträgt s =6500<br />

[mm]. Eine vereinfachte Zustandfunktion ist<br />

g(x) =F S − P ∗ ( 1 A + F 0<br />

W ∗ ² b<br />

² b − P )<br />

195


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

worin<br />

P = P 1 + P 2 + P 3 + P 4 (Gesamtlast)<br />

A = 2BD + TH (Fläche)<br />

W = BDH + T H2<br />

(Widerstandsmoment)<br />

6<br />

J = 1 2 BDH2 + T H3 (Trägheitsmoment)<br />

12<br />

² b = π2 EJ<br />

(Eulersche Knicklast)<br />

s 2<br />

Die zeitvarianten <strong>Lasten</strong> sind stationär. P 2 ist als Rechteckwellenprozeß definiert. P 3 <strong>und</strong> P 4 sind<br />

intermittierende <strong>Lasten</strong>, P 3 ebenfalls als ein Rechteckwellenprozeß <strong>und</strong> P 4 als Gaußprozeß mit<br />

Autokorrelationsfunktion ρ(t 1 ,t 2 )=exp[−α(t 1 − t 2 ) 2 ] <strong>und</strong> α =1. Der betrachtete Zeitraum ist<br />

100 Jahre. Es gibt 4 Lastkombinationen. Die SORM-Resultate (obere Schranke) sind:<br />

Lastkombination p i P 2 P 3 P 4 ku ∗ k β SORM,u<br />

1 0.25 x x x 4.90 3.61<br />

2 0.25 x x - 5.61 4.57<br />

3 0.25 x - x 7.99 7.41<br />

4 0.25 x - - 10.44 10.37<br />

Gesamt 1.00 - - - - 3.60<br />

Hierin ist β SORM,i = −Φ −1 (p i ν + i ). Wie zu erwarten, dominiert Kombination 1. Die FORM-<br />

Ergebnisse unterscheiden sich nur wenig von den SORM-Ergebnissen.<br />

#<br />

7.7. Kumulative Versagenserscheinungen ∗<br />

Im Vorstehenden war eine wesentliche Voraussetzung, daß es zum Versagen kommt, wenn der<br />

Lastwirkungsprozeß zum ersten Mal innerhalb eines gewissen Zeitintervalls den Grenzzustand erreicht.<br />

Dabei konnten der Grenzzustand bzw. die Widerstandsvariablen durchaus Funktionen der<br />

Zeit sein. Es wurde jedoch angenommen, daß keine gegenseitige Beeinflussung erfolgt. Eine<br />

Alterung der Komponente erfolgte z.B. vollkommen unabhängig von der Lastgeschichte der die<br />

Komponente ausgesetzt war. Das ist nun aber eher der Sonderfall. Häufig sind es gerade die wiederholt<br />

auftretenden Beanspruchungen, die akkumulierende Schädigungen erzeugen, so daß die<br />

Komponente den Beanspruchungen nach einer gewissen Zeit nur noch verminderten Widerstand<br />

leistet. Versagen erfolgt, wenn entweder die Schädigungen einen Grenzwert erreichen oder wenn<br />

eine extreme Beanspruchung auf eine geschädigte Komponente einwirkt.<br />

Beispiel 7.7.1: Materialermüdung (vergl. auch Beispiele 5.5.1 <strong>und</strong> 5.5.3 sowie Abschnitt 6.3.2)<br />

FürdasRißwachstum gilt wieder die Formel von Paris/Erdogan<br />

da(n)<br />

dn = CY(a)(4s(n)√ (π a(n)) m (1)<br />

worin a(n) die Rißlänge, C <strong>und</strong> m Materialparameter <strong>und</strong> s(n) die Fernfeldspannung. Y (a) ist<br />

ein Geometriefaktor, der bei Randrissen in großen Stahlplatten gleich Y (a) =1.12 gesetzt werden<br />

kann. Intergration von Gl. (1) ergibt für m>2<br />

½<br />

a(n) = a 2−m<br />

2<br />

0 + 2 − m<br />

¾ 2<br />

C π m/2 nE[4S m 2−m<br />

]<br />

2<br />

(2)<br />

196


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

wobei S(n) als Zufallsbelastung eingeführt wurde <strong>und</strong> das Zeitintegral auf der rechten Seite nach<br />

dem Ergodensatz (Gesetz der großen Zahlen für Zufallsprozesse) durch den Ensemblemittelwert<br />

ersetzt wurde. a 0 ist die Anfangsrißlänge. Wenn S(n) eine Gaußsche Folge ist mit Mittelwert 0 <strong>und</strong><br />

Standardabweichung σ,soistE[4S m ]=(2 √ 2σ) m Γ(1+m/2). Als einfaches Versagenskriterium<br />

kann die Überschreitung einer kritischen Rißlänge a cr genommen werden. Also ist<br />

V = {a cr − a(n) ≤ 0} (3)<br />

Oft ist es schwierig die richtige kritische Rißlänge festzulegen.<br />

#<br />

Schwierig sind <strong>Zuverlässigkeit</strong>sprobleme bei denen kumulative Erscheinungen zusammen mit extremen<br />

Beanspruchungen auftreten. In diesem Fall ist es nämlich notwendig das Versagenskriterium<br />

wieder <strong>im</strong> Raum der Lastwirkungen zu formulieren. Im Augenblick des Versagens ist der<br />

Grenzzustand strenggenommen nicht nur von der ganzen Beanspruchungsgeschichte abhängig,<br />

die augenblickliche Schädigung hängt darüberhinaus von der augenblicklichen Beanspruchung<br />

ab. Selbst wenn man Regularität des Versagensprozesses <strong>und</strong> damit auch eine gewisse Glattheit<br />

des Beanspruchungs- <strong>und</strong> des Schädigungsprozesses voraussetzt, ergibt sich eine außerordentlich<br />

komplizierte Abhängigkeitsstruktur. Eine Lösung mithilfe der Methode der Austrittsraten wird<br />

möglich, wenn man für denSchädigungsprozeß die Gültigkeit des ergodischen Resultats in Gl.<br />

(7.7.7) annehmen kann <strong>und</strong> natürlich auch der Beanspruchungsprozeß die erforderlichen Regularitätseigenschaften<br />

besitzt.<br />

Beispiel 7.7.2: Materialermüdung unter Impulsbelastung<br />

Als Beispiel wählen wir einen viel verwendeten Sonderfall der Gl. (7.7.1)<br />

dx(t)<br />

dt<br />

= Cx(t)z(t) (1)<br />

z(t) bezeichne einen stationären, <strong>im</strong>pulsförmigen Prozeß mit Erneuerungsrate λ <strong>und</strong> Verteilungsfunktion<br />

F (z) für die unabhängigen Amplituden wie in Bild 7.22 gezeichnet. C ist eine Konstante.<br />

Intergration nach Separation <strong>und</strong> Verwendung von Gl. (7.7.7) ergibt<br />

bzw. nach Auflösung nach x(t)<br />

ln x(t) − ln x(0) = CtE[Z(τ)] (2)<br />

x(t) =x(0) exp[C tE[Z]] (3)<br />

Hierbei ist x(0) der ’’Anfangsschaden’’. Ein Objekt mit der Anfangsfestigkeit r hat also zum<br />

Zeitpunkt τ ≥ 0 die ’’Restfestigkeit’’<br />

Der Versagensbereich ist offensichtlich<br />

r(τ) =r(0)(1 − x(0) exp[C τ E[Z]]) (4)<br />

r(0)<br />

V (τ) ={r(τ) − z(τ) ≤ 0} (5)<br />

197


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Die Austrittsrate entsprechend Gl. (7.2.2.2) ist demnach<br />

ν + (τ) =λ(1 − F Z (r(τ))) (6)<br />

Die Versagenswahrscheinlichkeit <strong>im</strong> Intervall [0,t] ist dann nach Gl. (7.4.6)<br />

P f (t) ∼ 1 − exp[−N + (t)] = 1 − exp[−<br />

Z t<br />

0<br />

λ{1 − F Z (r(τ))}dτ] (7)<br />

X (τ)<br />

R(τ )<br />

τ<br />

T 1<br />

T<br />

2<br />

T<br />

3<br />

t<br />

Abb. 7.21.Versagenswahrscheinlichkeit bei zeitvariantem Festigkeitsniveau<br />

In der Regel wird der Anfangsschaden r(0) <strong>und</strong> die Konstante C als Zufallsvariable zu modellieren<br />

sein. Dann macht man besser von Gl. (7.4.9) Gebrauch, d.h.<br />

·Z t<br />

¸<br />

P f (t) ≤ E R(0),C λ{1 − F Z (r(τ))}dτ<br />

(8)<br />

0<br />

#<br />

Im Extremfall ist aber die Beanspruchbarkeitsfunktion noch nicht ’’ausgemittelt’’ <strong>und</strong> glatt. Sie hat<br />

einen idealisierten, treppenartigen Verlauf bei dem die ’’Treppenkanten’’ mit den Beanspruchungen<br />

zeitlich übereinst<strong>im</strong>men. Die Höhe der Treppen hängt von der Höhe der augenblicklichen<br />

Beanspruchung <strong>und</strong> der Beanspruchungsvorgeschichte ab. Lösungen liegen für diesen Fall kaum<br />

vor.<br />

198


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Kapitel 8.<br />

<strong>Zuverlässigkeit</strong> von Tragwerken<br />

8.1. Lineare, statische Systeme<br />

Die folgenden Betrachtungen können nur das Gr<strong>und</strong>sätzliche von <strong>Zuverlässigkeit</strong>saufgaben bei<br />

Tragsystemen erläutern. Auf numerische Probleme sowohl mechanischer Art als auch <strong>im</strong> Hinblick<br />

auf die <strong>Zuverlässigkeit</strong>sberechnungen wird nicht eingegangen. Sie sind bisher auch nur z.T. gelöst.<br />

Wir betrachten ein in finite Elemente diskretisiertes linear-elastisches Tragwerk. Nach der Verschiebungsmethode<br />

ist das Gleichgewicht für<br />

K(X)V(X) − P(X) =0 (8.1.1)<br />

gegeben. Darin ist K(X) die (symmetrische <strong>und</strong> positiv definite) Steifigkeitsmatrix, V(X) der<br />

Vektor der unbekannten Knotenpunktsverschiebungen <strong>und</strong> P(X) der Vektor der in den Knotenpunkten<br />

angreifenden <strong>Lasten</strong>. X ist wie üblich der Vektor der unsicheren Basisvariablen. Alle<br />

Größen werden in Großbuchstaben geschrieben, wenn es sich um unsichere Variable handelt. Die<br />

Formulierung (8.1.1) ist nur ein Beispiel aus einer Vielzahl von ähnlichen, diskretisierten Formulierungen<br />

für andere Probleme, etwa die Wärmeleitung oder die Gr<strong>und</strong>wasserströmung. Die<br />

Lösung von Gl. (8.1.1) ist in formaler Schreibweise<br />

V(X) =K −1 (X)P(X) (8.1.2)<br />

Jede Ausgangsgröße, z.B. Verformungen, Schnittgrößen oder Spannungen kann in der Form<br />

Z(X) =A(X)V(X)+Z o (X) =A(X)K −1 (X)P(X)+Z o (X) (8.1.3)<br />

geschrieben werden. A(X) ist darin eine Matrix, die die Verschiebungen mit den eigentlich interessierenden<br />

Ausgangsgrößen verknüpft. Wenn die Verschiebungen als Ausgangsgrößen gewählt<br />

werden, ist A(X) =I. IndiesemFallwäre Z o (X) als Vektor der Vorverformungen aufzufassen.<br />

Zur Vereinfachung der Darstellung wollen wir <strong>im</strong> weiteren auch nur diesen Fall genauer betrachten<br />

<strong>und</strong> werden zudem meist noch Z o (X) =0setzen. Wir beachten weiter, daß alle Vektoren<br />

<strong>und</strong> Matrizen derart expandiert werden, daß die entsprechenden Matrixmultiplikationen definiert<br />

sind <strong>und</strong> daß alle Größen nach entsprechender Transformation (Translation <strong>und</strong> Rotation) in einem<br />

einheitlichen globalen Koordinatensystem gegeben sind. Wie üblich kann man nun die i-te<br />

Zustandsfuntion als<br />

g i (Z(X)) ≤ 0 (8.1.4)<br />

formulieren in der die unsicheren Widerstandsgrößen ebenfalls in den Vektor X mit Z(X) =X<br />

eingehen. Versagen des Systems kann dann durch die Vereinigung, den Durchschnitt oder eine<br />

Kombination der verschiedenen Versagensbereiche beschrieben werden.<br />

Im Hinblick auf Anwendungen mit FORM/SORM ist eine effiziente Berechnung des Gradienten<br />

∇g z von besonderem Interesse. Für die Best<strong>im</strong>mung der Jacob<strong>im</strong>atrix der Antwortvariablen J z , x<br />

seien die Vektoren<br />

· ∂z<br />

¸T ·∂z1<br />

= , ∂z 2<br />

, ∂z 3<br />

, ......, ∂z ¸<br />

m<br />

(8.1.5)<br />

∂x i ∂x i ∂x i ∂x i ∂x i<br />

199


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

definiert, die die Spalten der Matrix J z , x darstellen. Deren Ableitung nach der Variablen x i ist<br />

<strong>und</strong> die Ableitungen der Verschiebungen nach x i sind<br />

Differenziation von KK −1 = I nach x i ergibt<br />

∂z<br />

= ∂A V + A ∂V + ∂zo<br />

(8.1.6)<br />

∂x i ∂x i ∂x i ∂x i<br />

∂V<br />

= ∂K−1 −1 ∂P<br />

P + K (8.1.7)<br />

∂x i ∂x i ∂x i<br />

∂K −1<br />

∂x i<br />

−1 ∂K<br />

= −K K −1 (8.1.8)<br />

∂x i<br />

Damit erhält man:<br />

∂z<br />

= ∂A ·<br />

V + AK −1 − ∂K V + ∂P ¸<br />

+ ∂zo<br />

(8.1.9)<br />

∂x i ∂x i ∂x i ∂x i ∂x i<br />

Das zweite Glied dieser Gleichung stellt ein Gleichungsystem für die Ableitungen nach jeder Variablen<br />

x i (i =1,...,n) dar. Wenn man für die Best<strong>im</strong>mung der Verschiebungen die Steifigkeitsmatrix<br />

zerlegt hat (wie in einem Choleskyschen Verfahren), muß man das Gleichungsystem nur für<br />

n ’’Lastfälle’’ lösen, wenn n die D<strong>im</strong>ension des Vektors X ist. Durch zwe<strong>im</strong>aliges Transponieren<br />

der Gl. (8.1.9) bekommt man unter Verwendung von ((ABC) T ) T =(C T B T A T ) T schließlich:<br />

∂z<br />

= ∂A V +<br />

∂x i ∂x i<br />

"·<br />

− ∂K<br />

∂x i<br />

V + ∂P<br />

∂x i<br />

¸T<br />

K −1 A T # T<br />

+ ∂zo<br />

∂x i<br />

(8.1.10)<br />

Es ist manchmal von Vorteil, die Berechnung der Ableitungen der Zustandsfunktion g(z(x)) nach<br />

den Basisvariablen direkt vorzunehmen. Die Ableitung dieser Funktion nach der Variablen x i unter<br />

Verwendung von Gl. (8.1.7) ist:<br />

∂g<br />

= ∇ z g T ∂z<br />

¸<br />

·<br />

·∂A<br />

= ∇ z g T V + ∂zo + ∇ z g T AK −1 − ∂K V + ∂P ¸<br />

(8.1.11)<br />

∂x i ∂x i ∂x i ∂x i ∂x i ∂x i<br />

Hierin ist ∇ z g der Gradient der Zustandsfunktion nach der Variablen z. Nach dem Transponieren<br />

erhält man<br />

¸ ·<br />

∂g<br />

·∂A<br />

= ∇ z g T V + ∂zo + − ∂K V + ∂P<br />

¸T<br />

K −1 (A T ∇ z g) (8.1.12)<br />

∂x i ∂x i ∂x i ∂x i ∂x i<br />

Es ist klar, daß eine solche direkte Methode zur Berücksichtigung von Unsicherheiten sowohl in<br />

den Einwirkungen als auch <strong>im</strong> System nur mit leistungsfähigen Computern Aussicht auf praktische<br />

Machbarkeit hat. Beliebige stochastische Modelle können verarbeitet werden. Die bisher vorliegenden<br />

Untersuchungen von linear-elastischen Systemen mit unsicheren Eigenschaften haben<br />

jedoch gezeigt, daß der Einfluß unsicherer Systemeigenschaften auf die Versagenswahrscheinlichkeit<br />

eines Tragwerkes in der Regel klein bis sehr klein ist. Man kann daher bei linear-elastischen<br />

Tragwerken oft mit einer konstanten, deterministischen Steifigkeitsmatrix rechnen was wesentli-<br />

200


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

che Vereinfachungen ergibt, da nunmehr nur der Lastvektor <strong>und</strong> natürlich die Widerstandsgrößen<br />

zufällig sind.<br />

Überschreiten der Elastizitätsgrenze bedeutet Systemversagen nur, wenn es sich um statisch best<strong>im</strong>mte<br />

Tragwerke mit ideal spröden Elementen handelt. Wenn m die Anzahl der Elemente ist, ist<br />

offenbar Systemversagen durch die Vereinigung aller Elementversagensereignisse definiert.<br />

8.2. Nicht-lineare, statische Systeme ∗<br />

Die Behandlung von nichtlinearen Tragwerken ist formal nur wenig komplizierter, in der numerischen<br />

Rechnung jedoch <strong>im</strong>mer außerordentlich rechenintensiv. Es sei angenommen, daß geometrische<br />

Nichtlinearitäten durch die sogenannte geometrische Steifigkeitsmatrix K G (N) erfaßt<br />

werden können mit N den jeweiligen Normalkräften (Membrankräften). Mechanische Nichtlinearitäten<br />

wirken sich bei der quasi-elastischen Steifigkeitsmatrix aus. Sie ändert sich mit dem<br />

Verformungszustand des Tragwerks. Man muß daher iterativ vorgehen. Dann ist<br />

mit<br />

[K E (X, v ν )+K G<br />

(N(X) ν )] v(X) ν+1 = P(X) ν (8.2.1)<br />

S ν+1 (X) =[K E (X, v ν )+K G<br />

(N(X) ν )] v(X) ν+1 (8.2.2)<br />

für dieν − te Iteration. Hierin sind die S ν+1 (X) die Schnittgrößen (Spannungen, etc.) an den<br />

Elementrändern. Die Iteration muß gleichzeitig in den Verschiebungen <strong>und</strong> den Schnittgrößen<br />

erfolgen <strong>und</strong> zwar für einen vorgegebenen Lastpfad für jedes vorgegebene Lastinkrement 4P.<br />

Die Iteration wird jeweils beendet, wenn sowohl die Verschiebungen als auch die Schnittgrößen<br />

einen stationären Wert erreichen. Das Gleichungssystem (8.2.1) ist für jedes Lastinkrement <strong>und</strong><br />

in jeder Verformungsiteration zu lösenist. WenndieÄnderungen von Iteration zu Iteration klein<br />

sind kann man sich gewisser Techniken bedienen, die die Rechnung abkürzen können. Sie laufen<br />

<strong>im</strong> wesentlichen auf ein ’’Updating’’ der Steifigkeitsmatrix bzw. ihrer Inversen hinaus. So sei<br />

beispielsweise am Anfang der Iteration die inverse Steifigkeitsmatrix einmal berechnet worden,<br />

d.h. es ist<br />

v 0 (X) = £ K E (X, v 0 )+K G<br />

(N(X) 0 ) ¤ −1<br />

P 0 (X) (8.2.3)<br />

Hierbei bezieht sich der Fußzeiger auf das Lastinkrement <strong>und</strong> der Kopfzeiger auf die Verformungsiteration<br />

bei gegebener Last. Ändert sich nun die Steifigkeitsmatrix K (i) um ∆K (i) , entweder weil<br />

ein neues Lastinkrement genommen wurde oder weil sie sich an neue Verformungen anpassen muß,<br />

so gilt z.B.<br />

K −1( i+1) = K −1( i) + ∆K −1(i) ≈ K −1( i) +(−K −1( i) ∆K ( i) K −1( i)<br />

(8.2.4)<br />

Dies ist nur eine der einfachsten ’’Update’’-Formeln <strong>und</strong> auch nur für sehrkleineÄnderungen<br />

∆K (i) ausreichend. Sie wird mit Überlegungen der Störungsrechnung abgeleitet. Immerhin ersetzt<br />

man hier die Matrixinversion bzw. das Lösen einer Gleichung durch zwei Matrixmultiplikationen.<br />

Die Gesamtsteifigkeitsmatrix kann singulär werden. Das bedeutet mechanisch, daß das Tragwerk<br />

durch Instabilität oder Mechanismusbildung gefährdet ist. Vor allem in der Nähe der Singularität<br />

können erhebliche numerische Probleme auftreten. Tatsächlich machen die für die lineare Rechnung<br />

eingeführten Versagenskriterien bei geometrisch oder mechanisch nichtlinearen Tragwerken<br />

201


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

kaum noch Sinn. Ein Kollaps des Tragwerks bedeutet mathematisch Singularität der Gesamtsteifigkeitsmatrix<br />

<strong>und</strong> das bedeutet, daß ein Eigenwertproblem zu lösen ist. Es sei λ ν (X) der Vektor<br />

der Eigenwerte des Problems<br />

bzw.<br />

[K E (X, v ν )+K G<br />

(N(X) ν )] v ν+1 =0 (8.2.5)<br />

det [K E (X, v ν )+K G<br />

(N(X) ν )] = 0 (8.2.6)<br />

Offensichtlich muß dann die Versagenswahrscheinlichkeit des Systems nach<br />

à N<br />

!<br />

[<br />

P f = P λ ν m(X) ≤ 0<br />

m=1<br />

(8.2.7)<br />

berechnet werden mit N der Anzahl der Freiheitsgrade <strong>im</strong> System. Im allgemeinen sind zumindest<br />

einige der N kleinsten Eigenwerte zu berechnen. Sie gelten für den Gesamtkollaps des Tragwerks.<br />

Es ist also gar nicht mehr möglich, die <strong>Zuverlässigkeit</strong> durch Überprüfung von Querschnitten oder<br />

best<strong>im</strong>mten Punkten <strong>im</strong> Tragwerk zu gewährleisten. Darüberhinaus muß aber noch sichergestellt<br />

werden, daß es zu keinem Teilkollaps, z.B. durch lokale Mechanismusbildung oder lokale Instabilität,<br />

kommt. Ein einfaches Beispiel, bei dem einige Komponenten des Tragwerks, nämlich<br />

best<strong>im</strong>mte Kombinationen der plastischen Momente in ’’kritischen’’ Zonen, für ein Tragwerksversagen<br />

verantwortlich sind, wurde schon in Beispiel 5.4.2 vorgestellt. Bei größeren Tragsystemen<br />

gibt es eine sehr große Anzahl solcher Teilversagensereignisse, die aus ingenieurmäßiger Sicht in<br />

der Regel sämtlich Versagen des Gesamttragwerks bedeuten. Die durch das Teilversagen ausgelösten<br />

dynamischen Wirkungen können mit dieser Tragwerkstheorie nicht erfaßt werden.<br />

8.3. Modellierung unsicherer Eigenschaften in Tragsystemen<br />

In deterministischen Berechnungen werden die Systemeigenschaften <strong>und</strong> die <strong>Lasten</strong> durch deterministische<br />

Felder modelliert. Meistens werden diese Felder als konstante Felder angenommen,<br />

so daß ein einziger deterministischer Vektor das gesamte Feld beschreibt. Beispielsweise wird<br />

der Elastizitätsmodul einer Platte nur durch einen einzigen Wert erfaßt. Für die Erfassung der<br />

räumlichen Streungen der Systemeigenschaften oder <strong>Lasten</strong> ist es notwendig, diese Größen als<br />

stochastischen Felder zu modellieren. Die vorstehenden Ansätze erfordern jedoch mindestens eine<br />

Modellierung durch Zufallsvektoren für jedes finite Element. Die Streuungen innerhalb eines<br />

Elementes können nicht berücksichtigt werden. Es ist daher notwendig die Beschreibung durch<br />

Zufallsfelder auf eine Beschreibung durch Zufallsvektoren durch gewisse Mittelbildung zu reduzieren.<br />

Im folgenden wird nur die Vorgehensweise für die Systemeigenschaften beschrieben. Für<br />

<strong>Lasten</strong> <strong>und</strong> gegebenenfalls Massen oder Dämpfungen gelten ähnliche Überlegungen.<br />

Für die Diskretisierung eines stochastischen Feldes durch stochastische Variable sind zwei Überlegungen<br />

von Bedeutung. Erstens muß die Korrelationsstruktur des Feldes nach der Diskretisierung<br />

erhalten bleiben. Zweitens hängt die opt<strong>im</strong>ale Anzahl der stochastischen Variablen von der<br />

Korrelationsstruktur des Feldes ab. Eine zu feine Diskretisierung, die von der mechanischen Seite<br />

her erforderlich sein mag, erzeugt hochkorrelierte stochastische Variablen, die nicht nur mehr<br />

Aufwand in den Berechnungen erfordern sondern auch zu numerischen Instabilitäten führen können<br />

<strong>und</strong> kaum genauere Ergebnisse liefern können. Eine zu grobe Diskretisierung unterschätzt<br />

202


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

die räumlichen Streuungen. Die FE-Diskretisierung <strong>und</strong> die stochastische Diskretisierung müssen<br />

nicht übereinst<strong>im</strong>men, d.h. eine Systemeigenschaft kann für benachbarte Elemente durch nur eine<br />

Variable modelliert werden oder die Eigenschaft der Elemente werden durch mehrere stochastische<br />

Variable beschrieben.<br />

In der neueren Literatur gibt es eine ganze Anzahl von Vorschlägen wie man Zufallsfelder durch<br />

’’äquivalente’’ Zufallsvektoren ersetzen kann <strong>und</strong> dabei Kompatibilität des Zufallsfeldes auch an<br />

den Elementrändern sichert. Sie können hier nicht <strong>im</strong> Einzelnen präsentiert werden. Der einfachste<br />

Ansatz ist zweifellos die zufällige Eigenschaft eines Elementes durch ihren Wert <strong>im</strong> geometrischen<br />

Mittelpunkt des Elementes anzunähern. Das ist auch die in der Praxis häufigste, aber<br />

recht grobe Näherung. Eine etwas genauere Näherung entsteht durch einfache Mittelung des Zufallsfeldes<br />

über das Element. Noch genauer wird man, wenn eine gewichtete Mittelung erfolgt,<br />

wobei die Gewichtsfunktion z.B. der Ansatzfunktion für den Verformungsverlauf <strong>im</strong> Element entspricht.<br />

Hierzu sind einige Angaben in Abschnitt 6.1.6 enthalten. Neuerdings hat man noch wesentlich<br />

bessere Ansätze erarbeitet[62] . Bei nichtnormalen Zufallsfeldern führt eine Mittelung<br />

nicht notwendigerweise auch zu normalverteilten ’’äquivalenten’’ Zufallsvektoren nach dem zentralen<br />

Grenzwertsatz. In jedem Fall ist die Ermittlung der Korrelationen zwischen den Elementen<br />

erforderlich.<br />

8.4. <strong>Zuverlässigkeit</strong>sberechnungen statisch beanspruchter Tragsysteme<br />

Die Best<strong>im</strong>mung von Lastwirkungen (Spannungen, Schnittgrößen, Verformungen) in deren Raum<br />

die Grenzzustandsfunktion formuliert werden muß, ist nichts anderes als die bereits in Abschnitt<br />

3.2.4 angesprochene, allgemeine Transformation z(x), wobei x hier die Einwirkungen in weiterem<br />

Sinne darstellt. Wenn die eigentlichen <strong>Zuverlässigkeit</strong>sberechnungen <strong>im</strong> u-Raum ausgeführt<br />

werden, hat man zusätzlich noch die Verteilungstransformation anzuwenden. Hierfür geben die<br />

Gl. (3.2.4.13) bis Gl. (3.2.4.16) nützliche Hinweise. Ansonsten ist der Theorie der <strong>Zuverlässigkeit</strong><br />

von Tragsystemen nichts hinzuzufügen außer der Anmerkung, daß konkrete Berechnungen<br />

sehr aufwendig werden können.<br />

Beispiel 8.4.1: <strong>Zuverlässigkeit</strong> des Danielssystems<br />

Das Danielssytem wurde bereits in Beispiel 4.4.5 behandelt. Dort ging es <strong>im</strong> wesentlichen um methodische<br />

Fragen. Große Systeme wurden in Kapitel 6.3.1 behandelt. Hier soll nun der Einfluß<br />

des Red<strong>und</strong>anzgrades <strong>und</strong> der Sprödigkeit der Komponenten veranschaulicht werden. Hierzu geben<br />

wir verschieden spröde Kraftverformungslinien der Komponenten, etwa wie in Abb. 8.1 vor.<br />

Ansonsten gelten die Annahmen von Beispiel 4.4.5. Festigkeit <strong>und</strong> Verformung am Festigkeismax<strong>im</strong>um<br />

sind voll korreliert. FüreineLastderGröße s ist<strong>im</strong>Einzelnen:<br />

Für das ideale Parallelsystem gilt bekanntlich<br />

à n<br />

!<br />

\<br />

P f = P {X i ≤ s}<br />

(1)<br />

i=1<br />

Bei ideal-plastischem Komponentenverhalten ist<br />

à nX<br />

!<br />

P f = P {X i ≤ s}<br />

i=1<br />

(2)<br />

203


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Abb. 8.1.Kraft-Verformungslinien unterschiedlicher Sprödigkeit<br />

<strong>und</strong> für ideal-sprödes Verhalten nach Gl. (2) in Beisiel 4.4.5<br />

Ã<br />

\ n n<br />

P (n − k +1)ˆX k ≤ so ! (3)<br />

k=1<br />

Für dazwischen liegendes Verhalten wird Gl. (2) in der Form<br />

Ã<br />

!<br />

nX<br />

P f = P max {X i (δ) ≤ s}<br />

δ<br />

i=1<br />

(4)<br />

verwendet. Der Vollständigkeit halber ist auch der Ausdruck für das Seriensystem angegeben.<br />

à n<br />

!<br />

[<br />

P f = P {X i ≤ s}<br />

(5)<br />

i=1<br />

Abb. 8.2 zeigt das Ergebnis. Das Seriensystem ist natürlich am unzuverlässigsten. Am zuverlässigsten<br />

ist das ideale Parallelsystem Gl. (1). Bei möglichen Lastumlagerungen hängt die <strong>Zuverlässigkeit</strong><br />

sehr stark vom Materialverhalten ab. Je duktiler das Komponentenverhalten umso kleiner<br />

wird die Systemversagenswahrscheinlichkeit. Interessant ist der Fall des ideal elasto-spröden Systems.<br />

Die Systemversagenswahrscheinlichkeit n<strong>im</strong>mt zunächst mit der Systemgröße zu <strong>und</strong> nur<br />

allmählich ab. Daraus schließt man,daß Red<strong>und</strong>anz die Systemversagenswahrscheinlichkeit nur<br />

spürbar verkleinert wenn gleichzeitig auch ausreichende Duktilität der Komponenten gegeben ist.<br />

Damit hat man auch eine Umschreibung, oder besser, Definition für den Begriff der ’’Robustheit’’.<br />

Ein System ist robust, wenn es ausreichende Red<strong>und</strong>anz bei gleichzeitiger Duktilität seiner Komponenten<br />

aufweist.<br />

#<br />

Beispiel 8.4.2: Versagensbaumanalyse eines red<strong>und</strong>anten Fachwerks<br />

Bei allgemeinen red<strong>und</strong>anten Tragwerken kann eine <strong>Zuverlässigkeit</strong>sanalyse eigentlich nur unter<br />

speziellen Annahmen für das Tragverhalten der Komponenten durchgeführt werden, <strong>und</strong> zwar muß<br />

204


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Abb. 8.2.Äqivalenter <strong>Zuverlässigkeit</strong>sindex β sys = −Φ(P f,sys ) für verschieden spröde Systeme<br />

die Komponente entweder ideal-spröd versgagen oder aber muß sich ideal-elastoplastisch verhalten.<br />

Die Analyse ist den Konzepten der Ereignis- bzw. Fehlerbaumanalyse verwandt. Sie beruht<br />

auf der Identifikation <strong>und</strong> Analyse der möglichen Folgen von Versagenszuständen der Komponenten<br />

(Versagenspfade) beginnend mit der intakten Struktur <strong>und</strong> endend mit einem Zustand bei dem<br />

die Steifigkeitsmatrix singulär wird oder sich ein Mechanismus bildet. Die Ereignisse (Zustandsänderungen)<br />

entlang eines Versagenspfades müssen als bedingte Ereinisse dargestellt werden, da<br />

nach jeder Zustandsänderung einer Komponente sich das mechanische Verhalten des Systems ändert.<br />

Die Beanspruchung der verbleibenden Komponenten erhöht sich. So ist z.B. auf dem i-ten<br />

Versagenspfad<br />

F i+1 = F 1 ∩ F 2|1 ∩ F 3|1∩2 ∩ ... ∩ F i|1∩2∩...∩i−1 ∩ F i+1|1∩2∩...∩i<br />

Die Notation F i|1∩2∩...∩i−1 soll darauf hinweisen, daß sich jeweils das mechanische Verhalten änderte.<br />

Die Untersuchung auf diesem Wege kann sehr aufwendig werden, insbesondere wenn es viele<br />

verschiedene Versagenspfade gibt. Abb. 8.3 zeigt ein einfacheres Beispiel, welches aber schon<br />

auf eine relativ große Anzahl von Versagenspfaden führt [117] . Dabei sind nicht einmal alle Versagenspfade<br />

bis zum Systemkollaps dargestellt. Murotsu [118] führte die Idee des Verzweigens <strong>und</strong><br />

Abschrankens (branch and bo<strong>und</strong>) ein. Die Idee ist die Analyse nur auf die wichtigsten Versagenspfade,<br />

d.h. jene mit der größten Versagenswahrscheinlichkeit, zu konzentrieren. Man bricht einen<br />

Versagenspfad mit kleiner Versagenswahrscheinlichkeit schon vor dem Kollaps ab. So ist in Abb.<br />

8.3 z.B. der Pfad (6-), (2+), (5-) schon nach dem ersten Komponentenversagen abgebrochen. Die<br />

Vorzeichen in Abb. 8.3 bezeichnen Zug- bzw Druckversagen. Für einen best<strong>im</strong>mten Versagenspfad<br />

muß natürlich die Belastung monoton wachsen. Der Algorithmus führt auf eine best<strong>im</strong>mte<br />

Anzahl kompletter Versagenspfade, die hoffentlich den kritischen Versagenspfad enthalten, <strong>und</strong> eine<br />

in der Regel viel größere Anzahl unvollständiger Pfade. Die Wahrscheinlichkeit der Vereinigung<br />

205


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

der komplettierten Versagenspfade ergibt eine untere Grenze für die Systemversagenswahrscheinlichkeit,<br />

die Wahrscheinlichkeit aller (begonnenen <strong>und</strong> komplettierten) Versagenspfade ergibt eine<br />

obere Grenze. In der Praxis kann man sich häufig auf wenige <strong>und</strong> unvollständige Versagenspfade<br />

beschränken.<br />

Abb. 8.3.Versagenspfade in einem Fachwek<br />

8.5. <strong>Zuverlässigkeit</strong> dynamischer, deterministischer Strukturen<br />

unter Gaußscher Belastung ∗<br />

8.5.1. Einläufiger Schwinger<br />

Dynamische Beanspruchungen gibt es in Tragwerken, wenn Massenkräfte geweckt werden. Sie<br />

kommen z.B. bei Anprallstößen, Erschütterungen durch Fahrzeuge, durch Maschinen mit Unwuchten,<br />

bei Beanspruchung durch Wind, Wellen oder Erdbeben vor. Bild 8.4 zeigt einen einfachen<br />

Schwinger.<br />

Dynamisches Gleichgewicht ergibt die Differentialgleichung (noch ohne Fußpunkterregung)<br />

m x ..<br />

(t)+c ẋ (t)+kx(t) =p(t)+q (8.5.1.1)<br />

206


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

x<br />

p(t)<br />

q<br />

z<br />

y=x-z<br />

c<br />

k<br />

Abb. 8.4.Einläufiger Schwinger mit viskoser Dämpfung<br />

Darin ist m die Masse,c die Dämpfungskonstante, k die Federsteifigkeit, p(t) eine zeitabhängige<br />

Anregung <strong>und</strong> q eine konstante Kraft. Mit y = x − z erhält man nach Umformung<br />

..<br />

y (t)+2ξω 0<br />

ẏ (t)+ω 2 0y(t) =f(t)− ..<br />

z (t)+y 0 ω 2 0 (8.5.1.2)<br />

mit der Kreisfrequenz ω 2 0 = k/m, dem Dämpfungsverhältnis c/(2mω 0) <strong>und</strong> f(t) =p(t)/m.<br />

Die Lösung dieser nicht-homogenen linearen Differentialgleichung zweiter Ordnung kann als Überlagerung<br />

der allgemeinen Lösung der homogenen Gleichung, d.h. mit f(t) =0für t


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

mit h(t − τ) in Gl.(8.5.4) <strong>und</strong><br />

g(t) ={ 0 für t ≤ 0<br />

exp [−ξω 0 t][cos(ω d t)+ω d sin(ω d t)] für t ≥ 0<br />

(8.5.1.7)<br />

Die ersten beiden Terme in Gl. (8.5.6) erfassen die Anfangsbedingungen zum Zeitpunkt t =0.<br />

g(t) ist die Antwortfunktion auf eine Einheitsauslenkung zum Zeitpunkt τ.<br />

1<br />

0.5<br />

0<br />

0.5<br />

h(t-1)<br />

g(t-1)<br />

1<br />

0 5 10 15 20<br />

Abb. 8.5.Impulsantwortfunktionen<br />

Wenn F (t) ein Gaußscher Prozeß ist, ist auch die Antwort des linearen Systems ein Gaußscher<br />

Prozeß. Bei stationärer Anregung ist der Einfluß der Anfangsbedingungen nach gewisser Zeit<br />

verschw<strong>und</strong>en.<br />

F (t) =p(t)/m habe nun die Mittelwertsfunktion m F (t) <strong>und</strong> die Autokovarianzfunktion C F (t 1, t 2 ).<br />

Anwendung der Erwartungswertoperationen auf Gl. (8.5.5) ergibt die entsprechenden Größen des<br />

Systemausgangs:<br />

m Y (t) =<br />

Z +∞<br />

−∞<br />

t<br />

m F (t)h(t − τ)dτ (8.5.1.8)<br />

C Y (t 1, t 2 )=<br />

+∞ ZZ<br />

C F (t 1, t 2 )h(t 1 − τ 1 )h(t 2 − τ 2 )dτ 1 dτ 2 (8.5.1.9)<br />

−∞<br />

Im stationären Fall zeigt man, daß:<br />

Z +∞<br />

m Y (t) =m F h(τ)dτ = m F /ω 2 0 (8.5.1.10)<br />

−∞<br />

C Y (τ) =<br />

+∞ ZZ<br />

R P (τ − τ 1+ τ 2 )h(τ 1 )h(τ 2 )dτ 1 dτ 2 (8.5.1.11)<br />

−∞<br />

Dieser stationäre Zustand wird zunächst näher betrachtet. Die Faltungsoperationen in Gl. (8.5.8)<br />

<strong>und</strong> Gl. (8.5.9) legen nahe auch eine Lösung <strong>im</strong> Frequenzbereich zu versuchen <strong>und</strong> zwar definieren<br />

wir den harmonischen Eingang als:<br />

F (t) =cosωt + i sin ωt = e iωt (8.5.1.12)<br />

208


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Der Ausgang habe die Form y p (t) =y p (0) exp [iωt] . Einsetzen in Gl. (8.5.2) ergibt:<br />

woraus<br />

oder<br />

(−ω 2 +2iξω 0 ω + ω 2 0)y p (0) = 1 (8.5.1.13)<br />

y p (0) = (ω 2 0 − ω 2 +2iξωω 0 ) −1 = H(ω) (8.5.1.14)<br />

y p (t) =H(ω)e iωt (8.5.1.15)<br />

Also ist auch der Ausgang harmonisch aber durch H(ω) ’’vergrößert’’. An der Stelle ω 0<br />

q(1 − ξ 2 )<br />

bzw. für kleine ξ bei ω 0 besitzt |H(ω)| 2 ein Max<strong>im</strong>um von der Größe ¯<br />

q(1 ¯2ξ −2<br />

− ξ 2 )<br />

¯ ≈ |2ξ| −2 .<br />

Für ω =0hat die Vergrößerungsfunktion den Wert 1. Bild 8.5 veranschaulicht das Aussehen der<br />

’’dynamischen Vergrößerungsfunktion’’ für verschiedene Dämpfungen. Tabelle 8.1 enthält eine<br />

Zusammenstellung der in Anwendungen vorkommenden Eingangs-Ausgangsbeziehung.<br />

30<br />

|Η(ω)|<br />

2<br />

20<br />

10<br />

0<br />

0 0.5 1 1.5 2 2.5 3<br />

ω/ω ο<br />

Abb. 8.6.Übertragungsfunktion für verschiedene Dämpfungsverhältnisse (ξ =0.05, 0.1, 0.2)<br />

209


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

0 Eingang Ausgang H(Ω) |H(Ω)| 2<br />

1+2iξΩ<br />

1 z x<br />

H 0<br />

(1 + 4ξ 2 Ω 2 )H0<br />

−2<br />

2 z y − Ω2<br />

H 0<br />

Ω 4 H0<br />

−2<br />

.<br />

1 1+2iξΩ<br />

1<br />

3 z x<br />

ω H 0<br />

(1 + 4ξ 2 Ω 2 )H −2<br />

ω 2 0<br />

..<br />

1 1+2iξΩ<br />

1<br />

4 z x<br />

ω 2 H 0<br />

(1 + 4ξ 2 Ω 2 )H −2<br />

ω 4 0<br />

..<br />

.<br />

1 1+2iξΩ<br />

1<br />

5 z<br />

x<br />

ω H 0<br />

(1 + 4ξ 2 Ω 2 )H −2<br />

ω 2 0<br />

..<br />

..<br />

1+2iξΩ<br />

6 z<br />

x<br />

H 0<br />

(1 + 4ξ 2 Ω 2 )H0<br />

−2<br />

..<br />

Ω<br />

7 z y<br />

H 0<br />

Ω 2 (1 + 4ξ 2 Ω 2 )H0<br />

−2<br />

1<br />

8 p x<br />

H 0<br />

H0<br />

−2<br />

.<br />

ω<br />

9 p<br />

x<br />

H 0<br />

ω 2 H0<br />

−2<br />

..<br />

10 p<br />

x<br />

− ω2<br />

H 0<br />

ω 4 H0<br />

−2<br />

11 H 0 =1− Ω 2 +2iξΩ H0 2 =(1− Ω 2 ) 2 +4ξ 2 Ω 2 Ω = ω/ω o<br />

Tabelle 8.1: Übertragungsfunktionen für verschiedene Formen des Systemeingangs <strong>und</strong> -ausgangs<br />

Für die allgemeine Lösung gehen wir wie folgt vor. Jede stetige (komplexe) Funktion kann durch<br />

eine unendliche Überlagerung von Harmonischen gewonnen werden.<br />

X(t) =<br />

Z +∞<br />

−∞<br />

X(ω)e iωt dω (8.5.1.16)<br />

DieInversehierzuist:<br />

X(ω) = 1 Z +∞<br />

X(t)e −iωt dω (8.5.1.17)<br />

2π −∞<br />

Das ist aber die Fouriertransformierte nach X(ω) von X(t) <strong>und</strong> umgekehrt. Demnach heißt das<br />

Äquivalent zu Gl. (8.5.6)<br />

y(t) =<br />

Z +∞<br />

−∞<br />

H(ω)X(ω)e iωt dω (8.5.1.18)<br />

Führt man eine anloge Betrachtung für X(t) =δ(t) bei t =0durch, so stellt man fest, daß auch<br />

h(t) <strong>und</strong> H(ω) zusammengehörige Fouriertransformationen sind (man beachte aber die Position<br />

des Faktors 2π) :<br />

h(t) = 1 Z +∞<br />

H(ω)e iωt dω (8.5.1.19)<br />

2π −∞<br />

Also ist mit λ =(τ − τ 2 + τ 1 )<br />

H(ω) =<br />

Z +∞<br />

−∞<br />

h(t)e −iωt dt (8.5.1.20)<br />

m y (t) =m X H(0) (8.5.1.21)<br />

210


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

<strong>und</strong><br />

S Y (ω) = 1 ZZZ +∞<br />

R X (λ)h(τ 1 )h(τ 2 )e −iωt dτ 1 dτ 2 dλ<br />

2π −∞<br />

Z +∞<br />

Z +∞<br />

Z +∞<br />

= h(τ 1 )e iωτ 1<br />

dτ 1 h(τ 2 )e −iωτ 2<br />

1<br />

dτ 2<br />

−∞<br />

−∞<br />

−∞ 2π R X(λ)e −iωλ dλ<br />

= H(ω)H ∗ (ω)S X (ω) =|H(ω)| 2 S X (ω) (8.5.1.22)<br />

R Y (τ) =<br />

Z +∞<br />

−∞<br />

S Y (ω)e iωτ dω =<br />

Z +∞<br />

−∞<br />

|H(ω)| 2 S X (ω)e iωτ dω (8.5.1.23)<br />

Der Zusammenhang (8.5.24) ist in Abb. 8.6 für ein Eingangsspektrum, welches näherungsweise<br />

dem Unebenheitsspektrum von Fahrbahnen entspricht, dargestellt. Die Auswertung der Integrale<br />

in den Gleichungen (8.5.24) bis (8.5.26) muß in der Regel numerisch erfolgen.<br />

1<br />

G(ω)<br />

0.5<br />

0<br />

0 0.5 1 1.5 2 2.5 3<br />

15<br />

|Η(ω)|<br />

2<br />

10<br />

5<br />

0<br />

0 0.5 1 1.5 2 2.5 3<br />

4<br />

3<br />

|Η(ω)|<br />

2<br />

G(ω)<br />

2<br />

1<br />

0<br />

0 0.5 1 1.5 2 2.5 3<br />

ω/ω ο<br />

Abb. 8.7.Spetrum der Einwirkung, Übertragungsfunktion <strong>und</strong> Spektrum der Auswirkung<br />

Für τ =0werden die spektralen Momente des Ausgangsprozesses <strong>und</strong> seiner Ableitungen gewonnen:<br />

211


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Var £ Y (n)¤ = λ (2n) =<br />

Z +∞<br />

−∞<br />

ω 2n S Y (ω)dω (8.5.1.24)<br />

Beispiel 8.5.1.1: Beanspruchung durch weißes Rauschen<br />

Die Beanspruchung durch eine Kraft Q(t) =p(t)/m sei stationäres weißes Rauschen mit dem<br />

Mittelwert Null <strong>und</strong> der spektralen Dichte<br />

bzw. der Autokorrelationsfunktion<br />

S Q (ω) =S 0 (1)<br />

R Q (τ) =2πS 0 δ(τ) (2)<br />

Man beachte, daß die spektralen Momente des weißen Rauschens nicht existieren. Mit E [Q(t)] =<br />

0 ist auch E [Y (t)] = 0. Die spektrale Dichte des Verformungsausgangs ist durch Anwendung von<br />

Gl. (8.5.25) bzw. Tabelle 8.1, achte Zeile<br />

S Y (ω) =S 0<br />

£<br />

(ω<br />

2<br />

0 − ω2 ) 2 +4ξω 2 0 ω2¤ −1<br />

mit der zugehörigen Autokorrelationsfunktion:<br />

"<br />

#<br />

R Y (τ) = π S 0<br />

ξ<br />

exp [−ξω 0 τ] cos ω d τ)+ p<br />

2<br />

sin(ω dτ)<br />

1 − ξ<br />

2<br />

ξω 3 0<br />

(3)<br />

(4)<br />

Die spektralen Momente werden durch Integration nach Gl. (7.2.4.16) mit Hilfe des Residuensatzes<br />

der Integraltheorie ermittelt:<br />

Z +∞<br />

λ 0 Y = σ2 Y = S Y (ω)dω = π 2<br />

−∞<br />

S 0<br />

ξω 3 0<br />

(5)<br />

λ 1 Y =<br />

Z +∞<br />

−∞<br />

ω 1 S Y (ω)dω =<br />

cos−1 ξ<br />

ω 2 0ξ p 1 − ξ 2 (6)<br />

Z +∞<br />

λ 2 Y = σ 2 . = ω 2 S Y (ω)dω = π S 0<br />

= λ 0 Y Y ω 2 0 (7)<br />

−∞<br />

2 ξω 0<br />

Man beachte, daß die spektralen Momente für ξ → 0 über alle Grenzen wachsen. Bekanntlich ist<br />

nach Gl. (7.2.4.20) (Hinweis auf die Ausgangsgröße Y weggelassen)<br />

µ λ<br />

2<br />

1/2<br />

Ω 0 =<br />

(8)<br />

λ 0<br />

ein Größe, die den ’’Frequenzradius’’, das heißt die vorherrschende Frequenz, quantifiziert. Interessanterweise<br />

existiert das vierte spektrale Moment nicht, was bedeutet, daß Ẏ nicht differenzierbar<br />

ist. Damit kann der übliche Bandbreitenparamter α = λ 2 /(λ 0 λ 4 ) 1/2 bzw. ² =(1− α 2 ) −1/2<br />

212


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

(α → 1 für ideal schmalbändige Prozesse <strong>und</strong> α → 0 für ideal breitbändige Prozesse <strong>und</strong> umgekehrt<br />

für den Paramter ²) nicht berechnet werden. Mit der Kenntnis von λ 1 Y kann jedoch ein neuer<br />

Bandbreitenparameter (δ → 0 für ideal schmalbändige Prozesse <strong>und</strong> δ → 1 für ideal breitbändige<br />

Prozesse) definiert werden:<br />

δ =<br />

µ<br />

1 −<br />

λ 1<br />

(λ 0 λ 2 ) 1/2 1/2<br />

= 2 π<br />

cos −1 ξ<br />

p<br />

1 − ξ<br />

2 ≈ 1 − 2ξ<br />

π<br />

Ideal weißes Rauschen ist physikalisch nicht realisierbar. Man führt zweckmäßigerweise eine<br />

Bandbegrenzung ein.<br />

#<br />

Beispiel 8.5.1.2: Beanspruchung durch bei ±ω c bandbegrenztes weißes Rauschen<br />

Die Annahmen für Beispiel 8.5.1.1 führten zu physikalisch nicht sinnvollen Ergebnissen fürdiehöheren<br />

Ableitungen des Ausgangsprozesses. Man kann diese Inkonsistenz durch bei |ω c | > |ω 0 | ><br />

0 begrenztes weißes Rauschen beheben. Die Rechnungen werden aber ziemlich aufwendig. Nachstehend<br />

werden für kleine Dämpfungen (ξ < 0.2)gültige Näherungen angegeben.<br />

λ 0 ≈ π 2<br />

λ 2 ≈ π 2<br />

λ 4 ≈ π 2<br />

S 0<br />

ξω 3 0<br />

·<br />

1 − 4<br />

3π<br />

·<br />

S 0<br />

1 − 4<br />

ξω 0 3π<br />

S 0 ω 0<br />

ξ<br />

ξ<br />

(ω c /ω 0 ) − 8<br />

3 5π<br />

ξ<br />

(ω c /ω 0 ) − 8<br />

3 5π<br />

1 − 2ξ 2<br />

...¸<br />

(ω c /ω 0 ) + 5<br />

1 − 2ξ 2<br />

...¸<br />

(ω c /ω 0 ) + 5<br />

·<br />

1+ 4 π ξ(ω c − 3 4 ln( ω c +1<br />

)) − ...¸<br />

ω c − 1<br />

Damit können nun auch die Bandbreitenparameter α oder ² berechnet werden. Man stellt leicht<br />

fest, daß die Verbesserungen für das 0-te <strong>und</strong> das 2-te spektrale Moment durch den Term in eckigen<br />

Klammern in der Regel unerheblich sind.<br />

#<br />

Beispiel 8.5.1.3: Kanai/Taj<strong>im</strong>ispektrum<br />

Kanai <strong>und</strong> Taj<strong>im</strong>i haben vorgeschlagen, den Beschleunigungsausgang der obersten Bodenschicht<br />

bei Anregung dieser Schicht durch weißes Beschleunigungsrauschen <strong>im</strong> (starr angenommenen)<br />

Gr<strong>und</strong>gebirge als einläufigen Schwinger zu modellieren. Es sei S 0 die Intensität der Beschleunigungen<br />

<strong>im</strong> Gr<strong>und</strong>gebirge. Nach Zeile 6 von Tabelle 8.1 gilt<br />

S X (ω) =S 0<br />

1+4ξ 2 Ω 2<br />

(1 − Ω 2 ) 2 +4ξ 2 Ω 2 (1)<br />

für den Beschleunigungsausgang an der Oberkante der Schicht. Die Varianz ergibt sich zu<br />

Var[X(t)] = πS 0ω 0<br />

(1 + 4ξ) 1/2 (2)<br />

2ξ<br />

Die Varianz der Ableitung des Beschleunigungsprozesses existiert nicht. Man muß eine Bandbegrenzung<br />

des Eingangs vornehmen.<br />

(9)<br />

(1)<br />

(2)<br />

(3)<br />

213


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

#<br />

Stationäres weißes Rauschen führt, wie man sieht, zu relativ einfachen Ergebnissen. Immer dann,<br />

wenn der Eingang relativ breitbändig ist, kann man es als Näherung verwenden, da der dominante<br />

Anteil der Integrale für die spektralen Momente von der unmittelbaren Umgebung der Frequenz<br />

ω 0 herrührt. Man kann also ein gegebenes Eingangsspektrum S Q (ω) durch weißes Rauschen mit<br />

der Intensität S 0 = S Q (ω 0 ) ersetzen. Eine bessere, aber <strong>im</strong>mer noch einfache Näherung wird<br />

dadurch erhalten, daß man den Anteil des Spektrums mit ω ≤ ω 0 ohne dynamische Überhöhung<br />

überträgt <strong>und</strong> außerdem ann<strong>im</strong>mt, daß der Beitrag des Spektrums mit ω ≤ ω 0 wenig Einfluß hat<br />

λ k = S Q (ω 0 )<br />

Z +∞<br />

−∞<br />

Z +∞<br />

ω k | H(ω) | 2 dω+ | H(0) | 2 ω k [S Q (ω) − S Q (ω 0 )] dω (8.5.1.25)<br />

Der instationäre Fall gestaltet sich schon bedeutend schwieriger <strong>und</strong> wir wollen hier aus der Vielzahl<br />

der Arten von Instationarität nur den Einschwingvorgang betrachten. Das System sei für<br />

t 0 =0in Ruhe. Für t>t 0 sei es durch stationäres, weißes Rauschen mit dem Mittelwert m Q <strong>und</strong><br />

der Spektraldichte S 0 beaufschlagt. Gl. (8.5.1.8) läßt sich integrieren.<br />

−∞<br />

m Y (t) ={1 − exp [−ω 0 ξt][cos(ω d t)+ω d sin(ω d t)]} m Q<br />

ω 2 0<br />

= {1 − g(t)} m Q<br />

; t>t<br />

ω 2 0 (8.5.1.26)<br />

0<br />

Um die Streuungen der Systemantwort zu berechnen, wird Gl. (8.5.1.2) durch das System linearer<br />

Differentialgleichungen erster Ordnung<br />

bzw.<br />

ż 1 (t) = z 2 (t)<br />

ż 2 (t) = −2ξω 0 z 2 (t) − ω 2 0z 1 (t)+q(t) (8.5.1.27)<br />

z(t) =Az(t)+Bq(t) (8.5.1.28)<br />

½ ¾ · ¸<br />

z1 (t)<br />

0 1<br />

mit z 1 (t) =y(t) <strong>und</strong> z 2 (t) =ż 1 (t) =ẏ(t), also z(t) = , A =<br />

z 2 (t)<br />

−ω 2 <strong>und</strong><br />

½ ¾<br />

0 −2ξω 0<br />

0<br />

B = ersetzt. Die Lösung von Gl. (8.5.1.28) lautet<br />

1<br />

z(t) =φ(t, t 0 )z(t 0 )+<br />

Z t<br />

t 0<br />

φ(t, τ)B(τ)q(τ)dτ (8.5.1.29)<br />

mit der Differentialgleichung<br />

d<br />

dτ φ(τ,t 0)=Aφ(τ,t 0 ) (8.5.1.30)<br />

für die sogenannte Übergangsmatrix φ(τ,t 0 ) mit φ(t 0 ,t 0 )=1. DiesehatdieLösung<br />

φ(τ,t 0 )=exp[A(τ − t 0 )] (8.5.1.31)<br />

214


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Mithin ist mit t = τ − t 0<br />

φ(τ,t 0 )=exp[−ω 0 ξt]<br />

"<br />

cos(ωd t)+ ξω0<br />

1<br />

ω d<br />

sin(ω d t)<br />

ω d<br />

sin(ω d t)<br />

− ω2 0<br />

ω d<br />

sin(ω d t) cos(ω d t) − ξω 0<br />

ω d<br />

sin(ω d t)<br />

#<br />

(8.5.1.32)<br />

Nun bilden wir die Erwartungswerte<br />

m Z (t) =φ(τ,t 0 )m Z (t 0 )+<br />

Z t<br />

Z t<br />

t 0<br />

φ(t, τ)B(τ)m Q (τ)dτ (8.5.1.33)<br />

C Z (t) =φ(t, t 0 )C Z (t 0 )φ(t, t 0 ) T + φ(t, τ)B(τ)C Q (τ)B(τ) T φ(t, τ) T dτ (8.5.1.34)<br />

t 0<br />

Ausrechnen mit Gl. (8.5.1.34) ergibt für den Mittelwert Gl. (8.5.1.33) <strong>und</strong> mit θ = t − t 0 :<br />

⎡ ³<br />

⎤<br />

cos(ω d θ)+ ξω 0<br />

ω d<br />

sin(ω d θ)´2<br />

C11 (t 0 )<br />

³<br />

´<br />

C 11 (t) = exp[−ω 0 ξθ] ⎢<br />

⎣ + 2<br />

ω d<br />

sin(ω d θ) cos(ω d θ)+ ξω 0<br />

⎥<br />

ω d<br />

sin(ω d θ) C 12 (t 0 ) ⎦ (8.5.1.35)<br />

+ 1<br />

ω d<br />

sin(ω d θ)C 22 (t 0 )<br />

× S ·<br />

0<br />

4ω 3 0 ξ 1 − exp [−2ω 0ξθ] ¡ ¢¸<br />

ω<br />

2<br />

ω 2 0 − ξ2 ω 2 0 cos(2ω dθ) − ξω 0 ω d sin(2ω d θ)<br />

d<br />

⎡<br />

³<br />

´ ⎤<br />

− ω2 0<br />

ω d<br />

sin(ω d θ) cos(ω d θ)+ ξω 0<br />

ω d<br />

sin(ω d θ) C 11 (t 0 )<br />

³<br />

2´ C 12 (t) = exp[−2ω 0 ξθ] ⎢ + cos(ω d θ) 2 + 1+ξ2 sin(ω<br />

⎣<br />

1−ξ 2 d θ) C 12 (t 0 ) (8.5.1.36) ⎥<br />

³<br />

´ ⎦<br />

+ 1<br />

ω d<br />

sin(ω d θ) cos(ω d θ) − ξω0<br />

ω d<br />

sin(ω d θ) C 22 (t 0 )<br />

S 0<br />

£<br />

×<br />

exp<br />

2ω 2 0(1 − ξ 2 [−2ω0 ξθ]sin(ω d θ) 2¤<br />

)<br />

⎡<br />

⎤<br />

ω 2 0<br />

sin(ω 1−ξ 2 d θ) 2 C 11 (t 0 )<br />

³<br />

´<br />

C 22 (t) = exp[−ω 0 ξθ] ⎢ − 2ω2 0<br />

ω<br />

⎣<br />

d<br />

sin(ω d θ) cos(ω d θ) − ξω0<br />

ω d<br />

sin(ω d θ) C 12 (t 0 )<br />

⎥<br />

³<br />

⎦ (8.5.1.37)<br />

+ cos(ω d θ) − ξω 0<br />

ω d<br />

sin(ω d θ)´2<br />

C22 (t 0 )<br />

× S ·<br />

0<br />

1 − exp [−2ω 0ξθ] ¡ ¢¸<br />

ω<br />

2<br />

4ω 0 ξ ω 2 0 − ξ 2 ω 2 0 cos(2ω d θ) − ξω 0 ω d sin(2ω d θ)<br />

d<br />

8.5.2. Mehrläufige lineare Schwinger<br />

Die allgemeine lineare Schwingungsgleichung lautet wie folgt:<br />

M¨z(t)+Cż(t)+Kz(t) =Ep(t) (8.5.2.1)<br />

215


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Hierin ist M die Masse, C die Dämpfung, K die der Bewegung entgegenwirkende Kraft <strong>und</strong><br />

p(t) die anregende Kraft. Die Formulierung ist nicht auf eind<strong>im</strong>ensionale Schwinger beschränkt.<br />

Ohne Verlust an Anschaulichkeit können wir annehmen, daß M, C <strong>und</strong> K symmetrische (n ×<br />

n)−Matrizen sind <strong>und</strong> ¨z(.), ż(t) <strong>und</strong> z(.) bzw. p(.) n-d<strong>im</strong>ensionale Vektoren, wobei p(.) fürmanche<br />

Komponenten auch Null sein kann. Das kann durch eine mit Nullen <strong>und</strong> Einsen besetzte<br />

Matrix E gesteuert werden. Ohne Verlust an Allgemeinheit nehmen wir zunächst p(t) als einen<br />

stochastischen Vektorprozeß mit Mittelwert 0 <strong>und</strong> Spektralmatrix S P (ω) an. Wir betrachten den<br />

stationären Fall. Formale Anwendung der Fouriertransformation liefert<br />

Es ist also<br />

<strong>und</strong> damit<br />

(−ω 2 M+iωC + K)F Y (ω) =F P (ω) (8.5.2.2)<br />

H(ω) =(−ω 2 M+iωC + K) −1 (8.5.2.3)<br />

S Y (ω) =H(ω) T S P (ω)H(ω) (8.5.2.4)<br />

Die notwendigen Matrixinversionen l<strong>im</strong>itieren die Verwendung von Gl (8.5.2.4) auf kleine Systeme.<br />

Es ist möglich, die Schwingungsgleichungen unter best<strong>im</strong>mten Voraussetzungen zu entkoppeln.<br />

Hierzu betrachten wir das homogene, ungedämpfte System. Das System kann harmonische Schwingungen<br />

y(t) =v cos(ωt) ausführen. v sind die sogenannten Eigenformvektoren <strong>und</strong> ω die Kreisfrequenzen,<br />

die <strong>im</strong> allgemeinen voneinander verschiedene Lösungen des allgemeinen Eigenwertproblems<br />

(K − ω 2 M)v =0 (8.5.2.5)<br />

sind. Diese Gleichung wird durch Einsetzen von y(t) =v cos(ωt) in Gl. (8.5.2.1) nach Division<br />

durch cos(ωt) <strong>und</strong> Streichung der Dämpfungs- <strong>und</strong> Belastungsglieder erhalten. Bei positiv<br />

definiten Matrizen M <strong>und</strong> K gibt es bei Abwesenheit mehrfacher Eigenwerte genau n reelle <strong>und</strong><br />

positive Eigenfrequenzen ω. Die Eigenvektoren werden wie folgt normalisiert<br />

Sie erfüllen auch eine andere Orthogonalitätsbedingungen.<br />

Wenn außerdem die Dämpfungsmatrix der Bedingung<br />

v T i Mv j = δ ij (8.5.2.6)<br />

v T i Kv j = ω 2 j δ ij (8.5.2.7)<br />

v T i Cv i =2ω i ξ i (8.5.2.8)<br />

genügt, können die Knotenverformungen y(t) als Linearkombination der modalen Koordinaten<br />

y(t) =<br />

nX<br />

v j z j (t) (8.5.2.9)<br />

j=1<br />

216


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

dargestellt werden, die die Lösungen des folgenden, entkoppelten Systems von Differentialgleichungen<br />

¨z j (t)+2ω j ξ j ż j + ω 2 j z j(t) =q j (t) (8.5.2.10)<br />

sind mit q j (t) =vj T p(t). Die Dämpfungsverhältnisse ξ i werden gewöhnlich direkt festgelegt. In<br />

Analogie zum Einmassenschwinger ist nun<br />

E [Z j (t)] = v T j E [p(t)] H j(0) =<br />

Z t<br />

−∞<br />

E [q j ] h j (t − τ)dτ = E [q j]<br />

ω 2 j<br />

(8.5.2.11)<br />

mit H j (ω j ) wie in Gl. (8.5.1.14) aber ω 0<br />

S qi ,q j<br />

(ω) =vi T S p (ω)v j . Damit ist<br />

= ω j , ξ = ξ j . Dabei ist E [q j ] = vj T E [p(t)] <strong>und</strong><br />

S Zi ,Z j<br />

(ω) =H i (ω)S qi ,q j<br />

(ω)H ∗ j (ω) (8.5.2.12)<br />

woraus<br />

S Y (ω) =<br />

nX nX<br />

v i v j S qi ,q j<br />

(ω) (8.5.2.13)<br />

i=1 j=1<br />

Die spektralen Momente der modalen Antworten berechnen sich aus<br />

λ k Z i ,Z j<br />

=<br />

Z ∞<br />

−∞<br />

ω k v T i<br />

£<br />

Sq (ω)H i (ω)H ∗ j (ω)+S q(ω)H ∗ i (ω)H j(ω) ¤ v j dω (8.5.2.14)<br />

<strong>und</strong> für den Systemausgang gilt<br />

λ k Y =<br />

nX nX<br />

v i v j λ k Z i ,Z j<br />

(8.5.2.15)<br />

i=1 j=1<br />

Wie <strong>im</strong> eind<strong>im</strong>ensionalen Fall gibt es einfache analytische Resultate fürweißes Rauschen als Belastungseingang,<br />

dh. wenn S p (ω) =S 0 . Dann ist die Varianz des modalen Ausgangs<br />

λ 0 ii = π 2<br />

S qi ,q i<br />

(ω)<br />

ω 3 i ξ i<br />

(8.5.2.16)<br />

<strong>und</strong> es ist leicht gezeigt, daß die Kovarianzfunktion die Form<br />

c ii (τ) =λ 0 ii g i(|τ|) (8.5.2.17)<br />

hat. Alle wichtigen spektralen Momente des modalen Ausgangs enthält nachstehende Tabelle<br />

k i = j i 6= j<br />

π<br />

0<br />

2ω 3 i ξ i<br />

cos −1 (ξ i )<br />

1<br />

2<br />

√<br />

ω 2 i ξ i 1−ξ 2 i<br />

π<br />

2ω i ξ i<br />

πα ij<br />

(ω 2 i α ij +γ ij )cos −1 (ξ i )<br />

ω i ξ i<br />

√1−ξ 2 i<br />

+ (ω2 j α ij+γ ij )cos −1 (ξ j )<br />

ω j ξ j<br />

√<br />

1−ξ 2<br />

j<br />

πγ ij<br />

Tabelle 8.2: Spektrale Momente λ k ij/κ ij<br />

+ β ij ln<br />

³ ´<br />

ω i<br />

ω j<br />

217


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

mit κ ij = v T i S 0 v j <strong>und</strong> (vergl. Beispiel 6.1.6.3)<br />

α ij =<br />

4(ω i ξ i + ω j ξ j )<br />

¡ ¢<br />

ω<br />

2<br />

i − ω 2 2<br />

j +4ωi ω j (ω i ξ j + ω j ξ i )(ω i ξ i + ω j ξ j )<br />

(8.5.2.18)<br />

β ij =<br />

2 ¡ ω 2 j − ¢<br />

ω2 i<br />

¡ ¢<br />

ω<br />

2<br />

i − ω 2 2<br />

j +4ω i ω j (ω i ξ j + ω j ξ i )(ω i ξ i + ω j ξ j )<br />

(8.5.2.19)<br />

γ ij = ω 2 i α ij +2ξ i ω i β ij<br />

=<br />

4ω i ω j (ω i ξ j + ω j ξ i )<br />

¡ ¢<br />

ω<br />

2<br />

i − ω 2 2<br />

j +4ω i ω j (ω i ξ j + ω j ξ i )(ω i ξ i + ω j ξ j )<br />

(8.5.2.20)<br />

Diese Formeln können näherungsweise auch für einen allgemeinen breitbändigen Eingang verwendet<br />

werden, wenn<br />

κ ij ≈ 1 £ ¤<br />

v<br />

T<br />

i S p (ω i )v i + vj T S p (ω j )v j (8.5.2.21)<br />

2<br />

benützt wird. Die QualitätdieserNäherung sinkt mit wachsenden Dämpfungs- <strong>und</strong> Eigenfrequenzverhältnissen.<br />

Gewisse Ergebnisse gibt es auch für nichtstationäre Anregung <strong>und</strong> den Ein- oder Ausschwingvorgang<br />

bei plötzlich beginnender oder plötzlich aufhörender Anregung. Wie erwähnt ist der Schwingungsausgang<br />

gaußisch, wenn der Eingang gaußisch war. Dann gibt es auch die reichen Ergebnisse<br />

für Schwellenwertprobleme. Bei nichtlinearen Schwingungssystemen unter gaußischer Anregung<br />

<strong>und</strong> unter nichtgaußischer Anregung kann man jedoch keinen gaußischen Ausgang erwarten, auch<br />

nicht näherungsweise. Wir stellen den Schwingungsausgang<br />

x(t) =<br />

Z t<br />

0<br />

h(t, τ)Z(τ)dτ<br />

als Riemannsumme dar:<br />

nX<br />

x(t) ≈<br />

Z i∆<br />

i=1 (i−1)∆<br />

h(t, τ)Z(τ)dτ ≈<br />

nX<br />

h(t, i∆)Z(i∆); ∆ = t/n<br />

i=1<br />

Die Variablen Z i können hochabhängig sein. Außerdem gibt ihnen die Funktion h(t, i∆) ganz<br />

unterschiedliche Gewichte. Man kann daher nicht erwarten, daß ein zentraler Grenzwertsatz gilt.<br />

Rosenblatt [106] hat bewiesen, daß ein Prozeß Y (t) asymptotisch normal wird, wenn Y (t) stark<br />

mischend ist, d.h. wenn<br />

a. |P (A ∩ B) − P (A)P (B)| t 2 abhängt, τ = t 2 − t 1 <strong>und</strong><br />

g(τ) eine nichtnegative monoton fallende Funktion derart, daß g(τ) → 0 für τ →∞.<br />

b. alle Momente von Y (t) bis einschließlich vierter Ordnung existieren<br />

c. die spektrale Dichte nirgends verschwindet<br />

d. H(t) = R t<br />

0 h2 (t, τ)dτ →∞für t →∞<br />

218


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Bedingung a. ist schwierig nachzuweisen. Man mag sie als erfüllt ansehen, ebenso wie die Bedingungen<br />

b. <strong>und</strong> c. Bedingung d. - sie besagt, daß h(t, τ) überall ausreichend groß sein muß -<br />

ist aber für Schwinger nur für ξ → 0 erfüllt. Das entspricht einem extrem schmalbändigen Ausgangsprozeß.<br />

Es bedeutet aber auch, daß man bei nicht-gaußischem Ausgang selbst bei linearen<br />

Systemen ganz andere Wege beschreiten muß.<br />

8.6. Anmerkungen zur <strong>Zuverlässigkeit</strong>sberechnung dynamischer<br />

Systeme<br />

Wenn die Standardabweichungen eines skalaren Ausgangsprozesses sowie seiner Ableitung bekannt<br />

sind, kann man unmittelbar die Austrittsrate nach Gl. (7.3.1.1) bzw. Gl. (7.3.2.5) berechnen<br />

<strong>und</strong> die Versagenswahrscheinlichkeit nach Gl. (7.1.7.1) <strong>und</strong> Gl. (7.1.7.2) einschranken bzw. nach<br />

Gl. (7.4.5) abschätzen. Bei mehrd<strong>im</strong>ensionalem Schwingungsausgang gilt Abschnitt 7.3.3 <strong>und</strong> es<br />

wird speziell auf Beispiel 7.3.3.3 verwiesen, dessen Kovarianzmatrix in der Tat mit Tabelle 8.2 nach<br />

Gl. (8.5.2.18) bis GL. (8.5.2.20) mit S 0 =1<strong>und</strong> ω =(0.5, 0.75, 1) T sowie ξ =(0.2, 0.15, 0.1) T<br />

berechnet wurde.<br />

Der skalare Ausgang eines dynamischen Systems ist in der Regel wegen kleiner Dämpfung recht<br />

schmalbändig. Das bedeutet, daß Austritte in ’’Schwärmen’’ erfolgen. Die Lösung Gl. (7.4.5) ist<br />

dann nur eine obere Schranke. Man kann diese durch zusätzliche Betrachtungen jedoch deutlich<br />

verbessern [106] . Bei mehrd<strong>im</strong>ensionalem Ausgang ist eine Verbesserung nicht möglich.<br />

Sehr wichtig sind unsichere, zeitinvariante Systemeigenschaften oder als ergodische Folgen modellierte<br />

Trägerprozesse für die Parameter. Dann wendet man die Ergebnisse von Abschnitt 7.4<br />

an.<br />

Bezüglich eines Ansatzes für nichtlineare Schwingungen bei nicht-gaußischer Anregung wird auf<br />

Anhang F verwiesen.<br />

219


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

ANHANG F: Austrittsrate bei nichtlinearen Schwingern<br />

<strong>und</strong> bei nichtgaußischer Anregung ∗<br />

Es gibt eine ganze Reihe von Verfahren zur nichtlinearen, stochastischen Schwingungsanalyse.<br />

Leider sind die meisten dieser Verfahren in der Praxis auf stationären Gaußschen Eingang <strong>und</strong><br />

einläufige Schwinger beschränkt, können nur spezielle Typen der Nichtlinearität behandeln oder<br />

sind auch bei der heutigen Rechentechnik numerisch viel zu aufwendig. In diesem Anhang soll<br />

eine vergleichsweise allgemeine Näherungsmethode vorgestellt werden.<br />

F.1.<br />

Theoretische Gr<strong>und</strong>lagen<br />

In Analogie zu GL. (7.3.1.1) mit Gl. (7.2.1.3) <strong>und</strong> (7.1.6.4) ist für eine allgemeine Zustandsfunktion<br />

g(r, q, s(t))<br />

P f (0,t) ≤ P f (0) + E R,Q<br />

£<br />

E<br />

£<br />

N − (0,t|R, Q) ¤¤<br />

(F.1.1)<br />

E R,Q<br />

£<br />

E<br />

£<br />

N − (0,t|R, Q) ¤¤ =<br />

Z t<br />

0<br />

ν − (τ)dτ<br />

(F.1.2)<br />

ν − (τ) =<br />

Z 0<br />

−∞<br />

|ġ(r, q, s(t))| f(g(r, q, s(t)) = 0, ġ(r, q, s(t)))dġ(r, q, s(t))<br />

(F.1.3)<br />

mit r den nicht ergodischen Zufallsvariablen, q einer stationären <strong>und</strong> ergodischen Folge <strong>und</strong> s(t) einem<br />

stochastischen Prozeß (vergl. Gl. 7.4.11). Versagen erfolgt definitionsgemäß wenn g(r, q, s(t)) =<br />

0 eine Nullkreuzung von oben hat. Hierin ist f(g(r, q, s(t), ), ġ(r, q, s(t))) die gemeinsame Dichte<br />

von g(r, q, s(t)) <strong>und</strong> dg(r,q,s(t)) = ġ(r, q, s(t)). Im folgenden fassen wir die Variablen R <strong>und</strong> Q<br />

dt<br />

zu einem einzigen Vektor R zusammen. In dieser Formulierung ist Gl. (F.1.3) praktisch nicht auswertbar,<br />

da die gemeinsame Dichte f(., .) sehr schwierig zu berechnen ist. Hagen/Tvedt (1991)<br />

[65] haben jedoch darauf hingewiesen, daß die Austrittsrate auch direkt wie in Gl. (7.1.6.3) oder<br />

Gl. (7.3.3.15) berechnet werden kann.<br />

ν − P ({−g 1 (R, S(t),t) ≤ 0} T {g 2 (r, s(t + ∆),t+ ∆) ≤ 0})<br />

(t) =l<strong>im</strong><br />

(F.1.4)<br />

∆→0 ∆<br />

Sehr oft formuliert man das Problem <strong>im</strong> Raum der Lastwirkungen (Verformungsgrößen), d.h. die<br />

Zustandsfunktion enthält nicht die Anregung selbst sondern die Lastwirkung. In der Zustandsfunktionwirddaherz(s(t))<br />

anstelle von s(t) geschrieben. Für differenzierbare (Vektor-)Prozesse S(t)<br />

sind g 1 <strong>und</strong> g 2 für kleine ∆ hochkorreliert (fast funktional abhängig). Das kann bei der Transformation<br />

in den Standardraum, bei der Suche nach den ’’kritischen’’ Punkten <strong>und</strong> bei der Auswertung<br />

des Integrals für die Schnittwahrscheinlichkeit zu numerischen Schwierigkeiten führen. Dann ist<br />

es besser g 2 durch<br />

g 2 = g(r, z(s(t + ∆))) ≈ g(r, z(s(t))) + ġ(r, z(s(t)))∆<br />

= g(r, z(s(t))) + ∇ z g(r, z(s(t))ż(s(t))∆ (F.1.5)<br />

220


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

zu nähern. Bei dynamischen Aufgaben ist das besonders zweckmäßig, da bei der numerischen<br />

(Zeit-)Integration der Differentialgleichung, z.B. nach dem Runge-Kutta-Verfahren, die Größe ż(t)<br />

automatisch mit anfällt (siehe unten).<br />

Die Berechnung mithilfe von FORM/SORM erfordert die Transformation in den Standardraum<br />

<strong>und</strong> bei Benützung von Gradientenverfahren für die Suche der kritischen Punkte in Gl. (D.1.4)<br />

eine effiziente Berechnung der Gradienten <strong>im</strong> Standardraum. Es ist<br />

∇ u rg 1 = −(∇ z gJ z,r J r,u + ∇ r g z J r,u )<br />

(F.1.6)<br />

∇ u sg 1 = −∇ z gJ z,s J s,u<br />

(F.1.7)<br />

∇ u rg 2 = ∇ z gJ z,r J r,u + ∇ r g z J r,u +<br />

+∇ z (∇ z g)J z,r J r,u ż∆ + ∇ r (∇ z g)g z J r,u ż∆ + ∇ z gJż,r J r,u ∆ (F.1.8)<br />

∇ u sg 2 = ∇ z gJ z,s J s,u + ∇ z (∇ z g)J z,s J s,u ż∆ + ∇ z gJż,s J s,u ∆<br />

(F.1.9)<br />

h<br />

Hierbei i bedeutet g z ,daß der Gradient bezüglich der R-Variablen fürfestesz gebildet wird. J p,q =<br />

∂pi<br />

∂q j<br />

ist die Jacobi-Matrix der Transformation p = T (q). J r,u <strong>und</strong> J s,u sind die bekannten Transformationsmatrizen<br />

der Verteilungstransformation.<br />

Eine Approx<strong>im</strong>ation der Austrittsrate erhält man für kleines ∆. Für die Suche nach dem (den)<br />

β−Punkt(en) löst man<br />

min {kuk} für-g 1 (.) ≤ 0 \ g 2 (.) ≤ 0<br />

(F.1.10)<br />

Normalerweise wird <strong>im</strong> Lösungpunkt (u ∗ ) sowohl auf g 1 (.) =0wie auch auf g 2 (.) =0sein.<br />

Wenn der Lösungspunkt zwar auf g 1 (.) =0liegt aber g 2 (.) 6= 0, löst man zusätzlich<br />

min {kuk} für − g 1 (.) ≤ 0 \ g 2 (.) =0<br />

(F.1.11)<br />

oder setzt näherungsweise (u ∗ 2)=γ(u ∗ 1) mit γ der Lösung von g 2 (γu ∗ 1)=0. Die Schnittwahrscheinlichkeit<br />

berechnet man aus dem bivariaten Normalverteilungsintegral (Gl.(2) in Beispiel<br />

4.4.2) mit ρ = α T 1 α 2 <strong>und</strong> α i = − ∇g i(u ∗ i )<br />

k∇g i (u ∗ i<br />

)k;<br />

i =1, 2.<br />

Die Anwendung dieses Konzeptes erfordert, daß auch die Anregung durch einen Vektor von Zufallsvariablen<br />

genähert wird [96] . Hierzu stellt man den Anregungsprozeß, hier zur Vereinfachung<br />

einen skalaren Prozeß, durch einen Impulsprozeß<br />

s(t) =<br />

mX<br />

y j δ(t − t j )<br />

j=1<br />

(F.1.12)<br />

221


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

dar mit δ(t − t j ) der Diracschen Deltafunktion. Die y j sind unabhängige Zufallsvariable. Sie sind<br />

das Integral eines ’’weißes Rauschen’’-Prozesses W (t) über die Intervalle (t i−1 ,t i ) , d.h.<br />

y j =<br />

Z tj<br />

t j−1<br />

W (τ)dτ<br />

(F.1.13)<br />

Für normales, stationäres weißes Rauschen sind die y j normalverteilt mit Mittelwert Null <strong>und</strong> Varianz<br />

2πS 0 (t i −t i−1 ).S 0 ist die Stärke des weißen Rauschens. Man kann aber auch nichtnormalverteiltes<br />

weißes Rauschen annehmen. Nichtstationäre Anregung entsteht durch Multiplikation mit<br />

einer Intensitätsfunktion e(t). Farbiges, instationäres Rauschen kann man z.B. durch lineare Filterung<br />

entsprechend s(t) = P m<br />

j=1 e(t)y jh(t−t j ) oder sogar durch s(t) = P p<br />

k=1 e k(t) P m<br />

j=1 y jh k (t−<br />

t j ) erzeugen. Wenn die Anregung eine (negative) Fußpunktbeschleunigung (Erdbebenanregung)<br />

ist, ist beispielsweise h k (t) =−(2ξ k ω k ˙u(t)+ω 2 k u(t)) mit u(t) =sin(ω d,kt)exp[−2ξ k ω k t] /ω d,k<br />

<strong>und</strong> ω d,k = ω k<br />

p<br />

1 − ξ<br />

2<br />

k. Leider kann man so einige Eingangsfunktion nur näherungsweise abbilden.<br />

Es gibt noch einige andere Möglichkeiten den Eingangsprozeß durch eine Folge von Zufallsvariablen<br />

darzustellen.<br />

F.2.<br />

Deterministische Gr<strong>und</strong>lagen der nichtlinearen Schwingungstheorie<br />

Die allgemeine lineare Schwingungsgleichung lautet wie folgt:<br />

M¨z(t)+Cż(t)+Kz(t) =ES(t)<br />

(F.2.1)<br />

Hierin ist M die Masse, C die (viskose) Dämpfung, K die der Bewegung entgegenwirkende Kraft<br />

<strong>und</strong> S(t) die anregende Kraft. Die Formulierung ist nicht auf eind<strong>im</strong>ensionale Schwinger beschränkt.<br />

Ohne Verlust an Anschaulichkeit können wir annehmen, daß M, C <strong>und</strong> K symmetrische<br />

(n×n)−Matrizen sind <strong>und</strong> ¨z(.), ż(t) <strong>und</strong> z(.) bzw. S(.) n-d<strong>im</strong>ensionale Vektoren, wobei S(.)<br />

für manche Komponenten auch Null sein kann. Das kann durch eine mit Nullen <strong>und</strong> Einsen besetzte<br />

Matrix E gesteuert werden. Newmark (1959)[122] entwarf durch eine Taylorentwicklung<br />

der Lösung des dynamischen Problems einen nach ihm benannten Algorithmus zur numerischen<br />

Integration für diskrete Zeitpunkte t 0 =0


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Zu beachten ist, daß ¨z(t i ), ż(t i ) <strong>und</strong> z(t i ) nach Gl. (F.2.2) <strong>und</strong> (F.2.3) auch von der vorhergehenden<br />

Werten ¨z(t i−1 ), ż(t i−1 ) <strong>und</strong> z(t i−1 ) abhängen. Wenn Gl. (F.2.3) nach ¨z i aufgelöst wird <strong>und</strong><br />

diese dann in Gl. (F.2.2) eingesetzt wird, ergeben sich Gleichungen für ¨z i <strong>und</strong> ż i , die nur noch z i<br />

enthalten. Diese setzt man in Gl. (F.2.4) eine <strong>und</strong> kann nach z i auflösen.<br />

z i = ˆK −1 ˆF i<br />

(F.2.5)<br />

mit der äquivalenten, effektiven Steifigkeit<br />

ˆK = K + 1<br />

β∆t M + α<br />

2 β∆t C<br />

<strong>und</strong> der äquivalenten, effektiven Lastseite<br />

Schließlich berechnet man<br />

· µ <br />

zi−1<br />

ˆF i = ES i + M<br />

β∆t + żi−1 1<br />

2 β∆t + 2β − 1 ¨z i−1¸<br />

µ <br />

·αzi−1 α<br />

+C<br />

β∆t + β − 1 ż i−1 + ∆t µ α<br />

¨z i−1¸<br />

2 β − 2<br />

¨z i = 1<br />

β∆t 2 (z i − z i−1 ) − 1<br />

β∆tżi−1 −<br />

µ 1<br />

2β − 1 <br />

¨z i−1<br />

(F.2.6)<br />

(F.2.7)<br />

(F.2.8)<br />

ż i = ż i−1 + ∆t(1 − α)¨z i−1 − ∆tα¨z i<br />

(F.2.9)<br />

Um befriedigende Genauigkeit zu erzielen, sollte man ∆t ≤ T/10 wählen mit T der Schwingungsperiode<br />

des Systems, die man schätzen muß. Stillschweigend ist unterstellt, daß M, C <strong>und</strong>/oder<br />

K von (nicht-ergodischen) zufälligen Parametern abhängen können. Man kann auch etwas anders<br />

vorgehen. Ausgehend von Gl. (F.2.4) hat man durch Einsetzen von Gl. (F.2.2) <strong>und</strong> (F.2.3)<br />

(M + Cα∆t + Kβ∆t 2 )¨z i = ES i −<br />

µC(1 − α)∆t + K( 1 2 − β)∆t2 <br />

¨z i−1<br />

− (C + K∆t) ż i−1 − Kz i−1<br />

(F.2.10)<br />

Hier löst man zuerst<br />

M¨z 0 = ES 0<br />

(F.2.11)<br />

aus den Anfangsbedingungen <strong>und</strong> damit Gl. (F.2.10) nach ¨z i . Die Größen ż i <strong>und</strong> z i erhält man aus<br />

den Gl. (F.2.2) <strong>und</strong> (F.2.3).<br />

Der nichtlineare Schwinger erfordert zusätzliche Iterationen, da nunmehr sowohl die Dämpfungsmatrix<br />

als auch, <strong>und</strong> vor allem, die Steifigkeitsmatrix von den aktuellen Bewegungsgrößen abhängen<br />

können. Die Massenmatrix ändert sich <strong>im</strong> allgemeinen nicht. Aufstellung des dynamischen<br />

Gleichgewichts für t i−1 <strong>und</strong> t i <strong>und</strong> Substraktion beider Gleichungen voneinander ergibt eine Glei-<br />

223


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

chung für die inkrementellen Größen:<br />

M∆¨z + C(t)∆ż + K(t)∆z = E∆S(t)<br />

(F.2.12)<br />

Hier hängen nun C(t) <strong>und</strong> K(t) noch vom jeweiligen Zeitverlauf zwischen t i−1 <strong>und</strong> t i ab <strong>und</strong> man<br />

kann Gl. (F.2.10) exakt nur durch Iteration lösen. Näherungsweise kann man jedoch mit C(t i−1 )<br />

<strong>und</strong> K(t i−1 ) rechnen. Es ist also wie in Gl. (F.2.4)<br />

mit<br />

˜K i ∆z i = E∆˜F i<br />

˜K i = K i−1 + 1<br />

β∆t M + α<br />

2 β∆t C i−1<br />

·<br />

żi−1<br />

∆˜F i = ∆F i + M<br />

β∆t + α ¸ ·α<br />

β ¨z i−1 + C i−1<br />

β żi−1 + ∆t µ α<br />

¨z i−1¸<br />

2 β − 2<br />

(F.2.13)<br />

(F.2.14)<br />

(F.2.15)<br />

Alle Größen können aus den Größen zum vorhergehenden Zeitschritt berechnet werden.<br />

Das ergibt<br />

z i = z i−1 + ∆z i (F.2.16)<br />

ż i = ż i−1 + ∆ż i mit ∆ż i = α<br />

β∆t ∆z i − α β żi−1 − ∆t µ α<br />

2 β − 2 ¨z i−1 (F.2.17)<br />

Die Beschleunigungen best<strong>im</strong>mt man am besten aus dem dynamischen Gleichgewicht, d.h. aus<br />

¨z i = M −1 (ES i − C i ż i − K i z i )<br />

(F.2.18)<br />

nachdem man für z i die neuen Dämpfungen C i <strong>und</strong> neuen Steifigkeiten K i berechnet hat. Damit<br />

sichert man Stabilität <strong>und</strong> gute Genauigkeit des Algorithmus. Wenn notwendig, kann man nun<br />

noch iterieren indem man die Gl. (F.2.11) bis (F.2.16) z.B. mit den jeweils mittleren Werten, d.h.<br />

mit ¯K i−1 =(K i−1 + K i )/2 <strong>und</strong> ¯C i−1 =(C i−1 + C i )/2, bis zur Konvergenz neu berechnet. In<br />

der einschlägigen Literatur findet man eine ganze Reihe von alternativen <strong>und</strong> z.T. algorithmisch<br />

<strong>und</strong> vom Aufwand her weiter entwickelte Verfahren. Wenn es gelingt, das Materialverhalten realistisch,<br />

z.B. hysteretisches Verhalten, zu modellieren, verzichtet man oft auf den Ansatz viskoser<br />

Dämpfungen <strong>und</strong> schreibt<br />

M¨z(t)+R(z(t), ż(t)) = ES(t)<br />

(F.2.19)<br />

worin R(., .) die (nichtlineare) Reaktionskraft ist. Dadurch vereinfachen sich die vorstehenden<br />

Ansätze entsprechend.<br />

F.3.<br />

Anwendung<br />

Für die Anwendung <strong>im</strong> Rahmen von FORM/SORM benötigt man vor allem eine effiziente Berechnung<br />

der Gradienten der Zustandsfunktion. Die Schwingungsgleichung sei als<br />

Q(r, ¨z i , ¨z i−1 , ż i−1 , z i−1 )=M(r)¨z i + C(r)ż i + K(r, ż i , z i ,t i ) − EF(t i )=0<br />

(F.3.1)<br />

224


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

geschrieben. Es sei x eine das System oder die Belastung beschreibende Variable <strong>und</strong> Gl. (F.3.1)<br />

sei differenzierbar. Dann hat man mit ∆t = t i − t i−1<br />

µ −1 µ<br />

∂¨z i<br />

∂x = − ∂Qi ∂Qi<br />

∂¨z i ∂x + ∂Q i ∂z i−1<br />

∂z i−1 ∂x<br />

µ<br />

∂ż i<br />

∂x = (1 − α) ∂¨z i−1<br />

∂x<br />

+ α∂¨z <br />

i<br />

∆t + ∂ż i−1<br />

∂x ∂x<br />

µµ <br />

∂z i 1<br />

∂x = 2 − β ∂¨zi−1<br />

∂x<br />

+ β ∂¨z i<br />

∂x<br />

+ ∂Q i ∂ż i−1<br />

∂ż i−1 ∂x<br />

+ ∂Q <br />

i ∂¨z i−1<br />

∂¨z i−1 ∂x<br />

<br />

∆t 2 + ∂ż i−1<br />

∂x ∆t + ∂z i−1<br />

∂x<br />

(F.3.2)<br />

(F.3.3)<br />

(F.3.4)<br />

Die Ableitungen nach Lastvariablen x = f j sind natürlich Null für allej>i.Damit kann man<br />

die in Gl. (F.1.6) bis (F.1.9) erforderlichen Jacobi-Matrizen in jedem Zeitschritt aus den Jacobi-<br />

Matrizen J zi−1 ,r, Jżi−1 ,r, J zi−1 ,f <strong>und</strong> Jżi−1 ,f <strong>und</strong> den neuen Werten für ¨z i , ż i <strong>und</strong> z i ermitteln.<br />

Beispiel F.3.1: Duffingscher Schwinger<br />

Der Duffingsche Schwinger hat die spezielle Differentialgleichung<br />

¨z(t)+2ωξ ż(t)+ω 2 (1 + γz 2 (t))z(t) =F (t) (1)<br />

γ ist ein Nichtlinearitätsparameter für die Steifigkeit. Für γ =0ergibt sich die Differentialgleichung<br />

des linearen Schwingers. Wenn die Anregung Gaußsches weißes Rauschen ist, wurde die<br />

Gleichung von Duffing für den stationären Fall gelöst. Sie ist die einzige bekannte Schwingungsgleichung,<br />

die bei Nichtlinearität analytisch exakt lösbar ist [98] . Die gemeinsame Verteilung von<br />

z <strong>und</strong> ż berechnet man zu<br />

· µż2 µ b<br />

z<br />

2<br />

f(z,ż) =C exp<br />

πS 0 2 + ω 2 + γ ¸<br />

4 z4 (2)<br />

mit<br />

C =<br />

1<br />

√<br />

2πωσ0<br />

R ∞<br />

−∞ exp ·<br />

q<br />

πS 0<br />

bω 2<br />

1<br />

− ³ ´<br />

σ 2 z 2<br />

0 2 +γ z4 4<br />

¸<br />

dz<br />

≈<br />

2π 2 S 0<br />

bω<br />

1<br />

³ ´ (3)<br />

1 − γ 3 πS 0<br />

4 βω 2<br />

Es ist b = 2ωξ, σ 0 = <strong>und</strong> die Intensität desweißen Rauschens ist S 0 . Die Näherung<br />

gilt für kleines γ. z<strong>und</strong> ż sind unabhängig voneinander. ż ist, wie man sieht, normalverteilt, z<br />

nur wenn γ =0. Die Standardabweichung σŻ von ż ist πS 0<br />

<strong>und</strong> von z σ 2 b Z = R ∞<br />

−∞ z2 f(z)dz =<br />

R ∞<br />

−∞ z2 C √ h ³ ´i<br />

2πσ 0 exp − 1 z 2<br />

+ γ z4<br />

σ 0<br />

dz. Die Austrittsrate ist daher<br />

2 4<br />

ν + (a) =C πS 0<br />

b<br />

µ ¸<br />

exp<br />

·− bω2 a<br />

2<br />

πS 0 2 + γ a4<br />

4<br />

Damit kann jede Näherung verglichen werden. Für S 0 =100, ω =20rad/s <strong>und</strong> ξ =0.1 ergibt sich<br />

mit t i −t i−1 =0.01 sfür die Zustandsfunktion g(z(t)) = 3σ−z(t) beispielsweise (2β = α =0.5)<br />

(4)<br />

225


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

γ Exakt FORM<br />

0.2 1.64·10 −2 1.58·10 −2<br />

0.4 7.55·10 −3 7.34·10 −3<br />

0.6 3.47·10 −3 3.36·10 −3<br />

0.8 1.59·10 −3 1.54·10 −3<br />

mit σ 2 = πS0 der Varianz des linearen Schwingers (γ =0). Für die Darstellung des weißen<br />

2ξω 3<br />

Rauschens wurden eine Folge von 200 unabhängigen normalverteilten Variablen mit Mittelwert<br />

Null <strong>und</strong> Varianz 2πS 0 ∆t verwendet <strong>und</strong> die Berechnung der Austrittsrate nach Gl. (F.1.4) erfolgte<br />

mit ∆ =0.0001 s. Die Übereinst<strong>im</strong>mung der FORM-Näherung <strong>und</strong> des exakten Resultats ist<br />

hervorragend.<br />

#<br />

Wie erwähnt, können aber auch instationäre, nichtgaußische Anregungen sowie andere Typen der<br />

Nichtlinearität behandelt werden <strong>und</strong> Ein- <strong>und</strong> Ausschwingvorgänge studiert werden - Aufgaben,<br />

die mit keinem anderen Verfahren außer mit Monte Carlo Verfahren, das jedoch mit ungleich höherem<br />

Aufwand, gelöst werden können [96] , [97] . Außerdem birgt eine Verallgemeinerung auf<br />

Systeme mit mehreren Freiheitsgraden keine zusätzlichen Schwierigkeiten.<br />

226


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Kapitel 9.<br />

Opt<strong>im</strong>ierung von baulichen Anlagen<br />

9.1. Allgemeines<br />

Die Betrachtungen in diesem Abschnitt gehen auf Rosenblueth/Mendoza [149] , Hasofer [68] <strong>und</strong><br />

Rosenblueth [147] zurück <strong>und</strong> wurden in [69] sowie [140] vertieft.<br />

Eine allgemeine Zielfunktion ist:<br />

Z(p) =B(p) − C(p) − D(p) (9.1.1)<br />

B(p) ist der aus der Existenz einer baulichen Anlage erwachsende Nutzen, C(p) sind die Errichtungskosten<br />

<strong>und</strong> D(p) die Kosten bei einem Versagen der Anlage. p ist ein Vektor von Bemessungsparametern.<br />

Im Sinne der statistischen Entscheidungstheorie sind jeweils die Erwartungswerte<br />

zu nehmen. B(p) wird <strong>im</strong> allgemeinen von den Bemessungsparametern unabhängig sein<br />

oder allenfalls mit p geringfügig abnehmen (gemeint ist hier in gewissen Komponenten von p). Im<br />

folgenden wird meist B(p) =B gesetzt. Für die Erstellungskosten macht man häufig den Ansatz<br />

C(p) ≈ C 0 + P r<br />

i=1 c ip i .C 0 sind die nicht von p abhängigen Kosten. Meist ist C 0 À P r<br />

i=1 c ip i .<br />

Die erwarteten Schadenskosten D(p) ergeben sich wie in Gl. (3.3.6) als Produkt der Schadenskosten<br />

L <strong>und</strong> der von p abhängigen Versagenswahrscheinlichkeit P f (p). Zur Vereinfachung sei noch<br />

angenommen, daß C(p) <strong>und</strong> D(p) wenigstens einmal differenzierbar sind. Unter der Annahme,<br />

daß C(p) in jeder Komponente von p wächst <strong>und</strong> D(p) fällt, kann man erwarten, daß Z(p) ein<br />

Max<strong>im</strong>um hat. Diesen Sachverhalt veranschaulicht Abb. 9.1, eine vollständigere Darstellung derselben<br />

Gegebenheiten wie in Abb. 1.3. Die Kostenansätze werden für die Beteiligten, also den<br />

Bauherrn oder Betreiber, den Nutzer <strong>und</strong> die Gesellschaft verschieden sein. Ein Bauwerk ist wirtschaftlich<br />

aber nur sinnvoll, wenn für alle Beteiligten Z(p) für gewisse Parameterbereiche positiv<br />

ist. Der sinnvolle Parameterbereich ist der Durchschnitt aller Kostenansätze für Z(p).<br />

Kosten<br />

B<br />

C(p)<br />

D(p)<br />

Opt<strong>im</strong>um<br />

Bemessungs -<br />

parameter p<br />

sinnvoller Bereich<br />

Z(p)<br />

Abb. 9.1.Erwartete Kostenanteile (nach Rosenblueth/Esteva, 1972)<br />

227


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Eine Opt<strong>im</strong>ierungsrechnung soll für den Zeitpunkt der Entscheidung über die die <strong>Zuverlässigkeit</strong><br />

kontrollierenden Parameter, d.h. für t =0, angestellt werden. Alle Kosten müssen daher abgezinst<br />

werden. Wir nehmen zunächst eine für alle praktische Zwecke ausreichende, stetige Zinsfunktion<br />

mit konstantem Zinssatz an 16 :<br />

δ(t) =exp[−γt] (9.1.2)<br />

Wenn ein jährlicher Zinssatz γ 0 definiert ist, rechnet man mit γ =ln(1+γ 0 ) um. Wenn Versagen<br />

mit den Folgen D 0 zum Zeitpunkt t erfolgt, <strong>und</strong> ein konstanter Nutzen b(t) =b pro Zeiteinheit<br />

angesetzt wird, ist B(t) = R t<br />

b(u)exp[−γu] du = b (1 − exp [−γt]) <strong>und</strong> D(t) =D 0 γ 0 exp [−γt] .<br />

Später wird noch deutlich, daß eine stetige Verzinsung die mathematischen Aufgaben wesentlich<br />

vereinfacht 17 .<br />

Es ist zweckmäßig zwischen Bauwerken zu unterscheiden, die nach dem Versagen aufgegeben<br />

werden <strong>und</strong> solchen, bei denen systematischer Wiederaufbau oder Reparatur erfolgt. Außerdem<br />

sei zwischen Bauwerken unterschieden, die bei Inbetriebnahme oder nie <strong>und</strong> solchen, die später<br />

durch zeitabhängige <strong>Lasten</strong> oder Alterung zu zufälligen Zeitpunkten versagen. Dabei gilt zunächst<br />

die Annahme, daß die Bauzeiten vernachlässigbar klein gegenüber den Nutzungszeiten sind. Es ist<br />

daher nicht notwendig, letztere gesondert zu betrachten. Auf den ersten Blick scheint es fürkeine<br />

der beiden Wiederaufbaustrategien irgendwelche Präferenzen zu geben. Tatsächlich ist systematischer<br />

Aufbau nach einem Versagen, zumindest gedanklich <strong>und</strong> wenigstens bei allen der Infrastruktur<br />

dienenden baulichen Anlagen, die richtige Strategie. Systematischer Wiederaufbau nach<br />

16<br />

Wegen der großen Bedeutung der exponentiellen Verzinsung <strong>im</strong> Folgenden leiten wir diese kurz ab. Es sei der<br />

Zuwachs pro Zeiteinheit dem Wert einer Funktion, z.B. einem Guthaben auf der Bank, proportional, also z.B.<br />

dC(τ)<br />

dτ<br />

= k(τ)C(τ); k(τ) 6= 0<br />

Bei Berechnung des Gegenwartswertes eines Guthabens zum Zeitpunkt t ist k(τ) negativ. Diese einfache Differentialgleichung<br />

wird separiert, integriert <strong>und</strong> nach C(t) aufgelöst.<br />

Z C(t)<br />

C(0)<br />

dC(τ)<br />

C(τ)<br />

=<br />

ln(C(t)) − ln(C(0)) =<br />

Z t<br />

0<br />

Z t<br />

0<br />

k(τ)dτ<br />

k(τ)dτkt<br />

<strong>und</strong> somit<br />

·Z t<br />

C(t) =C(0) exp<br />

0<br />

¸<br />

k(τ)dτ<br />

Für k(τ) =k ist<br />

C(t) =C(0) exp [kt]<br />

17<br />

Manchmal sind Finanzierungskosten zu berücksichtigen. Dann erhöhen sich die Errichtungskosten. Müssen die<br />

ganzen Errichtungskosten finanziert werden, sind sie mit dem Faktor 1−exp[−γ tf] f<br />

zu multiplizieren, denn das sind<br />

exp[γ f ]−1<br />

die Gesamtkosten des Projekts. γ f ist der Zinssatz auf dem Kapitalmarkt <strong>und</strong> t f die Finanzierungsperiode. Die<br />

exp[γ<br />

(konstante) Annuität ist gleich C(p)<br />

f ]−1<br />

mit C(p) den Errichtungskosten zum Zeitpunkt t =0. Eine solche<br />

1−exp[−γ f t f]<br />

Annuität verringert den Nutzen <strong>im</strong> Zeitraum [0,t f ] .<br />

228


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

einem Versagen erfüllt auch das Gebot der Nachhaltigkeit. Aufgabe nach einem Versagen kann<br />

man sich nur bei Hilfskonstruktionen oder bei Anlagen, die der Ausbeutung von Bodenschätzen<br />

dienen, vorstellen.<br />

Die Begriffe ’’systematischer Wiederaufbau oder (perfekte) Reparatur’’ <strong>im</strong> Rahmen des Erneuerungsmodells,<br />

welches in diesem <strong>und</strong> allen weiteren Abschnitten dieses Kapitels verwendet wird,<br />

erfordern noch Präzisierung. Die Erneuerungstheorie (siehe Abschnitt 7.1.5) verlangt, daß alle<br />

Zeiten zwischen den Erneuerungen unabhängig <strong>und</strong>, gegebenenfalls bis auf die erste, identisch<br />

verteilt sind. Bei einer Erneuerung (Wiederaufbau, Reparatur) müssen also die ursprünglichen,<br />

stochastischen Eigenschaften der Komponenten wiederhergestellt werden. In der Praxis bedeutet<br />

das, daß die gleichen Bemessungsregeln gelten um gleiche Verteilungen zwischen den Erneuerungszeiten<br />

zu erhalten - auch wenn sich Topologie, System <strong>und</strong> womöglich Baustoffe ändern.<br />

Um Unabhängigkeit der Erneuerungszeiten zu gewährleisten muß unterstellt werden, daß z.B. die<br />

Belastungen in den Erneuerungsintervallen keine Abhängigkeiten aufweisen.<br />

9.2. Versagen bei Errichtung oder Inbetriebnahme durch zeitinvariante<br />

<strong>Lasten</strong><br />

Die Zielfunktion für Versagen bei Inbetriebnahme <strong>und</strong> Aufgabe des Bauwerks nach dem Versagen<br />

ist<br />

Z(p) =B ∗ R f (p) − C(p) − LP f (p) =B ∗ − C(p) − (B ∗ + L)P f (p) (9.2.1)<br />

Hierin sind R f (p) die <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> P f (p) die Versagenswahrscheinlichkeit. L sind die<br />

direkten Kosten eines Versagens einschließlich der Abruch- <strong>und</strong> Abräumkosten. Bei Versagen bei<br />

Inbetriebnahme <strong>und</strong> systematischem Wiederaufbau nach dem Versagen ist jedoch<br />

Z(p) = B ∗ − C(p) − (C(p)+L)<br />

∞X<br />

iP f (p) i R f (p)<br />

i=1<br />

= B ∗ P f (p)<br />

− C(p) − (C(p)+L)<br />

1 − P f (p))<br />

wegen, Unabhängigkeit der Versagensereignisse vorausgesetzt,<br />

∞X<br />

∞X<br />

iP f (p) i R f (p) =(1− P f (p)) iP f (p) i P f (p)<br />

=(1− P f (p))<br />

(1 − P f (p)) = P f(p)<br />

2 1 − P f (p)<br />

i=1<br />

i=1<br />

(9.2.2)<br />

Nach einem Versagen wird man natürlich die Ursachen für das Versagen erforschen <strong>und</strong> den Entwurf<br />

gegebenenfalls ändern. Hier nehmen wir jedoch an, daß der Entwurf bereits opt<strong>im</strong>al ist <strong>und</strong><br />

daher keine Veranlassung besteht, die Bemessungsregeln zu ändern. Bei jeder Erneuerung (systematischer<br />

Wiederaufbau) realisieren sich die stochastischen Eigenschaften neu <strong>und</strong> unabhängig<br />

voneinander. Bei Bauwerken ist P f (p) ¿ 1 <strong>und</strong> daher näherungsweise<br />

Z(p) = B ∗ − C(p) − (B ∗ + L)P f (p)<br />

bzw.<br />

Z(p) ≈ B ∗ − C(p) − (C(p)+L)P f (p)<br />

229


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

für Gl. (9.2.1) bzw. (9.2.2). Das sind die am häufigsten verwendeten Zielfunktionen.<br />

Eine gewisse Unsicherheit besteht darüber, wie groß der Nutzen sowohl in Gl (9.2.1) als auch in<br />

(9.2.2) anzusetzen ist. Für eine beabsichtigte Nutzungsdauer t s ist wie erwähnt<br />

B(t s )=<br />

Z ts<br />

Bei konstantem zeitunabhängigen Nutzen b(t) =b ist<br />

<strong>und</strong> somit für t s →∞<br />

0<br />

b(t)δ(t)dt (9.2.3)<br />

B(t s )= b γ [1 − exp [−γt s]] (9.2.4)<br />

B ∗ = b γ<br />

(9.2.5)<br />

9.3. Versagen durch extreme Belastungen<br />

9.3.1. Aufgabe des Bauwerks nach einem Versagen<br />

Der Fall, daß Versagen bei Inbetriebnahme oder schon während des Baues erfolgt, ist am ehesten<br />

durch ständige <strong>Lasten</strong> denkbar. Realistischer ist die Annahme, daß Versagen erst durch zeitabhängige<br />

Belastungen zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt. Die zufällige Zeit bis zum ersten Versagensereignis<br />

habe die Verteilungsfunktion F 1 (t, p) <strong>und</strong> die Dichte f 1 (t, p). Bei Aufgabe des<br />

Bauwerks nach einem Versagen ist dann offensichtlich<br />

B(t s )=<br />

Z ts<br />

0<br />

b(t)δ(t)R 1 (t, p)dt (9.3.1.1)<br />

<strong>und</strong> daher<br />

Z(p) =<br />

Z ts<br />

0<br />

D(t s )=<br />

Z ts<br />

0<br />

b(t)δ(t)R 1 (t, p)dt − C(p) −<br />

f 1 (t, p)δ(t)Ldt (9.3.1.2)<br />

Z ts<br />

0<br />

δ(t)f 1 (t, p)Ldt (9.3.1.3)<br />

Für t s →∞,b(t) =b <strong>und</strong> f1 ∗ (γ, p) = R ∞<br />

e −γt f<br />

0 1 (t, p)dt = E [exp (−γT 1 )] der Laplacetransformierten<br />

von f 1 (t, p) ist<br />

B(p) = b γ<br />

Z ∞<br />

0<br />

(1 − exp [−γt])f 1 (t, p)dt = b γ [1 − f ∗ 1 (γ, p)] (9.3.1.4)<br />

<strong>und</strong><br />

D(p) =H<br />

Z ∞<br />

0<br />

e −γt f 1 (t, p)dt = Lf ∗ 1 (γ, p) (9.3.1.5)<br />

230


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Für den wichtigen Poissonschen Versagensprozeß, dessen Verteilungsfunktion der Zeiten zwischen<br />

den Ereignissen die Exponentialverteilung mit der Dichte f 1 (t) =λ exp [−λt] ist, ist<br />

f ∗ 1 (γ) =<br />

Z ∞<br />

0<br />

exp [−γt] λ exp [−λt] dt =<br />

λ<br />

γ + λ<br />

(9.3.1.6)<br />

Damit ist:<br />

Z(p) = b γ<br />

·<br />

1 − λ ¸<br />

γ + λ<br />

− C(p) − H<br />

λ<br />

γ + λ =<br />

b<br />

γ + λ − C(p) − L λ<br />

γ + λ<br />

(9.3.1.7)<br />

Wir erweitern das Modell noch ein wenig <strong>und</strong> nehmen Belastungsereignisse wie in Abb. 6.3 an.<br />

Wir nehmen an, daß die Zeit bis zum ersten Ereignis die Dichte f 1 (t) hat, während alle anderen<br />

Zeiten zwischen den Ereignissen die Dichte f(t) haben. Das entspricht einem modifizierten Erneuerungsprozeß.<br />

Das ist sinnvoll, weil die Belastungsereignisse nicht beeinflußbar sind. Der<br />

Zeitnullpunkt liegt daher irgendwo zwischen dem nullten <strong>und</strong> dem ersten Ereignis. Bei einem<br />

Poissonprozeß sind die Dichten der Zeiten gleich. Bei einem Belastungsereignis erfolge Versagen<br />

mit der Wahrscheinlichkeit P f (p). Belastungszeiten <strong>und</strong> Versagensereignisse sind voraussetzungsgemäß<br />

unabhängig. Die Dichtefunktion der Zeit bis zum ersten Versagen ist nunmehr:<br />

f 1 (t, p) =<br />

∞X<br />

g n (t)P f (p)R f (p) n−1 (9.3.1.8)<br />

n=1<br />

Sie trägt der Tatsache Rechnung, daß das erste Versagen be<strong>im</strong> ersten, zweiten, dritten, usw. Belastungsereignis<br />

erfolgen kann. Die Dichte zum n-ten Ereignis g n (t) wird durch rekursive Faltung<br />

erhalten<br />

g n (t, p) =<br />

Z t<br />

0<br />

g n−1 (t − τ, p)g 1 (τ, p)dτ, n =2, 3,.... (9.3.1.9)<br />

oder mithilfe der Laplacetransformation g1(γ, ∗ p) = R ∞<br />

e −γt g<br />

0 1 (t, p)dt <strong>und</strong><br />

gn−1 ∗ (γ, p) =R ∞<br />

e −γt g<br />

0 n−1 (t, pt)dt nach der Faltungsformel für Laplacetranformierte aus 18 :<br />

Anwendung auf Gl. (9.3.1.8) ergibt<br />

h ∗ 1(γ, p) =<br />

=<br />

g ∗ n(γ, p) =g ∗ n−1(γ, p)g ∗ (γ, p) =g ∗ 1(γ, p)[g ∗ (γ, p)] n−1 (9.3.1.10)<br />

∞X<br />

g1(γ)g ∗ n−1(γ)P ∗ f (p)R f (p)) n−1 =<br />

n=1<br />

P f (p)g ∗ 1(γ)<br />

1 − R f (p)g ∗ (γ)<br />

∞X<br />

g1(γ)[g ∗ ∗ (γ)] n−1 P f (p)R f (p) n−1<br />

n=1<br />

(9.3.1.11)<br />

18<br />

Wenn f(t) eine Wahrscheinlichkeitsdichte ist, ist f ∗ (γ) =E [exp (−γT )] = R ∞<br />

exp (−γt) f(t)dt <strong>und</strong> es gilt<br />

0<br />

f ∗ (0) = 1, f ∗ (∞) =0<strong>und</strong> 0


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Der gegenwärtige Wert des erwarteten Schadens ist<br />

<strong>und</strong> der Nutzen wird für t →∞zu:<br />

D(p) =Lh ∗ 1(γ, p) (9.3.1.12)<br />

B = b γ (1 − h∗ 1(γ, p)) (9.3.1.13)<br />

Für den gewöhnlichen Erneuerungsprozeß ist h ∗ 1 (γ, p) durch h∗ (γ, p) zu ersetzen. Für denPoissonschen<br />

Belastungsprozeß findet man:<br />

h ∗ (γ, p) =<br />

P f (p) λ<br />

γ+λ<br />

1 − (1 − P f (p)) λ<br />

γ+λ<br />

= P f(p)λ<br />

γ + P f (p)λ<br />

(9.3.1.14)<br />

Für einen Poissonschen Prozeß der Belastungsereignisse mit Intensität λ <strong>und</strong> zufälligem Versagen<br />

bei einem Ereignis mit Versagenswahrscheinlichkeit P f (p) ist der Versagensprozeß ebenfalls ein<br />

Poissonprozeß mit Intensität λP f (p). In diesem Fall kann man Gl. (9..3.1.3) direkt integrieren:<br />

B(t s , p) =<br />

b<br />

γ + λP f (p) (1 − exp [−(γ + λP f(p))t s ]) (9.3.1.15)<br />

D(t s , p) =L<br />

λP f(p)<br />

γ + λP f (p) (1 − exp [−(γ + λP f(p))t s ]) (9.3.1.16)<br />

Diese Gleichungen können einen Hinweis geben wie schnell asymptotische Verhältnisse bezüglich<br />

t s erreicht werden. Für t s →∞ergibt sich<br />

B ∗ (p) =B(∞, p) =<br />

b<br />

γ + λP f (p)<br />

D(p) =L<br />

λP f(p)<br />

γ + λP f (p)<br />

(9.3.1.17)<br />

(9.3.1.18)<br />

<strong>und</strong> daher:<br />

Z(p) = b − λP f(p)L<br />

γ + λP f (p)<br />

− C(p) (9.3.1.19)<br />

Bei nicht konstantem Nutzen ist<br />

·Z U1<br />

¸<br />

B = E b(t)exp[−γt] dt =<br />

0<br />

Z ∞<br />

0<br />

b(t)exp[−γt] f 1 (t)dt (9.3.1.20)<br />

mit U 1 der zufälligen Zeit zum ersten Versagen. Die Formel gilt auch bei endlicher Nutzungszeit<br />

wobei die obere Grenze <strong>im</strong> Integral durch t s ersetzt wird.<br />

232


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Beispiel 9.3.1.1: Zielfunktion für Anlagen der Lagerstättenausbeutung<br />

Anlagen zur Ausbeutung von Lagerstätten haben oft eine zunächst stark ansteigende Nutzenfunktion<br />

bis letztere wegen Erschöpfung der Lagerstätte wieder abfallen. Die Anlage wird bis zum Ende<br />

der Nutzungszeit t s betrieben oder nach einem Versagen aufgegeben. Die Nutzenfunktion kann<br />

z.B. durch die Funktion b(τ) =aτ exp [−bτ 2 ] genähert werden. Wenn insbesondere die äußeren<br />

Belastungsereignisse durch eine stationären Poissonprozeß mit Intensität λ beschrieben werden<br />

können bei denen Versagen mit Wahrscheinlichkeit P f (p) eintritt <strong>und</strong> somit λ(p) =λP f (p) ist,<br />

ist<br />

B(t s , p) = aπ<br />

¸<br />

·1<br />

16b (γ + (γ + λ(p)) 2<br />

3 λ(p))2 γ exp<br />

×<br />

4 b<br />

µ<br />

¸<br />

¸<br />

·2bts + γ + λ(p)<br />

·γ + λ(p)<br />

× erf<br />

2 √ − erf<br />

b<br />

2 √ b<br />

(1)<br />

<strong>und</strong>:<br />

#<br />

D(t s , p) =<br />

λ(p)L<br />

γ + λ(p) (1 − exp [−(γ + λ(p))t s]) (2)<br />

9.3.2. Systematischer Wiederaufbau nach einem Versagen<br />

Für den wichtigeren Fall des systematischen Wiederaufbaus nach einem Versagen <strong>und</strong> konstantem<br />

b(t) =b ist<br />

Z ∞<br />

B = b e −γt dt = b (9.3.2.1)<br />

0 γ<br />

sowie<br />

∞X<br />

Z ∞<br />

D(p) = (C(p)+H) exp [−γt] f n (t, p)dt (9.3.2.2)<br />

n=1<br />

= (C(p)+H)h ∗ 1 (γ, p)<br />

worin das Integral in der ersten Zeile gerade der Laplacetransformation entspricht. h ∗ 1 (γ, p) ist die<br />

Laplacetransformierte der Erneuerungsintensität, da wegen h 1 (t, p) = P ∞<br />

n=1 f n(t, p) (vergl. Gl.<br />

(7.1.5.3)) für die Laplacetransformierte gilt:<br />

∞<br />

h ∗ 1 (γ, p) = X<br />

∞<br />

fn ∗(γ, p) = X<br />

f1 ∗(γ, p)[f(γ, p)]n−1 = f 1 ∗ (γ, p)<br />

(9.3.2.3)<br />

1 − f ∗ (γ, p)<br />

n=1<br />

n=1<br />

Wenn die Erneuerungen einem gewöhnlichen Erneuerungsprozeß folgen, ist f1 ∗ (γ, p) <strong>im</strong> Zähler<br />

durch f ∗ (γ, p) zu ersetzen. Für den Gleichgewichtsprozeß findet man die Laplacetranformierte<br />

von Gl. (7.1.5.11) als f ∗ (γ, p) = 1−f ∗ (γ,p)<br />

<strong>und</strong> als Erneuerungsintensität h ∗ (γ, p) = 1 mit<br />

γm(p) γm(p)<br />

m(p) dem Mittelwert der Erneuerungszeiten. Das ist auch das asymptotische, für alle Typen von<br />

0<br />

233


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Erneuerungsprozessen geltende Resultat (vergl. Gl. 7.1.5.9).<br />

l<strong>im</strong> h(t, p) =l<strong>im</strong><br />

t→∞ γ→0 γh∗ (γ, p) = 1<br />

m(p)<br />

(9.3.2.4)<br />

Für den Poissonprozeß gilt also wegen λ(p) = 1<br />

m(p) speziell:<br />

h ∗ (γ, p) = λ(p)<br />

γ<br />

(9.3.2.5)<br />

Ganz generell kann man den Versagensprozeß asymptotisch durch einen Poissonprozeß mit Intensität<br />

λ(p) ersetzen <strong>und</strong> es ist:<br />

Z(p) = b γ<br />

− C(p) − (C(p)+L)λ(p)<br />

γ<br />

= b γ<br />

− C(p) −<br />

(C(p)+L)<br />

m(p)γ<br />

(9.3.2.6)<br />

Für andere Zeiten zwischen den Ereignissen kann man in einigen Fällen die Laplacetransformationen<br />

analytisch angeben. Einige dieser Fälle sind in Tabelle 9.3.1 aufgelistet.<br />

Name Dichtefunktion f(t) Laplacetransformation f ∗ (γ)<br />

Deterministisch δ(a) exp [−aγ]<br />

1<br />

exp[−aγ]−exp[−bγ]<br />

Rechteck<br />

b−a<br />

γ(b−a)<br />

λ<br />

Exponential<br />

λ exp [−λt]<br />

γ+λ<br />

³ ´k<br />

λ<br />

Gamma<br />

k<br />

Γ(k) tk−1 λ<br />

exp [−λt]<br />

γ+λ<br />

h<br />

2t<br />

Rayleigh<br />

exp − ¡ ¢ i<br />

t 2<br />

1 − γw√ π<br />

exp £ 1<br />

w 2 w<br />

2 4 γ2 w 2¤ erf c ¡ 1<br />

2<br />

1<br />

Normal (t ≥ 0) √ 1<br />

¡<br />

2π<br />

h− 1 t−µ<br />

¢ i<br />

2 1<br />

exp £ 1<br />

σ 2 σ Φ( µ σ ) 2 (γσ2 − 2µ) ¤ h 1+erf 1<br />

σ √ 2 (µ−γσ2 )<br />

2Φ( µ σ<br />

h<br />

i<br />

µq<br />

¸<br />

)<br />

t<br />

Invers Normal 0σ<br />

(2πt 3 ) −1/2 exp − a2 t<br />

+ at 2σ 2 0<br />

− t2 σ 2 0<br />

a<br />

exp<br />

·−t 2σ 2 t<br />

0 + 2γ − a<br />

σ 4 σ 2 σ 2<br />

Tabelle 9.3.1: Analytische R Laplacetransformationen für einige Modelle für Versagenszeiten<br />

(erfc(x) = √ 2 ∞<br />

exp π x<br />

[−u2 ] du ist die komplementäre Gaußschen Fehlerfunktion)<br />

Für kleine γ <strong>und</strong> bekanntem Mittelwert µ sowie bekannter Standardabweichung σ der Versagenszeiten<br />

kann man eine Näherung für beliebig verteilte Versagenszeiten ableiten. Diese ist<br />

die (zweiseitige) Laplacetransformation exp £ 1<br />

γ 2 (γσ2 − 2µ) ¤ der Normalverteilung. Hierbei muß<br />

γ ≤ 2µ/σ 2 gelten <strong>und</strong> natürlich V = σ/µ klein sein wegen f ∗ (γ) ≤ 1 . Falls die Bedingung<br />

γ ≤ 2µ/σ 2 nicht erfüllt sein sollte, kann man auch durch die Gammaverteilung nähern, d.h. durch<br />

³ ´k<br />

f ∗ λ<br />

(γ) =<br />

γ+λ mit λ =<br />

µ<br />

<strong>und</strong> k = ¡ µ 2<br />

σ σ¢<br />

wobei k ganzzahlig sein muß 19 .<br />

2<br />

i<br />

19<br />

Die Verwendung einer stetigen Diskontierungsfunktion <strong>und</strong> stetige Dichten der Zeiten zwischen Ereignissen waren<br />

Vorraussetzung für den Einsatz der Laplacetransformation. Man kann ähnliche Ergebnisse aber auch für diskrete<br />

Modelle finden. Es sei p(n) =P (T = n) die Wahrscheinlichkeitsmassenverteilung (Dichte) eines diskreten Erneuerungsvorgangs<br />

mit T der Zeit zwischen den Ereignissen E. Esseia 0 ,a 1 ,a 2 ,...eine Folge von ganzen Zahlen.<br />

Die Funktion A(s) =a 0 + a 1 s + a 2 s 2 + ... wird erzeugende Funktion der Folge a k genannt, wenn sie <strong>im</strong> Intervall<br />

234


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Für das in Gl. (9.3.1.8) behandelte Modell geht man wie folgt vor. Nach Gl. (9.3.1.11) ist die<br />

Laplacetransformierte für die Dichte der Zeit bis zum ersten Versagen g 1 (t) gleich<br />

g ∗ 1 (γ) =<br />

P f(p)f ∗ 1 (γ)<br />

1 − R f (p)f ∗ (γ)<br />

<strong>und</strong> folglich die aller anderen Zeiten zwischen den Versagensereignissen:<br />

g ∗ (γ) =<br />

P f(p)f ∗ (γ)<br />

1 − R f (p)f ∗ (γ)<br />

Entsprechend Gl. (9.3.2.2) ist daher der erwartete verzinste Schaden<br />

D(p) =<br />

∞X<br />

(C(p)+L)<br />

k=1<br />

Z ∞<br />

g ∗<br />

= (C(p)+L)<br />

1(γ)<br />

1 − g ∗ (γ)<br />

0<br />

exp [−γt] g k (t)dt<br />

−1


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

<strong>und</strong> nach Einsetzen von g ∗ 1(γ) <strong>und</strong> g ∗ (γ)<br />

D(p) = (C(p)+L)<br />

P f (p)f ∗ 1 (γ)<br />

1−R f (p)f ∗ (γ)<br />

1 − P f (p)f ∗ (γ)<br />

1−R f (p)f ∗ (γ)<br />

= (C(p)+L) P f(p)f ∗ 1 (γ)<br />

1 − f ∗ (γ)<br />

(9.3.2.7)<br />

Für einen Poissonprozeß der Belastungsereignisse (<strong>und</strong> damit auch für den Versagensprozeß) ist<br />

speziell:<br />

D(p) =(C(p)+L) P f(p)λ<br />

(9.3.2.8)<br />

γ<br />

Beispiel 9.3.2.1: Opt<strong>im</strong>ierung der Zielfunktion (9.4.1.1)<br />

Eine Illustration des Ansatzes (9.3.2.8) soll an einem einfachen Beispiel erfolgen. Der Lastprozeß<br />

ist ein eind<strong>im</strong>ensionaler, stationärer Poissonscher Rechteckwellenprozeß mit Sprungrate λ <strong>und</strong><br />

Versagensrate h(p) =λ(p) =λP f (p). Als Zustandsfunktion gilt g U (x) =R − S für denTragfähigkeitszustand.<br />

Als Bemessungparameter wird der zentrale Sicherheitsfaktor p = m R /m S<br />

gewählt. Dann lautet Gl. (9.3.2.8) bei konstantem Nutzen b = βC 0 , konstantem Zinssatz γ <strong>und</strong><br />

bei systematischem Wiederaufbau<br />

Z(p) = b γ − (C 0 + C 1 p)<br />

−(C 0 + C 1 p + L) λ(p)<br />

γ<br />

(1)<br />

mit<br />

⎛ n o ⎞<br />

1+V 2<br />

⎜<br />

ln pq<br />

S<br />

1+VR<br />

λ(p) =λΦ ⎝−p 2 ⎟<br />

ln ((1 + V<br />

2<br />

R )(1 + VS 2))<br />

⎠ (2)<br />

Bei Aufgabe der Anlage nach einem Versagen ist nach Gl. (9.3.1.19) für t s →∞<br />

Z(p) =<br />

b<br />

γ + λ(p) − (C 0 + C 1 p) − L<br />

λ(p)<br />

γ + λ(p)<br />

(3)<br />

Die Lösung wird am einfachsten aus<br />

∂Z(p)<br />

=0 (2)<br />

∂p<br />

gewonnen. Das Differenzieren <strong>und</strong> die Nullstellensuche führt man am besten numerisch aus. Die<br />

Parameterannahmen, die für Brücken typisch sein mögen, sind in Abb. 9.2 angegeben. Die Zielfunktion<br />

wird nur positiv in einem best<strong>im</strong>mten Bereich, wenn β in b = βC 0 r<strong>und</strong> das zweifache<br />

oder mehr von γ beträgt. Wenn Z(p) überall negativ ist, ist ein positives Z(p) nur durch Erhöhung<br />

von B ∗ zu erreichen. Interessant sind der Verlauf des Nutzen-<strong>und</strong> Schadensterm bei Aufgabe der<br />

236


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Abb. 9.2.Kostenanteile (R <strong>und</strong> S log-normalverteilt,λ= 100, b =0.08,γ = 0.03, C 1 /C 0 = 0.03, H/C 0 =<br />

3), durchgezogene Linien für systematischen Wiederaufbau, gestrichelte Linien für Aufgabe nach einem<br />

Versagen<br />

Anlage nach dem Versagen. Man beobachtet für den Fall systematischen Wiederaufbaus nach dem<br />

Versagen <strong>im</strong> Einzelnen Folgendes (vergl. auch Abb. 9.3,9.4 <strong>und</strong> 9.5):<br />

• Wenn C 1 um eine Größenordnung angehoben wird, vergrößert sich die opt<strong>im</strong>ale Versagensrate<br />

ebenfalls um r<strong>und</strong> eine Größenordnung. Fürgrößere C 1 ist die Abnahme geringer. Realistisch<br />

sind jedoch nur Werte von etwa C 1 ≈ 0.005 bis höchstens 0.1.<br />

• Wenn L um eine Größenordnung wächst, erniedrigt sich die opt<strong>im</strong>ale Versagensrate um eine<br />

Größenordnung. Für sehrgroße L ist die Abnahme geringer. L/C 0 variiert realistisch von<br />

weniger als 1 bis kaum über 10.<br />

• Mit dem Zinssatz erniedrigt sich die opt<strong>im</strong>ale Versagensrate, allerdings nicht sehr stark. Im Fall<br />

von Abb. 9.5 ist die Zielfunktion oberhalb von γ =0.055 überall negativ.<br />

• Vergrößerung der Sprungrate λ resultiert in nur unerheblichen Verkleinerungen der opt<strong>im</strong>alen<br />

Versagensrate.<br />

• Der Variationskoeffizient sowohl der Einwirkung als auch des Widerstandes haben großen Einfluß<br />

auf die opt<strong>im</strong>ale Versagensrate <strong>und</strong> die Größe von Z(p). Die opt<strong>im</strong>ale Versagensrate n<strong>im</strong>mt<br />

mit den Streuungen zu <strong>und</strong> zwar ungefähr um eine Zehnerpotenz für die gewählten Stufungen<br />

der Variationskoeffizienten (bei Variationskoeffizienten V R,L ≈ 0.1 bis V R,L ≈ 0.5). Das<br />

kann auch für andere, realistische Modelle für Einwirkung <strong>und</strong> Widerstand gezeigt werden.<br />

Bei großen Variationskoeffizienten der Last <strong>und</strong>/oder des Widerstandes ist die Zunahme der<br />

opt<strong>im</strong>alen Versagensrate geringer als bei kleinen Variationskoeffizienten.<br />

• Alle opt<strong>im</strong>alen Versagensraten sind unter realistischen Bedingung in der Größenordnung von<br />

5 · 10 −5 für das Tragfähigkeitsversagen.<br />

#<br />

237


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

hopt<br />

0.01<br />

1 .10 3<br />

H = 3×<br />

10 6<br />

VS = 0.5, VR = 0.3<br />

λ = 100<br />

VS = 0.3, VR = 0.3<br />

VS = 0.2, VR = 0.1<br />

1 .10 4<br />

1 .10 5<br />

0 2.10 4 4 .10 4 6 .10 4 8 .10 4 1 .10 5 1.2 .10 5 1.4 .10 5 1.6 .10 5<br />

C1<br />

Abb. 9.3.Einfluß von C 1 auf Versagensrate für verschiedene Kombinationen von Variationskoeffizienten<br />

9.4. Beliebige Versagensprozesse <strong>und</strong> andere Erneuerungsursachen<br />

9.4.1. Verwendung der Austrittsrate<br />

In Abschnitt 7.4 wurde gezeigt, daß der Versagensprozeß unter ganz allgemeinen Bedingungen<br />

asymptotisch zu einem (homogenen) Poissonprozeß wird, wobei die stationäre Austrittsrate ν + U<br />

(p, R, Q),<br />

die z.B. nach Abschnitt 7.2 <strong>und</strong> 7.3 bzw. Abschnitt 7.4 für verschiedene Belastungsprozesse berechnet<br />

werden kann, an die Stelle der Intensität λ(p, R, Q) tritt. Damit liegen aber die gleichen<br />

Bedingungen wie für Gl. (9.3.2.4) bzw. (9.3.2.8) vor. Sie lautet damit<br />

Z(p) = b γ − C(p) − (C(p)+L)E R,Q<br />

£<br />

ν<br />

+<br />

U<br />

(p, R, Q)¤<br />

γ<br />

(9.4.1.1)<br />

Der Index ’’U’’ soll auf Versagen <strong>im</strong> Grenzzustand der Tragfähigkeit hinweisen. Das ist ein weitreichendes<br />

Resultat. Muß hier doch nur eine Austrittsrate berechnet werden <strong>und</strong> keine Versagenswahrscheinlichkeit<br />

pro Referenzzeitraum. Zielvorgabe <strong>im</strong> Hinblick auf <strong>Zuverlässigkeit</strong> ist eine<br />

Versagensrate. Zweckmäßigerweise wird diese auf ein Jahr bezogen. Entsprechend ist <strong>im</strong>h<br />

asymptotischen<br />

Fall bei Bekanntsein des Mittelwerts der Zeiten zwischen den Erneuerungen 1 E 1<br />

i<br />

γ m(p,R,Q)<br />

als ’’Zinsfaktor’’ zu nehmen <strong>und</strong> analog in den anderen Fällen. Die Erwartungswertbildung über<br />

R <strong>und</strong> Q ist in Gl. (9.4.1.1 ) so richtig, weil unterstellt ist, daß sich bei jeder Erneuerung R <strong>und</strong> Q<br />

sowie die ’’Belastung’’ S unabhängig neu realisieren <strong>und</strong> deshalb die Poissonsche Natur der Versagensereignisse<br />

gesichert ist. Und man beachte, daß E [g(X)] 6= g(E [X]). Die Abhängigkeit der<br />

Versagensrate von den Parametern R <strong>und</strong> Q wird <strong>im</strong> Folgenden meist nicht ausgeschrieben. In<br />

diesem Zusammenhang sei auch auf die Ergebnisse in den Gl. (7.1.3.6) bis (7.1.3.8) hingewiesen.<br />

9.4.2. Versagen bei Inbetriebnahme<br />

Auf einfache Weise kann man Versagen bei Inbetriebnahme berücksichtigen. Bei konstanter Nutzenrate<br />

<strong>und</strong> Poissonschem Versagen ist:<br />

Z(p) = b µ<br />

γ − C(p)+(C W (p)+L W ) P <br />

f,W(p)<br />

R f,W (p)<br />

238


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

0.01<br />

1 .10 3<br />

C1 = 3 × 10 4<br />

λ = 100<br />

VS = 0.5, VR = 0.3<br />

hopt<br />

1 .10 4<br />

VS = 0.3, VR = 0.2<br />

1 . 10 5<br />

VS = 0.2, VR = 0.1<br />

1 .10 6<br />

0 1.10 7 2 .10 7 3 .10 7 4 .10 7 5 .10 7<br />

H<br />

Abb. 9.4.Einfluß von H auf Versagensrate für verschieden Kombinationen von Variationskoeffizienten<br />

µ<br />

−(C(p)+L) 1+ P f,W(p)<br />

1 − P f,W (p)<br />

<br />

(C W (p)+L W ) λ(p)<br />

(C(p)+L) γ<br />

(9.4.2.1)<br />

Darin kommt zum Ausdruck, daß unmittelbar nach einem Versagen die Schadenskosten (C W (p)+<br />

L W ) nach dem Wiederaufbau mehrfach mit Wahrscheinlichkeit P f,W (p) anfallen können. Es<br />

wird Gl. (9.2.2) verwendet. Hierbei wird zweckmäßigerweise zwischen den Wiederaufbaukosten<br />

C W (p) <strong>und</strong> den Versagenskosten L W in der Errichtungsphase <strong>und</strong> den Wiederaufbau- <strong>und</strong><br />

Versagenskosten C(p)+L während der Nutzung unterschieden. Ist E [T W,1 ] der Erwartungswert<br />

der unabhängig <strong>und</strong> identisch verteilten Wiederaufbauzeiten, h so ist die in Gl. (9.4.2.1) zu verwendende<br />

mittlere Bauzeit wegen E [Y ]=E<br />

PN<br />

i<br />

i=1 X i = E [X] E [N] (N zufällig <strong>und</strong> geometrisch<br />

nach p(n) =P f,W (p) n−1 R f,W (p) verteilt) gleich E [T W ]=E [T W,1 ] /R f,W (p), also in der Regel<br />

eine Zahl nur wenig größer als E [T W,1 ] für R f,W (p) . 1. Im allgemeinen ist die Verbesserung<br />

durch Gl. (9.4.2.1) jedoch unerheblich.<br />

9.4.3. Veraltung<br />

Oft wird eine bauliche Anlage erneuert weil sie veraltet, d.h. weil sie den Anforderungen an<br />

Funktionstüchtigkeit nicht mehr gerecht wird. Sie muß abgerissen werden <strong>und</strong> in neuer Form wiedererstellt<br />

werden. Für Brücken, die heute <strong>im</strong> wesentlichen deshalb veralten weil sie den <strong>im</strong>mer<br />

dichteren <strong>und</strong> schwereren Lastwagenverkehr nicht mehr bewältigen können, gibt es z.B. eine entsprechende<br />

japanische Untersuchung [80] . Für andere bauliche Anlagen gibt es ähnliche Untersuchungen.<br />

Erneuerung wegen Veraltens ist also eine Alternative zur Strategie des systematischen<br />

Wiederaufbaus nach einem Versagen. Es sei unterstellt, daß bei einer Erneuerung infolge Veraltung<br />

die gleichen Regeln wie für den systematischen Wiederaufbau nach einem Versagen gelten, d.h.<br />

die stochastischen Eigenschaften der erneuerten Anlage sind die gleichen wie die der ursprünglichen<br />

Anlage. Außerdem sind sie stochastisch unabhängig voneinander.<br />

Veraltung drückt sich oft durch einen mit der Zeit abnehmenden ’’Gewinn’’ b(t) pro Zeiteinheit<br />

aus [69] . b(t) n<strong>im</strong>mt beispielsweise ab, weil die Produktionsanlagen in Industriebauten allmählich<br />

veralten <strong>und</strong> unproduktiv werden, weil die Breite <strong>und</strong> Tragfähigkeit von Brücken bei zunehmendem<br />

Verkehrfluß <strong>und</strong> <strong>im</strong>mer schwererem Verkehr die Nutzung zunehmend einschränken oder<br />

weil sich mit dem Alter eines Bauwerks zunehmend kostspieligere Unterhaltungsarbeiten einstellen,<br />

die den Nutzen pro Zeiteinheit vermindern. Bei jeder ’’Erneuerung’’ nach einem Versagen<br />

239


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

5 . 10 4 gamma<br />

3.75 . 10 4<br />

C1 = 3 × 10 4<br />

H = 3×<br />

10 6<br />

hopt<br />

2.5 . 10 4<br />

1.25 . 10 4<br />

0<br />

0 0.01 0.02 0.03 0.04 0.05 0.06<br />

Abb. 9.5.Abhängigkeit der opt<strong>im</strong>alen Versagensrate vom Zinssatz<br />

beginnt b(t) bei dem gleichen b(0) <strong>und</strong> verändert sich mit t in gleicher Weise. Dann ist wegen<br />

T n = P n<br />

j=1 τ j <strong>und</strong> unter Beachtung der Tatsache, daß T n−1 unabhängig von τ n ist<br />

B T =<br />

=<br />

Z τ 1<br />

0<br />

Z τ 1<br />

0<br />

exp [−γt] b(t)dt +<br />

exp [−γt] b(t)dt +<br />

∞X<br />

n=2<br />

Z τ n<br />

0<br />

exp [−γ(T n−1 + t)] b(t)dt<br />

∞X<br />

exp [−γT n−1 ]<br />

n=2<br />

Z τ n<br />

0<br />

exp [−γt] b(t)dt (9.4.3.1)<br />

wobei die τ j unabhängige Zufallsvariable sind über die die Erwartung zu bilden ist. Mit<br />

B D (t) =<br />

Z t<br />

erhält man anstelle von Gl. (9.3.1.20) nach einiger Rechnung:<br />

0<br />

exp [−γt] b(t)dt (9.4.3.2)<br />

B =<br />

=<br />

=<br />

Z ∞<br />

0<br />

Z ∞<br />

0<br />

Z ∞<br />

0<br />

B D (t)f 1 (t)dt +<br />

à ∞<br />

X<br />

n=2<br />

Z ∞<br />

0<br />

! Z ∞<br />

e −γt f n−1 (t)dt B D (t)f(t)dt<br />

à ∞<br />

!<br />

X<br />

Z ∞<br />

B D (t)f 1 (t)dt + f1 ∗ (γ)[f ∗ (γ)] n−2 B D (t)f(t)dt<br />

B D (t)f 1 (t)dt +<br />

n=2<br />

f ∗<br />

1 (γ)<br />

1 − f ∗ (γ)<br />

Z ∞<br />

0<br />

0<br />

0<br />

B D (t)f(t)dt (9.4.3.3)<br />

Für den stationären Poissonschen Versagensprozeß mit Intensität λ ist:<br />

µ Z λ + γ ∞<br />

B =<br />

B D (t)λ exp [−λt] dt (9.4.3.4)<br />

γ<br />

0<br />

240


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Beispiel 9.4.3.1: Zeitabhängiger Nutzen<br />

Es werde z.B.<br />

B(p) = b 0<br />

γ<br />

b(t) =b 0 (1 + b 1 t m ) (1)<br />

angesetzt. Der Parameter b 1 wird so best<strong>im</strong>mt, daß b(t s ) = 0 mit t s einer beabsichtigten, zu<br />

wählenden Nutzungsdauer, d.h. b 1 = −t −m<br />

s . Durch Wahl größerer, ganzer Werte von m (m ≥ 2)<br />

kann man berücksichtigen, daß der Nutzen pro Zeiteinheit lange nahezu konstantes Niveau behält<br />

<strong>und</strong> gegen t s zu steil abfällt. Für stationäres Poissonsches Versagen mit dem Parameter λ(p) kann<br />

man Gl. (9.4.3.4) integrieren <strong>und</strong> erhält:<br />

µ<br />

1+<br />

(2)<br />

<br />

b 1 m!<br />

(λ(p)+γ) m<br />

Nun hängt B auch von λ(p) <strong>und</strong> Parametern der Nutzenfunktion wie b 0 ,b 1 <strong>und</strong> m ab.<br />

#<br />

Veraltung wirkt sich auch <strong>im</strong> Schadensterm aus. Die Anlage (oder besser Komponente) wird erneuert<br />

wenn entweder der Zustand der Veraltung erreicht ist oder vorher ein Versagen eintritt. Es<br />

handele sich um unabhängige Ereignisse. Die Zeiten zwischen Erneuerungen sind wie<br />

verteilt. Die entsprechende Dichte ist<br />

<strong>und</strong> die Laplacetransformation ist<br />

Es folgt, daß<br />

F (t) =1− (1 − F A (t))(1 − F V (t)) = 1 − ¯F A (t) ¯F V (t) (9.4.3.5)<br />

D(p) =<br />

f(t) =f A (t) ¯F V (t)+f V (t) ¯F A (t) (9.4.3.6)<br />

f ∗∗ (γ, p) =f ∗∗<br />

∗∗<br />

A| ¯V<br />

(γ)+fV |Ā(γ) (9.4.3.7)<br />

∗∗<br />

∗∗<br />

(C(p)+A)f (γ)+(C(p)+L)f (γ, p)<br />

A| ¯V V |Ā<br />

1 − (f ∗∗<br />

A| ¯V<br />

(γ)+f<br />

∗∗<br />

V |Ā (γ, p)) (9.4.3.8)<br />

Hierin sind A die Abbruchkosten. Zur Unterscheidung von der gewöhnlichen Laplacetransformierten<br />

f ∗ (γ) für Dichtenwirdfür die modifizierten Laplacetransformierten die Bezeichnung<br />

f ∗∗ (γ) verwendet. Es ist f ∗∗ (γ) ≤ f ∗ (γ) 20 .<br />

20<br />

Diese Gleichung leitet sich z.B. wie folgt ab. Es seien θ i = t i − t i−1 die Zeiten zwischen den Erneuerungen mit<br />

Dichte f A,V (t) <strong>und</strong> z.B. C A <strong>und</strong> C V die den beiden Gründen für Erneuerungen zugeordnete Kosten. Dann sind die<br />

erwarteten Kosten<br />

" ∞<br />

"<br />

X<br />

D = E (C A + C V )exp −γ<br />

=<br />

n=1<br />

##<br />

nX<br />

θ k<br />

k=1<br />

∞X<br />

E [exp (−γθ)] n−1 E [(C A + C V )exp[−γθ]]<br />

n=1<br />

241


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Beispiel 9.4.3.2: Modifizierte Laplacetransformierte bei Erneuerung nach Veraltung oder Poissonschem<br />

Versagen<br />

Es sei f V (t) =λ exp [−λt] wobei für andere Verteilungen der Zeiten zwischen den Versagensereignissen<br />

näherungsweise die asymptotischen Resultate (9.3.2.4) bis (9.3.2.6) mit λ = 1 herangezogen<br />

werden können. Die modifizierten Laplacetransformierten für Veraltung zu einem de-<br />

m<br />

terministischen Zeitpunkt a <strong>und</strong> für exponential- Rayleigh- <strong>und</strong> normalverteilten Zeiten sind in<br />

der nachfolgenden Tabelle angegeben. Exponentiell verteilte Veraltungszeiten mögen etwas unrealistisch<br />

sein. Eine einparametrige aber realistischere Verteilung ist die Rayleighverteilung. Die<br />

Normalverteilung ist, wie erwähnt, auch die Gr<strong>und</strong>lage für asymptotische Laplacetransformierte<br />

(µ <strong>und</strong> σ bekannt). Beide haben eine wachsende Risikofunktion, d.h. r Ray (t) =2t/c 2 bzw.<br />

t<br />

r N (t) = .<br />

t→∞ σ<br />

f A (t)<br />

f V (t)<br />

δ(a)<br />

λ exp [−λt]<br />

β exp [−βt]<br />

λ exp [−λt]<br />

2t<br />

exp<br />

w 2<br />

h i<br />

− t2<br />

w 2<br />

λ exp [−λt]<br />

h<br />

√ 1<br />

2πσ<br />

− 1 2<br />

λ exp [−λt]<br />

#<br />

¡ t−µ<br />

σ<br />

¢ 2<br />

i<br />

fA ∗∗ (γ) = R ∞<br />

exp [−γt] f<br />

0 A (t)exp[−λt] dt<br />

fV ∗∗ (γ, p) = R ∞<br />

exp [−γt] λ exp [−λt] ¯F 0 A (t)dt<br />

exp [−(γ + λ)a]<br />

λ<br />

(1 − exp [−(γ + λ)a])<br />

γ+λ<br />

β<br />

γ+λ+β<br />

λ<br />

γ+λ+β<br />

w(γ+λ) √ ¡ ¡<br />

π<br />

2 erf w (γ + λ)¢ − 1 ¢ h i<br />

w<br />

exp 2<br />

(γ + 2 4 λ)2 +1<br />

wλ √ π<br />

erf £ h i<br />

w<br />

(γ + λ)¤ w<br />

exp<br />

2<br />

(γ + 2 2 4 λ)2<br />

exp £ 1<br />

(γ + λ)((γ + 2 λ)σ2 − 2µ) ¤ ³ ´<br />

Φ (γ+λ)σ−µ<br />

σ<br />

³ h i<br />

exp (γ+λ) 2 σ 2<br />

Φ ¡ µ<br />

λ exp[−(γ+λ)µ]<br />

(γ+λ)σ<br />

2<br />

σ − σ2 (γ + λ) ¢ − exp [−µ(γ + λ)] Φ ¡ − µ σ<br />

¢´<br />

9.4.4. Zeitabhängiger Schaden<br />

Auch der Schadensterm kann von t abhängen. Beispielsweise kann sich der direkte Schaden <strong>im</strong><br />

Laufe der Zeit vergrößern weil sich wertvolle Güter ansammeln. Auch könnensichdieWiederaufbaukosten<br />

(ohne Inflation) wegen zunehmend eingeschränkter Resourcen erhöhen. Hier geben<br />

wir nur das durch Verallgemeinerung eines Ansatzes von Feller (siehe [49] ) erhaltene Ergebnis<br />

an. Mit K(t, p) =C(t, p)+L(t) ist<br />

R ∞<br />

exp [−γt] K(t, p)f(t, p)dt<br />

0<br />

D(p) =<br />

(9.4.4.1)<br />

1 − f ∗ (γ, p)<br />

Natürlich muß das Integral konvergieren.<br />

= E [(C A + C V )exp[−γθ]]<br />

= E [C A exp [−γθ]] + E [C V exp [−γθ]]<br />

1 − E [exp (−γθ)]<br />

1 − E [exp (−γθ)]<br />

= C Af ∗∗<br />

A| ¯V (γ)+C V f ∗∗ (γ, p)<br />

V |Ā<br />

1 − (f ∗∗ (γ)+f<br />

∗∗<br />

A| ¯V<br />

V |Ā (γ, p)) 242


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

9.4.5. Alterung<br />

Auch Ermüdung oder Alterung (Korrosion, Verschleiß, etc.) kann mit dem gleichen Konzept behandelt<br />

werden. Dabei ist entscheidend, ob der Schädigungsprozeß langsam vonstatten geht oder<br />

ob die Methode der Austritte angewandt werden muß (vergl. Abschnitt 7.7.). Allgemein ist:<br />

M(p) =(C M (p)+M)h ∗ M (γ, p) (9.4.5.1)<br />

C M (p) sind die Reparaturkosten, die bei einem Schaden der Größe M unverzüglich anfallen.<br />

Beispiel 9.4.5.1: Materialermüdung<br />

Als Beispiel werde zunächst Materialermüdung nach Wöhler untersucht. Die mittlere Lebensdauer<br />

ist bekanntlich N = ν 0 t = C∆S −m .C<strong>und</strong> m sind Materialparameter. ∆S ist die angelegte<br />

Spannungsspannweite. Wenn es sich um Zufallsbelastung handelt, muß eine schädigungsgleiche<br />

Einstufenbelastung ∆S genommen werden. ν 0 ist Anzahl der Beanspruchungszyklen pro Zeiteinheit.<br />

In befriedigender Übereinst<strong>im</strong>mung mit Exper<strong>im</strong>enten kann man eine Exponentialverteilung<br />

für die Lebensdauern annehmen. Also ist<br />

E [T,p,R] =<br />

C<br />

ν 0 (∆S/p) m (1)<br />

<strong>und</strong> damit:<br />

·<br />

M(p) =(C M (p)+M)E<br />

1<br />

T,p,R<br />

¸ ¸ 1<br />

·ν0<br />

γ =(C (∆S/p) m 1<br />

M (p)+M)E R<br />

C γ<br />

(2)<br />

Der Parameter p ist hier bei ∆S angebracht, da diese Größe oftdieeinzigeGröße ist, die man <strong>im</strong><br />

Hinblick auf <strong>Zuverlässigkeit</strong> durch entsprechende Bemessung (z.B. Vergrößerung der Konstruktionshöhe)<br />

verändern kann. R hat beispielsweise die Komponenten C <strong>und</strong> m. Die Exponentialverteilung<br />

hat eine konstante Risikofunktion <strong>und</strong> ist daher für Alterungsvorgänge nicht gut geeignet.<br />

Besser wäre es ohne Zweifel von einer Weibullverteilung mit k>1 auszugehen. Ähnlich geht<br />

man bei anderen Alterungsvorgängen vor.<br />

#<br />

In vielen Fällen bei zeitabhängiger Alterung kann man eine Verteilungsfunktion der Zeiten zwischen<br />

der Versagensereignissen nicht direkt angeben, sondern muß sie numerisch berechnen. Wenn<br />

es sich um strikt monotone, kumulative Schadensvorgänge handelt (siehe Gl. (7.7.5)), kann F T (t)<br />

nach<br />

F T (t) =P f (t) =P (g(X,t) ≤ 0)) ≈ Φ(−β(t))C SORM (t) (9.4.5.2)<br />

mit einer der üblichen Methoden berechnet werden. Auf die Berücksichtigung der Abhängigkeit<br />

des SORM-Korekturfaktors wird in der Regel verzichtet. Natürlich ist f T (t) =−ϕ(β(t)) dβ(t)<br />

<strong>und</strong> r(t) =− ϕ(β(t))<br />

Φ(β(t))<br />

numerisch erfolgen.<br />

dβ(t)<br />

dt<br />

(ohne SORM-Korrektur). Die Bildung der Laplacetransformierten muß<br />

dt<br />

Beispiel 9.4.5.2: Ein einfaches Alterungsproblem<br />

Die (asymptotische) Zielfunktion sei<br />

243


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Z(p)<br />

= b µ<br />

− 1+ C µ<br />

1<br />

p a − 1+ C 1<br />

p a + H <br />

1<br />

C 0 γC 0 C 0 C 0 C 0 γE[T (p)]<br />

(1)<br />

E[T (p)] wird nach GL. (7.1.2.3) berechnet <strong>und</strong> zwar für einen linearen Abfall des Widerstandes.<br />

mit<br />

Z 1/c 2<br />

E[T (p)] = 1 − (Φ (−h(0,p)) + Φ (h(0,p)) Φ (−h(t, p)) dt (2)<br />

0<br />

n<br />

ln p(1 − c √ o<br />

1+V 2<br />

t)q<br />

S<br />

1+VR<br />

h(t, p) = p 2 ln ((1 + V<br />

2<br />

R )(1 + VS 2))<br />

(3)<br />

Es gelten wieder die Parameter: C 0 =10 6 ,C 1 =10 4 ,a=1.5, H=5.8 · 10 6 ,b=0.125C 0 , γ =<br />

0.02 sowie V R = 0.3, V S = 0.3 <strong>und</strong> c = 0.1. Die Opt<strong>im</strong>ierung ergibt p ∗ = 11.3, dem eine<br />

1<br />

Versagensrate von =0.012 oder eine mittlere Zeit zwischen dem Versagen von E[T (p)] =<br />

E[T (p)]<br />

81.8 entspricht. Diese Rechnung weicht befriedigend wenig von einer genauen Rechnung bei<br />

f<br />

exaktem Zinsfaktor<br />

∗ (γ,p)<br />

1−f ∗ (γ,p) ,f∗ (γ,p)= R 1/c 2<br />

e −γt f(t, p)dt <strong>und</strong> f(t, p) =δ(0)Φ(h(0,p))<br />

0<br />

c(1−2c √ t)<br />

+Φ (h(0,p))<br />

4t 3/2 (−1+c √ q<br />

t) 2 ln((1+VR 2)(1+V S 2))ϕ(h(t, p)))mitp∗ =11.8 <strong>und</strong> E[T (p)] = 82.5 ab.<br />

#<br />

Wenn die Methode der Austritte verwendet werden muß, ist die asymptotische Lebensdauerverteilung<br />

(Abhängigkeit von R, Q <strong>und</strong> p weggelassen)<br />

mit der Dichte<br />

F (t) =1− exp<br />

·<br />

−<br />

·<br />

f(t) =ν + (t)exp −<br />

Z t<br />

0<br />

Z t<br />

0<br />

¸<br />

ν + (τ)dτ<br />

¸<br />

ν + (τ)dτ<br />

(9.4.5.3)<br />

(9.4.5.4)<br />

zu best<strong>im</strong>men. Die zugehörige Laplacetransformation ist numerisch zu bilden <strong>und</strong> kann numerisch<br />

rechenaufwendig werden. Leichter <strong>und</strong> für viele praktische Zwecke völlig ausreichend ist es,<br />

die asymptotische Erneuerungsdichte Gl. (9.3.2.4) zu best<strong>im</strong>men, was <strong>im</strong> wesentlichen auf die<br />

Best<strong>im</strong>mung des Mittelwertes der Zeiten zwischen den Erneuerungen hinausläuft. Man verwendet<br />

Gl. (7.1.2.3) mit<br />

F T (t) =P f (t) ≤ P f (0) +<br />

Z t<br />

0<br />

ν + (τ)dτ ≤ 1 (9.4.5.5)<br />

wobei meist P f (0) = 0 genommen werden kann. Die dazugehörige Dichte ist nach Gl. (7.8.1)<br />

f T (τ) =P f (0)δ(0) + ν + (τ). Sowohl F T (t) als f T (τ) sind natürlich nur dann relativ gute Näherungen,<br />

wenn es sich um stark alternde Komponenten handelt. Der Vorteil der Formulierungen<br />

(9.4.5.2) <strong>und</strong> (9.4.5.3) zusammen mit Gl. (7.1.2.3) liegt darin, daß man mit der FORM/SORM-<br />

244


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Methode <strong>und</strong> t als (deterministischen) Parameter die <strong>im</strong> allgemeinen notwendige Erwartungswertbildung<br />

über R <strong>und</strong> Q ohne Schwierigkeiten miterledigen kann. Mit Gl. (9.4.5.5) wird die rechte<br />

Seite von Gl. (9.4.5.3 ) etwas zu groß ermittelt, was <strong>im</strong> Hinblick auf Abb. 7.5 hingenommen<br />

werden kann.<br />

Beispiel 9.4.5.3: Untersuchung von Gl. (9.4.5.5)<br />

Die Untersuchung wird für zwei instationäre, skalare Prozesse mit vorgegebener, deterministischer<br />

Schwellenwertfunktion<br />

a(t) =a 0 + a 1 t m (1)<br />

durchgeführt. Der Normalprozeß hat entsprechend Gl. (7.3.2.5) die Austrittsrate<br />

<strong>und</strong> der Recheckwellenprozeß entsprechend Gl. (7.2.2.1)<br />

ν + N (a(τ)) = ω 0ϕ(a(τ))Ψ(ȧ(τ)/ω 0 ) (2)<br />

ν + J<br />

(a(τ)) = λΦ(a(τ))Φ(−a(τ)) (3)<br />

Im einzelnen nehmen wir an: a 0 =5, a 1 = −0.000005, m =2, λ = ω 0 = 100,µ=0, σ =1. Das<br />

bedeutet, daß die Austrittsrate für beide Prozesse für t = 1000 Zeiteinheiten max<strong>im</strong>al wird. Die<br />

Laplacetransformierte wird für γ =0.05 durch numerische Integration fN(0.05) ∗ = 1.212 · 10 −3<br />

für den Normalprozeß <strong>und</strong> fJ(0.05) ∗ = 5.856 · 10 −4 für den Recheckwellenprozeß. Damit ist<br />

der ’’Zinsfaktor’’ oder die Laplacetransformierte der Erneuerungsdichte nach Gl. (9.3.2.3), d.h.<br />

h ∗ (γ) =<br />

f ∗ (γ)<br />

, in beiden Fällen näherungsweise gleich f ∗ (γ).<br />

1−f ∗ (γ)<br />

Das Max<strong>im</strong>um der Versagensdichte ist etwa um den Faktor 2 gegenüber dem Max<strong>im</strong>um der Austrittsrate<br />

nach links verschoben. Mittelwert <strong>und</strong> Standardabweichung der Versagenszeiten sind<br />

E[T ] = 473 <strong>und</strong> D[T ] = 86.6 für den Normalprozeß sowie E[T ] = 504 <strong>und</strong> D[T ] = 77.5<br />

für den Rechteckwellenprozeß, jeweils durch numerische Integration gewonnen. Das ergibt einen<br />

Variationskoeffizienten von r<strong>und</strong> 15 % in beiden Fällen - also eine relativ geringe Streuung der<br />

Versagenszeiten. Die mittlere Versagensrate ist in beiden Fällen 1/E[T ] ≈ 0.002.<br />

30<br />

20<br />

Rechteckwellenprozeß<br />

0.01<br />

0.0075<br />

Rechteckwellenprozeß<br />

10<br />

Normalprozeß<br />

0.005<br />

0.0025<br />

Normalprozeß<br />

0<br />

0 500 1000 1500 2000<br />

Zeit<br />

0<br />

0 100 200 300 400 500 600 700 800<br />

Zeit<br />

Abb. 9.6.Austrittsrate <strong>und</strong> Versagensdichte für Normalprozeß (——) <strong>und</strong> Rechteckwellenprozeß (----)in<br />

Beispiel 9.4.4.3<br />

Die Ermittlung der exakten Erneuerungsdichte erweist sich bereits in diesem einfachen Beispiel<br />

als außerordentlich aufwendig.<br />

#<br />

245


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Beispiel 9.4.5.4: Berechnung der mittleren Versagenszeiten bei Rißfortschritt<br />

Es gelten die Gr<strong>und</strong>lagen von Beispiel 7.7.1 <strong>und</strong> n = ν 0 t. Die Parameterannahmen sind in nachfolgender<br />

Tabelle zusammengefaßt.<br />

Variable Verteilung Parameter<br />

a 0 Rayleigh 1,0.4<br />

C · 10 13 Normal 0.02,0.002<br />

E [∆S] Konstant 50<br />

m Konstant 3.5<br />

a cr Konstant 10<br />

ν 0 Konstant 100000<br />

Die Einheiten sind so gewählt, daß die Rißlänge in mm <strong>und</strong> die Zeit in Jahren gemessen wird.<br />

Mit FORM/SORM wird eine Parameterstudie über t berechnet (siehe Abb. 9.5) <strong>und</strong> hieraus durch<br />

numerische Integration ein Mittelwert von 9.4 Jahren <strong>und</strong> ein Variationskoeffzient von 0.54 berechnet.<br />

Dieser ist groß genug um die Größe 1/m(p) als Näherung für die wahre Erneuerungsdichte<br />

akzeptieren zu können.<br />

#<br />

9.4.6. Präventive Unterhaltung<br />

Abb. 9.7.Verteilungsfunktion der Versagenszeit<br />

Die Gl. (9.4.3.5) bis (9.4.3.8) lassen sich <strong>im</strong> Hinblick auf nur zu best<strong>im</strong>mten Zeitpunkten erfolgende<br />

Erneuerungen noch anders interpretieren. Z.B. sei das Ereignis der Veraltung <strong>und</strong> die darauf<br />

folgende Erneuerung als Reparatur interpretiert. Wiederum seien die Zeiten bis zum Versagen <strong>und</strong><br />

die Zeiten bis zur Reparatur unabhängig <strong>und</strong> zufällig. Dann ist<br />

D(p) =<br />

∗∗<br />

∗∗<br />

Rf (γ)+(C(p)+L)f (γ, p)<br />

R| ¯V V | ¯R<br />

1 − (f ∗∗<br />

R| ¯V<br />

(γ)+f<br />

∗∗<br />

V | ¯R (γ, p)) (9.4.6.1)<br />

R bezeichnet die Reparaturkosten. Wichtig ist, daß Erneuerungen zu best<strong>im</strong>mten Zeiten erfolgen,<br />

nämlich entweder nach einem Versagen oder bei einer Reparatur. Realistischer sind jedoch<br />

Unterhaltskosten, die sich aus den Kosten für Inspektionen <strong>und</strong> für eventuelle Reparaturen zusammensetzen.<br />

Inspektionen werden <strong>im</strong> allgemeinen aus organisatorischen Gründenzuregelmäßigen<br />

Zeitpunkten a, 2a, 3a, ... vorgenommen. Barlow/Proschan [8] zeigten sogar, daß Reparaturen zu<br />

zufälligen Zeiten größere Kosten verursachen als wenn diese zu regelmäßigen (periodischen) Zeit-<br />

246


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

punkten vorgenommen werden. Entsprechend erfolgen Reparaturen auch nur zu diesen Zeitpunkten<br />

(oder mit etwas Verzögerung, etwa zu den Zeitpunkten a + ∆ 1 , 2a + ∆ 2 , 3a + ∆ 3 ,...). Inspektionen<br />

<strong>und</strong> eventuell auch Reparaturen erfolgen nur wenn nicht vorher schon wegen Veraltens oder<br />

nach einem Versagen erneuert wurde. Es sei unterstellt, daß Reparaturen den ursprünglichen Zustand<br />

wiederherstellen <strong>und</strong> mit Wahrscheinlichkeit Eins von Erfolg gekrönt sind. Sie entsprechen<br />

daher Erneuerungen. Reparaturzeiten werden <strong>im</strong> Vergleich zu a zunächst als vernachlässigbar kurz<br />

angenommen. Außerdem macht es nur Sinn, von einer alternden Komponente mit zunehmender<br />

Risikofunktion r(t) auszugehen.<br />

Eine Erneuerung erfolge entweder nach einem Versagen oder zum deterministischen Zeitpunkt a.<br />

Veraltung wird vernachlässigt. Dann ist offensichtlich für ∆ i =0:<br />

∗∗∗<br />

(C(p)+L)(fV<br />

Z(p,a) =B − C(p) − (γ, p,a)+R(p)exp[−γa] ¯F V (p,a)<br />

1 − (fV<br />

∗∗∗(γ,<br />

p,a)+exp[−γa] ¯F (9.4.6.2)<br />

V (p,a))<br />

Die Laplacetransformierte für eine deterministische Reparaturzeit f(a) = δ(a) ist bekanntlich<br />

f ∗ (γ) =exp[−γa] .<br />

Wenn vorher inspiziert wird, folgt jedoch nicht notwendigerweise eine Reparatur. Reparatur (d.h.<br />

eine Erneuerung) erfolgt nur mit Wahrscheinlichkeit P R (a) <strong>und</strong> Inspektions- <strong>und</strong> Reparaturkosten<br />

müssen entsprechend berücksichtigt werden. Die Inspektionskosten müssen getrennt behandelt<br />

werden, da mit Inspektionen allein keine Erneuerung verb<strong>und</strong>en ist.<br />

J(a) =<br />

Damit ist die Zielfunktion:<br />

∞X<br />

exp [−γna] ¯F V (p,a) =<br />

n=1<br />

I exp [−γa] ¯F V (p,a)<br />

1 − (exp [−γa] ¯F V (p,a))<br />

(9.4.6.3)<br />

Z(p,a) =B − C(p) − J(a) − D(p,a) (9.4.6.4)<br />

mit<br />

D(p,a) = N (9.4.6.5)<br />

D<br />

N = (C(p)+L)(fV<br />

∗∗∗ (γ, p,a)+A12) + R(p)(P R(a)exp[−γ(a)] ¯F V (p,a)+A22)<br />

D = 1− ¡ fV ∗∗∗ (γ, p,a)+A12 + +P R (a)exp[−γ(a)] ¯F V (p,a)+A22 ¢<br />

A12 =<br />

∞X<br />

n−1<br />

Y<br />

(1 − P R (ja))fV<br />

∗∗∗∗ (γ, p, (n − 1)a ≤ t ≤ na)<br />

n=2 j=1<br />

A22 =<br />

∞X<br />

n=2<br />

n−1<br />

Y<br />

P R (na) (1 − P R (ja)) exp [−γ(na)] ¯F V (p,na)<br />

j=1<br />

Darin sind:<br />

P R (a) =die Wahrscheinlichkeit der Reparatur nach einer Inspektion<br />

a = das deterministische Inspektionsintervall<br />

247


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

I = die Kosten pro Inspektion<br />

R(p) =die Reparaturkosten<br />

fX<br />

∗∗∗(γ,a,p)<br />

=R a<br />

exp [−γt] f 0 X(t)dt = die unvollständige Laplacetransformierte von f X (t)<br />

Im allgemeinen genügt es, nur wenige Summenglieder in den Ausdrücken A12,A22... zu berücksichtigen.<br />

Sie berücksichtigen, daß Erneuerungen durch Reparatur auch zu Zeitpunken 2a, 3a, ...<br />

stattfinden können.<br />

Wenn der Nutzen konstant ist, hat man B(p,a) = b . Für nicht konstanten Nutzen b(t) analog Gl.<br />

γ<br />

(9.4.3.3) ist<br />

B(p,a) = NB<br />

(9.4.6.6)<br />

ZD<br />

a<br />

NB = B D (t)f V (t, p)dt + B12 +<br />

0<br />

+B D (a) ¯F V (p,a)+B2<br />

B12 =<br />

∞X<br />

n=2<br />

Z na<br />

(n−1)a<br />

n−1<br />

Y<br />

BD(t)<br />

∗ (1 − P R (ja))f V (t, p)dt<br />

j=1<br />

B2 =<br />

∞X<br />

n=2<br />

n−1<br />

Y<br />

BD(na)<br />

∗ (1 − P R (ja)) ¯F V (p,na)<br />

j=1<br />

mit<br />

B D (t) = R t<br />

exp [−γt] b(t)dt<br />

0<br />

BD ∗ (t) =R t<br />

exp [−γt] b(t)dt<br />

(n−1)a<br />

Die Reparaturwahrscheinlichkeit hängt natürlich von der Größe eines geeigneten Schadensindikators<br />

ab. Bei kumulativen Schädigungserscheinungen n<strong>im</strong>mt P R (a) vernünftigerweise mit a zu,<br />

d.h. P R (a) =P (S(a, X) >s c ) mit S(a, X, p) einem in a monoton wachsenden Schädigungsindikator<br />

<strong>und</strong> X einer Zufallsvariablen, die die Unsicherheiten bei der Inspektion erfaßt. Häufig wird<br />

man die Länge der Inspektionsintervalle ihrerseits als Opt<strong>im</strong>ierungsparameter verwenden wollen.<br />

Den Fall ohne Inspektion, ohne Veraltungserneuerungen <strong>und</strong> mit P R (a) =1findet man schon in<br />

der Literatur (siehe [52] [175] u.a.). Er wird auch als präventive Erneuerung (Ersatz einer alternden<br />

Komponente nach endlicher Einsatzzeit a) interpretiert. Von korrektiver Erneuerung spricht<br />

man bei einer Erneuerung nach einem Versagen. Es muß erwähnt werden, daß Gl. (9.4.6.3) nicht<br />

<strong>im</strong>mer eine Lösung hat. Lösungen können erwartet werden, wenn die Komponenten stark altern<br />

(wachsende Risikofunktion), bei großem P R (a, p) <strong>und</strong> großen Schadenskosten L.<br />

Inspektionsergebnisse <strong>und</strong> die daraus folgenden Entscheidungen für Reparatur oder Nichtreparatur<br />

<strong>und</strong> die Zeiten bis zum Versagen hängen in der Regel von den gleichen physikalischen Alterungsprozessen<br />

ab. Sie sind daher hoch (stochastisch) abhängig voneinander. Das kann <strong>und</strong> sollte<br />

generell berücksichtigt werden. Für das Produkt <strong>im</strong> Term A12 kann man schreiben<br />

f ∗∗∗∗ (γ, p, (n − 1)a ≤ t ≤ na) =<br />

Z na<br />

(n−1)a<br />

n−1<br />

d<br />

exp [−γt]<br />

dϑ P ( \ © ª ¯R(ja) ∩ {TF ≤ ϑ}) |ϑ=t dt<br />

j=0<br />

(9.4.6.7)<br />

248


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Darin ist ¯R(ja) das Ereignis der Nichtreparatur bei der j-ten Inspektion. T F istndie zufällige Zeit bis<br />

Tn−1 © ª<br />

zum Versagen. Nach einer Wahrscheinlichkeitstransformation ist das Ereignis<br />

j=0<br />

¯R(ja) ∩ {TF ≤ t}o<br />

n Tn−1<br />

o<br />

durch<br />

j=0 {s c − S(ja,U R,j ) > 0} ∩ {g(U F ,t) ≤ 0} gegeben bei einem Schädigungsmodell<br />

wie in Gl. (9.4.5.2). U R,j <strong>und</strong> U F bezeichnen die Vektoren für den Schadensindikator (gegebenenfalls<br />

einschließlich der Meßfehler) <strong>und</strong> die Variablen für die Versagenszeiten. Da U R,j <strong>und</strong><br />

U F einige gemeinsame Komponenten haben, sind sie voneinander abhängig. Diese Abhängigkeiten<br />

können nun berücksichtigt werden indem die Ereignisgrenzen linearisiert werden (in den<br />

individuellen oder <strong>im</strong> gemeinsamen β−Punkt(en)). Die Auswertung der entstehenden Multinormalverteilungsintegrale<br />

<strong>und</strong> anschließende numerische Differentiation ergibt dann<br />

N A = ((C(p)+L)<br />

+R(p)<br />

∞X<br />

f ∗∗∗∗ (γ, p, (n − 1)a ≤ t ≤ na)<br />

n=1<br />

∞X<br />

exp [−γ(na)] P ({R(na)} ∩<br />

n=1<br />

n−1<br />

\<br />

j=0<br />

© ¯R(ja) ª ∩ {T F >na})<br />

<strong>im</strong> Zähler <strong>und</strong><br />

µ P ∞<br />

n=1<br />

D A =1−<br />

f ∗∗∗∗ (γ, p, (n − 1)a ≤ t ≤ na)<br />

+ P ∞<br />

n=1 exp [−γ(na)] P ({R(na)} ∩ T n−1<br />

© ª<br />

j=0<br />

¯R(ja) ∩ {TF >na})<br />

<br />

<strong>im</strong> Nenner, so daß<br />

in<br />

D A (p,a) = N A<br />

D A<br />

(9.4.6.8)<br />

Z A (p, a) =B A − C(p) − J(a) − D A (p,a) (9.4.6.9)<br />

Die Wirkung dieser Abhängigkeiten kann bedeutsam sein. Wie erwähnt bewirkt jede Reparatur ein<br />

plötzliches Absinken der Risikofunktion. Da Reparatur aber nur mit endlicher Wahrscheinlichkeit<br />

erfolgt, verläuft die Risikofunktion sägezahnförmig <strong>und</strong> verbleibt schließlich bei Null. Für den<br />

Nutzenterm geht man analog vor.<br />

Beispiel 9.4.6.1: Opt<strong>im</strong>ierung von Inspektionsintervallen <strong>und</strong> Bemessungparameter bei Alterung<br />

Wenn Veraltungserneuerungen vernachlässigt werden genügt es, die erwarteten Kosten für Inspektionen,<br />

Reparaturen <strong>und</strong> Versagen zu min<strong>im</strong>ieren. Zur Illustration nehmen wir eine Alterungsfunk-<br />

h<br />

tion der Form C s<br />

³1 − erf<br />

c<br />

2 √ Dt<br />

i´<br />

an (Chloridkorrosion einer Stahlbetonkonstruktion in warmen<br />

Seewasser). C s ist die Oberflächenkonzentration, c die Betondeckung <strong>und</strong> D der Diffusionskoeffizient.<br />

Schnelle Korrosion beginnt wenn die Chloridkonzentration den kritischen Wert C cr<br />

erreicht. Die Betondeckung ist eine log-normal verteilte Größe mit Standardabweichung 1 cm.<br />

Die anderen Variable sind gleichverteilt nach C cr ∼ UN(0.125, 0.175),C s ∼ UN(0.2, 0.4),D ∼<br />

UN(0.1, 0.315) worinsichdiegroße Unsicherheit über die tatsächlichen Werte widerspiegelt. Alle<br />

Variablen sind unabhängig voneinander. Wir nehmen die Inspektionen in den Intervallen a <strong>und</strong><br />

den Mittelwert der Betondeckung m c als Opt<strong>im</strong>ierungsvariable an. Die Zielfunktion ist also bei<br />

249


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

b = b(t)<br />

Z(m c ,a) = b γ − C(m c) − N(m c,a)<br />

1−M(m c ,a)<br />

(1)<br />

N(m c ,a) = (C(p)+L)f ∗∗∗ (γ,m c ,a)+ Term höherer Ordnung<br />

+(I 0 ¯P R (a)exp[−γa] ¯F (m c ,a)+ Term höherer Ordnung<br />

+(I + R(m c )P R (a)) exp [−γa] ¯F (m c ,a)+ Term höherer Ordnung)<br />

M(m c ,a) = f ∗∗∗ (γ,m c ,a)+ Term höherer Ordnung<br />

+P R (a)) exp [−γa] ¯F (m c ,a)+ Term höherer Ordnung<br />

worin<br />

C(m c )=(C 0 + C 1 m α c );<br />

P R (a) =1− exp(−a R a³<br />

2 );<br />

F (c, t) =P<br />

³C cr − C s 1 − erf<br />

h<br />

c<br />

2 √ Dt<br />

i´<br />

´<br />

≤ 0<br />

f ∗∗∗ (γ,m c ,a)= R a<br />

exp [−γt](− d ¯F (m<br />

0 dt c ,t))dt;<br />

<strong>und</strong> C 0 = 10 6 ,C 1 = 10 4 ,L = 10 10 6 , α = 2,b = 0.15, γ = 0.03, a R = 0.005, ∆ =<br />

0, I =0.1C 0 ,R(m c )=0.5C 0 . Die Terme höherer Ordnung ergeben sich aus Gl. (9.4.6.11).<br />

Opt<strong>im</strong>ierung ergibt m ∗ c =6.4 <strong>und</strong> a ∗ =63. Die Zeit wird in Jahren gemessen. Abb. 9.6 zeigt<br />

die Kosten über dem Inspektionsintervall aufgetragen. Erhöhung von R(m ∗ c) oder Verminderung<br />

der Reparaturwahrscheinlichkeit erhöht das opt<strong>im</strong>ale Inspektionsintervall <strong>und</strong> die Gesamtkosten.<br />

Unter extremen Bedingen kann kein Opt<strong>im</strong>um mehr gef<strong>und</strong>en werden.<br />

0.5<br />

0.4<br />

0.3<br />

0.2<br />

Kosten/C0<br />

0.1<br />

Präventive Kosten<br />

Gesamtkosten<br />

Korrektive Kosten<br />

0<br />

20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 120<br />

Inspektionsintervall a<br />

Abb. 9.8.Präventive <strong>und</strong> korrektive Kosten über Inspektionsintervall<br />

#<br />

9.4.7. Blockweise Reparatur<br />

Als weitere Variante erfolge nun eine Erneuerung einer Komponente nach Ablauf einer best<strong>im</strong>mten<br />

Zeitspanne ϑ unabhängig davon, ob <strong>im</strong> Zeitraum [0, ϑ[ bereits Erneuerungen infolge eines<br />

250


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

möglichen Versagensfalles stattgef<strong>und</strong>en haben. Der Vorteil dieser Strategie liegt darin, daß keine<br />

Aufzeichnungen über die Vergangenheit der Komponente aufgestellt werden müssen. Anwendung<br />

findet dieses Modell etwa <strong>im</strong> Elektronikbereich be<strong>im</strong> Austausch von Bausteinen in technischen<br />

Geräten <strong>und</strong> Computern oder in der Wartung von Flugzeugen. Eine mögliche Anwendung<br />

<strong>im</strong> Bauwesen ist der Unterhalt eines Verkehrsweges, welcher in gleichartige Abschnitte unterteilt<br />

wird, die unabhängig voneinander <strong>im</strong> Schadensfall ausgebessert werden. Nach der vorgegebenen<br />

Nutzungsdauer ϑ erfolgt schließlich die vollständige Sanierung aller Teilbereiche unabhängig von<br />

vorangegangenen Reparaturen in den einzelnen Teilabschnitten.<br />

Es ist einsichtig, daß bei einer blockweisen Erneuerung zum Zeitpunkt ϑ möglicherweise Komponenten<br />

ausgetauscht werden, die erst kurz zuvor ausgebessert wurden. Dies ließe sich mit Hilfe<br />

der Strategie der Alterserneuerung vermeiden. Allerdings hat die blockweise Erneuerung den Vorteil,<br />

daß sich unter der Annahme einer ansteigenden Risikofunktion r(t) die erwartete Anzahl von<br />

plötzlichen, totalen Versagensfällen verringert [8] . Blockweise Erneuerung mag in vielen Fällen<br />

organisatorisch vorteilhaft sein.<br />

Die erwarteten verzinsten Schadenskosten für die blockweise Erneuerung einer Komponente können<br />

in Analogie zu Abschnitt 9.4.3 geschrieben werden als<br />

D(p, ϑ) =<br />

E(verzinste Kosten in einem Zyklus)<br />

1 − E(verzinste Dauer eines Zyklus)<br />

Kosten treten dabei <strong>im</strong>mer zum Zeitpunkt ϑ aufgr<strong>und</strong> der geplanten Erneuerung auf. Zusätzlich<br />

können <strong>im</strong> Intervall [0, ϑ] Kosten infolge Versagen mit Instandsetzung, infolge Reparatur, Inspektion<br />

oder dergleichen mehr auftreten. Es wird angenommen, daß Reparatur- <strong>und</strong> Wiederaufbaubzw.<br />

Austauschzeiten vernachlässigbar klein sind. Darüberhinaus soll sich die Komponente anschließend<br />

wieder in ’’neuwertigem’’ Zustand befinden.<br />

Für den Fall, daß ein Schaden mit der Versagensdichte f(t) auftreten kann <strong>und</strong> keine sonstigen<br />

Kosten bis ϑ anfallen, erhält man<br />

D(p, ϑ) = C(p)e−γϑ +(C(p)+L) R ϑ<br />

0 e−γt h(t)dt<br />

1 − e −γϑ (9.4.7.1)<br />

wobei h(t) die Erneuerungsdichte der aufgetretenen Schadens- <strong>und</strong> Reparaturereignisse <strong>im</strong> Zeitraum<br />

[0, ϑ[ darstellt. Es gilt: h(t) = P ∞<br />

k=1 f k(t) mit der Dichtefunktion f k (t) der Zeit bis zur<br />

k-ten Erneuerung, die sich bekanntlich als Faltungsintegral ausdrücken läßt: f k (t) = R t<br />

f 0 k−1(t −<br />

τ)f(τ)dτ. Da analytische Lösungen für h(t) nur für wenige Wahrscheinlichkeitsverteilungen, z.B.<br />

die Gammaverteilung, vorliegen, bedient man sich <strong>im</strong> allgemeinen numerischer Verfahren wie etwa<br />

in Abschnitt 7.1.5 angegeben.<br />

9.4.8. Endliche Erneuerungszeiten<br />

Die Annahme endlicher Erneuerungszeiten, d.h. Wiederaufbau- oder Reparaturzeiten, ist in vielen<br />

Fällen realistischer. Auch mag der Wiederaufbau oder die Reparatur durch durch Budgetbeschränkungen<br />

verzögert werden. In diesen Zeiten kann die Anlage nicht genutzt werden <strong>und</strong> sie kann<br />

nicht ausfallen. Ist g(t) die Dichte der Erneuerungszeiten <strong>und</strong> f(t) die Dichte der (unabhängigen)<br />

Versagenszeiten <strong>im</strong> Betrieb, so ist die Faltung beider Zeiten die Zeit zwischen den Versagensereignissen,<br />

die man ebenfalls durch Laplacetransformation leicht errechnen kann. Es seien T W die<br />

(zufälligen) Erneuerungszeiten <strong>und</strong> T N die (zufälligen) Nutzungszeiten <strong>und</strong> somit T = T W + T N<br />

251


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

die Zeiten zwischen den Versagensereignissen bzw. Erneuerungen. In der Erneuerungstheorie wird<br />

gezeigt, daß die Verfügbarkeit (availability) des Sytems asymptotisch gleich<br />

1<br />

A(∞) =l<strong>im</strong><br />

t→∞ t<br />

Z t<br />

0<br />

A inst (x)dx =<br />

E [T N ]<br />

E [T W ]+E [T N ]<br />

(9.4.8.1)<br />

ist. Damit sind Nutzen- <strong>und</strong> Schadensterm in den Zielfunktionen näherungsweise mit A W (∞) zu<br />

multiplizieren, womit z.B. Gl. (9.3.2.6) zu<br />

Z(p) ≈ BA W (∞) − C(p) − (C(p)+L)A W (∞)h ∗ A (γ, p) (9.4.8.2)<br />

wird. Die Erneuerungsintensität h ∗ A (γ, p) wird am einfachsten aus der Dichte f A(t) der Zeiten<br />

zwischen den Erneuerungen durch Faltung der Dichten f W (t) <strong>und</strong> f N (t) gebildet, also durch<br />

fA ∗ (t) =f W ∗ (t) f N ∗ (t). Während der Erneuerung, so wird angenommen, kann das Objekt nicht<br />

versagen. Daher wird der Schadensterm ebenfalls mit A W (∞) multipliziert.<br />

Genauere Betrachtungen sind ebenfalls möglich. Der Schadensterm in Gl.(9.4.7.2) besteht nun<br />

aus zwei Teilen. Bei systematischen Wiederaufbau nach einem Versagen entsteht<br />

D H (p) =<br />

Lf ∗ (γ, p)<br />

1 − f ∗ (γ, p)g ∗ (γ) + C(p)f ∗ (γ, p)g ∗ (γ)<br />

1 − f ∗ (γ, p)g ∗ (γ) = Lf ∗ (γ, p)+C(p)h ∗ (γ, p)<br />

1 − h ∗ (γ, p)<br />

(9.4.8.3)<br />

Der Erneuerungszyklus hat die Länge T W +T N . T W <strong>und</strong> T N sind unabhängig. h ∗ (γ, p) =f ∗ (γ, p)g ∗ (γ)<br />

ist die Laplacetransformierte der Dichte h(t, p) = R ∞<br />

f(t − τ, p)g(τ)dτ dieses Zwei-Phasen Erneuerungsprozesses<br />

mit g(t) der Dichte der Erneuerungszeiten.<br />

0<br />

Bei Erneuerung nach dem Versagen oder bei systematischer Reparatur <strong>im</strong> Alter a wird aus Gl.<br />

(9.4.7.3)<br />

D HR (p,a)= Lf ∗∗ (γ, p,a)+C(p)k ∗∗ (γ, p,a)+R(p)g ∗∗ (γ,a) ¯F (p,a)<br />

1 − (k ∗∗ (γ, p,a)+g ∗∗ (γ,a) ¯F (p,a))<br />

(9.4.8.4)<br />

mit f ∗∗ (γ, p,a) = R a<br />

exp [−γt] f(t, p)dt, 0 k∗∗ (γ, p,a) = R a R ∞<br />

exp [−γ(t + τ)] g(τ)dτf(t, p)dt =<br />

0 0<br />

f ∗∗ (γ, p,a)g ∗ (γ) <strong>und</strong> g ∗∗ (γ,a)= R ∞<br />

exp [−γ(t + a)] g(t)dt =exp[−γa] g ∗ (γ).<br />

0<br />

Ähnlich geht man bei Inspektion <strong>und</strong> Reparatur vor.<br />

9.4.9. Bestehende Bauwerke<br />

Bei bestehenden Bauwerken kann man berücksichtigen, daß a: das Alter <strong>und</strong> gegebenenfalls der<br />

Schädigungszustand bekannt sind <strong>und</strong> b: durch zusätzliche Informationen die Verteilungsfunktion<br />

der Zeit bis zum ersten Versagen eine andere ist als alle anderen nach einem zukünftigen Wiederaufbau<br />

oder einer Reparatur. Nach den in Beispiel 4.5.2 (Abschnitt 4.5) vorgestellten Konzepten<br />

erhält man bei Anwendung des Bayesschen Satzes beispielsweise eine neue Versagensdichte<br />

f 1 (t, p). Und wir nehmen an, daß zum Zeitpunkt der Untersuchung <strong>und</strong> Rehabilitierung des bestehenden<br />

Bauwerks die Kosten C R (p) angefallen sind. Nunmehr kann das erste Reparaturintervall<br />

a 1 durchaus einen andere Länge als die Anderen annehmen. Wir geben nur den Fall systematischen<br />

Wiederaufbaus bzw. systematischer Reparatur an.<br />

252


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Für die erwarteten Schadenskosten berechnet man<br />

D E (p,a 1 ,a)=<br />

(C(p)+L)f<br />

∗∗<br />

1 (γ, p,a 1 )+R(p)exp[−γa 1 ] ¯F 1 (p,a 1 )<br />

1 − (f ∗∗ (γ, p,a)+exp[−γa] ¯F (p,a))<br />

(9.4.9.1)<br />

Für eine konstante Nutzenrate b(t) =b ist der Nutzen wie Gl. (9.3.2.1). Der erwartete Nutzen für<br />

das Modell in Gl. (9.4.3.3) ist<br />

B E (p,a 1 ,a) =<br />

Z a1<br />

0<br />

B D (t)f 1 (t, p)dt + B D (a 1 ) ¯F 1 (p,a 1 )+<br />

∗∗<br />

(f1 + (γ, p,a 1)+exp[−γa 1 ] ¯F 1 (p,a 1 ))<br />

1 − (f ∗∗ (γ, p,a)+exp[−γa] ¯F (p,a))<br />

Z a<br />

0<br />

B D (t)f(t, p)dt + B D (a) ¯F (p,a)<br />

(9.4.9.2)<br />

mit B D (t) = R t<br />

exp [−γt] b(t)dt. Dasführt zur Zielfunktion<br />

0<br />

Z E (p,a 1 ,a)=B E (p,a 1 ,a) − C R (p)−D E (p,a 1 ,a) (9.4.9.3)<br />

9.4.10. Seriensysteme<br />

Wenn das Tragwerk in s verschiedenen Versagensmodi, jeweils mit verschiedenen Schadens- <strong>und</strong><br />

Wiederaufbaukosten, ausfallen kann, kann man nach oben abschranken indem man P (∪F i ) ≤<br />

P P (Fi ) ≤ 1 verwendet, d.h.<br />

D(p) ≤<br />

P s<br />

k=1 (C k(p)+L k )λ k (p)<br />

γ<br />

(9.4.10.1)<br />

wobei λ k (p) =ν + U,k (p) oder λ k(p) =λP f,k (p). Man beachte, daß die Versagensraten zwar keine<br />

Wahrscheinlichkeiten sind, die Raten mit einem kleinen Zeitintervall ∆ multipliziert jedoch als<br />

Versagenswahrscheinlichkeiten <strong>im</strong> Intervall [t, t + ∆] interpretiert werden können. Gleichheit in<br />

Formel (9.4.9.1) gilt für unabhängige Versagensmodi mit exponentiell verteilten Versagenszeiten.<br />

Wir erinnern auch daran, daß mehrere unabhängige Poissonprozesse mit den Parametern λ i (verschiedene<br />

Versagensursachen) einen neuen Poissonprozeß mit dem Parameter λ = P r<br />

i=1 λ i bilden,<br />

so daß z.B. für Gl. (9.3.2.7) <strong>und</strong> Verallgemeinerung auf den Fall, daß Ve rs age n für jede Ursache in<br />

verschiedenen Versagensmodi erfolgen kann:<br />

P r<br />

i=1<br />

D(p) ≤<br />

λ P s<br />

i j=1 (C ij(p)+L ij )P f,ij (p)<br />

(9.4.10.2)<br />

γ<br />

Eine Verbesserung der Unabhängigkeitsannahme, z.B. auf der Basis von Gl. (4.3.9), ist möglich<br />

aber relativ aufwendig. Am einfachsten ist noch der Fall von Gl. (9.3.2.8) bei dem λ P s<br />

k=1 P f,k(p)<br />

durch<br />

s[<br />

P ( F k ) ≈ λ (1 − Φ s (β; R)) ≤ λ P µ<br />

<br />

s<br />

k=1<br />

P f,k − max {P f,k∩j}<br />

j1<br />

k=1<br />

≥ λ P ³<br />

s<br />

k=1 max 0,P f,k − P ´ (9.4.10.3)<br />

k<br />

j=1 {P f,k∩j}<br />

253


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

mit P f,k = P ({U ∈ V k } = P (g k (U) ≤ 0) ≈ P (α T k U+β k ≤ 0) <strong>und</strong> P f,k∩j ≈ P ( © α T k U+β k ≤ 0 ª ∩<br />

©<br />

α<br />

T<br />

j U+β j ≤ 0 ª ) zu ersetzen ist. Für eine Belastung durch eine Kombination von stationären<br />

Sprungprozessen <strong>und</strong> eines stationären Gaußschen Vektorprozesses mit den Raten in Gl. (7.2.3.4)<br />

<strong>und</strong> (7.3.5.1) <strong>und</strong> den dort jeweils geltenden Bezeichnungen gilt (Abhängigkeit von p weggelassen).<br />

ν + (V S ) ≤<br />

⎧<br />

sX ⎨<br />

⎩<br />

k=1<br />

P nJ<br />

i=1 λ i<br />

·µ<br />

P ¡ U + i<br />

¸<br />

© © ª © ª<br />

P ( U<br />

+<br />

i ∈ V k ∩ U<br />

+<br />

i ∈ V j ) − A +<br />

ªk>1<br />

¢<br />

∈ V k − max<br />

j 0 für alle k <strong>und</strong> t.<br />

f s (t) = d dt (1 − Φ s(β(t); R)) = −<br />

= −<br />

sX<br />

k=1<br />

∂<br />

∂β k (t)<br />

Z βk (t)<br />

−∞<br />

sX<br />

k=1<br />

∂<br />

∂β k (t) Φ s(β(t); R) ∂β k(t)<br />

∂t<br />

Φ s−1 (β(t); R |Z k = β k (t))ϕ 1 (z k )dz k<br />

∂β k (t)<br />

∂t<br />

sX<br />

= − ϕ 1 (β k (t))Φ s−1 (ĉ k ; ˆR k ) ∂β k(t)<br />

∂t<br />

k=1<br />

Ã<br />

sX<br />

= ϕ 1 (β k (t))Φ s−1 (ĉ k ; ˆR −<br />

∂<br />

k )<br />

g !<br />

∂t k(u ∗ ,t)<br />

k∇ u g k (u ∗ ,t)k<br />

k=1<br />

Ã<br />

sX<br />

−<br />

∂<br />

∂t<br />

≤ ϕ 1 (β k (t))<br />

g !<br />

k(u ∗ ,t)<br />

k∇ u g k (u ∗ ,t)k<br />

k=1<br />

(9.4.10.5)<br />

mit ĉ k = β k (t)−β k (t)ρ k k <strong>und</strong> ˆR k = R−ρ k k (ρk k )T aufgr<strong>und</strong> eines Resultats aus der Regressionsrechnung.<br />

Dabei ist ρ k der k-te Spaltenvektor von R <strong>und</strong> der hochgestellte Index bedeutet, daß der k-te Spaltenvektor<br />

<strong>und</strong> der k-te Zeilenvektor der ursprünglichen Matrix R gelöscht wurde. Man beachte,<br />

daß ˆR k <strong>und</strong> damit auch ĉ k bei Verwendung des Standardnormalverteilungsintegrals Φ s−1 (.; .) neu<br />

durchnormiert werden müssen ( ˆR k ist eine Kovarianzmatrix <strong>und</strong> noch keine Korrelationsmatrix).<br />

Weglassen der Terme Φ s−1 (ĉ k ; ˆR k ), d.h. der Überlebenswahrscheinlichkeiten in den anderen Versagensmodi<br />

führt zur bereits bekannten oberen Schranke. Eine untere Schranke wird durch Berücksichtigung<br />

des größten Terms in der Summe erhalten.<br />

⎫<br />

⎬<br />

⎭<br />

254


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Beispiel 9.4.9.1: Ideal-plastischer Rahmen unter zeitvarianten <strong>Lasten</strong><br />

In diesem Beispiel (vergl. Abb. 9.9) sollen die Mittelwerte der plastischen Momente in den Knoten<br />

1 bis 10 opt<strong>im</strong>iert werden.<br />

Abb. 9.9.<strong>Lasten</strong> <strong>und</strong> statisches System des Rahmens<br />

Das Tragwerk kann in 8 verschiedenen Versagensmoden versagen. Die ersten drei Moden sind<br />

Elementarmechanismen, die anderen sind kombinierte Mechanismen (vergl. Abb. 9.10).<br />

Für jeden Modus gibt eine Grenzzustandsfunktion:<br />

G 1 (x, p) =X 2 +2X 3 + X 4 − X 12 · h<br />

2<br />

G 2 (x, p) =X 6 +2X 7 + X 8 − X 13 · h<br />

2<br />

G 3 (x, p) =X 1 + X 2 + X 5 + X 8 + X 9 + X 10 − X 11 · h<br />

G 4 (x, p) =X 2 +2X 3 + X 4 + X 6 +2X 7 + X 8 − X 12 · h − X 2 13 · h<br />

2<br />

G 5 (x, p) =X 1 + X 2 + X 5 + X 6 +2X 7 +2X 8 + X 9 + X 10 − X 11 · h − X 13 · h<br />

2<br />

G 6 (x, p) =X 1 + X 2 + X 4 +2X 7 +2X 8 + X 9 + X 10 − X 11 · h − X 13 · h<br />

2<br />

G 7 (x, p) =X 1 +2X 3 + X 4 + X 5 + X 8 + X 9 + X 10 − X 11 · h − X 12 · h<br />

2<br />

G 8 (x, p) =X 1 +2X 3 +2X 4 +2X 7 +2X 8 + X 9 + X 10 − X 11 · h − X 12 · h − X 2 13 · h<br />

2<br />

wobei X i ,i=1,...,10 die plastischen Momente <strong>im</strong> Knoten i <strong>und</strong> X 11 , X 12 <strong>und</strong> X 13 die stochastischen<strong>Lasten</strong>indenKnoten2,<br />

3 <strong>und</strong> 7 sind. Die stochastischen Eigenschaften der Variablen sind<br />

in nachfolgender Tabelle zusammengestellt. Die plastischen Momente sind als unabhängig <strong>und</strong> lognormalverteilt<br />

angenommen, die <strong>Lasten</strong> X 11 , X 12 <strong>und</strong> X 13 sind normalverteilt. Auch die <strong>Lasten</strong><br />

sind unabhängig.<br />

Variable [Unit] Mittel/St.abweich.<br />

Plastische Momente 1, 2, 5, 8, 9, 10 X i [kNm] p 1 /0.1 · p 1<br />

Plastische Momente 3, 4, 6, 7 X i [kNm] p 2 /0.1 · p 2<br />

Last am Knoten 2 X 11 [kN] 2/0.6<br />

Last am Knoten 3 X 12 [kN] 4/1.2<br />

Last am Knoten 7 X 13 [kN] 6/1.8<br />

255


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

1 2<br />

3 4<br />

5 6<br />

7<br />

8<br />

Abb. 9.10.Versagensmoden des Rahmens<br />

Doe Lognormalverteilung macht das Problem etwas nichtlinear <strong>im</strong> Standardraum. Die <strong>Lasten</strong> in<br />

den Knoten 3 <strong>und</strong> 7 werden als stationäre Rechteckwellenprozesse mit den Sprungraten λ 13 =0.5<br />

[1/year] modelliert, die Last <strong>im</strong> Knoten 2 ist ein differenzierbarer Gaußprozeß mit Autokorrelationsfunktion.<br />

Also muß Formel (7.6.1) zusammen mit (7.2.3.4) <strong>und</strong> (7.3.5.1) mit n J =2<strong>und</strong><br />

n D =1verwendet werden.<br />

⎧<br />

sX ⎨<br />

ν + (V S ) ≤<br />

⎩<br />

k=1<br />

P nJ<br />

i=1 λ i<br />

·µ<br />

P ¡ ¸<br />

¢ ©<br />

V +<br />

ik − max P (V<br />

+<br />

ik ∩ V ij + )ª − A +<br />

j1<br />

+Ψ(m k (u ∗ k ), σ k)ϕ(β k )[1− Φ s−1 (b k ; B k )]<br />

⎫<br />

⎬<br />

⎭ (9.4.10.6)<br />

Die Bemessungsparameter p 1 <strong>und</strong> p 2 haben die Grenzen: p 1 ∈ [5.0; 80.0] kNm, p 2 ∈ [5.0; 80.0]<br />

kNm. Die Errichtungskosten für die Widerstände in den Knoten 1,...,10 sind C(p) =p 1 +2.0·p 2 ,<br />

die Schadenskosten L =1000<strong>und</strong> der Zinssatz ist γ =0.02. Demnach gilt:<br />

#<br />

Z(p) =<br />

" sX<br />

C(p)+E R<br />

k=1<br />

sX<br />

= C(p)+<br />

k=1<br />

(C(p) k + L k ) ν+ (p, R) k<br />

γ<br />

(C(p) k + L k ) E R [ν + (p, R) k ]<br />

γ<br />

(9.4.10.7)<br />

mit R =(X 1 ,...X 2 ) dem Vektor der Widerstandsvariablen. Für h =20m <strong>und</strong> eine Zeitdauer von<br />

einem Jahr best<strong>im</strong>mt man<br />

p ∗ 1 =16.95, p ∗ 2 =38.45<br />

mit den opt<strong>im</strong>alen Kosten C tot (p) =93.85 [EURO]. Die Versagenswahrscheinlichkeiten der einzelnen<br />

Moden sind: (P f,1 (p ∗ ),P f,2 (p ∗ ),P f,3 (p ∗ ),P f,4 (p ∗ ),P f,5 (p ∗ ),P f,6 (p ∗ ),P f,7 (p ∗ ),P f,8 (p ∗ ))<br />

256


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

=(9.76·10 −11 , 2.21·10 −4 , 2.53·10 −6 , 2.37·10 −11 , 4.13·10 −8 , 1.82·10 −6 , 9.66·10 −10 , 1.38·10 −9 ).<br />

Die Systemversagenswahrscheinlichkeit ist 2.25 · 10 −4 .<br />

Beispiel 9.4.9.2: Diskontierungsfaktor eines Systems mit mehreren Versagensmodi<br />

Wir nehmen die Verhältnisse des Beispiels 9.4.6.5 an, aber an 10 verschiedenen Stellen. Die<br />

Oberflächenkonzentration C s <strong>und</strong> die kritische Chloridkonzentration C cr seienandenverschiedenen<br />

Stellen gleich während sich Betondeckung <strong>und</strong> Diffusionskoeffizient unabhägig voneinander<br />

realisieren. Damit sind die Versagensmodi äquikorreliert mit Korrelationskoeffizient ρ(t) =<br />

α 2 C cr<br />

(t) +α 2 C Cs<br />

(t) <strong>und</strong>mankannfür das Multinormalverteilungsintegral Formel (4) <strong>und</strong> (6) in<br />

Beispiel 5.4.1 verwenden. Wir berechnen hier nur den Diskontierungsfaktor h ∗ (γ).<br />

1<br />

0.8<br />

____ Exakt - Korrelierte Versagensmodi<br />

....... Exakt - Unabhängige Versagensmodi<br />

_ _ _ Triviale obere Schranke<br />

....... Untere Schranke (für Überlebenswahrscheinlichkeiten)<br />

_._._ Triviale untere Schranke<br />

0.6<br />

h*(g)<br />

0.4<br />

0.2<br />

0<br />

0.01 0.02 0.03 0.04 0.05 0.06 0.07 0.08<br />

g<br />

Abb. 9.11.Diskontierungsfaktor für Seriensystem<br />

Man sieht in Abb. 9.11, daß für dieses Beispiel die trivialen oberen <strong>und</strong> unteren Schranken ungenügend<br />

sind, die Annahme unabhängiger Versagensmodi jedoch nur geringfügig auf der sicheren<br />

Seite liegt. Die obere Schranke wird unbrauchbar für γ < 0.02.<br />

#<br />

9.4.11. Schlußbemerkungen zur Anwendbarkeit des Erneuerungsmodells<br />

Die Ableitung geeigneter Zielfunktionen für kostenopt<strong>im</strong>ale Planung, Betrieb <strong>und</strong> Unterhaltung<br />

von baulichen Anlagen beruhte auf dem Erneuerungsmodell. Wie gezeigt, konnte die Theorie für<br />

viele wichtige Anwendungen entwickelt werden. Red<strong>und</strong>ante Systeme, insbesondere Tragsysteme,<br />

wurden nicht behandelt, da, wie in Kapitel 8 aufgezeigt, die Ermittlung der Zeiten bis zum<br />

257


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Versagen wegen Lastumlagerungen zu sehr aufwendigen Rechnungen führen kann. FürdieGültigkeit<br />

des Erneuerungsmodells ist vor allem die Unabhängigkeit der Erneuerungszeiten wesentliche<br />

Voraussetzung. Das wird wohl in den meisten Fällen wenigstens näherungsweise zutreffen. Der<br />

schwerwiegendste Einwand, der aber gegen das Erneuerungsmodell vorgebracht werden kann, ist,<br />

daß bei einer Erneuerung (Wiederaufbau, Reparatur, Ersetzung ) die stochastischen Eigenschaften<br />

der Komponente oder des Systems wieder hergestellt werden müssen. Das trifft in der Praxis<br />

wohl meistens aber nicht <strong>im</strong>mer zu. Teilreparaturen verstoßen aber gegen eine zentrale Voraussetzung<br />

der Erneuerungstheorie. Dann sind andere Ansätze notwendig, die nicht behandelt werden<br />

können.<br />

9.5. Aspekte der Risikoanalyse baulicher Anlagen<br />

Unter Risikoanalyse versteht man die Analyse der Gesamtheit der Gefährdungen von baulichen<br />

Anlagen einschließlich der bei Eintritt der Gefährdungen jeweils zugehörigen Folgen. Im allgemeinen<br />

wird das Gesamtrisiko ermittelt aus der Summe des sich aus verschiedenen, einander ausschließenden<br />

Gefährdungsszenarien ergebenden Produktes von Versagenswahrscheinlichkeit <strong>und</strong><br />

Folge, d.h. aus:<br />

R = X i E [P (∪ jF ij | G i )P (G i )L ij ] (9.5.1)<br />

Das Vereinigungssymbol bei den ungünstigen Ereignissen F ij soll darauf hinweisen, daß es in jedem<br />

Szenarium G i mehrere Versagensmodi, die für das Szenarium charakteristisch sein mögen,<br />

gibt. L ij sind die Schadensfolgen einschließlich der möglichen Gefahr für Leib <strong>und</strong> Leben sowie<br />

von Kulturgütern in geeigneten (monetären) Einheiten. Auch diese mögen vom jeweiligen<br />

Szenarium <strong>und</strong> von den Versagensarten abhängen. Sie mögen von dem speziellen Gefährdungsszenarium<br />

abhängen oder nicht. Die Erwartungsoperation soll darauf hinweisen, daß <strong>im</strong> Sinne<br />

der v. Neumann/Morgensternschen statistischen Entscheidungstheorie mittlere Werte genommen<br />

werden müssen. Das wird <strong>im</strong> folgenden nicht mehr explizit erwähnt. R ist damit dem erwarteten<br />

Schaden vergleichbar - allerdings ohne jede Verzinsung. Hier ist strukturelles Versagen nur ein<br />

Sonderfall.WennessichbeidenGefährdungsszenarien um ’’relativ’’ seltene, stationäre Ereignisse<br />

handelt <strong>und</strong>, zumindest gedanklich, systematischer Wiederaufbau vorgesehen ist, sind den Schadensfolgen<br />

die Wiederrichtungskosten hinzuzufügen <strong>und</strong> P (G i ) ist eine Rate mit dem G i auftritt.<br />

Das Risiko R kann man verzinsen oder auch unverzinst belassen. Als Beispiel bei Verzinsung sei<br />

der der Gl. (9.3.23) zugr<strong>und</strong>eliegende <strong>und</strong> hier besonders geeignete Fall ausgeschrieben:<br />

R = X P (∪ jF ij | G i )P (G i )(L ij + C 0 )<br />

i<br />

= X (L ij + C 0 ) λ iP (∪ j F ij | G i )<br />

i γ<br />

(9.5.2)<br />

Diese Größe ist nichts anderes als die Größe D in Abschnitt 9 <strong>und</strong> kann zusammen mit dem Nutzen,<br />

den Errichtungskosten <strong>und</strong> gegebenenfalls den Unterhaltungskosten einer Opt<strong>im</strong>ierung der<br />

baulichen Anlage unterworfen werden können. Man kann GL. (9.5.2) als einen Ausdruck für das<br />

finanzielle Risiko einer technischen Unternehmung auffassen. Die Aufwendungen für dieVermeidung<br />

eines Risikos für Leib <strong>und</strong> Leben müssen jedoch gesondert berücksichtigt werden. So<br />

gesehen ist das Opt<strong>im</strong>ierungskonzept in den Abschnitten 9.1 bis 9.4 das reichere Konzept, zumal<br />

es neben den Kosten auch den Nutzen einbezieht.<br />

258


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Unter Risikoanalyse mag man daher in erster Linie die systematische Untersuchung aller möglichen<br />

Gefährdungen verstehen. Hierzu haben sich einige spezielle Methoden als geeignet erwiesen,<br />

von denen einige bereits in Abschnitt 5.5 vorgestellt wurden. Risikoanalyse umfaßt aber vor allem<br />

alle Gefährdungen <strong>und</strong> hier vor allem auch jene, für die der Mensch verantwortlich ist.<br />

Beispiel 9.5.1: Analyse des Risikos für Leib <strong>und</strong> Leben bei Erdbeben<br />

Für Erdbeben haben Coburn/Spence [31] die folgende Formel angegeben, die auch für andere<br />

Anwendungen nach entsprechender Modifikation nützlich sein kann.<br />

<strong>und</strong><br />

N F = N B (M 1 M 2 M 3 [M 4 +(1− M 4 )M 5 ]) (1)<br />

worin<br />

N B = Anzahl der eingestürzten Gebäude<br />

M 1 = Max<strong>im</strong>ale Anzahl von Menschen pro Gebäude<br />

M 2 = Anwesenheit zum Ereigniszeitpunkt (0 ≤ M 2 ≤ 1)<br />

M 3 = Wahrscheinlichkeit betroffen zu sein (z.B. kein Entkommen)<br />

M 4 = Wahrscheinlichkeit bei Einsturz zu Tode zu kommen<br />

M 5 = Wahrscheinlichkeit nach Einsturz zu Tode zu kommen (z.B. <strong>im</strong> Krankenhaus)<br />

k = N F<br />

(2)<br />

N<br />

wobei N die Gesamtanzahl der vom Ereignis betroffenen Bevölkerung ist.<br />

Abb. 9.12 zeigt ein Beispiel für die Art der zur Verfügung stehenden Daten.<br />

#<br />

Beispiel 9.5.2: Todeswahrscheinlichkeit bei Feuern in Straßentunneln<br />

Abb. 9.13 zeigt eine jüngere Zusammenstellung der Opfer von Starkfeuern in Staßentunneln. Die<br />

Streuungen sind sehr groß. Im Mittel kann man mit einem k-Faktor von 0.1 rechnen.<br />

#<br />

259


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Abb. 9.12.k-factor for earthquakes [31]<br />

9.6. Bemessung als Opt<strong>im</strong>ierungsaufgabe<br />

9.6.1. Allgemeines<br />

Wir kommen nun zu den technischen Details der eigentlichen Opt<strong>im</strong>ierungsaufgabe. Bei zeitinvarianten<br />

Problemen gilt als Zielfunktion Gl. (9.2.1) bei Aufgabe des Tragwerks nach dem Versagen<br />

<strong>und</strong> Gl. (9.2.2) bei systematischem Wiederaufbau. Bei zeitvarianten Problemen gilt Gl.<br />

(9.3.1.3) bzw. für Poissonsche Versagensprozesse Gl. (9.3.1.7) bei Aufgabe des Tragwerks nach<br />

dem Versagen oder wenn es seine Aufgabe erfüllt hat. Bei systematischem Wiederaufbau gilt Gl.<br />

(9.3.2.6). In Abschnitt 3.4 wurde bereits darauf hingewiesen, daß es sich strenggenommen um<br />

zwei übereinander angeordnete Opt<strong>im</strong>ierungsaufgaben handelt, nämlich die eigentliche Kostenopt<strong>im</strong>ierung<br />

<strong>und</strong>, <strong>im</strong> Rahmen von FORM/SORM, eine Opt<strong>im</strong>ierung fürdieLösung der <strong>Zuverlässigkeit</strong>saufgabe.<br />

Ein solches Vorgehen, die sogenannte Zweistufenopt<strong>im</strong>ierung, ist möglich <strong>und</strong><br />

wurde verschiedentlich mit Erfolg eingesetzt. Leider ist das aber auch oft mit größerem Aufwand<br />

verb<strong>und</strong>en, <strong>und</strong> zwar besonders dann, wenn man iterativ vorgeht, d.h. zunächst für best<strong>im</strong>mte Anfangsbedingungen<br />

für die Bemessungsparameter die untergeordnete <strong>Zuverlässigkeit</strong>sopt<strong>im</strong>ierung<br />

bis zur Konvergenz ausführt <strong>und</strong> dann die übergeordnete Parameteropt<strong>im</strong>ierung für feste <strong>Zuverlässigkeit</strong>sbedingungen<br />

nachzieht. Man hat auch versucht, die Algorithmen jeweils nur einen Schritt<br />

ausführen zu lassen. Eine zweistufige Opt<strong>im</strong>ierung kann jedoch vermieden werden, indem man<br />

die sogenannten Kuhn-Tucker Bedingungen für die <strong>Zuverlässigkeit</strong>saufgabe der Kostenopt<strong>im</strong>ierung<br />

als Nebenbedingung hinzufügt. Diese wird <strong>im</strong> folgenden ausführlicher behandelt.<br />

260


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

45<br />

40<br />

35<br />

Mt. Blanc, 1999<br />

30<br />

Fatalities<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

Tauern, 1999<br />

5<br />

0<br />

0 50 100 150 200 250 300<br />

Persons in Tunnel<br />

9.6.2. Die zeitinvariante Aufgabe<br />

Abb. 9.13.k-factor for large road tunnel fires [124]<br />

Hierzu nehmen wir an, daß die <strong>Zuverlässigkeit</strong>saufgabe gr<strong>und</strong>sätzlich <strong>im</strong> Standardraum gelöst<br />

wird. Im Originalraum sind die nachfolgenden Betrachtungen nicht gültig. Außerdem soll nur der<br />

Fall des systematischen Wiederaufbaus diskutiert werden.<br />

Es sei p ein Parametervektor, der sowohl in der Kostenfunktion als auch in der Grenzzustandsfunktion<br />

vorkommt. Die Funktion der Errichtungskosten sei differenzierbar ebenso wie die Grenzzustandsfunktion.<br />

Im β−Punkt gelten die sogenannten Kuhn-Tucker Bedingungen (Opt<strong>im</strong>alitätsbedingungen)<br />

[?]:<br />

Die zweite Bedingung kann wie folgt entwickelt werden:<br />

g(u, p) = 0 (9.6.2.1)<br />

u<br />

kuk = − ∇ ug(u, p)<br />

(9.6.2.2)<br />

k∇ u g(u, p)k<br />

u<br />

kuk + ∇ ug(u, p)<br />

k∇ u g(u, p)k = 0<br />

u<br />

kuk k∇ ug(u, p)k + ∇ u g(u, p) = 0<br />

261


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

u T u<br />

kuk k∇ ug(u, p)k + u T ∇ u g(u, p) = 0<br />

kukk∇ u g(u, p)k + u T ∇ u g(u, p) = 0 (9.6.2.3)<br />

Geometrisch bedeutet das, daß der Gradient der Zielfunktion kuk in u ∗ senkrecht auf dem Gradienten<br />

der Restriktion g(u, p) =0steht. Für das Weitere wird Differenzierbarkeit der Zielfunktion<br />

sowie der Restriktionen in u <strong>und</strong> p gefordert. Damit wird die Aufgabe (9.2.2) zu:<br />

Max<strong>im</strong>iere:<br />

Unter den Bedingungen:<br />

Z(p) =B ∗ − C(p) − (C(p)+L) P f (p)<br />

1−P f (p))<br />

g(u, p) =0<br />

(9.6.2.4)<br />

u i k∇ u g(u, p)k + ∇ u g(u, p) i kuk =0; i =1,...,n− 1<br />

h k (p) ≤ 0,k=1,...,q<br />

P f (p) ≤ P f,zulässig<br />

worin die erste <strong>und</strong> zweite Bedingung die Kuhn-Tucker Bedingungen fürdenβ−Punkt darstellen.<br />

Natürlich gilt<br />

P f (p) ≈ Φ(−β(p))C SORM (9.6.2.5)<br />

Die h k (p) sind gegebenenfalls vorhandene Restriktionen für die Parameter. In der Zielfunktion<br />

kann man auf den Schadensterm auch verzichten bzw. den Nutzenterm weglassen. Meist<br />

P<br />

wird<br />

f (p)<br />

durch P 1−P f (p)) f(p) ersetzt. Die vierte Bedingung wurde nur der Form halber hinzugefügt<br />

um auch die spezielleren Probleme mit einfachen <strong>Zuverlässigkeit</strong>srestriktionen der Form<br />

P f (p) ≤ P f,zulässig <strong>und</strong> ohne Schadensterm mit einzubeziehen. Die Formulierung der Zielfunktion<br />

in Gl. (9.6.1.4) ist in Bezug auf <strong>Zuverlässigkeit</strong>srestriktionen unrestringiert. Man wird aber den<br />

Wertebereich für p <strong>und</strong> u aus technischen Gründen beschränken wollen. Hier ist die ursprüngliche<br />

Kuhn-Tuckerbedingung Gl. (9.6.1.1) <strong>und</strong> (9.6.1.2) verwendet worden. Die skalare Bedingung<br />

(9.6.1.3) ist für die numerische Untersuchung nicht geeignet, da ihr Gradient <strong>im</strong> Lösungspunkt<br />

theoretisch verschwindet <strong>und</strong> gewisse Teilprobleme bei einer gradientenbasierten Opt<strong>im</strong>ierung singulärwerdenkönnen.<br />

Generell ist kuk 6= 0sowie k∇ u g(u, p)k 6= 0zu fordern. Desweiteren sei<br />

g(0, p) > 0. Der für die Zielfunktion zu berechnende Gradient ∇ p C(p) ist meist numerisch zu ermitteln.<br />

Für ∇ p P f (p) bedient man sich des Resultats in Gl. (3.3.8), d.h. <strong>im</strong> Rahmen von SORM<br />

mit der Näherung, daß der Faktor C SORM nur unwesentlich von u <strong>und</strong> p abhängt:<br />

∂P f (p)<br />

∂p i<br />

= ∂Φ(−β(p))<br />

∂p i<br />

C SORM = −ϕ(β(p)) ∂β(p)<br />

∂p i<br />

C SORM = −ϕ(β(p))<br />

∂<br />

∂p i<br />

g(u, p)<br />

k∇ u g(u, p)k C SORM<br />

(9.6.2.6)<br />

In Gl. (9.6.1.4) ist bei gradientenbasierten Opt<strong>im</strong>ierungsverfahren nicht nur der Gradient der Zielfunktion<br />

sondern auch die Gradienten aller Restriktionen zu bilden. Das bedeutet, daß zweite<br />

Ableitungen erforderlich werden <strong>und</strong> das ist der schwerwiegendste Einwand, der gegen die vorgestellte<br />

einstufige Vorgehensweise bei der Kostenopt<strong>im</strong>ierung vorzubringen ist. Normalerweise<br />

am aufwendigsten sind die zweiten Ableitungen der Grenzzustandsfunktion, hier mit ∇ 2 u,pg(u, p)<br />

bezeichnet, zu ermitteln. Man kann jedoch iterativ vorgehen <strong>und</strong> kann damit gleichzeitig SORM-<br />

262


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Korrekturen berücksichtigen. Zunächst unterstellt man, daß die GrenzzustandsflächeeineHyperebene<br />

ist. Alle Elemente der Hesse-Matrix von g(u, p) sind dann Null. Damit löst man das<br />

Problem (9.6.1.4) mit C SORM =1.ImLösungspunkt wird nun die Hessematrix einmal berechnet<br />

<strong>und</strong> ebenso die SORM-Korrektur. Damit wird das Problem (9.6.1.4) ein zweites Mal gelöst. Dieses<br />

Schema wiederholt man bis Konvergenz eintritt. Diese ist in der Regel nach wenigen Schritten<br />

erreicht.<br />

Beispiel 9.6.2.1: Schlanke Stahlstütze (vergl. Beispiel 7.6.1)<br />

Die Stahlstütze wird nunmehr <strong>im</strong> Hinblick auf die Geometrie des Stahlquerschnitts opt<strong>im</strong>iert. Es<br />

gilt das gleiche stochastische Modell wie in Beispiel 7.6.1, jedoch werden die <strong>Lasten</strong> zur Vereinfachung<br />

zeitinvariant genommen <strong>und</strong> die <strong>Lasten</strong> P 2 <strong>und</strong> P 4 zu einer neuen Last P 2 mit Mittelwert<br />

800000 [N] <strong>und</strong> Standardabweichung 200000 [N] zusammengefaßt. Es gelte die Kostenfunktion<br />

<strong>und</strong> es sei<br />

C(p) =1+0.001(2m B m D +10m H ) (1)<br />

β(p) ≥ β zulässig =3.719 (2)<br />

gefordert. Für die geometrischen Größen seien folgende Grenzen gesetzt:<br />

300 ≤ m B ≤ 400<br />

15 ≤ m D ≤ 40<br />

300 ≤ m H ≤ 400 (3)<br />

Die Rechnung werde mit numerischer Hessematrix G uu (u, p) bzw. G up (u, p) <strong>und</strong> mit G uu (u, p) =<br />

G up (u, p) =0 durchgeführt:<br />

Hessematrix Numerisch Nullmatrix<br />

Lösungsvektor p ∗ (300.0, 15.0, 373.8) (300.0, 15.0, 373.8)<br />

Iterationen in p 7 10<br />

Funktionsaufrufe g(u, p) 933 191<br />

Das Ergebnis macht Sinn. Die Stegdicke geht nicht in die Kostenfunktion ein. Man sieht, daß sich<br />

die beiden Verfahrensweisen in der Iterationszahl nicht wesentlich unterscheiden, die numerische<br />

Berechnung der Hessematrix von g(u, p) zwar geringfügig weniger Iterationen aber wesentlich<br />

mehr Funktionsaufrufe erfordert. Die reine, zeitinvariante <strong>Zuverlässigkeit</strong>sanalyse mit FORM für<br />

den angegebenen Lösungsvektor p ∗ erfordert nur r<strong>und</strong> 90 Funktionsaufrufe.<br />

#<br />

9.6.3. Zeitvariante Aufgaben<br />

Eine Bemessung als Opt<strong>im</strong>ierungsaufgabe ist auch bei zeitvarianten Problemen möglich. Unter<br />

stationären Bedingungen <strong>und</strong> beliebiger Grenzzustandsfunktion bei gleichzeitiger Beaufschlagung<br />

durch Rechteckwellen <strong>und</strong> differenzierbaren Prozessen gilt für die Austrittsrate:<br />

Ã<br />

X nJ<br />

ν + (p) =<br />

i=1<br />

λ i Φ 2 (β(p), −β(p); ρ i (p)) + ω 0<br />

ϕ(β(p))<br />

√<br />

2π<br />

!<br />

C SORM (9.6.3.1)<br />

263


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

mit ρ j (p) =1− α j (p) 2 sowie ω 0 ≈ α(p) T ¨R(p)α(p) wobei α(p) <strong>im</strong> jeweiligen β−Punkt zu<br />

nehmen ist. In beiden Fällen dominiert der Term, der β enthält. Also können die gleichen Konzepte<br />

wie <strong>im</strong> zeitinvarianten Fall angewandt werden. Man muß nur die Bereichswahrscheinlichkeit in<br />

GL. (9.6.1.4) durch die entsprechende Austrittsrate ersetzen. Man hat:<br />

Max<strong>im</strong>iere:<br />

Unter den Bedingungen:<br />

Z(p) = b γ − C(p) − (C(p)+L) · ν+ (p)<br />

γ<br />

g(u, p) =0<br />

u i k∇ u g(u, p)k + ∇ u g(u, p) i kuk =0; i =1,...,n− 1<br />

h k (p) ≤ 0,k=1,...,q<br />

ν + (p) ≤ν + zulässig<br />

(9.6.3.2)<br />

Nunmehr ist <strong>im</strong> Rahmen von SORM mit Φ 2 (β(p), −β(p); ρ j (p)) ≤ Φ(−β(p)):<br />

⎛<br />

µ<br />

⎞<br />

−β(p) √ 1−ρ j(p)<br />

1−ρj (p) 2<br />

∂ν + (p)<br />

= − ⎜<br />

∂p i ⎝<br />

≈<br />

−<br />

Ã<br />

nJ<br />

X<br />

P nJ<br />

j=1 λ jϕ(β(p))Φ<br />

j=1<br />

+ϕ 2 (β(p), −β(p); ρ i (p)) ∂ρ i(p)<br />

+ ω0<br />

√<br />

2π<br />

ϕ(β(p))β(p)<br />

∂p i<br />

∂ g(u,p)<br />

∂p i<br />

k∇ ug(u,p)k<br />

! ∂<br />

λ j ϕ(β(p)) + ω 0<br />

√<br />

2π<br />

ϕ(β(p))β(p)<br />

∂<br />

∂p i<br />

g(u,p)<br />

k∇ ug(u,p)k<br />

⎟<br />

⎠ × C SORM<br />

∂p i<br />

g(u, p)<br />

k∇ u g(u, p)k C SORM (9.6.3.3)<br />

mit<br />

<strong>und</strong><br />

∂ρ j (p)<br />

∂p i<br />

= ∂<br />

∂p i<br />

(1 − α j (p) 2 )=−2 ∂<br />

∂p i<br />

α j (p)<br />

∂α(p)<br />

∂p i<br />

1<br />

≈−<br />

k5 u g(u, p)k<br />

∂ 5 u g(u, p)<br />

∂p i<br />

bei Beschränkung auf den führenden Term bei Best<strong>im</strong>mung von ∂α(p)<br />

∂p i<br />

.Für praktische Zwecke ist<br />

die Näherung in der zweiten Zeile von Gl. (9.6.2.3) meist vollkommen ausreichend.<br />

Für den in Gl. (9.3.2.7) behandelten Fall muß der ’’Zinsfaktor’’ ν+ (p)<br />

γ<br />

durch ∇ p λP f (p) ersetzt werden. Dann ist:<br />

durch λP f (p)<br />

γ<br />

<strong>und</strong> ∇ p ν + (p)<br />

∂<br />

∂<br />

∂p<br />

(λP f (p)) = −λϕ(β(p)<br />

i<br />

g(u, p)<br />

∂p i k∇ u g(u, p)k C SORM (9.6.3.4)<br />

Bei nicht exponentiell verteilten Versagenszeiten kann die Formulierung (9.4.3) nicht verwendet<br />

werden. Man kann aber von der asymptotischen Erneuerungsdichte ausgehen, d.h. von:<br />

h(∞) =<br />

1<br />

E T [T (p)]<br />

(9.6.3.5)<br />

264


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Die äquivalente mittlere Zeit E T [T (p)] muß berechnet werden. Das ist beispielsweise für alle<br />

Modelle in Tabelle 9.3.1, abgesehen von der etwa notwendigen Erwartungswertbildung über R<br />

<strong>und</strong> Q, leicht möglich.<br />

9.6.4. Numerische Auswertung der Laplacetransformation<br />

Es ist jedoch möglich, die Formulierung (9.6.15) zu verbessern. Hierzu gehen wir zunächst auf<br />

das Näherungsmodell der (gegebenenfalls bei Null gestutzten) Normalverteilung der Zeiten bis<br />

zum Versagen über. Die Normalverteilung ist, wie erwähnt, die Gr<strong>und</strong>lage für einegenäherte<br />

Laplacetransformation. Nach Gl. (9.4.19) sind hierzu das erste <strong>und</strong> zweite Moment der Verteilung<br />

der Zeiten bis zum Versagen zu berechnen. Die Integrale werden bei äquidistanten Stützstellen als<br />

gewichtete Summen dargestellt:<br />

I k (p) =<br />

mX<br />

w j i k (t j , p)∆ (9.6.4.1)<br />

j=0<br />

mit w j den Gewichten (etwa nach S<strong>im</strong>pson oder Newton) <strong>und</strong> i(t j ) den Werten des Integranden,<br />

also Φ(β(t j , p)) bzw. t j Φ(β(t j , p)) nach Gl. (9.4.19) für k = 1 <strong>und</strong> k = 2 (SORM-Faktor<br />

vernachlässigt). Also ist nach Tabelle 9.3.1 f ∗ (γ, p) =exp £ 1<br />

γ 2 (γσ(p)2 − 2µ(p)) ¤ <strong>und</strong> µ(p) =<br />

E[T (p)] = P n<br />

j=0 w ji 1 (t j , p)∆ <strong>und</strong> σ(p) 2 = P n<br />

j=0 w ji 2 (t j , p)∆ − µ(p) 2 . Damit sind die Kuhn-<br />

Tucker-Bedingungen für jeden Zeitpunkt t j zu erfüllen <strong>und</strong> man hat<br />

Max<strong>im</strong>iere:<br />

Z(p) ≈ b γ − C(p) − (C(p)+L) · exp[ 1 2 γ(γσ(p)2 −2µ(p))]<br />

1−exp[ 1 2 γ(γσ(p)2 −2µ(p))]<br />

Unter den Bedingungen: g(u, p,t j )=0für j =0, 1,...,m<br />

u i,j k∇ u g j (u j , p,t j )k + ∇ u g j (u ji , p,t j ) i ku j k =0<br />

i =1, ..., n − 1; j =0, ..., m<br />

h k (p) ≤ 0,k =1,...,q<br />

1<br />

≤ E T [T (p)] v+ zulässig<br />

(9.6.4.2)<br />

worin β(t j , p) =ku ∗ j k, d.h.nach Konvergenz. Die Vektoren u j,j =0, 1,...,msind jeweils unabhängig.<br />

Am schwierigsten ist die Festlegung von m <strong>und</strong> ∆ <strong>und</strong> damit von t m während t 0 =0in<br />

den meisten Fällen <strong>und</strong> deshalb ∆ = t m /m.<br />

Nach dem gleichen Schema berechnet man die numerisch ermittelte Laplacetransformation. Der<br />

’’Zinsfaktor’’ heißt dann<br />

f ∗ (γ,p)<br />

1−f ∗ (γ,p) wobei<br />

f ∗ (γ, p) ≈ ∆<br />

mX<br />

w j exp [−γt j ] f T (t i , p) (9.6.4.3)<br />

j=0<br />

265


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

<strong>und</strong> damit<br />

Max<strong>im</strong>iere: Z(p) ≈ b − C(p) − (C(p)+L) · f ∗ (γ,p)<br />

γ 1−f ∗ (γ,p)<br />

Unter den Bedingungen: g(u, p,t j )=0für j =0, 1,...,m<br />

u i,j k∇ u g j (u j , p,t j )k + ∇ u g j (u ji , p,t j ) i ku j k =0<br />

i =1,...,n− 1; j =0,...,m<br />

h k (p) ≤ 0,k =1,...,q<br />

1<br />

≤ E T [T (p)] v+ zulässig<br />

(9.6.4.4)<br />

Es ist für den in Gl. (9.4.18) behandelten Fall<br />

f ∗ (γ, p) ≈ ∆<br />

mX<br />

j=0<br />

w j exp [−γt j ](−ϕ(β(t j , p))) dβ(t j, p)<br />

dt<br />

(9.6.4.5)<br />

mit dβ(t j,p)<br />

= ∂ g(u,t ∂t j ,p)<br />

i<br />

dt k∇ ug(u,t j ,p)k<br />

<strong>und</strong> <strong>im</strong> Fall der Gl. (9.4.22):<br />

f ∗ (γ, p) ≈ ∆<br />

mX<br />

w j exp [−γt j ] × (9.6.4.6)<br />

j=0<br />

9.6.5. Seriensysteme<br />

Ã<br />

Ã<br />

nJ<br />

!!<br />

X<br />

ϕ(β(t j , p))<br />

× P f (0)δ(0) + λ i Φ 2 (β(t j , p), −β(t j , p); ρ i (t j , p)) + ω 0 √<br />

2π<br />

i=1<br />

Der wichtige Fall, daß ein Tragwerk auf verschiedene Weise versagen kann, kann ebenfalls behandelt<br />

werden. In Gl. (9.4.13) wurde die Versagensrate bzw. -wahrscheinlichkeit nach oben durch Gl.<br />

(4.3.5) abgeschrankt. Man spricht von sogenannten separierbaren Seriensystemen, d.h. solchen<br />

bei denen das Versagen in den verschiedenen Versagensmodi durch voneinander unabhä ngige Zufallsvektoren<br />

(Zufallsprozesse) beschrieben werden kann. Versagensrate bzw. -wahrscheinlichkeit<br />

werden dadurch etwas zu groß ermittelt <strong>und</strong> das Opt<strong>im</strong>um der Zielfunktion in p stellt sich für<br />

etwas zu große p ein. Für den in Gl. (9.6.8) behandelten Fall hat man z.B.:<br />

Max<strong>im</strong>iere:<br />

Unter den Bedingungen:<br />

Z(p) ≤ b γ − C(p) − (C(p)+L) · P sk=1<br />

ν + k (p)<br />

γ<br />

g k (u k , p) =0;k =1, ..., s<br />

u i,k k∇ u g k (u k , p)k + ∇ u g k (u k , p) i ku k k =0; (9.6.5.1)<br />

i =1, ..., n k − 1; k =1, ..., s<br />

h`(p) ≤ 0,`=1,...,q<br />

ν + k (p) ≤ν+ k,zulässig ; k =1,...,s<br />

Die Vektoren u 1 , u 2 ,...,u s sind hierin voneinander unabhängig <strong>und</strong> haben jeweils die Länge n k .<br />

Man beachte, daß die jeweils letzte (oder eine andere) Gradientenbedingung in der Kuhn.Tucker-<br />

Bedingung weggelassen ist. Andernfalls würden, wie erwähnt, die Kuhn-Tucker-Bedingungen<br />

überbest<strong>im</strong>mt. Im Lösungspunkt p ∗ sind alle s Kuhn-Tucker-Bedingungen erfüllt. Man kann<br />

266


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

zusätzlich ν + k,zulässig = ν+ zulässig<br />

setzen oder man fordert P s<br />

s<br />

k=1 ν+ k (p) ≤ν+ zulässig<br />

. Der numerische<br />

Aufwand wächst ungefähr proportional zur Größe des Systems. Für den Fall in Gl. (9.2.2) ist<br />

P P<br />

1 s sk=1<br />

γ k=1 ν+ P<br />

k (p) durch<br />

f,k (p)<br />

1− P ,für Gl. (9.3.2.8) durch P λ s<br />

s<br />

k=1 P f,k (p) γ k=1 P f,k(p) <strong>und</strong> für Gl. (9.3.2.6)<br />

P<br />

durch 1 s 1<br />

γ k=1 E[T k<br />

zu ersetzen. Eine Rechnung mit exakten Laplacetransformationen wie in<br />

(p)]<br />

Gl. (9.6.21) kann aufwendig werden. Die Lösungen sind nur ausreichend gut, wenn die Summen<br />

viel kleiner als Eins bleiben. Die vorausgesetzte Unabhängigkeit der Versagensmodi würde aber<br />

sogar erlauben, die Summen P s<br />

k=1 x k jeweils durch 1 − Q s<br />

k=1 (1 − x k) zu ersetzen.<br />

9.6.6. <strong>Zuverlässigkeit</strong>sopt<strong>im</strong>ierung<br />

Wir betrachten schließlich noch den Fall der <strong>Zuverlässigkeit</strong>sopt<strong>im</strong>ierung bei zeitinvariantem Versagen<br />

<strong>und</strong> nachfolgender Aufgabe des Tragwerks. Man beachte, daß die Min<strong>im</strong>ierung von Φ(−β(p))<br />

der Min<strong>im</strong>ierung von −β(p) äquivalent ist. Der Nutzenterm ist vernünftigerweise weggelassen.<br />

Im Gegensatz zur Kostenopt<strong>im</strong>ierung kann gezeigt werden, daß eine FORM-Lösung asymptotisch<br />

exakt ist. Daher darf durchwegs C SORM =1gesetzt werden.<br />

Min<strong>im</strong>iere:<br />

Unter den Bedingungen:<br />

Z(p) =−β(p)<br />

g(u, p) =0<br />

u i k∇ u g(u, p)k + ∇ u g(u, p) i kuk =0; i =1,...,n− 1<br />

h k (p) ≤ 0,k=1,...,q<br />

C(p)+LP f (p) − C max ≤ 0<br />

(9.6.6.1)<br />

Zusätzliche <strong>Zuverlässigkeit</strong>srestriktionen machen kaum Sinn. Wenn solche vorhanden sind, kann<br />

die Aufgabe, abhängig von der Größe von C max , unlösbar werden, d.h. eine <strong>Zuverlässigkeit</strong>srestriktion<br />

kann eine Vergrößerung von C max erzwingen. In numerischen Rechnungen wird zweckmäßigerweise<br />

β(p i )=−α(u i , p i ) T u i + g(u i , p i ) gesetzt.<br />

Beispiel 9.6.6.1: <strong>Zuverlässigkeit</strong>sopt<strong>im</strong>ierung einer Antriebswelle<br />

Die Antriebswelle eines Schiffsantriebs sei als Rohr ausgebildet. Die Zustandsfunktion laute<br />

g(x) =r π µ r<br />

4<br />

a − ri<br />

4 − s (1)<br />

2 r a<br />

R sei lognormal verteilt mit Mittelwert 200 <strong>und</strong> Standardabweichung 20 <strong>und</strong> S sei gumbelverteilt<br />

mit Mittelwert 1 <strong>und</strong> Standardabweichung 0.3. Dann ist beispielsweise mit p =(r a ,r i ):<br />

267


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Min<strong>im</strong>iere:<br />

Unter den Bedingungen:<br />

Z(p) =−β(p)<br />

g(u, p) =0<br />

u 1 k∇ u g(u, p)k + ∇ u g(u, p) 1 kuk =0<br />

r a ≤ 0.3,r i ≥ 0.1<br />

C(p) =100(r a − r i ) r a ≤ C max =2.5<br />

(2)<br />

Die Lösung ist β =5.38 bei r ∗ a =0.3,r ∗ i ≥ 0.233 <strong>und</strong> die Kostengrenze C max ist aktiv.<br />

#<br />

Bei sehr vielen Entwurfsentscheidungen für bauliche Anlagen handelt es sich jedoch nicht um<br />

Entscheidungen, wann gewisse bislang als stetig differenzierbar angenommene Kosten <strong>und</strong>/oder<br />

erwartete Schadenskosten opt<strong>im</strong>al werden. Es handelt sich vielmehr darum diskrete Ja-Nein-<br />

Entscheidungen zu fällen, z.B. über die Felderzahl von Brücken, über die Art der Gründung als<br />

Flach- oder als Pfahlgründung oder über Rahmen- oder Kernbauweise bei einem Hochhaus aber<br />

auch darüber, ob eine zusätzliche protektive Maßnahme, z.B. eine Sprinkleranlage, eingeführt wird<br />

oder nicht. Dann sind die vorstehenden formalen Opt<strong>im</strong>ierungsansätze so nicht mehr direkt anwendbar.<br />

Trotzdem ist ein Opt<strong>im</strong>um zu suchen <strong>und</strong> <strong>im</strong> Hinblick auf das Sicherheitskriterium abzuprüfen,<br />

ob die zusätzlichen Kosten einer Maßnahme mit einer entsprechenden Reduktion der<br />

Versagenswahrscheinlichkeit vereinbart werden können.<br />

9.7. Zur GrößederZinssätze<br />

9.7.1. Allgemeines<br />

Die Verzinsung von monetären, erst in Zukunft anfallenden Beträgen war eine wichtige Voraussetzung<br />

für die Herleitung der auf der Erneuerungstheorie beruhenden Zielfunktionen für einOpt<strong>im</strong>ierung.<br />

Aus Gründen der mathematischen Dienlichkeit wurde generell eine stetige Verzinsung<br />

gewählt. Bei der Festlegung von Zinssätzen ist entscheidend wer <strong>und</strong> für wen eine Kosten-<br />

Nutzenrechnung durchgeführt wird. Für den privaten Investor oder Betreiber einer baulichen Anlage<br />

sind es die auf dem Finanzmarkt üblichen Sätze. Wenn eine Kosten-Nutzenrechnung fürdie<br />

Öffentlichkeit durchgeführt wird, sind zusätzliche Erörterungen notwendig.<br />

9.7.2. Grenzen für Zinssätze<br />

Bei Beachtung des Zeithorizontes von einigen 20 bis weit über 100 Jahren ist zunächst klar, daß<br />

der Zinssatz bei Investitionen<br />

R<br />

<strong>im</strong> Interesse der Öffentlichkeit einem langfristigen Mittel, also z.B.<br />

γ = E [γ(t)] = 1 tu Àt s<br />

t u<br />

γ(τ)dτ, entsprechen muß (t<br />

0 s = beabsichtigte Nutzungsdauer des Objekts).<br />

Der Zinssatz muß von In- oder Deflation bereinigt sein <strong>und</strong> darf keine Steuern enthalten 21 .<br />

21<br />

Es sei i der währungsorientierte, nominelle jährliche Zinssatz <strong>und</strong> π die an Verbrauchsgütern orientierte Inflationsrate.<br />

Dann gilt für den realen Zinssatz 1+γ = 1+i<br />

1+π<br />

oder näherungsweise γ ≈ i − π. Bei kontinuierlicher Verzinsung<br />

gilt γ = i − ṗ(t) mit p(t) dem Preisniveau. Die realen Zinssätze des Kapitalmarktes liegen üblicherweise zwischen 2<br />

p(t)<br />

<strong>und</strong> 5%.<br />

268


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Wenn für eine Kosten-Nutzenrechnung die Variante mit systematischem Wiederaufbau <strong>und</strong> zeitlich<br />

konstantem Nutzen b in der asymptotischen Form gewählt wird, ist:<br />

Z(p) = βC 0<br />

γ − C(p) − (C(p)+H) 1<br />

γE[T f (p)]<br />

mit b = βC 0 . Alle monetären Größen sind inflationsbereinigte Größen zum Entscheidungszeitpunkt<br />

t =0. Hieraus ersieht man sofort, daß der Zinssatz größer als Null sein muß. Größere<br />

Zinssätze verlagern das Opt<strong>im</strong>um in Richtung kleinerer Werte kp ∗ k oder weniger sicherer Anlagen.<br />

Ein konstanter Nutzen unterschiedlicher Größe verändert die Lage des Opt<strong>im</strong>ums nicht.<br />

Aus dieser Gleichung folgt für Z(p) =0, daß es einen max<strong>im</strong>alen Zinssatz γ max gibt für den die<br />

Zielfunktion für jedes p negativ wird (b = const.) [69]<br />

γ max (p) = E[T f(p)]βC 0 − (C(p)+H)<br />

E[T f (p)]C(p)<br />

= β<br />

µ <br />

C0<br />

− (1 + H ) C(p)<br />

C(p) E[T f (p)]<br />

(9.7.2.1)<br />

Daher gilt 0 < γ ≤ γ max (p). Für jedes sinnvolle Projekt muß gelten E[T f (p)]βC 0 >C(p)+H.<br />

Desweiteren muß β/γ > 1 sein, wobei in guter Näherung<br />

C0<br />

≈ 1 genommen werden kann.<br />

C(p)<br />

Im allgemeinen ist der zweite Term nur wenig kleiner als der erste Term. γ max (p) verändert sich<br />

ähnlich wie Z(p) mit p. Man kann daher eine andere Opt<strong>im</strong>ierungsaufgabe definieren:<br />

³ ´<br />

C<br />

Max<strong>im</strong>iere: γ max (p) =β 0<br />

− (1+ H<br />

C(p) )<br />

(9.7.2.2)<br />

C(p) E[T f (p)]<br />

Die Lösung von (9.7.2.2) sei ˆp. Jede Lösung der in den Abschnitten 9.2 bis 9.4 abgeleiteten Zielfunktionen<br />

mit dem max<strong>im</strong>al möglichen Zinssatz würde also zunächst die Lösung von (9.7.2.2)<br />

erfordern. In vielen Beispielrechnungen hat sich jedoch herausgestellt, daß kˆpk nahe oder numerisch<br />

identisch mit der Lösung kp ∗ k der in den Abschnitten 9.2 bis 9.4 abgeleiteten Zielfunktionen<br />

ist <strong>und</strong> daher in guter Näherung γ max (ˆp) ≈ γ max (p ∗ ). Wenn γ max (p ∗ ) verwendet wird, bedeutet<br />

das Z(p ∗ )=0am Lösungspunkt p ∗ . Zinssätze γ < γ max erweitern jedoch den zulässigen Bereich<br />

für p, was in Anwendungen von Vorteil sein kann.<br />

Bei sehr kleinen Zinssätzen dominieren andererseits der Nutzen <strong>und</strong> die Schadenskosten. Dann ist<br />

für γ → 0:<br />

Z(p) =b − (C(p)+H)<br />

(9.7.2.3)<br />

E[T f (p)]<br />

Der Zinssatz kommt nicht mehr vor. Errichtungskosten sind normalerweise schwach wachsend in<br />

p, aber E[T f (p)] wächst entsprechend unseren Annahmen bedeutend in p. Daraus folgt, daß sich<br />

das Opt<strong>im</strong>um für E[T f (p)] →∞einstellt. Das gilt für eine absolut sichere Anlage, die aber unter<br />

normalen Umständen nicht erreicht werden kann. γ =0ist <strong>im</strong> Rahmen unserer Betrachtungen<br />

daher nicht möglich. Ähnliche Einsichten können auch für die anderen Modelle in den Abschnitten<br />

9.2 bis 9.4 gewonnen werden.<br />

9.7.3. Bemerkungen über gesellschaftliche Zins- <strong>und</strong> Nutzenraten*<br />

’’Lebensrettungskosten’’ gehen möglicherweise in die Zielfunktion <strong>und</strong> Kriterien der Art Gl. (9.5.4.13)<br />

ein. Daher erhebt sich als nächste Frage die Frage nach der Verzinsung. Das scheint auf den ersten<br />

Blick nicht mit unseren ethischen Vorstellungen übereinzust<strong>im</strong>men. Eine große Anzahl von sozio-<br />

269


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

ökonomischen Studien, zusammengefaßt in [132] <strong>und</strong> [94] , drücken jedoch aus, daß Lebensrettungskosten<br />

wie andere Kosten verzinst werden müssen; besonders <strong>im</strong> Hinblick darauf, daß unser<br />

gegenwärtiges Wertesystem auch fürzukünftige Generationen erhalten werden soll. Ansonsten ergeben<br />

sich unzulässige Widersprüche. Daß dieser ethische Gr<strong>und</strong>satz durchaus in der Gesellschaft<br />

verankert ist, kann empirisch belegt werden [94] .<br />

Wie groß ist dann der für dieÖffentlichkeit bei langfristigen Investitionen zur Risikoreduktion<br />

anzusetzende Zinssatz? Die vom Wirtschaftsgeschehen abhängigen realen Zinssätze des Kapitalmarktes<br />

sind offensichtlich kaum dienlich. Als Faustformel galt lange γ =1/t s , wobei t s die<br />

mittlere Zeit zwischen Erneuerungen von Anlagen, z.B. städtischer Abwassersysteme, ist. Für<br />

t s =50Jahre ist also γ =0.02. Dieser Wert scheint zwar in richtigen Größenordnung, aber doch<br />

recht willkürlich zu sein. Er muß volkswirtschaftlich begründet werden. Die relativ reichhaltige,<br />

wirtschaftswissenschaftliche Literatur tendiert eindeutig zu relativ kleinen Zinssätzen, wenn es um<br />

langfristige ges<strong>und</strong>heitspolitische Investitionen der Öffentlichkeit geht. Die Diskussionen wurden<br />

jüngst durch Fragen zur Finanzierung des Umweltschutzes <strong>und</strong> zum wirtschaftlichen Wachstum<br />

neu belebt. Im Hinblick auf den Zeithorizont (20 bis z.T. weit über 100 Jahre, d.h. unter Umständen<br />

mehrere Generationen) von risikobehafteten technischen Anlagen ist es berechtigt, ja sogar<br />

zwingend, die sehr ähnlichen Betrachtungen zum Umweltschutz heranzuziehen. Diese werden in<br />

hohem Maße von Aspekten der Generationengerechtigkeit geprägt. Hier gibt es jedoch sehr gegensätzliche<br />

Auffassungen. Weinstein/Stason [185] fordern aus Konsistenzgründen, daß Investitionen<br />

in die Ges<strong>und</strong>heitsfürsorge wie andere langfristige Investitionen, z.B. in Risikoverminderung,<br />

mit den Marktzinsen verzinst werden müssen. Das andere Extrem, d.h. bei intergenerationellen<br />

Aufgaben überhaupt nicht zu verzinsen, wird z.B von Broome [25] <strong>und</strong> Schelling [155] <strong>im</strong><br />

Zusammenhang mit der CO 2 -bedingten globalen Erwärmung oder der Endlagerung nuklearer Abfälle<br />

vertreten. In diesem Fall bricht das beispielhaft durch GL. (9.3.2.6) ausgedrückte Konzept<br />

opt<strong>im</strong>aler technischer Anlagen zusammen, da γ =0nicht möglich ist.<br />

Wegen der Forderung γ max < β ist die Größe des Zinssatzes eng mit dem Nutzen, den eine Gesellschaft<br />

aus den verschiedenen Aktivitäten seiner Mitglieder zieht, verb<strong>und</strong>en. Also muß die Frage<br />

nach dem gesellschaftlichen Nutzen (in monetärem Sinn) eines möglicherweise risikobehafteten<br />

Projektes gestellt werden. Es macht zunächst Sinn als gesellschaftlichen Nutzen die langfristige<br />

Zuwachsrate δ des BIP zu nehmen, vorausgesetzt, daß diese positiv ist. In der Volkswirtschaftslehre<br />

wird die Zuwachsrate auch ’’natürlicher Zinssatz’’ genannt <strong>und</strong> beschreibt den technologischen<br />

Fortschritt. Nur dieser kann mit der Schaffung von zusätzlichem Wohlstand in Verbindung gebracht<br />

werden. In den meisten entwickelten Ländern war die Zuwachsrate r<strong>und</strong> 2% in den letzten 50 Jahren.<br />

Der United Nations Human Development Report 2001 [174] gibt Werte zwischen 1.2 <strong>und</strong><br />

1.9 % für die Jahre 1975-1998 in Industrieländern an. Wenn man die Betrachtung auf die letzten<br />

100 bis 120 Jahre bezieht, findet man unter Verwendung der Daten in [103] eine Zuwachsrate von<br />

δ = ln(g1992/g1870)<br />

100 von ungefähr 1.8% (vergl. Tabelle 4), exponentielles Wachstum vorausgesetzt.<br />

Ungefähr exponentielles Wachstum ist in [103] für den genannten Zeitraum belegt. Gewisse<br />

1992−1870<br />

Unsicherheiten in den Zahlen rühren vor allem von den Unsicherheiten bei der Konvertierung historischer<br />

monetärer Einheiten in PPP US$ des Jahres 1990 her. Zu ganz ähnlichen Werten kommt<br />

man unter Verwendung der unabhängig von [103] erhobenen Daten in [167] , [44] . FürSüdeuropa,<br />

Lateinamerika <strong>und</strong> Asien findet man ähnliche Wachstumsraten δ ≈ 1.7%, für Osteuropa noch<br />

δ ≈ 1.4% <strong>und</strong> für Afrika nur noch δ ≈ 0.9%. Allerdings ist die Datenlage für Entwicklungsländer<br />

z.T. wesentlich schlechter als für entwickelte Länder <strong>und</strong> es gibt Länder mit negativer Zuwachsra-<br />

270


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

te in den letzten Jahren. Der hohe Wert für Japan scheint aus verschiedenen Gründen ein (zeitlich<br />

befristeter) Sonderfall zu sein 22 .<br />

Nordhaus [123] u.a. (siehe [169] für einenÜberblick) folgen dem klassischen Ramseyschen<br />

Ansatz [142] für opt<strong>im</strong>ales Wachstum. Die neueren Ansätze zur Theorie des opt<strong>im</strong>alen Wachstums<br />

stammen, auf Ramsey aufbauend, von Solow [164] . Die Theorie ist ein guter Ausgangspunkt<br />

für die Festlegung geeigneter Zinssätze. Im Weiteren wird zunächst von zeitunabhängigen Raten<br />

ausgegangen. Solow findet:<br />

γ = ρ + ² δ > 0 (9.7.3.1)<br />

Darin ist γ der Realzins, ρ dieRatederZeitpräferenz des Konsums, ²>0 die Elastizitätdesmarginalen<br />

Nutzens des Einkommens (oder Konsums) 23 <strong>und</strong> δ die Zuwachsrate des realen Einkommens<br />

(oder Konsums). Dieser Ansatz setzt einen idealen, freien <strong>und</strong> <strong>im</strong> Gleichgewicht befindlichen<br />

Markt mit Wachstum voraus. In einem solchen idealen Markt ist γ gleich der Zuwachsrate der gesamten<br />

Ausbringung an Waren <strong>und</strong> Dienstleistungen (output) 24 . Dem additiven Ansatz <strong>und</strong> dem<br />

Term ² δ wird allgemein nicht widersprochen. Über die Größe von ρ herrscht jedoch keine Einig-<br />

22<br />

Die Zahlen in [103] reichen von 1820 bis 1992. Die Periode von 1820-1870 wurde in Tabelle 5 nicht aufgenommen,<br />

da die Industrialisierung in vielen Ländern erst in oder nach diesen Jahren begann. Wenn die Zuwachsrate des<br />

Sonderfalls Japan nicht in die Mittelbildung einbezogen wird, ist δ ≈ 1.6%. Auf den ganzen Zeitraum 1820-1992<br />

bezogen ist <strong>im</strong> Mittel (mit Japan) δ ≈ 1.5%. Die Zeit zwischen 1950 <strong>und</strong> 1975 war in fast allen Ländern durch ein<br />

überexponentielles Wachstum geprägt, welches sich danach jedoch wieder auf das langfristige Mittel abschwächte.<br />

Für die Weltwirtschaft gibt Maddison ein Wachstumsrate von δ ≈ 1.2% für die Zeit 1820-1992 an während in der Zeit<br />

von 1500-1820 nur ein Wachstum von δ ≈ 0.04% zu verzeichnen war.<br />

23<br />

Die Elastizität des marginalen Nutzens, d.h. der Änderung der Steigung der Nutzenfunktion mit dem Konsum, ist<br />

² = − c d2 u(c)<br />

d 2 c<br />

du(c) . Für die in Gl. (9.4.5.4) gewählte Nutzenfunktion u(c) = cq −1<br />

q<br />

ist ² genau gleich 1 − q. Für q ≈ 0.2 ist<br />

dc<br />

also ² ≈ 0.8.²ist auch ein Maß für die Risikoaversion nach Arrow/Pratt. Für ²>0 nennt man eine Nutzenfunktion<br />

als dem finanziellen Risiko abgeneigt, für ² =0ist sie risikoneutral <strong>und</strong> für ²


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

keit. Mit ρ ≈ 0.03 <strong>und</strong> δ ≈ 0.02 sowie ² =1(entspricht einer logarithmischen Nutzenfunktion<br />

u(c) =ln(c)) erhält Nordhaus [123] z.B. γ ≈ 0.05. Arrow [4] schätzt ρ ≈ 0.01 <strong>und</strong> δ ≈ 0.012<br />

sowie ² =1.5 (!) <strong>und</strong> erhält γ ≈ 0.03 - aber tendiert <strong>im</strong> Hinblick auf zukünftiges Wachstum zu<br />

etwas größeren Werten. Argumente in [4] sprechen darüberhinaus dafür, daß ρ > 0 sein muß 25 .<br />

Solow [164] , der <strong>im</strong> übrigen ρ ≈ 0.01 bis 0.02 vermutet, fügt Gl. (9.7.3.1) noch die Bedingung<br />

hinzu, daß ρ + ²δ >n+ δ. Nur dann konvergiert das Nutzenintegral, genommen zwischen 0<br />

<strong>und</strong> ∞. Das ergibt zumindest eine untere Begrenzung für den Wert von ρ. Diese (realen) Zinssätze<br />

entsprechen denen des Kapitalmarktes oder liegen nur wenig darunter. Wie schon erwähnt gibt<br />

es aber bedeutende Autoren in der Wirtschaftstheorie <strong>und</strong> politischen Philosophie, die eine Rate<br />

ρ > 0 aus ethischen Gründen ablehnen (Gleichheitsgr<strong>und</strong>satz zwischen den Generationen). Rabl<br />

[137] , der wie viele andere ρ =0setzt, argumentiert <strong>im</strong> Rahmen langfristiger Investitionen <strong>im</strong><br />

Umweltschutz, daß 0 < γ ngelten.<br />

Es ergibt sich γ < β = n + ² δ, ein Ansatz dem kaum widersprochen wird. Wird also β ≈<br />

n + ² δ genommen, kann γ max < β berechnet werden. γ max ist unter normalen Bedingungen r<strong>und</strong><br />

5 bis 20% kleiner als die Nutzenrate β.<br />

Diese Erörterungen können nun auch Hinweise zum Ansatz einer vertretbaren Rate ρ der Zeitpräferenz<br />

des Konsums geben. Wenn man strikte Gleichheit zwischen den Generationen als ethisches<br />

Prinzip verlangt, muß nach den vorstehenden Erörterungen ρ−n nahe Null sein <strong>und</strong> kann daher <strong>im</strong><br />

Ansatz () (fast) unberücksichtigt bleiben. In Abschnitt 9.7.1 sollte man eine ’’Verzinsung’’ durch<br />

dieRatederZeitpräferenz des Konsums dennoch berücksichtigen - vor allem <strong>im</strong> Hinblick auf Generationengerechtigkeit<br />

bei Wirtschaftswachstum. Deren Rate muß in Übereinst<strong>im</strong>mung mit der<br />

Solowschen Bedingung ρ + ² δ >n+ δ die Ungleichung n + δ(1 − ²) ≤ ρ erfüllen. Somit ist<br />

schließlich:<br />

n +(1− ²)δ ≤ ρ ≤ γ ≤ γ max ≤ β = n + ²δ oder β = n + δ (9.7.3.2)<br />

Die in Abschnitt 9.7.1 angeführte Begründung für ρ > δ wird vernachlässigt. Die obere Schranke<br />

für γ ergibt sich durch Verwendung von ρ = n + δ(1 − ²) in Gl. (). Damit wird β mit Berücksichtigung<br />

des Bevölkerungswachstums nur unerheblich größer als nach dem Rablschen Ansatz.<br />

Die Werte für ρ <strong>und</strong> β sind in Tabelle 9.7.1 für einige Länder berechnet. Für die dort aufgenommenen<br />

Länder ist ρ klein genug um den vorstehenden Ansätzen, auch <strong>im</strong> Hinblick auf die vielfach<br />

geäußerten Zweifel an der Zulässigkeit einer Rate der Zeitpräferenz des Konsums ρ > 0,Vertrauen<br />

schenken zu können. Auch die Werte von β <strong>und</strong> die daraus folgenden Zinsraten γ max liegen<br />

in akzeptabler Größenordnung. Die vorstehenden Betrachtungen können zumindest den Rahmen<br />

abstecken in dem sich Zinssätze <strong>und</strong> Nutzenraten der Öffentlichkeit bei langfristigen, risikomindernden<br />

Investitionen bewegen dürfen. Sie schließen durchaus nicht aus, daß bei nicht generationenübergreifenden<br />

Vorhaben <strong>und</strong> speziellen Projekten nicht höhere Zinssätze <strong>und</strong> Nutzenraten,<br />

also inbesondere größeres ρ, angemessen wären.<br />

Hierbei ist ζ = dc<br />

dt<br />

c<br />

die Wachstumsrate des Konsums, die mit der Wachstumsrate der gesamten volkswirtschaftlichen<br />

Ausbringung gleichgesetzt wird.<br />

25<br />

Arrow spricht bei ρ =0von ’’... incredible and unacceptable strain on the present generation’’ wobei an die<br />

Aussage <strong>im</strong> vorigen Abschnitt erinnert sei, daß ρ größer oder gleich der auf den Konsum bezogenen Wachstumsrate<br />

ζ sein muß.<br />

272


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

1870 1992<br />

Land BIP BIP δ[%] ρ[%] β[%]<br />

UK 3263 15738 1.3 0.4 1.3, 1.5<br />

USA 2457 21558 1.8 1.2 2.4, 2.7<br />

F 1858 17959 1.9 0.7 1.9, 2.3<br />

NL 2640 16898 1.5 0.8 1.8, 2.1<br />

S 1664 16927 1.9 0.3 1.6, 2.0<br />

D 1913 19351 1.9 0.6 1.8, 2.2<br />

AUS 3801 16237 1.2 1.2 2.0, 2.2<br />

JAP 741 19425 2.7 0.7 2.3, 2.9<br />

Mittel 2292 13060 1.8 0.8 1.9, 2.2<br />

Tabelle 9.5.1: Wachstum des BIP für einige entwickelte Länder (alle monetären Angaben in PPP<br />

US$, 1990, für β entspricht der erste Wert der unteren Grenze in Gl. (9.7.3.2) <strong>und</strong> der zweite Wert<br />

der oberen Grenze in Gl. (9.7.3.2))<br />

In der volkswirtschaftlichen <strong>und</strong> ökologischen Literatur wird die Angemessenheit des Ramseysche<br />

Modells ernsthaft in Frage gestellt. Sogenannte überlappende Generationenmodelle oder generationengerechte<br />

Modelle werden stattdessen vorgeschlagen [9] . Die Gr<strong>und</strong>idee ist für lebende<br />

Generationen mit einer Rate nach GL. (9.7.3.1) mit ρ > 0, d.h. mit γ = ρ+εδ zu diskontieren, für<br />

alle noch nicht geborenen Generationen jedoch höchstens mit eine Rate εδ oder sogar niedriger<br />

um den Übergang in einen nachhaltigen Zustand der Volkswirtschaft zu ermöglichen [137] [11]<br />

[12] . Das Modell von Bayer/Cansier [11] ist aufgr<strong>und</strong> seiner Einfachheit <strong>und</strong> Flexibilität besonders<br />

attraktiv. Es fordert, daß alle zukünftigen Generationen wie die lebende Generation behandelt<br />

werden sollten. Damit diskontiert jede Generation mit γ = ρ + ²δ, ρ > 0, mit einem ρ entsprechend<br />

den Präferenzen der jeweiligen Generation. Zu jedem Zeitpunkt in der ferneren Zukunft m<br />

gibt es wie zum augenblicklichen Zeitpunkt eine best<strong>im</strong>mte Anzahl von Generationen. Jede Generation<br />

lebt L Jahre. Jeder Konsumeffekt c i wird auf alle lebenden Generationen gleichmäßig<br />

verteilt um intragenerationelle Gerechtigkeit zu wahren. Daraus folgt, daß Ve rzinsen zunächst bis<br />

zum Zeitpunkt m = L mit γ erfolgt. Für m>Ldarf nur noch mit ²δ verzinst werden. Unter<br />

der Annahme, daß alle Generationen die gleichen Präferenzen, d.h. gleiches ρ, führt das füreinen<br />

Konsumeffekt c m zum Zeitpunkt m <strong>im</strong> stationären Zustand zu dem gegenwärtigen Wert:<br />

PV OLG (m) =<br />

( P m−1<br />

c m/G<br />

j=0 (1+²δ) m−j (1+ρ+²δ)<br />

P j<br />

L c m/G<br />

j=0 (1+²δ) m−j (1+ρ+²δ) j<br />

+ P L<br />

j=m<br />

c m/G<br />

for m ≤ L<br />

(1+ρ+²δ) m for m>L<br />

(9.7.3.3)<br />

Für m ≤ L betrifft die erste Summe alle Generationen die später als t = 0 geboren werden,<br />

während die zweite Summe alle zum Zeitpunkt t =0lebenden Generationen betrifft. Der Gegenwartswert<br />

bei Verzinsung mit γ 0 ist:<br />

PV R (m) =<br />

c m<br />

(1 + γ 0 E )m (9.7.3.4)<br />

Damit läßtsicheinäquivalenter Zinssatz, der zu gleichen Gegenwartswerten führt, definieren:<br />

c m<br />

(1 + γ − PV OLG(m) =0 (9.7.3.5)<br />

0<br />

E (t))m<br />

273


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Alternativ kann man c m über alle Altersgruppen verteilen <strong>und</strong> diese zusätzlich mit der Altersverteilung<br />

h(a, n) gewichten. Jedes Mitglied der Gesellschaft trägt dann den gleichen Anteil an c m .<br />

Dann best<strong>im</strong>mt man fürdiesichüberlappenden Altersgruppen (OLAG):<br />

( P m−1 c mh(a,n)<br />

a=0<br />

+ P a u<br />

(1+²δ)<br />

PV OLAG (m) =<br />

m−a (1+ρ+²δ) a<br />

P au<br />

a=0<br />

<strong>und</strong> die äquivalente Zinsrate zu<br />

c mh(a,n)<br />

(1+ρ+²δ) m<br />

a=m<br />

for m ≤ a u<br />

c mh(a,n)<br />

(9.7.3.6)<br />

for m>a<br />

(1+²δ) m−a (1+ρ+²δ) a u<br />

γ 0 E (m) = µ<br />

c m<br />

PV OLAG (m)<br />

1/m<br />

− 1 (9.7.3.7)<br />

Man kann sich leicht davon überzeugen, daß beide Strategien zu fast identischen Ergebnissen<br />

bezüglich γ 0 E (m) führen. Abb. 9.18 zeigt γ0 E (m) für ρ =0.03, δ =0.02,²=1<strong>und</strong> L =40. Die<br />

gestrichelte Linie entspricht dem stationären Zustand <strong>und</strong> wurde bei ρ+²δ für j


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

erlegt werden. Das ist sicher ein wesentlich realistischeres, intergenerationell gerechtes <strong>und</strong> daher<br />

ethisch verteitigbares Konzept als das ursprüngliche Ramseysche Modell. Hingewiesen sei jedoch<br />

darauf, daß Ramsey selbst die Verzinsung mit einer myopischen Zinsrate fürzukünftige Generationen<br />

ablehnte. Die Frage nach der ’’richtigen’’ Zinsrate ρ wird jedoch auch hier nicht beantwortet.<br />

Am besten orientiert man sich an den Raten für langfristigen Anleihen auf dem Sek<strong>und</strong>ärmarkt<br />

<strong>und</strong> das sind γ(0) = 3 − 6% 26 .<br />

Die z.T. kontroversen Auffassungen zur Zusammensetzung <strong>und</strong> zum Ansatz des Zinssatzes sowie<br />

Nachhaltigkeitsüberlegungen <strong>und</strong> Prognosen zur zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklung lassen<br />

in der Frage zum Zinssatz zur Vorsicht raten - auch wenn der Einfluß unterschiedlicher Ansätze<br />

nicht sehr groß ist. Tabelle 9.5.1 mag Orientierungshilfen geben. Dabei muß angemerkt werden,<br />

daß die Ermittlung des volkswirtschaftlich richtigen Realzinses γ <strong>und</strong> der Zeitpräferenzrate<br />

ρ sowohl <strong>im</strong> Hinblick auf wirtschaftliches Wachstum wie auch auf Nachhaltigkeit <strong>und</strong> Generationengerechtigkeit<br />

derzeit noch heftig in der einschlägigen Fachwelt diskutiert wird. Zu erwähnen<br />

ist noch ein weiteres wichtiges Resultat. Weitzman [186] <strong>und</strong> andere wiesen nach, daß bei Unsicherheiten<br />

über die zukünftige Entwicklung für die fernere Zukunft der kleinstmögliche Zinssatz<br />

genommen werden sollte - <strong>und</strong> genau diese Strategie wurde verfolgt.<br />

26<br />

Es ist angebracht zu bemerken, daß die vorgestellte Theorie, d.h. das Erneuerungsmodell zur Aufstellung von<br />

geeigneten Zielfunktionen mithilfe der Laplacetransformation <strong>und</strong> das beispielsweise in [12] vertretene Modell sich<br />

überlappender Generationen mit mit der Zeit abnehmendem Zinssatz γ(t) kombiniert werden können. Füreineneue<br />

Transformation der Form f # (G) = R ∞<br />

exp<br />

0<br />

ebenfalls der Faltungssatz φ # (G) =f # (G)g # (G) mit G = R t<br />

h<br />

− R t<br />

0 γ(τ)dτ i<br />

f(t)dt (mit einem Kreuz bezeichnet) gilt näherungsweise<br />

γ(τ)dτ. Somit bleiben alle Ergebnisse gültig sofern<br />

0<br />

die Integrale konvergieren. Das ist z.B. der Fall, wenn γ(τ) zwar zunächst abn<strong>im</strong>mt aber schließlich auf einem<br />

konstanten Niveau > 0 stehenbleibt, oder anders ausgedückt, wenn G mit t asymptotisch linear wächst.<br />

275


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

ANHANG G:<br />

Opt<strong>im</strong>ierungsalgorithmen ∗<br />

G.1.<br />

Vorbemerkungen<br />

Opt<strong>im</strong>ierungsaufgaben gehören zu den schwierigsten Problemen in der numerischen Mathematik.<br />

Man unterscheidet restringierte <strong>und</strong> unrestringierte Opt<strong>im</strong>ierungsaufgaben sowie lineare <strong>und</strong><br />

nichtlineare Aufgaben. Lineare Opt<strong>im</strong>ierungsaufgaben, d.h. Aufgaben, bei denen sowohl Zielfunktion<br />

als auch Restriktionen lineare Funktionen der Variablen sind, sind sehr viel einfacher als<br />

nichtlineare Aufgaben. Lineare Opt<strong>im</strong>ierungsaufgaben werden nicht weiter betrachtet, da man sie<br />

als Sonderfall nichtlinearer Aufgaben auffassen kann. Von den Lösungsalgorithmen verlangt man<br />

<strong>Zuverlässigkeit</strong>, Robustheit, Effizienz <strong>und</strong> Allgemeinheit, Eigenschaften, die kaum gleichzeitig<br />

realisiert werden können. Unter <strong>Zuverlässigkeit</strong> sei verstanden, daß eine Folge von Punkten erzeugt<br />

wird, die zumindest gegen ein lokales Opt<strong>im</strong>um konvergiert. Konvergenz muß bewiesen<br />

werden können. Bei Robustheit sei Konvergenz auch unter ’’widrigen’’ Bedingungen, z.B. nichtkonvexen<br />

Restriktionen <strong>und</strong>/oder numerischen Ungenauigkeiten bei der Ermittlung von Zielfunktion<br />

<strong>und</strong> Restriktionen, erzielbar. Effizienz ist die Anzahl der Funktionsermittlungen bis zur Konvergenz<br />

bzw. der Iterationen. Unter Allgemeinheit sei verstanden, daß die Anzahl der Opt<strong>im</strong>ierungsvariablen<br />

<strong>und</strong> der Restriktionen nur durch Rechnerkapazitäten aber nicht durch theoretische<br />

Einschränkungen begrenzt ist. Ein Opt<strong>im</strong>ierungsverfahren, welches allen Anforderungen gerecht<br />

wird, kann nicht angegeben werden. Das jeweils ’’beste’’ ist problemabhängig. Im allgemeinen<br />

ist zu fordern, daß:<br />

– das Opt<strong>im</strong>ierungsproblem wohldefiniert ist, d.h. der zulässige Bereich nicht leer ist <strong>und</strong><br />

eine Opt<strong>im</strong>allösung existiert,<br />

– das Opt<strong>im</strong>ierungsproblem ’’glatt’’ ist, d.h. die Problemfunktionen sind stetig differenzierbar,<br />

– das Opt<strong>im</strong>ierungsproblem gut skaliert ist, d.h. Änderungen in den Variablen erzeugen Änderungen<br />

in den Problemfunktionen in den gleichen Größenordnungen.<br />

Bis auf die selbstverständliche erste Forderung sind das bereits schwerwiegende Einschränkungen,<br />

die auf die eine oder andere Weise erfüllt werden müssen. Vor allem die Forderung nach ’’Glattheit’’<br />

ist in Anwendungen oft nicht gegeben. Daher werden weiter unten auch einige Hinweise auf einen<br />

Opt<strong>im</strong>ierungsalgorithmus gegeben, der keine Differenzierbarkeitsanforderungen stellt.<br />

In den Abschnitten 3 bis 5 <strong>und</strong> 7 wurde deutlich gemacht, daß die Best<strong>im</strong>mung des β−Punktes eine<br />

zentrale, numerische Aufgabe der Strukturzuverlässigkeit darstellt. Es liegt auf der Hand, daß<br />

diese Aufgabe <strong>im</strong> allgemeinen erst durch Anpassung an die spezielle Aufgabenstellung zuverlässig<br />

<strong>und</strong> effizient gelöst werden kann. Die Kostenopt<strong>im</strong>ierung in Abschnitt 9 ist numerisch noch<br />

bedeutend schwieriger. Auch sie verlangt spezielle Lösungen.<br />

G.2.<br />

Unrestringierte, nichtlineare aber ’’glatte’’ Opt<strong>im</strong>ierungsaufgaben<br />

Es sei f(x) eine zwe<strong>im</strong>al differenzierbare Zielfunktion des n-d<strong>im</strong>ensionalen n Vektors x, deren o Min<strong>im</strong>um<br />

zu best<strong>im</strong>men ist. Im einem Min<strong>im</strong>umspunkt x ∗ ist ∇f(x ∗ )= ∂f(x ∗ )<br />

∂x i<br />

; i =1,...,n = 0.<br />

Die Bedingung für ein (lokales) Min<strong>im</strong>um ist, daß die Matrix der zweiten Ableitungen, die Hesse-<br />

276


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

n o<br />

Matrix, ∇ 2 f(x ∗ )= ∂ 2 f (x ∗ )<br />

∂x i ∂x j<br />

; i, j =1,...,n positiv definit ist, d.h. y T ∇ 2 f(x ∗ )y > 0 mit y 6= 0<br />

einem beliebigen Vektor. Wird f(x) in der Nähe von x k durch eine nach zweiten Glied abgebrochene<br />

Taylorreihe genähert<br />

f(x) ≈ f(x k )+∇f(x k ) T (x − x k )+ 1 2 (x − xk ) T ∇ 2 f(x k )(x − x k )<br />

(G.2.1)<br />

so findet man durch Ausführung von ∇f(x) =0 <strong>und</strong> Auflösung den nach Newton benannten<br />

Algorithmus:<br />

x k+1 = x k + d = x k − (∇ 2 f(x k )) −1 ∇f(x k ) T<br />

(G.2.2)<br />

In dieser Form ist der Algorithmus nur in der unmittelbaren Umgebung von x ∗ konvergent, dort<br />

aber mit großer Geschwindigkeit. Die Invertierung von ∇ 2 f(x k ) ist schwierig <strong>und</strong> aufwendig.<br />

Man wird daher <strong>im</strong>mer vorziehen, das lineare Gleichungssytem ∇ 2 f(x k )d k = −∇f(x k ) nach d k<br />

aufzulösen. Eine erste Modifikation besteht nun darin, daß man zwar die Fortschrittsrichtung<br />

beibehält, aber nur solche Schrittweiten zugeläßt, die f(x k+1 ) gegenüber f(x k ) verkleinern. Der<br />

Algorithmus wird geändert in:<br />

x k+1 = x k − α k (∇ 2 f(x k )) −1 ∇f(x k ) T<br />

(G.2.3)<br />

α k wird mit einer geeigneten Liniensuche (eind<strong>im</strong>ensionale Suche des Min<strong>im</strong>ums von f(x k +αd k )<br />

in der Richtung d k best<strong>im</strong>mt (siehe unten).<br />

Die sogenannten quasi-Newton-Verfahren vermeiden die explizite Berechnung von (∇ 2 f(x k )) −1<br />

zumal durchaus nicht sicher ist, daß ∇ 2 f(x ∗ ) <strong>im</strong> Verlauf der Iteration auch positiv definit ist<br />

bzw. bleibt. Man könnte beispielsweise (∇ 2 f(x k )) −1 =(∇ 2 f(x 0 )) −1 setzen, vorausgesetzt, daß<br />

∇ 2 f(x 0 ) positiv definit ist oder sogar (∇ 2 f(x k )) −1 = I, denn I <strong>und</strong> ihre Inverse sind <strong>im</strong>mer<br />

positiv-definite Matrizen. Diese Variante ist unter dem Namen ’’modifiziertes Newton-Verfahren’’<br />

bekannt. Eine der wichtigsten Erkenntnisse in der nichtlinearen Opt<strong>im</strong>ierung ist nun die Tatsache,<br />

daß es gelingt, aus der Folge der Iterationspunkte <strong>und</strong> den dort ermittelten Gradienten eine verbesserte<br />

Inverse der Hesse-Matrix zu konstruieren. Eine der Varianten, die sogenannte DFP-Formel,<br />

ist mit (∇ 2 f(x k )) −1 = H k H k+1 = H k +<br />

qk (q k ) T<br />

(p k ) T q − Hk q k (H k q k ) T<br />

(G.2.4)<br />

k−1 (q k ) T H k q k<br />

wobei<br />

p k = α k d k<br />

q k = ∇f(x k+1 ) −∇f(x k ) (G.2.5)<br />

<strong>und</strong> H 0 = I. Wenn H k eine symmetrische, positiv-definite Matrix, so ist auch H k+1 eine symmetrische,<br />

positiv-definite Matrix <strong>und</strong> H k konvergiert gegen (∇ 2 f(x k )) −1 . Damit ist schließlich:<br />

x k+1 = x k − α k H k ∇f(x k ) T<br />

(G.2.6)<br />

Auf weitere technische Details kann nicht eingegangen werden.<br />

277


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

G.3.<br />

Allgemeines<br />

Restringierte nichtlineare aber ’’glatte’’ Opt<strong>im</strong>ierungsaufgaben<br />

Es sei f(x) eine zwe<strong>im</strong>al differenzierbare Zielfunktion <strong>und</strong> g j (x) =0, j =1,...,`,` 0. x ∗ ist<br />

ein regulärer Punkt, wenn die Gradienten aller aktiven Restriktionen linear unabhängig sind <strong>und</strong><br />

das heißt, daß ∇g(x)y = 0 nur für y = 0 gilt. Die erste Gleichung ist die Bedingung für ein Extremum<br />

der Lagrangefunktion. Wenn die Hessematrix ∇ 2 L(x ∗ ) der Lagrangefunktion in x ∗ positiv<br />

definit ist, d.h. y T ∇ 2 L(x ∗ )y > 0 mit y 6= 0 einem beliebigen Vektor gilt (oder alle Eigenwerte<br />

von ∇ 2 L(x ∗ ) größer Null), ist x ∗ ein (lokales) Min<strong>im</strong>um. Die Lagrangemultiplikatoren fürGleichheitsrestriktionen<br />

können größer, kleiner oder gleich Null werden, die der aktiven Ungleichheitsrestriktionen<br />

müssen positiv sein <strong>und</strong> die der inaktiven Ungleichheitsrestriktionen gleich Null. Gl.<br />

(G.5.3) bildet ein nichtlineares Gleichungssystem, welches zu lösen ist. Nach Newton-Raphson<br />

278


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

ist eine iterative Lösung für das Gleichungssystem F(x) =0 mit x k+1 = x k + ∆x k nach linearer<br />

Entwicklung F(x) ≈ F(x k )+∇F(x k )∆x k = 0 <strong>im</strong> Punkt x k gegeben durch:<br />

∇F(x k )∆x k = −F(x k ) bzw. ∆x k = −∇F(x k ) −1 F(x k )<br />

(G.3.4)<br />

worin ∇F(x k ) die Jacob<strong>im</strong>atrix von F(x) in x k .<br />

Sequentielle quadratische Programmierung (SQP)*<br />

Die Methode der sequentiellen quadratischen Programmierung hat sich für die Aufgaben, die bei<br />

<strong>Zuverlässigkeit</strong>sbetrachtungen vorkommen, als gut geeignet erwiesen. Für den auf Wilson, Han<br />

<strong>und</strong> Powell zurückgehenden Algorithmus wurde in [156] Konvergenz bewiesen sowie eine ganze<br />

Reihe von Verbesserungen eingeführt. Wir betrachten den Fall m =0, bzw. beziehen zunächst<br />

nur solche Ungleichungen in unsere Betrachtungen ein, die <strong>im</strong> Lösungspunkt aktiv sind, also für<br />

die g j (x ∗ )=0. Zuerst sei bemerkt, daß für eine quadratische Zielfunktion 1 2 xT Gx + c T x, G<br />

positiv definit, <strong>und</strong> lineare Restriktionen g(x) ≡ Ax + b = 0 (` < n <strong>und</strong> alle Restriktionen<br />

linear unabhängig) eine geschlossene Lösung existiert. FürdieAufgabe<br />

1<br />

Min<strong>im</strong>iere :<br />

2 xT Gx + c T x<br />

unter der Bedingung : Ax + b =0 (G.3.5)<br />

lauten die Kuhn-Tucker Bedingungen nach Gl. (G.5.3):<br />

Gx + λ T A + c = 0<br />

Ax + b = 0 (G.3.6)<br />

Das ist ein lineares Gleichungssystem in den Unbekannten x <strong>und</strong> λ <strong>und</strong> daher unter den genannten<br />

Bedingungen <strong>im</strong>mer lösbar. Die Lösung kann man formal wie folgt angeben<br />

· ¸µ µ <br />

G A x −c<br />

A T =<br />

(G.3.7)<br />

0 λ −b<br />

oder explizit aus der ersten Gleichung<br />

<strong>und</strong> Einsetzen in die zweite Gleichung<br />

x = −G −1 Aλ − G −1 c<br />

λ = −(A T G −1 A) −1 (A T G −1 c − b)<br />

(G.3.8)<br />

<strong>und</strong> somit:<br />

x = G −1 A(A T G −1 A) −1 (A T G −1 c − b) − G −1 c<br />

(G.3.9)<br />

279


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Diese Lösung kann iterativ auf die Lagrangefunktion L(x, λ) =f(x)+λ T g(x) eines allgemeinen<br />

nichtlinearen Opt<strong>im</strong>ierungsproblems angewandt werden, d.h. mit G k = ∇ 2 L(x k , λ k ), A k =<br />

∇g(x k ), b k = g(x k ), c k = ∇L(x k , λ k )=∇f(x k )+(λ k ) T ∇g(x k ) <strong>und</strong> x k+1 = x k + d k ist:<br />

Min<strong>im</strong>iere :<br />

1<br />

2 (dk ) T ∇ 2 L(x k , λ k )d k + ∇L(x k , λ k ) T d k<br />

unter der Bedingung : ∇g(x k )d k + g(x k )=0 (G.3.10)<br />

Die Kuhn-Tucker Bedingungen sind:<br />

∇ 2 L(x k , λ k )d k + ∇L(x k , λ k ) = 0<br />

∇g(x k )d k + g(x k ) = 0<br />

Bei jeder iterativ zu lösenden Opt<strong>im</strong>ierungsaufgabe sind gr<strong>und</strong>sätzlich zwei Aufgaben zu erledigen.<br />

Ausgehend von einem zulässigen Punkt x k ist eine Suchrichtung d k bzw. die Änderung ∆λ k<br />

<strong>und</strong> danach eine Schrittweite zu best<strong>im</strong>men. Nach Newton ist analog zu Gl. (G.5.4)<br />

· ¸µ ∇2 L(x k , λ k ) ∇g(x k µ <br />

) d<br />

k −∇L(x k , λ k )<br />

∇g(x k ) T 0 ∆λ k =<br />

−g(x k )<br />

wobei die Gleichung mit ∆λ k = λ k+1 − λ k <strong>und</strong> ∇L(x k , λ k )=∇f(x k )+(λ k ) T ∇g(x k ) noch<br />

vereinfacht werden kann zu:<br />

· ¸µ µ <br />

∇2 L(x k , λ k ) ∇g(x k ) d<br />

k −∇f(x k )<br />

∇g(x k ) T 0 λ k+1 =<br />

−g(x k (G.3.11)<br />

)<br />

Auf die formale Gleichartigkeit von Gl. (G.5.7) <strong>und</strong> Gl. (G.5.12) soll besonders hingewiesen werden.<br />

Die Lösung des linearen Gleichungssystems in x k als Lösung des quadratischen Subproblems<br />

ist also mit der Lösung eines Newtonschrittes identisch. Im Rahmen von quasi-Newton-Verfahren<br />

wird, wie bei unrestringierten Problemen, ∇ 2 L(x k , λ k ) durch eine Approx<strong>im</strong>ation, die als Approx<strong>im</strong>ation<br />

B k genannt sei, ersetzt. Der entscheidende Vorteil dieser Vorgehensweise ist, daß die Approx<strong>im</strong>ation<br />

B k strikt positiv definit gewählt werden kann obwohl die Hessematrix von L(x k , λ k )<br />

diese Eigenschaft nicht überall besitzen mag. Dann ist das quadratische Subproblem strikt konvex<br />

<strong>und</strong> die Lösung von Gl. (G.5.12) ist ein Min<strong>im</strong>umspunkt. B k wird am besten schrittweise mit<br />

dem Fortgang der Iteration verbessert. Man startet beispielsweise mit B 0 = I. Man kann aber jede<br />

andere geeignete, positiv definite Matrix wählen oder sogar I für alle Iterationen <strong>im</strong> Sinne des<br />

modifizierten Newtonverfahrens beibehalten. Aus Gl. (G.5.12) wird also<br />

·<br />

Bk ∇g(x k )<br />

∇g(x k ) T 0<br />

Der nächste Punkt wird gewonnen durch:<br />

¸µ d<br />

k<br />

λ k+1 <br />

=<br />

µ −∇f(x k )<br />

−g(x k )<br />

<br />

(G.3.12)<br />

x k+1 = x k + α k d k<br />

(G.3.13)<br />

280


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Bei Gegenwart von Ungleichungsrestriktionen bildet man:<br />

n<br />

o<br />

Jk ∗ = {1, ..., `} ∪ ` −²) ∧ (λ k j ≥ 0)<br />

Kk ∗ = {1, ..., m}\J k (G.3.14)<br />

J ∗ k<br />

ist die Menge der aktiven Restriktionen <strong>und</strong> ² ≥ 0 eine kleine Zahl. ² ist vom Anwender<br />

vorzugeben. d k <strong>und</strong> λ k beziehen sich nur auf die Menge Jk ∗ . Die nichtaktiven Ungleichheitsrestriktionen<br />

werden ignoriert. Der quadratische Subalgorithmus kann aber trotzdem noch versagen.<br />

Die Menge der aktiven Restriktionen kann leer werden oder es kann eine Lösung <strong>im</strong> unzulässigen<br />

Bereich produziert werden. Auch können die linearisierten Restriktionen lokal linear abhängig<br />

werden obwohl das Opt<strong>im</strong>ierungsproblem insgesamt eine Lösung hat. In diesem Fall wird versucht,<br />

ein ’’erweitertes ’’ Problem zu lösen, d.h. anstelle Gl. (G.5.12) das um eine D<strong>im</strong>ension<br />

erhöhte Opt<strong>im</strong>ierungsproblem [156]<br />

Min<strong>im</strong>iere :<br />

unter den Bedingungen :<br />

1<br />

2 (dk ) T B k d k + ∇f(x k )d k + 1 2 ρk δ 2<br />

½ ¾<br />

∇g j (x k )d k +(1− δ)g j (x k =<br />

) ² für j ∈ J<br />

≤<br />

k<br />

∇g j (x k )d k + g j (x k (G.3.15)<br />

) ≤ 0 für j ∈ K k<br />

0 ≤ δ ≤ 1<br />

mit ²>0 (² 0 nach einem Vorschlag in [156] . A k−1 ist die Matrix der Gradienten der<br />

(aktiven) Restriktionen. Die Lösung sei (d k , δ k , λ k ). Das quadratische Subproblem wird so fast<br />

<strong>im</strong>mer lösbar. Der Punkt (d, δ) =(0, 1) ist offensichtlich ein zulässiger Punkt. Es gibt noch<br />

andere Möglichkeiten, ein degeneriertes, quadratisches Subproblem wenigstens näherungsweise<br />

zu lösen.<br />

Um festzustellen, ob der neue Punkt ’’besser’’ ist, führt man nach der Lösung des quadratischen<br />

Subproblems Gl. (G.5.12) oder Gl. (G.5.15) eine eind<strong>im</strong>ensionale Liniensuche in Richtung d mit<br />

einer ’’Meritfunktion’’ durch, z.B. mit [156]<br />

ψ(α) = f(x+αd)+ X µ<br />

λ j g j (x+αd)+ 1 <br />

2 r jg j (x+αd) 2<br />

j∈J ψ<br />

+<br />

mX<br />

j∈K ψ<br />

¡<br />

λj g j (x+αd)+ 1r 2 jg j (x+αd) 2¢ wenn g j (x+αd)+ λ j<br />

r j<br />

≥ 0<br />

(G.3.17)<br />

sonst<br />

1 λ 2 j<br />

2 r j<br />

wobei die Menge der aktiven Restriktionen erneut festzulegen ist durch:<br />

(<br />

)<br />

J ψ = {1, ..., `} ∪ `


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

K ψ = {1, ..., m}\J ψ (G.3.18)<br />

Die rj k ≥ 1 sind Strafparameter, die beispielsweise nach<br />

rj k =max<br />

½¯¯λk ¯<br />

1 ¡<br />

j , r<br />

k−1<br />

j<br />

2<br />

¯<br />

+ ¯¯λk<br />

¯<br />

¯¢¾<br />

j<br />

(G.3.19)<br />

mit rj<br />

0 = ¯¯λ0 ¯<br />

j best<strong>im</strong>mt werden [156] [135] . Damit vermeidet man zu große Strafparameter.<br />

Gl. (G.5.17) ist nichts anderes als die Lagrangefunktion aber erweitert mit einer (quadratischen)<br />

Straffunktion. Man überzeugt sich leicht, daß Gl. (G.5.17) für wachsendes r das gleiche Min<strong>im</strong>um<br />

wie Gl. (G.5.12) besitzt. Da eine grobe Liniensuche meist ausreicht, wählt man z. B. einen<br />

quadratisch interpolierenden Min<strong>im</strong>ierungsalgorithmus <strong>und</strong> es ist<br />

α k =<br />

ψ 0 (0)<br />

2 ¡ ψ(0) + ψ 0 (0) − ψ(1) ¢ ≥ γ > 0 (G.3.20)<br />

Durch die Begrenzung nach unten vermeidet man zu kleine Schrittweiten. ψ(0) <strong>und</strong> ψ 0 (0) sind<br />

bereits bekannt, so daß nur ψ(1) zusätzlich berechnet werden muß. Insbesondere ist:<br />

ψ 0 (0) = ∇f(x) T d+ X j∈J ψ<br />

¡<br />

λj ∇g j (x) T d + r j g j (x)∇g j (x) T d ¢<br />

+<br />

Pj∈K ψ<br />

¡<br />

λj ∇g j (x) T d + r j g j (x)∇g j (x) T d ¢ wenn g j (x)+ λ j<br />

r j<br />

≥ 0<br />

0 sonst<br />

Führt die Liniensuche, auch eine exakte Liniensuche, nicht zum Ziel, ist die gef<strong>und</strong>ene Richtung<br />

d k eine Aufstiegsrichtung. Dann muß der Algorithmus abgebrochen werden. Man kann versuchen<br />

mit einem anderen Startwert neu zu beginnen.<br />

Schließlich B k wird nach dem sogenannten BFGS-Schema (hier für die Matrix selbst <strong>und</strong> nicht<br />

ihre Inverse) mit einer empirischen Modifikation nach [135]<br />

mit<br />

B k+1 = B k − Bk p k (p k ) T B k<br />

(p k ) T B k p k + sk (s k ) T<br />

(s k ) T p k (G.3.21)<br />

p k = x k+1 − x k<br />

q k = ∇L(x k+1 , λ k+1 ) −∇L(x k , λ k )<br />

s k = θq k +(1− θ)B k p k<br />

(<br />

1 wenn (p k ) T q k ≥ 0.2(p k ) T B k p k<br />

θ =<br />

0.8(p k ) T B k p k<br />

(p k ) T B k p k −(p k ) T q k sonst<br />

)<br />

(G.3.22)<br />

verbessert. Mit dem Faktor θ in Gl. (G.5.22) wird versucht B k+1 positiv-definit zu halten. Man<br />

darf sich von der allmählichen Verbesserung von B jedoch nicht zu viel erwarten. Die Anzahl der<br />

Elemente von ∇ 2 L(x, λ) ist n(n+1)/2, die Anzahl der Iterationsschritte sei k. Nur wenn k & n, ist<br />

282


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

die Annäherung von B k an ∇ 2 L(x k , λ k ) oft ausreichend gut. Der Algorithmus wird abgebrochen,<br />

wenn die Schrittweite ° °α k d k° ° ≤ ² mit ² einer kleinen Zahl.<br />

Das sieht kompliziert aus <strong>und</strong> ist es auch in der Implementierung. Der Algorithmus zeigt theoretisch<br />

in der Nähe des Lösungspunktes sogenannte überlineare Konvergenz. Er kann <strong>im</strong> Hinblick<br />

auf Effizienz <strong>und</strong> <strong>Zuverlässigkeit</strong> bei kleiner Anzahl der Variablen <strong>und</strong> Restriktionen kaum noch<br />

verbessert werden <strong>und</strong> trotzdem kann man Probleme erfinden, bei denen er versagt. Bei starken<br />

Nichtlinearitäten der Restriktionen kann es vorkommen, daß <strong>im</strong> quadratischen Subproblem eine<br />

Aufstiegsrichtung best<strong>im</strong>mt wird oder daß die Menge der aktiven Restriktionen nicht richtig best<strong>im</strong>mt<br />

wird. Bei hohen D<strong>im</strong>ensionen des Vektors x (n > 50) <strong>und</strong> hoher Anzahl der Restriktionen<br />

(m > 50) konvergiert der Algorithmus wegen numerischer R<strong>und</strong>ungsfehler bei der Best<strong>im</strong>mung<br />

von B k (Singularität!) möglicherweise nicht mehr <strong>und</strong> die Anzahl der Rechenoperationen sowie<br />

der Speicherbedarf steigen schnell mit n <strong>und</strong> m an.<br />

Manche dieser Nachteile vermeidet man indem man auf die Verbesserung der Hessematrix der Lagrangefunktion<br />

mithilfe des BFGS-Schemas verzichtet <strong>und</strong> durchgängig B k = I setzt, gleichzeitig<br />

aber die gegebenenfalls notwendige Erweiterung des quadratischen Subproblems <strong>und</strong> eine wenigstens<br />

näherungsweise Liniensuche beibehält. Bei kleinem n <strong>und</strong> m wird der Algorithmus dann,<br />

wenn überhaupt, nur unwesentlich langsamer, bleibt aber auch fürgroße n <strong>und</strong> m stabil.<br />

Die Liniensuche kann man durch eine Verzögerungsstrategie ersetzen. In Gl. (G.5.13) wird α k ,<br />

ausgehend von α k =1, endlich oft solange halbiert bis [136]<br />

©<br />

f(x k +α k d k )+t k max 0,<br />

¯¯gj (x k +α k d )¯¯ª<br />

k<br />

j∈Jk<br />

∗<br />

©<br />

≤ f(x k )+t k max 0,<br />

¯¯g j (x )¯¯ª k − δα ° k °d k° ° 2 (G.3.23)<br />

j∈Jk<br />

∗<br />

mit 0 < δ < 1 (δ ≈ 0.25 empfohlen). Für den Strafparameter t k setzt man z.B. t k = P ¯<br />

j∈Jk<br />

∗ ¯λk+1 ¯<br />

j .<br />

Wenn t k < P ¯<br />

j∈Jk<br />

∗ ¯λk+1 ¯<br />

j für eink>0, wird t k+1 ≥ κ P ¯<br />

j∈Jk<br />

∗ ¯λk+1 ¯<br />

j mit 1 < κ ≤ 2 (κ ≈ 1.1<br />

empfohlen) genommen. Jk ∗ ist die Menge der aktiven Restriktionen (vergl. Gl. (G.5.14)). Sie muß<br />

mindestens eine Restriktion enthalten. Die Lagrangemultiplikatoren müssen ebenfalls berechnet<br />

<strong>und</strong> gegebenenfalls die Erweiterung des quadratischen Subproblems vorgenommen werden damit<br />

dieses lösbar ist. Die Konvergenz ist dann nur noch linear.<br />

G.4.<br />

Zeitinvariante Probleme <strong>im</strong> Standardraum<br />

Angewandt auf die β−Punktsuche bei einer Restriktion findet man mit f(u) = 1 2 kuk2 <strong>und</strong> d k =<br />

u − u k (Anmerkung: die Opt<strong>im</strong>a für kuk 2 <strong>und</strong> kuk liegen an der gleichen Stelle)<br />

f(u) =f(u k )+∇ u f(u k ) T d+ 1 2 dT ∇ 2 u f(uk )d<br />

(G.4.1)<br />

wobei ∇ u f(u k ) = u k <strong>und</strong> ∇ 2 uf(u k ) = I. Außerdem sei ohne praktisch relevanten Verlust an<br />

Allgemeinheit g(0) > 0. Die (linearisierte) Lagrangefunktion ist für Restriktionen g i (u k ) ≤ 0,i=<br />

1,...,`<br />

L(u k , λ k )= 1 2<br />

° u<br />

k ° ° 2 +(u k ) T d k + 1 2 (dk ) T d k +<br />

`X<br />

i=1<br />

λ k i<br />

¡<br />

gi (u k )+∇ u g i (u k ) T d k¢ (G.4.2)<br />

283


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

<strong>und</strong> die dazugehörigen Kuhn-Tucker Bedingungen sind:<br />

∇L(u k , λ k ) = u k + d k +<br />

`X<br />

λ k i ∇ u g i (u k )=0<br />

i=1<br />

g i (u) = g i (u k )+∇ u g i (u k ) T d k =0; i =1,...,` (G.4.3)<br />

Genaugenommen wird hier also bereits die Erweiterung Gl. (G.5.15) standardmäßig benutzt, jedoch<br />

ohne Strafparameter. Für ` =1erhält Gl. (G.5.12) die Form<br />

· ¸µ µ <br />

Bk ∇ u g(u k ) d<br />

k −∇u f(u<br />

∇ u g(u k ) T 0<br />

λ k+1 =<br />

k )<br />

−g(u k (G.4.4)<br />

)<br />

mit der Lösung<br />

λ k+1 = − ∇ ug(u k ) T (B k ) −1 ∇ u f(u k ) − g(u k )<br />

∇ u g(u k ) T (B k ) −1 ∇ u g(u k )<br />

d k = −(B k ) −1 ∇ u g(u k )λ k+1 − (B k ) −1 ∇ u f(u k )<br />

In diesem Fall ist ein <strong>im</strong>mer lösbares quadratisches Subproblem gegeben. Unter Ausnutzung der<br />

speziellen Form der Zielfunktion sowie mit B k = I erhält man [1] :<br />

·<br />

I ∇u g(u k ¸µ µ <br />

) d<br />

k −u<br />

k<br />

∇ u g(u k ) T 0<br />

λ k+1 =<br />

−g(u k (G.4.5)<br />

)<br />

Damit wird bei Verzicht auf die Liniensuche <strong>und</strong> jeden Update der Hessematrix der Lagrangefunktion<br />

genau der in Gl. (3.2.2.2) beschriebene Algorithmus gef<strong>und</strong>en. Man spricht auch von<br />

der Methode des steilsten Abstiegs.<br />

λ k+1 =<br />

1<br />

³<br />

´<br />

°<br />

°∇ u g(u k ) ° 2 g(u k ) − (u k ) T ∇ u g(u k )<br />

d k =<br />

∇ u g(u k )<br />

³<br />

´<br />

°<br />

°∇ u g(u k ) ° 2 (u k ) T ∇ u g(u k )−g(u k ) − u k<br />

(G.4.6)<br />

Für mehrere Restriktionen `>1, deren Behandlung in Abschnitt 3.3 sowie 4, 5 <strong>und</strong> 9 erforderlich<br />

ist, geht man ganz analog vor. λ k+1 <strong>und</strong> g(u k ) sind nunmehr Vektoren. Dann best<strong>im</strong>mt man für<br />

B k = I <strong>und</strong> ∇ u f(u k )=u k (Methode des steilsten Abstiegs) [1]<br />

λ k+1 = ¡ ∇ u g T (u k )∇ u g(u k ) ¢ −1 ¡ g(u k ) −∇g T (u k )u k¢<br />

d k = −∇ u g(u k )λ(u k ) − u k =∇ u g(u k ) ¡ ∇ u g T (u k )∇ u g(u k ) ¢ −1 ¡<br />

∇u g T (u k )u k −g(u k ) ¢ − u k<br />

mit ∇ u g(.) der Matrix der Gradienten der aktiven Restriktionen <strong>und</strong> dem Vektor g(.) mit der Werten<br />

der aktiven Restriktionen in u k , d.h. jenen mit g j (u k )=0sowie g j (0) > 0 für wenigstens<br />

(G.4.7)<br />

284


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

½<br />

ein j. Wenn man ∇ u g(u k )=A(u k )N(u k ) setzt, wobei A(u k )=<br />

o<br />

die Diagonalmatrix der Normierungskonstanten der Gra-<br />

n°<br />

<strong>und</strong> N(u k °°∇u<br />

)= g j (u )°<br />

k °<br />

dienten, ermittelt man [1] :<br />

° ; j ∈ J ∗ k<br />

α j (u k )= −∇ug j (u k )<br />

k∇ ug j (u k )k ;j ∈ J ∗ k<br />

λ k+1 = N −1 (u k )R −1 (u k ) ¡ A T (u k )u k + N −1 (u k )g(u k ) ¢<br />

u k+1 = A(u k )R −1 (u k ) ¡ A T (u k )u k + N −1 (u k )g(u k ) ¢ (G.4.8)<br />

Dabei ist R(u k )=A T (u k )A(u k ) <strong>und</strong> das ist die ’’Korrelationskoeffizientenmatrix’’ der in u k<br />

linearisierten Restriktionen. Absolut genommen große Werte in R(u k ) bedeuten nahezu Parallelität<br />

der jeweiligen Restriktionen. Jk ∗ ist die Menge der aktiven Restriktionen. Für jedes k ist<br />

Jk ∗ die Menge der Gleichheitsrestriktionen sowie der Ungleichheitsrestriktionen, für dieλk j ≥ 0<br />

<strong>und</strong> g j (u k )=0sowie g j (u k ) > 0 <strong>und</strong> gleichzeitig λ k j =0. Wenn Jk ∗ leer werden sollte, wird<br />

wenigstens jene Restriktion in Jk ∗ aufgenommen, die den größten Wert > 0 besitzt. Natürlich<br />

muß auch hier das quadratische Subproblem, d.h. Gl. (G.4.8), lösbar sein. Andernfalls muß<br />

man ein erweitertes Problem entsprechend Gl. (G.5.13) lösen. Konvergenz ist erzielt, wenn<br />

¯<br />

¯°°u k+1° ° − ° °u k° °¯¯ 0 am größten wird, oder wegzunehmen <strong>und</strong> zwar diejenige mit dem kleinsten<br />

Lagrangemultiplikator λ k j < 0; <strong>und</strong> zwar solange bis die Menge Jk ∗ feststeht. Jede Änderung<br />

von Jk ∗ erfordert die Lösung von Gl. (G.4.8) <strong>und</strong> damit auch eine neue Ermittlung der Gradienten.<br />

Das ist eine sehr vorsichtige aber sicherere Strategie als die Strategie in Gl. (G.5.14). In der<br />

Form Gl.(G.6.6) <strong>und</strong> Gl. (G.6.8) konvergiert der Algorithmus in der Regel sehr schnell - falls er<br />

konvergiert. Eine wesentliche Verbesserung des Konvergenzverhaltens erreicht man durch eine<br />

Liniensuche, die allerdings zusätzliche Funktionsauswertungen erfordert. Es ist daher meistens<br />

besser, die Liniensuche, z.B. mit der Meritfunktion Gl. (G.5.17) durchzuführen oder die etwas<br />

aufwendigere aber robustere Verzögerungsstrategie Gl. (G.5.23) zu verwenden.<br />

Man kann bei nur einer Ungleichungsrestriktion die Matrix B k , d.h. die Approx<strong>im</strong>ation der Hessematrix<br />

der Lagrangefunktion, verwenden um eine näherungsweise SORM-Korrektur vorzunehmen.<br />

Die Hessematrix der Lagrangefunktion ist ∇ 2 L(u, λ) =∇ 2 f(u)+λ∇ 2 g(u) =I+λ∇ 2 g(u).<br />

Somit ist ∇ 2 g(u k ) ≈ (B k − I)/λ k+1 . Diese Approx<strong>im</strong>ation ist nur ausreichend gut wenn die D<strong>im</strong>ension<br />

n klein ist <strong>und</strong> relativ viele Iterationen anfallen.<br />

Beispiel H.6.1: Vergleich verschiedener Algorithmen<br />

In der Literatur wurden verschiedene Algorithmen an Hand von Testbeispielen auf ihre Effizienz<br />

<strong>und</strong> <strong>Zuverlässigkeit</strong> hin untersucht. Wir geben hier einige der ’’schwierigen’’ Beispiele an. Die<br />

verwendeten Algorithmen sind:<br />

• HLRF: Gl. (2.2.2)<br />

• RFLS: Gl. (G.6.6) mit Gl. (G.5.17)<br />

¾<br />

285


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

• NLPQL: [156]<br />

• JOINT5: Gl. (G.6.6) mit Gl. (G.5.23)<br />

NLPQL ist ein kommerzieller sequentieller quadratischer Opt<strong>im</strong>ierungsalgorithmus.<br />

Zustandsfunktion<br />

Bemerkung<br />

1 (0.1(u 1 +0.5(u 3 1 + u 1 )) + 12)/(0.18u 2 +3)− 3 U i ∼ N(0, 1)<br />

2 2(0.5u 1 +0.87u 2 +3)+5(0.5u 1 − 0.87u 2 − 1) 2 − 0.5 U i ∼ N(0, 1)<br />

3 2(−u 1 +0.5u 2 +4)+exp[5(0.67u 1 − 0.67u 2 ) − 1] − 6 U i ∼ N(0, 1)<br />

4 u 2 +2(1− 0.4u 1 (u 1 +0.8)) + exp [5(u 1 − u 2 ) − 2.5] U i ∼ N(0, 1)<br />

5 x 3 1 + x 2 1x 2 + x 3 2 − 18 X 1 ∼ X 2 ∼ N(10, 5)<br />

6 3 − u 1 u 2 U i ∼ N(0, 1)<br />

7 x 1 +2x 2 +2x 3 + x 4 − 5x 5 − 5x 6 +0.001 P 6<br />

i=1 sin(100x i) X 1 ÷ X 4 ∼ LN(120, 12),<br />

X 5 ∼ LN(50, 15),<br />

X 6 ∼ LN(40, 12)<br />

8 1.5 − 0.00115x 1 x 2 +0.00157x 2 2 +0.00117x 2 1 +0.0135x 2 x 3 X 1 ∼ FR(7.897, 3.582)<br />

−0.0705x 2 − 0.0053x 1 − 0.0149x 2 x 3 − 0.0611x 2 x 4 +0.0717x 1 x 4 X 2 ∼ N(25, 5),<br />

−0.226x 3 +0.0333x 2 3 − 0.558x 3 x 4 +0.998x 4 − 1.339x 2 4 X 3 ∼ N(0.8, 0.2)<br />

X 4 ∼ LN(0.0625, 0.0625)<br />

9 20 − P 10 u 2 i<br />

i=1<br />

U<br />

1+i/10 i ∼ N(0, 1)<br />

10 ± P 10<br />

11 x 0 − P 25<br />

i=1<br />

i=1 x i ∓ (n + a √ nσ i ) X i ∼ LN(1, 0.3)<br />

x 2 i<br />

i<br />

X 0 ∼ N(0.5, 0.1);<br />

X i ∼ N(0.2, 0.1)<br />

Alle Algorithmen wurden mit Standardeinstellungen angewandt. Die Startwerte sind zufällig. Die<br />

unten angegebenen Anzahlen der Funktionsaufrufe sind daher mittlere Werte aus den ersten 10<br />

Läufen. Die Anzahlen streuen z.T. stark. Die ersten 6 Beispiele sind zweid<strong>im</strong>ensional. Das 7.<br />

Beispiel s<strong>im</strong>uliert numerisches Rauschen. Das 8. Beispiel weist große Krümmungen auf. Das 9.<br />

Beispiel ist ein Ellipsoid. Das 10. Beispiel soll die Wirkung ’’normaler’’ aber symmetrischer Nichtlinearitäten<br />

zeigen. Das 11. Beispiel enthält schließlich 26 Variablen mit ganz unterschiedlichem<br />

Einfluß.<br />

Beispiel n β HLRF RFLS NLPQL JOINT4<br />

1 2 3.54 23 20 28 19<br />

2 2 2.76 - 56 20 233<br />

3 2 3.32 - 1271 30 972<br />

4 2 1.87 314 44 22 42<br />

5 2 2.29 - 208 125 212<br />

6 2 2.45 - 159 376 20<br />

7 6 2.35 - 43 44 29<br />

8 4 2.89 - 31* 50* 70*<br />

9 10 4.69 938 743 863 588<br />

10 10<br />

3.14 46 47 45 46<br />

3.16 46 47 45 46<br />

11 26 2.92 236 236 250 236<br />

*Nicht alle Läufe erfolgreich<br />

286


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Wenn in der Ergebnistabelle keine Lösung erreicht werden konnte, so muß das nicht bedeuten, daß<br />

mit anderen algorithmischen Parametern nicht doch eine Lösung gef<strong>und</strong>en werden kann. Die Startwerte<br />

können die <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> Effizienz der Lösung wesentlich beeinflussen. Die Beispiele<br />

zeigen die Überlegenheit sequentiell quadratischer Algorithmen in niedrigen D<strong>im</strong>ensionen. Die<br />

Liniensuche nach Gl. (G.5.21) erweist sich der näherungsweisen Liniensuche nach Gl. (G.5.24)<br />

als etwa gleichwertig.<br />

#<br />

G.5.<br />

Zeitinvariante Probleme <strong>im</strong> Originalraum<br />

Die gleichen Konzepte können für die Aufgabe (5.6.1) verwendet werden. Dann wird von Gl.<br />

(G.5.9) ausgegangen, also von:<br />

· ¸µ µ <br />

Bk ∇g(x k ) d<br />

k −∇l(x k )<br />

∇g(x k ) T 0 λ k+1 =<br />

−g(x k (G.5.1)<br />

)<br />

mit l(x) =ln(f(x)). Hier ist f(x) die Dichte des Zufallsvektors X. Die Konvergenzbedingungen<br />

sind abzuändern in ¯¯l(x k+1 ) − l(x k )¯¯


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Das führt für eind<strong>im</strong>ensionales t auf das Gleichungssystem<br />

⎡<br />

⎣ I ∇g ⎤ ⎛ ⎞ ⎛<br />

⎞<br />

u,t(u k ,t k )<br />

I<br />

⎦ ⎝ ∆uk<br />

∆t k ⎠ = ⎝ −uk<br />

0 ⎠<br />

∇ u,t g(u k ,t k ) T 0<br />

λ k+1 −g(u k ,t k )<br />

(G.6.4)<br />

Suchrichtung <strong>und</strong> Lagrangemultiplikator sind nunmehr<br />

∆u k = −u k ∇ u g(u k ,t k )<br />

¡<br />

+<br />

(u k<br />

k∇ u g(u k ,t k ) T k 2 +2k∇ t g(u k ,t k ) T k 2 ) T ∇ u g(u k ,t k ) − g(u k ,t k ) ¢<br />

∆t k =<br />

∇ t g(u k ,t k )<br />

¡<br />

(u k<br />

k∇ u g(u k ,t k ) T k 2 +2k∇ t g(u k ,t k ) T k 2 ) T ∇ u g(u k ,t k ) − g(u k ,t k ) ¢<br />

λ k+1 =<br />

1<br />

¡<br />

g(u k ,t k ) − (u k ) T ∇<br />

k∇ u g(u k ,t k ) T k 2 +2k∇ t g(u k ,t k ) T k 2 u g(u k ,t k ) ¢<br />

(G.6.5)<br />

<strong>und</strong> der neue Punkt ist:<br />

u k+1 = u k + α k ∆u<br />

t k+1 = t k + α k ∆t (G.6.6)<br />

Die Liniensuche folgt den gleichen Prinzipien wie Gl. (G.5.17) oder (G.5.23). Da man damit<br />

rechnen muß, daß der opt<strong>im</strong>ale Punkt auch ein Randpunkt des betrachteten Zeitintervalls [t u ,t o ]<br />

sein kann, ist sicherzustellen, daß generell t u − t k ≤ 0 <strong>und</strong> t k − t o ≤ 0. Formal am einfachsten<br />

werden diese Bedingungen als zusätzliche Restriktionen dem Problem hinzugefügt.<br />

G.7.<br />

Schlußbemerkung<br />

Die in den Abschnitten H.3 bis H.9 dargestellten Algorithmen beruhen <strong>im</strong> wesentlichen auf Konzepten<br />

der sequentiellen quadratischen Opt<strong>im</strong>ierung. Andere, für die vorliegenden Zwecke ebenfalls<br />

geeignete Varianten der Methode der sequentiellen quadratischen Opt<strong>im</strong>ierung werden in<br />

[100] , [135] , [3] <strong>und</strong> [61] beschrieben. Direkte Verfahren, die nicht von der Lagrangefunktion<br />

ausgehen, sind meist weniger effizient <strong>und</strong> zuverlässig. Gradientenfreie Algorithmen, die<br />

also keine Anprüche an die Differenzierbarkeit der Zielfunktion <strong>und</strong> der Restriktionen stellen, können<br />

aufwendig werden <strong>und</strong> konvergieren in der Praxis nicht <strong>im</strong>mer zuverlässig. Ein stochastischer,<br />

gradientenfreier Algorithmus fürdieLösung des <strong>Zuverlässigkeit</strong>sproblems, der ebenfalls sehr aufwendig<br />

werden kann, wird in Anhang A.4 angedeutet. Darüberhinaus gibt es, allerdings selten,<br />

nicht algorithmusbedingte Konvergenzprobleme <strong>und</strong> das Problem der multiplen β−Punkte, wozu<br />

auf die Literatur verwiesen sei [161] [90] . Dieser Opt<strong>im</strong>ierungsverfahren gewidmete Anhang<br />

wurde deswegen relativ ausführlich, weil die Suche nach dem β−Punkt eine zentrale Aufgabe<br />

darstellt mit der eine effiziente <strong>Zuverlässigkeit</strong>sberechnung oder eine zuverlässigkeitsorientierte<br />

Opt<strong>im</strong>ierung steht oder fällt. In der Regel führen die vorgestellten Verfahren zum Ziel, in besonders<br />

schwierigen Fällen ist keines der Verfahren erfolgreich. Dann bleiben für die <strong>Zuverlässigkeit</strong>saufgabe<br />

nur numerische Integration von Gl. (2.1.1) oder die Verfahren in Anhang A, die aber <strong>im</strong><br />

Hinblick auf Effizienz ebenfalls von der Existenz eines β−Punktes oder eines ’’wahrscheinlichsten<br />

Versagenspunktes’’ ausgehen.<br />

288


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Kapitel 10.<br />

Wie sicher ist sicher genug?<br />

10.1. Vorbemerkungen<br />

Bauwerke <strong>und</strong> andere technische Installationen sowie unsere natürliche Umwelt bergen Risiken<br />

für Leib <strong>und</strong> Leben. Diese sind mit allen zur Verfügung stehenden materiellen <strong>und</strong> intellektuellen<br />

Ressourcen unter Kontrolle zu bringen. Das muß aber auf eine Weise geschehen, die mit allen<br />

anderen Zielen unserer Gesellschaft verträglich ist. Auf die Probleme der Risikobewältigung bei<br />

baulichen Anlagen sei hier auch auf die entsprechenden Erörterungen in Abschnitt 1 hingewiesen.<br />

Es ist zunächst notwendig, die Art der Risiken zu klassifizieren. Man muß zunächst zwischen freiwillig<br />

<strong>und</strong> unfreiwillig eingegangenen Risiken unterscheiden. Freiwillig eingegangene Risiken<br />

wie be<strong>im</strong> Bergsteigen (siehe Tabelle 1.1) oder bei anderen Extremsportarten kann man kaum kontrollieren<br />

ohne die individuelle Freiheit einzuschränken. Sie bleiben <strong>im</strong> folgenden außer Betracht.<br />

Was aber freiwillig ist <strong>und</strong> was nicht, ist bereits dann fraglich, wenn es sich um die Ausübung einer<br />

Berufstätigkeit mit erhöhtem Risiko handelt (siehe Hochseefischerei <strong>und</strong> Bauarbeit in Tabelle<br />

1.1). Es hat sich aber durchgesetzt, daß erhöhtes berufliches Risiko durch monetäre Kompensation<br />

oder/<strong>und</strong> mehr Freizeit entschädigt wird (siehe weiter unten). Desweiteren ist zu unterscheiden,<br />

ob eine bekannte Gefährdung anonyme Personen oder klar identifizierte Individuen betrifft. Die<br />

Erfahrung zeigt, daß die Bereitschaft <strong>und</strong> die Anstrengungen unserer Gesellschaft, aber auch des<br />

einzelnen Individuums, eine Rettung <strong>im</strong> zweiten Fall vorzunehmen mindestens um den Faktor 5<br />

höher sein kann als <strong>im</strong> ersten Fall - besonders wenn die Gefährdung bereits akut eingetreten ist.<br />

Auch der zweite Fall sei hier von geringerem Interesse, wenngleich es außer Frage steht, daß Feuerwehr<br />

<strong>und</strong> andere Rettungsdienste zum bekannten, institutionellen Instrumentarium der Risikokontrolle<br />

<strong>und</strong> der Schadensbegrenzung gehören. Hier soll es in erster Linie um die Beherrschung<br />

von unfreiwilligen, anonymen Risiken <strong>im</strong> Rahmen von opt<strong>im</strong>alen Nutzen-Kosten-Rechnungen für<br />

technische Anlagen zum Zeitpunkt des Entwurfs unter Beachtung der Tolerierbarkeit von Risiken<br />

gehen.<br />

Schließlich sei der Begriff ’’Risiko’’ noch etwas verallgemeinert. Nach üblicher Auffassung ist<br />

nämlich Risiko allgemeiner als Möglichkeit einer ungünstigen (adversen) Auswirkung auf die<br />

menschliche Ges<strong>und</strong>heit, die Lebensqualität oder auf die natürliche Umwelt zu definieren. Risiko<br />

wird dann als Produkt aus Eintrittswahrscheinlichkeit <strong>und</strong> Schadenshöhe verstanden. Bei<br />

lebensgefährdenden Risiken ist die Folge für den Einzelnen der Verlust des Lebens. Für dieöffentliche<br />

Risikokontrolle ist die Anzahl ’’geretteter Leben’’ oder vermiedener Opfer jedoch kaum<br />

ein geigneter Maßstab, da diese ins Verhältnis zur Größe der Gesellschaft gesetzt werden sollten.<br />

Auch geht beispielsweise nicht ein in welchem Alter die ’’Rettung’’ erfolgt. Es sind vielmehr die<br />

geretteten Lebensjahre, die größere Lebenserwartung oder die Reduktion der Sterblichkeit, die auf<br />

gesellschaftlicher Ebene kontrolliert werden sollten.<br />

Wie kann man aber den Menschen in eine Nutzen-Kosten-Rechnung für technische Projekte einbringen?<br />

Neuere Überlegungen zu dieser Frage sprechen nicht direkt vom (monetären) Wert des<br />

Menschen sondern von den Kosten Leben zu retten - oder genauer, von den Kosten das Lebensrisiko<br />

zu vermindern, d.h. die Wahrscheinlichkeit eines vorzeitigen Todes durch best<strong>im</strong>mte Maßnahmen<br />

zu reduzieren, die das Verhalten <strong>und</strong>/oder die Technologie von Individuen, Institutionen oder<br />

Organisationen verändern [168] . Dabei wollen wir die selbstverständliche Tatsache <strong>im</strong> Auge<br />

behalten, daß jedes Leben nur von endlicher Dauer ist.<br />

289


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Wir postulieren weiter, daß die einzige Autorität, die befugt ist, die angesprochenen Fragen zu<br />

beantworten, die Öffentlichkeit einer demokratischen Gesellschaft selbst ist. Die Haltung der Öffentlichkeit<br />

gegenüber Leben bedrohenden, unfreiwillig eingegangenen oder einzugehenden Risiken<br />

<strong>und</strong> wie sie ihre Begrenzung vorzunehmen bereit ist, sei das Risiko medizinischer, technischer<br />

oder umweltbedingter Art, bedarf <strong>im</strong> Lichte des entscheidungtheoretischen Ansatzes des vorigen<br />

Abschnittes aber noch einer Bewertung. Medien <strong>und</strong> Politiker scheinen, zumindest kurzfristig,<br />

bei der Wichtung <strong>und</strong> Bewältigung von Risiken eine große Rolle zu spielen oder spielen zu wollen.<br />

Die Rolle politischer Entscheidungsträger bei der Risikobewältigung ist unbestritten. Es kann<br />

aus der Sicht der statistischen Entscheidungstheorie aber gefährlich sein, wenn die Maßnahmen<br />

<strong>und</strong> die damit verb<strong>und</strong>enen Kosten keine rationale Gr<strong>und</strong>lage haben. Nur wenn die Gesellschaft<br />

ein ’’faires’’ Spiel gegen das Risiko ’’spielt’’ bzw. ein Spiel spielt, bei dem sie ihre Einsätze nach<br />

den zur Verfügung stehenden Mitteln effizient ausrichtet, kann sie auf lange Sicht an Lebensqualität<br />

<strong>und</strong> Sicherheit gewinnen. Tatsächlich weisen einige Studien daraufhin, daß viele öffentliche<br />

Programme zur Risikominderung, sei es in der medizinischen (präventiven) Versorgung, der Abwehr<br />

von Naturgefahren oder <strong>im</strong> Transportwesen, nicht die dem eingesetzten Aufwand adäquate<br />

Wirksamkeit haben [168] . Auch ohne Medien <strong>und</strong> Politiker ist die Risikowahrnehmung in der<br />

Öffentlichkeit in hohen Graden irrational <strong>und</strong> von Emotionen geprägt. Kaum je ist eine Gruppe<br />

bereit, unbekannte <strong>und</strong> anonyme, zusätzliche Risiken zu akzeptieren. Man spricht von Risikoaversion<br />

<strong>und</strong> diese ist umso größer je größer die möglichen Schadensfolgen sind, unabhängig davon,<br />

daß die dazugehörige Eintrittswahrscheinlichkeit gewöhnlich verschwindend klein ist. Hier muß<br />

eine demokratische Öffentlichkeit über neue Risiken aber auch alle anderen Risiken, insbesondere<br />

über die bereits vorhandenen <strong>und</strong> unvermeidlichen Hintergr<strong>und</strong>risiken, informiert werden <strong>und</strong><br />

<strong>im</strong> konkreten Fall über die Maßnahmen der Risikoverminderung aufgeklärt werden. Vor allem ist<br />

es die Aufklärung über die Kosten, die von jedem auf die eine oder andere Weise zu tragen sind.<br />

Und es muß betont werden, daß die monetären Mittel, auch die einer Gesellschaft, endlich sind.<br />

Damit ist Risikokontrolle <strong>im</strong> wesentlichen die Bewältigung des Konfliktes zwischen Risikoaversion<br />

<strong>und</strong> den Aufwendungen für Risikoverminderung. Für Sicherheitmuß durch Aufgabe einer<br />

anderen Annehmlichkeit bezahlt werden.<br />

Um zu einer rationalen Gr<strong>und</strong>lage zu kommen, müssen wir zunächst die maßgebenden, allgemein<br />

anerkannten, moralisch-ethischen Gr<strong>und</strong>sätze zusammenstellen, die als Ausgangspunkt für alle<br />

weiteren Erörterungen genommen werden dürfen. Sie definieren die Eckpunkte zwischen denen<br />

argumentiert werden kann <strong>und</strong> darf. In Artikel 2 (2) des Gr<strong>und</strong>gesetzes heißt es:’’Jeder hat das<br />

Recht auf Leben <strong>und</strong> körperliche Unversehrtheit. ...’’. Andererseits sagt Artikel 2 (1): ’’Jeder hat<br />

das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, ...’’ aus, natürlich ohne Beeinträchtigung<br />

der Anderen. Hieraus kann bei der Bewältigung von Risiken durchaus ein Konflikt entstehen. Es<br />

gilt weiter der demokratische Gleichheitsgr<strong>und</strong>satz. Artikel 3 des Gr<strong>und</strong>gesetzes lautet: ’’(1) Alle<br />

Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer <strong>und</strong> Frauen sind gleichberechtigt. ... (3) Niemand<br />

darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner<br />

He<strong>im</strong>at <strong>und</strong> Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt<br />

oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. ’’<br />

Diese Gr<strong>und</strong>sätze findet man in den Verfassungen aller modernen, demokratischen Gesellschaften<br />

<strong>und</strong> in der Menschenrechtserklärung der Vereinigten Nationen wie sie am 10. Dezember 1948 von<br />

der UN-Vollversammlung ohne Gegenst<strong>im</strong>me verabschiedet wurde. Der Gleichheitsgr<strong>und</strong>satz sei<br />

hier so verstanden, daß eine Risiken mindernde Maßnahme unabhängig davon sein muß, obdie<br />

gegebenenfalls Betroffenen jung oder alt, reich oder arm, etc. sind.<br />

290


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Sind diese verfassungsgemäßen Wertsetzungen in ingenieurmäßige oder planerische Kriterien übertragbar?<br />

Wir gehen hierzu davon aus, daß Leben <strong>im</strong> allgemeinen erfreulich ist <strong>und</strong> daß der Mensch<br />

bereit ist für langes Leben andere Vergnügungen, wie z.B. den Konsum, zu opfern. Tatsächlich finden<br />

Cantril [27] <strong>und</strong> viele neuere empirische, soziologische Studien, daß langes Leben <strong>und</strong> persönlicher<br />

Reichtum <strong>und</strong>/oder hohes Einkommen zu den vorrangigen Lebenszielen in modernen<br />

Gesellschaften gehören. Wohlstand steht für die Qualität des Lebens.<br />

10.2. Der Lebensqualitätsindex<br />

10.2.1. Mathematische Herleitung<br />

Die individuelle Lebenserwartung ist eine statistische Größe. Daher macht es Sinn, diese durch<br />

ihren Mittelwert zu charakterisieren. Die Lebenserwartung e ist die Fläche unter der Überlebenskurve<br />

(Überlebenswahrscheinlichkeit) `(a) (1 ≥ `(a) ≥ 0) als Funktion des Lebensalters a, also<br />

e = e(0) =<br />

Z au<br />

0<br />

`(a)da (10.2.1.1)<br />

(a u = höchstes berücksichtigtes Alter, so daß `(a) =0für a>a u ). In Abb. 10.1 sind die Überlebenswahrscheinlichkeiten<br />

für dreiLänder dargestellt. Solche Überlebenskurven sind in jedem<br />

Land aus den Bevölkerungsstatistiken verfügbar oder aus Sterbetafeln errechenbar (siehe unten).<br />

’’Qualitätvolle’’ Lebenserwartung e QALY heißt, daß Zeiten, die z.B. <strong>im</strong> Krankenhaus, in der Alterspflege<br />

oder bei wesentlich eingeschränkter Ges<strong>und</strong>heit verbracht werden, von e abgezogen<br />

werden. Das sind etwa 10% von e <strong>und</strong> zwar bei Frauen etwas mehr als bei Männern. Im folgendenwirddiesemögliche<br />

Verfeinerung <strong>im</strong> allgemeinen jedoch nicht verfolgt, zumal ihre Berücksichtigung<br />

gewisse methodische Probleme aufwirft.<br />

1<br />

l(a)<br />

0.8<br />

0.6<br />

0.4<br />

Japan (1996), e = 80.1<br />

Frankreich (1997), e = 77.6<br />

Polen (1999), e = 73.4<br />

0.2<br />

0<br />

0 25 50 75 100 125<br />

Alter a<br />

Abb. 10.1.Altersabhängige Überlebenswahrscheinlichkeit<br />

Es besteht nach den klassischen, volkswirtschaftlichen Ansätzen Übereinkunft, daß das reale, jährliche<br />

Bruttosozialprodukt (BSP) oder, besser, Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf die zur Verfügung<br />

stehenden Mittel für qualitätvolles Leben am besten quantifizieren kann. Es wird durch<br />

291


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Arbeit in Produktion <strong>und</strong> Dienstleistung <strong>und</strong> durch Kapital (als bereits früher geleistete Arbeit) in<br />

Form von Löhnen, Gehältern, Einkommen, Gewinnen, Renditen, u.a. geschaffen 27 .DasBIPwird<br />

als Maß für das Wohlergehen einer Gesellschaft verstanden. Es ermöglicht die Befriedigung von<br />

Bedürfnissen durch Konsum <strong>und</strong> schafft damit die Mittel das Leben individuell zu genießen, es<br />

zu einem qualitätvollen Leben zu gestalten. Das BIP schafft desweiteren die Möglichkeiten für<br />

die Infrastruktur eines Landes, seine Sozialstruktur, sein Kultur- <strong>und</strong> Ausbildungsangebot, sein<br />

Spektrum an Freizeitangebot, sein ökologisches Umfeld, etc.. Und es schafft die Möglichkeit zusätzliche<br />

Lebensjahre durch risikomindernde Maßnahmen ’’zu kaufen’’.60±5% des BIP stehen<br />

für den privaten Verbrauch zur Verfügung, 20±5% werden vom Staat (äußere Sicherheit, Rechtsprechung,<br />

Polizei, Verwaltung, Bildung, etc.) beansprucht <strong>und</strong> 20±5%werdenfür Investitionen<br />

verwendet (vergl. die Zusammenstellungen in [174] sowie [179] ).<br />

Risikoreduktion auf gesellschaftlicher Ebene <strong>und</strong> für den Einzelnen erfordert, wie erwähnt, daß<br />

auf irgendeine Weise dafür bezahlt werden muß. Dabei spielt es für das Weitere keine Rolle ob<br />

die Aufwendungen vom Staat über Steuern oder vom Einzelnen, freiwillig oder durch Gesetze<br />

<strong>und</strong> Verordnungen auferlegt, getragen werden. Wenn man ausschließt, daß die Bruttoinvestitionen<br />

(eine Gesellschaft muß ihre sich abnützenden <strong>und</strong> alternden Produktionsmittel erhalten bzw.<br />

ersetzen) sowie der Staatsverbrauch ohne Transferzahlungen <strong>und</strong> Sozialleistungen (dieser Anteil<br />

schafft die Voraussetzungen für ein’’qualtitäsvolles Leben) für Risikoverminderung verwendet<br />

werden können, stehen also zwischen 60 <strong>und</strong> 70% für Risikoverminderung zur Verfügung (vergl.<br />

Abb. 10.2).<br />

Man könnte davon sogar noch die zum Leben mindestens notwendigen Mittel (für ein Min<strong>im</strong>um<br />

an Nahrung, Bekleidung <strong>und</strong> Behausung = Existenzmin<strong>im</strong>um, in europäischen Wohlfahrtsstaaten<br />

<strong>im</strong> Jahr 2000 ungefähr 0.2 bis 0.3 BIP oder r<strong>und</strong> die Hälfte des privaten Verbrauchs) abziehen, denn<br />

unterhalb dieser Grenze ist das Leben eines Jeden auch ohne technische oder natürliche Risiken<br />

hochgradig gefährdet. In Sozialstaaten wird das Existenzmin<strong>im</strong>um durch Steuern oder Abgaben<br />

aufgebracht <strong>und</strong> entsprechend umverteilt. Daher ist dieser Aspekt <strong>im</strong> vorliegenden Zusammenhang<br />

nicht von Belang.<br />

Im Weiteren wird es noch von Bedeutung sein, wie denn nun das BIP entsteht. Es entsteht durch<br />

Arbeit <strong>und</strong> Kapital <strong>und</strong> seine Höhe wird wesentlich durch die eingesetzte Technologie, die Effizienz<br />

der Arbeit <strong>und</strong> den Kapitaleinsatz best<strong>im</strong>mt. In der Volkswirtschaft wird dies durch eine<br />

Produktionsfunktion, insbesondere mit der empirisch gut belegten Produktionsfunktion nach<br />

Cobb-Douglas beschrieben.<br />

Q = F (L, K) =AK α L β (10.2.1.2)<br />

Hierin ist Q die Ausbringung, z.B. die produzierte Warenmenge einer Firma oder eben das BIP,<br />

A eine Technologiekonstante, L die eingesetzte Arbeit <strong>und</strong> K das eingesetzte Kapital. Sowohl<br />

der durch Arbeit wie auch der durch Kapital erzeugte Anteil von Q zeigen für 0 < α ≤ 1 einen<br />

27<br />

Das nominale Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist die Summe der in einem Jahr hergestellten Endprodukte <strong>und</strong> Dienstleistungen<br />

ohne Transferzahlungen wie Arbeitslosenunterstützung, Altersrenten <strong>und</strong> Subventionen <strong>und</strong> damit auch die<br />

Summe des privaten Verbrauchs, des Staatsverbrauchs, der Investitionen <strong>und</strong> des Außenbeitrags (Exporte minus Importe).<br />

Das reale BIP ist gleich dem nominalen BIP aber bereinigt von Preisveränderungen. Das Nettoinlandsprodukt<br />

(NIP) ist das Bruttoinlandsprodukt minus Abschreibungen <strong>und</strong> Kapitalverbrauch <strong>und</strong> r<strong>und</strong> 15 % kleiner als das BIP. In<br />

diesen Abschreibungen ist nicht die Erschöpfung oder Verschlechterung der Naturschätze <strong>und</strong> der Umwelt enthalten.<br />

Das Volkseinkommen ergibt sich aus dem NIP nach Abzug der indirekten Steuern.<br />

Das BIP entsteht in Industriestaaten zu weniger als 5% in der Landwirtschaft, zu r<strong>und</strong> 30% in der Industrie <strong>und</strong> zu<br />

65% oder mehr durch Dienstleistungen. Hiervon kommen r<strong>und</strong> 70% aus unselbstständiger Arbeit <strong>und</strong> 30% aus Unternehmertätigkeit<br />

<strong>und</strong> Vermögen. Zuwächse des BIP entstehen in der Landwirtschaft <strong>und</strong> vor allem in der Industrie.<br />

292


[€ pro Kopf<br />

Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

30 000,00<br />

Bruttoinvestitionen, Staatverbrauch, BIP (1995) (pro Ko<br />

1970-2003<br />

25 000,00<br />

20 000,00<br />

BIP<br />

15 000,00<br />

Staatsverbrauch<br />

einschließlich aller<br />

10 000,00<br />

Staatsverbrauch ohne<br />

Sozialausgaben<br />

Transferzahlungen <strong>und</strong><br />

5 000,00<br />

Sozialausgaben<br />

Bruttoinvestitionen<br />

0,00<br />

1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005<br />

Jahr<br />

Privatverbrauch<br />

Abb. 10.2.Bruttoinlandsprodukt, Privatverbrauch, Staatsverbrauch <strong>und</strong> Bruttoinvestitionen pro Kopf in<br />

Preisen von 1995 [179]<br />

konkaven Verlauf, d.h. der Einsatz beider Faktoren wird zunehmend ineffizienter. Gewöhnlich<br />

setzt man β = 1 − α. Diese Funktion hat einige besondere Eigenschaften. Wenn z.B. sich L<br />

<strong>und</strong> K um einen best<strong>im</strong>mten Faktor vergrößern, so ändert sich die Ausbringung um den gleichen<br />

Faktor. Die marginale Ausbringung der Arbeit ist MPL = dF(L, K)/dL =(1− α)AL −α K α =<br />

(1 − α)Q/L <strong>und</strong> die des Kapitals MPK = dF(L, K)/dK = αAK α−1 L 1−α = αQ/K. Also<br />

ist β =(1− α) der Anteil der Arbeit an der Gesamtausbringung. Die neueren Statistiken für<br />

Deutschland [179] zeigen nun, daß sich β in den letzten Jahrzehnten ziemlich genau bei β ≈ 0.7<br />

einpendelte. Der gleiche Wert wird auch für viele andere Länder, z.B. die USA, beobachtet.<br />

Im Jahr 1998 wurden für die Ges<strong>und</strong>heitsfürsorge in der BRD 10.6% des BIP aufgewendet [192] .<br />

Über alle anderen Aufwendungen für Risikokontrolle <strong>und</strong> -reduktion, also für Verkehrssicherheit,<br />

Bauwerkssicherheit, Brandschutz, Sicherheit vor Naturgefahren, etc., gibt es kaum verläßliche<br />

Daten. Es dürften aber noch einmal einige Prozent hinzukommen. Die Gesamtmortalität(proJahr)<br />

in der BRD beträgt derzeit etwa 0.011, aber der Tod von nur 3 von 10000 geht nicht auf natürlichen<br />

Ursachen zurück. Davon müssen in vorliegendem Zusammenhang noch alle Todesfälle, die auf<br />

freiwillig eingegangene Gefahren (vor allem Sport- <strong>und</strong> Verkehrsunfälle) zurückgehen, abgezogen<br />

werden (etwa 1 von 10000). Auch die Unfälle bei den notwendigen Tätigkeiten des täglichen<br />

Lebens, z. B. Treppen oder auf Leitern steigen, wiederum r<strong>und</strong> 1 von 10000, müssen abgezogen<br />

werden. Unter Beachtung der Endlichkeit jeden Lebens ist die ’’Restmortalität’’ von etwas über<br />

0.0001 also der Hauptgegenstand unserer Betrachtungen, wobei nicht ausgeschlossen werden soll,<br />

daß die zu erörternden Gr<strong>und</strong>gedanken nicht auch auf als natürlich klassifizierte Todesursachen<br />

anzuwenden sind.<br />

Die Abwägung zwischen der Lebenserwartung <strong>und</strong> des für die Verhinderung ihrer Verminderung<br />

aufgewendeten BIP ist aber genau das Problem der Sicherheit von baulichen <strong>und</strong> anderen technischen<br />

Anlagen. Es ist prinzipiell nicht anders gelagert als das Problem der Sicherheit auf öffentlichen<br />

Straßen oder der öffentlichen Ges<strong>und</strong>heitsfürsorge, bei dem die ’’Entfaltung der Persönlichkeit’’<br />

einschränkender Aufwand für zusätzliche Lebensjahre aufzubringen ist. Da die Erzielung<br />

von Bauwerkssicherheit <strong>im</strong> Sinne der Abwesenheit von Gefahr für Leib <strong>und</strong> Leben durch<br />

Bauvorschriften eine risikomindernde Tätigkeit ist, kann, volkswirtschaftlich gesehen, nur ein be-<br />

293


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

st<strong>im</strong>mter Aufwand für Bauwerkssicherheit getrieben werden. Ein best<strong>im</strong>mter Aufwand ist jedoch<br />

notwendig; zumal es sich bei der Benützung von Bauwerken um eine unerläßliche <strong>und</strong> unfreiwillige<br />

Tätigkeit handelt. Andererseits müssen Investitionen in Bauwerkssicherheit <strong>im</strong> Hinblick<br />

auf die Verhinderung der Verminderung der Lebenserwartung effizient sein. Sonst sollte man sie<br />

besser anderswo einsetzen. Benötigt wird also ein Kriterium welches die notwendigen <strong>und</strong> leistbaren<br />

Aufwendungen für Risikoverminderung quantifizieren läßt. Das Kriterium sollte angewandt<br />

werden können bei Investitionen der Öffentlichkeit in die Ges<strong>und</strong>heitsfürsorge, bei Maßnahmen,<br />

die die Verkehrssicherheit auf Straßen, Schienen, zu Wasser <strong>und</strong> in der Luft verbessern <strong>und</strong> bei<br />

technischen Projekten, die dem allgemeinen Wohlstand dienen, die aber auch Risiken bergen.<br />

Nach einem Vorschlag von Lind (1994) [94] geht man von einem zusammengesetzten Sozialindikator<br />

aus:<br />

L = L(a, b, ..., r, ...) (10.2.1.3)<br />

Sozialindikatoren einer Gesellschaft sind Größen wie die Lebenserwartung, das BIP, die Anzahl<br />

von Analphabeten, der Stand der Gleichberechtigung zwischen Mann <strong>und</strong> Frau, etc.. L sei ein<br />

Indikator für die Lebensqualität. Der zusammengestzte Sozialindikator sei differenzierbar. In differentieller<br />

Schreibweise ist dann:<br />

dL = ∂L<br />

∂a<br />

da +<br />

∂L<br />

∂b<br />

∂L<br />

db + ... + dr + ... (10.2.1.4)<br />

∂r<br />

Wenn nur die genannten zwei Einflußfaktoren, also das verfügbare BIP g ≈ 0.6 ÷ 0.7BIP, <strong>und</strong><br />

die Lebenserwartung e, in Betracht gezogen werden, verschwindet dL für<br />

dL = ∂L<br />

∂e<br />

∂L dg<br />

de + dg =0⇒<br />

∂g<br />

∂L<br />

de = − ∂e<br />

∂L<br />

∂g<br />

(10.2.1.5)<br />

Dieses Prinzip, zwei der wichtigen Lebensqualitätsindikatoren gegeneinander aufzuwiegen, findet<br />

sich bereits bei [84] . Nathwani et al. [121] machen den einfachen Produktansatz:<br />

L = f(g)h(t) (10.2.1.6)<br />

Die der ökonomischen Tätigkeit (Erwerb) gewidmete Zeit ist we > 0, die dem ’’Vergnügen’’ gewidmete<br />

Zeit ist:<br />

t =(1− w)e >0 (10.2.1.7)<br />

Dieser sogenannte ’’Life Quality Index’’ (Lebensqualitätsindex = LQI) ist also eine Funktion der<br />

Lebenserwartung e abzüglich der Zeit w, die dem Erwerb gewidmet werden muß, gewichtet mit<br />

einem Maß fürdieHöhe der Lebensqualität, welches vom Anteil des verfügbaren BIP g abhängt.<br />

f(g) <strong>und</strong> h(t) sind jeweils in den Argumenten monoton wachsende, positive Funktionen. Es folgt<br />

zunächst, daß<br />

dL =<br />

df (g)<br />

dg<br />

h(t)dg + f(g)dh(t) dt (10.2.1.8)<br />

dt<br />

294


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

<strong>und</strong> für das relative Inkrement:<br />

dL<br />

L =<br />

g<br />

f(g)<br />

df (g) dg<br />

dg g +<br />

t<br />

h(t)<br />

dh(t) dt<br />

dt t = k dg<br />

g<br />

g + k dt<br />

t<br />

t<br />

(10.2.1.9)<br />

Nathwani et al. [121] verlangen nun, daß die relative Änderung von L nicht von den Absolutwerten<br />

von g <strong>und</strong> e abhängen soll (= Unabhängigkeit von der Jahreszahl, vom Entwicklungsstand<br />

einer Region,...) <strong>und</strong> das bedeutet, daß k g <strong>und</strong> k t Konstante sind, genauer daß k g /k t = konst.<br />

Damit gelten mit c 1 <strong>und</strong> c 2 gewissen festen Werten die beiden Differentialgleichungen 1. Ordnung<br />

k g<br />

k t<br />

≡<br />

≡<br />

g df (g)<br />

= c 1<br />

f(g) dg<br />

(10.2.1.10)<br />

t dh(t)<br />

= c 2<br />

h(t) dt<br />

(10.2.1.11)<br />

mit den durch Separierung <strong>und</strong> Delogarithmieren gewonnenen Lösungen:<br />

Mit Gl. (10.2.1.10) <strong>und</strong> (10.2.1.11) wird dann aus Gl. (10.2.1.6):<br />

f(g) = g c1 (10.2.1.12)<br />

h(t) = t c 2<br />

(10.2.1.13)<br />

L = g c 1<br />

((1 − w)e) c 2<br />

(10.2.1.14)<br />

Es sei weiterhin angenommen, daß g nach Gl. (10.2.1.2) nach einer Potenzfunktion von der Erwerbszeit<br />

w abhängt (gemeint ist hier bezahlte Arbeit), womit L als<br />

L =(cw β ) c1 ((1 − w)e) c2 (10.2.1.15)<br />

geschrieben werden kann. c ist ein Proportionalitätsfaktor, den man als mittlere Produktivität aller<br />

Wirtschaftsleistungen einer Gesellschaft oder als Arbeitsproduktivität deuten kann, da auf die<br />

Person bezogen Q = A( K N N )α (w) β gilt <strong>und</strong> daher c = A( K N )α mit N der Bevölkerungsanzahl<br />

der betrachteten Volkswirtschaft. Als Funktion von w hat L ein Max<strong>im</strong>um <strong>und</strong> wächst in c <strong>und</strong><br />

e für 0


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

auf über 20000 PPPUS$ infolge besserer Produktivität durch technischen Fortschritt <strong>und</strong> Nutzung<br />

neuer Resourcen[103] . Lebensqualität wurde also nicht nur durch längeres Leben <strong>und</strong> größeren<br />

Konsum, sondern auch maßgeblich durch mehr Freizeit gewonnen. In der Volkswirtschaft wurde<br />

daher auch die Hypothese aufgestellt, daß für die Lebensqualitätganzmaßgeblich die Zeit ist, die<br />

der freien Entfaltung seiner Persönlichkeit gewidmet werden kann [195] . Am Max<strong>im</strong>um gilt die<br />

Bedingung<br />

dL<br />

dw = d<br />

dw ((cwβ ) c 1<br />

((1 − w)e) c 2<br />

=0 (10.2.1.16)<br />

Ohne Verlust an Allgemeinheit kann man c 1 + c 2 =1setzen, woraus nach Ausführung der Differentiation<br />

nach w <strong>und</strong> Auflösen nach c 1<br />

c 1 =<br />

w<br />

β − βw + w)<br />

(10.2.1.17)<br />

folgt. Der Proportionalitätsfaktor c fällt heraus <strong>und</strong> muß auch nicht in L berücksichtigt werden, da<br />

sich konstante Faktoren in dL/L herauskürzen. Das führt auf:<br />

L w = g<br />

w<br />

β−βw+w e<br />

1−<br />

w<br />

w<br />

w<br />

β−βw+w (1 − w)<br />

1− β−βw+w ≈ g<br />

β−βw+w e<br />

1−<br />

w<br />

β−βw+w<br />

(10.2.1.18)<br />

Der Parameter w, also der beobachtete Anteil für bezahlte Arbeit, schwankt nicht stark. Er beträgt<br />

<strong>im</strong> Jahre 1998 in den Industrieländern 10 bis 20% von e, bezogen auf die arbeitende Bevölkerung<br />

(etwa 50% der Gesamtbevölkerung), mit einer Tendenz zu kleineren Werten. Nathwani et al. [121]<br />

schätzen w =1/8 ab. Sie berücksichtigen dabei eine St<strong>und</strong>e Fahrzeit pro Arbeitstag <strong>und</strong> eine<br />

w<br />

β−βw+w<br />

Lebensarbeitszeit von 45 Jahren. Der Faktor (1 − w) 1− ändert sich nur wenig mit w <strong>und</strong><br />

kann daher weggelassen werden. Man sieht, daß der Index in der Tat drei wesentliche Lebensziele<br />

in Beziehung setzt: Reichtum oder Einkommen g <strong>und</strong> damit Konsum, Lebenserwartung e <strong>und</strong> die<br />

Zeit, das Leben zu genießen (1 − w)e. Der Index erfüllt die Randbedingungen L =0für g =0<br />

<strong>und</strong> e =0. Der LQI kann <strong>und</strong> sollte als Nutzenfunktion L = u(g, e,w) einer anonymen Person<br />

interpretiert werden. Einkommen bzw. Konsum <strong>und</strong> Lebenserwartung sind darin unterschiedlich<br />

gewichtet.<br />

Es erweist sich als zweckmäßig in Gl. (10.2.1.18) noch die 1 −<br />

w −te Wurzel zu ziehen. Im<br />

β−βw+w<br />

w<br />

Folgenden verwenden wir die Bezeichnung q = /(1− w )= 1 w<br />

. Für w =1/8 <strong>und</strong><br />

β−βw+w β−βw+w β 1−w<br />

β =0.7 wird q =0.17. Für zwei Gruppen mit identischem g <strong>und</strong> e würde diejenige mit größerem<br />

w einen höheren LQI haben. Das widerspricht der Anschauung. Diese kleine Inkonsistenz kann<br />

man jedoch für alle praktischen Zwecke ausreichend gut beseitigen, indem man anstelle von g q <strong>im</strong><br />

ersten Term z.B. g q /q, n<strong>im</strong>mt. Somit ist:<br />

L q = gq<br />

gq<br />

e(1 − w) ≈<br />

q q e (10.2.1.19)<br />

In dieser Form wächst der LQI <strong>im</strong> relevanten Bereich von g, e <strong>und</strong> w mit g <strong>und</strong> e <strong>und</strong> n<strong>im</strong>mt mit w<br />

ab, wie es vernünftigerweise zu fordern ist. Weiter unten wird für die spezielle Form (10.2.1.19)<br />

noch eine theoretische Begründung nachgeliefert.<br />

296


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Eine mit dem Indikator Gl. (10.2.1.19) bewertete Tätigkeit ist also unter Verwendung von Gl.<br />

(10.2.1.5) sinnvoll, wenn:<br />

∂L<br />

dg<br />

de = − ∂e<br />

≥− g e<br />

∂L<br />

∂g<br />

1<br />

q<br />

(10.2.1.20)<br />

oder<br />

de<br />

e + q dg<br />

g = dg<br />

g + 1 de<br />

q e ≥ 0 (10.2.1.21)<br />

Das Kriterium gilt für alle lebensverlängernden bzw. lebensrettenden Maßnahmen (positives de)<br />

bei denen dg <strong>im</strong> allgemeinen negativ ist, aber auch für alle anderen Tätigkeiten, also auch solchen<br />

bei denen dg positiv ist <strong>und</strong> gleichzeitig de negativ. Der Wert von dL/L ist <strong>im</strong>mer positiv,<br />

wenn de > 0 <strong>und</strong> dg > 0 <strong>und</strong> er ist <strong>im</strong>mer negativ, wenn de < 0 <strong>und</strong> dg < 0. Das Kriterium<br />

berücksichtigt, wie erwähnt, relative, kleine Änderungen in e <strong>und</strong> g <strong>und</strong> keine absoluten Größen.<br />

BeiGleichheitdrückt die Bedingung die opt<strong>im</strong>ale Beziehung zwischen dg <strong>und</strong> de aus. Eine Maßnahme<br />

mit den (jährlichen) Kosten dC = −dg, die die Lebenserwartung um de vergößert, ist<br />

bezahlbar <strong>und</strong> notwendig. ’’>’’ bedeutet, daß Investitionen in lebensverlängernde Maßnahmen<br />

ineffizient sind. ’’


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

10.2.2. Demographische Aspekte<br />

Die Anwendung von Gl. (10.2.1.19) ist leider nicht ganz einfach. Während sich die Kosten einer<br />

Maßnahme, d.h. die Verminderung von g um dg, meistens gut quantifizieren lassen, ist die Wirkung<br />

der Maßnahme, d.h. e um de, kaum direkt abschätzbar. Man kann aber die (differentiellen)<br />

Änderungen der Lebenserwartung mit den (differentiellen) Änderungen der Sterblichkeit in Beziehung<br />

setzen. Hierfüristzunächst notwendig, einige Begriffe der Bevölkerungsstatistik zu erläutern<br />

[48] [87] . Es sei m(a) die (stetige) altersabhängige Sterblichkeit (= Anzahl der Gestorbenen in<br />

[a, a+da]/Anzahl der Lebenden <strong>im</strong> Alter a in einem best<strong>im</strong>mten Jahr) in einer ’’Referenzkohorte’’<br />

(meistens 100000) aus einer Periodensterbetafel bekannt. Die Wahrscheinlichkeit <strong>im</strong> Alter a zu<br />

sterben kann durch q(a) ≈ 1 − exp [−m(a)] , (q(a u )=1,a u = höchstes berücksichtigtes Alter),<br />

genähert werden womit q(a) ≤ m(a). Abb. 10.3 zeigt drei typische Beispiele. Man beachte besonders<br />

die verschiedene Kindersterblichkeit <strong>und</strong> die kleine Auswölbung nach oben bei etwa 20<br />

Jahren, die auf die durch Sport- <strong>und</strong> Verkehrsunfälle verursachte erhöhte Sterblichkeit zurückzuführen<br />

ist. `(a + da) =`(a)(1 − q(a)) ist die Anzahl der Überlebenden <strong>im</strong> Alter a + da <strong>und</strong><br />

`(0) = 100000. Die Anzahl der Sterbenden in [a, a + da] ist demnach d(a) =q(a)`(a). Die Anzahl<br />

aller Sterbenden in allen Altersintervallen summiert sich zur Kohortengröße. Das bedeutet,<br />

daß q(a) als Risikofunktion µ(a) interpretiert werden kann wenn man `(0) = 1 setzt 29 . Das erlaubt<br />

alle maßgebenden Verteilungscharakteristika zu berechnen, z.B. die Überlebenswahrscheinlichkeit<br />

· Z a<br />

¸<br />

`(a) =exp − µ(τ)dτ<br />

(10.2.2.1)<br />

oder die Lebenserwartung <strong>im</strong> Alter a unter der Bedingung bis a überlebt zu haben, d.h.:<br />

Z au<br />

Z au<br />

· Z t<br />

¸ Z au<br />

· Z t<br />

e(a) =<br />

exp − µ(τ)dτ dt = exp − µ(τ)dτ<br />

a<br />

`(t)<br />

`(a) dt = 1<br />

`(a)<br />

a<br />

0<br />

(10.2.2.2)<br />

Beispielsweise gehören die Lebenserwartungen e Haiti (0) = 52.7,e Kolumbien (0) = 69.3 <strong>und</strong> e BRD (0) =<br />

76.9 zu den Kurven in Abb. 10.3. Für eine stationäre Bevölkerung (Geburtsrate b gleich roher Sterberate<br />

m, keine Bevölkerungswanderungen) ist die Dichte der Altersverteilung proportional zur<br />

Überlebenswahrscheinlichkeit<br />

`(a)<br />

h(a) = R au<br />

(10.2.2.3)<br />

`(a)da<br />

0<br />

Da m =1/e, ist h(a) =`(a)/e. Für den wichtigen Fall einer stabilen Bevölkerung (altersabhängige<br />

Mortalität <strong>und</strong> Altersverteilung unabhängig von der Zeit) mit konstanter Zuwachsrate n = b−m<br />

ist die Altersverteilung (Dichte der Altersverteilung) [48]<br />

h(a, n) =<br />

0<br />

exp [−na] `(a)<br />

R au<br />

0<br />

exp [−na] `(a)da<br />

a<br />

a<br />

¸<br />

dt<br />

(10.2.2.4)<br />

29<br />

Für die altersabhängige Mortalitätkannman<strong>im</strong>hauptsächlich interessierenden Bereich (a >5)häufig den Gompertzschen<br />

Ansatz µ(a) =α exp(βa) mit α ≈ 0.00008 <strong>und</strong> β ≈ 0.085 in erster Näherung verwenden.<br />

298


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Der Einfluß von n auf die Altersverteilung ist bemerkenswert (vergl. Abb. 10.4). Schließlich<br />

kann die rohe Sterberate abgeschätzt werden zu<br />

m =<br />

Z au<br />

0<br />

h(a, n)µ(a)da (10.2.2.5)<br />

<strong>und</strong> die Geburtsrate ist:<br />

1<br />

b = h(0,n)= R au<br />

(10.2.2.6)<br />

exp [−na] `(a)da<br />

0<br />

War µ 1 (a) die altersspezifische Sterberate vor einer lebensrettenden Maßnahme <strong>und</strong> µ 2 (a) jene<br />

nach dieser, so ist, de ≈ ∆e = e 2 − e 1 . Es ist klar, daß eine Quantifizierung der Änderungen von<br />

µ 1 (a) nach µ 2 (a) <strong>im</strong> allgemeinen schwierig <strong>und</strong> aufwendig ist.<br />

0.2<br />

0.15<br />

q(a)<br />

0.1<br />

0.05<br />

Haiti (1995-2000)<br />

Kolumbien (1996)<br />

BRD (1996/97)<br />

0<br />

0 25 50 75 100<br />

Alter a<br />

Abb. 10.3.Altersabhängige Sterberate<br />

Wenn eine lebensrettende Maßnahme die Sterblichkeit proportional für alle Altersklassen reduziert,<br />

<strong>und</strong> das ist bei den hier zur Diskussion stehenden Anwendungen wohl nur manchmal der<br />

Fall, kann man etwas einfacher vorgehen. Die Reduktion sei δ = dm wobei m die sogenannte rohe<br />

Sterberate (Anzahl der Verstorbenen pro Jahr/Anzahl der Lebenden zur Mitte des Jahres). Dann<br />

m<br />

ist µ 2 (a) =µ 1 (a)(1+δ) <strong>und</strong> es folgt `2(a) =exp £ − R a<br />

µ 0 1(τ)(1 + δ)dτ ¤ = `1(a) 1+δ <strong>und</strong> somit<br />

e 2 (0) = R a u<br />

`1(t) 1+δ dt. Damit ist [87]<br />

0<br />

de<br />

e ≈ R a u<br />

0 `(a) 1+δ da− R au<br />

0 `(a)da<br />

R<br />

dδ<br />

au<br />

0<br />

`(a)da<br />

≈<br />

R<br />

d au<br />

dδ<br />

`(a) 1+δ da |<br />

0<br />

R δ=0<br />

au<br />

δ =<br />

`(a)da<br />

0<br />

R au<br />

ln(`(a))`(a)da<br />

0<br />

R au δ = −c δ δ<br />

`(a)da<br />

0<br />

(10.2.2.7)<br />

wobei c δ ≈ 0.10 bis mehr als 0.45 abhängig von der Altersstruktur <strong>und</strong> der Lebenserwartung<br />

(c δ ≈ 0.13 bis 0.20 für hochentwickelte Länder, c δ ≈ 0.20 bis 0.30 für Länder mit mittlerem Entwicklungsstand<br />

<strong>und</strong> c δ ≈ 0.50 für einige Länder mit sehr niedrigem Entwicklungsstand). Die<br />

Konstante 0 ≤ c δ ≤ 1 ist ein Maß für die KonvexitätderKurve`(a). c δ =0entspricht dem Fall,<br />

daß alle Personen exakt <strong>im</strong> gleichen Alter sterben. c δ =0.5 entspricht einer linear abfallenden<br />

299


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

n = 0.02<br />

h(a)<br />

0.015<br />

0.01<br />

0.005<br />

n = 0.01<br />

n = 0.00<br />

n = - 0.01<br />

0<br />

0 20 40 60 80 100<br />

Alter a<br />

Abb. 10.4.Altersaufbau einer Bevölkerung für verschiedene Zuwachsrate n<br />

Kurve `(a) <strong>und</strong> c δ =1der Kurve `(a) =exp[−µa] (= gleiche Mortalitätfür alle Altersgruppen).<br />

Je mehr sich die Sterblichkeit auf das Alter zwischen 60 <strong>und</strong> 80 Lebensjahren konzentriert, umso<br />

kleiner sind die Auswirkungen auf die Lebenserwartung (vergl. auch Abb. 10.3). Eine Änderung<br />

der Mortalitätum1%ändert die Lebenserwartung also nur um 0.15% für c δ ≈ 0.15. DieNäherung<br />

<strong>im</strong> zweiten <strong>und</strong> dritten Ausdruck auf der rechten Seite entsteht durch eine lineare Taylorentwicklung<br />

um δ =0.<br />

Man kann auch annehmen, daß eine (kleine) Änderung dm = ∆ der rohen Mortalität alle Altersgruppen<br />

gleichmäßig betrifft. Dann ändert sich µ(a) in µ ∆ (a) =µ(a)+∆ <strong>und</strong> daher<br />

de<br />

e<br />

≈<br />

d<br />

d∆<br />

= −<br />

R au<br />

exp £ − R a<br />

(µ(τ)+∆)dτ¤ da |<br />

0<br />

R0 ∆=0<br />

au<br />

∆<br />

`(a)da<br />

0<br />

R au<br />

a`(a)da<br />

R0 au<br />

`(a)da ∆ = −C dm<br />

∆dm = −c ∆<br />

m<br />

0<br />

(10.2.2.8)<br />

mit c ∆ = C ∆ m. In diesem Fall ergeben sich die demographischen Konstanten in der Größe von<br />

c ∆ ≈ 0.35 (C ∆ ≈ 35) für entwickelte Länder. Für gegebenes dm sind die Änderungen in de also<br />

etwa zwe<strong>im</strong>al so groß wie in Gl. (10.2.2.7). Das ist auch zu erwarten, da ein Änderung von<br />

e<br />

µ(a) in jungen Jahren sich viel stärker auf die Lebenserwartung auswirkt als in höherem Alter.<br />

Für technische Anwendungen, also in der Bauwerkssicherheit, bei der Risikokontrolle von gefährlichen<br />

Industrieanlagen, der Vorbeugung von Überschwemmungen, usw. ist diese Annahme<br />

die wahrscheinlich wirklichkeitsnächste <strong>und</strong> auch fairste Vorgehensweise. Natürlich können sich<br />

Mortalitätsänderungen nur auf gewisse Altersgruppen, z.B. nur die Gruppe der Älteren a>60,<br />

erstrecken, was entsprechend zu berücksichtigen ist. Wichtig ist noch die Berücksichtigung von<br />

Latenzzeiten bei toxischen Stoffen <strong>im</strong> Boden, dem Wasser <strong>und</strong> der Luft oder auch in Nahrungsmitteln.<br />

Es sei T eine deterministische Latenzzeit. Dann ist z.B.<br />

de<br />

e<br />

≈<br />

d<br />

d∆<br />

R au<br />

T<br />

exp £ − R a<br />

(µ(τ)+∆)dτ¤ da |<br />

R0 ∆=0<br />

au<br />

∆<br />

`(a)da<br />

0<br />

300


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

= −<br />

R au<br />

RT<br />

au<br />

a`(a)da<br />

0<br />

`(a)da ∆ = −C ∆T dm (10.2.2.9)<br />

Die folgende instruktive Abb. 10.5 zeigt die Entwicklung der Konstanten c δ <strong>und</strong> der Lebenserwartung<br />

e für Schweden zwischen den Jahren 1860 <strong>und</strong> 2000. Der Einbruch 1918/19 ist auf die<br />

europaweite Grippepandemie in diesen Jahren zurückzuführen. Abb.10.5 weist daraufhin, daß es<br />

auch einen zeitlichen Aspekt zu beachten gilt.<br />

0.8<br />

CF<br />

0.6<br />

0.4<br />

0.2<br />

0<br />

1860 1880 1900 1920 1940 1960 1980 2000<br />

Jahr<br />

80<br />

70<br />

Leberserwartung<br />

bei Geburt<br />

60<br />

50<br />

40<br />

1860 1880 1900 1920 1940 1960 1980 2000<br />

Jahr<br />

Abb. 10.5.Konstante C δ <strong>und</strong> Lebenserwartung für Schweden von 1860 bis 2000 [18]<br />

Periodensterbetafeln für ein best<strong>im</strong>mtes Jahr entstehen, wie erwähnt, durch empirische Best<strong>im</strong>mung<br />

der altersabhängigen Mortalität, d.h. Division der in einem Jahr Verstorbenen durch die<br />

Anzahl der Lebenden, jeweils für ein best<strong>im</strong>mtes Alter. Daraus können alle interessierenden, demographischen<br />

Kennzahlen abgeleitet werden. Periodensterbetafeln können demnach Fortschritte<br />

in der Medizin <strong>und</strong> andere langfristige Einflüsse nicht berücksichtigen. Das wäre mit sogenannten<br />

Generationensterbtafeln, die die Mortalität einer z.B. <strong>im</strong> Jahre 1895 geborenen Kohorte solange<br />

verfolgt, bis diese Kohorte ganz ausgestorben ist. Solche Generationentafeln (oder Kohorten tafeln)<br />

sind aber praktisch nicht zu beschaffen. Man kann sie jedoch in guter Näherung konstruieren<br />

indem man die Folge von Periodentafeln n<strong>im</strong>mt <strong>und</strong> aus diesen durch Interpolation die Zeitabhängigkeit<br />

der Mortalitäten best<strong>im</strong>mt. Dabei erweist sich folgender Ansatz als zweckmäßig.<br />

µ ϑ,y (a) =µ y (a)b(a) ϑ+a−y (10.2.2.10)<br />

worin y das Referenzjahr <strong>und</strong> ϑ ≶ y das Geburtsjahr, dessen Koeffizienten durch lineare Regression<br />

für ln(µ ϑ,y (a)) = a y + b y (ϑ + a − y) mit a y =ln(µ y (a) <strong>und</strong> b y =ln(b(a)) best<strong>im</strong>mt werden.<br />

301


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Damit ist sogar möglich, die Mortalitäten in die Zukunft zu extrapolieren, wobei man natürlich unterstellen<br />

muß,daß die in der Vergangenheit beobachteten Tendenzen auch in der Zukunft anhalten.<br />

Ausreichend lange Folgen von Periodentafeln wurden z.B. durch Bomsdorf [16] berücksichtigt.<br />

Für Deutschland <strong>und</strong> viele andere Länder sind solche auch in [18] enthalten. Kohortentafeln<br />

ergeben derzeit z.B. r<strong>und</strong> 7% größere Lebenserwartungen. Von der Möglichkeit prädiktive Generationentafeln<br />

zu erzeugen <strong>und</strong> zu verwenden wird weiter unten noch Gebrauch gemacht.<br />

10.2.3. Der Lebensqualitätsindex als Indikator für den Entwicklungsstand<br />

eines Landes<br />

Der LQI ist ein zusammengesetzter Sozialindikator <strong>und</strong> wurde als solcher von Nathwani et al.<br />

[121] verwendet um den Entwicklungsstand <strong>und</strong> seine Veränderungen in verschiedenen Ländern<br />

ähnlich wie der ’’Human Development Index (HDI)’’ durch eine Vergleichszahl zu messen. Solche<br />

Indizes sollen wiedergeben ’’wie gut eine Nation dem Wohlbefinden seiner Bürger dient’’ (’’how<br />

well a nation serves the well-being of its citizens’’) [174] . Nathwani et al. [121] betonen, daß der<br />

Term g q in GL. (10.2.1.19) eine wohlstands- bzw. konsumbezogene Größeist,während e ges<strong>und</strong>heitsbezogen<br />

ist. Man beachte, daß beide Größen maßgeblich von einer zuverlässigen Schätzung<br />

von w abhängen. Für Vergleiche wird L w am besten noch geeignet normiert. In Tabelle 10.5.1 sind<br />

nur Länder aufgenommen für die halbwegs zuverlässige Daten vorliegen. Wenn der LQI in Gl.<br />

(10.2.1.19) als Alternative für den HDI verwendet wird, ist natürlich der volle Betrag des BIP zu<br />

verwenden.<br />

In Tabelle 10.2.1 sind für einige Länder, für die neuere Periodensterbetafeln beschafft werden konnten,<br />

die entsprechenden Kennzahlen zusammengestellt. Im Hinblick auf internationale Vergleichbarkeit<br />

sind alle monetären Größen in internationalen PPP US$ angegeben. Sie enthält auch einige<br />

Extreme bezüglich des wirtschaftlichen <strong>und</strong> demographischen Entwicklungsstandes von Ländern.<br />

Die verwendeten Daten müssen als Schätzungen aufgefaßt werden, da gewisse Diskrepanzen zwischen<br />

verschiedenen Quellen nicht aufgeklärt werden konnten. Außerdem sind alle Daten mit<br />

gewissen statistischen Unsicherheiten verb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> ändern sich in der Zeit. Es mag aber nur<br />

sehr wenige Anwendungen geben für die genauere Daten notwendig sind. Die qualitätvolle Lebenserwartung<br />

e QALY nach [192] ist z.T. zum Vergleich angegeben. Der Lebensarbeitsanteil w<br />

ist besonders schwierig abzuschätzen. Hierzu ist notwendig die wöchentliche Arbeitszeit für die<br />

Vollzeit- <strong>und</strong> Teilzeitbeschäftigten, getrennt nach Wirtschaftszweig, zu kennen, die Anteile der<br />

Wirtschaftszweige am BIP, die Anzahl der gesetzlichen Feiertage <strong>und</strong> der gesetzlichen Urlaubstage<br />

<strong>und</strong> die Lebensarbeitszeit, beginnend mit dem Eintritt in die Erwerbstätigkeit <strong>und</strong> endend<br />

mit dem Eintritt in den Ruhestand. Außerdem erscheint es fair, die Fahrzeiten vom Wohnort zur<br />

<strong>und</strong> von der Arbeitsstelle angemessen zu berücksichtigen. Ob Krankentage, Unterbeschäftigung<br />

oder Arbeitslosigkeit ein Rolle spielen, hängt vom Sozialsystem des betreffenden Landes ab. Der<br />

Lebensarbeitsanteil w von e ist auf die arbeitende Bevölkerung bezogen, da nur diese den in Gl.<br />

(10.2.1.16) ausgedrückten Opt<strong>im</strong>ierungsgedanken, meist in Absprache mit den Familienangehörigen,<br />

vollziehen. Die arbeitende Bevölkerung macht etwa die Hälfte der Gesamtbevölkerung aus.<br />

Im Einzelnen wurde w nach<br />

w =<br />

Arbeitsfähige Bevölkerung<br />

Bevölkerung<br />

Jährliche Arbeitst<strong>und</strong>en 9<br />

24 · 365 8<br />

berechnet, wobei die Daten in [103] <strong>und</strong> [46] verwendet wurden. Der Faktor 9/8 berücksichtigt<br />

die Fahrzeiten pro Arbeitstag. In Abb. 10.6 sind die Logarithmen von e über den Logarithmen<br />

302


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

von g aufgetragen. Es zeigt sich relativ straffe Korrelation. Hieraus mag man zunächst schließen,<br />

daß Reichtum auch gesünder macht. Innerhalb eines entwickelten Landes besteht jedoch nur sehr<br />

schwache (positive) Korrelation zwischen Lebenserwartung <strong>und</strong> Einkommen. Aus Abb. 10.7 läßt<br />

sich allenfalls ein schwacher Trend von w mit dem BIP erkennen. In Tabelle 10.2.1 mag man aus<br />

denWertenfür w in Verbindung mit dem BIP auch ablesen, daß die Menschen in manchen Ländern<br />

bei gleichem BIP eher konsumorientiert <strong>und</strong> in anderen Ländern eher freizeitorientiert sind.<br />

Land BIP 1) m 2) n 3) e,e 4)<br />

QALY w 5) β L w<br />

Brasilien 7320 0.934 0.91 67,- 0.11 0.8 1660<br />

Kanada 27330 0.730 0.99 79, 72 0.12 0.7 2967<br />

Kolumbien 5890 0.569 1.64 70,- 0.11 0.8 1732<br />

USA 34260 0.870 0.90 77, 70 0.13 0.7 3351<br />

Bulgarien 6200 1.450 -1.14 70, 65 0.12 0.8 1819<br />

Dänemark 25500 1.090 0.30 77, 72 0.10 0.7 2421<br />

Deutschland 25010 1.042 0.27 77, 71 0.10 0.7 2421<br />

Finnland 22900 0.980 0.16 75, 69 0.11 0.7 2500<br />

Frankreich 24470 0.909 0.37 78, 73 0.09 0.7 2302<br />

Italien 23400 1.007 0.07 79, 73 0.09 0.7 2317<br />

Niederlande 26170 0.869 0.55 78, 72 0.08 0.7 2222<br />

Norwegen 29760 0.983 0.49 78, 72 0.10 0.7 2521<br />

Österreich 26310 0.980 0.24 77, 72 0.10 0.7 2440<br />

Polen 9030 0.998 -0.03 73, 66 0.10 0.8 1862<br />

Rußland 8377 1.340 0.21 66, 60 0.11 0.8 1725<br />

Schweden 23770 1.061 0.02 79, 73 0.10 0.7 2464<br />

Schweiz 29000 0.877 0.27 79, 72 0.11 0.7 2746<br />

Tschechien 12900 1.081 -0.07 73, 68 0.14 0.8 2462<br />

Ungarn 19180 0.913 0.10 78, 73 0.10 0.8 2209<br />

UK 23500 1.072 0.23 78, 72 0.11 0.7 2612<br />

Ägypten 3690 0.770 1.69 66,- 0.08 0.8 1483<br />

Nigeria 790 1.391 2.61 47,- 0.13 0.85 864<br />

Südafrika 9180 1.677 0.26 55,- 0.08 0.7 1375<br />

China 3940 0.674 0.88 70,- 0.16 0.85 1997<br />

Japan 26460 0.834 0.17 80, 74 0.13 0.7 2726<br />

Australien 25370 0.718 0.99 78, 73 0.12 0.7 2887<br />

Tabelle 10.2.1: Sozialindikatoren für einige Länder ( 1) in PPPUS$ [191] , 2) rohe Sterberate in % [29] , 3) Zuwachsrateder<br />

Bevölkerungin%[29] , 4) qualitätvolle Lebenserwartung [192] , 7) Nach [78] [103] [46] [125] einschließlich 1 St<strong>und</strong>e<br />

Reisezeit)<br />

Der Ableitung des LQI lag als wesentliches Prinzip die Opt<strong>im</strong>ierung von Einkommen <strong>und</strong> Freizeit<br />

zugr<strong>und</strong>e. Daß dieses Prinzip indirekt bestätigt werden kann, zeigen neuere sozialwissenschaftliche<br />

Untersuchungen [15] . So fand Bielenski et al. [15] für europäische Länder durch eine<br />

Befragung von bis zu 3000 Personen in jedem Land, daß in Ländern mit hohem BIP eher weniger<br />

Arbeitszeit bevorzugt wird <strong>und</strong> in Ländern mit geringerem BIP eher durch Mehrarbeit ein höheres<br />

Einkommen angestrebt wird. Auch die Neigung zu mehr Beschäftigung <strong>und</strong>, damit verb<strong>und</strong>en, ein<br />

größeres Angebot von Arbeit wird erwünscht. Abhängige Arbeitnehmer in Ländern mit hohem<br />

BIP würden ihre Wochenarbeitszeit gern von r<strong>und</strong> 38.5 St<strong>und</strong>en auf 34 bis 36 St<strong>und</strong>en vermindern,<br />

303


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

natürlich ohne Einkommensverminderung. In [45] wird sogar berichtet, daß in einigen Ländern<br />

bei Befragungen durch Gewerkschaften noch kleinere Arbeitszeiten als 35 Wochenarbeitsst<strong>und</strong>en<br />

als nicht wünschenswert erachtet werden. Selbstständige würden ihre Wochenarbeitszeit gerne von<br />

48 auf 38 St<strong>und</strong>en vermindern. Die Abhängigkeit der gewünschten Arbeitszeit vom Einkommen<br />

zeigt sich auch auf dem Niveau von Haushalten, wie nachfolgende Tabelle ausweist.<br />

Finanzielle Situation Geleistete wöchentliche Gewünschte wöchentliche<br />

von Haushalten Arbeitsst<strong>und</strong>en Arbeitsst<strong>und</strong>en<br />

gut 66 61<br />

adäquat 59 61<br />

schwierig 53 64<br />

Tabelle 10.2.2: Geleistete <strong>und</strong> gewünschte wöchentliche Arbeitsst<strong>und</strong>en nach [15]<br />

Auf Länderebene zeigt sich die gleiche Tendenz. In Spanien, Portugal <strong>und</strong> Griechenland, also<br />

Ländern mit vergleichsweise niedrigem BIP <strong>und</strong> vergleichsweise wenig entwickelten Sozialsystem,<br />

würde man gerne zwischen 2 <strong>und</strong> 10 St<strong>und</strong>en pro Haushalt mehr arbeiten. In allen anderen<br />

Ländern würde man gerne zwischen 1 <strong>und</strong> 7 St<strong>und</strong>en weniger arbeiten. Diese Tendenzen zeigen<br />

sich auch in offiziellen Statistiken [78] [125] .<br />

Tatsächlich geleistete <strong>und</strong> gewünschte Arbeitszeiten, sowohl für Individuen wie auch für Haushalte,<br />

hängen, wie erwähnt, von einer Vielzahl von Faktoren wie Traditionen, kulturelle Aspekte, das<br />

soziale Umfeld, Stärke <strong>und</strong> Rolle der Gewerkschaften, Anteil der Selbstständigen <strong>und</strong> der Nichtselbstständigen,<br />

Beteilung von Frauen <strong>und</strong> schließlich von den gesetzlichen <strong>und</strong> wirtschaftlichen<br />

Rahmenbedingungen ab. Die allgemeinen Trends sind jedoch ziemlich klar. Und es gibt gute<br />

Gründe zu vermuten, daß in den meisten entwickelten Ländern Arbeitszeit <strong>und</strong> Einkommen in<br />

Bezug auf die Lebensqualität schon nahe am Opt<strong>im</strong>um sind.<br />

2.2<br />

2.1<br />

2<br />

1.9<br />

Entwicklungsländer<br />

log(e)<br />

1.8<br />

1.7<br />

1.6<br />

1.5<br />

Industrieländer<br />

1.4<br />

2.5 3 3.5 4 4.5 5<br />

log(g)<br />

Abb. 10.6.Lebenserwartung über Bruttosozialprodukt der Länder in Tabelle 9.5.1 (e nach[192] , g nach<br />

[191] )<br />

304


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

0.2<br />

0.15<br />

w<br />

Mittel = 0.104<br />

0.1<br />

0.05<br />

0 5000 1.10 4 1.5 .10 4 2 .10 4 2.5 .10 4 3 .10 4 3.5 .10 4<br />

BIP<br />

Abb. 10.7.Lebensarbeitsanteil über Bruttosozialprodukt für dieLänder in Tabelle 9.5.1 (g nach [191] ,w<br />

nach [103] ,[125] ,[46] ,)[103]<br />

10.2.4. Einfache Anwendungen von Gl. (10.2.1.21)<br />

Man kann nun Gl. (10.2.1.21) zusammen mit den Gl. (10.2.2.7) bis (10.2.2.9) auf einfache Probleme<br />

anwenden. Das ergibt die notwendigen <strong>und</strong> bezahlbaren Kosten dC Y pro Kopf <strong>und</strong> Jahr<br />

für eineMaßnahme, die die (jährliche) Mortalität z.B.umdm für eine Strategie x bei der Mortalitäsreduktion<br />

ändert, zu:<br />

dC = −dg = g q<br />

de<br />

e ≈ g q c dm<br />

x<br />

m = g q C xdm = G x dm (10.2.4.1)<br />

In der auf die Ges<strong>und</strong>heitsvorsorge bezogenen volkswirtschaftlichen Literatur wird diese Größe<br />

auch ’’Zahlungsbereitschaft (willingnes-to-pay = WTP)’’ genannt.<br />

Beispiel 10.2.1: Öffentliche Ges<strong>und</strong>heitsförderung<br />

Eine best<strong>im</strong>mte Krankheit führt zu einer jährlichen Anzahl von N F = 100 Todesopfern in einer<br />

Bevölkerung von N =6· 10 7 . Durch gewisse öffentlich verordnete Maßnahmen kann sie aber<br />

praktisch vollständig eingedämmt werden. Die sozialen Daten seien wie folgt: m =0.01,q =<br />

0.13,g = 20000 EUR. Die relative Reduktion des BIP ist ∂g/g = −(∂cN)/(gN) =−C Y /(gN)<br />

mit C Y den jährlichen Gesamtkosten fürdieÖffentlichkeit. Die Änderung der rohen Mortalitätist<br />

dm = N F /N <strong>und</strong> Gl..(10.2.2.9) kann verwendet werden um de/e abzuschätzen. Einsetzen in Gl.<br />

(10.2.1.21) <strong>und</strong> Auflösung nach C Y mit C ∆ =40ergibt:<br />

C Y = g 1 q C ∆N F =6.2 · 10 8 EUR (1)<br />

Das ist die von der Gesellschaft jährlich aufzubringende Summe um die Krankheit unter Kontrolle<br />

zu bringen. Sie ist mit den wirtschaftlichen Verhältnissen der betrachteten Gesellschaft verträglich.<br />

Auf den Einzelnen entfallen r<strong>und</strong> 10 EURO pro Jahr.<br />

#<br />

305


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Beispiel 10.2.2: Kompensation bei Berufsausübungen mit erhöhtem Risiko [121]<br />

DasRisikoinderAusübung von Berufen variiert extrem stark (siehe auch Tabelle 1.1). Eine englische<br />

Untersuchung best<strong>im</strong>mt ein mittleres Lebensrisiko von 1.8·10 −5 /Jahr für alle Berufe. In der<br />

Landwirtschaft ist es jedoch r<strong>und</strong> 8·10 −5 /Jahr, am Bau ≈ 10 −4 /Jahr, in Steinbrüchen 2·10 −4 /Jahr,<br />

in der Öl- <strong>und</strong> Gasförderung <strong>im</strong> Meer ≈ 10 −3 <strong>und</strong> in der Seefischerei sogar 1.7·10 −3 /Jahr. Der<br />

LQI eignet sich gut, die ’’gerechte’’ Kompensation durch Gleichsetzen des allgemeinen <strong>und</strong> des<br />

speziellen LQI zu ermitteln. Es seien also g, e <strong>und</strong> w die entsprechenden Sozialindikatoren einer<br />

Gesellschaft, g ∗ ,e ∗ <strong>und</strong> w ∗ = w =1/8 die des Berufsstandes mit erhöhtem Risiko <strong>und</strong> L = g w e<br />

bzw. L ∗ = g w ∗ e ∗ die dazugehörigen LQI. In diesem Zusammenhang sollte g bzw. g ∗ als jährliches<br />

Gehalt verstanden werden. Gleichsetzen von L <strong>und</strong> L ∗ ergibt:<br />

µ 1<br />

g ∗ e<br />

g = w<br />

e ∗<br />

(1)<br />

Es sei nun g = 50000 PPPUS$, m =0.01,e =75.5 <strong>und</strong> ein Beruf sei mit der erhöhten, <strong>im</strong><br />

Alter von 20 bis 60 Jahren gleichmäßig verteilten Mortalität m ∗ = m + dm verb<strong>und</strong>en. Dann<br />

berechnet man für eine mitteleuropäische Sterbetafel die notwendige monetäre Kompensation ∆g<br />

(nach Steuern):<br />

dm 0.00001 0.0001 0.001 0.01<br />

∆e[Tage] 5 51 503 4389<br />

∆g[$/a] 46 464 4820 69000<br />

∆w[Tage/a] 0 2.2 23 325<br />

Eine Kompensation kann alternativ auch als zusätzliche Freizeit (bei voller Bezahlung) erfolgen.<br />

Es wird von 1700 Jahresarbeitsst<strong>und</strong>en ausgegangen, d.h. w =1/8. Man best<strong>im</strong>mt:<br />

w ∗ = ln(e ∗/L)<br />

ln(e ∗ /g)<br />

(2)<br />

Die Lebensarbeitszeit verkürzt sich um ∆w. Solche Zahlen können zumindest die rationale Gr<strong>und</strong>lage<br />

für entsprechende Festsetzungen oder auch von Verhandlungen abgeben.<br />

#<br />

10.2.5. Berücksichtigung der Zeitpräferenz des Konsums <strong>und</strong> des<br />

Altersaufbaus einer Bevölkerung<br />

In der dem Ges<strong>und</strong>heitswesen gewidmeten Volkswirtschaftslehre wurden ähnliche Konzepte schon<br />

früher entwickelt [193] , [5] , [157] , [150] , [34] , worauf Pandey/Nathwani [130] hingewiesen haben.<br />

In der genannten Literatur finden sich eine ganze Reihe weiterer interessanter Varianten. Hier<br />

folgen wir <strong>im</strong> wesentlichen [157] . Es sei c(τ) > 0 die Rate des Konsums <strong>im</strong> Alter τ <strong>und</strong> u(c(τ))<br />

der verallgemeinerte Nutzen (utility), der aus dem Konsum gezogen wird. Dann ist der Gesamtnutzen<br />

einer Person <strong>im</strong> Alter a, die <strong>im</strong> Alter t>asterben wird, gleich U(a, t) = R t<br />

u [c(τ)] dτ.<br />

a<br />

Das Individuum tendiert dazu die Aussicht zukünftigen Konsums gegenüber dem sofortigen oder<br />

in naher Zukunft liegenden Konsum unterzubewerten. Das wird als menschliche Kurzsichtigkeit,<br />

Egoismus, mangelnde Voraussicht interpretiert, aber auch mit den Unsicherheiten über die<br />

verbleibende Lebenszeit begründet. Man kann das durch eine Art Verzinsung mit der Rate γ be-<br />

306


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

rücksichtigt. Der Nutzen einer Person <strong>im</strong> Alter a, die <strong>im</strong> Alter t>asterben wird, ist also:<br />

Z t<br />

· Z τ<br />

¸<br />

U(a, t) = u [c(τ)] exp − γ(θ)dθ dτ (10.2.5.1)<br />

a<br />

Wir gehen wie in Gl. (9.7.3.8) von einer zeitabhängigen Zinsrate aus, die sich aus einem zeitabhängigen<br />

Anteil ρ(t) <strong>und</strong> einem zeitunabhängigen Anteil γ 0 zusammensetzt, d.h. γ(t) =ρ(t)+γ 0 .<br />

ρ wird auch als Rate der Zeitpräferenz des Konsums oder als ’’subjektive Zinsrate’’ bezeichnet <strong>und</strong><br />

wird in der volkswirtschaftlichen Literatur mit 1 bis 4% angegeben - mit Tendenz zu kleineren<br />

Werten [182] . Die Größe vonρ ist schon in Abschnitt 9.7.3 diskutiert. ρ ist konzeptionell von<br />

einer finanziellen Zinsrate verschieden. Man beachte auch, daß nicht der Konsum sondern der<br />

Nutzen daraus verzinst wird. Nach Malthus (1766-1834) [111] wächst die Bevölkerung (oder die<br />

Familie) näherungsweise wie exp[nt] . Das kann auch empirisch mit den Daten in [103] belegt<br />

werden. Damit der Nutzen aus dem Pro-Kopf-Konsum in der Zukunft gleich bleibt, muß er also<br />

wie exp[nt] wachsen.<br />

Z t<br />

· Z τ<br />

¸<br />

U(a, t) = u [c(τ)] exp [nτ]exp − γ(θ)dθ dτ (10.2.5.2)<br />

a<br />

a<br />

Bei Wirtschaftswachstum wird ohne Verzinsung durch ρ dem Wohlstand zukünftiger Generationen<br />

mehr Gewicht eingeräumt als dem Wohlstand der heute Lebenden, weil zukünftige Generationen<br />

unter der Annahme von n =0mehr für den Pro-Kopf-Konsum ausgeben können - Wirtschaftswachstum<br />

mit einer Rate ζ vorausgesetzt. Die Rate ρ, bezogen auf den Nutzen aus dem Konsum,<br />

darf bei Wirtschaftswachstum also mindestens so groß sein wie die auf den Einzelnen bezogene<br />

Wachstumsrate δ (Wachstumsrate pro Kopf). Es wird weiter unten noch klar, daß γ 0 ≈ δ wobei<br />

δ = ζ − n. Damit sollte man aber<br />

Z t<br />

· Z τ<br />

¸<br />

U(a, t) = u [c(τ)] exp −( ρ(θ)dθ + γ 0 (τ − a)) dτ (10.2.5.3)<br />

a<br />

a<br />

verwenden, da auch das Wirtschaftswachstum zumindest <strong>im</strong> Mittel über die letzten 100 Jahre exponentiell<br />

war (siehe hierzu [103] ). Der auf die unsichere Restlebenszeit bezogene erwartete Nutzen<br />

aus dem Konsum <strong>im</strong> Alter a, unter der Bedingung bis a überlebt zu haben, ist damit:<br />

L(a) = E [U(a)] =<br />

Z au<br />

f(t)<br />

`(a)<br />

wobei f(t)dt = ¡ − d dt`(t)¢ dt =<br />

Z au<br />

a<br />

Z t<br />

f(t)<br />

`(a)<br />

U(a, t)dt<br />

a<br />

· Z τ<br />

−(<br />

¸<br />

ρ(θ)dθ + δ(τ − a))<br />

¸<br />

=<br />

u [c(τ)] exp<br />

dτdt<br />

=<br />

a<br />

a<br />

a<br />

Z au<br />

· Z t<br />

u [c(t)] exp −( ρ(θ)dθ + δ(t − a))<br />

`(a) a<br />

a<br />

`(t)dt<br />

= u [c] e d (a, ρ, δ) (10.2.5.4)<br />

³<br />

µ(τ)exp<br />

h<br />

− R t<br />

0 µ(τ)dτ i´<br />

dt die Wahrscheinlichkeit zwischen t<br />

<strong>und</strong> t+dt zu sterben. Der dritte Ausdruck wird durch partielle Integration gewonnen. Der Einfachheit<br />

halber wurde in der letzten Zeile eine von der Zeit unabhängige Konsumrate u [c(t)] = u [c]<br />

verwendet, was weiter unten noch begründet wird. Damit kann die Größe u [c] vor die altersab-<br />

307


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

hängigen Terme gezogen werden. Desweiteren wurde die ’’verzinste’’ Lebenserwartung e d (a, ρ, δ)<br />

<strong>im</strong> Alter a eingeführt.<br />

e d (a, ρ, δ) = 1 Z au<br />

· Z t Z t<br />

¸<br />

exp −( µ(τ)dτ + ρ(τ)dτ + δ(t − a)) dt (10.2.5.5)<br />

`(a)<br />

a<br />

0<br />

Die Integrale in Gl. (10.2.5.5) konvergieren <strong>im</strong>mer, da `(t) =0für t>a u . Man sieht, daß das<br />

’’Verzinse n’’ die Größe e d (a, ρ, δ) vor allem dann stark beeinflußt, wenn µ(τ) klein ist (d.h. in<br />

jungem Alter) während es nur wenig Auswirkungen in höherem Alter bei größerem µ(τ) hat. Die<br />

Kurven e d (a, ρ, δ) werden kompakter mit größer werdendem ρ (vergl. Abb. 10.8). Es ist wichtig<br />

anzumerken, daß das ’’Verzinsen’’ ursprünglich in Bezug auf u [c(τ)] angesetzt wurde, nunmehr<br />

jedoch formal in den Lebenserwartungsterm aufgenommen wurde. ρ, δ <strong>und</strong> µ(τ) sind additiv.<br />

Außerdem ist e d (0, ρ, 0) ≤ e für ρ + δ > 0. Abhängig vom Wert von ρ kann sich die ’’verzinste’’<br />

Lebenserwartung e d (a, ρ, δ) gegenüber der natürlichen Lebenserwartung merklich reduzieren. Für<br />

ρ =0.01 ist beispielsweise e d (0, 0.01, 0) ≈ 0.66e <strong>und</strong> für ρ =0.02,e d (0, 0.02, 0) ≈ 0.5e.<br />

a<br />

80<br />

60<br />

ρ = 0.00<br />

ed(a)<br />

40<br />

20<br />

ρ = 0.01<br />

ρ = 0.02<br />

ρ = 0.03<br />

ρ = 0.04<br />

0<br />

0 20 40 60 80 100<br />

Alter a<br />

Abb. 10.8.Bedingte Lebenserwartung bei unterschiedlicher Rate ρ der Zeitpräferenz des Konsums(n =0)<br />

Die Annahme einer über das Alter konstanten Konsumrate c mag fraglich erscheinen. Würde man<br />

doch vermuten, daß das Einkommen in jüngerem Alter unterdurchschnittlich ist, deutlich über dem<br />

Durchschnitt für ein Alter von 25 bis etwa 65 Jahren liegt <strong>und</strong> dann wieder unter den Durchschnitt<br />

sinkt. Die Details solcher Veränderungen sind jedoch schwierig festzulegen (siehe auch [157] <strong>und</strong><br />

[150] ). Man muß Annahmen über die Präferenzen des ’’statistischen’’ Menschen machen <strong>und</strong><br />

vernünftiges Verhalten unterstellen. Shepard/Zeckhauser [157] haben jedoch gezeigt, daß eine<br />

konstante Rate unter den Bedingungen eines perfekten, fairen Marktes auch die für denVerbraucher<br />

opt<strong>im</strong>ale Rate ist. Die öffentlichen Sozialeinrichtungen moderner Wohlfahrtsstaaten tragen zu<br />

diesem zeitlichen Ausgleich von Einkommen <strong>und</strong> Konsum z.B. durch Familienförderung <strong>und</strong> kostenlose<br />

Ausbildung in jungem Alter <strong>und</strong> Renten oder Pensionen in höherem Alter maßgeblich bei.<br />

Mit zusätzlichem Aufwand kann man jedoch auch von zeitabhängigem Einkommen <strong>und</strong> Konsum<br />

c(τ) ausgehen. Die Schwierigkeit ist dabei nicht die Behandlung von Gl. (10.2.5.4) sondern die<br />

308


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Best<strong>im</strong>mung des Verlaufs von c(τ) unter geeigneten Ziel- <strong>und</strong> Nebenbedingungen mithilfe der Variationsrechnung<br />

oder der dynamischen Opt<strong>im</strong>ierung. Shepard/Zeckhauser [157] betrachten noch<br />

einen anderen Extremfall bei dem der Verbaucher keinerlei Möglichkeit hat, Zeiten der Knappheit<br />

durch faire Kredite (oder Umverteilung) zu überbrücken <strong>und</strong> in Zeiten hohen Einkommens durch<br />

Versicherungen für das Alter vorzusorgen (der sogenannte ’’Robinson Crusoe’’ Fall). In diesem<br />

Fall folgt der Konsum dem Einkommen bis oberhalb des mindestens notwendigen Konsums zusätzliches<br />

Einkommen die Anhäufung von Reserven für das Alter erlaubt. Der Einfachheit halber<br />

wird auch angenommen, daß Hinterlassenschaften <strong>und</strong> Vererbung keine wesentliche Rolle fürden<br />

Konsum c(τ) spielen. Sie würden die Nebenbedingungen für die dynamische Opt<strong>im</strong>ierung verändern.<br />

In der Summe erscheint die Annahme konstanten Konsums als sehr gute Näherung für die<br />

Wirklichkeit.<br />

Für u [c] wählen wir eine in der Volkswirtschaft übliche Potenzfunktion:<br />

u [c] = cq − 1<br />

q<br />

(10.2.5.6)<br />

mit 0 0 <strong>und</strong> d2 u[c]<br />

=(q−1)c q−2 < 0 für q0) <strong>und</strong> andererseits, daß eine Person finanziell<br />

dem Risiko abgeneigt ist (q 1 bedeutet riskantes Verhalten, was als irrational angesehen<br />

werden muß. Beiq =1sagt man, daß die Person risikoneutral ist. Für q → 0 entsteht u [c] =ln(c),<br />

d.h. eine sehr flache, wenig gekrümmte Nutzenfunktion. Die Funktion u [c] hat konstante Elastizität<br />

des Konsums, da du(c)<br />

dc<br />

du[c]<br />

dc<br />

c<br />

= q 30 . Wenn q klein ist (nahe Null), hat eine Zunahme des Konsums<br />

u(c)<br />

nur wenig Wirkung <strong>und</strong> zusätzlicher Nutzen wird vorwiegend durch zusätzliche Lebensjahre gewonnen.<br />

Wenn q groß ist, wird zusätzlicher Nutzen in erster Linie aus zusätzlichem Konsum <strong>und</strong><br />

kaum durch zusätzliche Lebensjahre errungen, da diese durch die Bürde entsprechenden Unterhalts,<br />

nämlich Konsumverzicht, zu sichern wären. q


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Übereinst<strong>im</strong>mung mit den aus w in Tabelle 10.1.1 abgeleiteten Werten für q ist. In [34] werden<br />

für dieseGrößenordnung auch empirische Belege angeführt (siehe auch [102] ).<br />

Pandey/Nathwani [130] [131] definieren den gesellschaflichen Lebensqualitätsindex (societal<br />

life quality index) durch<br />

mit<br />

SLQI(g,q,ē) = gq<br />

q<br />

ē(ρ, δ) =<br />

Z au<br />

0<br />

Z au<br />

0<br />

e d (a, ρ, δ)h(a, n)da = gq<br />

ē(ρ, δ) (10.2.5.8)<br />

q<br />

e d (a, ρ, δ)h(a, n)da<br />

wobei ē(ρ, δ) die über die Altersverteilung gemittelte verzinste Lebenserwartung. Der gesellschaflichen<br />

Lebensqualitätsindex kann nunmehr auch als altersgemittelter, erwarteter, verzinster, lebenslanger<br />

Nutzen interpretiert werden.<br />

In der ges<strong>und</strong>heitsorientierten ökonomischen Literatur wird der monetäre Wert eines statistischen<br />

Lebens (value of a statistical life (VSL)) definiert durch die Zahlungsbereitschaft (willingnessto-pay<br />

(WTP)) für eine Risikoreduktion:<br />

WTP(a) = g q<br />

de d (a, ρ, δ)<br />

e d (a, ρ, δ)<br />

(10.2.5.9)<br />

Dieser Ansatz wurde ausführlich in [85] diskutiert, insbesondere die Bedingungen unter denen<br />

Gl. () gültig ist. Für konstanten Konsum über die Lebenszeit <strong>und</strong> konstanter Mortalitätsreduktion,<br />

d.h. dm = ∆, Gl. () ist in der Tat eine korrekte Definition. VSL(a) bzw. der gesellschaftliche<br />

Wert (SV SL) kann dann aus dem (gesellschaftlichen) Lebensqualitätsindex durch Division durch<br />

den marginalen Nutzen u 0 (g) =g q−1 hergeleitet werden:<br />

SV SL = g ē(ρ, δ) (10.2.5.10)<br />

q<br />

Entsprechend erhält man die gesellschaftliche Zahlungsbereitschaft:<br />

SWTP = g ¸<br />

·ded<br />

q E (A, ρ, δ)<br />

A<br />

≈ g e d (A, ρ, δ) q C xēdm (10.2.5.11)<br />

Es ist möglich wiederum ein auf Gl. (10.2.1.21) beruhendes Akzeptanzkriterium abzuleiten. Der<br />

entstehende Aufwand für Risikoreduktion wird ebenfalls ’’gesellschaftliche Bereitschaft zu zahlen’’<br />

(societal willingness-to-pay = SWTP) genannt.<br />

dg<br />

g + 1 q E A<br />

·ded (A, ρ, δ)<br />

e d (A, ρ, δ)<br />

¸<br />

≥ 0 oder dg ≥− g q E A<br />

durch McLau-<br />

Und es ist möglich <strong>und</strong> meistens sehr nützlich, Größen wie de,<br />

dē(ρ,δ)<br />

e ē(ρ,δ)<br />

rinentwicklungen erster Ordnung zu nähern<br />

¸<br />

·ded (A, ρ, δ)<br />

e d (A, ρ, δ)<br />

oder de d(a,ρ,δ)<br />

e d (a,ρ,δ)<br />

(10.2.5.12)<br />

" ed (A,ρ,δ,y)−e d<br />

# "<br />

(A,ρ,δ,0)<br />

x<br />

d<br />

y<br />

E A ≈ E e #<br />

dx d(A, ρ, δ,x) | x=0 x<br />

A ≈−C x (ρ, δ)x (10.2.5.13)<br />

`d(A, ρ, δ)<br />

e d (A, ρ, δ)<br />

310


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Für eine kleine konstante Mortalitätsreduktion um ∆, i.e.µ ∆ (a) =µ(a)+∆ findet man<br />

Z<br />

R h<br />

au<br />

au (t − a)exp −( R t<br />

µ(τ)dτ + R i<br />

t<br />

ρ(τ)dτ + δ(t − a))) dt<br />

a<br />

a a<br />

C ∆ē (ρ, δ) =− R h<br />

au<br />

0 exp −( R t<br />

µ(τ)dτ + R i h(a, n)da<br />

t<br />

ρ(τ)dτ + δ(t − a))) dt<br />

a<br />

0 a<br />

(10.2.5.14)<br />

Einsetzen von Gl. (10.2.5.14) in Gl. (10.2.5.12) führt auf:<br />

dg<br />

g + 1 dē<br />

q ē ≈ dg<br />

g − 1 q C xē(ρ, δ)dm ≥ 0 (10.2.5.15)<br />

Das ergibt die notwendigen <strong>und</strong> bezahlbaren Kosten dC Y pro Jahr für eineMaßnahme, die die<br />

(jährliche) Mortalitätumdm ändert, zu<br />

mit<br />

dC Y = −dg = 1 q g dē ē ≈−C xē(ρ, δ)g 1 q dm = −G xē(ρ, δ) dm (10.2.5.16)<br />

G xē (ρ,n)=C xē (ρ, δ) g q<br />

(10.2.5.17)<br />

Die Größe G xē (ρ,n) kann ebenfalls als ’’Wert des statistischen Lebens’’ (value of statistical life=VSL<br />

) gedeutet werden. Eine solche Deutung soll hier aber nur <strong>im</strong> Hinblick auf eine monetäre<br />

Rechengröße verstanden werden, denn der Wert des Menschen ist unendlich <strong>und</strong> jenseits jeder<br />

Meßbarkeit [82] . Die Abhängigkeiten von G xē (ρ,n) von ρ <strong>und</strong> δ sind wie für C xē (ρ,n). Die<br />

Größe G xē (ρ,n) hängt linear von g/q ab. G xē (ρ,n) ist umgekehrt proportional zur rohen Sterberate<br />

m, d.h. dem allgemeinen Hintergr<strong>und</strong>risiko. Niedriges Hintergr<strong>und</strong>risiko macht G xē (ρ,n)<br />

groß <strong>und</strong> umgekehrt. Man kann sogar altersabhängiges Hintergr<strong>und</strong>risiko berücksichtigen, indem<br />

man dm, m <strong>und</strong> G xē (ρ,n) nur auf best<strong>im</strong>mte Altersgruppen bezieht. Man beachte weiter, daß die<br />

Form von Gl. (10.2.5.16) nicht von der speziellen Form des SLQI abhängt.<br />

10.2.6. Zusammenstellung von Daten für verschiedene Länder<br />

In Tabelle 10.2.5.1 sind wichtige ökonomische <strong>und</strong> demographische Daten für einige Länder zusammengestellt.<br />

Es wurden nur solche Länder ausgewählt, die ökonomisch <strong>und</strong> demographisch<br />

ähnlich <strong>und</strong> damit vergleichbar sind <strong>und</strong> für die alle Daten vorhanden waren. Auch die sorgfältige<br />

Auswahl der Daten, z.T. aus verschiedenen Quellen konnte einige kleinere Inkonsistenzen<br />

jedoch nicht beseitigen. Alle monetären Angaben sind in PPPUS$, d.h. kaufkraftbereinigt. Die<br />

verwendeten Sterbetafeln beruhen durchwegs auf Daten in [18] . Aus den dort zur Verfügung stehenden<br />

Periodensterbetafeln wurden nach Gl. (10.2.2.10) prädiktive Kohortentafeln fürdienächsten<br />

110 Jahre erstellt. Die Wachstumsraten für dieBevölkerung n wurden [29] entnommen <strong>und</strong><br />

entsprechen ziemlich gut den für die Jahre 1985-2015 geltenden Werten [174] . Die wirtschaflichen<br />

Wachstumsraten δ sind [103] entnommen. Dabei wurden die vorhandenen Fluktuationen<br />

über die letzten 120 Jahre gemittelt. Trends in w wurden nicht berücksichtigt. Wenn nämlich der<br />

Anteil w von t abhängig gemacht würde, beispielsweise durch eine Funktion, die die Beobachtungen<br />

in [103] <strong>und</strong> [125] ausreichend gut erfaßt, würde die Nutzenfunktion zu u(c ∗ (t),t) <strong>und</strong><br />

die vorgestellte Theorie müßte ganz wesentlich erweitert werden. Dabei würden Faktoren wie die<br />

Zeitabhängigkeit des Konsums über das Lebensalter berücksichtigt werden müssen. Das birgt aber<br />

311


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

neue Unwägbarkeiten <strong>und</strong> Unsicherheiten. Zudem kann abgeschätzt werden, daß der Einfluß eines<br />

zeitabhängigen w(t) relativ klein bleibt. Die zukünftige Entwicklung von w(t) ist zudem sehr<br />

schwierig wenn überhaupt einigermaßen zutreffend abzuschätzen. Deshalb wurde von einem stationären<br />

w(t) =w mit w nach den in [125] gesammelten Daten für 2001 ausgegangen. Die Werte<br />

in Tabelle 10.2.5.1 enthalten eine St<strong>und</strong>e Fahrzeit pro Arbeitstag. Der Nichtlinearitätsparameter in<br />

der Beziehung zwischen BIP <strong>und</strong> w wurde generell zu β =0.7 gesetzt. Für alle Länder wurde von<br />

ρ =0.03 ausgegangen <strong>und</strong> eine Zinsrate nach Gl. (9.7.3.8) gewählt. Kleine Änderungen ändern<br />

die Ergebnisse nur sehr wenig. Die Resultate für die demographischen Konstanten sind erstaunlich<br />

homogen. Auch die Werte für SLSC <strong>und</strong> G ∆ē gleichen sich sehr. Unterschiede sind jeweils auf<br />

einen ganz best<strong>im</strong>mten Gr<strong>und</strong> zurückzuführen, z.B. abweichende Lebensarbeitszeiten oder den für<br />

den Privatverbrauch angegebene Anteil des BIP. Da der für den Privatverbrauch angegebene Anteil<br />

des BIP eine untere Schranke fürdenfür Risikoreduktion verfügbaren Anteil darstellt, wurde<br />

vom Mittel aus Privatverbrauch <strong>und</strong> Staatsverbrauch ausgegangen. Andere Werte für G x bei anderen<br />

Strategien für die Mortalitätsreduktion können mit den Werten C x durch Multiplikation mit<br />

g/q erhalten werden. Die angegebenen Zahlen gelten nur für Länder mit nicht merklich anderen<br />

ökonomischen <strong>und</strong> demographischen Verhältnissen.<br />

Land GDP 1) ,g 2)<br />

u ,go 3) δ 4) n 5) e 6) ,e 7) w 8) SLSC 9) C 10)<br />

δ<br />

,C 10)<br />

∆ ,C11) δē ,C11) ∆ē G 12)<br />

∆ē<br />

Kanada 27330,16040,21560 2.0 0.99 78,84 0.12 7.6·10 5 18,43,21,17 1.7<br />

USA 34260,22030,27240 1.8 0.90 77,86 0.13 1.0·10 6 16,44,18,18 2.1<br />

Dänemark 25500,12930,19380 2.1 0.3 77,82 0.09 5.6·10 5 13,42,17,16 1.9<br />

Deutschland 25010,14460,19310 1.9 0.27 78,87 0.10 6.5·10 5 12,44,16,17 1.8<br />

Frankreich 24470,14660,19380 1.9 0.37 78,84 0.09 6.6·10 5 13,43,18,16 2.0<br />

Italien 23400,14460,18280 2.0 0.07 79,82 0.09 5.9·10 5 11,42,17,15 1.8<br />

Niederlande 26170,15470,19050 2.1 0.55 78,84 0.07 7.1·10 5 16,43,19,16 2.6<br />

Spanien 19180,11890,15000 1.8 0.10 78,85 0.10 5.1·10 5 10,43,17,16 1.3<br />

Schweden 23770,12620,18750 1.9 0.02 79,82 0.10 5.1·10 5 13,42,15,16 1.4<br />

Schweiz 29000,17700,21840 1.9 0.27 79,85 0.11 7.7·10 5 13,43,19,16 1.8<br />

Tschechien 12900,6730,9225 1.4 -0.07 73,77 0.14 2.5·10 5 14,40,21,16 0.5<br />

UK 23500,15140,19920 1.3 0.23 78,79 0.11 6.0·10 5 13,40,19,17 1.6<br />

Japan 26460,15960,18520 2.7 0.17 80,92 0.13 7.2·10 5 10,46,15,16 1.3<br />

Table 10.2.5.1: Sozialindikatoren für einige Länder: 1) in PPPUS$ in 1999[?] , 2) Privatkonsum in PPPUS$[174] , 3) Privat- plus<br />

Staatskonsum in PPPUS$ [174] , 4) durchschnittliche Wachstumsrate pro Kopf in in % für 1870-1992 nach [103] , 5) Bevölkerungswachstumsrate<br />

(2000) in % [29] , 6) Lebenserwartung in 2000, 7) Lebenserwartung für in 2000 Geborene, 8) Schätzungen<br />

nach [125] einschließlich 1 St<strong>und</strong>e Fahrzeit, 9) SLSC mit BIP <strong>und</strong> altersgemittelter Lebenserwartung, 10) berechnet aus pädiktiven<br />

Kohortentafeln ohne Verzinsung <strong>und</strong> Altersmittelung, δ gilt für proportionale Mortalitätsänderung, ∆ weist auf konstante,<br />

additive Mortalitätsänderung hin, 11) mit zeitabhängier Verzinsung mit ρ =0.03 <strong>und</strong> ² =1− q <strong>und</strong> Altersmittelung, 12) in<br />

10 6 PPPUS$<br />

10.2.7. Vergleich mit empirischen Angaben in der Literatur ∗<br />

In der Literatur finden sich einige statistisch ermittelte Angaben über die ’’Rettungskosten’’,den<br />

’’Wert eines statistischen Lebens’’ oder die ’’Zahlungsbereitschaft’’, auch wenn solche Angaben<br />

meist nur indirekt <strong>und</strong> relativ grob ermittelt werden können. So gibt Schneider [158] ein breites<br />

Spektrum von Kosten für die Rettung eines Lebens an, z.B. 100 PPPUS$ bei Vorsorge<strong>im</strong>pfun-<br />

312


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

geninderdrittenWeltüber 5000 PPPUS$ bei Vorschriften zum Tragen von Motorradhelmen <strong>und</strong><br />

100000 PPPUS$ zum Tragen von Sicherheitsgurten in Fahrzeugen bis mehr als 10 8 PPPUS$ für<br />

die Asbestsanierung in Schweizer Schulen. 3500000 PPPUS$ pro gerettetes Leben sollen fürdie<br />

Sicherheitseinrichtungen in den großen Alpentunneln vorgesehen sein. Viscusi [180] [181] <strong>und</strong><br />

andere (siehe z.B. [168] [101] [89] [165] [6] ) kommen für den’’Wert eines statistischen Lebens’’<br />

auf Zahlen zwischen 1000000 bis 20000000 PPPUS$ mit einer Häufung bei etwas unter<br />

5000000 PPPUS$ in den verschiedensten Anwendungsgebieten <strong>und</strong> mit unterschiedlichen Methoden,<br />

z.B. in der Ges<strong>und</strong>heitsfürsorge, dem Straßenverkehr, bei der monetären Kompensation<br />

in risikoreichen Berufen, etc.. Viscusi/Aldy [183] haben viele dieser Studien in einer Metastudie<br />

zusammengefaßt. Ihre Ergebnisse sind in Abb. 10.9 dargestellt. Diese Schätzungen sind mit den<br />

theoretisch ermittelten Werten gut vereinbar, wenngleich man noch nicht von einer empirischen<br />

Verifizierung sprechen kann. Die große Streuung ist ein Hinweis darauf, daß eine einheitliche,<br />

rationale Gr<strong>und</strong>lage für alle risikomindernden Investitionen dringend vonnöten ist.<br />

25<br />

20<br />

Viscusi/Aldy: All Data without India<br />

Mean(VSL) = 7.2 1E6<br />

ρ(VSL,GDP) = 0.22<br />

VSL<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

0 1.10 4 2.10 4 3.10 4 4 .10 4 5.10 4<br />

GDP<br />

25<br />

20<br />

15<br />

Viscusi/Aldy: Only US-Data<br />

Mean(VSL) = 8.0 1E6<br />

ρ(VSL,GDP) = -0.19<br />

VSL<br />

10<br />

5<br />

0<br />

0 1.10 4 2.10 4 3.10 4 4 .10 4 5.10 4<br />

GDP<br />

25<br />

20<br />

Viscus/Aldy: Only International Data<br />

Mean(VSL) = 6.0 1E6<br />

ρ(VSL,GDP) = 0.38<br />

VSL<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

0 1 . 10 4 2 . 10 4 3 . 10 4 4 . 10 4 5 . 10 4<br />

GDP<br />

Abb. 10.9.Wert des statistischen Lebens (VSL) (in 2000 US$) nach [183]<br />

313


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

10.3. Anwendungen<br />

10.3.1. Kompensationskosten in Kosten-Nutzenüberlegungen<br />

Das Differential Gl. (10.2.1.21) kann nach Separierung von g nach g + ∆g <strong>und</strong> von e nach e + ∆e<br />

integriert werden. Danach sind die Kosten ∆C = −∆g pro Jahr, die zur Verlängerung des Lebens<br />

einer Person um ∆e aufzuwenden sind, gleich<br />

" µ<br />

∆C = −∆g = g 1 −<br />

1+ ∆e<br />

e<br />

−<br />

1<br />

#<br />

q<br />

<strong>und</strong> die Gesamtkosten füreineVerlängerung um ∆e Jahre<br />

" µ<br />

LSC = g∆e 1 − 1+ ∆e # − 1<br />

q<br />

e<br />

(10.3.1.1)<br />

Welche Werte für ∆e <strong>und</strong> g zu nehmen sind, wird noch ausführlich diskutiert. Man sieht, daß die<br />

Werte der LSC wesentlich vom sozio-ökonomischen Niveau einer Gesellschaft abhängen. LSC<br />

geht in die Nutzen-Kosten-Analyse als fiktiver Wert zu Zeitpunkt t =0ein. LSC ist, multipliziert<br />

mit der Eintrittswahrscheinlichkeit des lebensbedrohenden Ereignisses, der Betrag den eine Gesellschaft<br />

willens sein sollte um ein (anonymes) Leben zu retten. LSC ist unabhängig von Nutzen<strong>und</strong><br />

Zinsraten.<br />

Hervorgehoben sei noch einmal, daß es sich dabei nicht um die Kosten handelt, die bei einem<br />

Schadensfall anfallen, sondern um jene Kosten, die zur Risikoverhinderung über eine Kosten-<br />

Nutzen-Analyse zum Entscheidungszeitpunkt aufgebracht werden müssen. Im folgenden wird die<br />

Größe LSC auch mit Lebensrettungskosten bezeichnet, obwohl es sich strenggenommen um die<br />

Kompensationskosten handelt. Der Wert von LSC darf nicht als der monetäre Wert des Menschen<br />

interpretiert werden.<br />

In Übereinst<strong>im</strong>mung mit [126] müssen etwaige Kompensationen der (erwerbstätigen oder nichterwerbstätigen)<br />

Verwandten von Opfern durch Versicherungen gedeckt sein. Die Versicherungsprämie<br />

ist aus dem Nutzen des Projektes zu begleichen. Die Größe LSC mag in Übereinst<strong>im</strong>mung<br />

mit dem entscheidungstheoretischen Konzept auch einen Anhalt über die Größe einermöglichen<br />

Kompensation hergeben. Man sollte die monetäre Kompensation noch abhängig machen von der<br />

Anzahl der <strong>im</strong> Versagensfall ’’verlorenen’’ Lebensjahre e r , d.h.<br />

LSC(e r )=g<br />

· ³<br />

1 −<br />

1+ e r<br />

e<br />

´−<br />

1<br />

w<br />

¸<br />

e r ≈ ge r<br />

Der Wert LSC(e r ) wächst ungefähr linear mit e r . Bei einem Versagen ist e r zwischen 0.67e (für<br />

junge Gruppen mit einer dreieckförmigen Altersstruktur) <strong>und</strong> näherungsweise 0.5e (für alternde<br />

Gruppen). Die bedingte (verbleibende) Lebenserwartung unter der Bedingung bis zum Alter a<br />

überlebt zu haben ist:<br />

e(a) =<br />

Z au<br />

a<br />

`(t)<br />

dt (10.3.1.2)<br />

`(a)<br />

314


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Bei einem Versagensereignis kann man unterstellen, daß die Betroffenen die Bevölkerungsstruktur<br />

repräsentieren. Die Mittelung über die Altersverteilung ergibt dann die sogenannten gesellschaftlichen<br />

Lebensrettungskosten (SLSC)<br />

SLSC =<br />

Z au<br />

0<br />

LSC(e(a))h(a, n)da ≈ LSC( e 2 ) (10.3.1.3)<br />

mit h(a, n) der Dichte der Altersverteilung <strong>und</strong> n der Rate des Bevölkerungswachstums. In einem<br />

Sozialstaat ist die so berechnete Größe SLSC bei öffentlichen Einrichtungen ungefähr der<br />

Betrag, der vom Staat für die (nichterwerbstätigen) Hinterbliebenen durch Umverteilung aufzubringen<br />

ist. Bei privatwirtschaftlichen Einrichtungen sind die entsprechenden Kompensationskosten<br />

in der Regel durch Versicherungen abzudecken. Der Gleichheitsgr<strong>und</strong>satz verbietet es auch<br />

hier nach dem Alter, dem Geschlecht oder dem Einkommen einer best<strong>im</strong>mten, betroffenen Gruppe<br />

zu differenzieren. Die Gesetzeslage <strong>und</strong> die Praxis der Rechtsprechung weisen jedoch darauf hin,<br />

daß in gewisser Weise darauf Rücksicht genommen wird 31 . Schließlich sei noch angemerkt, daß<br />

die beiden Möglichkeiten, d.h. Kompensation durch Versicherungen oder durch den Sozialstaat<br />

nicht ganz identisch sind, da <strong>im</strong> ersten Fall der Erbauer oder Betreiber der technischen Anlage die<br />

Kosten trägt, <strong>im</strong> zweiten Fall die gesamte Gesellschaft. Hier spielen auch Fragen der juristischen<br />

Haftung eine Rolle. Details einer fairen Regelung können hier jedoch nicht diskutiert werden.<br />

Damit wird die Zielfunktion für die Kosten-Nutzungsopt<strong>im</strong>ierung also z. B. zu<br />

Max<strong>im</strong>iere:<br />

Z(p) = b − C(p) − (C(p)+L γ M + L F ) · ν+ (p)<br />

γ<br />

Unter den Bedingungen:<br />

g(u, p) =0<br />

u i k∇ u g(u, p)k + ∇ u g(u, p) i kuk =0; i =1, ..., n − 1<br />

h k (p) ≤ 0,k =1,...,q<br />

(10.3.1.4)<br />

wobei nunmehr explizit zwischen materiellen Schadensfolgen L M <strong>und</strong> den Kompensationskosten<br />

L F unterschieden wird.<br />

10.3.2. Anwendung auf Anlagen bei durch die technische oder die natürliche<br />

Umwelt ausgelöstemVersagen<br />

Die zusätzlichen Gesamtkosten einer Maßnahme (bauaufsichtliche Regelung, Norm, u.s.w.) pro<br />

Mitglied einer Gruppe <strong>und</strong> Jahr sind<br />

dg = −dC Y (p) =− 1 N<br />

nX<br />

dC Y,i (p) (10.3.2.1)<br />

worin n die Anzahl der betroffenen Objekte, jedes mit Zusatzkosten dC Y,i (p) <strong>und</strong> N die Gruppengröße.<br />

Es sei weiter N F die Gesamtzahl der durch die Maßnahme verhinderten Opfer <strong>und</strong><br />

i=1<br />

31<br />

Man kann fragen, ob Aspekte der Einkommensverteilung eine Rolle spielen können <strong>und</strong> dürfen. In den OECD-<br />

Ländern ist die Einkommensverteilung rechtsschief, das Mittel liegt 10 - 15% über dem Median <strong>und</strong> der Variationskoeffizient<br />

ist r<strong>und</strong> 2/3. Häufig erfaßt eine um das Mindesteinkommen verschobene Gammaverteilung die Verhältnisse<br />

recht gut. Ähnlich hoch <strong>und</strong> ähnlich verteilt werden auch die Ansprüche der (nichterwerbstätigen) Hinterbliebenen<br />

einzuschätzen sein.<br />

315


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

dm = N F<br />

N<br />

. Einsetzen in Gl. (10.2.5.16) ergibt:<br />

−dC Y (p)<br />

g<br />

+ 1 q (−C ∆dm) ≥ 0<br />

Ersatz von dm durch die Änderung in der Versagensrate dh(p) (t →∞) liefert:<br />

dC Y (p)<br />

dh(p) ≥−kC g<br />

∆<br />

q = −kG x (10.3.2.2)<br />

wobei dm = kdh(p) mit k ≤ 1 einer weiteren Konstanten, die die Änderungen in der Mortalität<br />

mit der Änderung dh(p) in der Versagensrate in Beziehung setzt. k ist identisch mit der Wahrscheinlichkeit<br />

bei einem Versagen des technischen Objektes auch das Leben zu verlieren.<br />

Es bleibt die Frage zu beantworten, ob ein solches Kriterium, welches für eine Gruppe der Gesellschaft<br />

oder die ganze Gesellschaft abgeleitet wurde, auch für einzelne technische Projekte angewendet<br />

werden kann. Die Konstante G x wurde aus allgemeinen Überlegungen zur Veränderung der<br />

Sterblichkeit entwickelt. Das Errichten von sicheren baulichen Anlagen ist aber traditionsgemäß in<br />

öffentlichem Interesse. Deshalb kann eine solche Konstante auch in Kosten-Nutzen-Überlegungen<br />

für einzelne bauliche Anlagen verwendet werden. Die Konstante G x wie der SLSC waren auf eine<br />

anonyme Person bezogen. Für eine best<strong>im</strong>mte Anlage macht es Sinn das Kriterium auf die<br />

gesamte der Gefahr ausgesetzte Gruppe anzuwenden. Man denke sich eine Anzahl gleichartiger<br />

Anlagen, jede mit N PE potentiellen Opfern. Also ändert sich Gl. (10.2.9.2) noch in 32 :<br />

dC Y (p)<br />

dh(p) ≥−kN PEC ∆ g 1 q = −k N PEG x (10.3.2.3)<br />

Entsprechend ändern sich die unverzinsten Kompensationskosten in Opt<strong>im</strong>ierungsansätzen zu:<br />

Rein technisch wird man Gl. (10.2.9.3) als Opt<strong>im</strong>ierungsaufgabe<br />

L F = kN PE SLSC (10.3.2.4)<br />

Min<strong>im</strong>iere: S(p) =C(p)+G x kN PE h(p) (10.3.2.5)<br />

lösen, da (10.2.9.3) die Opt<strong>im</strong>alitätsbedingung erster Ordnung von (10.2.9.5) ist. Es kommt vor,<br />

daß eine der Risikoverminderung dienende Maßnahme zu diskreten Kostensteigerungen <strong>und</strong> entsprechend<br />

zu diskreten Änderungen der Versagensrate führt. Daneben gibt es gegebenenfalls auch<br />

die Änderungen durch Variation kontinuierlicher Parameter. Dann gilt:<br />

5 p (∆C(p)) ≥−G x kN PE 5 p (∆h(p)) (10.3.2.6)<br />

Die formale technische Lösung von (10.2.9.3) durch das dazugehörige Opt<strong>im</strong>ierungsproblem kann<br />

numerische Schwierigkeiten bereiten.<br />

Hervorhebenswert ist, daß in den Kriterien kein Nutzenterm wie in Kosten-Nutzen-Opt<strong>im</strong>ierungsansätzen<br />

vorkommt. Daraus abgeleitete Sicherheitsanforderungen sind also unabhängig vom gegebenen-<br />

32<br />

dC Y (p) sind jährliche Kosten. Ein Investor mag auch die Finanzierungskosten nach den in Fußnote 17 dargelegten<br />

Konzepten auf die Finanzierungsperiode hochrechnen. Dann sollte auch berücksichtigt werden, daß innerhalb dieser<br />

Periode die Größe g in G x wächst.<br />

316


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

falls erzielbaren Nutzen einer technischen Anlage. Desweiteren ist hervorzuheben, daß es sich in<br />

Gl. (10.2.9.3) um ein differentielles Kriterium handelt, d.h. es geht um die Änderungen in h(p)<br />

wenn sich C(p) risikovermindernd vergrößert.<br />

Es verbleibt noch die Frage nach der Konstanten k in Gl. (10.2.9.6). Im konkreten Fall ist ihre<br />

Abschätzung Aufgabe einer sorgfältigen Risikoanalyse. Diese Konstante muß von der Art des<br />

Versagens <strong>und</strong> seiner Ursachen abhängen. Es kommt weiter entscheidend darauf an wie plötzlich<br />

Versagen auftritt <strong>und</strong> in welcher Schwere <strong>und</strong> ob gegebenenfalls Rettungssysteme (Fluchtwege in<br />

Tunneln, Leitern in Bauwerken bei Feuer, etc.) vorhanden sind. Die nachfolgende Tabelle 10.2.3<br />

mag Anhaltswerte aufgr<strong>und</strong> von Auswertungen statistischer Daten für einige Versagensarten <strong>und</strong><br />

-ursachen geben (vergl. auch Abschnitt 5).<br />

Art <strong>und</strong> Ursache des Versagens<br />

k<br />

Erdbeben [31] 0.01-1.0<br />

Lawinen, Felsstürze, Explosionen, Anprallstoß, etc 0.01-1.0<br />

Überschwemmungen, Stürme 0.0001-0.01<br />

Plötzliches strukturelles Versagen in Vergnügungstätten 0.1-0.5<br />

Feuer in Bauwerken [51] 0.0005-0.002<br />

Feuer in Straßentunneln [124] 0.01-1.0<br />

Tabelle 10.2.3: Anhaltswerte für k<br />

Die Formulierungen Gl. (9.6.2.4) <strong>und</strong> (9.6.3.2) enthalten nicht das Kriterium Gl. (10.2.5.12) <strong>und</strong><br />

das mit gutem Gr<strong>und</strong>. Am Opt<strong>im</strong>um muß ∇ p Z(p) =0 gelten. Das wird für Gl. (9.6.3.2) ausgeschrieben<br />

µ<br />

∇ p1 Z(p 1 )=∇ p1 C(p 1 )<br />

1+ ν+ (p 1 )<br />

γ<br />

·(C(p1 )+L M + L F )<br />

+<br />

γ<br />

¸<br />

∇ p1 ν + (p 1 ) =0 (10.3.2.7)<br />

<strong>und</strong> mit dem Kriterium Gl. (10.2.5.12), verallgmeinert auf einzelne Projekte, mit vektoriellem<br />

Parameter verglichen.<br />

∇ p C(p 2 )+kN F G F Ē ∇ p2 ν + (p 2 ) ≥ 0 (10.3.2.8)<br />

Wenn man den Term ν+ (p)<br />

γ<br />

in Gl. (10.2.9.7) vernachlässigt, sieht man, daß sehr oft (C(p 1 )+L M +<br />

L F )/γ ≥ kN F G F Ē <strong>und</strong> somit kp 1 k ≥ kp 2 k sowie ν + (p 1 ) ≤ν + (p 2 ). Am Opt<strong>im</strong>um ist das Kriterium<br />

also fast <strong>im</strong>mer erfüllt, wenn in Gl. (9.6.3.2) die Kompensationskosten berücksichtigt werden.<br />

Wenn man Kompensationskosten, also L F = SlSCkN PE nicht berücksichtigt, ist das vile weniger<br />

der Fall. Man hat sogar eine neue Interpretation des LQI-Kriteriums, da es bei Gleichheit die<br />

Kuhn-Tucker-Bedingung des Problems min{S(p)} =min{C(p)+kN F G F Ē ν + (p)} darstellt.<br />

Das vollständige Opt<strong>im</strong>ierungsproblem lautet damit<br />

Max<strong>im</strong>iere:<br />

Unter den Bedingungen:<br />

Z(p) = b γ − C(p) − (C(p)+L M + L F ) · ν+ (p)<br />

γ<br />

g(u, p) =0<br />

u i k∇ u g(u, p)k + ∇ u g(u, p) i kuk =0; i =1, ..., n − 1<br />

h k (p) ≤ 0,k =1,...,q<br />

∇ p C(p) ≥−kN F G F Ē ∇ p ν + (p)<br />

(10.3.2.9)<br />

317


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Beispiel 10.2.9.1: Stationäre, extreme Beaufschlagung eines Systems durch einen markierten Poissonprozeß<br />

Die Zielfunktion sei<br />

Z(p)<br />

C 0<br />

= b γ − µ<br />

1+ C 1<br />

C 0<br />

p a <br />

−<br />

µ<br />

1+ C 1<br />

C 0<br />

p a + L M<br />

C 0<br />

+ L <br />

F λ(p)<br />

C 0 γ<br />

mit λ(p) in Gl. (2) von Beispiel 9.4.1.1. Im einzelnen gelten die folgenden Parameter: C 0 =10 6 ,<br />

C 1 =10 4 ,a=1.25,L M =3· C 0 ,V R =0.2,V S =0.3 <strong>und</strong> λ =1[1/Jahr] . Die LQI-Daten sind:<br />

e =77,BIP = 25000, g = 15000, m=0.01, C δ =0.15, w=0.16,N F =1,k =0.1 so daß<br />

L F =5.1 · 10 5 <strong>und</strong> kN P G F Ē =1.97 · 10 6 . Damit ist das Kriterium z.B. in Gl. (10.2.9.3)<br />

d<br />

dp (C 0 + C 1 p a d<br />

)+kN P G ∆ē<br />

dp (λP f(p)) = 0 (2)<br />

(Man beachte, daß dF(x) =f(x)dx wenn F (x) differenzierbar).<br />

Die Opt<strong>im</strong>ierung erfolgt getrennt für dieÖffentlichkeit <strong>und</strong> den Bauherrn. Für dieÖffentlichkeit<br />

wird b =0.02 · C 0 <strong>und</strong> γ S =0.018 gewählt. Die Opt<strong>im</strong>ierung unter Einschluß der Kosten L F ergibt<br />

p ∗ =4.11 dem eine Versagensrate von 2.5 · 10 −5 entspricht. Es ist Z S (p ∗ )/C 0 ≈ 0 <strong>und</strong> Z S (p)<br />

ist positiv <strong>im</strong> Intervall p ∗ =[4.01, 4.28]. Kriterium (10.2.9.3) ist bereits für p l<strong>im</strong> =2.65 bei einer<br />

Versagensrate von 2.4 ·10 −3 erfüllt. Z S (p l<strong>im</strong> ) ist negativ. Die Lösung von Gl. (9.7.2.2) weist einen<br />

max<strong>im</strong>alen Zinssatz von γ max =0.019 bei p ∗ =4.08 aus. Der private Bauherr verwende fürseine<br />

Nutzen-Kosten-Rechnung b =0.07 · C 0 <strong>und</strong> γ 0 =0.05 <strong>und</strong> setzt keine Lebensrettungskosten ein.<br />

Die Berechnungen ergeben p ∗ =3.76 <strong>und</strong> eine Versagensrate von 7.1 · 10 −5 .Z O (p ∗ )/C 0 =0.339<br />

<strong>und</strong> Z O (p)/C 0 ist positiv <strong>im</strong> Intervall p ∗ =[2.43, 19.13]. Der Vergleich der Errichtungskosten aus<br />

gesellschaftlicher <strong>und</strong> privater Sicht bezeugt, daß die Gesellschaft nur 0.5% mehr Investitionskosten<br />

fordert (vergl. <strong>im</strong> Einzelnen Abb. 10.10). Es ist aber zu berücksichtigen, daß eine Opt<strong>im</strong>ierung<br />

fürdieÖffentlichkeit aus organisatorischen Gründen wohl kaum je durchgeführt wird.<br />

(1)<br />

Z(p)<br />

2<br />

1.5<br />

1<br />

0.5<br />

0<br />

0.5<br />

1<br />

1.5<br />

pl<strong>im</strong><br />

Zielfunktion<br />

des Bauherrn<br />

Zielfunktion der<br />

Öffentlichkeit<br />

2<br />

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10<br />

p<br />

Abb. 10.10.Zielfunktion für Bauherrn <strong>und</strong> Öffentlichkeit<br />

#<br />

318


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Beispiel 10.2.9.2: Definition einer ALARP-REGION<br />

Das vorige Beispiel erlaubt auch sogenannte Risiko-Folgenkurven durch Variation der Anzahl der<br />

Opfer bei einem Ereignis zu berechnen. Mit den gleichen Daten aber SLSC = 7 · 10 5 <strong>und</strong><br />

G x Ē(ρ,n)=4· 10 6 für N F =1wird zuerst zusätzlich die Kosteneffizienz, d.h. C 1 /C 0 , variiert.<br />

Die oberen Kurven in Abb. 10.11 entsprechen dem Akzeptanzkriterium Gl. (2) in Beispiel<br />

10.2.9.1. Die unteren Kurven entsprechen dem Opt<strong>im</strong>um von Gl. (1) in Beispiel 10.2.9.1 mit<br />

b S =0.02C 0 <strong>und</strong> γ S =0.0185.<br />

0.1<br />

0.01<br />

1.10 3<br />

h<br />

1.10 4<br />

1.10 5<br />

C1/C0 = 0.1<br />

C1/C0 = 0.01<br />

1.10 6<br />

1.10 7<br />

C1/C0 = 0.001<br />

1 .10 8<br />

1 10 100 1.10 3<br />

NF<br />

Abb. 10.11.Akzeptable Versagensrate über der Anzahl der Opfer für verschiedene Effizienzparameter<br />

C 1 /C 0 . Gestrichelte Linien entsprechen der opt<strong>im</strong>alen Lösung.<br />

Am realistischsten ist wahrscheinlich das Verhältnis C 1 /C 0 =0.001. In Abb. 10.12 sind die demographischen<br />

Konstanten variiert. Ihr Einfluß ist offensichtlich gering. In beiden Abbildungen kann<br />

man den Bereich zwischen oberer <strong>und</strong> unterer Kurve als ALARP-Bereich interpretieren (ALARP<br />

= As Low As Reasonably Practicable).<br />

Man beachte, daß die Versagensrate als λP f <strong>und</strong> die Anzahl der Opfer durch N F = kN PE gegeben<br />

sind. Deshalb decken die Abbildungen den ganzen Bereich von λ <strong>und</strong> P f sowie von k <strong>und</strong><br />

N PE ab. Beide Kurven hängen jeweils explizit von der Nutzen- <strong>und</strong> der Zinsrate sowie von dem<br />

speziellen physikalischen <strong>und</strong> stochastischen Sachverhalt ab. Die obere Kurve hat durchwegs<br />

negative Gesamtkosten. Obwohl die Abbildung die Sachverhalte gut veranschaulicht, ist man geneigt<br />

festzustellen, daß sie infolge der genannten Abhängigkeiten eher der Deutung in best<strong>im</strong>mten<br />

Anwendungen dienen kann als daß sie als Gr<strong>und</strong>lage für Risikoakzeptanz durch die Öffentlichkeit<br />

verwendet werden könnte.<br />

#<br />

319


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

1 . 10 3 NF<br />

1.10 4<br />

Not acceptable<br />

1 . 10 5<br />

h<br />

ALARP<br />

1.10 6<br />

1.10 7<br />

Acceptable<br />

but subopt<strong>im</strong>al<br />

c ∆E = 0.25<br />

c ∆E = 0.50<br />

c ∆E = 0.75<br />

1.10 8<br />

1 10 100 1.10 3<br />

Abb. 10.12.Acceptable risk for different mortality reg<strong>im</strong>es.<br />

Beispiel 10.2.9.3: Opt<strong>im</strong>ierung der Bemessungnormen in einem erdbebengefährdeten Gebiet<br />

In einem erdbebengefährdeten Gebiet treten Poissonsche Schadenerdbeben mit einer Rate von<br />

λ =2.9 [1/Jahr] auf. Es seien nur Magnituden von m u =4.0 bis m o =7.5 mit einer bei m u<br />

gestutzten Verteilung (Weibullverteilung für Max<strong>im</strong>a) von<br />

F M (m) =<br />

·<br />

exp −<br />

³<br />

m o−m<br />

m o−w<br />

1 − exp<br />

´k¸<br />

· ³<br />

− exp −<br />

· ³<br />

−<br />

m o−m u<br />

m o−w<br />

´k¸<br />

m o−m u<br />

m o−w<br />

´k¸ (1)<br />

mit w =4.35 <strong>und</strong> k =8.11 betrachtet. Das entspricht einem Gebiet mittlerer bis hoher Seismizität.<br />

Mit<br />

a = h(m, r) =b 1 exp(b 2 m)(r 2 +7.3 2 ) −1/2 exp(−b 3 r)ε =exp(b 2 m)b(r)ε (2)<br />

320


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

wobei b 1 =0.0955g, b 2 =0.573,b 3 =0.00587, fürdieEinhängebeschleunigung A des elastischen<br />

Antwortspektrums ist<br />

· ³ ´k¸<br />

k (mo−h−1 (a,r)) k−1<br />

(m o−w)<br />

exp − (mo−h −1 (a,r)) dh −1 (a,r)<br />

k m o−w<br />

da<br />

f A (a, r) =<br />

1 − exp<br />

· ³<br />

−<br />

m o −m u<br />

m o−w<br />

´k¸ (3)<br />

mit m u ≤ h −1 (a, r) = 1 b 2<br />

ln( a ) ≤ m b(r) o. ε ist der log-normalverteilte Fehler der Beziehung<br />

in Gl.(2) mit Mittelwert 1 <strong>und</strong> Variationskoeffizient V ε ≈ 0.6. Die möglichen Epizentren der<br />

Erdbeben seien in einem Gebiet mit Radius r max =200km um den Standort herum gleichverteilt.<br />

Also ist die Dichte der Einhängebeschleunigung:<br />

f A (a) =<br />

Z rmax<br />

0<br />

f A (a, r) 2r dr (4)<br />

rmax<br />

2<br />

Hierbei entspricht m o =7.5 bei r =0einer Beschleunigung von 9.44 [m/s 2 ]. Beschleunigungen<br />

höher als 10 [m/s 2 ]muß man akzeptieren, da man sich gegen sie kaum durch bauliche Maßnahmen<br />

schützen kann (Gebäude wie Anlagen der Infrastruktur). Bekanntlich streuen die max<strong>im</strong>alen Tragwerksantworten<br />

bei gegebener Einhängebeschleunigung mit einem Variationskoeffizienten von<br />

r<strong>und</strong> V S =60%<strong>und</strong> sind lognormal verteilt. Damit kann eine vereinfachte Grenzzustandsfunktion<br />

in der Form<br />

g(X) =R − KSAε ≤ 0 (5)<br />

für die Schubbeanspruchung aufgestellt werden. Darin sei R der lognormalverteilt angenommene<br />

Tragwerkswiderstand, K =1.0 eine Konstante, die alle systemspezifischen Eigenschaften enthält,<br />

S eine Größe mit Mittelwert 1, die die Streungen der Tragwerksantworten erfaßt, <strong>und</strong> A die<br />

Einhängebeschleunigung. Also ist die bedingte Versagenswahrscheinlichkeit gleich<br />

⎛ n q o ⎞<br />

p (1+V 2<br />

⎜<br />

ln<br />

S )(1+VE 2)<br />

K·m S·a·m E 1+VR<br />

P f (p | a) =Φ ⎝−p 2 ⎟<br />

ln ((1 + V<br />

2<br />

R<br />

)(1 + VS 2)(1<br />

+ V E 2)) ⎠ (6)<br />

wenn p = m R der Bemessungsparameter wegen m S m E =1.0. with p = m R the design parameter<br />

because m S m E =1.0. Die Zielfunktion (ohne Nutzenterm) ist<br />

Z(p) = C(p)f(N PE )+ (7)<br />

"<br />

(C R (p, a)(1 − P f (p | a))f(N PE )) λ<br />

+E +<br />

#<br />

γ<br />

A<br />

+((C(p)+L 0 + L M (a))f(N PE )+L F (a)) λP f (p|a)<br />

γ<br />

Das Aktzeptanzkriterium ist entsprechend:<br />

·<br />

d ¡<br />

C0 + C 1 p δ¢ ≥−E A G<br />

dp<br />

∆ Ē(ρ,n) 1 ¸<br />

2 (1 − exp(−0.25a))N d<br />

PE<br />

dp (λP f(p, a))<br />

(8)<br />

321


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Es wird die folgende, mehrfach verifizierte Beziehung zwischen max<strong>im</strong>aler Bodenbeschleunigung<br />

<strong>und</strong> MSK-Intensität verwendet: log(a) =0.31MSK − 2.5. Wir unterscheiden zwischen Schäden<br />

an Bauwerken nach einem Erdbeben <strong>und</strong> Bauwerkskollaps. Errichtung, Reparatur, Geschäftsverlust<br />

<strong>und</strong> physischer Schaden sind leicht unterproportional zur Belegungsrate von Wohnhauseinheit<br />

so daß f(N PE )=(N PE /3) 0.8 .C(p) = ¡ C 0 + C 1 p δ¢ sind die Erst- oder Wiedererrichtungskosten,<br />

C R (p, a) =C(p)(1 − exp(−0.25a)) sind die Reparaturkosten unter Berücksichtigung,<br />

daß die Reparaturkosten sich bei größerem a den Kosten der Wiedererrichtung annähern<br />

<strong>und</strong> H M (a) =H M a 0.4 sind die physischen Schadenskosten. Letztere enthalten auch Infrastrukturkosten<br />

fürgrößere a. Indirekte Kosten wie Geschäftsverluste werden durch H 0 = `C 0 genähert.<br />

Die Best<strong>im</strong>mung der Verluste an Menschenleben ist schwierig. Sie hängen ebenfalls von a ab, da<br />

die Menschen einem Kollaps zunehmend nicht entgehen können, z.B. durch Flucht. Sofortiger Tod<br />

hat dann eine Wahrscheinlichkeit von 0.3 bis 0.5 oder mehr aber manche sterben später nach Rettung<br />

noch in den Krankenhäusern. Das führt auf L F (a) =SLSC 1(1−exp(−0.25a))N 2 PE fürdie<br />

Kompensation des Verlusts an Menschenleben. Man beachte, daß der Faktor 1 (1 − exp(−0.25a))<br />

2<br />

hier die Konstante k in Gl. (10.2.9.3) ersetzt. Die Größe 0.25indiesenBeziehungenvariiertmit<br />

dem Gebäudetyp <strong>und</strong> dem Baumaterial. Die Konkavität der Funktion in Bezug auf a bedeutet<br />

Konvexität in Bezug auf MSK in Übereinst<strong>im</strong>mung mit der einschlägigen Literatur. Weiterhin<br />

setzen wir an: C 0 =10 6 ,C 1 =3· 10 4 , δ =1.1,L M =5· 10 5 , γ =0.02,N PE =3. Die vorstehenden<br />

Annahmen st<strong>im</strong>men mit den Angaben in [31] <strong>und</strong> anderen Quellen <strong>im</strong> wesentlichen überein.<br />

Der Schadensterm ist bedingt auf a. Die Erwartungswertoperation beseitigt die Bedingung. Die<br />

nachstehende Tabelle enthält drei verschieden sozio-ökonomische Stufen.<br />

Sozio-ökonomisches Kl<strong>im</strong>a Hoch Mittel Niedrig<br />

g 23500 6500 1500<br />

w 0.15 0.17 0.20<br />

e 75 65 50<br />

C δ 35 50 65<br />

M 0.010 0.0075 0.02<br />

L 0 3.62 C 0 1.0 C 0 0.23 C 0<br />

(nach: Human Development Report 2001 [174] in US$ (1999))<br />

Eine zusätzlich FORM/SORM-Analyse kann auch die Bemessungswerte a ∗ , die p ∗ entsprechen<br />

sowie einige andere Resultate erbringen.<br />

Sozio-ökonomisches Kl<strong>im</strong>a Hoch Mittel Niedrig<br />

p ∗ 4.80 4.00 3.54<br />

h(p ∗ )=λP f (p ∗ ) (FORM) 3.7·10 −4 6.3·10 −4 8.8·10 −4<br />

1<br />

Wiederkehrperiode<br />

h(p ∗ )<br />

2700 1600 1100<br />

a ∗ 1.03 0.97 0.84<br />

a ∗ s ∗ ε ∗ 3.11 2.76 2.43<br />

C(p ∗ )/C 0 1.17 1.14 1.12<br />

Die Bemessungswerte der Beschleunigungen a ∗ haben eine Wiederkehrperiode von ungefähr 120<br />

Jahren. Daß sich diese Werte nicht stark mit dem sozio-ökonomischen Kl<strong>im</strong>a ändern zeigt, daß<br />

E A [λP f (p | a)] sehr langsam mit a abn<strong>im</strong>mt. Die Werte a ∗ s ∗ ε ∗ < p ∗ sind ebenfalls angegeben.<br />

Überraschenderweise ist das Akzeptanzkriterium Gl. (10.2.9.3) nicht aktiv <strong>und</strong> würde nur<br />

Werte p l<strong>im</strong> von 1.5, 1.0 <strong>und</strong> 0.5 ergeben. Das Beispiel ist in gewisser Weise extrem, weil die Last-<br />

322


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

seite ausgesprochen stark streut. Deswegen sind die Unterschiede für die verschiedenen sozioökonomischen<br />

Kl<strong>im</strong>ata gering.<br />

#<br />

Beispiel 10.2.9.4: Variabler Zinssatz <strong>und</strong> endliche Anzahl von Wiedererrichtungen<br />

Es gelte wie in Beispiel 9.4.1.1 ein Poissonprozess mit Intensität λ für das Auftreten von extremen<br />

Belastungen <strong>und</strong><br />

⎛ n o ⎞<br />

1+V 2<br />

⎜<br />

ln pq<br />

S<br />

1+VR<br />

P f (p) =Φ ⎝−p 2 ⎟<br />

ln ((1 + V<br />

2<br />

R )(1 + VS 2))<br />

⎠ (10.3.2.10)<br />

für die Versagenswahrscheinlichkeit bei einem Ereignis. Bei variablem Zinssatz <strong>und</strong> konstanter<br />

Nutzenrate ist<br />

Z(p) = b Z ∞<br />

µ<br />

e − R t<br />

0 γ(τ)dτ dt − 1+ C <br />

1<br />

p a<br />

C 0 C 0<br />

eine geeignete Zielfunktion mit<br />

µ<br />

− 1+ C 1<br />

p a + L M<br />

C 0 C 0<br />

0<br />

g(t, p) =<br />

+ L F<br />

C 0<br />

Z ∞<br />

0<br />

e − R t<br />

0 γ(τ )dτ g(t, p)dt (10.3.2.11)<br />

∞X<br />

P f (p)f m (t)(1 − P f (p)) m−1 (10.3.2.12)<br />

m=1<br />

<strong>und</strong> da die Verteilung der Summe von exponentialverteilten Zeiten die Gammaverteilung ist<br />

sowie<br />

f m (t) = λ(λt)m−1<br />

Γ(m)<br />

exp [−λt] (10.3.2.13)<br />

γ(t) =²δ + ρ max exp(−at); ²δ =0.02,a=0.013 (10.3.2.14)<br />

In Gl. (1) stellt der erste Term den Nutzen bei Existenz der technischen Anlage dar, der zweite<br />

Term sind die vom Parameter p abhängigen Ersterrichtungskosten <strong>und</strong> der dritte Term umfaßtdie<br />

Wiedererrichtungskosten <strong>und</strong> die Schadenskosten.<br />

Das Akzeptanzkriterium hat die Form:<br />

d<br />

dp (C 0 + C 1 p a d<br />

) ≥−G ∆¯`kN PE<br />

dp (λP f(p)) (10.3.2.15)<br />

Weitere Parameter sind: C 0 =10 6 ,C 1 =10 4 ,a=1.25,H M =3· C 0 ,V R =0.2, V S =0.3, b=<br />

0.05C 0 <strong>und</strong> λ =1[1/year] . Die LQI-Daten sind e =77,GDP = 25000, g= 17500, q =0.15.<br />

Weiter ist N PE =100,k =0.1 so daß L F = SLSC kN PE =5.4 · 10 6 <strong>und</strong> G ∆ kN PE =5.0 · 10 7 .<br />

Der Wert von N PE wurde für Demonstationszwecke relativ groß gewählt.<br />

323


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Aus Gl. (2) berechnet man einen max<strong>im</strong>alen Zinssatz (vergl. Abschnitt 9.7.2). Bei konstantem<br />

²δ =0.02 ist die max<strong>im</strong>ale Zeitpräferenzrate<br />

ρ max = Lösung von (Z(p opt , ρ) =0) (10.3.2.16)<br />

d.h. ρ max =0.035.<br />

Opt<strong>im</strong>ierung von Gl. (2) mit dieser Rate ergibt p opt =4.04 (h(p opt )=3.0 · 10 −5 ) für Z(p opt )=0.<br />

Das Kriterium (6) erfordert p l<strong>im</strong> =3.61 (h(p l<strong>im</strong> )=1.1 · 10 −4 ). Man sieht, daß es besser ist, die<br />

opt<strong>im</strong>ale Lösung zu wählen als nur das Akzeptanzkriterium zu erfüllen.<br />

0.4<br />

p l<strong>im</strong><br />

ρ = 0.03<br />

0.2<br />

Z(p)<br />

0<br />

0.2<br />

ρ = 0.035<br />

0.4<br />

2 4 6 8 10<br />

p<br />

Zielfunktion <strong>und</strong> Akzeptanzgrenze für zwei Zeitpräferenzraten (durchgezogene Linie mit <strong>und</strong><br />

gestrichelte Linie ohne Kompensationskosten)<br />

Kleinere ρ ≤ ρ max (oder größere Nutzenrate) verschieben das Max<strong>im</strong>um der Zielfunktion nach<br />

oben (gepunktelte Linie).<br />

Das Beispiel erlaubt auch die Anzahl der Wiedererrichtungen zu variieren. Wie man sieht kann<br />

die Anzahl auf Lage <strong>und</strong> Größe des Opt<strong>im</strong>ums von erheblicher Bedeutung sein.<br />

0<br />

m = 1 2 3 5 10 50 100<br />

0.05<br />

Z(p)<br />

0.1<br />

0.15<br />

2 2.5 3 3.5 4 4.5 5<br />

p<br />

Opt<strong>im</strong>ale Lösungen für verschiedene Anzahlen von Wiedererrichtungen<br />

324


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

10.3.3. Anwendung auf Risiken aus toxischen Substanzen ∗<br />

Für ständig wirksame, ubiquitäre Schadstoffe in der Luft, dem Boden oder dem Wasser hängt<br />

dm oder de d(A,ρ,δ)<br />

e d<br />

gewöhnlich von der Dosis ab der die exponierten Personen ausgesetzt sind.<br />

(A,ρ,δ)<br />

Risikireduktionsmaßnahmen zielen darauf ab, die Dosis zu begrenzen oder sie zu vermindern.<br />

Normalerweise müssen z.T. aufwendige Betrachtungen zur Freisetzung, Verbreitung <strong>und</strong> zur Exposition<br />

sowie zur Prädisposition durchgeführt werden. Es sei dm = ∆ = f(d) die Dosis-<br />

Mortalitätsbeziehung. Es sei zunächst angenommen, daß die Wirkung des Schadstoffes nicht vom<br />

Alter abhängt, d.h. µ ∆T (a) =µ(a)+∆. Dagegen sei eine Latenzzeit zu berücksichtigen. Tatsächlich<br />

muß nur die Latenzzeit in der Beziehung zwischen demographischer Konstante <strong>und</strong> Mortalität<br />

entsprechend modifiziert werden. Für eine (deterministische) Latenzzeit der Größe T ist dann<br />

Z<br />

R h<br />

au<br />

au−T (t − (a + T )) exp −( R t<br />

µ(τ)dτ + R i<br />

t<br />

ρ(τ)dτ + δ(t − a))) dt<br />

a+T a a<br />

C ∆ē (ρ, δ,T)=−<br />

R h<br />

au<br />

0<br />

exp −( R t<br />

µ(τ)dτ + R i h(a, n)da<br />

t<br />

ρ(τ)dτ + δ(t − a))) dt<br />

a<br />

a a<br />

(10.3.3.1)<br />

In der einschlägigen Toxikologie wird häufig jedoch auch eine proportionale Änderung der altersabhängigen<br />

Mortalität angesetzt. Dann findet man mit µ πT (a) =µ(a)(1 + π)<br />

Z<br />

R au<br />

R h<br />

t<br />

au−T µ(τ)dτ exp −( R t<br />

µ(τ)dτ + R i<br />

t<br />

ρ(τ)dτ + δ(t − a))) dt<br />

a+T a 0 a<br />

C πē (ρ, δ,T)=−<br />

R h<br />

au<br />

0<br />

exp −( R t<br />

µ(τ)dτ + R i h(a, n)da<br />

t<br />

ρ(τ)dτ + δ(t − a))) dt<br />

a<br />

a a<br />

(10.3.3.2)<br />

Eine deterministische Latenzzeit ist eine Näherung. Man wird aber kaum Daten finden, die ein<br />

besseres Modell belegen können. Die demographische Konstante n<strong>im</strong>mt, wie erwartet, mit der<br />

Latenzzeit ab (vergl. Abb. 10.13)<br />

80<br />

60<br />

40<br />

( )<br />

C ∆ , T<br />

20<br />

C( δ , T)<br />

0<br />

0 20 40 60 80 100 120<br />

Latenzzeit T [Jahre]<br />

Abb. 10.13.Demographische Konstanten C ∆ē,δē (., ., T ) über Latenzzeit für deutsche Sterbetafel (∆ konstante<br />

Mortalitätsänderung, δ proportionale Mortalitätsänderung)<br />

325


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Man erkennt die kombinierte Wirkung der Verzinsung <strong>und</strong> dem kleiner werdenden Anteil der betroffenen<br />

Bevölkerung. Also ist<br />

dC Y = −dg ≥− g ¸<br />

·ded<br />

q E (A, ρ, δ)<br />

A<br />

≈− g e d (A, ρ, δ) q C ∆¯`(ρ, δ,T)dm = − g q C ∆ē(ρ, δ,T)f(d)<br />

(10.3.3.3)<br />

10.4. Nachhaltigkeitsaspekte*<br />

1987 legte die sogenannte Br<strong>und</strong>tland-Kommission der Vereinten Nationen ihren Bericht ’’Unsere<br />

gemeinsame Zukunft’’ vor. In diesem Bericht wurde hervorgehoben, daß die weitere Entwicklung<br />

nur eine Nachaltige Entwicklung sein könne. ’’Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung,<br />

die den Bedüfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten zukünftiger Generationen<br />

zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen’. Das Wort Nachhaltigkeit wurde<br />

<strong>im</strong> 16. Jahrh<strong>und</strong>ert von einem Forstfachmann geprägt. Man sollte nicht mehr Bäume schlagen als<br />

nachwachsen. Studien wie die des Club of Rome [110] [109] <strong>und</strong> viele andere sagen nämlich in<br />

den nächsten Jahren einen rapiden Abbau der natürlichen, nicht erneuerbaren Ressourcen wie der<br />

Bodenschätze <strong>und</strong> der fossilen Energieträger voraus, ein starkes Anwachsen der Weltbevölkerung<br />

<strong>und</strong> damit der Industrieproduktion um die Nachfrage zu befriedigen <strong>und</strong>, wiederum damit verb<strong>und</strong>en,<br />

eine starke Verschmutzung der Umwelt, von Boden, Luft <strong>und</strong> Wasser, sowie, z.T. durch letztere<br />

verursacht, die Verknappung von landwirtschaftlich nutzbarem Land. Der Artenreichtum in Fauna<br />

<strong>und</strong> Flora sinkt rapide ab. Unterbezahlung, technologische (strukturelle) Arbeitslosigkeit <strong>und</strong><br />

Armut werden zumindest regional zunehmen. Diese Entwicklungen werden, abgesehen vom anders<br />

begründbaren Anstieg der Lebenserwartung <strong>und</strong> dem Zuwachs der Weltbevölkerung, fast ausschließlich<br />

durch die den erhöhten Konsum befriedigende, industrielle Produktion verursacht. Die<br />

Lebenserwartung wird zwar bald an eine biologische Grenze stoßen. Die Weltbevölkerung wird<br />

sich nach den meisten Voraussagen aus verschiedenen Gründen bei r<strong>und</strong> 10 Milliarden einpendeln.<br />

Die sozialen Unterschiede in den Industrieländern werden größer werden. Ob ein Ausgleich<br />

zwischen reichen <strong>und</strong> armen Ländern möglich ist, ist offen. Auch ist offen, ob in den heute ärmeren<br />

Ländern je ein Zustand der sozialen Absicherung wie in den Industrieländern erreicht wird.<br />

Ein Kollaps unserer Gesellschaften in den nächsten 20 bis 50 Jahren ist in einer ganzen Reihe von<br />

Szenarien nicht auszuschließen - aber auch nicht unbedingt notwendig. Nachdem die Grenzen des<br />

Wachstums erreicht sind, mit oder ohne Kollaps, sinken Lebenserwartung, Nahrungsmittel- <strong>und</strong><br />

Industrieproduktion, die Bevölkerung n<strong>im</strong>mt ab, es kommt zu sozialen Instabilitäten, etc. (vergl.<br />

Abb. 10.14). Die Existenz von ’Grenzen des Wachstums’ ist unbestritten. Der Ausweg kann nach<br />

dem Br<strong>und</strong>tland - Bericht nur in einer nachhaltigen Entwicklung liegen. Es gibt viele St<strong>im</strong>men,<br />

die bestreiten, daß überhaupt noch ein Wachstum möglich sein wird. Besonders <strong>im</strong> Hinblick auf<br />

die nicht erneuerbaren Ressourcen besteht Übereinkunft, daß die Rate der Erschöpfung natürlicher<br />

Ressourcen mindestens mit der Rate des Ersatzes durch Alternativen übereinst<strong>im</strong>men muß.<br />

Ebenfalls besteht Übereinkunft, daß die Umwelt nicht länger durch die Begleiterscheinungen der<br />

industriellen Produktion belastet werden darf.<br />

Nachhaltigkeit (sustainability) muß auch bei Sicherheitsüberlegungen eine Rolle spielen, denn<br />

heute wird in Sicherheit für morgen, ja fürkünftige Generationen, investiert. Dabei sind demographische<br />

<strong>und</strong> volkswirtschaftliche Aspekte getrennt zu berücksichtigen.<br />

Der Gr<strong>und</strong>satz der Nachhaltigkeit ist vor allem be<strong>im</strong> Ansatz des BIP <strong>und</strong> seiner Zuwachsrate zu<br />

beachten. Ausgangspunkt ist die in Abschnitt 10.2. getroffene Übereinkunft, daß das BIP <strong>und</strong> da-<br />

326


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Abb. 10.14.Voraussagen der wichtigsten Indikatoren für die Entwicklung der Welt nach [109]<br />

mit der Konsum ein Maß für die Lebensqualität ist. Dieser Zusammenhang zwischen Konsum<br />

<strong>und</strong> Lebensqualität <strong>im</strong> eigentlichen Sinne wird zumindest in den Industrieländern <strong>im</strong>mer ernsthafter<br />

bestritten. Die zunehmende Industrialisierung, der damit verb<strong>und</strong>ene Umweltverbrauch<br />

<strong>und</strong> die Umweltverschmutzung steigern das BIP ohne die eigentliche Lebensqualität zuerhöhen.<br />

Aufwendungen für die Verminderung von Erscheinungen, die gerade durch die Industrialisierung<br />

(z.B. Luftverschmutzung, Ozonloch, erhöhte Temperatur durch CO 2 ) entstanden sind oder noch<br />

entstehen, tragen zum BIP bei. Sie erhöhen aber keineswegs das Wohlergehen <strong>und</strong> den Wohlstand<br />

sondern erhalten nur oder stellen gegebenenfalls schon verlorene Lebensqualität wieder her.<br />

Müllbeseitigungsanlagen <strong>und</strong> Recyclinganlagen, notwendig geworden wegen erhöhter Produktion,<br />

können die Lebensqualität nicht verbessern. Vor allem wird der Verbrauch nicht erneuerbarer,<br />

natürlicher Ressourcen auf Kosten zukünftiger Generationen nicht angemessen berücksichtigt<br />

[133] . Das widerspricht dem Prinzip der Nachhaltigkeit. Die Art wie das BIP berechnet wird<br />

<strong>und</strong> wie es als Indikator für Wohlergehen <strong>und</strong> Wohlstand, d.h. wirklicher Lebensqualität, einer<br />

Gesellschaft interpretiert wird, wird daher in neuerer Zeit heftig kritisiert [77] ,[30] .<br />

Es besteht Übereinst<strong>im</strong>mung, daß es besser wäre einen Indikator zu haben, der ein ’’nachhaltiges’’<br />

Wohlergehen <strong>und</strong> einen ’’nachhaltigen’’ Wohlstand quantifiziert. Dann müßte das klassische<br />

BIP reduziert werden <strong>und</strong> es würde wohl, jedenfalls in den meisten Industrieländern, kaum noch<br />

wachsen. Leider herrscht bislang noch keine Übereinst<strong>im</strong>mung wie groß eine solche Reduktion<br />

sein müßte. Während die Zuwachsrate des (klassischen) BIP für die vergangenen 150 Jahre<br />

also durchaus mit einem realen Anstieg der Lebensqualität verb<strong>und</strong>en war, kann man das für die<br />

Zukunft kaum noch erwarten. Das klassische BIP müßte durch ein nachhaltiges Nationaleinkommen<br />

ersetzt werden <strong>und</strong> nur dieses ist für die Risikominderung von technischen Anlagen verfügbar.<br />

Aufwendungen für die Umwelt erhaltende oder wiederherstellende Maßnahmen, zur Verhinderung<br />

von Landnutzung durch Verkehrswege <strong>und</strong> Bebauung oder zum Erhalt landwirtschaftlicher Nutzfläche<br />

(bei Versteppung, Versalzung, etc.), für die sich erhöhenden Preise, oder besser Abschreibungen,<br />

für nicht erneuerbare Naturschätze <strong>und</strong>/oder deren aufwendigen Ersatz durch Alternati-<br />

327


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

ven, usw., sollten bei der Berechnung des nachhaltigen Nationaleinkommens von der Summe der<br />

privaten Einkommen durch Arbeit <strong>und</strong> Kapital abgezogen werden. Es ist klar, daß hierzu eine<br />

Vielzahl von z.T. sehr komplizierten Bewertungsfragen zu lösen sind. Außerdem existieren in diesem<br />

Bereich noch erhebliche statistische Defizite. Erste Schätzungen besagen, daß das nachhaltige<br />

Nationaleinkommen 33 in Industrieländern z.T. weniger als 50 % des klassischen BIP beträgt [36]<br />

[178] . Damit wären die Prinzipien der Nachhaltigkeit schon vor 20 <strong>und</strong> mehr Jahren verletzt worden.<br />

Es bleibt also weniger für den privaten Konsum (nach Abzug der Abschreibungen verbleiben<br />

etwa 40%) <strong>und</strong> damit für Risikoverminderung übrig, wenn dem Prinzip der Nachhaltigkeit Vorrang<br />

eingeräumt wird. Es sei hier noch einmal hervorgehoben, daß wir hier nicht pr<strong>im</strong>är an einem umfassend<br />

gültigen ’’Ökosozialprodukt’’, wenn ein solches überhaupt Sinn macht, interessiert sind,<br />

sondern an den Mitteln, die unter Beachtung des Nachhaltigkeitsprinzips für die Risikoverminderung<br />

von technischen Anlagen zur Verfügung stehen bzw. stehen werden. Eine Zuwachsrate, wenn<br />

es sie noch geben wird, wird wohl wesentlich kleiner als jene in Tabelle 10.2.3 ausfallen. N<strong>im</strong>mt<br />

man an, daß 1992 das nachhaltige Sozialprodukt auf die Hälfte, <strong>und</strong> zwar, nicht ganz realistisch,<br />

bei allen Ländern in Tabelle 10.2.3 gleichmäßig, abgesenkt werden muß, während für 1870 keinerlei<br />

Abzüge getätigt werden da damals noch nachhaltiges Wachstum herrschte, berechnet man<br />

nur noch Zuwachsraten von 0.6 bis 1.9%, <strong>im</strong> Mittel 1.3 %. Dabei kann die ProduktivitätalsWirtschaftsleistung/Jahresarbeitsst<strong>und</strong>en<br />

durch neue Technologien durchaus noch wachsen. Sie wird<br />

aber durch eine kleinere Lebensarbeitszeit kompensiert werden müssen um <strong>im</strong> Hinblick auf Nachhaltigkeit<br />

wachsenden Konsum mit den Folgen für die Umwelt auszuschließen [160] .<br />

Auch mit einem verbesserten, nachhaltigen Sozialprodukt kann man natürlich das Bevölkerungswachstum<br />

(auf Weltniveau) <strong>und</strong> die Tendenz zur ungleichen Einkommensverteilung zwischen <strong>und</strong><br />

innerhalb der Länder, zwei andere den drohenden Kollaps mitbest<strong>im</strong>mende Faktoren, nicht erfassen.<br />

Für die hier interessierenden Betrachtungen zum opt<strong>im</strong>alen Kosten-Nutzenopt<strong>im</strong>um <strong>und</strong> zur Sicherheit<br />

technischer Anlagen bedeutet das, daß Ausgaben für Sicherheit ebenfalls nur vom nachhaltigen<br />

Nationaleinkommen getätigt werden sollten, da sonst die heutigen Generationen mehr<br />

Sicherheit erführen als zukünftige. Die Konstante G x müßte in etwa halbiert werden aber die erwarteten<br />

Schadenskosten in Opt<strong>im</strong>ierungsansätzen mit einem geringeren Zinssatz verzinst werden.<br />

Natürlich ist be<strong>im</strong> Ansatz von Zielfunktionen für eine Opt<strong>im</strong>ierung nur die Strategie mit systematischem<br />

Wiederaufbau oder systematischer Unterhaltung nachhaltig. Kriterien der Art (10.2.4.16)<br />

dürften wegen des kleineren Zinssatzes größere Sicherheit fordern. Andererseits würden die z.B.<br />

mit ’’Nachhaltigkeitssteuern’’ belegten energie- <strong>und</strong> rohstoffintensiven Baustoffe <strong>und</strong> ihre umweltverträgliche<br />

Beseitigung zu größeren Kosten C(p) führen <strong>und</strong> damit am Opt<strong>im</strong>um zu weniger sicheren<br />

Anlagen führen.<br />

33<br />

Ein Beispiel für die Berechnungsweise eines nachhaltigen, ökologisch orientierten Sozialproduktes ist<br />

ÖSP = Nettosozialprodukt<br />

- Abschreibung wegen Erschöpfung nicht regenerativer Ressourcen (Bodenschätze <strong>und</strong> biologische Ressoucen)<br />

- Kosten durch Umweltverschmutzung an ökonomischen Gütern (Bauwerke, Forste, Böden)<br />

- Kosten wegen Beeinträchtigung menschlicher Ges<strong>und</strong>heit durch Umweltverschmutzung<br />

- Vermeidungskosten von Umweltverschmutzung (Abfallbeseitigung, CO 2 , Verlust der Ozonschicht)<br />

Die Abzüge sind hierbei in monetären Einheiten zu bewerkstelligen. Deren Quantifizierung aus Statistiken der<br />

physikalischen <strong>und</strong> biologischen Gegebenheiten sind das Hauptproblem.<br />

328


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Kapitel 11.<br />

Anwendung in Bauvorschriften<br />

11.1. Teilsicherheitsfaktoren - Stand der Normung<br />

11.1.1. Zeitinvarianter Fall<br />

Es liegt nahe, die in der Bemessungspraxis verwendeten Sicherheitsbeiwerte auf den Bemessungswert<br />

zu beziehen. Ist x c,i ein charakteristischer Wert der Größe i (vergl. Abschnitt 2.2.3), so gilt<br />

generell<br />

γ i = x∗ i<br />

x c,i<br />

(11.1.1.1)<br />

für Widerstandsvariable (positive Ableitung der Grenzzustandsfunktion) <strong>und</strong><br />

γ i = x c,i<br />

x ∗ i<br />

(11.1.1.2)<br />

für Lastvariable (negative Ableitung der Grenzzustandsfunktion). Dabei ist<br />

x ∗ i = F i<br />

−1 (Φ(u ∗ −1<br />

i )) = Fi (Φ(−α i β)) (11.1.1.3)<br />

Diese Definitionen sind gültig bei unabhängigen Variablen. α i entspricht exakt dem Richtungskosinus<br />

des β−Punktes <strong>im</strong> Standardraum <strong>und</strong> β =+ku ∗ k. Bei abhängigen Variablen muß man ein<br />

neues repräsentatives α r,i aus<br />

α r,i = −Φ−1 (F i (x ∗ i ))<br />

β<br />

(11.1.1.4)<br />

bilden, welches nur bei unabhängigen Variablen mit α i übereinst<strong>im</strong>mt. α r,i sollte dann in Gl.<br />

(11.1.1.3) benutzt werden. Hierzu muß u ∗ in x ∗ zurücktransformiert werden. Damit kann festgestellt<br />

werden, daß zwischen einer probabilistischen Betrachtung 1. Ordnung <strong>und</strong> einer deterministischen<br />

Bemessung eindeutige Korrespondenz hergestellt werden kann. Bei genaueren probabilistischen<br />

Verfahren definiert man<br />

x ∗ i = F −1<br />

i (Φ(−α r,i β E )) (11.1.1.5)<br />

mit β E wie in Gl. (3.3.1). Diese Gleichung muß auch angewandt werden, wenn der Versagensbereich<br />

der Durchschnitt von Versagensmengen ist. Bei Seriensystemen gilt Gl. (11.1.15) für jede<br />

Systemkomponente.<br />

Beispiel 11.1.1.1: Teilsicherheitsbeiwert einer normalverteilten Last<br />

Die Last sei mit Mittelwert µ <strong>und</strong> Standardabweichung σ normalverteilt. Bei gegebenem α S <strong>und</strong><br />

β sowie charakteristischem Wert als p S %-Quantil s c ist<br />

Φ( s∗ − µ<br />

) = Φ(u ∗<br />

σ<br />

S)=Φ(−α S β) (1)<br />

s ∗ = −α S βσ + µ<br />

329


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Man beachte, daß α S füreine’’Lastvariable’’ negativ ist. Also ist<br />

γ S = s∗<br />

s c<br />

= −α Sβσ + µ<br />

Φ −1 (p S )σ + µ<br />

(2)<br />

#<br />

Beispiel 11.1.1.2: Teilsicherheitsbeiwert einer lognormalverteilten Widerstandsgröße<br />

Wenn eine Widerstandsgröße unter sonst gleichen Umständen lognormalverteilt ist, berechnet man<br />

γ R = r c<br />

r ∗ =<br />

r c<br />

h<br />

µ exp − 1 ln(1 + V 2 2 ) − α R β [ln(1 + V 2 )] 1/2i ≈<br />

r c<br />

µ exp [−α R βV ]<br />

(1)<br />

mit V = σ/µ.<br />

#<br />

Beispiel 11.1.1.3: Teilsicherheitsbeiwert einer weibullverteilten Widerstandsgröße<br />

Die Widerstandsgröße R sei entsprechend<br />

· ³ r<br />

´k¸<br />

F R (r) =1− exp −<br />

w<br />

verteilt. Bei gegebenem α R <strong>und</strong> β sowie charakteristischem Wert als p R %-Quantil ist<br />

" µ #<br />

r<br />

∗ k<br />

1 − exp − = Φ(−α R β) (1)<br />

w<br />

<strong>und</strong> somit<br />

<strong>und</strong><br />

r ∗ = w [− ln(Φ(α R β))] 1/k (2)<br />

γ R = r c<br />

r = [− ln(Φ(Φ−1 (p R )))] 1/k<br />

(3)<br />

∗ [− ln(Φ(α R β))] 1/k<br />

#<br />

In neueren Vorschriften wird sogar folgende Näherung zugelassen, <strong>und</strong> zwar:<br />

α R =0.8<br />

α R ≈ 0.4<br />

α S =0.7<br />

α S ≈ 0.4<br />

für die dominante Widerstandsvariable<br />

für alle anderen Widerstandsvariablen<br />

für die dominante Lastvariable<br />

für alle anderen Lastvariablen<br />

Damit ist die Bedingung P n<br />

i=1 α2 i > 1 <strong>und</strong> daher mit Ausnahme des Falles, daß jeweils nur eine<br />

Zufallsvariable gegenwärtig ist, übererfüllt. Die Näherungen für dieα gelten nur für unabhängig<br />

Zufallsvariable. Die Teilsicherheitsbeiwerte können damit ohne genaue Rechnung <strong>und</strong> ohne<br />

genaue Kenntnis des mechanischen Zusammenhangs für jedes Sicherheitsniveau, jede Verteilungsfunktion<br />

<strong>und</strong> Parameterkombination berechnet werden - natürlich nur in grober Näherung. Wenn<br />

nur eine Variable dominiert bzw. viel stärker streut als alle anderen, sollte man für diese Variable<br />

α i =1setzen.<br />

330


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

11.1.2. Definition von charakteristischen Werten<br />

Wie schon in Abschnitt 2.2.3 erwähnt, ist man übereingekommen, charakteristische Werte fürFestigkeiten<br />

als 5%-Quantilen, veränderliche <strong>Lasten</strong> als 98%-Quantilen (der jährlichen Extrema), Eigengewichte<br />

<strong>und</strong> andere ständig wirkende <strong>Lasten</strong> durch ihre Mittelwerte <strong>und</strong> geometrische Kenngrößen<br />

ebenfalls durch Mittelwerte zu definieren. Füraußergewöhnliche Einwirkungen wählt man<br />

oft eine mittlere Wiederkehrdauer von 500 Jahren. Bei veränderlichen <strong>Lasten</strong> hat das 98%-Quantil<br />

eine mittlere Wiederkehrdauer von 50 Jahren, eine alternative Definition.<br />

Wenn der charakteristische Wert direkt aus Versuchen oder Beobachtungen gewonnen wird, ist er<br />

als p%-Quantil in der prädiktiven Verteilung (oder Bayesschen Verteilung), d.h. in<br />

F X (x) =<br />

Z ∞<br />

−∞<br />

F X (x | θ)f Θ “ (θ)dθ (11.1.2.1)<br />

definiert (vergl. Gl. (2.2.5.2)). Hierin ist nach Bayes die sogenannte a posteriori Dichte<br />

f “ Θ(θ) =<br />

`(x |θ)f 0 Θ (θ)<br />

R ∞<br />

−∞ `(x | θ)f 0 Θ (θ)dθ (11.1.2.2)<br />

mit `(x |θ) der Likelihoodfunktion der Stichprobe x <strong>und</strong> f 0 Θ(θ) der a priori Dichte des Parametervektors<br />

Θ. Für eine Normalverteilung <strong>und</strong> ohne jede Vorinformation (ν = n−1) ist beispielsweise<br />

x c = x n + k n s n (11.1.2.3)<br />

mit<br />

k n = T −1 (p, ν)<br />

q<br />

Φ −1 (p)<br />

q<br />

n+1<br />

n<br />

Standardabweichung unbekannt<br />

n+1<br />

n Standardabweichung bekannt (11.1.2.4)<br />

Hierin ist T −1 (p, ν) die Inverse der zentralen t-Verteilung mit Freiheitsgrad ν. Bei bekannter Standardabweichung<br />

ist s n durch σ zu ersetzen. Bei einer Lognormalverteilung bildet man x n <strong>und</strong> s n<br />

für die Logarithmen der Einzelwerte <strong>und</strong> der charakteristische Wert ist x c =exp[x n + k n s n ] . In<br />

diesen Formeln ist nur die aktuelle Stichprobe, gekennzeichnet durch x n ,s n <strong>und</strong> n, berücksichtigt.<br />

Wenn Vorinformationen vorliegen, also in Form von x 0 n,s 0 n <strong>und</strong> n 0<br />

bzw. ν 0 , kann man sich<br />

neue Werte x 00 ,s 00 <strong>und</strong> n 00<br />

sowie ν 00 wie folgt errechnen.<br />

n 00 = n + n 0<br />

x 00 = xn+x0 n 0<br />

n+n 0<br />

n 00 = n + n 0<br />

: Standardabweichung bekannt<br />

x 00 = xn+x0 n 0<br />

n+n h<br />

0<br />

s 00 2 ν 00 = ν 0 s 02 i<br />

+ n 0 x 0 2<br />

+[νs 2 + nx 2 ] − n 00 x 00 2<br />

ν 00 = ν 0 + δ(n 0 )+ν + δ(n) − δ(n 00 )<br />

: Standardabweichung unbekannt<br />

(11.1.2.5)<br />

331


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Man beachte, daß die Stichproben für x 00 <strong>und</strong> s 00 unterschiedlich groß sein können, nämlich n 00 bzw.ν 00 .<br />

Ähnliche Formeln gibt es für eine Reihe von anderen Modellen.<br />

Wie soll man die Qualitätskontrolle (Eigen- <strong>und</strong> Fremdüberwachung) einstellen? Wann sind die<br />

Anforderungen erfüllt? Hier hat sich keine einheitliche Vorgehensweise durchgesetzt. Unter Berücksichtigung<br />

der Tatsache, daß in der Eigenüberwachung <strong>im</strong> allgemeinen sehr viele Proben anfallen,<br />

kann man aber für die Feststellung des langfristigen Qualitätsniveaus ebenfalls Gl. (11.1.2.3),<br />

<strong>und</strong> nicht, wie häufig vorgeschlagen, eine Toleranzgrenze, nehmen. Die Fremdüberwachung hat<br />

dann, statistisch gesehen, mittels eines Vergleichstests (z.B. t-Test) nur noch die Zugehörigkeit beider<br />

Stichproben zur gleichen Gr<strong>und</strong>gesamtheit festzustellen. Offen ist hier die Irrtumswahrscheinlichkeit<br />

α des Tests. Sie mag zu α =0.05 oder α =0.1 gewählt werden. Die für die laufende<br />

Kontrolle in der Eigenüberwachung maßgebende Abnahmevorschrift (vergl. Beispiel 4.5.4) ist<br />

dann weitgehend Sache des Produzenten. Sie wird u.a. dadurch best<strong>im</strong>mt, daß <strong>im</strong>mer auch das<br />

langfristige Qualitätsniveau eingehalten werden muß (vergl. auch Beispiel 4.5.4).<br />

11.2. Zeitvarianter Fall - Lastkombination<br />

Ein erster Vorschlag zur Ableitung von Teilsicherheitsfaktoren bei Gegenwart von stationären <strong>Lasten</strong><br />

stammt von Turkstra [170] . Turkstra nahm bekanntlich an, daß die <strong>Lasten</strong> unabhängig sind<br />

<strong>und</strong> berechnete eine untere Schranke für die Versagenswahrscheinlichkeit, indem er unterstellt,<br />

daß zu einem beliebigen Zeitpunkt jeweils eine Last ihr Extremum ann<strong>im</strong>mt während alle anderen<br />

<strong>Lasten</strong> einen Wert aus ihrer Augenblicksverteilung realisieren. Also ist<br />

½<br />

¾<br />

P f ≥ max n i=1 P (g(R, Q, S 1 (τ),S 2 (τ),..., max {S i(τ)} ,...,S n (τ)) ≤ 0 (11.2.1)<br />

0≤τ≤t<br />

Das ist eine untere, in der Regel unter den genannten Voraussetzungen gar nicht so unkonservative<br />

Schranke, weil die größte Wahrscheinlichkeit auch zu anderen Zeitpunkten erreicht werden kann.<br />

Beispiel 11.2.1: Anwendung der Turkstraschen Regel<br />

Wir betrachten ein einfaches Beispiel mit der Zustandsfunktion<br />

M = R − S 1 + S 2 (1)<br />

R sei normalverteilt, S 1 sei ein Sprungprozeß mit Rate λ <strong>und</strong> dessen Amplituden rayleighverteilt<br />

sind <strong>und</strong> S 2 sei eine gumbelverteilte Zufallsfolge mit n =50’’Wiederholungen’’,d.h.<br />

R ∼ Φ( r − m R<br />

) (2)<br />

σ R<br />

"<br />

S 1 ∼ 1 − exp − 1 µ # 2 s1<br />

(3)<br />

2 a 1<br />

S 2 ∼ exp [− exp [−a 2 (s 2 − u 2 )]] (4)<br />

Die zu S 1 <strong>und</strong> S 2 gehörigen Extremwertverteilungen <strong>im</strong> Zeitraum [0,t] sind (vergl. Gl. (7.3.2.2)<br />

<strong>und</strong> 7.2.1.1)<br />

" "<br />

max {S 1} ∼ exp −λt exp − 1 µ ## 2 s1<br />

(5)<br />

0≤τ≤t 2 a 1<br />

332


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

· µ<br />

max {S 2} ∼ exp − exp<br />

·−a 2 s 2 − u 2 − 1 ¸¸<br />

ln(n)<br />

0≤τ≤t a 2<br />

(6)<br />

Die Bemessungswerte x ∗ i lassen sich bei gegebenem α i <strong>und</strong> β analytisch best<strong>im</strong>men.<br />

r ∗ s ∗ 1q<br />

s ∗ 2<br />

Komb. 1 m R − α R βσ R a 1 −2ln(− ln(Φ(−αs 1 β))<br />

) − 1 λt a 2<br />

ln(− ln(Φ(−α s2 β))) + u<br />

p 2<br />

Komb. 2 m R − α R βσ R a 1 −2ln(Φ(αs1 β)) − 1 a 2<br />

ln(− ln(Φ(−α s2 β))) + u 2 + 1 a 2<br />

ln(n)<br />

Die Bemessungswerte der <strong>Lasten</strong> kann man nun durch den jeweiligen charakteristischen Wert teilen.<br />

Für jede Kombination erhält man einen Teilsicherheitsbeiwert für das extremale Niveau <strong>und</strong><br />

aus der Augenblicksverteilung. Diese sind natürlich verschieden <strong>und</strong> man kann γ augenbl. = γ extr. ψ<br />

setzen, also in diesem Beispiel (ohne die möglichen algebraischen Vereinfachungen):<br />

Kombination 1 1 1<br />

Kombination 2 1<br />

ψ r ∗ ψ s ∗<br />

1<br />

ψ s ∗<br />

2<br />

a 1<br />

√<br />

−2ln(Φ(αs1 β))<br />

a 1<br />

q<br />

−2ln(− ln(Φ(−αs 1 β))<br />

λt )<br />

− 1 ln(− ln(Φ(−α a s2 β)))+u 2<br />

2<br />

− 1 ln(− ln(Φ(−α a s2 β)))+u 2 + 1 ln(n)<br />

2 a 2<br />

ψ hängt <strong>im</strong> einzelnen von den stochastischen Charakteristiken der betreffenden Last ab. Einige<br />

der modernen Bemessungsvorschriften gehen genau so vor. In den EUROCODES wird folgendes<br />

Lastkombinationsschema bei linear superponierten <strong>Lasten</strong> (Lastwirkungen) vorgeschlagen.<br />

γ D D k + γ i L ki + X γ j ψ ij L kj<br />

j6=i<br />

1<br />

Darin ist D k der charakteristische Wert der (in der Zeit) unveränderlichen <strong>Lasten</strong> (Lastwirkungen)<br />

<strong>und</strong> L ki der charakteristische Wert der zeitunveränderlichen <strong>Lasten</strong> (Lastwirkungen). ψ ij (≤ 1)<br />

ist also nichts anderes als der Reduktionsfaktor für die charakteristische Last L kj , wenn L ki die<br />

Leiteinwirkung ist. Diese Schema wird, durch ausführliche Untersuchungen belegt, anderen Alternativen<br />

als überlegen erachtet.<br />

#<br />

Die Turkstrasche Regel ist an einschneidende Annahmen geb<strong>und</strong>en. Man kann mit ihr keine intermittierende<br />

<strong>Lasten</strong> behandeln. Die <strong>Lasten</strong> müssen unabhängig sein. Außerdem liefert sie nur eine<br />

untere Schranke für die Versagenswahrscheinlichkeit, die aber, wie man mit den Betrachtungen in<br />

Abschnitt 7.3.6 zeigen kann, nahe an dem richtigen Wert liegt. Auch das einfache Modell in Abschnitt<br />

7.2.1 belegt das. Es ist aber möglich aus den Gr<strong>und</strong>lagen in Abschnitt 7 ein System zur<br />

Ableitung von Teilsicherheitsbeiwerten <strong>und</strong> gegebenenfalls ψ-Beiwerten zu entwickeln, welches<br />

die genannten Einschränkungen nicht besitzt. Hierauf kann nicht eingegangen werden.<br />

11.3. Ermüdungsnachweise<br />

Ermüdungsnachweise sind durchwegs etwas heikel, da die exper<strong>im</strong>entelle Gr<strong>und</strong>lage oft nicht sehr<br />

gut ist. Man geht meist von Wöhlerlinien, d.h. von N = C∆Seq<br />

−m mit N der ertragbaren Lastspielzahl<br />

füreineäquivalente Einstufenbelastung ∆S eq , aus. C <strong>und</strong> m sind exper<strong>im</strong>entell für jeden<br />

Baustoff, jedes Bauteil <strong>und</strong> jedes Konstruktionsdetail ermittelte Materialkonstanten. Gelegentlich<br />

muß der Einfluß der Mittelspannung mitberücksichtigt werden <strong>und</strong> es werden zwei Neigungen<br />

333


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

der Wöhlerlinie, z.B. m =3für große ∆S eq <strong>und</strong> m =5für kleine ∆S eq angegeben. Für die<br />

äquivalente Einstufenbelastung gilt die Definition Gl. (6.3.2.7). Darin ist n die Anzahl der ermüdungswirksamen<br />

Lastspiele in der vorgesehenen Nutzungsdauer. ∆S enthält gegebenenfalls<br />

Spannungskonzentrationsfaktoren (Kerbfaktoren) <strong>und</strong> ist aus der Kombination aller ermüdungswirksamen<br />

Beanspruchungen zu bilden. Man unterstellt, daß jeder einzelne Beanspruchungszyklus<br />

jeweils nur kleine Schädigungen hervorruft <strong>und</strong> man daher entsprechend Beispiel 7.7.1 vorgehen<br />

kann. Eine Formulierung als Schwellenwertproblen wie in Beispiel 7.7.2 wird generell<br />

vermieden. Wenn die Betriebsbelastung <strong>im</strong> wesentlichen deutlich unterhalb einer Dauerfestigkeit<br />

liegt, kann man den Nachweis wie folgt führen:<br />

γ ∆S max {∆S;[0,n s ]} ≤ ∆s D<br />

γ ∆sD<br />

(11.3.1)<br />

Der Nachweis ist also bei Betriebsbelastung nicht unabhängig von der beabsichtigten Nutzungsdauer<br />

n s .Bei beliebiger Betriebsbelastung muß man anders vorgehen. Um die Streuungen der<br />

Lebensdauern bei gleicher vorgegebener Einstufenbelastung zu berücksichtigen, setzt man eine<br />

Verteilung, z.B. die Weibullverteilung, an <strong>und</strong> man hat eine Nachweisgleichung der Form<br />

" µ #<br />

ns ν k<br />

1<br />

1 − exp −<br />

≤ Φ (−β(n<br />

K∆Seq<br />

−m<br />

s )) (11.3.2)<br />

die auf verschiedene Weise noch umgeformt werden kann. n s ist die beabsichtigte Nutzungsdauer<br />

in Jahren <strong>und</strong> ν 1 die Anzahl der Spannungszyklen pro Jahr. Anstelle der Weibullverteilung kann<br />

auch eine Log-normalverteilung genommen werden. Hier machen Teilsicherheitsfaktoren wie in<br />

Gl. (11.1.1.1) oder (11.1.1.2) keinen Sinn, da die wesentliche Unsicherheit in der Lebensdauer<br />

bei gegebenem ∆S eq liegt. ∆S eq mag allenfalls mit einem Beiwert beaufschlagt werden, der die<br />

nicht-ergodischen Unsicherheiten in ∆S abdeckt.<br />

Bei Wöhlerlinien wird meist von den charakteristischen Werten ausgegangen. Bei Bayesscher<br />

Betrachtungsweise sind die Werte dann mithilfe Bayesscher Regression zu berechnen. Wir geben<br />

zunächst die Formeln für normalverteilte Residuen an. Nunmehr ist für einen vorgegebenen Wert<br />

x 0<br />

y c = a 0 + a 1 x 0 + k n s n (11.3.3)<br />

Hierin ist:<br />

a 0 = ȳ − a<br />

P 1¯x<br />

n<br />

i=1<br />

a 1 =<br />

x iy i − n¯xȳ<br />

P n<br />

i=1 x2 i − n¯x 2<br />

nX<br />

¯x = 1 n<br />

ȳ = 1 n<br />

i=1<br />

nX<br />

i=1<br />

x i<br />

y i<br />

334


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

s 2 =<br />

1<br />

n − 2<br />

nX<br />

(y i − a 0 − a 1 x i ) 2<br />

i=1<br />

k n = T −1 (p, ν)<br />

µ1+ 1 n + (¯x − x 0) 2<br />

P n<br />

i=1 (x i − ¯x) 2 1/2<br />

(11.3.4)<br />

mit Freiheitsgrad ν = n − 2. Angewandt auf Wöhlerlinien bedeutet das, daß ln(N) =ln(C) −<br />

m ln(∆S) <strong>und</strong> daher y =ln(N),x =ln(∆S),a 0 =ln(C),a 1 = −m. Der charakteristische Wert<br />

von N ist bei gegebenem x 0 =ln(∆s eq ) gleich N c =exp[y c ]. Wird der Parameter m bzw. a 1<br />

gesetzt, ist der Freiheitsgrad ν = n − 1 <strong>und</strong> der Nenner in der Formel für s 2 ist n − 1. Diese<br />

Betrachtungsweise <strong>im</strong>pliziert eine Lognormalverteilung für die Lebensdauern. Die charakteristischen<br />

Wöhlerlinien entsprechen oft dem 2%-Quantil.<br />

11.4. Vorgesehene Lebensdauern <strong>und</strong> Zielzuverlässigkeiten<br />

Für die Erarbeitung von Vorschriften sind einige Vereinbarungen zu treffen. Es ist festzulegen, auf<br />

welchen Zeitraum eine <strong>Zuverlässigkeit</strong>svorgabe zu beziehen ist <strong>und</strong> ob sich die <strong>Zuverlässigkeit</strong>svorgabe<br />

auf Systemkomponenten oder auf das System selbst bezieht. Im Rahmen der Arbeiten für<br />

die EUROCODES sind folgende Festlegungen getroffen worden.<br />

Grenzzustand der Tragfähigkeit<br />

Erwartete Versagensfolgen<br />

Relativer Aufwand der Maßnahmen Unbedeutend Normal Groß<br />

Hoch 2.8 3.3 3.8<br />

Normal 3.3 3.8 4.3<br />

Gering 3.8 4.3 4.8<br />

Tabelle 11.4.1: <strong>Zuverlässigkeit</strong>sindizes β(n s =50Jahre) für den Grenzzustand der Tragfähigkeit<br />

Relativer Aufwand der Maßnahmen Grenzzustand der Gebrauchsfähigkeit<br />

Hoch 1.0<br />

Normal 1.5<br />

Niedrig 2.0<br />

Tabelle 11.4.2: <strong>Zuverlässigkeit</strong>sindizes β(n s =50Jahre) für den Grenzzustand der Gebrauchsfähigkeit<br />

Inspektions- <strong>und</strong> Reparaturmöglichkeit<br />

Grenzzustand der Dauerhaftigkeit<br />

Regelmäßige Inspektion vorgesehen, kleine Schadensfolgen 1.5<br />

Inspektion eingeschränkt möglich, große Schadensfolgen 3.0<br />

Tabelle 11.4.3: <strong>Zuverlässigkeit</strong>sindizes β(n s =50Jahre) für den Grenzzustand der Dauerhaftigkeit<br />

(Ermüdung)<br />

335


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

Klasse Beabsichtigte Nutzungs- Anwendungsbereich Bemerkung<br />

dauer n s in Jahren<br />

1


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

= −Φ −1 Φ(−β(n s )))<br />

(<br />

(1 − P (kein SSE-Erdbeben in n s ) )<br />

⎡<br />

⎤<br />

= −Φ −1 ⎣<br />

Φ(−4.8)<br />

n1 − ( 1<br />

10000 50)0<br />

exp £ ⎦ =3.6 (1)<br />

− 1 50¤o 0! 10000<br />

wobei Gl. (7.1.3.2) verwendet wurde.<br />

#<br />

Die Zahlen für den Gebrauchszustand gelten für die Augenblickswahrscheinlichkeit Gl. (7.1.1.1)<br />

bzw. für das Kriterium in Gl. (7.9.4).<br />

Nicht sehr klar sind die Festlegungen über den Systembezug. Man sollte die Zahlen in Tabelle<br />

11.4.1 <strong>und</strong> 11.4.2 aber so interpretieren, daß die jeweiligen <strong>Zuverlässigkeit</strong>sindizes sich auf den<br />

einzelnen Versagensmodus beziehen. Diese sind in der Regel hochkorreliert, so daß das Vorgehen<br />

bei einem einzigen dominanten Versagensmodus nicht über Gebühr unkonservativ ist. Immer<br />

wenn Systeme viele verschiedene, <strong>im</strong> Hinblick auf die <strong>Zuverlässigkeit</strong> ausgewogene <strong>und</strong> wenig<br />

korrelierte Versagensmodi besitzen, sollte man die erforderlichen Sicherheitindizes heraufsetzen.<br />

Alle Zielvorgaben sind nur als Richtwerte zu verstehen. Abweichungen nach oben um 0.5 sind<br />

nicht zu beanstanden. Die Werte sind entstanden aus einfachen Opt<strong>im</strong>ierungsrechnungen wie in<br />

Abschnitt 1 <strong>und</strong> ähnlich in Abschnitt 9, aber vor allem durch Kalibration an bewährten Konstruktionen.<br />

Man hat schließlich auch versucht, das Risiko für Leib <strong>und</strong> Leben zu beschränken. ISO 2394<br />

schlägt beispielsweise fürdasjährliche Risiko<br />

P Lebensrisiko <<br />

10−6<br />

P (D|F )<br />

(11.4.4)<br />

vor. P (D|F ) ist die Wahrscheinlichkeit bei einem Bauwerksversagen getötet zu werden. Diese<br />

Wahrscheinlichkeit hängt u.a. davon ab, wie häufig sich eine Person in oder in der unmittelbaren<br />

Umgebung eines Bauwerks aufhält. Diese Grenze ist in guter Übereinst<strong>im</strong>mung mit Tabelle 1.1,<br />

d.h. legt eine untere Grenze fest. Daneben gibt es noch eine Beschränkung des jährlichen Risikos<br />

in Abhängigkeit von der mittleren Anzahl N der Toten bei einem Bauwerksversagen<br />

P


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

nem differentiellen Kriterium. Dieses ist strikt einzuhalten. Es ähnelt den obengenannten Kriterien<br />

allenfalls darin, daß die Anzahl der gefährdeten Menschenleben ebenfalls linear eingeht.<br />

11.5. Größe der Teilsicherheitsfaktoren in Euronormen<br />

Die neue, auf europäischer Ebene entwickelte Normung geht von dem sogenannten Teilsicherheitskonzept<br />

aus. Es gilt die Nachweisgleichung<br />

worin<br />

r c,i :<br />

γ i :<br />

s c,j :<br />

γ j :<br />

ψ j :<br />

g U,S,A (..., r c,i<br />

γ i<br />

,...,γ j ψ j s c,j ,...) ≤ 0 (11.5.1)<br />

Charakteristischer Wert der Basisvariable der Widerstandsseite<br />

Teilsicherheitsbeiwert für diese Basisvariable<br />

Charakteristischer Wert der Basisvariable der Einwirkungsseite<br />

Teilsicherheitsbeiwert für diese Basisvariable<br />

Kombinationsbeiwert für diese Basisvariable<br />

Die Indizes in der Grenzzustandsfunktion U, S <strong>und</strong> A beziehen sich jeweils auf Grenzzustände der<br />

Tragfähigkeit bei normalen Bemessungssituation, auf Grenzzustände der Gebrauchstauglichkeit<br />

<strong>und</strong> auf Grenzzustände der Tragfähigkeit bei Gegenwart außergewöhnlicher Einwirkungen.<br />

Hierbei gelten folgende Vereinbarungen.<br />

• Alle Teilsicherheitsbeiwerte sind größer Null. Sie werden durch äquivalente, additive Sicherheitselemente<br />

ersetzt, wenn der charakteristische Wert gleich Null oder nahe Null<br />

• Die Teilsicherheitsbeiwerte für den Gebrauchsfähigkeitsnachweis sind gleich Eins<br />

• Variable, die Modellunsicherheiten erfassen, erhalten normalerweise keinen Sicherheitsbeiwert.<br />

Diese Unsicherheiten sind durch die Teilsicherheitsbeiwerte der anderen Basisvariablen abzudecken.<br />

• Charakteristische Werte der Basisvariablen der Widerstandsseite sind normalerweise als 5%-<br />

Quantil der Verteilung definiert, die bei einer Schätzung mit Stichprobenumfang n →∞entstehen<br />

würde.<br />

• Charakteristische Werte der Vorspannung (P k ) sind als Mittelwerte definiert<br />

• Charakteristische Werte geometrischer Größen sind normalerweise als Nominalwerte, d.h. als<br />

Mittelwerte definiert.<br />

• Charakteristische Werte von ständigen <strong>Lasten</strong> (G k ) sind als Mittelwerte definiert.<br />

• Charakterische Werte von veränderlichen <strong>Lasten</strong> (Q k ) sind als Werte mit 50-jähriger mittlerer<br />

Wiederkehrdauer definiert. Voraussetzung ist eine ausreichende statistische Gr<strong>und</strong>lage.<br />

• Charakteristische Werte von außergewöhnlichen Beanspruchungen (A k ) sind als Werte mit r<strong>und</strong><br />

500-jähriger mittlerer Wiederkehrdauer definiert. Voraussetzung ist eine ausreichende statistische<br />

Gr<strong>und</strong>lage.<br />

• Die Teilsicherheitsbeiwerte bei außergewöhnlichen Situationen sind normalerweise gleich Eins.<br />

• Für Kombinationsbeiwerte gilt gr<strong>und</strong>sätzlich 0 ≤ ψ j ≤ 1. Der Kombinationsbeiwert der vorherrschenden<br />

Einwirkung ist gleich Eins.<br />

• Die Teilsicherheitsbeiwerte <strong>und</strong> Kombinationsbeiwerte auf der Einwirkungsseite sind nachstehender<br />

Tabelle zu entnehmen. Sie sind für alle Bauweisen <strong>und</strong> Bauarten gleich.<br />

• Wenn der Grenzzustand der Tragfähigkeit durch Traglastnachweise für red<strong>und</strong>ante, ausreichend<br />

338


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

duktile Strukturen geführt wird, dürfen die Teilsicherheitsbeiwerte auf der Widerstandsseite,<br />

wenn sie direkt die rechnerische Bauteilsteifigkeit beeinflussen, abgemindert werden. Werte<br />

zwischen den Bemessungswerten <strong>und</strong> den charakteristischen Werten sind angemessen.<br />

Die nachfolgenden Tabellen geben Teilsicherheits- <strong>und</strong> Kombinationswerte für Einwirkungen nach<br />

EN 1990 an.<br />

Einwirkung ψ 0 ψ 1 ψ 2<br />

Verkehrslasten in Hochbauten 0.7 0.5 0.3<br />

<strong>Lasten</strong> infolge Lagergütern 1.0 0.9 0.8<br />

<strong>Lasten</strong> auf Hofkellerdecken 0.7 0.5 0.3<br />

Schnee 0.6 0.2 0<br />

Wind 0.6 0.2 0<br />

Temperatur (keine Brände) 0.6 0.5 0<br />

Baugr<strong>und</strong>setzungen 1.0 1.0 1.0<br />

Tabelle 11.5.1: Kombinationsbeiwerte<br />

Der Beiwert ψ 1 soll so festgelegt werden, daß seine Überschreitungshäufigkeit 5%, bezogen auf<br />

die Referenzzeit, beträgt. Der Beiwert ψ 2 entspricht dem langfristigen Mittelwert.<br />

Die Lastkombinationen werden wie bei Turkstra angesetzt, d.h. beispielsweise bei einem Vergleich<br />

von (vektoriellen) Schnittgrößen symbolisch (’’⊕’’ als Operationszeichen für ’’in Kombination<br />

mit’’)fürallej =1,...,n<br />

à (<br />

M<br />

E γ G,i G k,i ⊕ γ P P k ⊕ γ Q,,j Q k,,j ⊕ M )!<br />

ψ 0,i γ Q,i Q k,i ⊆ W<br />

i≥1<br />

i6=j<br />

µ<br />

..., r <br />

k,i<br />

,...<br />

γ m,i<br />

(11.5.2)<br />

Hierin bedeutet E(.) die Lastwirkung, P (.) eine Vorspannung <strong>und</strong> W (.) der Widerstand. Bei<br />

Traglastnachweisen ist<br />

(<br />

M<br />

γ G,i G k,i ⊕ γ P P k ⊕ γ Q,,j Q k,,j ⊕ M )<br />

ψ 0,i γ Q,i Q k,i<br />

i≥1<br />

i6=j<br />

Ã<br />

⊆ T ..., r k,i<br />

,..., M γ<br />

γ G,i G k,i ⊕ γ P P k ⊕ γ Q,,j Q k,,j ⊕ M !<br />

ψ 0,i γ Q,i Q k,i (11.5.3)<br />

T,i i≥1<br />

i6=j<br />

wobei T (.) die von der jeweiligen Kombination abhängige Traglast <strong>und</strong> γ T,i die für denTraglastnachweis<br />

geltenden Teilsicherheitsbeiwerte für die Tragwerkseigenschaften. Man beachte, daß<br />

damit <strong>im</strong>mer auch ein Lastpfad vorgegeben ist, d.h. es werden die Längen von Vektoren in einer<br />

best<strong>im</strong>mten Richtung verglichen.<br />

Die Teilsicherheitsbeiwerte auf der Widerstandsseite berücksichtigen die Streuungen sowie die mechanische<br />

Bedeutung der jeweiligen Basisvariablen. Für Tragfähigkeitsnachweise auf der Ebene<br />

der Schnittgrößen gelten beispielsweise die in Tabelle 11.5.3 angegebenen Teilsicherheitsbeiwerte.<br />

Die angegebenen Teilsicherheitsbeiwerte gelten nicht für kumulative Vorgänge wie bei Materialermüdung.<br />

Geometrische Unsicherheiten werden in der Regel durch gewisse Erhöhungen der Teilsicherheitsbeiwerte<br />

auf der Widerstandseite berücksichtigt, bei großer Empfindlichkeit gegenüber<br />

diesen Unsicherheiten, wie z.B. bei Stabilitätsaufgaben, durch gesonderte Angaben über Imper-<br />

339


Rackwitz - <strong>Zuverlässigkeit</strong> <strong>und</strong> <strong>Lasten</strong> <strong>im</strong> <strong>konstruktiven</strong> <strong>Ingenieurbau</strong><br />

fektionen. Sowohl Kombinationsbeiwerte wie auch Teilsicherheitsbeiwerte sind wenigstens z.T.<br />

zuverlässigkeitstheoretisch begründbar.<br />

Versagen Einwirkung Charakteristische Außergewöhnliche<br />

Situation Situation<br />

Verlust der Lagesicherheit ständig ungünstig<br />

1.1<br />

günstig<br />

0.9<br />

1.0<br />

veränderlich vorherschend 1.5<br />

begleitend 1.5ψ 0<br />

ψ 2<br />

ψ 2<br />

außergewöhnlich - 1.0<br />

Verlust der Tragfähigkeit ständig ungünstig<br />

1.35<br />

günstig<br />

1.0<br />

1.0<br />

Vorspannung<br />

ungünstig 1.1<br />

günstig 0.9<br />

1.0<br />

Erdruhedruck 1.2 1.0<br />

veränderlich vorherschend 1.5<br />

begleitend 1.5ψ 0<br />

ψ 2<br />

ψ 2<br />

außergewöhnlich - 1.0<br />

Verlust der Gesamtstandsicherheit ständig 1.0 1.0<br />

(Böschungs- oder Geländebruch) veränderlich vorherschend 1.3<br />

begleitend 1.3ψ 0<br />

ψ 2<br />

ψ 2<br />

außergewöhnlich - 1.0<br />

Verlust der Gebrauchstauglichkeit ständig 1.0 0<br />

veränderlich vorherrschend<br />

begleitend<br />

ψ 1<br />

ψ 2<br />

0<br />

Tabelle 11.5.2: Teilsicherheitsbeiwerte für Einwirkungen (vereinfacht)<br />

Bauweise Baustoff Charakteristische Außergewöhnliche<br />

Situation Situation<br />

Beton-Spannstahl 1.15<br />

1.0<br />

Stahl- <strong>und</strong> Spannbetonbau<br />

Beton<br />

1.5<br />

1.3<br />

EN 1992<br />

unbewehrter Beton 1.8<br />

1.56<br />

Stahlbau<br />

Baustahl<br />

1.1<br />

1.0<br />

EN 1993<br />

Holzbau<br />

EN 1995<br />

Verb<strong>und</strong>bau/Stahl-Beton<br />

EN 1994<br />

Mauerwerksbau<br />

EN 1996<br />

Aluminiumbau<br />

EN 1999<br />

Verbindungsmittel<br />

Holz<br />

Stahl, Verbindungsmittel<br />

Baustahl<br />

Beton<br />

Betonstahl<br />

Mauerwerk<br />

Wandanker, Bänder<br />

Stahl<br />

Aluminium<br />

Verbindungsmittel<br />

1.25<br />

1.3<br />

1.1<br />

1.1<br />

1.5<br />

1.15<br />

1.7<br />

2.5<br />

1.15<br />

1.1<br />

1.25<br />

1.0<br />

1.0<br />

1.0<br />

1.0<br />

1.3<br />

1.0<br />

1.2<br />

2.5<br />

1.0<br />

Tabelle 11.5.3: Teilsicherheitsbeiwerte für Widerstände bei Nachweisen des Grenzzustandes der<br />

Tragfähigkeit (vereinfacht)<br />

1.0<br />

1.0<br />

340


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