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Die DAfStb-Richtlinie Stahlfaserbeton - Lehrstuhl für Massivbau

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K. Zilch; J. Lingemann<br />

<strong>Die</strong> <strong>DAfStb</strong>-<strong>Richtlinie</strong> <strong>Stahlfaserbeton</strong><br />

<strong>Die</strong> <strong>DAfStb</strong>-<strong>Richtlinie</strong> <strong>Stahlfaserbeton</strong><br />

Wesentliche Entwicklungen, Anwendung,<br />

bauaufsichtliche Einführung<br />

Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Dr.-Ing. E.h. Konrad Zilch<br />

<strong>Lehrstuhl</strong> <strong>für</strong> <strong>Massivbau</strong>, Technische Universität München<br />

Dipl.-Ing. Jan Lingemann<br />

Büchting+Streit GmbH (ehemals: <strong>Lehrstuhl</strong> <strong>für</strong> <strong>Massivbau</strong>, Technische Universität München)<br />

Einleitung<br />

<strong>Die</strong> Anwendung von Stahlfasern zur Verbesserung der Nachbrucheigenschaften von Beton ist<br />

bereits seit den 1960er Jahren Gegenstand der Forschung. In den 1990er Jahren sind die ersten<br />

offiziellen Bemessungsregeln <strong>für</strong> <strong>Stahlfaserbeton</strong> veröffentlicht worden (RILEM<br />

Recommendations, SIA 162/6, DBV-Merkblatt). In den vergangenen Jahren wurde in<br />

Deutschland durch den Deutschen Ausschuss <strong>für</strong> Stahlbeton die <strong>Richtlinie</strong> <strong>Stahlfaserbeton</strong> [1]<br />

erarbeitet. Gegenüber dem DBV Merkblatt von 2001 werden hierin neue Erkenntnisse<br />

berücksichtigt und die Nachweisformate vereinfacht. <strong>Die</strong> <strong>Richtlinie</strong> soll voraussichtlich Ende<br />

2009 oder Anfang 2010 veröffentlicht werden. Außerdem ist die bauaufsichtliche Einführung<br />

vorgesehen.<br />

Allgemeines über <strong>Stahlfaserbeton</strong><br />

Stahlfasern können die mechanischen Eigenschaften des Betons beeinflussen. Sie haben dabei<br />

im Wesentlichen Einfluss auf das Nachbruchverhalten des Betons. Im ungerissenen Zustand<br />

haben die Stahlfasern nur einen geringen Einfluss, der in der Regel vernachlässigt wird.<br />

Deshalb werden hinsichtlich der Druck- und Zugfestigkeit sowie des E-Moduls eines<br />

<strong>Stahlfaserbeton</strong>s die Werte von Beton ohne Stahlfasern angenommen.<br />

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K. Zilch; J. Lingemann<br />

<strong>Die</strong> <strong>DAfStb</strong>-<strong>Richtlinie</strong> <strong>Stahlfaserbeton</strong><br />

Das Verhalten von <strong>Stahlfaserbeton</strong> im Nachbruchbereich ist in Bild 1 dargestellt. Beim<br />

unbewehrten Beton führt das stark entfestigende Nachbruchverhalten zu einem spröden<br />

Versagen. Im Prüfkörper aus Stahlbeton kann, abhängig vom Bewehrungsgrad, die Last<br />

deutlich über die Risslast hinaus gesteigert werden. <strong>Stahlfaserbeton</strong> hingegen zeigt im<br />

Nachbruchbereich bei üblichen Faserarten und -dosierungen in der Regel auch ein<br />

entfestigendes Materialverhalten. Allerdings ist gegenüber unbewehrtem Beton eine deutlich<br />

gesteigerte Restfestigkeit vorhanden.<br />

Bild 1: Verhalten von unbewehrtem Beton, Stahlbeton und <strong>Stahlfaserbeton</strong> im<br />

Biegezugversuch<br />

Das Tragverhalten von <strong>Stahlfaserbeton</strong> wird unter anderem durch folgende Faktoren<br />

beeinflusst:<br />

• Verankerung bzw. Ausziehverhalten der Stahlfasern<br />

• Streuung der Nachrisszugfestigkeit von <strong>Stahlfaserbeton</strong><br />

• Orientierung der Stahlfasern<br />

Verankerung bzw. Ausziehverhalten der Stahlfasern<br />

Zur Herstellung von <strong>Stahlfaserbeton</strong> können die unterschiedlichsten Arten von Stahlfasern<br />

eingesetzt werden. Bild 2 gibt einen Überblick über die meisten gebräuchlichen Faserarten. In<br />

der ersten Spalte sind Stahldrahtfasern mit Endverankerungen dargestellt. <strong>Die</strong> heute üblichste<br />

Art der Endverankerung sind Endabkröpfungen. Das unterste Bild zeigt eine Endverankerung<br />

in Form von abgeplatteten Enden. In der mittleren Spalte sind Stahldrahtfasern mit<br />

kontinuierlicher Verankerung dargestellt. Hier sind heute im Wesentlichen gewellte Fasern<br />

üblich. Im mittleren Bild ist die kontinuierliche Verankerung mit einer Endverankerung<br />

kombiniert. Im unteren Bild sind profilierte Fasern dargestellt. In der rechten Spalte sind<br />

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<strong>Die</strong> <strong>DAfStb</strong>-<strong>Richtlinie</strong> <strong>Stahlfaserbeton</strong><br />

Faserarten dargestellt, die <strong>für</strong> normalfeste Faserbetone in der Regel nur selten verwendet<br />

werden, wie Blechfasern, gespante Fasern oder Mikrofasern.<br />

Bild 2: Übliche Formen von Stahlfasern (aus [2])<br />

Der Einfluss der Stahlfasern auf das Nachbruchverhalten von Beton ist dadurch zu erklären,<br />

dass die Stahlfasern im Nachbruchbereich Risse im Beton überbrücken und somit Zugkräfte<br />

über Risse hinweg übertragen können (Bild 3). Hier<strong>für</strong> ist eine ausreichende Verankerung der<br />

Fasern im Beton erforderlich. <strong>Die</strong> Lastübertragung vom Beton in die Fasern erfolgt zum Teil<br />

im Bereich des Rissufers, an dem die Stahlfasern umgelenkt werden. Der maßgebende Teil der<br />

Lastübertragung erfolgt bei Endverankerten Fasern jedoch im Bereich der Endverankerung.<br />

<strong>Die</strong> Wirksamkeit der Fasern hängt wesentlich von der Verankerung ab. <strong>Die</strong>se wiederum ist<br />

stark von der Faserart, dem Beton sowie dem Zusammenwirken von Fasern und Beton<br />

abhängig.<br />

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K. Zilch; J. Lingemann<br />

<strong>Die</strong> <strong>DAfStb</strong>-<strong>Richtlinie</strong> <strong>Stahlfaserbeton</strong><br />

Bild 3: „Vernadelung“ von Rissen durch Stahlfasern und Lastweiterleitung vom<br />

Beton in die Fasern<br />

Aufgrund der zahlreichen Einflussparameter hinsichtlich der Wirksamkeit der Stahlfasern ist<br />

<strong>für</strong> jede Betonrezeptur mit einer speziellen Betonzusammensetzung und einer speziellen<br />

Faserart eine neue Erstprüfung erforderlich. Anhand einer pauschalen Angabe von<br />

Fasergehalten ist keine Beurteilung der Leistungsfähigkeit von <strong>Stahlfaserbeton</strong> möglich. <strong>Die</strong><br />

Gleichung<br />

höherer Fasergehalt = höhere Nachrisszugfestigkeit<br />

ist ebenso nicht in allen Fällen korrekt.<br />

Streuung der Nachrisszugfestigkeit von <strong>Stahlfaserbeton</strong><br />

Bei der Bestimmung der Nachrisszugfestigkeit an balkenartigen Prüfkörpern mit<br />

Querschnitten von 15 cm x 15 cm werden häufig relativ große Streuungen mit<br />

Variationskoeffizienten von ca. 25 % festgestellt. <strong>Die</strong> Ursache hier<strong>für</strong> liegt in der Verteilung<br />

der Fasern. Bei kleinen Querschnittsflächen ist es leicht möglich, dass entweder sehr viele<br />

oder sehr wenige Fasern den Rissquerschnitt kreuzen. Hier werden daher häufig große<br />

Streuungen der Nachrisszugfestigkeiten beobachtet. Mit zunehmender Querschnittsgröße<br />

nimmt die Wahrscheinlichkeit ab, dass über den ganzen Querschnitt entweder sehr hohe oder<br />

sehr geringe Faseranzahlen vorhanden sind. Bei größeren Querschnitten ist die Streuung der<br />

Nachrisszugfestigkeit daher deutlich geringer. <strong>Die</strong>ser Zusammenhang wurde durch<br />

experimentelle Untersuchungen am <strong>Lehrstuhl</strong> <strong>für</strong> <strong>Massivbau</strong> der Technischen Universität<br />

München belegt [4] (Bild 4).<br />

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<strong>Die</strong> <strong>DAfStb</strong>-<strong>Richtlinie</strong> <strong>Stahlfaserbeton</strong><br />

Fasern/cm²<br />

1,2<br />

1,0<br />

0,8<br />

0,6<br />

0,4<br />

0,2<br />

0,0<br />

0 200 400 600 800 1000 1200<br />

Fläche [cm²]<br />

Messwerte<br />

Mittelwert der<br />

Messwerte<br />

Bild 4: In Sägeschnittoberflächen ermittelte Faseranzahl je cm² in Abhängigkeit der<br />

Bezugsfläche<br />

Bei der Entwicklung der <strong>Richtlinie</strong> führte dieses zu kontroversen Diskussionen. Würde man<br />

die Nachrisszugfestigkeit an größeren Prüfkörpern ermitteln, würden sich bei gleichen<br />

Mittelwerten der Nachrisszugfestigkeit der Nachrisszugfestigkeit höhere 5 %-Quantilwerte<br />

ergeben als in kleinformatigen Prüfkörpern. <strong>Die</strong> Ermittlung der Nachrisszugfestigkeit an<br />

größeren Prüfkörpern ist jedoch unhandlicher, aufwändiger und unwirtschaftlicher.<br />

Andererseits würde der Ansatz der in den kleinformatigen Prüfkörpern ermittelten<br />

5 %-Quantilwerte der Nachrisszugfestigkeit bei der Bemessung von größeren Bauteilen zu<br />

sehr unwirtschaftlichen Ergebnisse führen.<br />

In die <strong>Richtlinie</strong> <strong>Stahlfaserbeton</strong> wurden die <strong>für</strong> die Durchführung der Prüfungen günstigeren<br />

kleinformatigen Prüfkörper gewählt. Um dennoch auch <strong>für</strong> größere Bauteile eine<br />

wirtschaftliche Bemessung sicherzustellen, wird bei der Ermittlung des Rechenwertes der<br />

Nachrisszugfestigkeit f f ctR,Li der Korrekturfaktor κ f G eingeführt. Am <strong>Lehrstuhl</strong> <strong>für</strong> <strong>Massivbau</strong><br />

der Technischen Universität München wurde wissenschaftlich bestätigt, dass der Ansatz des<br />

Korrekturfaktors κ f G eine wirtschaftlichen Bemessung sowie die Einhaltung des erforderlichen<br />

Sicherheitsniveaus ermöglicht [4] (Bild 5).<br />

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<strong>Die</strong> <strong>DAfStb</strong>-<strong>Richtlinie</strong> <strong>Stahlfaserbeton</strong><br />

κκκκ f G bzw. κκκκ f G,cal [-]<br />

1,8<br />

1,6<br />

1,4<br />

1,2<br />

1<br />

0,8<br />

0,6<br />

0,4<br />

0,2<br />

0<br />

genauer Ansatz <strong>für</strong> kfG (bei Normalverteilung)<br />

genauer Ansatz <strong>für</strong> kfG (bei Log-Normalverteilung)<br />

κ f G<br />

κ f G,cal<br />

κ f G,cal<br />

gemäß <strong>Richtlinie</strong> ''<strong>Stahlfaserbeton</strong>''<br />

0 0,2 0,4 0,6 0,8 1 1,2 1,4 1,6<br />

gezogene Querschnittsfläche A ct [m²]<br />

Bild 5: Analytisch ermittelter Faktor κκκκ f G zur Einhaltung des erforderlichen<br />

Zuverlässigkeitsniveaus sowie vereinfachter linearer Ansatz gemäß <strong>Richtlinie</strong><br />

Berücksichtigung der Orientierung der Stahlfasern<br />

<strong>Die</strong> Orientierung der Stahlfasern hat wesentlichen Einfluss auf die Wirksamkeit der Fasern.<br />

<strong>Die</strong>s zeigt sich z. B. beim Vergleich der Nachrisszugfestigkeiten von liegend und stehend<br />

hergestellten Prüfkörpern. Bei liegend hergestellten, flächigen Prüfkörpern werden in den<br />

Richtungen parallel zur Bauteilebene i. d. R. die höchsten Nachrisszugfestigkeiten gemessen.<br />

In allen anderen Fällen (nicht liegend hergestellte oder nicht flächige Bauteile) wird die<br />

Anrechenbare Nachrisszugfestigkeit f f ctR,Li gemäß <strong>Richtlinie</strong> um den Faktor κ f F = 0,5<br />

reduziert. Hiermit wird die Unsicherheit der Faserorientierung ausreichend berücksichtigt.<br />

Allgemeines zur <strong>DAfStb</strong> <strong>Richtlinie</strong> <strong>Stahlfaserbeton</strong><br />

Bearbeitungsstand der <strong>Richtlinie</strong><br />

<strong>Die</strong> Schlussfassung der <strong>Richtlinie</strong> wurde vom Vorstand des <strong>DAfStb</strong> verabschiedet und wird in<br />

Kürze veröffentlicht und voraussichtlich Anfang 2011 bauaufsichtlich eingeführt werden. <strong>Die</strong><br />

bauaufsichtliche Einführung im Hinblick auf Bauproduktenanforderungen ist in der<br />

Bauregelliste A und im Hinblick auf die Ausführungs- und Bemessungsregeln in der Liste der<br />

technischen Baubestimmungen vorgesehen.<br />

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K. Zilch; J. Lingemann<br />

<strong>Die</strong> <strong>DAfStb</strong>-<strong>Richtlinie</strong> <strong>Stahlfaserbeton</strong><br />

Gliederung der <strong>Richtlinie</strong><br />

<strong>Die</strong> Gliederung der <strong>Richtlinie</strong> entspricht exakt der Gliederung von DIN 1045:2008-08.<br />

Allerdings werden in der <strong>Richtlinie</strong> nur solche Abschnitte aufgeführt, in denen Änderungen<br />

gegenüber DIN 1045:2008-08 vorhanden sind. Unveränderte Abschnitte aus DIN 1045:2008-<br />

08 gelten unverändert und werden in der <strong>Richtlinie</strong> daher nicht erneut aufgeführt. <strong>Die</strong> <strong>DAfStb</strong>-<br />

<strong>Richtlinie</strong>n „Betonbau beim Umgang mit wassergefährdenden Stoffen“ und<br />

„Wasserundurchlässige Bauwerke aus Beton“ gelten unverändert parallel zur <strong>Richtlinie</strong><br />

„<strong>Stahlfaserbeton</strong>“.<br />

Geltungsbereich<br />

Der Geltungsbereich der <strong>Richtlinie</strong> umfasst:<br />

• Bemessung und Konstruktion von Tragwerken des Hoch- und Ingenieurbaus aus<br />

<strong>Stahlfaserbeton</strong> sowie <strong>Stahlfaserbeton</strong> mit Betonstahlbewehrung.<br />

• <strong>Stahlfaserbeton</strong> bis einschließlich zur Druckfestigkeitsklasse C50/60.<br />

• Verwendung von Stahlfasern mit formschlüssiger, mechanischer Verankerung. Glatte,<br />

gerade Stahlfasern sind somit nicht zulässig. Als verankert gelten gewellte Fasern, Fasern<br />

mit Endabkröpfungen und Fasern mit aufgestauchten Köpfchen.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Richtlinie</strong> gilt nicht <strong>für</strong>:<br />

• Bauteile aus vorgespanntem <strong>Stahlfaserbeton</strong><br />

• gefügedichten und haufwerksporigen Leichtbeton<br />

• hochfesten Beton der Druckfestigkeitsklassen ab C55/67<br />

• selbstverdichtenden Beton<br />

• Stahlfaserspritzbeton<br />

• <strong>Stahlfaserbeton</strong> ohne Betonstahlbewehrung in den Expositionsklassen XS2, XD2, XS3<br />

und XD3, bei denen die Stahlfasern rechnerisch in Ansatz gebracht werden<br />

Grund <strong>für</strong> diese Einschränkungen ist, dass bislang nur wenig Experimentelle und praktische<br />

Erfahrungen mit den ausgeschlossenen Anwendungsbereichen vorliegen. <strong>Die</strong> letztgenannte<br />

Einschränkung ist durch den Ausfall der Stahlfasern infolge von Korrosion bei Einwirkung<br />

von Chloriden aus Meerwasser bzw. aus Tausalzen begründet.<br />

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<strong>Die</strong> <strong>DAfStb</strong>-<strong>Richtlinie</strong> <strong>Stahlfaserbeton</strong><br />

Bemessung von Bauteilen nach Teil 1 der <strong>Richtlinie</strong><br />

Grundsätzliches<br />

Wie oben gezeigt weist <strong>Stahlfaserbeton</strong> in der Regel ein entfestigendes Materialverhalten auf.<br />

Da die Risslast nicht allein durch die Stahlfasern aufgenommen werden kann, gilt gemäß der<br />

<strong>Richtlinie</strong> folgender Grundsatz <strong>für</strong> die Bemessung:<br />

Nach Ausbildung von Rissen bis zum Erreichen des Grenzzustandes der<br />

Tragfähigkeit am Gesamttragsystem (Systemgleichgewicht) muss ein<br />

Gleichgewichtssystem nachgewiesen werden, z.B. durch:<br />

- Schnittgrößenumlagerung innerhalb statisch unbestimmter Systeme<br />

- Kombination mit Betonstahlbewehrung<br />

- Normaldruckkräfte infolge äußerer Einwirkungen<br />

<strong>Die</strong> Anwendung von <strong>Stahlfaserbeton</strong> ohne Betonstahlbewehrung wird hierdurch auf Fälle<br />

eingeschränkt, in denen nach einer Momentenumlagerung ein Systemgleichgewicht<br />

nachweisbar ist oder in denen die Zugzone durch Normaldruckkräfte klein gehalten wird<br />

(insbesondere im Hinblick auf Tübbinge aus <strong>Stahlfaserbeton</strong>). Im Regelfall werden<br />

Stahlfasern als Ergänzung zur Betonstahlbewehrung vorgesehen.<br />

Materialien und Herstellung<br />

Wie im Geltungsbereich der <strong>Richtlinie</strong> definiert, dürfen nur Stahlfasern mit mechanischer<br />

Verankerung verwendet werden. <strong>Die</strong> Fasern müssen den Anforderungen von DIN 14899<br />

genügen.<br />

Für <strong>Stahlfaserbeton</strong> müssen die Fasern nach Teil 2 der <strong>Richtlinie</strong> im Herstellwerk zugegeben<br />

werden. Hierdurch soll eine kontrollierte Zugabe der Fasern mit exakter Dosierung und unter<br />

Verhinderung von lokalen Faseransammlungen (Igeln) sichergestellt werden.<br />

Da die Abstimmung der Fasern auf den Beton wesentlich <strong>für</strong> die Leistungsfähigkeit eines<br />

<strong>Stahlfaserbeton</strong>s ist, darf <strong>Stahlfaserbeton</strong> nicht als Beton nach Zusammensetzung geliefert<br />

werden. <strong>Stahlfaserbeton</strong> ist somit grundsätzlich Beton nach Eigenschaften. <strong>Die</strong> Eigenschaften<br />

des Betons – im Fall des <strong>Stahlfaserbeton</strong>s die Leistungsklassen – sind durch den<br />

Betonhersteller sicherzustellen. <strong>Die</strong>ser muss <strong>für</strong> jede Betonsorte eine Erstprüfung durchführen.<br />

<strong>Die</strong> Einhaltung der Anforderungen entsprechend der Erstprüfung wird durch jährliche erneute<br />

Prüfung sichergestellt.<br />

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<strong>Die</strong> <strong>DAfStb</strong>-<strong>Richtlinie</strong> <strong>Stahlfaserbeton</strong><br />

Expositionsklassen und Betondeckung<br />

Hinsichtlich des Korrosionsschutzes sind Stahlfasern im Allgemeinen günstiger zu beurteilen<br />

als Betonstahlbewehrung. <strong>Die</strong>s ist darauf zurückzuführen, dass bei Fasern aufgrund der<br />

geringen Ausdehnung keine Ausbildung von Korrosions-Elementen auftritt. Fasern können<br />

zwar oberflächennah korrodieren und gegebenenfalls Rostverfärbungen verursachen. Eine<br />

Beeinträchtigung der Dauerhaftigkeit ist damit nach Definition in der <strong>Richtlinie</strong> nicht gegeben.<br />

Außerdem sind die Sprengdrücke infolge der Korrosion der Fasern so gering, dass in der<br />

Regel keine Betonabplatzungen auftreten.<br />

Es ist zu beachten, dass <strong>Stahlfaserbeton</strong> als Beton mit eingebettetem Metall eingestuft wird<br />

und daher nicht der Expositionsklasse X0 zugeordnet werden darf. In den Expositionsklassen<br />

XS2, XD2, XS3 und XD3 darf die Stahlfaserwirkung nach der <strong>Richtlinie</strong> nicht angesetzt<br />

werden.<br />

Hinsichtlich des konstruktiven Brandschutzes müssen <strong>für</strong> <strong>Stahlfaserbeton</strong> nach der <strong>Richtlinie</strong><br />

die Anforderungen nach DIN 4102-4:1994-03, Abschnitte 3 oder 4 (Wände) bzw.<br />

DIN 4102-22:2004-11 eingehalten werden.<br />

Bemessungswert der Nachrisszugfestigkeit<br />

Im Rahmen der Erstprüfung von <strong>Stahlfaserbeton</strong> wird die Nachrisszugfestigkeit in<br />

weggesteuerten Biegezugversuchen ermittelt. Im Unterschied zum DBV-Merkblatt [3], nach<br />

dem aus der Fläche unter der Last-Verformungslinie des Versuchskörpers die äquivalente<br />

Nachrisszugfestigkeit ermittelt wurde, werden nach der <strong>DAfStb</strong>-<strong>Richtlinie</strong> <strong>Stahlfaserbeton</strong><br />

residuale Nachrisszugfestigkeiten ermittelt. Hier<strong>für</strong> werden die vom Prüfkörper aufnehmbaren<br />

Lasten bei Durchbiegungen von 0,5 mm bzw. 3,5 mm direkt aus der Last-Verformungslinie<br />

abgelesen und die Nachrisszugfestigkeiten <strong>für</strong> die Leistungsklassen L1 und L2 hieraus<br />

ermittelt (Bild 6).<br />

Bild 6: Ermittlung der Nachrissbiegezugfestigkeit im Biegezugversuch<br />

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<strong>Die</strong> <strong>DAfStb</strong>-<strong>Richtlinie</strong> <strong>Stahlfaserbeton</strong><br />

Mit der Angabe der Leistungsklassen des <strong>Stahlfaserbeton</strong>s kann aus Tabelle R.3 der <strong>Richtlinie</strong><br />

(Bild 7) der Grundwert der ansetzbaren zentrischen Nachrisszugfestigkeit f f ct0,Li <strong>für</strong> die<br />

jeweilige Leistungsklasse Li ermittelt werden. Hieraus wird der Rechenwert der zentrischen<br />

Nachrisszugfestigkeit f f ctR,Li gemäß Bild 8 ermittelt.<br />

Bild 7: Grundwerte der Nachrisszugfestigkeiten <strong>für</strong> die einzelnen Leistungsklassen<br />

(aus [1])<br />

f f ctR,Li= κ f F · κ f G · f f ct0,Li<br />

Bild 8: Ermittlung des Rechenwertes der zentrischen Nachrisszugfestigkeit aus dem<br />

Grundwert der zentrischen Nachrisszugfestigkeit (aus [1])<br />

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<strong>Die</strong> <strong>DAfStb</strong>-<strong>Richtlinie</strong> <strong>Stahlfaserbeton</strong><br />

Der Bemessungswert der Nachrisszugfestigkeit wird gemäß Bild 9 aus dem Rechenwert der<br />

Nachrisszugfestigkeit bestimmt. Für die Bemessung darf einerseits eine Spannungs-<br />

Dehnungs-Linie mit einem von abfallendem Ast entsprechend dem tatsächlichen Verhalten<br />

von <strong>Stahlfaserbeton</strong> angesetzt werden. Hierbei ist bei kleinen Dehnungen die<br />

Nachrisszugfestigkeit der Leistungsklasse 1 (Index L1) und bei höheren Dehnungen die<br />

Nachrisszugfestigkeit der Leistungsklasse 2 (Index L2) ansetzbar. Alternativ darf mit einem<br />

rechteckigen Spannungsblock gerechnet werden (Index u bzw. s).<br />

Bild 9: Ansatz der Nachrisszugfestigkeit bei der Bemessung (aus [1])<br />

Ansatz der Nachrisszugfestigkeit bei der Bemessung<br />

<strong>Die</strong> Nachrisszugfestigkeit darf bei den Nachweisen der Tragfähigkeit sowie bei den<br />

Nachweisen der Gebrauchstauglichkeit angesetzt werden. Beim Nachweis von<br />

knickgefährdeten Bauteilen oder stabilitätsgefährdeten schlanken Trägern darf die<br />

Stahlfaserwirkung jedoch nicht berücksichtigt werden.<br />

Biegebemessung<br />

Bei der Biegebemessung von Bauteilen aus <strong>Stahlfaserbeton</strong> darf die rechnerische Spannungs-<br />

Dehnungs-Linie gemäß Bild 9 angesetzt werden (siehe auch Bild 10). Es muss jedoch darauf<br />

hingewiesen werden, dass die Wirkung der Stahlfasern bei der Biegebemessung im Vergleich<br />

zur Betonstahlbewehrung sehr gering ist.<br />

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K. Zilch; J. Lingemann<br />

<strong>Die</strong> <strong>DAfStb</strong>-<strong>Richtlinie</strong> <strong>Stahlfaserbeton</strong><br />

Bild 10: Ansatz der Nachrisszugfestigkeit Biegebemessung von Bauteilen aus<br />

<strong>Stahlfaserbeton</strong> (aus [1])<br />

Querkraftbemessung<br />

Bei der Bemessung <strong>für</strong> Querkraft darf der Stahlfasertraganteil VRd,cf zu den Tragfähigkeiten<br />

des Betons ohne Bügel VRd,ct bzw. des Betons mit Bügeln VRd,sy hinzuaddiert werden (Bild 11).<br />

Bei Verwendung von <strong>Stahlfaserbeton</strong> darf auch bei balkenartigen Bauteilen (b ≤ 5h) die<br />

Mindestquerkraftbewehrung aus Betonstahl auf null reduziert werden. Bei der Ermittlung des<br />

Mindestquerkraftbewehrungsgrades darf die Stahlfasertragwirkung nach Bild 11 angesetzt<br />

werden.<br />

mit:<br />

Bild 11: Formeln <strong>für</strong> die Querkraftbemessung von Bauteilen aus <strong>Stahlfaserbeton</strong><br />

(aus [1])<br />

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<strong>Die</strong> <strong>DAfStb</strong>-<strong>Richtlinie</strong> <strong>Stahlfaserbeton</strong><br />

Rissbreitenbeschränkung<br />

Bei den Nachweisen der Rissbreitenbeschränkung wird die Stahlfasertragwirkung durch den<br />

Ausdruck (1 - αf) berücksichtigt. Hierin ist αf das Verhältnis zwischen dem Rechenwert der<br />

zentrischen Nachrisszugfestigkeit und dem Mittelwert der zentrischen Zugfestigkeit des<br />

Betons. Der Ausdruck (1 - αf) beschreibt somit den Anteil der Beanspruchung, der nicht durch<br />

die Stahlfasern aufgenommenen werden kann und mit Betonstahlbewehrung abzudecken ist.<br />

mit:<br />

Bild 12: Ermittlung der Mindestbewehrung zur Beschränkung der Rissbreite (aus [1])<br />

Zusammenfassung<br />

<strong>Die</strong> <strong>Richtlinie</strong> „<strong>Stahlfaserbeton</strong>“ des Deutschen Ausschusses <strong>für</strong> <strong>Stahlfaserbeton</strong> steht kurz vor<br />

der Veröffentlichung. Im Anschluss ist die bauaufsichtliche Einführung der <strong>Richtlinie</strong> geplant.<br />

<strong>Die</strong> Gliederung der <strong>Richtlinie</strong> ist direkt an die Gliederung der DIN 1045 angelehnt. In der<br />

<strong>Richtlinie</strong> werden dabei nur solche Absätze ausformuliert, in welchen sich durch<br />

Berücksichtigung der Stahlfasertragwirkung Änderungen gegenüber der DIN 1045 ergeben.<br />

Mit der <strong>Richtlinie</strong> wird somit ein durchgehend konsistentes Konzept sowohl zur Bemessung<br />

als auch zur Überwachung des Baustoffes <strong>Stahlfaserbeton</strong> verfügbar sein.<br />

Literatur<br />

[1] Deutscher Ausschuss <strong>für</strong> Stahlbeton (<strong>DAfStb</strong>): <strong>Richtlinie</strong> <strong>Stahlfaserbeton</strong>.<br />

Schlussfassung Juli 2009<br />

[2] Holschemacher, K.; Klug, Y.; Dehn, F.; Wörner, J.-D.: Faserbeton. In: Betonkalender<br />

2006, Band 1. Berlin: Ernst und Sohn<br />

[3] Deutscher Betonverein: Merkblatt <strong>Stahlfaserbeton</strong>. 2001<br />

[4] Lingemann, J.; Zilch, K.: Zum Einfluss der Bauteilgröße auf das Tragverhalten von<br />

Bauteilen aus <strong>Stahlfaserbeton</strong>. In: Münchener <strong>Massivbau</strong> Seminar 2009<br />

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