Protokoll der 13. Sitzung des Ausschusses für Inneres - Landtag ...
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<strong>Landtag</strong> Brandenburg P-AI 5/13-1<br />
5. Wahlperiode<br />
Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong><br />
<strong>Protokoll</strong> – Teil 1<br />
<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> (öffentliche Anhörung)<br />
27. Januar 2011<br />
Potsdam - Haus <strong>des</strong> <strong>Landtag</strong>es<br />
<strong>13.</strong>00 Uhr bis 16.35Uhr<br />
Vorsitz:<br />
Britta Stark (SPD)<br />
<strong>Protokoll</strong>:<br />
Stenografischer Dienst/<br />
Anke Robert<br />
Anwesende Ausschussmitglie<strong>der</strong>:<br />
Danny Eichelbaum (CDU)<br />
Bettina Fortunato (DIE LINKE)<br />
Hans-Peter Goetz (FDP)<br />
Stefan Ludwig (DIE LINKE)<br />
Ursula Nonnemacher (GRÜNE/B90)<br />
Sven Petke (CDU)<br />
Dr. Hans-Jürgen Scharfenberg (DIE LINKE)<br />
Werner-Siegwart Schippel (SPD)<br />
stellvertretend Alwin Ziel (SPD)<br />
Datum <strong>der</strong> Ausgabe: 09.03.2011
<strong>Landtag</strong> Brandenburg P-AI 5/13-1 S. 2<br />
Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />
<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />
Tagesordnung:<br />
2. Siebentes Gesetz zur Än<strong>der</strong>ung <strong>des</strong> Brandenburgischen Polizeigesetzes,<br />
Gesetzentwurf <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> CDU, Drucksache 5/1442<br />
Anhörung<br />
Aus <strong>der</strong> Beratung:<br />
Vorsitzende: Meine Damen und Herren, ich begrüße Sie zu unserer heutigen <strong>Sitzung</strong><br />
<strong>des</strong> Innenausschusses.<br />
Vor Eintritt in die Tagesordnung begrüße ich ganz beson<strong>der</strong>s herzlich unseren Innenminister,<br />
Herrn Dr. Woidke; Herr Staatssekretär Zeep wird gleich eintreffen. Herzlich<br />
willkommen!<br />
Zur Form: Die Tagesordnung ist Ihnen am 17. Januar 2011 zugestellt worden. Gibt<br />
es zur Tagesordnung Bemerkungen o<strong>der</strong> Än<strong>der</strong>ungsvorschläge?<br />
Abgeordneter Ludwig (DIE LINKE):<br />
Da wir so viele Gäste haben, die wir umfänglich hören wollen, schlage ich vor, Tagesordnungspunkt<br />
1 entwe<strong>der</strong> als neuen Tagesordnungspunkt 2 o<strong>der</strong> am Ende <strong>der</strong><br />
Tagesordnung einordnen.<br />
Vorsitzende:<br />
Ich nehme gern auf, dass wir Tagesordnungspunkt 1 und Tagesordnungspunkt 2 aufgrund<br />
<strong>der</strong> vielen Gäste tauschen.<br />
Gibt es weitere Än<strong>der</strong>ungsanträge zur Tagesordnung? - Das ist nicht <strong>der</strong> Fall. Dann<br />
lasse ich über die Tagesordnung abstimmen. Wir beginnen also mit <strong>der</strong> Anhörung.<br />
TOP 2 wird Aktuelles sein; ansonsten bleibt die Tagesordnung wie vereinbart. Wer<br />
<strong>der</strong> so geän<strong>der</strong>ten Tagesordnung zustimmt, den bitte ich um sein Handzeichen. -<br />
Das ist die Mehrzahl. - Gegenstimmen? - Keine. - Enthaltungen? - Auch keine. Damit<br />
ist einstimmig so beschlossen.<br />
Die <strong>Protokoll</strong>e <strong>der</strong> <strong>Sitzung</strong>en vom 18. November 2010 sowie vom 2. Dezember 2010<br />
haben Sie erhalten. Gibt es Anmerkungen, Redeanzeigen o<strong>der</strong> Redebedarf dazu? -<br />
Das ist nicht <strong>der</strong> Fall. Dann stimmen wir über die beiden <strong>Protokoll</strong>e ab. Wer ihnen zustimmt,<br />
den bitte ich um sein Handzeichen. - Das ist die Mehrzahl. -<br />
Gegenstimmen? - Keine. - Enthaltungen? - Auch keine. Damit haben wir die <strong>Protokoll</strong>e<br />
einstimmig angenommen.
<strong>Landtag</strong> Brandenburg P-AI 5/13-1 S. 3<br />
Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />
<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />
Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:<br />
Siebentes Gesetz zur Än<strong>der</strong>ung <strong>des</strong> Brandenburgischen Polizeigesetzes,<br />
Gesetzentwurf <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> CDU, Drucksache 5/1442<br />
Die Anhörung wurde lange vorbereitet. Der Gesetzentwurf ist im Juli 2010 erörtert<br />
und dem <strong>Landtag</strong> zugeleitet worden. Da wir im Innenausschuss immer viel zu tun haben,<br />
haben wir uns gemeinsam darauf geeinigt, heute diesen Gesetzentwurf zu behandeln.<br />
Wir haben dazu Sachverständige eingeladen; die Teilnehmerliste habe ich Ihnen zukommen<br />
lassen. Ich schlage vor, dass wir die Anzuhörenden in 3 Gruppen einteilen<br />
und zunächst Herrn Dieter Glietsch, den Polizeipräsidenten von Berlin, anhören. Anschließend<br />
war Herr Rautenberg vorgesehen; er hat uns lei<strong>der</strong> aus Krankheitsgründen<br />
abgesagt. Es folgen Frau Dr. Hartge, die Lan<strong>des</strong>beauftragte <strong>für</strong> den Datenschutz,<br />
Herr Professor Hartmut Aden, die Gewerkschaften und Berufsvertretungen<br />
und <strong>der</strong> Deutsche Anwaltsverein. Herr Peter Schaare, <strong>der</strong> Bun<strong>des</strong>beauftragte <strong>für</strong> den<br />
Datenschutz hat lei<strong>der</strong> auch abgesagt.<br />
Ich bitte die Anzuhörenden, die Redezeit von zehn Minuten nicht zu überschreiten,<br />
und erteile nun Herrn Dieter Glietsch zum vorliegenden Gesetzentwurf das Wort.<br />
Herr Glietsch (Polizeipräsident Berlin):<br />
Ich möchte gern über meine Erfahrungen als Polizeipräsident in Berlin zu dem Thema<br />
berichten.<br />
Für die uniformierten Angehörigen <strong>der</strong> Berliner Polizei ist die Verpflichtung zum Tragen<br />
eines Namens- o<strong>der</strong> Dienstnummernschil<strong>des</strong> seit dem 26. November <strong>des</strong> vergangenen<br />
Jahres durch Geschäftsanweisung <strong>des</strong> Polizeipräsidenten geregelt. Dieser<br />
Regelung ist eine intensive und umfassende Diskussion vorausgegangen, die sowohl<br />
polizeiintern als auch öffentlich geführt wurde.<br />
In <strong>der</strong> Berliner Lan<strong>des</strong>politik wurde seit vielen Jahren immer wie<strong>der</strong> die For<strong>der</strong>ung<br />
nach einer gesetzlich geregelten sogenannten individuellen Kennzeichnung erhoben,<br />
zuletzt im Abgeordnetenhaus durch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit Antrag<br />
vom 1. Februar <strong>des</strong> Jahres 2007. Diese For<strong>der</strong>ungen beschränkten sich regelmäßig<br />
auf Einsatzeinheiten <strong>der</strong> Polizei und wurden mit <strong>der</strong> Behauptung begründet, die Identifizierbarkeit<br />
von Polizeibeamten, denen eine Straftat vorgeworfen wird, sei auf an<strong>der</strong>e<br />
Weise nicht zu gewährleisten.<br />
Eine vor diesem Hintergrund von mir im Jahr 2007 in Auftrag gegebene wissenschaftliche<br />
Untersuchung durch Prof. Dr. Rogall von <strong>der</strong> Freien Universität Berlin auf<br />
<strong>der</strong> Basis von 131 eingestellten Ermittlungsverfahren wegen Verdachts <strong>der</strong> Körperverletzung<br />
im Amt hat dies zwar so nicht bestätigt, <strong>der</strong> Gutachter kommt aber zu dem
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<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />
Ergebnis, dass eine individuelle Kennzeichnung <strong>der</strong> eingesetzten Polizeibeamten die<br />
Aufklärung <strong>der</strong> angezeigten Tat in 12 Fällen erleichtert hätte. In weiteren 10 Fällen<br />
war das nach seiner Einschätzung immerhin nicht auszuschließen. Dieses Ergebnis<br />
<strong>der</strong> Untersuchung war jedoch <strong>für</strong> meine Entscheidung, die Dienstkleidungsträger <strong>der</strong><br />
Berliner Polizei zum Tragen einer individuellen Kennzeichnung zu verpflichten, nicht<br />
ausschlaggebend. Ich bin vielmehr <strong>der</strong> Überzeugung, dass heute, in einer mo<strong>der</strong>nen<br />
und bürgernahen Polizei das Tragen von Namensschil<strong>der</strong>n zur Dienstkleidung eine<br />
selbstverständliche Geste <strong>der</strong> Bürger- und Kundenorientierung ist, die von den Bürgerinnen<br />
und Bürgern auch erwartet werden kann. Deshalb hatte ich bereits im Jahre<br />
2003 mit einer Geschäftsanweisung das freiwillige Tragen eines von <strong>der</strong> Behörde zur<br />
Verfügung gestellten Namensschil<strong>des</strong> empfohlen und in den Folgejahren auch intensiv<br />
da<strong>für</strong> geworben. Bis zum Jahr 2009 sind ca. 10 000 Namensschil<strong>der</strong> an die rund<br />
15.000 Dienstkleidungsträger <strong>der</strong> Berliner Polizei ausgegeben worden.<br />
Obwohl bis heute keinerlei Negativerfahrungen bekannt geworden sind, wurden Namensschil<strong>der</strong><br />
nur von einem Teil <strong>der</strong> Mitarbeiter getragen. Ein an<strong>der</strong>er, nicht geringer<br />
Teil lehnte das Tragen <strong>des</strong> Namensschil<strong>des</strong> ab und begründete dies mit <strong>der</strong> Angst<br />
vor Repressalien durch Rechtsbrecher. Dabei handelt es sich nach meiner Überzeugung<br />
um emotionale Vorbehalte, die sich nicht auf Tatsachen stützen, gleichwohl von<br />
mir ernstgenommen und in <strong>der</strong> Geschäftsanweisung auch berücksichtigt worden<br />
sind. Sie stellt es den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern frei, anstelle <strong>des</strong> Namensschil<strong>des</strong><br />
ein Schild mit einer fünfstelligen Dienstnummer an <strong>der</strong> Uniform zu tragen.<br />
An den Einsatzanzügen tragen die Angehörigen <strong>der</strong> Einsatzeinheit eine taktische<br />
Rückenkennzeichnung, die die individuelle Zuordnung ermöglicht.<br />
Die angeblich mit dem Bekanntwerden <strong>des</strong> Namens verbundenen Gefahren waren<br />
auch das Hauptargument in den Ablehnungsentscheidungen im personalvertretungsrechtlichen<br />
Beteiligungsverfahren, das erst im November 2010 durch eine Entscheidung<br />
<strong>der</strong> Einigungsstelle beendet werden konnte. Die These, das Bekanntwerden<br />
<strong>des</strong> Namens eines Polizeibeamten sei <strong>für</strong> ihn und seine Familie generell gefährlich,<br />
wurde in <strong>der</strong> seit Jahren andauernden Diskussion nie durch Fakten belegt. Eine Anonymisierung<br />
<strong>der</strong> im Dienst eingesetzten Beamten ist - jedenfalls wenn man sie generell<br />
vornehmen möchte - rechtlich unzulässig und auch faktisch unmöglich, da bei<br />
jedem polizeilichen Sachverhalt mit anschließen<strong>der</strong> Berichts- o<strong>der</strong> Anzeigenfertigung<br />
<strong>der</strong> Name <strong>des</strong> einschreitenden Beamten aktenkundig wird. Im Straf- o<strong>der</strong> Ordnungswidrigkeitenverfahren<br />
kann je<strong>der</strong> Beschuldigte o<strong>der</strong> Betroffene den Namen <strong>der</strong> einschreitenden<br />
Mitarbeiter in Erfahrung bringen. Sie treten aus Rechtsgründen als „Anzeigen<br />
durch Zeugen“ namentlich in Erscheinung. Es wäre daher auch unsinnig, die<br />
Namensschil<strong>der</strong> <strong>der</strong> Kriminalbeamten an den Bürotüren mit <strong>der</strong> Begründung zu entfernen,<br />
denn auch sie könnten von vorgeladenen o<strong>der</strong> festgenommenen Straftätern<br />
zur Identifizierung ihrer Strafverfolger genutzt werden.<br />
Unbestritten ist, dass die Zahl <strong>der</strong> Gewaltdelikte gegen Polizeibeamte hoch ist. Dies<br />
ist jedoch im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Einführung einer namentlichen Kennzeichnung<br />
irrelevant. Ziel <strong>der</strong> Angriffe ist in <strong>der</strong> Regel nicht die namentlich bekannte individuelle
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Person, son<strong>der</strong>n die staatliche Institution, also die Polizei als Repräsentant <strong>des</strong> Staates.<br />
Dabei ist es unerheblich, ob die einschreitende Dienstkraft ein Namensschild<br />
trägt o<strong>der</strong> nicht.<br />
Geltend gemacht wurde auch, dass sogenannte Retourkutschen nach Einführung einer<br />
Kennzeichnungspflicht ins Unermessliche steigen würden. Auch diese Be<strong>für</strong>chtung<br />
ist nicht begründet. Als Retourkutschen werden falsche Beschuldigungen gegen<br />
Polizeibeamte bezeichnet, die als Reaktion auf rechtmäßiges polizeiliches Handeln<br />
erhoben werden. Diese Möglichkeit besteht unabhängig davon, ob ein Polizeibeamter<br />
seinen Namen an <strong>der</strong> Uniform trägt o<strong>der</strong> nicht. Polizistinnen und Polizisten müssen<br />
sich, wenn sie identifizierbar sind, nicht vor falschen Anschuldigungen und Verdächtigungen<br />
<strong>für</strong>chten, weil diese sich in aller Regel als haltlos erweisen und weil Anonymität<br />
nicht vor falschen Anschuldigungen schützt.<br />
Mein Fazit aus <strong>der</strong> mehrjährigen intensiven Diskussion, die ich nicht nur im Rahmen<br />
<strong>des</strong> Beteiligungsverfahrens, son<strong>der</strong>n auch in einer Vielzahl von Dienststellenbesuchen<br />
mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geführt habe, lautet <strong>des</strong>halb: Polizeibeamtinnen<br />
und Polizeibeamte müssen akzeptieren, dass im freiheitlich-demokratischem<br />
Rechtsstaat je<strong>der</strong>, <strong>der</strong> von polizeilichen Maßnahmen betroffen ist, grundsätzlich<br />
einen Anspruch darauf hat zu wissen, wer in seine Rechte eingreift.<br />
Gefahren, denen Polizistinnen und Polizisten durch Rechtsbrecher ausgesetzt sind,<br />
erhöhen sich nicht dadurch, dass sie den Namen an <strong>der</strong> Uniform tragen. Für den, <strong>der</strong><br />
das trotzdem be<strong>für</strong>chtet, ist es gut, wenn er zwischen Name und Dienstnummer wählen<br />
kann. Weil es keinen überzeugenden Grund da<strong>für</strong> gibt, die Namen <strong>der</strong> Polizeibeamtinnen<br />
und Polizeibeamten generell geheim zu halten, hat <strong>der</strong> Berliner Beauftragte<br />
<strong>für</strong> Datenschutz und Informationsfreiheit folgerichtig auch keine Bedenken gegen die<br />
von mir erlassene Regelung geltend gemacht.<br />
Im Laufe <strong>der</strong> Diskussion haben immer mehr Kolleginnen und Kollegen begriffen,<br />
dass es <strong>der</strong> Polizei schadet, wenn wir uns immer wie<strong>der</strong> vorhalten lassen müssen,<br />
wir wollten uns in <strong>der</strong> Anonymität verstecken, weil wir den kritischen Blick <strong>der</strong> Öffentlichkeit<br />
<strong>für</strong>chten. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind sehr gut ausgebildete,<br />
professionell und rechtsstaatlich handelnde Polizistinnen und Polizisten, die das, was<br />
sie tun o<strong>der</strong> unterlassen, gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern verantworten können.<br />
Selbstvertrauen und Anonymität passen nicht zusammen, ebenso wenig wie<br />
Anonymität und Bürgernähe. Die mit dem Gesetzentwurf vorgeschlagene Regelung<br />
ist aus meiner Sicht grundsätzlich sinnvoll und auch geeignet, die in <strong>der</strong> Begründung<br />
genannten Ziele zu erreichen (Stellungnahme, Anlage 1).<br />
Frau Hartge (Lan<strong>des</strong>beauftragte <strong>für</strong> den Datenschutz):<br />
Ich werde die Punkte, die meine Behörde beantworten kann, anhand <strong>der</strong> Fragen herausstellen.
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Zu Frage 1: Welche Gründe sprechen <strong>für</strong> und welche gegen eine Kennzeichnungspflicht?<br />
Ich stelle voran, dass es sich bei <strong>der</strong> Kennzeichnung durch Namensschil<strong>der</strong><br />
von Polizeibeamten selbstverständlich um eine Übermittlung personenbezogener Daten<br />
an Dritte handelt. In <strong>der</strong> brandenburgischen Verfassung gibt es ein Grundrecht,<br />
das die informationelle Selbstbestimmung ausdrücklich schützt, das aber auch sagt,<br />
dass das Grundrecht im überwiegenden allgemeinen Interesse einschränkbar ist.<br />
Was spricht <strong>für</strong> bzw. gegen eine Kennzeichnung? Es sind insbeson<strong>der</strong>e Be<strong>für</strong>chtungen,<br />
dass es <strong>für</strong> Polizeibeamte zu Gefährdungen kommen könnte, wenn durch Missbrauch<br />
ihrer Daten beispielsweise Namen recherchiert o<strong>der</strong> die Adresse über das Internet<br />
bekannt gegeben werden. Es gibt auch die Be<strong>für</strong>chtung, dass es möglicherweise<br />
zu falschen Anschuldigungen kommen könnte, wenn man namentlich benannt<br />
ist.<br />
Ich selbst sehe eigentlich nur Vorteile bei einer Kennzeichnungspflicht, weil ich denke,<br />
dass <strong>der</strong> Rechtsstaat ein offenes Gesicht haben sollte. Ein transparenter und mo<strong>der</strong>ner<br />
Rechtsstaat bringen es mit sich, dem an<strong>der</strong>en grundsätzlich offen gegenüberzutreten,<br />
wie es gerade bei hoheitlichem Handeln beson<strong>der</strong>s wichtig ist. Es ist wichtig,<br />
dass das hoheitliche Handeln von Mitarbeitern, die in Grundrechte sehr intensiv<br />
eingreifen, überprüfbar ist. Deswegen ist es naheliegend, dies durch eine - im Regelfall<br />
namentliche o<strong>der</strong> auch pseudonyme - Benennung zu ermöglichen. Es ist <strong>für</strong> die<br />
Bediensteten in diesem eingriffsintensiven Bereich von Vorteil, weil es wichtig ist,<br />
dass Anschuldigungen, die auch ohne namentliche Nennung erfolgen können, überprüfbar<br />
sind, und das ist wesentlich leichter, wenn man konkret benennen kann, welche<br />
Person gemeint ist. Im Übrigen ist es auch ein Zeichen von eigenverantwortlichem<br />
Handeln, wenn ich die Beziehung zu meiner eigenen Person durch ein Zeichen<br />
sichtbar mache.<br />
Zu <strong>der</strong> Frage <strong>des</strong> „Wie“ <strong>der</strong> Kennzeichnung: Lassen Sie mich zunächst auf den Gesetzentwurf<br />
eingehen. Es wurde eine namentliche Kennzeichnung, das heißt, ein Namensschild<br />
vorgeschlagen. Im Regelfall würde <strong>der</strong> Nachname eines Beamten ausreichen.<br />
Nur dort, wo häufiger geführte Namen vorkommen - beispielsweise die klassischen,<br />
häufig vorkommenden Namen Müller, Schmidt, Fischer, Schnei<strong>der</strong> -, ist es<br />
denkbar, durch abgekürzte Vornamen die Identifizierbarkeit zu verbessern.<br />
Es gibt jedoch auch die Möglichkeit, Pseudonyme einzusetzen. Diese können <strong>für</strong> den<br />
Bürger, wenn sie entsprechend gewählt werden, nachteilig sein, wenn sie nämlich zu<br />
lang sind. Ein Pseudonym muss immer so gewählt werden, dass es merkfähig ist. Es<br />
nützt nichts, wenn man eine zehnstellige Kombination sieht, die man sich bei Einsätzen<br />
auf keinen Fall merken kann. Dann steht man vor <strong>der</strong> Situation sagen zu müssen:<br />
Ich habe zwar eine Ziffernkombination gesehen, kann sie jedoch nicht wie<strong>der</strong>geben.<br />
- Ich denke, dass gerade die Pseudonymisierung in sicherheitsrelevanten Bereichen<br />
eine Möglichkeit ist, dem Bürger gegenüberzutreten. Dabei denke ich an Großeinsätze<br />
<strong>der</strong> Polizei bei Großdemonstrationen, bei denen <strong>der</strong> Beamte gerade nicht<br />
offen gegenübertritt und beschreibbar ist. Durch die Anzüge und Helme, die getragen<br />
werden müssen, ist <strong>der</strong> Bürger dort darauf angewiesen, irgendeine Rückführbarkeit
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zu bekommen, damit eine nachträgliche Identitätsfeststellung möglich wird.<br />
Zur zweiten Frage: Welche Fälle sollten von <strong>der</strong> generellen namentlichen Kennzeichnungspflicht<br />
ausgenommen werden? Es ist selbstverständlich, dass es Bereiche in<br />
<strong>der</strong> polizeilichen Tätigkeit gibt, die sich definitiv nicht <strong>für</strong> eine namentliche Benennung<br />
eignen. Ein typisches Beispiel dürften hierbei die verdeckten Ermittler sein. Ich glaube,<br />
niemand kommt auf die Idee, diese Einsatzbereiche namentlich auszuweisen. Es<br />
ist hier vielleicht noch die Klarstellung einzubringen, dass diese Bereiche we<strong>der</strong> namentlich<br />
noch mit Pseudonym gekennzeichnet werden sollen. Bei beson<strong>der</strong>en Anlässen<br />
bieten sich jedoch Pseudonyme an, sodass die Abschichtung, die da vorliegt,<br />
auch nicht fernliegend ist.<br />
Zu Frage 5: Welche Unterschiede sehen Sie zwischen Mitarbeitern <strong>der</strong> Polizei und<br />
Verwaltungsmitarbeitern, die mit vollem Namen bekannt sind, zum Beispiel durch<br />
Türschil<strong>der</strong> und die Unterzeichnung von Schreiben? Es gibt einen ganz offensichtlichen<br />
Unterschied: Wenn Sie mit Verwaltungsmitarbeitern in Kontakt treten, gibt es<br />
per se ein Gesicht, das Ihnen gegenübertritt; das ist bei <strong>der</strong> Polizei, wenn man eine<br />
Wache aufsucht, im Übrigen auch so, es gibt ein konkretes Gegenüber. In den Verwaltungen<br />
ist es Gott sei Dank üblich, dass es auch an den Zimmertüren <strong>der</strong> Mitarbeiter<br />
namentliche Benennungen gibt. In Kommunen ist es zunehmend üblich, dass<br />
Mitarbeiter, die dem Bürger Auskünfte geben, Namensschil<strong>der</strong> tragen. Sicherlich gibt<br />
es Unterschiede, beispielsweise, wenn man in einer Gefährdungssituation - auf<br />
Großdemonstrationen - <strong>für</strong> Rechtssicherheit eintritt. Ich bin davon überzeugt, dass es<br />
im Prinzip um die Identifizierbarkeit geht, die sichergestellt sein muss - insbeson<strong>der</strong>e<br />
in den Fällen, in denen <strong>der</strong> Beamte nicht mehr erkennbar ist -, damit sein Verhalten<br />
kontrollierbar wird.<br />
Zu Frage 6: Wie bewerten Sie die Kennzeichnungspflicht im Hinblick auf § 36 Beamtenstatusgesetz,<br />
wonach Beamtinnen und Beamte <strong>für</strong> die Rechtmäßigkeit ihrer<br />
dienstlichen Handlungen die volle persönliche Verantwortung tragen? Da ist im Prinzip<br />
nur ein einziger Satz nötig: Es ist ein sichtbares Zeichen <strong>der</strong> persönlichen Verantwortung,<br />
die in § 36 Beamtenstatusgesetz geregelt ist.<br />
Zu Frage 9: Wie bewerten Sie die Verwendung eines - gegebenenfalls wechselnden<br />
- Aliasnamens o<strong>der</strong> einer Buchstaben-Nummern-Kombination? Bei Aliasnamen<br />
habe selbst ich Bedenken. Aliasnamen sind problematisch, weil sie <strong>für</strong> die Bevölkerung<br />
nicht als Aliasnamen erkennbar sind und weil sie vor allem im Nachhinein zu<br />
Problemen führen können, wenn zum Beispiel Fehlidentifikationen erfolgen. Wenn jemand<br />
einen Aliasnamen als wahren Namen ansieht und es eine an<strong>der</strong>e Person mit<br />
dem Namen gibt, können Verknüpfungen erfolgen, die nicht gewünscht sind. Pseudonymisierung<br />
ist in jedem Fall rechtssicherer; bei einer Ziffern-Buchstaben-Kombination<br />
lege ich Wert darauf, dass sie <strong>für</strong> den Betrachter aufnehmbar bleibt, da das ab<br />
einer bestimmten Ziffernmenge nicht mehr <strong>der</strong> Fall ist.
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Zu Frage 10: Wie bewerten Sie den Umstand, dass privatwirtschaftlich tätige Wachleute<br />
rechtlich verpflichtet sind, ein Namensschild zu tragen? Aus datenschutzrechtlicher<br />
Sicht beanstande ich das nicht. Insofern kann ich es auch nicht weitergehend<br />
bewerten. Es ist eine zulässige Form, dem Bürger gegenüberzutreten.<br />
Damit bin ich am Ende angelangt und möchte noch einen Hinweis zu § 9 Abs. 4 <strong>des</strong><br />
hier vorgelegten Gesetzentwurfs geben. Dort verweisen Sie auf die Beteiligung <strong>der</strong><br />
LDA bei <strong>der</strong> Rechtsverordnung. Dieser Verweis kann entfallen, weil in § 7 Abs. 2 <strong>des</strong><br />
Brandenburgischen Datenschutzgesetzes bereits die Einbeziehung <strong>der</strong> LDA gesetzlich<br />
geregelt ist (Stellungnahme, Anlage 2).<br />
Herr Prof. Dr. Aden (Hochschule <strong>für</strong> Wirtschaft und Recht Berlin):<br />
Ich habe Ihnen im Vorfeld eine schriftliche Stellungnahme (Anlage 3) zukommen lassen,<br />
in <strong>der</strong> ich auf die einzelnen Fragen eingehe, die Sie gestellt hatten. Ich möchte<br />
Sie außerdem - das hatte ich Ihnen auch zukommen lassen - auf einen Text verweisen,<br />
den ich in <strong>der</strong> Dezemberausgabe <strong>der</strong> Zeitschrift „Die Polizei“ veröffentlicht habe<br />
(Anlage 4). Da habe ich mich mit dem Brandenburgentwurf und dem sächsischen<br />
Parallelentwurf etwas ausführlicher auseinan<strong>der</strong>gesetzt, habe noch einmal einige Argumente<br />
genannt, was ich in den folgenden zehn Minuten nicht tun kann. Ich fasse<br />
hier <strong>des</strong>wegen nur kurz zusammen, gehe also nicht auf alle, son<strong>der</strong>n nur auf ausgewählte<br />
Fragen ein, möchte Ihnen jedoch empfehlen, diesen Gesetzentwurf - eventuell<br />
mit kleinen Än<strong>der</strong>ungen - anzunehmen, zu denen ich gleich kommen werde.<br />
Ich gehe noch einmal auf das ein, was von denjenigen, die sich mit dieser Thematik<br />
in den letzten Jahren beschäftigt haben, ebenfalls hervorgehoben wird, was Sie auch<br />
in meiner Veröffentlichung finden, nämlich die Hauptargumente <strong>für</strong> die Kennzeichnungsregelung,<br />
die Wertschätzung <strong>des</strong> Gegenübers, die Serviceorientierung, die <strong>für</strong><br />
eine Organisation wie die Polizei heute sehr wichtig geworden ist, was aber auch ein<br />
wichtiges Argument ist, nämlich, dass es heutzutage ein gewachsenes Ausbildungsniveau<br />
gibt.<br />
Die Polizei in Deutschland ist sehr viel professioneller geworden, also sie noch vor<br />
30, 40 Jahren war. Es gibt heute sehr gut ausgebildete Polizisten, die nicht nur Verantwortung<br />
übernehmen können, son<strong>der</strong>n auch wollen, weshalb sie keine Unterschiede<br />
zu an<strong>der</strong>en Verwaltungen sehen. Es ist also eine zeitgemäße Entwicklung,<br />
dass man heute zu einer Kennzeichnungsregelung kommt.<br />
Natürlich geht es aber auch darum, dass es in Fällen, in denen es zu unprofessionellem<br />
o<strong>der</strong> unrechtmäßigem Handeln kommt, Identifizierungsmöglichkeiten gibt; das ist<br />
natürlich ein zentrales Anliegen eines solchen Gesetzgebungsprojekts.<br />
Schließlich - das wird manchmal übersehen - hat ein solches Gesetz auch Präventivfunktionen<br />
in verschiedene Richtungen, nämlich einerseits gegenüber denjenigen,
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die möglicherweise Opfer von unrechtmäßigen Polizeihandlungen werden könnten,<br />
zum an<strong>der</strong>en gegenüber den Beamtinnen und Beamten selbst. Denn wenn man<br />
weiß, dass man in gewisser Weise unter Beobachtung steht, ist die Wahrscheinlichkeit,<br />
dass man das Risiko eingeht, hinterher dienstrechtlich o<strong>der</strong> strafrechtlich belangt<br />
zu werden, wesentlich geringer. Insofern hat eine Kennzeichnungsregelung<br />
auch gegenüber den Bediensteten selbst eine wichtige Präventivfunktion.<br />
Bei den Gegenargumenten hat man in den letzten Jahrzehnten vor allem zwei Problemkreise<br />
diskutiert, auch in den Monaten, seit es diese Gesetzentwürfe gibt. Das<br />
ist zum einen die Gefährdungsproblematik. Es ist schon mehrmals betont worden,<br />
dass, wenn es zu einer namentlichen Kennzeichnung im Polizeibereich käme, die<br />
Beamten selbst o<strong>der</strong> ihre Angehörigen gefährdet seien. Es gibt heute schon viele Polizeibeamte,<br />
die ihren Dienst mit Namensschil<strong>der</strong>n antreten. Konkrete Fälle, in denen<br />
Gefährdungen eingetreten sind, sind nicht bekannt geworden, zumin<strong>des</strong>t nicht in den<br />
normalen Dienststellen im mittleren und gehobenen Dienst. Es werden einzelne Fälle<br />
aus <strong>der</strong> Führungsebene berichtet, die natürlich sehr exponiert in <strong>der</strong> Öffentlichkeit<br />
stehen, wenn es etwa um die Frage geht, mit welchen Auflagen Versammlungen und<br />
Ähnliches versehen werden sollen. Da soll es schon zu Vorkommnissen gekommen<br />
sein. Aber ich denke, das kann kein Argument im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Kennzeichnungsdiskussion<br />
sein, weil das Mitarbeiter sind, die kraft Amtes ohnehin häufig<br />
überregional bekannt sind.<br />
Nun zu dem Argument, man stelle Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte mit einer<br />
Kennzeichnungspflicht unter Generalverdacht. Ich kann nicht nachvollziehen, wie das<br />
begründet wird. In allen möglichen Verwaltungen und auch in <strong>der</strong> Privatwirtschaft gibt<br />
es heute solche Kennzeichnungen. Dass das etwas mit einem Generalverdacht zu<br />
tun haben sollte, läge in an<strong>der</strong>en Verwaltungen sicherlich völlig fern - und das liegt<br />
meines Erachtens auch im Polizeibereich sehr fern.<br />
Ich möchte kurz auf das Thema Kennzeichnungspflicht per Freiwilligkeit, per Dienstanweisung<br />
o<strong>der</strong> per gesetzlicher Regelung eingehen. Zwar sind freiwillige Lösungen<br />
schön und gut, jedoch ist die Kennzeichnungspflicht per Gesetz weit überlegen. Viele<br />
Polizisten sind jedoch professionell genug, die Kennzeichnung freiwillig anzunehmen.<br />
In problematischen Fällen - geschlossene Einheiten, schwierigen Einsatzsituationen -<br />
gibt es jedoch mit <strong>der</strong> Freiwilligkeit weiterhin Probleme. Der Bericht von Amnesty hat<br />
dazu auch Fälle dokumentiert. Ich meine, dass es freiwillige Lösungen gibt; bei<br />
Dienstanweisungen in Berlin gibt es das ja - Herr Glietsch hat das ja inzwischen in<br />
Berlin durchgesetzt. Das ist zweifellos ein Schritt in die richtige Richtung. Ich meine<br />
aber, dass eine gesetzliche Regelung dem weit überlegen ist, weil man damit gleichzeitig<br />
eine Normengabe, eine Eingriffsgrundlage auch gegenüber den Bediensteten<br />
selbst hat, wenn man davon ausgeht, dass es sich um - das ist wohl Konsens in <strong>der</strong><br />
juristischen Fachliteratur - einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung<br />
<strong>der</strong> Beamtinnen und Beamten handelt. Da ist eine gesetzliche Regelung<br />
viel besser.
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Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />
<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />
Natürlich ist es auch ein politisches Signal von Ihnen, meine Damen und Herren Abgeordneten,<br />
dass Sie so etwas wollen und das gegenüber den Bediensteten direkt<br />
vertreten. Deswegen sind wir mit einer gesetzlichen Regelung sehr viel besser als<br />
mit einer rein verwaltungsinternen bedient, abgesehen davon, dass man bei verwaltungsinternen<br />
Regelungen auch noch das Problem hat, dass sie sehr schnell wie<strong>der</strong><br />
infrage gestellt werden können, wenn <strong>der</strong> Wind vielleicht einmal an<strong>der</strong>s weht.<br />
Zur Frage Kennzeichen o<strong>der</strong> Namensschild: Der Gesetzentwurf sieht vor, dass nur<br />
bei geschlossenen Einheiten bei Gefährdungssituationen <strong>der</strong> Name durch ein Kennzeichen<br />
ersetzt werden kann. Das kann man durch einen Anknüpfungstatbestand<br />
ausweiten, nämlich indem man sagt, es müssten tatsächlich Anlasspunkte <strong>für</strong> eine<br />
Gefährdung vorliegen. Ich hielte das <strong>für</strong> möglich, wenn man von <strong>der</strong> Prämisse ausginge,<br />
dass es heutzutage eine ziemlich professionell handelnde Polizei gibt. Ich würde<br />
es sogar - ähnlich, wie das jetzt in Berlin als Kompromiss durchgesetzt worden<br />
ist - <strong>für</strong> denkbar halten, dass man das ins Ermessen <strong>der</strong> einzelnen Beamtinnen und<br />
Beamten stellt. Diese Regelung, die jetzt auf die geschlossenen Einheiten beschränkt<br />
ist, würde ich ein wenig auf Gefährdungssituationen ausweiten - entwe<strong>der</strong><br />
mit einer klaren materiellen Anknüpfung o<strong>der</strong> sogar über Freiwilligkeit. Wenn man<br />
das aber macht, ist die von Ihnen in § 9 Abs. 3 vorgesehene Ausnahmeklausel weitestgehend<br />
überflüssig. Sie könnte dann vollkommen entfallen o<strong>der</strong> sehr präzise auf<br />
Einzelfälle beschränkt werden. Meine Vorrednerin hat über die verdeckten Ermittler<br />
gesprochen. Das wäre vielleicht ein solcher Fall, und dann könnte die Ausnahmeklausel<br />
im neuen Abs. 3, wie er im Entwurf vorgesehen ist, vollkommen entfallen.<br />
Zur Ausgestaltung: Da kommt es auf die jeweilige Situation an. Es macht einen Unterschied,<br />
ob es sich um einen Streifendienst o<strong>der</strong> einen Innendienst handelt. Bei<br />
Letzterem reicht ein ganz normales Namensschild, wie es in je<strong>der</strong> Verwaltung o<strong>der</strong><br />
je<strong>der</strong> privatwirtschaftlichen Organisation üblich ist.<br />
Etwas an<strong>der</strong>es ist es bei anonymen Situationen, also bei geschlossenen Einheiten,<br />
wo mit Einsatzanzug und Helm aufgetreten wird. Da wird die Identifizierbarkeit <strong>der</strong><br />
einzelnen Person wesentlich erschwert, weshalb man darauf achten sollte, dass es<br />
ein deutlich les- und merkbares Schild gibt. Wenn man nicht den Namen hat, sollte<br />
es kein zu langes Kennzeichen sein, das sich niemand merken kann. Es wäre aber<br />
bei <strong>der</strong> Größe <strong>der</strong> Einheiten durchaus möglich, mit einem sinnvollen Kennzeichnungssystem<br />
- vielleicht bestehend aus Nummern und Buchstaben mit insgesamt<br />
höchstens vier, fünf Stellen - zu arbeiten. Dieses Kennzeichnungssystem könnte man<br />
sowohl am Helm als auch am Einsatzanzug in passen<strong>der</strong> Größe anbringen.<br />
Ich sehe keine Notwendigkeit, die Kennzeichnung regelmäßig zu wechseln. Das würde<br />
den Verwaltungsaufwand erhöhen. Eine Kennzeichnungsregelung, die nicht allein<br />
auf dem Namen basiert, son<strong>der</strong>n auch auf Pseudonymen o<strong>der</strong> sonstigen Kennzeichnungen,<br />
kann nur dann gut funktionieren, wenn es verwaltungsmäßig parallel entsprechende<br />
Abgleichmöglichkeiten gibt, wer dieses Kennzeichen zu welchem Zeit-
<strong>Landtag</strong> Brandenburg P-AI 5/13-1 S. 11<br />
Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />
<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />
punkt getragen hat. Meines Erachtens kann die Kennzeichnung durchaus konstant<br />
sein und, wenn konkrete Gefährdungssituationen eingetreten sind, gewechselt werden.<br />
Für einen regelmäßigen Wechsel sehe ich jedoch keine Notwendigkeit, da das<br />
nur unnötigen Verwaltungsaufwand erzeugt.<br />
Zum Schluss möchte ich noch etwas über die Thematik hinausgehen. Die Debatte<br />
um die Kennzeichnung von Polizeibeamten ist zwar wichtig, man sollte jedoch nicht<br />
vernachlässigen, dass in dem Zusammenhang auch an<strong>der</strong>e Fragen wichtig sind, die<br />
in die Diskussion einzubeziehen sind, zum Beispiel: Warum kommt es trotz <strong>des</strong> heutigen<br />
hohen Professionalisierungsniveaus noch dazu, dass in bestimmten Situationen<br />
unprofessionell gehandelt wird? Das hat gruppen- und individualpsychologische Ursachen.<br />
Daran muss man also in <strong>der</strong> Ausbildung, aber auch in <strong>der</strong> kontinuierlichen<br />
Dienstbegleitung arbeiten, denn das hat auch etwas mit Polizeikultur zu tun. Kollege<br />
Behr von <strong>der</strong> Hochschule <strong>der</strong> Polizei in Hamburg hat dazu viel gearbeitet. Es stellt<br />
sich also die Frage: Ist die heutige Polizeikultur überhaupt in <strong>der</strong> Lage, aus Fehlern<br />
zu lernen, o<strong>der</strong> versucht man nicht eher - weil man immer dienstrechtliche o<strong>der</strong> sogar<br />
strafrechtliche Konsequenzen be<strong>für</strong>chten muss -, Fehler möglichst unter <strong>der</strong> Decke<br />
zu halten? Insofern gibt es da ein Grundsatzproblem, das man allein mit <strong>der</strong> Kennzeichnung<br />
nicht lösen kann, son<strong>der</strong>n eine Frage <strong>der</strong> Polizeikultur und ihrer rechtlichen<br />
Rahmenbedingungen insgesamt ist.<br />
Präventiv kann man sicherlich auch im Rahmen von Aus- und Fortbildung einiges tun<br />
- so etwas wie Stress- und Provokationsresistenz von Feindbil<strong>der</strong>n; in Berlin gibt es<br />
in <strong>der</strong> Ausbildung zum gehobenen Dienst eine sehr gute psychologische Ausbildung,<br />
da wird so etwas durchaus mitgemacht.<br />
Fazit: Sie können in Brandenburg, wenn Sie dieses Gesetz beschließen, eine Vorreiterrolle<br />
übernehmen, denn in gesetzlicher Form gibt es so etwas bisher nicht - in<br />
Sachsen befindet sich <strong>der</strong> Gesetzentwurf noch im Verfahren -, weshalb ich Sie dazu<br />
ausdrücklich ermuntern möchte. Wir von <strong>der</strong> Polizeiforschung sind durchaus gespannt<br />
auf die Erfahrungen. Begleitforschungsprojekte wären ebenfalls gut denkbar.<br />
Für Ihre Fragen stehe ich gern zur Verfügung.<br />
Abgeordneter Petke (CDU):<br />
Ich habe eine Frage an den Polizeipräsidenten. Es hat in <strong>der</strong> Vergangenheit auch in<br />
Berlin mehrfach den Versuch gegeben, diese Kennzeichnung gesetzlich zu regeln. In<br />
<strong>der</strong> gesamten Diskussion wird immer wie<strong>der</strong> von den Vertretern <strong>der</strong> Polizeivertretung<br />
o<strong>der</strong> von <strong>der</strong> GDP und an<strong>der</strong>en auf die Möglichkeit hingewiesen, dass es durch das<br />
öffentliche Identifizieren <strong>des</strong> Namens eines Polizeibeamten zu Übergriffen auf ihn<br />
bzw. Familienangehörige kommen könnte. Ich habe die Lan<strong>des</strong>regierung gefragt, ob<br />
solche Fälle bekannt sind. Die Antwort steht noch aus. Ich möchte, auch, da Sie<br />
langjähriger Polizeipräsident in Berlin sind und die innere Sicherheit dort einen an<strong>der</strong>en<br />
Stellenwert hat als im Flächenland Brandenburg, nachfragen, ob und inwieweit<br />
solche Fälle bei denjenigen, die freiwillig ein Namensschild getragen haben, bekannt
<strong>Landtag</strong> Brandenburg P-AI 5/13-1 S. 12<br />
Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />
<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />
sind. Die Gefahr, die damit unter Umständen verbunden ist, wird in <strong>der</strong> heutigen Anhörung<br />
sicherlich noch eine Rolle spielen.<br />
Herr Glietsch (Der Polizeipräsident in Berlin):<br />
Ich hatte in meinem Vortrag darauf hingewiesen, dass solche Übergriffe nicht bekannt<br />
geworden sind. Wie eben angesprochen worden ist: Es gibt Polizeibeamte, die<br />
durch ihre Funktion notwendigerweise mit ihrem Namen öffentlich in Erscheinung treten<br />
müssen. Das gilt <strong>für</strong> den Polizeipräsidenten, <strong>für</strong> Direktionsleiter und beispielsweise<br />
auch <strong>für</strong> Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die versammlungsrechtliche Bestätigungen<br />
unterzeichnen müssen. Es hat zum Beispiel einen Farbanschlag auf das Wohnhaus<br />
<strong>des</strong>jenigen gegeben, <strong>der</strong> die Versammlungsbehörde in unserer Polizeibehörde<br />
leitet, und es hat auch öffentliche Drohungen von Rechtsextremisten gegen einen Direktionsleiter<br />
gegeben, <strong>der</strong> regelmäßig Einsätze aus Anlass rechtsextremistischer<br />
Veranstaltungen zu leiten hat. Das sind unvermeidbare Dinge, und die sind auch losgelöst<br />
von <strong>der</strong> Frage, ob wir eine solche Regelung treffen, wie wir sie in Berlin getroffen<br />
haben, unvermeidbar. An<strong>der</strong>e Erfahrungen, die etwa diese Be<strong>für</strong>chtung begründen<br />
könnten, haben wir in Berlin nicht gemacht.<br />
Abgeordneter Petke (CDU):<br />
Herr Glietsch, vor Ihrer Zeit als Polizeipräsident in Berlin waren Sie Jahrzehnte selbst<br />
handeln<strong>der</strong> Polizeibeamter, Polizeiführer. Woher kommt denn die Kritik an diesen<br />
Vorhaben, was uns ja schon Jahrzehnte begleitet? Es muss ja eine wie auch immer<br />
geartete Motivation geben, dass das durch verschiedene Gewerkschaften und an<strong>der</strong>e<br />
immer wie<strong>der</strong> als Be<strong>für</strong>chtung vorgetragen wird.<br />
Herr Glietsch (Polizeipräsident Berlin):<br />
Ich kann das nicht rational erklären. Es gibt eine diffuse Be<strong>für</strong>chtung. Insbeson<strong>der</strong>e<br />
habe ich das - an<strong>der</strong>e sicher auch - bei Angehörigen von geschlossenen Einheiten<br />
beobachtet, von Einsatzeinheiten, die häufig Einsätze zu bewältigen haben, bei denen<br />
sie mit harter Gewalt zu tun haben, bei denen ohne Zweifel das Risiko, in Stresssituationen<br />
zu geraten und dann überzureagieren, zweifellos vorhanden ist. Das ist<br />
<strong>für</strong> mich auch die Erklärung da<strong>für</strong>, dass Mitarbeiter in diesen Einheiten beson<strong>der</strong>s<br />
lange gebraucht haben - möglicherweise zum Teil noch brauchen -, um sich davon<br />
überzeugen zu lassen, dass die von ihnen be<strong>für</strong>chteten Risiken in <strong>der</strong> Realität nicht<br />
vorhanden sind.<br />
Ich habe in den letzten Jahren allerdings auch die Erfahrung gemacht, dass sich diese<br />
emotionalen Vorbehalte weitestgehend beseitigen lassen, wenn man lange und<br />
intensiv immer wie<strong>der</strong> über die Frage diskutiert: Was ist Emotion, und welche Be<strong>für</strong>chtungen<br />
sind mit realistischen Hintergründen belegbar?
<strong>Landtag</strong> Brandenburg P-AI 5/13-1 S. 13<br />
Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />
<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />
Abgeordneter Ziel (SPD):<br />
Ich möchte eine kurze Bemerkung machen und dann Herrn Polizeipräsidenten<br />
Glietsch und Herrn Prof. Aden Fragen stellen. Zunächst will ich sagen, dass wir Abgeordnete<br />
natürlich verpflichtet sind, <strong>für</strong> Leben und Gesundheit <strong>der</strong> Polizisten und<br />
auch unserer Bürgerinnen und Bürger einzustehen, sodass es hier darum geht, etwas<br />
in die Waage zu bringen, was vielleicht noch nicht so ganz in <strong>der</strong> Waage ist.<br />
Misstrauen sehe ich nicht. Wenn wir über das Thema Kennzeichnung reden, sehe<br />
aber sehr wohl, dass Sorgfalt angebracht ist. Ich will den Gesetzentwurf damit noch<br />
nicht beurteilen, aber das Anliegen aufnehmen, das aus diesem Gesetzentwurf hervorgeht.<br />
Herr Polizeipräsident Glietsch, Sie haben fast tagtäglich mit Polizeieinsätzen zu tun.<br />
Macht sich die von Ihnen in Berlin getroffene Regelung in Polizeieinsätzen bemerkbar,<br />
dass Polizisten sagen bzw. Sie feststellen müssen, Polizisten können in ihren<br />
Einsätzen nicht professionell agieren, weil sie daran gehin<strong>der</strong>t sind, aus Angst so zu<br />
verfahren, wie sie es gelernt haben bzw. notwendig wäre?<br />
Zweitens: Ist es <strong>für</strong> Sie von Bedeutung, wenn Berlin und Brandenburg ähnliche Regelungen<br />
hätten? Daran schließt sich die Frage an Herrn Prof. Aden an. Sie sind <strong>der</strong><br />
Auffassung, eine gesetzliche Regelung würde einer untergesetzlichen Regelung weit<br />
überlegen sein. Können Sie praktische Beispiele nennen, aus denen hervorgeht,<br />
dass diese Auffassung richtig ist?<br />
Herr Glietsch (Polizeipräsident Berlin):<br />
Zu <strong>der</strong> Frage, welche Wirkung eine solche Kennzeichnung auf die Sicherheit im Einsatz<br />
hat, kann ich vor dem Hintergrund unserer Erfahrungen in Berlin nur sagen: Sie<br />
hat keine negative Wirkung. Wir haben uns dieser Geschäftsanweisung, nicht nur,<br />
was die Kennzeichnung <strong>der</strong> Polizeibeamten im täglichen Dienst angeht, stufenweise<br />
genähert. Ich hatte darauf hingewiesen, dass wir 2003 eine Empfehlung gegeben haben,<br />
<strong>für</strong> die wir intensiv geworben haben. Wir haben, was die geschlossenen Einheiten<br />
angeht, im Jahre 2006 eine Geschäftsanweisung erlassen, in <strong>der</strong> wir eine Kennzeichnung<br />
bis auf die Gruppenebene getroffen haben. Das heißt, die Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter <strong>der</strong> Einsatzhun<strong>der</strong>tschaften tragen eine vierstellige Kennzeichnung<br />
an ihren Einsatzeinzügen, die es zweifelsfrei ermöglicht nachzuvollziehen - das ist <strong>für</strong><br />
je<strong>der</strong>mann gut ablesbar -, welche Gruppe - eine Gruppe besteht in <strong>der</strong> Regel aus<br />
maximal zehn Beamten im Einsatz, tatsächlich meist aus sieben o<strong>der</strong> acht Beamten -<br />
aktiv war. Wenn man die Gruppe hat, dann kann man relativ gut sicherstellen, dass<br />
beispielsweise nachvollzogen werden kann, welche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
einen bestimmten Sachverhalt zu verantworten haben, <strong>der</strong> zu einer Anzeige geführt<br />
hat. Das hätte ja beispielsweise zu Verunsicherungen führen können; das ist nicht<br />
<strong>der</strong> Fall gewesen.
<strong>Landtag</strong> Brandenburg P-AI 5/13-1 S. 14<br />
Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />
<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />
Im Übrigen wissen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter heute alle, dass man gerade<br />
bei solchen Einsätzen damit rechnen muss, gefilmt o<strong>der</strong> fotografiert zu werden - und<br />
das nicht nur durch Journalisten, son<strong>der</strong>n durch die unterschiedlichsten Teilnehmer<br />
an solchen Aktionen, durch Zuschauer. Es gibt kaum noch einen Sachverhalt, zu<br />
dem man nach kurzer Zeit nicht auch Videos auch auf youtube findet, und die sind<br />
durchaus als Beitrag zur Ermittlungsführung von Bedeutung. All das hat nach meinem<br />
Da<strong>für</strong>halten nicht etwa zur Verunsicherung geführt, son<strong>der</strong>n dazu beigetragen,<br />
dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter solche problematischen und schwierigen<br />
Aufgaben heute professioneller bewältigen als in <strong>der</strong> Vergangenheit.<br />
Herr Prof. Dr. Aden (Hochschule <strong>für</strong> Wirtschaft und Recht Berlin):<br />
Zu <strong>der</strong> Frage, warum eine gesetzliche Regelung besser ist: Eine untergesetzliche<br />
Regelung bzw. eine verwaltungsinterne Regelung ist natürlich ein Schritt in die richtige<br />
Richtung, aber eine gesetzliche Regelung hat den Vorteil, dass sie mehr Rechtssicherheit<br />
<strong>für</strong> alle Beteiligten schafft, nämlich auch <strong>für</strong> die Polizeiführung, die damit<br />
eine klare Regelung hat, die vom Gesetzgeber unterstützt wird, in <strong>der</strong> genau steht,<br />
wie <strong>der</strong> rechtliche Rahmen ist. Ich will Ihnen das anhand <strong>der</strong> bisherigen Erfahrungen<br />
illustrieren:<br />
Es gab in Hessen in den 90er-Jahren eine verwaltungsinterne Regelung, die dazu<br />
führte, dass die Einzelheiten über Jahre umstritten blieben, dass Klagen gegen diese<br />
Regelungen liefen und über Jahre ein rechtsunsicherer Schwebezustand existierte.<br />
Das hätte man mit einer gesetzlichen Regelung nicht, son<strong>der</strong>n hätte von vornherein<br />
eine abgesicherte Regelung - natürlich auch im Hinblick auf den Grundrechtsschutz<br />
<strong>der</strong> Bediensteten selbst -, denn es ist in <strong>der</strong> Fachdiskussion doch weitestgehend unbestritten,<br />
dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung <strong>der</strong> einzelnen Beamtinnen<br />
und Beamten betroffen ist, wenn man eine solche Kennzeichnungsregelung<br />
einführt. Das heißt, man braucht da<strong>für</strong> eine gesetzliche Eingriffsgrundlage. Man<br />
kann natürlich diskutieren, ob sich die Eingriffsgrundlage da<strong>für</strong> aus den allgemeinen<br />
Vorschriften <strong>des</strong> Beamtenrechts ergibt. Das halte ich <strong>für</strong> durchaus vertretbar, aber<br />
man hat natürlich mehr Rechtssicherheit, wenn man <strong>für</strong> diese spezielle Problematik<br />
eine klare spezifische Regelung hat, und das wäre eben genau eine solche Regelung<br />
wie hier vorgeschlagen.<br />
Abgeordnete Nonnemacher (GRÜNE/B90):<br />
Ich habe einige Fragen an den Polizeipräsidenten. Sie haben diese Regelung seit<br />
November 2010 <strong>für</strong> uniformierte Mitarbeiter verbindlich eingeführt und gesagt, es besteht<br />
Wahlfreiheit zwischen einem Namensschild und einer Ziffern-Buchstaben-Kombination.<br />
Heißt das, dass Sie je<strong>der</strong> Mitarbeiterin und jedem Mitarbeiter bei<strong>des</strong> zur<br />
Verfügung stellen und sie von Fall zu Fall entscheiden lassen? O<strong>der</strong> wird eine Wahl<br />
getroffen, ob man sich <strong>für</strong> ein Namensschild o<strong>der</strong> eine an<strong>der</strong>e Kennzeichnung entscheidet?<br />
Wenn Letzteres <strong>der</strong> Fall ist, überblicken Sie in <strong>der</strong> kurzen Zeit schon, wie<br />
viele Mitarbeiter sich <strong>für</strong> welche Lösung entschieden haben?
<strong>Landtag</strong> Brandenburg P-AI 5/13-1 S. 15<br />
Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />
<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />
Herr Prof. Aden, Sie haben uns geschil<strong>der</strong>t, dass in Sachsen und jetzt auch in Brandenburg<br />
ein Gesetzentwurf im Verfahren ist. Überblicken Sie aus Ihrer Forschungstätigkeit,<br />
welche Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong> sonst noch Regelungen analog zu Berlin auf Dienstebene<br />
unterhalten und warum es dort nicht zu gesetzlichen Lösungen gekommen ist?<br />
Sie hatten das sehr wichtige Problemfeld <strong>der</strong> Fehlerkultur angesprochen. Ich denke,<br />
das ist etwas ganz Entscheiden<strong>des</strong>. Ich weiß aus dem Krankenhaus, dass das ein<br />
vermintes Gebiet ist. Ärzte machen ja auch keine Fehler, wie wir wissen. Das ist sehr<br />
schwierig, da heranzukommen.<br />
Meinen Sie, dass eine Kennzeichnungspflicht vielleicht auch för<strong>der</strong>n würde, dass<br />
man sich mit Troubleshooting-Mechanismen intensiver auseinan<strong>der</strong>setzt?<br />
Herr Glietsch (Polizeipräsident Berlin):<br />
Es gibt eine generelle Wahlfreiheit, die nicht „einmal Wahlfreiheit“, son<strong>der</strong>n „ständig<br />
Wahlfreiheit“ bedeutet. Deswegen stellen wir den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern<br />
zwei Schil<strong>der</strong> zur Verfügung, min<strong>des</strong>tens eines mit Dienstnummer und min<strong>des</strong>tens<br />
eines mit dem Namen, sodass er wechseln kann, wann er will, dass er sich, je nachdem,<br />
welche Aufgaben er unter welchen Rahmenbedingungen an welcher Stelle zu<br />
welcher Zeit wahrnimmt, entscheiden kann, ob er die Dienstnummer o<strong>der</strong> den Namen<br />
tragen will. Die Geschäftsanweisung ist ja gerade erst in Kraft getreten, und wir<br />
konnten mit den Beschaffungsmaßnahmen, mit den logistischen Maßnahmen, die<br />
notwendig sind, erst nach Inkrafttreten beginnen. Daher kann ich nicht von Erfahrungen<br />
berichten. Die Frage kann man, wie Sie sie gestellt haben, nicht beantworten.<br />
Ich gehe davon aus, dass das tatsächlich wechseln wird. Es wird sicher Kollegen geben,<br />
die sich entscheiden, immer die Nummer zu nehmen. Das sind die, die ihre<br />
emotionalen Vorbehalte nicht überwinden können. Aber es wird sehr viele geben, die<br />
von <strong>der</strong> Möglichkeit Gebrauch machen, sich je nach Einsatz und Aufgabe zu entscheiden,<br />
ob sie ein Namens- o<strong>der</strong> ein Nummernschild tragen.<br />
Herr Prof. Dr. Aden (Hochschule <strong>für</strong> Wirtschaft und Recht Berlin):<br />
Ich denke, dass es eine sinnvolle Lösung ist, ein solches Wahlrecht einzuführen und<br />
keine generelle Festlegung zu treffen, denn es geht ja gerade darum, die anlassspezifische<br />
Situation in Rechnung zu stellen. Deswegen ist es eine sehr sinnvolle Lösung,<br />
wenn man auf Freiwilligkeit bezüglich <strong>der</strong> Wahl zwischen den beiden Kennzeichnungsformen<br />
setzt und dies nicht ein <strong>für</strong> allemal festlegt. So kann <strong>für</strong> die jeweilige<br />
Einsatzsituation verantwortlich entschieden werden.<br />
Zu <strong>der</strong> Frage, wie es sich in an<strong>der</strong>en Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong>n verhält: In Sachsen-Anhalt gibt<br />
es einen Gesetzentwurf. Es hat auch Entwürfe aus Oppositionsfraktionen in Schleswig-Holstein<br />
und Nie<strong>der</strong>sachsen gegeben. Mir ist aber nicht bekannt, inwieweit sie
<strong>Landtag</strong> Brandenburg P-AI 5/13-1 S. 16<br />
Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />
<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />
abschließend beraten worden sind. Eine gesetzliche Regelung gibt es <strong>der</strong>zeit in keinem<br />
Bun<strong>des</strong>land.<br />
Für die Bun<strong>des</strong>polizei wurde die Frage in letzter Zeit diskutiert. Da hat die Bun<strong>des</strong>regierung<br />
das sowohl auf gesetzlicher als auch verwaltungsinterner Ebene abgelehnt.<br />
Auf verwaltungsinterner Ebene gibt es in mehreren Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong>n Regelungen, die<br />
ähnlich sind wie die in Berlin vor 2010, nämlich dass die freiwillige Kennzeichnung<br />
geför<strong>der</strong>t wird. Das gibt es in einer Reihe von Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong>n, etwa in Hessen, Hamburg<br />
usw., in denen zum Beispiel Namensschil<strong>der</strong> zur Verfügung gestellt werden.<br />
Verpflichtende Regelungen gibt es bisher nur in Berlin. Da wäre, was die gesetzliche<br />
Regelung anginge, Brandenburg Vorreiter. Meine Einschätzung wäre, dass, wenn es<br />
erst einmal Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong> gibt, die das eingeführt haben, die nicht wirklich berechtigten<br />
Sorgen mancher Polizeibediensteter bezüglich dieser Regelung sich schnell zerstreuen<br />
werden, weil man sieht, dass solche Regelungen auch ermöglichen, dass<br />
man sich, wenn man einmal in eine kritische Situation gerät, durch die Alternativkennzeichnung<br />
schützt.<br />
Zu Ihrer Frage bezüglich <strong>der</strong> Fehlerkultur: Natürlich gibt es einen Zusammenhang<br />
zwischen <strong>der</strong> Kennzeichnungsdiskussion und <strong>der</strong> Frage, ob es eine Aufarbeitung von<br />
Fehlerkulturen innerhalb <strong>der</strong> Polizei gibt. Das überschneidet sich, es sind natürlich<br />
trotzdem zwei Dimensionen. Man kann sagen, es trägt auch zur Fehleridentifizierung<br />
und zur sinnvollen Fehleraufarbeitung bei, wenn es solche Kennzeichnungsregelungen<br />
gibt.<br />
Die Problematik geht noch ein ganzes Stück darüber hinaus, weil sich auch die Frage<br />
stellt, wie man aus solch großen hierarchisch strukturierten Verwaltungen in <strong>der</strong><br />
Polizei eine lernende Organisation machen kann, die in <strong>der</strong> Lage ist, wenn etwas<br />
passiert ist, dies so zu reflektieren, dass <strong>der</strong>jenige, <strong>der</strong> einen Fehler gemacht hat, da<strong>für</strong><br />
nicht notwendig sanktioniert wird, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Fehler als Chance <strong>des</strong> Lernens <strong>für</strong><br />
die gesamte Organisationseinheit gesehen wird, man sich also anschaut, warum <strong>der</strong><br />
Fehler passiert ist und was man tun kann, damit ein solcher Fehler beim nächsten<br />
Mal vermieden wird. Das ist eine Dimension, die weit darüber hinaus geht. Da gibt es<br />
auch einige rechtliche Probleme, die da mit hineinspielen, wie das Legalitätsprinzip,<br />
wenn man im Straftatenbereich ist usw. Das heißt, das ist ein umfangreiches Thema,<br />
das man da zu bearbeiten hat.<br />
Abgeordneter Dr. Scharfenberg (DIE LINKE):<br />
Wir diskutieren dieses Thema ja unter <strong>der</strong> Voraussetzung, dass sich die Koalitionspartner<br />
in ihrer Vereinbarung verpflichtet haben, dazu eine Regelung zu finden, und<br />
wir diskutieren heute über einen Gesetzentwurf <strong>der</strong> CDU, die nun nicht gerade im<br />
Ruf steht, dieses Thema voranzubringen, Beispiel Berlin. Das ist schon eine beson<strong>der</strong>e<br />
Voraussetzung, die, denke ich, sehr produktiv sein kann.
<strong>Landtag</strong> Brandenburg P-AI 5/13-1 S. 17<br />
Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />
<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />
Zweitens hat diese Kennzeichnungspflicht in Brandenburg wie in an<strong>der</strong>en neuen<br />
Län<strong>der</strong>n schon einmal gegolten - nach dem Vorschalt-Polizeigesetz, das bis 1996 in<br />
Kraft gewesen ist. Das ist damals aber nicht umgesetzt worden; diese Regelung ist ja<br />
ins Leere gelaufen.<br />
Ich habe folgende Fragen an Herrn Glietsch: In Berlin ist diese freiwillige Regelung<br />
seit 2003 praktiziert worden. Sie haben Zahlen genannt. Können Sie darüber hinaus<br />
Erfahrungen im Umgang mit dieser freiwilligen Regelung vermitteln? Ich denke, das<br />
ist das, was bei <strong>der</strong> Polizei immer noch am besten ankommt, zu sagen: Je<strong>der</strong> kann<br />
selbst entscheiden, wie er damit umgeht. - Sie haben diese freiwillige Regelung mit<br />
gewissem Nachdruck schon praktiziert; mich interessieren Ihre Erfahrungen damit.<br />
Zweitens: Die Anwendung <strong>der</strong> verbindlichen Regelung gilt seit zwei Monaten. Meine<br />
Frage lautet: Gibt es da auch schon vermittelnswerte Erfahrungen?<br />
Drittens: Wenn eine solche verbindliche Regelung zur Kennzeichnung gilt, ergibt sich<br />
automatisch die Frage: Wie ist denn das, wenn Polizeikräfte aus an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n im<br />
Land wirksam werden, bei denen diese Kennzeichnungspflicht nicht gilt? Wie sieht<br />
das in Berlin aus, wie gehen Sie damit um?<br />
Herr Glietsch (Polizeipräsident Berlin):<br />
Erfahrungen mit <strong>der</strong> Freiwilligkeit habe ich eben dargestellt. Wir haben in <strong>der</strong> Phase<br />
2003 bis 2010 immerhin 10 000 Namensschil<strong>der</strong> ausgegeben, und die wurden nur<br />
ausgegeben, wenn <strong>der</strong> Mitarbeiter auch ein Namensschild haben wollte. Das deutet<br />
darauf hin, dass rund 10 000 Mitarbeiter zumin<strong>des</strong>t bei bestimmten Einsätzen das<br />
Namensschild getragen haben. Deswegen kann ich sagen, dass wir in diesem Zusammenhang<br />
jedenfalls keinerlei Negativerfahrungen gemacht haben.<br />
Über Erfahrungen mit <strong>der</strong> verbindlichen Regelung kann ich erst berichten, wenn wir<br />
die logistischen Maßnahmen abgeschlossen haben. Das wird nach dem ersten Halbjahr<br />
<strong>der</strong> Fall sein. Es gibt <strong>für</strong> mich auch keine Veranlassung, davon auszugehen,<br />
dass diese Erfahrungen an<strong>der</strong>e sein werden als die, die wir bisher gesammelt haben.<br />
Die Regelung, was Einsatzkräfte aus an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n angeht, ist, glaube ich, mit<br />
dieser Geschäftsanweisungslösung, die wir geschaffen haben, klarer und einfacher,<br />
als wenn wir eine gesetzliche Regelung hätten. Für die Geschäftsanweisung ist ganz<br />
klar, dass sie nur <strong>für</strong> die Angehörigen meiner Behörde, <strong>der</strong> Berliner Polizei, gilt. Wir<br />
leben damit, dass die Unterstützungskräfte aus an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n, die wir relativ häufig<br />
haben, eben an<strong>der</strong>en Regelungen und nicht dieser Regelung unterliegen. Wenn<br />
Sie das gesetzlich regeln, müssen Sie, glaube ich, mitregeln, was <strong>für</strong> diese Kräfte<br />
gelten soll.<br />
Im Übrigen möchte ich die Gelegenheit nutzen, auf das hinzuweisen, was mich bewogen<br />
hat, diesen Weg und nicht den gesetzlichen zu gehen. In beiden Koalitions-
<strong>Landtag</strong> Brandenburg P-AI 5/13-1 S. 18<br />
Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />
<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />
vereinbarungen <strong>der</strong> Regierungsfraktionen in Berlin, die vor 2006 dieselben waren wie<br />
nach 2006, stand, man wolle eine gesetzliche Regelung schaffen. Ich habe von Anfang<br />
an da<strong>für</strong> plädiert, das nicht zu tun, son<strong>der</strong>n mir die Möglichkeit zu geben, das<br />
durch Geschäftsanweisung zu regeln, und zwar, nachdem wir diesen Weg gegangen<br />
sind und nachdem ich innerhalb meiner Behörde möglichst viele Führungskräfte und<br />
Mitarbeiter davon überzeugen konnte, dass es gut <strong>für</strong> die Polizei ist. Ich halte es<br />
auch <strong>für</strong> gut, dass das in <strong>der</strong> Behörde, aus <strong>der</strong> Behörde heraus von <strong>der</strong> Polizei geregelt<br />
worden ist und nicht vom Gesetzgeber aufoktroyiert wurde. Das ist ja keine Erfindung<br />
von mir, son<strong>der</strong>n wir haben zwölf Amts- und Direktionsleiter, die diese Geschäftsanweisungen<br />
im Entwurf gezeichnet haben. Das wird von ihnen mitgetragen.<br />
Dieser Prozess ist <strong>für</strong> die Polizei und <strong>für</strong> die Frage, wie akzeptabel das dann auch <strong>für</strong><br />
die Mitarbeiter ist, nach meiner Überzeugung nicht ohne Bedeutung.<br />
Herr Prof. Dr. Aden (Hochschule <strong>für</strong> Wirtschaft und Recht Berlin):<br />
Das hängt sicherlich auch ein wenig mit <strong>der</strong> Regelungssystematik zusammen, wenn<br />
auch die Einsatzkräfte aus an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n von dieser Regelung erfasst würden. Da<br />
müsste man sich noch einmal anschauen, inwieweit die an<strong>der</strong>en Regelungen <strong>des</strong><br />
Brandenburgischen Polizeigesetzes zur Zusammenarbeit mit Einsatzkräften aus an<strong>der</strong>en<br />
Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong>n entsprechende Klarstellung erfor<strong>der</strong>n, denn von <strong>der</strong> beamtenrechtlichen<br />
Seite her ist es sicherlich eindeutig, dass <strong>der</strong> Dienstherr nur die eigenen<br />
Beamten verpflichten kann. Das ist auch keine klassische Eingriffsbefugnis. Insofern<br />
bin ich mir nicht sicher, ob man das tatsächlich hier mit regeln muss o<strong>der</strong> ob sich das<br />
nicht aus <strong>der</strong> Logik <strong>des</strong> Beamtenrechts schon ergibt, dass das Land Brandenburg<br />
Unterstützungskräfte aus an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n nicht dazu verpflichten könnte. Das wäre<br />
eher meine Einschätzung, dass sich die Anwendung dieser Regelung per se nur auf<br />
die brandenburgischen Polizeibeamten bezöge. Natürlich kann man dann die Unterstützungskräfte<br />
überzeugen, bei einer solchen Kennzeichnungsregelung mitzumachen,<br />
aber wir kennen ja diese Problematiken bei solchen großen Einsätzen. In Berlin<br />
haben wir das Problem ja mehr, als wir es in Brandenburg vermutlich haben. Das<br />
sind ohnehin die heikelsten Einsätze, was hinterher die Verantwortlichkeiten angeht,<br />
natürlich nicht nur <strong>für</strong> das Handeln <strong>der</strong> individuellen Beamten, son<strong>der</strong>n auch <strong>für</strong> die<br />
Einsatzleitung insgesamt.<br />
Vorsitzende:<br />
Danke schön. - Bitte, Herr Goetz.<br />
Abgeordneter Goetz (FDP):<br />
Herr Glietsch, die von Ihnen erlassene Regelung ist zum 1. Januar dieses Jahres in<br />
Kraft getreten. Sie legten dar, dass es ein jahrelanger Prozess war, den Sie geführt<br />
haben, bis es zum Inkrafttreten dieser Regelung gekommen ist.
<strong>Landtag</strong> Brandenburg P-AI 5/13-1 S. 19<br />
Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />
<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />
Wie würden Sie zu einer Regelung stehen, die in Brandenburg per Gesetz über<br />
Nacht in Kraft trete? Sähen Sie Probleme, wenn es von heute auf morgen zu einer<br />
Regelung käme, nach <strong>der</strong> unter an<strong>der</strong>em die Beamten dazu aufgefor<strong>der</strong>t werden,<br />
diese Regelung ab sofort zu verfolgen bzw. umzusetzen?<br />
Meines Erachtens muss eine gewisse Hemmschwelle ausgeräumt worden sein. Wie<br />
wurde diese Hemmschwelle in Berlin ausgeräumt? Was würden Sie uns aufgrund Ihrer<br />
Erfahrungen empfehlen? Wäre eine Frist, eine Dauer o<strong>der</strong> eine Begleitung notwendig,<br />
um eine solche Regelung einzuführen? Kann man sie dann tatsächlich von<br />
heute auf morgen umsetzen?<br />
Des Weiteren habe ich den Eindruck, dass die Übergriffe auf Beamte in erheblichem<br />
Umfang zunehmen und diese zunehmenden Übergriffe - falls ich mich irre, lasse<br />
mich gern belehren - auch ein wesentlicher Faktor da<strong>für</strong> sind, dass sich die Beamten<br />
über die scheinbar sinkende Hemmschwelle, gegen Beamte vorzugehen, Sorgen<br />
machen.<br />
Herr Glietsch bzw. Herr Prof. Aden, welche Auswirkungen könnten solche Namensschil<strong>der</strong><br />
<strong>für</strong> die Zukunft haben? Was wurde getan, um die Hemmschwelle wie<strong>der</strong> anzuheben<br />
und den Beamten die Sorge vor solchen Übergriffen zu nehmen? Falls noch<br />
nichts getan wurde: Was kann man tun, um auf diese Weise einen Ausgleich zu<br />
schaffen, wenn das von den Beamten vorgetragene und aus meiner Sicht berechtigte<br />
Anliegen einer Behandlung bedarf?<br />
Vorsitzende:<br />
Herr Glietsch, bitte.<br />
Herr Glietsch (Polizeipräsident Berlin):<br />
Wie bereits eben verdeutlicht, war es sehr wichtig, dass wir Gelegenheit hatten, jahrelang<br />
da<strong>für</strong> zu werben, darüber zu diskutieren, die Führungskräfte mitzunehmen und<br />
auch möglichst viele Mitarbeiter davon zu überzeugen, dass dies eine Regelung ist,<br />
die ihnen nicht schadet und die <strong>der</strong> Polizei insgesamt nutzt.<br />
Ich kann zwar nicht behaupten, dass alle überzeugt sind, aber gegenwärtig halten<br />
wesentlich mehr Mitarbeiter diese Regelung <strong>für</strong> sinnvoll und akzeptieren sie auch, als<br />
es noch vor drei, vier o<strong>der</strong> fünf Jahren <strong>der</strong> Fall war. Das ist auf die in den vergangenen<br />
Jahren sehr intensiv geführte Diskussion zurückzuführen. Schließlich habe ich<br />
dieses Thema unter an<strong>der</strong>em auch in vielen meiner wöchentlichen Dienststellenbesuchen<br />
erörtert, und zwar insbeson<strong>der</strong>e mit den Angehörigen <strong>der</strong> Einsatzeinheiten,<br />
bei denen die emotionalen Vorbehalte am größten waren. Meine Überzeugung ist:<br />
Sie akzeptieren diese Regelung.
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Zu Beginn unserer Diskussionen über Namensschil<strong>der</strong> waren die Vorbehalte sehr<br />
groß. Irgendwann kam dann <strong>der</strong> Punkt, dass die Beamten eine taktische, individualisierbare<br />
Rückenkennzeichnung gefor<strong>der</strong>t haben, die ihnen nicht solch große Probleme<br />
wie die Namensschil<strong>der</strong> bereiteten. Nun ist dies - nachdem die Regelung in Kraft<br />
getreten ist und die Diskussion im Rahmen <strong>des</strong> Beteiligungsverfahrens im November<br />
mit <strong>der</strong> Entscheidung <strong>der</strong> Einigungsstelle abgeschlossen wurde - in <strong>der</strong> Behörde kein<br />
Thema mehr.<br />
Insofern kann ich Ihnen nur empfehlen: Polizeibeamte sind daran gewöhnt, dass Gesetze<br />
in Kraft treten und dass sie sie beachten müssen. Für die Akzeptanz ist es jedoch<br />
wichtig, dass man sich die Zeit nimmt, innerhalb <strong>der</strong> Polizei da<strong>für</strong> zu werben,<br />
die Führungskräfte da<strong>für</strong> zu gewinnen und auch möglichst viele Mitarbeiter davon zu<br />
überzeugen, indem man verdeutlicht, dass es im Interesse <strong>der</strong> Polizei liegt, eine solche<br />
Regelung einzuführen, und sie nicht einfach von heute auf morgen aufoktroyiert.<br />
Abgeordneter Goetz (FDP):<br />
Ist die in Berlin erreichte Akzeptanz wesentlich davon getragen, dass alternativ zum<br />
Namen auch eine anonymisierte Fassung angeboten wird?<br />
Herr Glietsch (Polizeipräsident Berlin):<br />
Ja.<br />
Vorsitzende:<br />
Herr Prof. Aden, bitte.<br />
Herr Prof. Dr. Aden (Hochschule <strong>für</strong> Wirtschaft und Recht Berlin):<br />
Weitestgehend kann ich mich Herrn Glietsch anschließen. Völlig unabhängig davon,<br />
ob Sie dies per Gesetz o<strong>der</strong> durch eine Verwaltungsanweisung regeln, werden Sie<br />
Überzeugungsarbeit immer ein Stück weit leisten müssen. Es ist auch eine Führungsfrage<br />
innerhalb <strong>der</strong> Polizei, dass man dem heute als zum eigenverantwortlichen<br />
Handeln Ausgebildeten nicht irgendwelche Entscheidungen nur von oben aufoktroyiert,<br />
ohne die Gründe da<strong>für</strong> zu vermitteln. Jedoch lassen sich meines Erachtens in<br />
dem Moment, in dem man die Alternative hat, in Gefährdungssituationen auf ein solches<br />
nicht namentliches Kennzeichen überzugehen, die Sorgen schnell zerstreuen.<br />
In <strong>der</strong> Tat gibt es Untersuchungen darüber - diese sind nicht unbedingt qualitativ absicherbar,<br />
geben jedoch eine Trendaussage -, dass es in den vergangenen Jahren in<br />
gewissen Situationen mehr Gewalt gegen Polizeibeamte gegeben hat. Sieht man<br />
sich jedoch die Situationen an, stellt man fest, dass es keine typischen Situationen<br />
waren, bei denen ein Namensschild zu einer zusätzlichen Gefährdung geführt hat.
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Vielmehr ist es eine Problematik sinken<strong>der</strong> Gewaltschwellen in <strong>der</strong> Gesellschaft insgesamt,<br />
dass gewisse Situationen also eher eskalieren können.<br />
Darauf reagiert man im Polizeibereich bereits seit langem. In Berlin gibt es da<strong>für</strong> eine<br />
spezielle Eingriffsbefugnis, dass Streifenwagen mit einer Videokamera ausgestattet<br />
werden dürfen, die von den Beamten in bestimmten Gefährdungssituationen eingeschaltet<br />
werden, damit das, was geschieht und was die Beamten als gefährlich wahrnehmen,<br />
zum einen dokumentiert wird und damit zum an<strong>der</strong>en Unterstützung herbeigeholt<br />
werden kann, wenn eine Eskalation <strong>der</strong> Situation festgestellt wird. Solche Gefährdungen<br />
kann man natürlich nicht völlig ausschließen, sie haben aber mit <strong>der</strong><br />
Kennzeichnungsdiskussion nichts zu tun.<br />
Abgeordneter Goetz (FDP):<br />
Meines Erachtens gibt es schon einen Zusammenhang; denn die Sorge <strong>der</strong> Beamten<br />
vor Übergriffen ist eine allgemeine Sorge. Ob <strong>der</strong> Übergriff unabhängig vom Namensschild<br />
erfolgt, spielt <strong>für</strong> den dem Übergriff ausgesetzten Beamten zunächst keine<br />
Rolle. Vielmehr stellt man sich die Frage, was <strong>der</strong> jeweilige Dienstherr aufgrund<br />
seiner Fürsorgepflicht <strong>für</strong> den Beamten tun kann, um ihm die Sorgen vor solchen<br />
Übergriffen zu nehmen. Wenn man etwas unternimmt, sinkt sicherlich auch die Sorge<br />
in Bezug auf die Namensschil<strong>der</strong>. Insofern danke ich Ihnen <strong>für</strong> das genannte Beispiel<br />
<strong>der</strong> Kameras in den Fahrzeugen.<br />
Kann man noch mehr tun bzw. welche weiteren Möglichkeiten gibt es, um die Sorge<br />
vor Übergriffen - <strong>der</strong> Zusammenhang zum Namensschild ist aus meiner Sicht unmittelbar<br />
gegeben - zu reduzieren?<br />
Vorsitzende:<br />
Herr Glietsch, bitte.<br />
Herr Glietsch (Polizeipräsident Berlin):<br />
Ich bin sicher, unabdingbare Voraussetzung <strong>für</strong> eine Akzeptanz bei den Namensschil<strong>der</strong>n<br />
ist, dass die Behörde hinsichtlich <strong>der</strong> Eigensicherung und <strong>des</strong> Schutzes <strong>der</strong><br />
Beamten gegenüber Angriffen alles getan hat und auch weiterhin alles tun wird, was<br />
ihr möglich ist und was die Mitarbeiter auch erwarten können.<br />
Dazu gehört das Anbieten eines sehr guten Eigensicherungs- bzw. Einsatztrainings<br />
in <strong>der</strong> Behörde, das nicht nur angeboten wird, son<strong>der</strong>n verpflichtend ist, das auf dem<br />
aktuellen Stand <strong>der</strong> Technik ist bzw. dem höheren Stand an<strong>der</strong>er Län<strong>der</strong> angepasst<br />
wird und das stets fortentwickelt wird. Zudem sollte in <strong>der</strong> behördlichen Praxis sichergestellt<br />
werden, dass dieses Eigensicherungstraining - dies ist nicht nur ein Schieß-
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training, son<strong>der</strong>n ein umfassen<strong>des</strong> Training - alle Aspekte <strong>der</strong> Eigensicherung und<br />
<strong>des</strong> Schutzes vor Gewalt beinhaltet und insofern die angebotenen Möglichkeiten tatsächlich<br />
genutzt werden.<br />
Auch sollte sich die Schutzausstattung <strong>der</strong> Beamten auf dem aktuellen Stand <strong>der</strong><br />
Technik befinden. Das gilt insbeson<strong>der</strong>e <strong>für</strong> die Einheiten, die im Einsatz mehr o<strong>der</strong><br />
weniger regelmäßig - in Berlin regelmäßig - mit Gewalt konfrontiert werden. Daher<br />
sollte hinsichtlich <strong>der</strong> Einsatzanzüge, <strong>der</strong> Schutzwesten, <strong>des</strong> Mehrzweckstockes und<br />
<strong>der</strong> Helmausstattung das auf dem Markt beste zu erwerbende Material beschafft werden.<br />
Vorsitzende:<br />
Gibt es weitere Wortmeldungen o<strong>der</strong> Fragen? - Das ist nicht <strong>der</strong> Fall. Dann erhält<br />
nun Herr Schuster <strong>für</strong> die Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> Brandenburg das<br />
Wort. - Bitte schön, Herr Schuster.<br />
Herr Schuster (Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei, Lan<strong>des</strong>bezirksvorsitzen<strong>der</strong>):<br />
Herzlichen Dank <strong>für</strong> die Möglichkeit, in <strong>der</strong> Anhörung <strong>des</strong> Innenausschusses zum<br />
Gesetzentwurf <strong>der</strong> CDU-Fraktion Stellung nehmen zu können. Die endgültige Fassung<br />
unserer Stellungnahme wurde heute recht spät erarbeitet und ist vor etwa einer<br />
Stunde <strong>der</strong> Geschäftsstelle zugegangen (Stellungnahme, Anlage 6). Einige wenige<br />
Exemplare habe ich mitgebracht.<br />
Die Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei Brandenburg lehnt die Aufnahme einer generellen<br />
Kennzeichnungspflicht <strong>für</strong> Polizeivollzugsbeamte in das Brandenburgische Polizeigesetz<br />
ab. Begründung - erstens: Die allgemeine Verpflichtung zum Tragen von Namensschil<strong>der</strong>n<br />
stellt einen Eingriff in das Grundrecht auf informelle Selbstbestimmung<br />
als Ausprägung <strong>des</strong> allgemeinen Persönlichkeitsrechtes gemäß Artikel 2 Abs.<br />
1 GG i.V.m. Artikel 1 Abs. 1 GG dar.<br />
Zweitens: Die namentliche Zwangskennzeichnung ist ein Eingriff in die persönliche<br />
Freiheit und steht im Wi<strong>der</strong>spruch zur Garantie von Artikel 8 <strong>der</strong> Europäischen Menschenrechtskonvention.<br />
Drittens: Entsprechende Grundrechtseingriffe müssen im öffentlichen Interesse liegen,<br />
verhältnismäßig sein und den Kerngehalt <strong>des</strong> Grundrechts nicht verletzen bzw.<br />
den Kriterien gemäß Artikel 8 EMRK entsprechen.<br />
Das öffentliche Interesse an einer namentlichen Zwangskennzeichnung <strong>der</strong> Polizei<br />
liegt nicht vor. Es gibt keinerlei wissenschaftliche Untersuchung und keine Bürgerbefragung,<br />
die dies belegt. Es erfolgt eine gesetzliche Normierung, ohne dass die entsprechenden<br />
Voraussetzungen <strong>für</strong> diese Maßnahme geprüft wurden. Dagegen mündet<br />
das nachgewiesene Bedürfnis <strong>der</strong> öffentlich Beschäftigten unter an<strong>der</strong>em nach
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leistungsgerechter Bezahlung, das wir nachweisen können, in keinerlei Reaktion einer<br />
gesetzlichen Nomierung.<br />
Viertens: Erkenntnisse über persönliche Daten, die aus dem Tragen von Namensschil<strong>der</strong>n<br />
gewonnen werden können - etwa vollständige Namen anhand öffentlicher<br />
Telefonbücher o<strong>der</strong> über Suchmaschinen im Internet, womit auch die Privatanschrift<br />
ermittelt werden kann -, können zu Missbrauch führen; denn nicht je<strong>der</strong> heißt Müller,<br />
Lehmann o<strong>der</strong> Schuster. Jedoch ist <strong>der</strong> Dienstherr verpflichtet, bei Missbrauch personenbezogener<br />
Daten im Rahmen <strong>der</strong> Fürsorgepflicht sowohl <strong>für</strong> den Polizeibeamten<br />
als auch <strong>für</strong> <strong>des</strong>sen Familien Schutz sicherzustellen.<br />
Fünftens: In geschlossenen Einheiten <strong>der</strong> Bereitschaftspolizei ist eine Identifizierung<br />
auch durch Kennzeichnung auf dem Helm bzw. durch Aufkleber auf dem Rücken <strong>der</strong><br />
Einsatzkräfte gewährleistet. Diese Aufkleber ermöglichen aufgrund von Zahlen-,<br />
Buchstaben- o<strong>der</strong> Symbolkombinationen die Zuordnung zur jeweiligen Einsatzeinheit<br />
<strong>der</strong> Beamten. Das wurde in <strong>der</strong> Innenministerkonferenz einheitlich zwischen dem<br />
Bund und den Län<strong>der</strong>n abgestimmt.<br />
Sechstens: Die namentliche Kennzeichnung <strong>der</strong> Polizei stellt diese unter einen sogenannten<br />
Generalverdacht, auch wenn dies hier verneint wurde. Unbeantwortet bleibt<br />
die Frage, warum nicht alle Status- und Beschäftigtengruppen <strong>des</strong> öffentlichen<br />
Dienstes einer Kennzeichnung unterliegen.<br />
Siebentens: Bei getroffenen polizeilichen Maßnahmen werden die Namen <strong>der</strong> veranlassenden<br />
Beamten sowohl im täglichen Dienst als auch bei geschlossenen Einsätzen<br />
festgehalten - zum Beispiel durch Unterschrift unter Anzeigen, Ordnungswidrigkeitsanzeigen<br />
und Festnahmeprotokollen.<br />
Die bestehenden gesetzlichen und innerdienstlichen Regelungen in Brandenburg genügen<br />
zur Identifizierung von Polizeivollzugsbeamten sowohl im täglichen Dienst als<br />
auch bei geschlossenen Einsätzen. In § 9 BbgPolG wird eindeutig die Legitimationspflicht<br />
geregelt. Entsprechend dieser gesetzlichen Regelung sind Polizeivollzugsbeamte<br />
in Brandenburg verpflichtet, sich auszuweisen, solange <strong>der</strong> Zweck <strong>der</strong> Maßnahme<br />
nicht beeinträchtigt wird. Dies erfolgt durch Vorstellung mit Dienstgrad und Namen,<br />
durch Vorzeigen <strong>des</strong> Dienstausweises o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Dienstmarke und gegebenenfalls<br />
durch Übergabe von Visitenkarten.<br />
Unsere Revierpolizisten als Ansprechpartner <strong>der</strong> Brandenburger Bürger sind mit Namen<br />
und Bild im Internet veröffentlicht. In den Polizeidienststellen sind an allen<br />
Diensträumen Schil<strong>der</strong> angebracht, auf denen wegen <strong>des</strong> Namens und <strong>des</strong> Dienstgra<strong>des</strong><br />
ersichtlich ist, welcher Kollege in diesem Raum seinen Dienst verrichtet. Damit<br />
ist nach unserer Auffassung <strong>der</strong> vorgeschriebenen Legitimationspflicht umfassend<br />
Rechnung getragen.
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Auch in <strong>der</strong> Dienstbekleidungsvorschrift <strong>für</strong> die Polizei <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> Brandenburg ist in<br />
<strong>der</strong> Anlage 1 Ziffer 2.9 zu Verbandszeichen und Namensschil<strong>der</strong>n geregelt, dass ein<br />
freiwilliges Tragen von Namensschil<strong>der</strong>n je<strong>der</strong>zeit möglich ist.<br />
Nun möchte ich auf Folgen<strong>des</strong> aufmerksam machen: Wenn Brandenburg als erstes<br />
Bun<strong>des</strong>land die Pflicht zum Tragen von Namensschil<strong>der</strong>n gesetzlich regelt, werden<br />
wir erhebliche Schwierigkeiten haben, künftig noch Fremdkräfte zu polizeilichen Einsätzen<br />
in Brandenburg zu bekommen. Unsere Kollegen werden bei Einsätzen in an<strong>der</strong>en<br />
Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong>n regelmäßig über die im Polizeigesetz festgelegten Regelungen<br />
<strong>der</strong> jeweiligen Län<strong>der</strong> belehrt. Insofern würde dies auch <strong>für</strong> die Fremdkräfte aus an<strong>der</strong>en<br />
Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong>n in Brandenburg gelten.<br />
Es gibt nun zwei Varianten: Entwe<strong>der</strong> müssen die Fremdkräfte in Brandenburg ebenfalls<br />
Namensschil<strong>der</strong> tragen, wie es gesetzlich vorgeschrieben ist - dies werden sie<br />
nicht tun, solange sie im eigenen Land nicht dazu verpflichtet sind -, o<strong>der</strong> wir regeln<br />
in Brandenburg, dass sich die Brandenburger Polizisten kennzeichnen müssen, die<br />
Fremdkräfte ihren Dienst in Brandenburg aber ungekennzeichnet verrichten können.<br />
Dies wird jedoch unseren Kollegen gegenüber schwer vermittelbar sein.<br />
In <strong>der</strong> aktuellen politischen Diskussion wird deutlich, dass eine zunehmende Anzahl<br />
von Bürgern mit politischen Entscheidungen allgemein, aber auch mit dem Zustandekommen<br />
von politischen Entscheidungen nicht mehr einverstanden ist. Sie for<strong>der</strong>n<br />
verstärkt, dass Bürgerwille akzeptiert und respektiert wird. Beispiele da<strong>für</strong> sind „Stuttgart<br />
21“, die Anti-Castor-Bewegung o<strong>der</strong> das Nein zum Großflughafen BBI.<br />
Nun möchte ich die Frage <strong>der</strong> politischen Unglaubwürdigkeit, wie sie gegenwärtig in<br />
<strong>der</strong> Brandenburger Polizei diskutiert wird, an einem konkreten Fakt belegen. In <strong>der</strong><br />
Drucksache 16/3746 <strong>des</strong> Abgeordnetenhauses in Berlin vom 19.01.2011 beantragt<br />
die Fraktion <strong>der</strong> CDU, die Kennzeichnungspflicht <strong>für</strong> Polizisten sofort zu stoppen.<br />
In <strong>der</strong> Begründung heißt es unter an<strong>der</strong>em:<br />
„Die individuelle Kennzeichnung ist nachteilig und sogar gefährlich <strong>für</strong> Polizeivollzugsbeamte.<br />
Individuelle Kennzeichnungen führen zwangsläufig zu einer<br />
erheblichen Steigerung taktischer, im Zweifel verleum<strong>der</strong>ischer Anzeigen.<br />
Selbst wenn sich die Vorwürfe als haltos erweisen sollten, bedeutet das eine<br />
Beför<strong>der</strong>ungssperre <strong>für</strong> die betroffenen Beamten. Der Senat gefährdet durch<br />
die Kennzeichnung Beamte, <strong>für</strong> die er doch zur Fürsorge verpflichtet ist. Sie<br />
verdienen <strong>für</strong> ihre schwierige Arbeit unser volles Vertrauen und unsere volle<br />
Unterstützung!“<br />
Dies zeigt die Unglaubwürdigkeit <strong>des</strong> politischen Fö<strong>der</strong>alismus am Beispiel <strong>der</strong> CDU<br />
Brandenburg und <strong>der</strong> CDU Berlin. Die Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei ist auch fö<strong>der</strong>al organisiert,<br />
aber bei <strong>der</strong> Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei gibt es eine Meinung: Wir lehnen die<br />
Kennzeichnungspflicht bun<strong>des</strong>weit ab.
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Zudem sollte man sich auch die Frage stellen, warum erst kürzlich die Bun<strong>des</strong>regierung<br />
die Kennzeichnungspflicht <strong>für</strong> Bun<strong>des</strong>beamte - insbeson<strong>der</strong>e im Bereich <strong>der</strong> Bereitschaftspolizei<br />
<strong>des</strong> Bun<strong>des</strong> - abgelehnt hat.<br />
Neben dem friedlichen Protest gegen politische Entscheidungen kommt es verstärkt<br />
zu einer Radikalisierung von Protestbewegungen, insbeson<strong>der</strong>e im linken und rechten<br />
Spektrum politischer Anschauung. Diese Radikalisierung bekommen in erster Linie<br />
die Vertreter <strong>der</strong> Staatsmacht und konkret die Polizeivollzugsbeamten zu spüren.<br />
Auf Initiative <strong>der</strong> Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei hat das Kriminologische Forschungsinstitut<br />
Nie<strong>der</strong>sachsen e.V. im Auftrag <strong>der</strong> Innenministerkonferenz und <strong>der</strong> Gewerkschaft <strong>der</strong><br />
Polizei eine Polizeibefragung zum Thema „Gewalt gegen Polizeibeamte“ durchgeführt.<br />
Diese Studie fand im vergangenen Jahr statt.<br />
Wesentliche Ergebnisse sind: Polizeibeamte sind im Rahmen ihrer dienstlichen Tätigkeit<br />
in sehr hohem Maße Agressionen von Bürgern ausgesetzt. Von den befragten<br />
Polizeibeamten wurden im Jahr 2009 81,9 % beschimpft, beleidigt o<strong>der</strong> verbal bedroht.<br />
47,8 % wurden gestoßen, geschubst o<strong>der</strong> festgehalten, 24,9 % mit Gegenständen<br />
beworfen, 26,5 % mit Faust bzw. Hand geschlagen o<strong>der</strong> mit Füßen getreten.<br />
14,6 % erlebten eine Bedrohung mit einer Waffe o<strong>der</strong> einem gefährlichen Gegenstand,<br />
und 8,6 % wurden mit diesen angegriffen.<br />
Die täglichen Angriffe bewirken bei vielen Beamten massive Verletzungen. Beson<strong>der</strong>s<br />
häufig betroffen sind Streifenbeamte. Insofern kann ich mir nur schwer die sogenannte<br />
heile Welt insbeson<strong>der</strong>e in den Großstädten in Deutschland und das innige<br />
Verhältnis zwischen Bürger und Polizei vorstellen.<br />
Schwerpunkte dieser Gewaltübergriffe liegen zu 27,5 % bei <strong>der</strong> Festnahme von Tatverdächtigen,<br />
zu 23,7 % bei Streitsituationen im öffentlichen Raum o<strong>der</strong> in Familien<br />
und zu 11 % bei Einsätzen <strong>der</strong> öffentlichen Ordnung, also im täglichen Dienst.<br />
Nun muss man sich vorstellen, die Kollegen sind im Dienst, fahren zum Einsatz und<br />
müssen sich überlegen: Trage ich eine Nummer o<strong>der</strong> ein Namensschild, ohne zu<br />
wissen, ob es bei dem Einsatz um eine gewalttätige Auseinan<strong>der</strong>setzung o<strong>der</strong> um<br />
einen beizulegenden Familienstreit geht.<br />
Im Vergleich <strong>der</strong> vergangenen fünf Jahre <strong>des</strong> Untersuchungszeitraumes zeigt sich<br />
ein deutlicher Anstieg <strong>der</strong> Gewaltübergriffe gegenüber <strong>der</strong> Polizei. Schwere Gewaltübergriffe<br />
führen bei den betroffenen Polizeivollzugsbeamten nicht selten zu schweren<br />
psychischen und psychosomatischen Beschwerden. Ein beson<strong>der</strong>s deutlicher<br />
Anstieg schwerer Gewalt ist bei Demonstrationen - 4,6 % auf 8 % -, bei familiären<br />
Auseinan<strong>der</strong>setzungen - 5,8 % auf 11,4 % - und bei Streitigkeiten ohne familiären<br />
Hintergrund - 9,4 § auf 12,9 % - zu verzeichnen.
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Eine generelle Kennzeichnungspflicht von Polizeivollzugsbeamten zu for<strong>der</strong>n ist insbeson<strong>der</strong>e<br />
im Ergebnis <strong>der</strong> KFN-Studie (KFN = Kriminologisches Forschungsinstitut<br />
Nie<strong>der</strong>sachsen e. V.) ein vollkommen falsches politisches Signal. Wir bezeichnen<br />
dies als eine Verletzung <strong>der</strong> Fürsorgepflicht <strong>des</strong> Dienstherrn. Bereits heute werden<br />
fast alle polizeilichen Maßnahmen videografiert.<br />
Für Potsdam im Übrigen interessant: Babelsberg 03 - es wurde ein eigener Verein<br />
bzw. eine Initiative gegründet, nach <strong>der</strong> die Polizei kontrolliert wird und alle polizeilichen<br />
Maßnahmen bei Fußballspielen videografiert, ausgewertet und auch illlegal ins<br />
Internet gestellt werden. Künftig würde demnach nicht nur polizeiliches Handeln im<br />
Internet nachvollziehbar sein, son<strong>der</strong>n auch die handelnden Personen namentlich zugeordnet<br />
werden können. Insofern können illegale Datenbanken über handelnde Polizeivollzugsbeamte<br />
im Internet angelegt werden. Dies wi<strong>der</strong>spricht dem generellen<br />
Anspruch auf informelle Selbstbestimmung.<br />
Die Verpflichtung von Polizeivollzugsbeamten, im Dienst die vorgeschriebene Uniform<br />
zu tragen, war durch das Erfor<strong>der</strong>nis gerechtfertigt, die Legitimation <strong>der</strong> Beamten<br />
<strong>für</strong> polizeiliche Maßnahmen äußerlich kundzutun.<br />
Nun zwei abschließende Bemerkungen. Erstens: Es gab eine Anfrage <strong>der</strong> „taz“ - Tageszeitung<br />
Berlin - vom 16. September 2009 an sämtliche Innenministerien und Innenressorts<br />
<strong>des</strong> Bun<strong>des</strong> und <strong>der</strong> Län<strong>der</strong>. In Beantwortung dieser Anfrage hat das Innenministerium<br />
Brandenburg wie folgt geantwortet:<br />
„Die in den Einsatzeinheiten <strong>der</strong> Polizeien vorhandene funktionsbezogene<br />
Kennzeichnung bis auf Gruppenebene wird als ausreichend angesehen. Weitergehende<br />
individuelle Kennzeichnungen werden zum Schutz <strong>der</strong> Einsatzkräfte<br />
vor massenhaften Falschanzeigen, aber auch zur Wahrung ihrer Persönlichkeitsrechte<br />
abgelehnt. Im Übrigen war eine Identifizierung von Einsatzkräften<br />
zur Durchführung von Ermittlungsverfahren in Brandenburg bisher in<br />
allen Fällen möglich. Eine individuelle Kennzeichnung von Einsatzkräften ist<br />
unter diesen Voraussetzungen nicht erfor<strong>der</strong>lich.“<br />
Diesem Zitat ist aus Sicht <strong>der</strong> Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei nichts hinzuzufügen.<br />
Zweitens: Die bereits zweimal durchgeführte Bürgerbefragung zur Arbeit <strong>der</strong> Brandenburger<br />
Polizei verdeutlicht, dass weit mehr als zwei Drittel <strong>der</strong> Brandenburger<br />
Bürger mit <strong>der</strong> Arbeit <strong>der</strong> Brandenburger Polizei zufrieden bzw. sehr zufrieden sind.<br />
Die Brandenburger Polizei genießt ein hohes Ansehen und Vertrauen. Zudem ist uns<br />
nicht bekannt, dass es For<strong>der</strong>ungen zu einer Zwangskennzeichnung <strong>der</strong> Brandenburger<br />
Polizei gibt.<br />
Die Frage, ob es Erkenntnisse darüber gibt, dass Namen von Polizeibeamten bekannt<br />
wurden, ist zu sagen: Diese Erkenntnisse gibt es, und sie können auch mit Beispielen<br />
unterlegt werden. Unter an<strong>der</strong>em wurde einem Kollegen aus einer Wache <strong>der</strong>
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abgeschnittene Kopf eines Schweines vor die Haustür gelegt - <strong>der</strong> Rest <strong>des</strong> Schweines<br />
lag im Garten -, nachdem Täter herausgefunden haben, an welchem Vorgang<br />
dieser Kollege arbeitet.<br />
Sämtliche polizeilichen Großeinsätze werden von <strong>der</strong> Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei in<br />
Brandenburg begleitet. Bei <strong>der</strong> Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei gibt es Einsatzjacken, auf<br />
denen das Namensschild steht. Ich hatte bei dem in Halbe durchgeführten Einsatz<br />
den Fehler begangen und diese Jacke getragen. Als Ergebnis hatte ich mehr als ein<br />
Jahr regelrechten Telefonterror, nachdem Demonstranten herausfanden, wer Andreas<br />
Schuster ist, und meine Telefonnummer aus dem Internet sehr leicht erfuhren.<br />
Dies können auch an<strong>der</strong>e Kollegen nachvollziehen; denn es gibt zahlreiche Beispiele<br />
da<strong>für</strong>.<br />
Warum bringt man dies nicht zur Anzeige? - Wir wissen am besten, welchen Sinn es<br />
macht, eine Anzeige zu erstatten. Es macht keinen Sinn; denn es kommt nichts dabei<br />
heraus.<br />
Dieses Thema wurde bei <strong>der</strong> gestrigen Versammlung mit mehr als 100 Kollegen diskutiert,<br />
die in diesem Bereich kein Vertrauen in die Justiz haben. Wenn in Brandenburg<br />
ein Straftäter eine Schusswaffe benutzt und freigesprochen wird, weil er nicht<br />
gezielt auf Polizeibeamte schießt, son<strong>der</strong>n sich mit den Schüssen „lediglich“ den<br />
Weg freischießen wollte, fragen sich die Kollegen, wie verbale Angriffe im Rahmen<br />
<strong>der</strong> Kennzeichnungspflicht durch die Justiz verfolgt werden sollen.<br />
Auf den Punkt gebracht: Wir lehnen eine generelle Kennzeichnungspflicht in Brandenburg<br />
ab. Mit <strong>der</strong> gegenwärtigen gesetzlichen Regelung in § 9 BbgPolG sind bereits<br />
umfassende Regelungen zur Legitimationspflicht vorhanden. - Schönen Dank.<br />
Vorsitzende:<br />
Wir danken <strong>für</strong> die sehr klaren Worte. - Als nächster Anzuhören<strong>der</strong> erhält Herr Franke<br />
<strong>für</strong> die Deutsche Polizeigewerkschaft im Deutschen Beamtenbund das Wort.<br />
Herr Franke (Deutsche Polizeigewerkschaft):<br />
Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Liebe Abgeordnete! Da Ihnen unsere Stellungnahme<br />
schriftlich vorliegt (Anlage 7) und ich mich Andreas Schuster im Wesentlichen anschließen<br />
kann, nur noch einige Ergänzungen von mir.<br />
Uns geht es nicht um Anonymität <strong>der</strong> Polizei - die Polizisten sollen nicht anonym ihren<br />
Dienst verrichten -, son<strong>der</strong>n unseres Erachtens sind die bestehenden Regelungen<br />
völlig ausreichend. Uns sind keine Fälle bekannt, in denen die bestehenden Regelungen<br />
nicht ausreichend gewesen wären. Zudem ist es nicht Polizeiaufgabe, seinen<br />
- das sage ich bewusst - Familiennamen plakativ zur Schau zu stellen. Schließlich<br />
ist es nicht nur <strong>der</strong> Name <strong>des</strong> handelnden Beamten, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> ganzen Familie.
<strong>Landtag</strong> Brandenburg P-AI 5/13-1 S. 28<br />
Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />
<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />
Sicherlich habe ich als Polizeibeamter die Möglichkeit, über das Straßenverkehrsgesetz<br />
mein Fahrzeug vor Abfragen zu schützen, indem ich beim Einwohnermeldeamt<br />
einen Eintrag bei dienstlicher Notwendigkeit vornehmen lasse, sodass niemand -<br />
auch nicht die Parteien zum Zwecke ihrer Wahlauffor<strong>der</strong>ungen - meine Daten erfährt.<br />
Meine Eltern, die mit Nachnamen auch Franke heißen, können das jedoch nicht. Insofern<br />
können sie gefunden werden, auch wenn ich mich größtenteils anonymisieren<br />
lassen kann.<br />
Die von Herrn Schuster genannten Beispiele lassen sich beliebig fortsetzen. Sicherlich<br />
werden die Namen <strong>der</strong> Kollegen auch über Ermittlungsverfahren bekannt, weshalb<br />
wir als Gewerkschafter gerade dort unsere Dienstherren in <strong>der</strong> Pflicht sehen, in<br />
dieser Hinsicht mehr zu tun; denn unter an<strong>der</strong>em bei Prozessen gegen die Hells Angels<br />
werden die dort handelnden und als Zeugen auftretenden Polizeibeamten konkret<br />
mit Namen angesprochen und bedroht. Das hat mittelbar Folgen auf die Handlungsfähigkeit<br />
dieser Beamten. Insofern wird sich ein Streifenbeamter zweimal überlegen,<br />
wen er auf <strong>der</strong> Straße anhält, wenn er mit Repressalien rechnen muss, weil<br />
sein Name mit <strong>der</strong> von ihm zu schreibenden Anzeige dem Täter bekannt wird.<br />
Als Polizeibeamter kann ich meinen Namen überall - auch bei <strong>der</strong> Telekom - schützen<br />
lassen, dennoch bin ich im Dienst je<strong>der</strong>zeit öffentlich mit meinem Namen, <strong>der</strong> zugleich<br />
<strong>der</strong> Name <strong>der</strong> Familie ist, erkennbar.<br />
Des Weiteren werden oft Vergleiche mit an<strong>der</strong>en Berufsständen, die Namensschil<strong>der</strong><br />
tragen, angeführt. Meines Erachtens ist es aber schon ein Unterschied - das müsste<br />
auch jedem klar sein -, ob eine Verkäuferin mit ihrem Namen einem Hells Angel ein<br />
Brot verkauft o<strong>der</strong> ob ein Polizeibeamter den jungen Mann <strong>für</strong> 48 Stunden o<strong>der</strong> länger<br />
in den Gewahrsam sperrt und ihm somit die Freiheit entzieht.<br />
Auch das Bahnpersonal wird als Beispiel angeführt, das Namensschil<strong>der</strong> trägt. Jedoch<br />
haben die Zugbegleiter von <strong>der</strong> Bahn die Erlaubnis <strong>für</strong> die Verwendung eines<br />
Pseudonyms, damit sie vor Übergriffen agressiver Reisen<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Freizeit geschützt<br />
sind. Insofern heißt <strong>der</strong> Zugbegleiter nicht unbedingt so, wie es auf dem Namensschild<br />
steht.<br />
Zudem liegt <strong>der</strong> Sinn <strong>des</strong> Tragens einer Uniform bzw. einer Dienstbekleidung darin,<br />
dass die Persönlichkeit <strong>des</strong> Beamten hinter seiner Funktion zurücktritt. Da<strong>für</strong> wurde<br />
die Uniform sozusagen erfunden. Auch die Amtsbezeichnung soll unter an<strong>der</strong>em da<strong>für</strong><br />
genutzt werden, dass unter an<strong>der</strong>em ich nicht als Herr Oberkommissar Franke<br />
angesprochen werden muss, son<strong>der</strong>n als Herr Oberkommissar. So verhält es sich<br />
auch bei an<strong>der</strong>en Polizeibeamten. Der Polizeibeamte wird also nicht als Privatperson<br />
mit seinem persönlichen Namen im Dienst tätig, son<strong>der</strong>n als Polizeitbeamter. Das ist<br />
ein wesentlicher Unterschied.
<strong>Landtag</strong> Brandenburg P-AI 5/13-1 S. 29<br />
Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />
<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />
Die von Herrn Prof. Aden angesprochene Fehlerkultur finden wir sehr wichtig. Eine<br />
Fehlerkultur in <strong>der</strong> Brandenburger Polizei findet nur insoweit statt, als auf ein Fehlverhalten<br />
insofern reagiert wird, dass man über das Entdecken eines Schuldigen erfreut<br />
ist. Dieser Schuldige wird dann bestraft, und man lehnt sich zurück.<br />
Bei unseren Kollegen ist hier natürlich die Be<strong>für</strong>chtung, dass diese namentliche<br />
Kennzeichnung ausschließlich dazu dient, innerhalb <strong>der</strong> Dienststellen auf Fehler in<br />
<strong>der</strong> Richtung zu reagieren, dass man abstraft, ohne die Chance zu nutzen, diese<br />
Fehler als tatsächliche Chance zu sehen, diese auszuwerten und an ihrer Abstellung<br />
zu arbeiten. Die Fehlerkultur bei <strong>der</strong> Polizei in Brandenburg sieht jedoch lei<strong>der</strong> so<br />
aus, dass man sich in <strong>der</strong> Regel mit dem Finden <strong>des</strong> Schuldigen zufriedengibt.<br />
Herr Glietsch sprach das Einsatz- und Eigensicherungstraining sowie die Schutzausstattung<br />
an. Zur Ausrüstung nur so viel: Ich persönlich habe noch immer meine erste<br />
Schutzweste, die ich im Jahr <strong>der</strong> Einführung <strong>der</strong> ballistischen Schutzwesten erhalten<br />
habe. Dies ist mehr als zehn Jahre her. Die Weste entspricht garantiert nicht mehr<br />
dem aktuellen Stand <strong>der</strong> Technik. Zumin<strong>des</strong>t hat <strong>der</strong> Hersteller dieser Weste die Garantie<br />
<strong>für</strong> dieses Objekt aufgegeben und garantiert mittlerweile nicht mehr, dass diese<br />
Weste noch einen Schuss abhält.<br />
Das Einsatz- und Eigensicherungstraining beschränkt sich bei <strong>der</strong> Polizei Brandenburg<br />
im Streifendienst auf regelmäßiges Schießtraining. Mir ist nicht bekannt, dass<br />
Einsatz- und Eigensicherungstraining in den jeweiligen Dienststellen regelmäßig mit<br />
<strong>der</strong> Intensität durchgeführt wird, wie Herr Glietsch das einfor<strong>der</strong>t. Das ist auch in Anbetracht<br />
<strong>der</strong> Einsatzbelastung <strong>der</strong> Polizei und <strong>der</strong> personellen Ausstattung nicht möglich,<br />
schließlich soll unsere Polizei auf 7.000 Beschäftigte reduziert werden. Insofern<br />
frage ich mich, woher Sie die Arbeitszeit da<strong>für</strong> nehmen wollen, die Beamten so fit zu<br />
machen und so zu trainieren, dass die von Herrn Glietsch genannten Voraussetzungen<br />
tatsächlich erfüllt werden? - Ich habe diesbezüglich erhebliche Zweifel.<br />
Eine in diesem Gesetzentwurf aufgestellte These lautet: Die Kennzeichnung könnte<br />
das Vertrauen in die Polizei bei <strong>der</strong> Bevölkerung stärken. - Ich muss jedoch sagen:<br />
Allein aufgrund dieser Vermutung einen Gesetzentwurf zu verabschieden greift unserer<br />
Auffassung nach zu kurz, da die Unterstellung - auch wenn Sie das nicht wahrhaben<br />
wollen - enthalten ist, die Bevölkerung misstraue <strong>der</strong> Polizei.<br />
Wenn dem so wäre, würde ich dennoch daran zweifeln, dass das Vertrauen <strong>der</strong> Bevölkerung<br />
in die Polizei plötzlich und unerwartet zurückkäme, wenn die Polizeibeamten<br />
mit einem Namensschild unterwegs wären. Meines Erachtens kann man sich<br />
Vertrauen in <strong>der</strong> Bevölkerung nur durch Taten und nicht durch ein Namensschild erwerben.<br />
Zudem ist ein Schild und ein Kennzeichen keine konkrete polizeiliche Aufgabe,<br />
sodass mir unklar ist, warum das im Polizeigesetz stehen soll - auch hinsichtlich<br />
<strong>der</strong> damit einhergehenden Probleme, wenn Einsatzkräfte an<strong>der</strong>er Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong> in<br />
Brandenburg tätig sind.
<strong>Landtag</strong> Brandenburg P-AI 5/13-1 S. 30<br />
Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />
<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />
Die bestehenden Regelungen sind insofern völlig ausreichend. Auch ist uns kein Fall<br />
bekannt, in dem sich die Kollegen nicht an diese Regelungen gehalten o<strong>der</strong> diese zu<br />
Ausfällen bei <strong>der</strong> Strafverfolgung geführt hätten. Deshalb bezweifeln wir die Sinnhaftigkeit<br />
<strong>der</strong> neuen Regelung.<br />
Die Studie „Polizisten in Deutschland leben gefährlich“ wurde bereits von Herrn<br />
Schuster angeführt. Gewerkschaften haben eine solche Untersuchung in Auftrag gegeben,<br />
nicht die Dienstherren, obwohl ich erwartet hätte, dass die Dienstherren eine<br />
solche Untersuchung durchgeführt hätten.<br />
Übergriffe gegen Polizeibeamte werden nicht daraufhin untersucht, ob sie dadurch<br />
begünstigt wurden, dass <strong>der</strong> Name <strong>des</strong> Beamten geläufig war. Bekannt ist, dass<br />
Rechts- und Linksextreme die Namen von Polizeibeamten sammeln und in Datenbanken<br />
im Internet veröffentlichen. In mehr als nur einem Fall wurden Beamte persönlich<br />
angesprochen, sich in gewissen Klientels zurückzuhalten und von Einsatzmaßnahmen<br />
abzusehen. Insofern kann es nicht im Interesse <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> liegen,<br />
ohne Notwendigkeit eine Kennzeichnung verpflichtend einzuführen. Das Tragen eines<br />
Namensschil<strong>des</strong> auf freiwilliger Basis dagegen ist sicherlich vorstellbar.<br />
Ich bedanke mich <strong>für</strong> die Aufmerksamkeit und hoffe auf eine Entscheidung im Sinne<br />
<strong>der</strong> Beamten.<br />
Vorsitzende:<br />
Wir danken Ihnen, Herr Franke. - Als nächste Anzuhörende erhält Frau Wölk <strong>für</strong> den<br />
Bund Deutscher Kriminalbeamter - Lan<strong>des</strong>verband Brandenburg - das Wort.<br />
Frau Wölk (Bund Deutscher Kriminalbeamter, Polizeioberkommissarin):<br />
Guten Tag! Zunächst bedanke ich mich da<strong>für</strong>, die Ausführungen <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong> Deutscher<br />
Kriminalbeamter hier darzustellen zu dürfen.<br />
Die Ihnen vom Lan<strong>des</strong>vorstand zugegangene Stellungnahme (Anlage 8) möchte ich<br />
nun kurz verlesen. Der BDK lehnt den Gesetzentwurf ab, da durch das offensichtliche<br />
Tragen eines Namensschil<strong>des</strong> die Gefahr besteht, dass die Person <strong>des</strong> Beamten<br />
einem unkontrollierbaren dritten Personenkreis - nicht nur dem Betroffenen <strong>der</strong> Amtshandlung<br />
- bekannt wird. Schließlich wird dem Betroffenen einer Amtshandlung die<br />
Person <strong>des</strong> Beamten durch Vorlage <strong>des</strong> Dienstausweises, einer Visitenkarte o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
Unterschrift auf einem <strong>Protokoll</strong> ohnehin bekannt.<br />
Auf das Ausweichen von Visitenkarten sollte vermehrt hingewiesen werden, wobei es<br />
bereits <strong>für</strong> die Streifenbeamten eine innerdienstliche Vorschrift bzw. eine Polizeidienstvorschrift<br />
gibt, nach <strong>der</strong> Streifenbeamte Visitenkarten auf Verlangen auszuhändigen<br />
haben. Insofern sollten die Visitenkarten jedem Bediensteten zur Verfügung
<strong>Landtag</strong> Brandenburg P-AI 5/13-1 S. 31<br />
Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />
<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />
gestellt werden. Zudem sollte die Übergabe dieser Visitenkarten an den Betroffenen<br />
noch mehr zur Selbstverständlichkeit werden. Verdeckte Einsätze sind von einer<br />
Kennzeichnungspflicht aufgrund <strong>der</strong> Gefährdung <strong>der</strong> Person <strong>des</strong> Beamten bzw. <strong>des</strong><br />
Einsatzzweckes ohnehin ausgenommen.<br />
Zugleich weisen wir auf in einigen Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong>n bestehende Freiwilligkeitslösungen<br />
hin. In Nie<strong>der</strong>sachsen zum Beispiel steht es jedem Polizeivollzugsbeamten frei, zur<br />
Legitimation ein Namensschild zu tragen, was insbeson<strong>der</strong>e von uniformierten Polizisten<br />
zunehmend genutzt wird.<br />
Der Bund Deutscher Kriminalbeamter möchte zudem auf redaktionelle Punkte hinweisen.<br />
So gibt es in dem Gesetzentwurf unterschiedliche Bezeichnungen, <strong>für</strong> welche<br />
Beamte dies gelten soll. Einerseits wird von uniformierten Polizeivollzugsbeamten<br />
gesprochen, an<strong>der</strong>erseits von Bediensteten <strong>der</strong> Polizei bzw. von Polizeivollzugsbediensteten.<br />
Insofern wäre es wichtig, vor Inkrafttreten <strong>des</strong> Gesetzes klarzustellen,<br />
<strong>für</strong> welchen Personenkreis <strong>der</strong> Polizei diese Kennzeichnungspflicht gelten soll.<br />
Im Gesetzentwurf <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> CDU steht:<br />
„Die Gesetzesän<strong>der</strong>ung ist unter tatsächlichen Gesichtspunkten erfor<strong>der</strong>lich.“<br />
Jedoch fehlt es an tatsächlichen Gesichtspunkten, weshalb die Erfor<strong>der</strong>lichkeit infrage<br />
zu stellen ist.<br />
Nun zu den aufgeworfenen Fragen. Erstens: Wir sind unter an<strong>der</strong>em <strong>des</strong>halb gegen<br />
die Kennzeichnungspflicht - wie die von Herrn Schuster bereits erwähnte KFN-Studie<br />
belegt -, weil die Gewalt gegen Polizeibeamte immer mehr zunimmt. Unbeteiligte<br />
Personen erhalten den Namen von Beamten, obwohl sie nicht Adressat einer polizeilichen<br />
Maßnahme sind. Spezielle Nachnamen von Beamten sind sehr leicht über das<br />
Internet recherchierbar. Zudem findet man private Adressen sehr schnell, weil unsere<br />
Polizeibeamten am öffentlichen Leben teilhaben und unter an<strong>der</strong>em an Sportwettkämpfen<br />
teilnehmen, von denen Namenslisten im Internet kursieren.<br />
Da polizeiliche Handlungen nachträglich überprüft werden können, ist die Kennzeichnung<br />
absolut unnötig. Bei einer begangenen Ordnungswidrigkeits- o<strong>der</strong> Bußgeldanzeige<br />
sind die Namen anhand <strong>der</strong> Unterschriften erkennbar. Auf dem Strafzettel steht<br />
eine Nummer, anhand <strong>der</strong>er <strong>der</strong> Träger <strong>des</strong> Verwarngeld- o<strong>der</strong> Zahlscheinblockes<br />
recherchierbar ist. Insofern ist je<strong>der</strong> Beamte im Nachgang ermittelbar.<br />
Zweitens: In dem Moment, in dem wir uns gegen eine Kennzeichnungspflicht aussprechen,<br />
benötigen wir eigentlich keine Ausnahmen. Fakt ist: Sowohl verdeckte Ermittler<br />
als auch Spezialeinheiten - unter an<strong>der</strong>em unsere Fahndungskräfte, Staatsschutz,<br />
Verfassungsschutz - dürfen nicht in einer solchen Weise gekennzeichnet<br />
werden.
<strong>Landtag</strong> Brandenburg P-AI 5/13-1 S. 32<br />
Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />
<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />
Zudem sind unsere Kriminalbeamten in Zivilkleidung tätig. Sehr oft werden sie von<br />
den Bürgern gebeten, sich bei Einsätzen unter an<strong>der</strong>em in den Dienststellen <strong>der</strong> Bürger<br />
nicht als Polizeibeamte kenntlich zu machen, weil einerseits die Angestellten<br />
Angst vor Jobverlust haben, wenn <strong>der</strong> Vorgesetzte das Erscheinen <strong>der</strong> Polizei mitbekommt,<br />
und an<strong>der</strong>erseits <strong>der</strong> Firmenchef Angst hat - wenn die Polizei wegen ihm die<br />
Firma aufsucht -, dass das Firmenimage in irgendeiner Art und Weise geschädigt<br />
wird.<br />
Drittens: Die polizeiliche Kriminalstatistik erfasst keine Gefahren, son<strong>der</strong>n Fälle, in<br />
denen Polizeibeamte angegriffen werden. Herr Schuster hat bereits mitgeteilt, dass<br />
in einigen Fällen Beamte aufgrund <strong>der</strong> Bekanntgabe <strong>des</strong> Namens bedroht bzw. attackiert<br />
werden.<br />
Aufzuführen ist hierbei, dass Beleidigungen gegenüber Polizeibeamten von diesen<br />
nicht mehr angezeigt werden. Unter an<strong>der</strong>em hat unsere Polizeiwache in Potsdam-<br />
Mitte von dem Gericht in Potsdam ein Schreiben erhalten, das sich auf eine Beleidigungsanzeige<br />
eines Polizeibeamten wie folgt bezog: Bitte, nutzen Sie den Zivilrechtsweg.<br />
Das heißt so viel wie: Bei Ihnen als Beamter wird das öffentliche Interesse<br />
insofern nicht anerkannt, als dass diese Beleidigung so behandelt wird.<br />
Bekommt <strong>der</strong> Beamte ein solches Schreiben und wird die Kennzeichnung verpflichtend,<br />
wird er sich fragen, was <strong>der</strong> Dienstherr überhaupt noch <strong>für</strong> ihn tut. Er soll seinen<br />
Namen öffentlich tragen, obwohl die Beleidigung gegen ihn kein öffentliches Interesse<br />
hat, weshalb er sich <strong>des</strong> Zivilrechtsweges bedienen soll? Wie weit soll es<br />
denn noch kommen, meine Damen und Herren?<br />
Viertens: Wenn jemand Revierpolizist werden möchte, ist demjenigen auch bewusst,<br />
dass er in seinem Bereich bekannt sein muss. Er soll Ansprechpartner sein und sich<br />
zeigen. Dazu gehört natürlich, dass er namentlich bekannt ist. Jedoch wird nicht ein<br />
Revierpolizist, son<strong>der</strong>n ein Streifenpolizist zu beizulegenden Familienstreitigkeiten<br />
gerufen, auch wenn Revierpolizisten bei Familienstreitigkeiten natürlich zur Verfügung<br />
stehen. Schließlich haben sie aufgrund ihres Bekanntheitsgra<strong>des</strong> oftmals an<strong>der</strong>e<br />
Möglichkeiten als <strong>der</strong> Streifendienst, auf die Betroffenen einzuwirken.<br />
Revierpolizisten wissen, dass ihr Name in <strong>der</strong> Öffentlichkeit zirkuliert, aber nicht viele<br />
Bürger wissen tatsächlich, wer <strong>für</strong> ihren Bereich zuständig ist. Natürlich sind die Beamten<br />
in <strong>der</strong> Internetpräsenz vertreten. Wer sich jedoch nicht da<strong>für</strong> interessiert, weiß<br />
dennoch nicht, wer <strong>für</strong> ihn verantwortlich ist. Insofern ist eine Kennzeichnungspflicht<br />
auch hier absolut unnötig.<br />
Fünftens: An jedem Dienstzimmer stehen die Namen <strong>der</strong> Kollegen. Die Streifenbeamten<br />
stellen sich bei Kontrollen im Außendienst vor und sind verpflichtet, ihren<br />
Dienstausweis auf Verlangen zu zeigen. Die Polizeidienstvorschrift 350 besagt eindeutig,<br />
dass auf Verlangen auch Visitenkarten auszuhändigen sind, auf <strong>der</strong> Name,<br />
Dienstgrad und Dienststelle <strong>der</strong> Beamten stehen.
<strong>Landtag</strong> Brandenburg P-AI 5/13-1 S. 33<br />
Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />
<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />
Beim Verwaltungsbeamten ist es so, dass sein Name am Dienstzimmer steht. Befindet<br />
er sich jedoch nicht im Dienstzimmer, ist er kein Verwaltungsbeamter, son<strong>der</strong>n<br />
ein Mensch wie du und ich. Es ist nicht ersichtlich, ob er Angestellter, Verwaltungsbeamter<br />
o<strong>der</strong> einfach ein Bürger ist, <strong>der</strong> über den Gang läuft. In dem Augenblick ist er<br />
anonymisiert. Der Polizist - sollte dieser Gesetzentwurf in Kraft treten - ist es dann<br />
nicht mehr. Wenn er die Wache verlässt, muss er dennoch sein Namensschild tragen<br />
und ist demnach immer Polizist. Selbst ein Kriminalist wäre dann in Zivil - sollte er ein<br />
Namensschild tragen müssen - immer Polizist. Er kann nie verdeckt bleiben - auch in<br />
ziviler Kleidung nicht.<br />
Sechstens: Bezüglich <strong>der</strong> Kennzeichnungspflicht mit Blick auf § 36 Bamtenstatusgesetzes<br />
ist zu sagen, dass es völlig einleuchtend ist, dass je<strong>der</strong> Beamte <strong>für</strong> seine<br />
Maßnahmen selbst die Verantwortung trägt. Insofern ist mir nicht ersichtlich, was die<br />
Kennzeichnungspflicht verän<strong>der</strong>n sollte, wenn <strong>der</strong> Beamte ein Namensschild trägt.<br />
Herr Glietsch und Herr Aden sagten aus, dass unsere Polizei und die Ausbildung zu<br />
Polizeivollzugsbeamten immer besser und professioneller werden. Demnach kennt<br />
auch je<strong>der</strong> Beamte seine Pflichten und weiß, dass er natürlich <strong>für</strong> Recht und Gesetz<br />
steht und auch selbst <strong>für</strong> sein Handeln verantwortlich ist.<br />
Zu <strong>der</strong> letzten aufgeworfenen Frage hinsichtlich <strong>des</strong> Umstan<strong>des</strong>, dass privatwirtschaftlich<br />
tätige Wachleute zum Tragen eines Namensschil<strong>des</strong> rechtlich verpflichtet<br />
sind, möchte ich Folgen<strong>des</strong> sagen: Im Wach- und Wechseldienst haben wir tagtäglich<br />
mit solchen Unternehmen zu tun; denn wir werden stets zu dortigen Einsätzen<br />
gerufen, da die Wachleute selbst kein Recht auf Vollzugshandlung bzw. auf Durchführung<br />
von Zwangshandlungen haben.<br />
Eine Nachfrage bei Mitarbeitern von Securitas und an<strong>der</strong>en Sicherheitsfirmen ergab,<br />
dass eine Pflicht zum Tragen <strong>des</strong> Namens besteht, dies aber niemand tut, weil es<br />
nicht kontrolliert wird und es keine Ahndung gibt. Daher fragen sich die Wachleute,<br />
warum sie dann überhaupt ein Namensschild tragen sollen. Insofern finde ich es sehr<br />
schwierig - wenn schon die Wachleute trotz Vorschrift mit solch einer Gleichgültigkeit<br />
damit umgehen -, diesen Vergleich <strong>für</strong> die Polizei in irgendeiner Art und Weise anzuführen.<br />
Noch einmal: Wir sind gegen die Kennzeichnungspflicht. Allenfalls würden wir die<br />
Möglichkeit akzeptieren, dass auf freiwilliger Basis entwe<strong>der</strong> <strong>der</strong> Name o<strong>der</strong> eine<br />
Nummer getragen werden kann. - Vielen Dank.<br />
Vorsitzende:<br />
Wir danken Ihnen. - Herr Goetz, bitte.
<strong>Landtag</strong> Brandenburg P-AI 5/13-1 S. 34<br />
Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />
<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />
Abgeordneter Goetz (FDP):<br />
Herr Schuster, würden Sie es erstens an<strong>der</strong>s sehen, wenn den Beamten das Tragen<br />
von Namensschil<strong>der</strong>n freigestellt werden würde? - Sie haben sich sehr vehement gegen<br />
das Tragen von Namensschil<strong>der</strong>n ausgesprochen, weshalb diese Möglichkeit bei<br />
Ihnen <strong>für</strong> mich nicht deutlich geworden ist. Den Aussagen Ihrer Kollegen war dagegen<br />
eindeutig zu entnehmen, dass sie eine freiwillige Art und Weise akzeptieren würden.<br />
Zweitens: Würden Sie zwischen Namensschil<strong>der</strong>n und anonymisierten Ziffernfolgen<br />
abstufen und insofern die Ziffernfolge eher akzeptieren? - Das entkräftigt möglicherweise<br />
nicht Ihre Argumentation zu Anzeigen o<strong>der</strong> Vorwürfen, aber: Wäre dies eine<br />
mil<strong>der</strong>e Variante, mit <strong>der</strong> die Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei besser umgehen könnte?<br />
Drittens: Was würden Sie sich zum einen als Polizeibeamter von Ihrem Dienstherrn<br />
zum Schutz vor den von Ihnen dargestellten Übergriffen o<strong>der</strong> eventuellen nachteiligen<br />
Folgen wünschen, wenn es zu einer solchen Kennzeichnungspflicht <strong>der</strong> Beamten<br />
mit Namen o<strong>der</strong> Nummern käme, o<strong>der</strong> wie müsste man zum an<strong>der</strong>en gegensteuern,<br />
um die möglichen Be<strong>für</strong>chtungen und Nachteile auszugleichen, damit die Beamten<br />
mit einer solchen Kennzeichnung besser umgehen könnten?<br />
Herr Schuster (Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei, Lan<strong>des</strong>bezirksvorsitzen<strong>der</strong>):<br />
Das freiwillige Tragen von Namensschil<strong>der</strong>n gibt es bereits in <strong>der</strong> Brandenburger Polizei<br />
und muss insofern nicht neu geregelt werden. Meines Erachtens wird diese<br />
Möglichkeit von sehr wenigen Kollegen <strong>des</strong> höheren Dienstes genutzt, im mittleren<br />
und gehobenen Dienst - insbeson<strong>der</strong>e in den operativen Bereichen - dagegen so gut<br />
wie gar nicht.<br />
Eine Abstufung zwischen Namensschil<strong>der</strong>n und Nummern lehnen wir ab. Schließlich<br />
wissen Sie im täglichen Dienst nicht, was bei einem Einsatz passiert. Die KFN-Studie<br />
hat bewiesen, dass es zunehmend im täglichen Dienst bei „normalen“ Einsätzen -<br />
unter an<strong>der</strong>em bei Verkehrskontrollen und Familienstreitigkeiten - zu verbalen Auseinan<strong>der</strong>setzungen<br />
und gewalttätigen Ausschreitungen gegen Polizeivollzugsbeamte<br />
kommt. Soll <strong>der</strong> Kollege dann - wenn er bei einem vermeintlich „normalen“ Einsatz<br />
merkt, dieser wird gewalttätig - sein Namensschild gegen eine Nummer austauschen?<br />
- Das ist realitätsfremd, weshalb wir dies ablehnen.<br />
Wenn es dennoch zu einer diesbezüglichen Festlegung durch den Dienstherrn käme,<br />
wäre das Gewähren dienstlichen Rechtsschutzes notwendig. Diesen gibt es zwar auf<br />
dem Papier, jedoch nicht in <strong>der</strong> Realität.<br />
Allein die Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei Brandenburg vertritt vor Gericht durchschnittlich<br />
400 Kollegen pro Jahr. Die Tatsache, dass wir im Rahmen von Gegenanzeigen
<strong>Landtag</strong> Brandenburg P-AI 5/13-1 S. 35<br />
Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />
<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />
durch die selbst angezeigten Betroffenen - dabei geht es unter an<strong>der</strong>em um Körperverletzungen<br />
- in mehr als 90 % <strong>der</strong> Fälle vor Gericht erfolgreich sind, zeigt, dass diese<br />
Gegenanzeigen in <strong>der</strong> Regel <strong>des</strong>halb zustande kommen, um von <strong>der</strong> selbst begangenen<br />
Straftat abzulenken. Insofern wäre dort ein dienstlicher Rechtsschutz notwendig,<br />
<strong>der</strong> kaum gewährleistet wird. Bei einer Kennzeichnungspflicht besteht diesbezüglich<br />
eine noch größere Gefahr.<br />
Vorsitzende:<br />
Danke schön. - Herr Petke, bitte.<br />
Abgeordneter Petke (CDU):<br />
Vielen Dank, Frau Vorsitzende. - Ich danke auch den Anzuhörenden <strong>für</strong> Ihre heutigen<br />
Stellungnahmen zum Gesetzentwurf im Innenausschuss <strong>des</strong> <strong>Landtag</strong>es Brandenburg.<br />
Zunächst einige Anmerkungen: Meines Erachtens ist es nicht opportun, die gegenwärtigen<br />
Arbeitsbedingungen bei <strong>der</strong> Polizei in einem zum Teil solch drastischen Bild<br />
zu kennzeichnen. Die dortigen zahlreichen Überzeichnungen haben wenig mit <strong>der</strong><br />
Realität zu tun. Das sage ich auch bewusst als Vertreter <strong>der</strong> Opposition. Insofern<br />
kann ich nur davor warnen, diese in den Zusammenhang mit dem hier diskutierten<br />
Gesetzentwurf zu bringen. Zudem ist mir nicht ersichtlich, was Flugroutendiskussionen<br />
mit Namensschil<strong>der</strong>n bei <strong>der</strong> Polizei zu tun haben.<br />
Die Entscheidung eines Gerichtes in Brandenburg zu einem Straftäter und seiner<br />
Freilassung kann natürlich kritisiert werden - die Justiz muss sich schließlich gewissen<br />
Fragen stellen -, aber ob das mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zu tun hat, ist<br />
zweifelhaft.<br />
Herr Schuster, wenn ich Ihren Ausführungen zur Frage, was ein Polizeibeamter in<br />
seinem täglichen Dienst - unter an<strong>der</strong>em im Wach- und Wechseldienst - alles zu vergegenwärtigen<br />
hat, glauben soll, müsste sich die Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei dann nicht<br />
auch gegen die Freiwilligkeit von Namensschil<strong>der</strong>n aussprechen? - Es wäre doch sogar<br />
- wenn ich das von Ihnen gezeichnete Bild vom Dienst <strong>der</strong> Polizei in Brandenburg<br />
1:1 übernehme - zwingend, dass <strong>der</strong> Gesetzgeber bzw. <strong>der</strong> Dienstherr den Beamten<br />
untersagen müsste, ein Namensschild zu tragen.<br />
Insofern sehe ich einen gewissen Wi<strong>der</strong>spruch, dass Sie einerseits Namensschil<strong>der</strong><br />
ablehnen, an<strong>der</strong>erseits aber auf die Freiwilligkeit verweisen. Ist das nicht wi<strong>der</strong>sprüchlich?<br />
- Ich bitte Sie, insbeson<strong>der</strong>e auf diesen Punkt in Ihrer eigenen Argumentation<br />
einzugehen.
<strong>Landtag</strong> Brandenburg P-AI 5/13-1 S. 36<br />
Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />
<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />
Herr Schuster (Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei, Lan<strong>des</strong>bezirksvorsitzen<strong>der</strong>):<br />
Auf Ihre erste Anmerkung möchte ich nicht weiter eingehen, weil ich mir diese nicht<br />
annehme. Das muss in an<strong>der</strong>en Diskussionsbeiträgen zur Sprache gekommen sein.<br />
Zu Ihrer Anmerkung bezüglich <strong>der</strong> Justiz ist Folgen<strong>des</strong> zu sagen: Herr Petke, ich<br />
habe gestern eine Veranstaltung bzw. Diskussion - Namensschil<strong>der</strong>: ja o<strong>der</strong> nein -<br />
mit 120 Kollegen in Vorbereitung auf die heutige Anhörung durchgeführt. Dort wurde<br />
bewusst die Frage gestellt: Werdet ihr bedroht, wenn <strong>der</strong> Name bekannt wird? - Daraufhin<br />
schil<strong>der</strong>ten die Kollegen ihre konkreten Erlebnisse - unter an<strong>der</strong>em das Ereignis<br />
mit dem abgetrennten Schweinekopf o<strong>der</strong> auch Ereignisse bei Gerichtsprozessen.<br />
Warum wird wohl in Gerichtsprozessen <strong>der</strong> Name <strong>des</strong> Polizeivollzugsbeamten<br />
hinten im Saal wie<strong>der</strong>holt, wenn <strong>des</strong>sen Name genannt wird? - Im günstigsten Fall<br />
kommt es zum Ordnungsruf <strong>des</strong> Richters, zu mehr aber nicht. Wenn die Kollegen <strong>der</strong><br />
Meinung sind, es bringt nichts, eine Drohung o<strong>der</strong> Bedrohung zur Anzeige zu bringen,<br />
wird ersichtlich, dass die Beamten kein Vertrauen haben; denn es passiert sowieso<br />
nichts.<br />
Ihre Frage zur Freiwilligkeit kann ich nur mit Nein beantworten; denn die Kollegen -<br />
auch die Revierpolizisten - können in <strong>der</strong> Regel davon ausgehen, dass sie in einem<br />
polizeilichen Dienstgebäude o<strong>der</strong> bei <strong>der</strong> Durchführung einer Vernehmung beim normalen<br />
polizeilichen Handeln auch normalen Bürgern gegenübertreten. Jedoch hat<br />
die KFN-Studie bewiesen, dass vor allem im täglichen Dienst die Gewalt gegen Polizeibeamte<br />
in starkem Maße zunimmt.<br />
Die Kollegen sowohl in Brandenburg als auch in Berlin - es fanden Gespräche mit<br />
den dortigen Beamten statt - wollen bei einem Einsatz keine Namensschil<strong>der</strong> tragen,<br />
sehr wohl aber im sonstigen Dienst. Vor allem bei sogenannten Großeinsätzen - Demonstrationen,<br />
Fußballeinsätze, Großveranstaltungen - wird dies abgelehnt, weil dort<br />
in sehr starkem Maße die Gewalt gegen Polizisten zunimmt.<br />
Insofern: Freiwilligkeit be<strong>für</strong>worten wir, eine generelle Pflicht lehnen wir ab.<br />
Vorsitzende:<br />
Danke schön. - Frau Nonnemacher, bitte.<br />
Abgeordnete Nonnemacher (GRÜNE/B90):<br />
Danke schön, Frau Vorsitzende. - Ich habe mit wenig Erstaunen zur Kenntnis genommen,<br />
dass sich alle drei Vertreter unserer Polizeigewerkschaften bzw. Polizeiverbände<br />
gegen die Kennzeichnungspflicht ausgesprochen haben. Das, was mich jedoch<br />
berührt hat, ist <strong>der</strong> große Frust, <strong>der</strong> zum Teil aus Ihren Statements deutlich<br />
wird. Vor allem die Aussagen, man hätte kein Vertrauen in die Justiz, <strong>der</strong> Fö<strong>der</strong>alis-
<strong>Landtag</strong> Brandenburg P-AI 5/13-1 S. 37<br />
Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />
<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />
mus sei lächerlich und bei Brandenburgs Polizei gehe es nur um die Suche nach den<br />
Schuldigen, erschüttern mich.<br />
Herr Schuster, Sie haben Ihre Ablehnung mit dem informationellen Selbstbestimmungsrecht<br />
begründet. Haben Sie die Stellungnahme unserer Lan<strong>des</strong>beauftragten<br />
dazu gehört, die gesagt hat, es gebe keine Bedenken? - Auch <strong>der</strong> Herr Polizeipräsident<br />
Glietsch hat angemerkt, dass <strong>der</strong> Datenschutzbeauftragte im Land Berlin keinerlei<br />
Bedenken in dieser Form geäußert hat. Was sagen Sie dazu?<br />
Zudem sehen Sie bei <strong>der</strong> Kennzeichnungspflicht die Polizei einen beson<strong>der</strong>en Zwiespalt.<br />
Wie verhält es sich mit <strong>der</strong> Gefährdung, <strong>der</strong> unter an<strong>der</strong>em Richter, Staatsanwälte,<br />
Sozialarbeiter und Rettungsstellenpersonal ausgesetzt sind? - Diese Berufsstände<br />
haben ebenfalls mit einem zum Teil sehr schwierigen Klientel mit hohem<br />
Agressionspotenzial zu tun, weshalb die Wahrscheinlichkeit von Übergriffen nach<br />
meiner Beobachtung min<strong>des</strong>tens in dem Bereich liegt, <strong>der</strong> bei Polizeibeamten vorkommen<br />
kann - so sie denn belegt seien.<br />
Auch haben Sie häufiger die KFN-Studie aus Nie<strong>der</strong>sachsen zitiert, bei <strong>der</strong> es um<br />
den Themenkomplex „Gewalt gegen Polizei“ geht. Wird darin explizit darauf hingewiesen,<br />
dass durch eine Kennzeichnungspflicht die Gewalt zugenommen hat?<br />
Herr Schuster (Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei, Lan<strong>des</strong>bezirksvorsitzen<strong>der</strong>):<br />
Die KFN-Studie ist keine Untersuchung Nie<strong>der</strong>sachsens, son<strong>der</strong>n betrifft eine Untersuchung<br />
<strong>des</strong> Kriminologischen Instituts Nie<strong>der</strong>sachsens. Beteiligt waren daran die<br />
Län<strong>der</strong> Berlin, Brandenburg, Bremen, Nie<strong>der</strong>sachsen, Mecklenburg-Vorpommern,<br />
Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Saarland, Schleswig-Holstein und Thüringen. Nicht<br />
beteiligt haben sich einige CDU-regierte Län<strong>der</strong> aus politischen Gründen, was ich<br />
nicht weiter kommentieren möchte.<br />
Diese KFN-Studie ist nicht auf die Problematik „Kennzeichnungspflicht“ - das war<br />
auch nicht Untersuchungsauftrag - eingegangen, son<strong>der</strong>n auf das Phänomen <strong>der</strong> Zunahme<br />
<strong>der</strong> Gewalt gegen Polizei. Das wurde in den genannten Län<strong>der</strong>n in den vergangenen<br />
fünf Jahren untersucht. Auszugsweise habe ich aus einer Zusammenfassung<br />
von Herrn Prof. Pfeiffer entsprechende Zahlen genannt, die in unserer Stellungnahme<br />
nachlesbar sind.<br />
Zu Ihrer zweiten Frage ist Folgen<strong>des</strong> zu sagen: Sicherlich gibt es auch Gewaltpotenzial<br />
unter an<strong>der</strong>em gegenüber Richtern und Sozialarbeitern - das sehe ich auch so -,<br />
jedoch unterliegen diese Berufsstände keiner generellen Kennzeichnungspflicht.<br />
Ihre dritte Frage kann ich mit Ja beantworten. Natürlich habe ich die Ausführungen<br />
von Frau Hartge und Herrn Glietsch zur Kenntnis genommen, jedoch muss die Gewerkschaft<br />
<strong>der</strong> Polizei nicht in je<strong>der</strong> Beziehung mit diesen Aussagen übereinstimmen.<br />
Schließlich gibt es auch <strong>für</strong> Polizeivollzugsbeamte das Grundrecht auf informel-
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<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />
le Selbstbestimmung. Uns ist bekannt, dass es zulässige Ausnahmeregelungen gibt,<br />
und zwar dann, wenn ein öffentliches Interesse vorliegt, die Verhältnismäßigkeit gewahrt<br />
ist und <strong>der</strong> Kerngehalt <strong>des</strong> Grundrechtes weiter akzeptiert bleibt. Das öffentliche<br />
Interesse an den Namensschil<strong>der</strong>n konnte bisher noch niemand nachweisen.<br />
Solange es dieses nicht gibt, sind wir <strong>der</strong> Auffassung: Die Ausnahme ist nicht gerechtfertigt.<br />
- Das ist unsere Rechtsposition.<br />
Vorsitzende:<br />
Vielen Dank. - Herr Ziel, bitte.<br />
Abgeordneter Ziel (SPD):<br />
Die Polizisten als Repräsentanten <strong>des</strong> Staates genießen in <strong>der</strong> Bevölkerung eine<br />
sehr hohe Anerkennung. Ich glaube, in <strong>der</strong> langen Liste <strong>der</strong> Berufe liegt dieser Berufszweig<br />
ganz vorn. Insofern sehe ich es schon gern, dass wir im Hinterkopf behalten<br />
- wenn wir das Thema „Kennzeichnung“ diskutieren -, wie viel uns die Polizei in<br />
ihrer Arbeit wert ist. Natürlich hat sie unseren Schutz verdient. Dennoch möchten wir<br />
gern, dass die Polizei in <strong>der</strong> Bevölkerung bürgerfreundlich ankommt.<br />
Herr Schuster, in gewissen Bereichen <strong>der</strong> Polizei ist es gang und gäbe, seinen Namen<br />
deutlich zu nennen, seinen Dienstausweis zu zeigen o<strong>der</strong> die Visitenkarte auf<br />
den Tisch zu legen. Worin liegt <strong>für</strong> Sie <strong>der</strong> qualitative Unterschied zum Namensschild?<br />
Herr Schuster (Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei, Lan<strong>des</strong>bezirksvorsitzen<strong>der</strong>):<br />
Ich möchte Folgen<strong>des</strong> noch einmal kurz voranstellen, damit wir als Gewerkschaft <strong>der</strong><br />
Polizei nicht falsch verstanden werden: Wir sind gegen eine anonyme Polizei. Auch<br />
die Brandenburger Polizei ist in keiner Weise anonym. Ich habe sehr deutlich gesagt,<br />
dass sich im normalen täglichen Dienst je<strong>der</strong> Kollege vorstellt, sich ausweist und gegebenenfalls<br />
eine Visitenkarte übergibt, dass unsere Diensträume mit dem Namen<br />
<strong>des</strong> darin tätigen Beamten gekennzeichnet sind und unsere Revierpolizisten bekannt<br />
sind.<br />
Es bleiben nur diese Fälle übrig, wo <strong>der</strong> Kollege zu einem Einsatz gerufen wird und<br />
wo aufgrund <strong>des</strong> Gewaltpotenzials seines Gegenübers - ob verbale o<strong>der</strong> körperliche<br />
Gewalt - zu be<strong>für</strong>chten ist, dass dies Auswirkungen auf seine Persönlichkeitsrechte,<br />
gegebenenfalls sogar auf seine Familie hat. Wird eine generelle Kennzeichnungspflicht<br />
eingeführt, kann <strong>der</strong> Kollege nicht mehr entscheiden; dann trägt er den Namen.<br />
Das Gleiche betrifft die polizeilichen Großeinsätze, wo wir als Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei<br />
mit den Innenministern und Innensenatoren übereinstimmen, dass durch bestimmte<br />
Symbole und Kennzeichen die Polizeieinheiten so gekennzeichnet sind,
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Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />
<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />
dass man zumin<strong>des</strong>t bis auf die Polizeigruppe genau ermitteln kann, aus welchem<br />
Bereich welche polizeiliche Handlung vorgenommen wird. Dies ist nach unserer Auffassung<br />
ausreichend.<br />
Herr Franke (Deutsche Polizeigewerkschaft):<br />
Frau Vorsitzende, dürfte ich dazu noch etwas ergänzen?<br />
Vorsitzende:<br />
Natürlich dürfen Sie ergänzen, Sie dürfen sich zu Wort melden.<br />
Herr Franke (Deutsche Polizeigewerkschaft):<br />
Es wurde nach dem qualitativen Unterschied gefragt. Der qualitative Unterschied<br />
liegt aus meiner Sicht vor allem darin: Wenn <strong>der</strong> Geschäftsmann o<strong>der</strong> Sie als Politiker<br />
irgendwo auftreten und Ihren Namen nennen o<strong>der</strong> die Visitenkarte übergeben,<br />
wissen Sie stets, wem gegenüber Sie Ihren Namen preisgegeben haben.<br />
Wir sind auch gegen eine anonyme Polizei, aber wir möchten gern kontrollieren, wem<br />
wir diese Information geben. Wir möchten selbst wissen, wem wir das gegeben haben,<br />
und wir wollen nicht von jemandem überrascht werden, <strong>der</strong> aus irgendeiner Internetseite<br />
- weil wir dort auf irgendeinem Foto mit Namen zu sehen sind - unseren<br />
Namen kennt und uns damit mehr o<strong>der</strong> weniger überraschen kann. Es ist ein wesentlicher<br />
Unterschied, dass die Selbstbestimmung hier im Vor<strong>der</strong>grund steht, dass <strong>der</strong><br />
Beamte selbst bestimmt, wann er diese Information herausgibt und auch weiß, dass<br />
er diese Information herausgeben kann und sich später auch ganz bewusst daran erinnern<br />
kann.<br />
Die Datenschützerin hat aus meiner Sicht Recht, sie hat aber nur den Beamten an<br />
sich betrachtet und hat dabei vergessen, dass dieser Beamte, <strong>der</strong> nicht wie die Krankenschwester<br />
mit „Schwester Petra“ gekennzeichnet ist, bei <strong>der</strong> man maximal den<br />
Vornamen weiß, son<strong>der</strong>n die gesamte Familie <strong>des</strong> Beamten mit dem Namen preisgegeben<br />
wird. Das ist schon ein Eingriff in die informelle Selbstbestimmung, die über<br />
den jeweils handelnden Beamten hinausgeht, nämlich die gesamte Familie <strong>des</strong> Beamten<br />
betrifft und nicht nur ihn selbst.<br />
Herr Petke hat angesprochen, dass wir hier überzeichnen würden. Er kann mich gern<br />
begleiten und mal meine Schussweste aus dem Schrank nehmen und sehen, welches<br />
Herstellungsdatum darauf steht, wenn er meint, ich erzählte hier Geschichten.<br />
Das Fehlermanagement bei <strong>der</strong> Polizei - das mag Sie schockieren - ist unser tägliches<br />
Erleben. Es würde mich freuen, wenn man daranginge und daran etwas än<strong>der</strong>te.<br />
Das wären aber erst einmal Grundvoraussetzungen, bevor wir hier über solche<br />
Dinge diskutieren.
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<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />
Im Übrigen: Herr Petke hat viel gesagt, aber die Antwort auf die Tatsachen, die die<br />
Frau Kollegin angesprochen hat, ist er immer noch schuldig geblieben. Mir fehlen die<br />
tatsächlichen Anhaltspunkte da<strong>für</strong>: Warum muss jetzt eine Kennzeichnungspflicht<br />
her? Wenn man eine Kennzeichnungspflicht <strong>für</strong> Polizeibeamte braucht: Warum wird<br />
das nicht im Bund geregelt, wo wir doch jetzt gerade über die Bereitschaftspolizei in<br />
allen Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong>n tätig werden? Es wäre in meinen Augen völlig daneben, wenn<br />
je<strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>land eine eigene Regelung hat. Da werden unsere Einsatzbeamten aus<br />
den Hun<strong>der</strong>tschaften irgendwo schizophren, wenn sie sich auch noch darum kümmern<br />
müssten, vor jedem Einsatz zu eruieren: Wie ist das mit <strong>der</strong> Kennzeichnungspflicht,<br />
muss ich jetzt ein Namensschild tragen o<strong>der</strong> nicht, o<strong>der</strong> wie soll das alles ablaufen?<br />
Von daher ist es wie<strong>der</strong> irgendwo eine Beschäftigung mit einem Thema, das völlig<br />
ohne jede Notwendigkeit ist. Wir sollten lieber darüber diskutieren, ob wir nicht noch<br />
ein paar mehr Polizisten im Land behalten wollen. Immerhin kostete die Kennzeichnung<br />
das Land Hamburg über 70 000 Euro - ein Jahresgehalt <strong>für</strong> einen Beamten.<br />
Abgeordneter Dr. Scharfenberg (DIE LINKE):<br />
Ich möchte an die Ausführungen <strong>des</strong> Abgeordneten Ziel anknüpfen. Sie alle haben<br />
hier zum Ausdruck gebracht, dass Sie akzeptieren, dass Revierpolizisten namentlich<br />
bekannt sind. Viele Revierpolizisten sind so bekannt, dass viele Leute wissen, wo sie<br />
wohnen. Das ist eine Selbstverständlichkeit. Nun stellt sich mir die Frage: Wenn man<br />
das akzeptiert: Entsteht automatisch ein Wi<strong>der</strong>spruch zur restlichen Polizei? Denn<br />
man wird ja nicht ernsthaft unterstellen wollen, dass Revierpolizisten sozusagen<br />
Schön-Wetter-Polizisten sind, die nur mit dem Guten und Schönen zu tun haben,<br />
son<strong>der</strong>n sie kommen automatisch auch in Gefährdungssituationen. Das gehört bei einer<br />
ernsthaften Wahrnehmung dieser Aufgabe - ich gehe davon aus, dass das die<br />
meisten tun - dazu.<br />
Deswegen meine Frage: Gibt es aus Ihrer Sicht irgendwelche Ansatzpunkte da<strong>für</strong>,<br />
dass die namentliche Kennzeichnung <strong>der</strong> Revierpolizisten zu Gefährdungen führt?<br />
Es müsste meiner Meinung nach zumin<strong>des</strong>t erkennbar sein, wenn <strong>der</strong> Zusammenhang<br />
zwischen namentlicher Kennzeichnung und einer Gefährdung nachweisbar<br />
wäre. Mich würde interessieren, ob es irgendwelche Erfahrungen gibt.<br />
Zum Zweiten: Niemand wird in Abrede stellen, dass bei beson<strong>der</strong>s gefährlichen Einsätzen<br />
ein solcher Name von Nachteil sein kann. Es steht wie selbstverständlich im<br />
Raum, dass in diesem Moment die Dienstnummer getragen werden kann und damit<br />
<strong>der</strong> Rückschluss auf eine Familie, eine unmittelbare persönliche Identifizierung in diesem<br />
Sinn gar nicht möglich wäre. Vielleicht können Sie dazu auch noch mal etwas<br />
sagen.
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Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />
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Frau Wölk (Bund Deutscher Kriminalbeamter, Polizeioberkommissarin):<br />
Ich möchte kurz zum Thema Revierpolizei Stellung nehmen. Hierzu müsste erst einmal<br />
die eindeutige Aufgabenbeschreibung <strong>der</strong> Revierpolizei klar sein. Aufgabe <strong>der</strong><br />
Revierpolizei ist es nicht, erstrangig auf Notrufe zu reagieren, son<strong>der</strong>n erst einmal in<br />
ihrem Revierpolizeibereich tätig zu sein, sich vom Bürger, <strong>der</strong> ein Problem hat, ansprechen<br />
zu lassen, auch mal eine Anzeige entgegenzunehmen, Revierpolizisten haben<br />
Sprechzeiten zu realisieren, wo Bürger mit Problemen hinkommen bzw. den Ansprechpartner<br />
Polizei suchen und wollen.<br />
Der Wach- und Wechseldienst hat diese Aufgabe nicht; er hat durchaus die Aufgabe,<br />
Anzeigen entgegenzunehmen, wird aber auch größtenteils zu Notsituationen gerufen,<br />
die über die Notrufwahl 110 unserer Leitstelle eingehen, und da ist nicht klar,<br />
was hinter diesem Notruf steckt. Es ist nicht klar: Was geht aus dem Familienstreit<br />
heraus? Oftmals sind es sogar nur die Nachbarn, die anrufen und sagen: Da und dort<br />
ist dieser Sachverhalt. Dann fährt die Streifenbesatzung dort hin, hat keine Ahnung,<br />
was sie erwartet und soll, bevor sie dort hineingeht, <strong>für</strong> sich entscheiden: Name o<strong>der</strong><br />
Nummer? Das geht nicht, weil - wie Herr Schuster schon argumentierte - die Situation<br />
innerhalb von Sekunden von freundlich zu aggressiv umschlagen kann, und das<br />
ist in keiner Weise vorhersehbar.<br />
Natürlich kann auch ein Revierpolizist in eine solche Situation kommen. Aber <strong>der</strong> Revierpolizist<br />
ist von seinem Grundauftrag her mit einer an<strong>der</strong>en Aufgabe befasst als<br />
<strong>der</strong> Streifendienst. Das sollte man dazu auch wissen.<br />
Herr Schuster (Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei, Lan<strong>des</strong>bezirksvorsitzen<strong>der</strong>):<br />
Ich möchte das, was meine Kollegin dazu gesagt hat, ausdrücklich unterstützen. Zur<br />
Definition „gefährlicher Einsatz“: Ob es ein gefährlicher Einsatz ist o<strong>der</strong> nicht, weiß<br />
man erst dann, wenn man fort ist. Die KFN-Studie hat klar belegt, dass ganz normale<br />
Verkehrskontrollen mit Geschwindigkeitsüberwachung schlagartig zu einem gefährlichen<br />
Einsatz werden können, indem unsere Kollegen beschimpft, bedroht werden<br />
o<strong>der</strong> sogar ein Fahrzeug auf sie zufährt. Das hat nun wenig mit Kennzeichnungspflicht<br />
zu tun, aber es bestehen beson<strong>der</strong>e Gefahrensituationen.<br />
Der Revierpolizist hat eine an<strong>der</strong>e Aufgabe. Um gleich zu belegen, Herr Petke, dass<br />
es konkrete Beispiele gibt: Ich habe gestern mit den Kollegen aus Jüterbog gesprochen,<br />
dort wurde eine Wache geschlossen. Es gab die Zusicherung seitens <strong>der</strong> Politik,<br />
dass die gleiche Absicherung durch den Wach- und Wechseldienst erfolgt wie<br />
vorher. Es kommt dort jetzt kein Wach- und Wechseldienst mehr vorbei, son<strong>der</strong>n die<br />
Revierpolizisten müssen jetzt die Aufgaben <strong>des</strong> WWD übernehmen. Dadurch entsteht<br />
auch in diesem Bereich ein ganz an<strong>der</strong>es Gefährdungspotenzial, als sie es vorher<br />
hatten, wo die Kollegen nämlich zu solchen Einsätzen gegangen sind, wie das
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Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />
<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />
die Kollegin eben erläutert hat. Auch da gibt es mittlerweile eine Verschiebung, sodass,<br />
wenn dieser Zustand so anhält, ich nicht glaube, dass bei den Revierpolizisten<br />
die Öffentlichkeit noch genauso gesehen wird wie bisher.<br />
Herr Franke (Deutsche Polizeigewerkschaft):<br />
Die Revierpolizei ist nicht in diesem Maße dem Videografieren und Fotografieren<br />
ausgesetzt. Unsere Einsatzhun<strong>der</strong>tschaften und auch <strong>der</strong> Wach- und Wechseldienst<br />
sind viel stärker betroffen, von Unbeteiligten irgendwo namentlich identifiziert zu werden<br />
als <strong>der</strong> Revierpolizist. Die Revierdienste beruhen auf Freiwilligkeit, niemand wird<br />
Revierpolizist, ohne sich freiwillig dazu gemeldet zu haben.<br />
Im Wach- und Wechseldienst sieht das an<strong>der</strong>s aus, dort fängt je<strong>der</strong> Beamte erst einmal<br />
an, er hat darauf keinen großartigen Einfluss. Das heißt, wer Revierpolizist wird,<br />
erklärt sich auch damit einverstanden, dass sein Name in einer öffentlichen Form genannt<br />
wird. Insofern ist es wirklich ein Unterschied qualitativer Art, ob man bei <strong>der</strong><br />
Revierpolizei o<strong>der</strong> im Wach- und Wechseldienst arbeitet und dort seinen Namen<br />
trägt.<br />
Soweit ich den Gesetzentwurf gelesen habe, ist darin nur von individueller Kennzeichnung<br />
durch Namen die Rede. Dass jetzt auch eine Kennzeichnung mittels<br />
Dienstnummer infrage kommt, ist mir neu. Von daher müsste man über diese Frage<br />
erst einmal neu nachdenken. So wie ich Sie bisher verstanden hatte, ging es darum,<br />
die Kollegen namentlich zu kennzeichnen.<br />
Abgeordneter Schippel (SPD):<br />
Von den Gewerkschaften wurde beeindruckend geschil<strong>der</strong>t, dass es Untersuchungen<br />
gibt, inwieweit es Übergriffe auf Polizisten gab. Ich frage mal umgekehrt: Ist Ihnen<br />
eine Untersuchung o<strong>der</strong> ein Anzahl von Übergriffen von Polizisten auf Bürger bekannt,<br />
die sich bei Demonstrationen entsprechend friedlich und entsprechend den<br />
Gesetzen verhalten? Gibt es eine solche Untersuchung?<br />
Vorsitzende:<br />
Möchte jemand darauf antworten?<br />
Herr Franke (Deutsche Polizeigewerkschaft):<br />
Ja, ich würde gern darauf antworten, und zwar dahingehend: Ich finde, dass wir die<br />
falschen Ansprechpartner sind. Diese Frage hätte Ihnen Herr Petke beantworten sollen.<br />
Das wären nämlich die Tatsachen gewesen, die uns auch interessiert hätten.<br />
Wenn Sie hier eine Untersuchung gehabt hätten, Herr Petke, aus <strong>der</strong> eindeutig hervorgeht,<br />
dass genau das ständig geschieht, dass Unschuldige verprügelt, eingesperrt<br />
werden, ohne dass Beamte identifiziert werden, dann hätte ich vollstes Verständnis
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Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />
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<strong>für</strong> diesen Gesetzesvorstoß. Das sind die Tatsachen, die wir vermissen. Von daher<br />
finde ich Ihre Frage berechtigt, kann sie aber nicht beantworten.<br />
Vorsitzende:<br />
Ich glaube, im nächsten Block wird Frau Monika Lüke von Amnesty International<br />
dazu etwas sagen können. Gibt es Ihrerseits zu dieser Frage noch Redebedarf? -<br />
Dann möchte ich den nächsten Block eröffnen.<br />
Frau Dr. Heide Sandkuhl (Deutscher Anwaltverein, Vorsitzende <strong>des</strong> Gefahrenabwehrrechtsausschusses):<br />
Vielen Dank <strong>für</strong> Ihre Einladung. Mein Name ist Heide Sandkuhl, ich bin Rechtsanwältin<br />
aus Potsdam und ausschließlich im Bereich <strong>der</strong> Strafverteidigung als Strafverteidigerin<br />
tätig, habe also auch in <strong>der</strong> Praxis mit <strong>der</strong> einen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Verteidigung eines<br />
Polizisten o<strong>der</strong> als Nebenklägerin zu tun. In dieser Eigenschaft bin ich heute<br />
nicht bei Ihnen, son<strong>der</strong>n als Vorsitzende <strong>des</strong> <strong>Ausschusses</strong> <strong>für</strong> Gefahrenabwehrrecht<br />
<strong>des</strong> Deutschen Anwaltvereins. Der Deutsche Anwaltverein ist die freiwillige Vereinigung<br />
von Anwälten, <strong>der</strong> sich durch seine Ausschüsse immer wie<strong>der</strong> gern einmal in<br />
die Rechtspolitik einmischt und <strong>der</strong> Auffassung ist, dass er dies aufgrund seiner praktischen<br />
Erfahrungen tun sollte.<br />
Unsere Position ist seit Längerem bekannt: Wir begrüßen die Einführung <strong>der</strong> Kennzeichnungspflicht.<br />
Bevor ich Ihnen noch einmal kurz die Gründe, weshalb wir das<br />
tun, zusammentrage, gestatten Sie mir vier Vorbemerkungen.<br />
Erste Vorbemerkung: Ich nehme es sehr ernst, was die Vertreter <strong>der</strong> Gewerkschaft<br />
berichtet haben. Aber was mich sehr berührt: Ich habe das, ehrlich gesagt, als absolute<br />
Bankrotterklärung empfunden - Verhältnis Polizei - Dienstherr -, wenn das, wie<br />
Sie das schil<strong>der</strong>n, so zutreffen sollte.<br />
Zweite Vorbemerkung: Wenn wir uns auf die Ebene begeben, zur Begründung <strong>des</strong><br />
Erlasses eines Gesetzes uns über einzelne Fälle zu unterhalten, dann treten wir in<br />
folgen<strong>des</strong> Dilemma ein, was hier auch eindrucksvoll zutage getreten ist: Der Polizeipräsident<br />
in Berlin, Herr Glietsch, hat auf die Frage, welches die Bedenken gegen die<br />
Einführung <strong>der</strong> Kennzeichnungspflicht seien, gesagt, dass er das als Emotion, als<br />
Angst vor Repressalien sehe, er jedoch keine Fakten nennen könne, die diese Ängste<br />
belegen. So habe ich ihn verstanden.<br />
Soeben haben wir von vielen Fällen gehört, in denen Polizisten - so habe ich das verstanden,<br />
was Sie vorgetragen haben - regelrecht Ängste ausstehen müssen, dass ihnen<br />
Gefahren drohen, falls die Kennzeichnungspflicht eingeführt werden sollte.<br />
Umgekehrt - das ist hier schon angesprochen worden, und davon haben wir uns leiten<br />
lassen - gibt es Untersuchungen, so zum Beispiel eine von Amnesty Internatio-
<strong>Landtag</strong> Brandenburg P-AI 5/13-1 S. 44<br />
Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />
<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />
nal: den Deutschlandbericht. Ich gehe davon aus, dass Frau Lüke dazu gleich etwas<br />
sagen wird. Dann haben wir die Situation - weil wir gerade über Einzelfälle sprechen<br />
-: Einsätze bei Demonstrationen und Großveranstaltungen, wo Vorwürfe von<br />
rechtswidrigen Übergriffen <strong>der</strong> Polizei auf Einzelne laut werden und die fehlende<br />
Identifizierung dazu führt, dass die strafrechtliche Sanktion unterbleiben muss.<br />
Nun können wir Folgen<strong>des</strong> machen: Sie können die Fälle berichten, wir können sie<br />
berichten und können dann probieren, das in eine Waagschale zu bringen, Stichwort<br />
Rechtstatsachen. Das halte ich <strong>für</strong> ein bisschen schwierig und auch <strong>für</strong> gefährlich.<br />
Damit komme ich zur dritten Vorbemerkung. Seitens <strong>der</strong> Gewerkschaft wurde gesagt,<br />
sie sehe kein öffentliches Interesse, die Kennzeichnungspflicht gesetzlich zu regeln.<br />
Damit will ich auf unsere Begründung überleiten, warum wir uns da<strong>für</strong> aussprechen:<br />
Das öffentliche Interesse liegt doch wohl offenkundig darin, dass die individuelle<br />
Zurechenbarkeit staatlichen Handelns garantiert werden muss - gerade in dem Bereich,<br />
in dem wie im Polizeirecht ganz intensive, grundrechtsintensive Maßnahmen<br />
erfolgen. Die individuelle Zurechenbarkeit staatlichen Handelns ergibt sich nicht zuletzt<br />
aus Artikel 19 Absatz 4 Grundgesetz - Rechtsschutzgarantie. Erst die Identifizierung<br />
<strong>des</strong> einzelnen staatlichen Handelns macht es <strong>für</strong> die Bürgerinnen und Bürger<br />
möglich, effektiven Rechtsschutz zu beanspruchen. Kann ich staatliches Handeln<br />
nicht identifizieren, läuft mein Rechtsschutz leer.<br />
Die namentliche Kennzeichnung <strong>des</strong> Polizeibediensteten bedeutet aus unserer Sicht<br />
we<strong>der</strong> einen Missbrauchsverdacht gegen Polizisten noch eine Diskriminierung von<br />
Schutzpolizisten. Im Gegenteil: Staatliches Handeln ist nur so gut, wie es überwacht<br />
werden kann.<br />
Tragen<strong>des</strong> Prinzip eines demokratischen Rechtsstaates ist die Kontrollierbarkeit<br />
staatlicher Macht. Was ich traurig finde, ist, dass seitens <strong>der</strong> Gewerkschaft regelrecht<br />
eine Unsicherheit und eine Angst zum Ausdruck gekommen ist statt - was hier seitens<br />
<strong>der</strong> Politiker angesprochen worden ist - auch eines Bekennens zu ihrem Beruf.<br />
Damit meine ich eine offene, transparente Gesellschaft. Sie schütteln mit dem Kopf -<br />
aber es hat doch auch etwas mit Kultur zu tun. Ihre Auffassung birgt das Risiko, dass<br />
wir in retardierte Zeiten zurückfallen. Polizei ist doch heute ein Teil <strong>der</strong> Gesellschaft,<br />
<strong>der</strong> positiv angenommen werden sollte, und dazu gehört auch, dass <strong>der</strong> Polizist das<br />
Selbstbewusstsein hat, sich namentlich zu nennen. Bedrohungssituationen - verstehen<br />
Sie mich nicht falsch -: In <strong>der</strong> Justiz müssen sie dies vielerorts ertragen, manchmal<br />
auch die Verteidigung.<br />
Ich nehme das, was Sie sagen, absolut ernst. Es gibt ja diese Diskussion. Aber wenn<br />
ich mir den Gesetzentwurf anschaue, stelle ich fest: Er hat diese Tatsache erkannt<br />
und dadurch aufgefangen, dass er von einem Grundsatz spricht, nämlich die Kennzeichnung<br />
und die Fälle <strong>für</strong> Ausnahmen zulässt.
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Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />
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Selbstverständlich gibt es Fälle - Frau Hartge hat Sie genannt - bei <strong>der</strong> verdeckten<br />
Ermittlung; da wird niemand auf die Idee kommen, jemanden mit einem Namensschild<br />
loszuschicken. Ich meine: Der uns vorliegende Gesetzentwurf bietet die Möglichkeit,<br />
den Schutz, den Sie zu Recht verlangen, <strong>für</strong> die entscheidenden sensiblen<br />
Situationen dadurch zu schaffen, dass Ausnahmen begründet werden und zum Beispiel<br />
nicht <strong>der</strong> Name, son<strong>der</strong>n eine Nummer eingeführt wird.<br />
Hiermit korrespondiert <strong>der</strong> Europäische Kodex <strong>für</strong> Polizeiethik <strong>des</strong> Europarates, dem<br />
sich Deutschland verpflichtet hat. Dieser spricht sich ebenso unter Berufung auf die<br />
polizeiliche Rechenschaftspflicht <strong>für</strong> die Kennzeichnung <strong>der</strong> amtlichen Identität aus.<br />
Gestatten Sie mir noch kurz einen Rechtsvergleich. Wir haben uns in unserem Ausschuss<br />
die Mühe gemacht, zu schauen, wie es in den an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n aussieht. In<br />
den USA gibt es 1975 die Kennzeichnungspflicht. Dort gab es entsprechende Untersuchungen,<br />
die zu dem Ergebnis geführt haben: keine gesteigerten Gefahren <strong>für</strong> die<br />
einzelnen Polizisten; im Gegenteil: positive Auswirkung auf das Zusammenwachsen<br />
von Bürgern und Polizei. Diese Untersuchungen hat man in New York, Detroit und<br />
Los Angeles durchgeführt; gerade die Behörde von Los Angeles sah es als erwiesen<br />
an - ich zitiere -, dass die positive Einstellung <strong>der</strong> Bürger zur Polizei verstärkt wurde.<br />
Australien, Spanien, Mexiko arbeiten mit Identifikationsnummern, so auch Puerto<br />
Rico. Interessant fand ich Kolumbien, Kolumbien würde ich, was die innere Sicherheit<br />
angeht, nicht gerade mit Brandenburg vergleichen. Wenn ich mir dann aber vor<br />
Augen halte: In Kolumbien tragen Polizisten eine Identifikationsnummer, den Namen,<br />
den Dienstgrad und das Datum <strong>der</strong> letzten Beför<strong>der</strong>ung. In Guatemala tragen die Polizisten<br />
ihren Namen und ihre Dienstbezeichnung. In Kanada und <strong>der</strong> Schweiz muss<br />
eine Identifikation erst auf Nachfrage erfolgen.<br />
Nicht zuletzt noch <strong>der</strong> Hinweis und damit auch eine Anregung, eine Konsequenz daraus<br />
zu ziehen: In United Kingdom trägt man entsprechende Nummern, zur Identifizierung<br />
auch leicht erkennbar. Nun hatte sich dort Folgen<strong>des</strong> zugetragen: Während <strong>der</strong><br />
Demonstrationen im Zusammenhang mit dem G 20-Gipfel 2009 gab es Polizisten,<br />
die ihre Kennzeichnung verdeckt haben, entwe<strong>der</strong> dadurch, dass sie eine Schutzweste<br />
über dieser Kennzeichnung getragen haben, o<strong>der</strong>: Es soll solche Polizisten<br />
gegeben haben, die mit einem kleinen Feuerlöscher, <strong>der</strong> in die oberste Tasche gesteckt<br />
wurde, die Kennzeichnung verdeckten. Im Rahmen dieser Demonstrationen<br />
kam es zum Tod eines Zeitungsverkäufers. Es wurde ermittelt. Angeblich sollen Polizisten<br />
einer Elitegruppe involviert gewesen sein, jedoch ihre Nummern verdeckt haben.<br />
Das führte dann in United Kingdom zu heftigen Diskussionen über die Kennzeichnung<br />
und darüber, wie damit umgegangen werden soll. Die Kritik, die an dem<br />
Polizeichef laut wurde, war, man habe nur Verantwortlichen auf die Finger geschaut,<br />
ansonsten sei nichts passiert. Es wurde plötzlich zum Bumerang, und die Polizei wurde<br />
heftigst kritisiert.
<strong>Landtag</strong> Brandenburg P-AI 5/13-1 S. 46<br />
Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />
<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />
Die oberste Aufsichtsbehörde <strong>der</strong> Polizei hat dann als Konsequenz aus diesen Ereignissen<br />
Folgen<strong>des</strong> getan: Um das Entfernen und Verdecken <strong>der</strong> Identifikationsnummern<br />
zu verhin<strong>der</strong>n, hat Scotland Yard Anfang 2010 bestickte Schulterklappen, die<br />
nicht mehr abgenommen werden können, eingeführt. Das ist auch so ein eindrucksvoller<br />
Fall, an dem man eines deutlich machen kann: Die Beobachtung aus <strong>der</strong> Praxis.<br />
Ich durfte einmal einen Polizisten verteidigen, <strong>der</strong> in den Verdacht <strong>der</strong> Körperverletzung<br />
geraten war. Der Polizist bestritt die Tat. Herr Glietsch, <strong>der</strong> Polizeipräsident in<br />
Berlin, hatte schon angesprochen: Großeinsätze werden häufig mit Videos, Kameras<br />
verfolgt, auch von Privaten, und dann ins Netz gestellt. Die Ermittler nahmen Zugriff<br />
auf diese Aufzeichnungen, Videoaufnahmen, die zum Teil unklar waren, auch in <strong>der</strong><br />
Bildbeschaffenheit. Was sich nachher herausstellte, warum mein Mandant, <strong>der</strong> Polizist,<br />
in diese Ermittlung hineingeraten war: Ein Ermittler meinte, eine gewisse Ähnlichkeit<br />
festgestellt zu haben.<br />
Wäre es seinerzeit möglich gewesen, anhand bestimmter Merkmale den Polizisten<br />
zu identifizieren, wäre gegen meinen Mandanten überhaupt kein Ermittlungsverfahren<br />
eingeleitet worden, weil klar gewesen wäre, dass er es nicht ist. Bezogen auf den<br />
England-Fall hätte man hier die Möglichkeit gehabt. Wären diese Nummern nicht verdeckt<br />
worden, wäre die Polizei nicht in dem Maße angegangen worden, wie das in<br />
den Zeitungen diskutiert worden ist.<br />
Aus diesen Überlegungen, die ich darzustellen versucht habe - ich sehe davon ab, im<br />
Einzelnen auf Ihre rechtliche Position einzugehen, die ich <strong>für</strong> nicht haltbar ansehe -,<br />
möchte ich sagen: Auch Ihr Hinweis auf Artikel 2 reicht überhaupt nicht. Das Grundrecht<br />
verschafft keinem Polizisten ein Recht, sich nicht kennzeichnen zu müssen. Im<br />
Gegenteil: Artikel 2 wird eingeschränkt durch die allgemeinen Gesetze (Stellungnahme,<br />
Anlage 9).<br />
Frau Lüke (Generalsekretärin Amnesty International):<br />
Ich kann mich in weiten Teilen den Ausführungen von Frau Dr. Sandkuhl anschließen.<br />
Amnesty International arbeitet seit über 15 Jahren am Thema Polizei in<br />
Deutschland sowohl bezüglich <strong>der</strong> Rechte als auch <strong>der</strong> Rechtsverpflichtungen <strong>der</strong><br />
Polizistinnen und Polizisten. Wir tun das, weil die Polizei nach dem Grundgesetz eine<br />
wichtige Rolle <strong>für</strong> den Schutz <strong>der</strong> Menschenrechte in Deutschland spielt. Die Polizei<br />
gehört zu den wenigen Institutionen, denen das Tragen und Nutzen von Waffen erlaubt<br />
ist, was eine beson<strong>der</strong>e Verantwortung mit sich bringt. In diesem Zusammenhang<br />
ist die Kennzeichnungspflicht zu sehen. Diese beson<strong>der</strong>e Macht und zugleich<br />
Verantwortung erfor<strong>der</strong>t aber auch in einem beson<strong>der</strong>en Maße Transparenz und<br />
Kontrolle, und dazu dient die Kennzeichnungspflicht.<br />
Auch ich will nicht im Einzelnen auf die rechtlichen Konsequenzen eingehen. Diese<br />
beson<strong>der</strong>e Macht und Verantwortung - man nennt sie auch ein „beson<strong>der</strong>es Gewaltverhältnis“<br />
- führt dazu, dass die grundrechtlichen Erörterungen, die Herr Schuster<br />
uns vortrug, vielleicht nicht in allen Schattierungen richtig sind. Es gibt tatsächlich
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gute Gründe, die Grundrechte <strong>der</strong> Polizistinnen und Polizisten durch ein Gesetz einzuschränken.<br />
Die Kennzeichnungspflicht würde nach Vorschlag <strong>der</strong> brandenburgischen<br />
CDU mit einem solchen Gesetz festgelegt.<br />
Es gibt gute Gründe im rechtlichen und auch im funktionellen Bereich. Es gibt gute<br />
Gründe im rechtlichen Bereich, die im Grundgesetz und auch in <strong>der</strong> Europäischen<br />
Menschenrechtskonvention festgeschrieben sind. Das Grundgesetz for<strong>der</strong>t, dass je<strong>der</strong>,<br />
jede immer dann, wenn die Behauptung besteht, in den eigenen Rechten verletzt<br />
zu sein, die Möglichkeit haben muss, dass dem durch ein Ermittlungsverfahren<br />
nachgegangen wird, und wenn dieses Ermittlungsverfahren zu substantiellen Ergebnissen<br />
führt, auch durch ein Gerichtsverfahren.<br />
Eine ähnliche Regelung gibt es auf Europäischer Ebene in <strong>der</strong> Menschenrechtskonvention.<br />
Hier liegt das Problem: Wenn Rechtsverletzungen behauptet werden, wenn<br />
behauptet wird, dass die Polizei ihre Rechte überschritten hat, unzulässig Gewalt<br />
ausgeübt hat, sind Ermittlungen <strong>der</strong>zeit in <strong>der</strong> Regel nicht möglich, denn <strong>der</strong> Polizist<br />
o<strong>der</strong> die Polizistin ist nicht zu identifizieren. Es fehlt also an Transparenz. Hierzu würde<br />
eine Kennzeichnungspflicht beitragen, und sie würde auch dazu dienen, das Vertrauen<br />
<strong>der</strong> Bürger in die Polizei, das <strong>der</strong>zeit in hohem Maße besteht - das sagt im<br />
Übrigen auch die Pfeiffer-Studie -, noch zu stärken, und würde gleichermaßen die<br />
Polizistin, den Polizisten vor ungerechtfertigten Vorwürfen schützen. Jetzt wird im<br />
Zweifel eine ganze Diensteinheit behelligt. Wenn aber <strong>der</strong> Polizist o<strong>der</strong> die Polizistin<br />
klar gekennzeichnet ist - sei es durch Namen, sei es durch Nummern -, ist es möglich,<br />
direkt Denjenigen, Diejenige in die Verantwortung zu nehmen und dadurch die<br />
an<strong>der</strong>en vor ungerechtfertigten Vorwürfen zu schützen.<br />
Zugleich erhöht sich auch präventiv die Verantwortung <strong>der</strong> Polizistinnen und Polizisten,<br />
weil sie wissen, sie sind erkennbar. Deswegen ist bei den einzelnen Polizeieingriffen<br />
größere Vorsicht erkennbar. Gleichzeitig trägt es zur Deeskalation bei, weil die<br />
Bürger bei Demonstrationen, bei Veranstaltungen, aber auch bei Vorfällen im Familienbereich<br />
ein Gegenüber sehen. Sie sehen nicht anonym die Polizei, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong><br />
Polizist/die Polizistin wird individualisiert und dadurch zum Partner, zum Gegenüber.<br />
Das trägt nachgewiesenermaßen zur Deeskalation bei.<br />
Die Kennzeichnung von Polizisten ist also aus vielen Gründen geboten. Sie steigert<br />
das Vertrauen <strong>der</strong> Bevölkerung in die Polizei. Sie stärkt die Verantwortung <strong>der</strong> Polizisten.<br />
Sie stärkt die Transparenz <strong>der</strong> Polizisten. Sie sorgt <strong>für</strong> eine Fehlerkultur, und<br />
sie verhin<strong>der</strong>t rechtswidriges Verhalten bzw. trägt zu <strong>des</strong>sen Aufklärung bei.<br />
An<strong>der</strong>e europäische Län<strong>der</strong> haben es uns vorgemacht. Ergänzend nenne ich noch<br />
Spanien. In Spanien wird die Guardia Civil gekennzeichnet.<br />
Zuletzt noch, ohne auf alle Einzelheiten einzugehen, zu <strong>der</strong> Studie <strong>des</strong> kriminologischen<br />
Forschungsinstituts in Hannover: Ja, es gibt einen Anstieg von Gewalt gegen<br />
Polizisten. Der Gewaltanstieg ist allerdings maßgeblich in Fällen im Familienzusam-
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menhang nachgewiesen und in Fällen unter Alkoholeinfluss, zugegebenermaßen<br />
auch bei Demonstrationen. Das sind ganz klar die Situationen. Prof. Pfeiffer hat auch<br />
nachgewiesen, dass dieser Gewaltanstieg nicht alle Polizistinnen und Polizisten trifft,<br />
son<strong>der</strong>n erstaunlicherweise häufig gegenüber männlichen Polizisten nachzuvollziehen<br />
ist, und auch da gibt es Differenzierungen: bei großen männlichen Polizisten.<br />
(Heiterkeit)<br />
Nein, tatsächlich. Es ist nicht generell ein Gewaltanstieg zu verzeichnen. Prof. Pfeiffer<br />
sieht da auch gewisse Zusammenhänge.<br />
Es bleibt das Problem bei Demonstrationen. Das passt in diesen Kontext. Es nimmt<br />
die Bedenken von Andreas Schuster auf. Allerdings sprechen auch hier die Erfahrungen<br />
<strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> Berlin. Spezialeinheiten und Son<strong>der</strong>einsatzkommandos sind seit<br />
Sommer 2008 gekennzeichnet, und es gibt dort keine negativen Erfahrungen.<br />
Zusammenfassend: Es gibt viele gesetzliche und strukturelle Gründe da<strong>für</strong>, die Polizei<br />
zu kennzeichnen. Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen von <strong>der</strong> Polizei, ein bisschen<br />
mehr Vertrauen zu haben. Die Sorgen sind berechtigt. Die Polizei erfüllt eine<br />
schwierige Aufgabe. Aber die Erfahrungen zeigen, namentlich <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> Berlin,<br />
aber auch <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en europäischen Län<strong>der</strong>, dass eine Kennzeichnung nicht zu zusätzlichen<br />
Bedrohungen und Angriffen gegen die Polizei führt. - Vielen Dank (Stellungnahme,<br />
Anlage 10).<br />
Frau Heinrich (Humanistische Union <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>verban<strong>des</strong> Berlin-Brandenburg,<br />
Geschäftsführerin):<br />
Es wurden schon sehr viele Punkte genannt, ich möchte nicht alles wie<strong>der</strong>holen. Wir<br />
sind <strong>für</strong> eine Polizeikennzeichnung. Deswegen begrüßen wir den Vorstoß, den die<br />
CDU unternommen hat, sehr stark.<br />
Es sprechen viele Gründe <strong>für</strong> die Kennzeichnung. Es wurden genannt Serviceorientierung,<br />
<strong>der</strong> Rechtsstaat, die Überprüfbarkeit <strong>der</strong> Rechtmäßigkeit polizeilichen Handels,<br />
effektiver Rechtsschutz. Es ist in unseren Augen auch kein Misstrauensvotum<br />
gegenüber <strong>der</strong> Polizei, die Rechtmäßigkeit <strong>der</strong> einzelnen Maßnahmen zu überprüfen;<br />
denn es ist eine Selbstverständlichkeit in einem demokratischen Rechtsstaat, dass<br />
eine Kontrolle stattfindet.<br />
Unser Rechtsstaat baut auf Kontrollmechanismen auf. Sie sind ein Grundpfeiler <strong>des</strong><br />
Rechtsstaates. Ich erinnere an die Gewaltenteilung. Wir haben heute schon Fö<strong>der</strong>alismus<br />
gehört. Man kann auch ganz viele an<strong>der</strong>e Dinge nennen. Das sind alles Mechanismen,<br />
die darauf aufbauen, dass Kontrolle stattfindet.<br />
Ein Rechtsstaat funktioniert nicht mit blindem Vertrauen. Es ist ein sensibles System.<br />
Da wird Hoheitsgewalt ausgeübt, die auch übertragen ist vom Bürger, vom Volk. Das
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ist kein Eigeninteresse. Je<strong>der</strong> Richter fällt sein Urteil im Namen <strong>des</strong> Volkes. Auch <strong>der</strong><br />
einzelne Polizist handelt bei je<strong>der</strong> Maßnahme, die er vornimmt, ob er ein Auto abschleppen<br />
lässt, ob er jemanden festnimmt etc., im Namen <strong>des</strong> Volkes. Der Bürger<br />
muss überprüfen können: Was hat er eigentlich in meinem Namen gemacht?<br />
Es gibt einige Punkte, die <strong>für</strong> eine Kennzeichnung sprechen. Einen möchte ich noch<br />
hervorheben, das ist die Prävention. Ich möchte ihn <strong>des</strong>wegen hervorheben, weil gerade<br />
die Prävention ein Beispiel da<strong>für</strong> ist, dass die Kennzeichnung im Interesse aller<br />
Beteiligten liegt. Ich habe das Gefühl, dass das hier noch nicht richtig gewürdigt wurde.<br />
Die Polizeikennzeichnung liegt im Interesse <strong>der</strong> Bürger, die Rechtmäßigkeit polizeilichen<br />
Handelns kann überprüft werden, aber sie ist auch im Interesse <strong>der</strong> einzelnen<br />
Polizistinnen und Polizisten; denn Prävention ist auch in ihrem Interesse.<br />
Die präventive Wirkung kann auf verschiedenen Ebenen wirken, zum einen dadurch,<br />
dass Bürgernähe geschaffen wird. Das ist auch <strong>der</strong> Aspekt, <strong>der</strong> im Gesetzentwurf<br />
ganz beson<strong>der</strong>s hervorgehoben wird. Bürgernähe hat einen deeskalierenden Charakter.<br />
Bürgernähe ist die Strategie, die die Polizei in ihren Einsätzen ohnehin verfolgt,<br />
um zu deeskalieren, um einer Eskalation vorzubeugen. Dazu trägt eine Kennzeichnung<br />
bei. Sie überwindet die Anonymität und passt auch in das Konzept, das<br />
die Polizei bisher fährt.<br />
Zum an<strong>der</strong>en wird auch <strong>der</strong> einzelne Polizist angehalten sein, eigenes Handeln zu<br />
reflektieren, sich selbst zu überprüfen, ob er die nötige Professionalität an den Tag<br />
legt. Auch das wirkt präventiv. Herr Glietsch hat gesagt, Angriffe gegen Polizisten<br />
richten sich in <strong>der</strong> Regel nicht gegen die Person <strong>des</strong> Polizisten, son<strong>der</strong>n gegen den<br />
Repräsentanten <strong>des</strong> Staates. Die Kennzeichnung kann diese Anonymität aufheben,<br />
kann die Aufmerksamkeit <strong>des</strong> Bürgers darauf lenken, dass auch hinter <strong>der</strong> Uniform,<br />
auch hinter einer Schutzkleidung, einem Helm, wo man vielleicht das Gesicht gar<br />
nicht sieht, eine Persönlichkeit ist, und kann den Bürger zu einem üblichen und<br />
freundlichen Verhalten aufrufen.<br />
Ein vierter sehr wichtiger Aspekt, warum die Kennzeichnung präventiv wirken kann,<br />
ist, dass dadurch Ursachenforschung betrieben werden kann. Denn Ursachenforschung<br />
kann man nur dann betreiben, wenn man sich die Altfälle, da, wo etwas<br />
schiefgelaufen ist, anguckt und herausfindet: Was war da eigentlich falsch? Was ist<br />
da nicht richtig gelaufen?<br />
Wir von <strong>der</strong> Humanistischen Union sind sehr davon überzeugt - das belegen auch<br />
verschiedene Studien, das hat auch <strong>der</strong> Parlamentarische Untersuchungsausschuss<br />
in Hamburg in den 90er Jahren festgestellt -, dass das Fehlverhalten von Polizeibeamten<br />
in den allermeisten Fällen nicht darauf beruht, dass sich ein sogenanntes<br />
schwarzes Schaf in den Reihen <strong>der</strong> Polizisten befindet, son<strong>der</strong>n dass die situative<br />
Bedingung einen Beamten dazu bringen kann, den rechtlichen Rahmen nicht einzuhalten,<br />
beispielsweise, wenn er überlastet o<strong>der</strong> überfor<strong>der</strong>t ist. Ich glaube, gerade<br />
weil darin die Ursachen von Fehlverhalten liegen, muss man Fehlverhalten aufklären
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können - natürlich auch aufgrund <strong>des</strong> effektiven Rechts und aufgrund <strong>der</strong> Grundrechte<br />
-, um daraus zu lernen, um die Situation und die Arbeitsbedingungen <strong>für</strong> die Polizeibeamten<br />
vielleicht zukünftig zu verbessern.<br />
Ich sehe auch ein Interesse <strong>der</strong> Polizeivertreter, Fehlverhalten, das in <strong>der</strong> Vergangenheit<br />
aufgetreten ist, aufzuklären, die Arbeitsbedingungen zu verbessern und die<br />
Polizisten in die Situation zu bringen, dass sie die an sie gestellten Anfor<strong>der</strong>ungen -<br />
und die sind schwierig - erfüllen können. Das gehört nach meiner Ansicht zur Fürsorgepflicht<br />
<strong>des</strong> Dienstherrn.<br />
Ich will es bei diesen Argumenten <strong>für</strong> die Kennzeichnung belassen und auf die Details<br />
eingehen. Wir haben die Frage <strong>der</strong> Ausnahmen, wann sollte man eine Ausnahme<br />
von <strong>der</strong> Kennzeichnung vorsehen. Es gibt zwei Ebenen <strong>der</strong> Ausnahmen. Zum<br />
einen hat man die Möglichkeit, von jeglicher Kennzeichnung abzusehen. Die an<strong>der</strong>e<br />
Möglichkeit ist, statt <strong>der</strong> Namenskennzeichnung - die sieht <strong>der</strong> jetzige Gesetzentwurf<br />
vor -, eine Nummernkennzeichnung zu wählen. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass<br />
dann ein kompletter Verzicht auf eine Kennzeichnung erfolgen soll, wenn <strong>der</strong> Zweck<br />
<strong>der</strong> Maßnahme beeinträchtigt wird. Diese Formulierung wurde aus dem jetzigen § 9<br />
<strong>des</strong> Brandenburgischen Polizeigesetzes übernommen. Sie scheint mir aber in Bezug<br />
auf die Polizeikennzeichnung gar nicht so passend zu sein.<br />
Natürlich kann die Legitimationspflicht, wo <strong>der</strong> Beamte dazu verpflichtet wird, seine<br />
Dienstkarte auszuhändigen, im Wi<strong>der</strong>spruch zu seiner sonstigen Aufgabe stehen,<br />
eine polizeiliche Maßnahme vorzunehmen. Das heißt, ein Polizeibeamter kann<br />
schlecht zwei Dinge auf einmal machen: denjenigen festnehmen, <strong>der</strong> festgenommen<br />
werden muss, o<strong>der</strong> die Dienstkarte zeigen. Da kann ein Konflikt bestehen. Diesen<br />
Konflikt sehe ich bei <strong>der</strong> Kennzeichnung nicht in dem Maße. Ich denke, es sind ganz<br />
wenige Fälle, bei denen <strong>der</strong> Zweck <strong>der</strong> Maßnahme durch eine Kennzeichnung beeinträchtigt<br />
o<strong>der</strong> vereitelt wird. Das wären zum Beispiel die verdeckten Ermittler. Deswegen<br />
sind wir von <strong>der</strong> Humanistischen Union sehr da<strong>für</strong>, diese doch sehr weit gefasste<br />
Ausnahme, dass <strong>der</strong> Zweck <strong>der</strong> Maßnahme beeinträchtigt wird, einzuschränken, weil<br />
wir hier eher Tür und Tor geöffnet sehen, dass das bestehende Anliegen, eine Kennzeichnung<br />
einzuführen, in <strong>der</strong> Praxis durch diesen sehr weit gefassten Tatbestand<br />
ausgehöhlt wird. Ein Vorschlag von unserer Seite wäre - das ist meines Erachtens<br />
nicht die beste Variante -, zumin<strong>des</strong>t zu sagen: Der Zweck muss vereitelt sein. Was<br />
ich aber viel besser finde - zwei Varianten -, ist, entwe<strong>der</strong> die Personen konkret auszunehmen,<br />
die verdeckten Ermittler zum Beispiel, o<strong>der</strong> - so ist es in <strong>der</strong> Dienstanweisung<br />
in Berlin und im Gesetzentwurf in Hamburg und in Schleswig-Holstein - gar keine<br />
komplette Ausnahme vorzusehen, son<strong>der</strong>n den Adressatenkreis <strong>der</strong>jenigen, die<br />
eine Namenskennzeichnung tragen sollen, direkt auf die uniformierte Polizei zu beschränkt.<br />
Das macht Sinn; dann braucht man meines Erachtens nicht mehr diesen<br />
weiten Ausnahmetatbestand, <strong>der</strong> sich hier wirklich auf jegliche Kennzeichnung bezieht,<br />
also wann gar keine Kennzeichnung vorgenommen werden soll. Ich glaube,<br />
das öffnet dem Missbrauch die Tür.
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Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />
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Dann zu <strong>der</strong> zweiten Möglichkeit, eine Ausnahme vorzusehen, nämlich statt <strong>der</strong> namentlichen<br />
Kennzeichnung eine alternative Kennzeichnung zu wählen. Ob das eine<br />
Nummer ist, eine Buchstaben-Nummern-Kombination, Alias-Namen, da gibt es verschiedene<br />
Möglichkeiten. Der Gesetzentwurf sieht vor, die geschlossenen Einheiten<br />
mit einer Nummer zu kennzeichnen. Ich habe Gründe genannt, warum ich die präventive<br />
Wirkung <strong>der</strong> Kennzeichnung beson<strong>der</strong>s hervorgehoben habe. Das hatte noch<br />
einen an<strong>der</strong>en Grund. Ich finde nämlich, dass diese präventive Wirkung gerade bei<br />
den geschlossenen Einheiten von großer Bedeutung ist. Denn gerade hier kommt es<br />
auf den Dialog an, gerade hier muss Kommunikation möglich sein, und gerade hier<br />
wird diese Strategie <strong>der</strong> Bürgernähe, <strong>der</strong> Deeskalation verfolgt. Deswegen, glaube<br />
ich, ist hier <strong>der</strong> Ansatzpunkt, dass man bei den geschlossenen Einheiten von <strong>der</strong> namentlichen<br />
Kennzeichnung absieht, vielleicht nicht so ganz <strong>der</strong> richtige. Unser Vorschlag<br />
wäre, auf eine Gefahr abzustellen, ob <strong>für</strong> den Beamten eine Gefahr besteht,<br />
und dann eine Nummernkennzeichnung zu wählen.<br />
Ich komme zur Frage Dienstanweisung o<strong>der</strong> Gesetz, die ich eigentlich nicht aufzugreifen<br />
geplant hatte. Es wurden verschiedene Aspekte <strong>für</strong> das eine o<strong>der</strong> das an<strong>der</strong>e<br />
benannt. Herr Glietsch meinte, es spreche <strong>für</strong> die Dienstanweisung, dass man die<br />
Möglichkeit habe, innerhalb <strong>der</strong> Polizei <strong>für</strong> die Kennzeichnung zu werben. Ich vertrete<br />
den Lan<strong>des</strong>verband Berlin-Brandenburg. Wir haben das natürlich auch in Berlin verfolgt.<br />
Ich hatte nicht das Gefühl, dass man dort die Polizisten überzeugen konnte;<br />
das trifft zumin<strong>des</strong>t auf diejenigen zu, mit denen wir gesprochen haben. Wir haben -<br />
im Gegenteil - eher die For<strong>der</strong>ung gehört, das Parlament solle das regeln. Die Personalvertreter<br />
haben uns die ausdrückliche Auffor<strong>der</strong>ung entgegengebracht: Warum<br />
eine Dienstanweisung? Wenn die Politik das tatsächlich will, dann soll das Parlament<br />
das regeln.<br />
Ein Defizit bei <strong>der</strong> Dienstanweisung - die Verwaltungswissenschaftler o<strong>der</strong> Rechtswissenschaftler<br />
müssten einmal prüfen, ob das so stimmt, was ich sage - ist Folgen<strong>des</strong>:<br />
Polizeikräfte, die aus an<strong>der</strong>en Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong>n kommen und im Wege <strong>der</strong> Amtshilfe<br />
tätig werden, sind nicht von <strong>der</strong> Dienstanweisung erfasst - das ist klar -, aber sie<br />
sind meines Erachtens vom Polizeigesetz Brandenburg erfasst. Es gibt ein Verwaltungsabkommen<br />
zwischen Brandenburg und verschiedenen an<strong>der</strong>en Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong>n,<br />
das die Amtshilfe durch Polizeikräfte regelt. Darin steht, dass das Dienstrecht <strong>des</strong><br />
entsendenden Bun<strong>des</strong>lan<strong>des</strong> und das Polizeirecht <strong>des</strong> anfor<strong>der</strong>nden Bun<strong>des</strong>lan<strong>des</strong><br />
gilt. Wenn ich das richtig interpretiere, müssten die Dienstkräfte aus den an<strong>der</strong>en<br />
Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong>n somit in die Nummernkennzeichnung einbezogen werden. Das sehe<br />
ich als großen Vorteil und nicht etwa als Nachteil. Die Sorge, dass dem Land Brandenburg<br />
dann keine Polizisten mehr gestellt würden, teile ich nicht. Es klang ein wenig<br />
so, als würde das Land Brandenburg ein Verbrechen an den Polizisten aus den<br />
an<strong>der</strong>en Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong>n verüben. Dabei werden sie einfach in eine rechtstaatliche<br />
Selbstverständlichkeit einbezogen. Darauf kann sich wohl kein an<strong>der</strong>es Bun<strong>des</strong>land<br />
berufen und sagen: Wir leisten keine Amtshilfe mehr. - Im Übrigen ist die Amtshilfe<br />
auch im Grundgesetz festgehalten, es bestehen also Verpflichtungen; da kann ich<br />
den einen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en beruhigen (Stellungnahme, Anlage 11).
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Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />
<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />
Vorsitzende:<br />
Es besteht die Gelegenheit, Fragen zu stellen. Frau Nonnemacher, bitte.<br />
Abgeordnete Nonnemacher (GRÜNE/B90):<br />
Eine Frage richtet sich an Frau Lüke von Amnesty International und eine Frage an<br />
beide Damen. Frau Dr. Sandkuhl hat auf ihre Studie hingewiesen; ich nehme an, sie<br />
reflektiert auf die Untersuchung „Täter unbekannt“ von 2009. Wir suchen ja nach Datenmaterial<br />
und wissenschaftlichen Belegen <strong>für</strong> o<strong>der</strong> gegen eine Kennzeichnungspflicht.<br />
Frau Lüke, können Sie uns bitte kurz schil<strong>der</strong>n, in wie vielen Fällen eine Strafverfolgung<br />
o<strong>der</strong> die Ausräumung von Verdachtsmomenten nicht möglich war, weil die<br />
Identifizierung eines verdächtigen Polizeibeamten o<strong>der</strong> einer Beamtin nicht vorgenommen<br />
werden konnte?<br />
Wir haben gehört, dass es ein Kompromiss sein könnte, den Polizeibeamtinnen und<br />
-beamten freizustellen, sich <strong>für</strong> ein Namensschild o<strong>der</strong> eine Ziffernkombination zu<br />
entscheiden - eventuell sogar situationsbedingt. Meine Frage an beide Damen: Wie<br />
stehen Sie dazu? Ist das aus <strong>der</strong> Sicht Ihrer Organisationen, die <strong>der</strong> Kennzeichnungspflicht<br />
positiv gegenüberstehen, ein gangbarer Weg, o<strong>der</strong> würden Sie da Bedenken<br />
haben?<br />
Frau Lüke (Generalsekretärin Amnesty International):<br />
Namens- o<strong>der</strong> Nummernkennzeichnung - da haben wir keine Präferenz. Wichtig ist,<br />
dass Polizistinnen und Polizisten individualisierbar sind. Ob das durch Namen o<strong>der</strong><br />
Nummern erfolgt, stellen wir anheim. Wichtig ist, dass die Bezeichnungen sichtbar<br />
getragen werden - zum Beispiel am Revers, wie es bei <strong>der</strong> Metropolitan Police in<br />
London üblich ist -, und bei einer Nummernkennzeichnung wäre es wichtig, dass die<br />
Kombinationen leicht merkbar sind. Wir denken, dass es bestimmte Situationen gibt -<br />
ich greife damit die Be<strong>für</strong>chtungen <strong>der</strong> Kollegen hinsichtlich möglicher Repressalien<br />
im privaten Bereich auf -, in denen die Nummernkennzeichnung vorzugswürdig sein<br />
könnte.<br />
Zu unseren Berichten: Das Thema Polizei beschäftigt uns seit 1994, es ist <strong>der</strong> vierte<br />
Bericht. Es ist immer schwierig, mit Zahlen zu operieren. Im Jahr 2009 gab es erstmals<br />
bun<strong>des</strong>weit Statistiken - alle Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong> haben zugeliefert - zu Übergriffen<br />
auf und Ermittlungsverfahren gegen Amtsträger. Es ist schwierig - Amtsträger sind<br />
auch Staatsanwälte, Richter usw. -, Polizisten auszuson<strong>der</strong>n. Ich bin sehr zurückhaltend,<br />
voreilig Schlüsse zu ziehen. Die Ermittlungsverfahren bei Gewaltvorwürfen gegen<br />
Polizistinnen und Polizisten - seien es Körperverletzung o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Formen<br />
körperlicher Gewalt - machen nur ein Drittel <strong>der</strong> sonstigen Ermittlungsverfahren aus.<br />
Der Prozentsatz <strong>der</strong> Verurteilungen am Ende dieser Ermittlungsverfahren ist wie<strong>der</strong>um<br />
um ein Drittel niedriger als in sonstigen Ermittlungsverfahren. Ich finde es aller-
<strong>Landtag</strong> Brandenburg P-AI 5/13-1 S. 53<br />
Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />
<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />
dings schwierig, daraus den Schluss zu ziehen, dass Gewaltvorwürfe gegen die Polizei<br />
nicht ausreichend sorgfältig ermittelt würden. Das kann an<strong>der</strong>e Gründe haben. Es<br />
kann ganz einfach so sein, dass Polizisten doch weniger gewaltbereit sind als an<strong>der</strong>e.<br />
Kurzum: Es ist ganz schwierig, mit Zahlen zu argumentieren. Das liegt nicht an<br />
Amnesty, son<strong>der</strong>n daran, dass es kaum bzw. erst seit dem vergangenen Jahr Statistiken<br />
gibt. Ich denke aber, dass das die Diskussion um eine Kennzeichnungspflicht<br />
nicht beeinflussen darf. Es gibt das beson<strong>der</strong>e Gewaltmonopol. Die Polizei gehört<br />
nach dem Grundgesetz zu den wenigen Akteuren, denen es per Gesetz erlaubt ist,<br />
Gewalt auszuüben. Das bringt eine beson<strong>der</strong>e Verantwortung mit sich. Die Aufgaben<br />
<strong>der</strong> Polizistinnen und Polizisten sind beson<strong>der</strong>s schwierig, und es werden hohe<br />
Transparenzanfor<strong>der</strong>ungen gestellt, zum einen um die Polizistinnen und Polizisten zu<br />
schützen und auch, um Vorwürfe aufzuklären. Da ist die Kennzeichnung - sei es<br />
durch Nummern o<strong>der</strong> durch Namen - eigentlich das beste und auch das am geringsten<br />
eingreifende Mittel. Insofern verstehe ich Ihre Bedenken nicht. Ein Grundrechtseingriff<br />
wäre gerechtfertigt.<br />
Frau Heinrich (Humanistische Union <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>verban<strong>des</strong> Berlin-Brandenburg,<br />
Geschäftsführerin):<br />
Wir präferieren die Namenskennzeichnung und würden es be<strong>für</strong>worten, wenn im Gesetz<br />
ausdrücklich festgelegt würde, dass Namensschil<strong>der</strong> getragen werden sollen.<br />
Grund da<strong>für</strong> ist die präventive Wirkung. All die an<strong>der</strong>en positiven Aspekte, die <strong>für</strong><br />
eine Kennzeichnung sprechen, kämen auch bei <strong>der</strong> Nummernkennzeichnung zum<br />
Tragen, sodass uns auch eine Nummernkennzeichnung an sich sehr lieb wäre und<br />
wir sie be<strong>für</strong>worteten. Aber wir tendieren eher zur Namenskennzeichnung, weil wir<br />
das Gefühl haben, dass die Nummernkennzeichnung nicht alle positiven Aspekte erfasst,<br />
die eine Namenskennzeichung mit sich brächte.<br />
Abgeordneter Goetz (FDP):<br />
Vorhin ist gesagt worden, dass das Tragen von Namensschil<strong>der</strong>n zur Deeskalation<br />
führen könnte, weil <strong>der</strong> Beamte in Uniform zurück- und <strong>der</strong> Mensch in den Vor<strong>der</strong>grund<br />
träte. Mich würde interessieren, was die Gewerkschaftsvertreter dazu sagen.<br />
Das freiwillige Tragen von Namensschil<strong>der</strong>n gibt es bereits. Möglicherweise gibt es<br />
Erfahrungswerte aus dem täglichen Umgang - etwa, wenn man zu einem Ehestreit<br />
gerufen wird o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Einsatz zu einer gewaltbereiten Demonstration erfolgt -, ob das<br />
Tragen eines Namensschil<strong>des</strong> zur Deeskalation beiträgt und einer möglichen Gewalttat<br />
vorgebeugt werden kann, weil <strong>der</strong> Mensch, <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Uniform steckt, sichtbar<br />
wird. Ich würde einmal auf die praktische Erfahrung abstellen wollen.<br />
Vorsitzende:<br />
Ich bitte um eine kurze Antwort. Wir sind in <strong>der</strong> Zeit schon weit fortgeschritten.
<strong>Landtag</strong> Brandenburg P-AI 5/13-1 S. 54<br />
Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />
<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />
Herr Neumann (Deutsche Polizeigewerkschaft):<br />
Ich versuche mich kurz zu fassen. Wenn die Polizei angegriffen wird, kommt es darauf<br />
an, ob es sich um einen Polizisten o<strong>der</strong> eine Polizistin handelt, und wie groß diejenigen<br />
sind. Ob er o<strong>der</strong> sie ein Namensschild trägt, ist meines Erachtens unerheblich.<br />
Menschen, die uns gewaltbereit gegenübertreten, sind männlich und groß. Es ist<br />
bekannt, dass Polizistinnen sehr deeskalierend wirken und männliche Gewalttäter<br />
eher zurückschrecken, eine Polizistin anzugreifen als einen Polizisten. Ob man <strong>des</strong>wegen<br />
zu dem Schluss kommen sollte, nur noch Frauen unter 1,60 m in den Polizeidienst<br />
zu stellen, überlasse ich Ihrem Urteil. Im Übrigen: Den Polizisten das letzte<br />
Beför<strong>der</strong>ungsdatum ans Revers zu heften ... das könnte in Brandenburg peinlich werden.<br />
Frau Wölk (Bund Deutscher Kriminalbeamter, Polizeioberkommissarin):<br />
Soweit mir bekannt ist, werden Namensschil<strong>der</strong>, gerade wenn es um den Einsatz bei<br />
Demonstrationen geht, höchstens von Polizistführern getragen. Diese wie<strong>der</strong>um begeben<br />
sich ganz selten zum Demonstrationszug; insofern weiß ich nicht, ob sie direkt<br />
angesprochen werden. Ich hatte schon mehrfach das Problem, dass ein gewaltbereiter<br />
Mensch nicht zur Kommunikation bereit war, son<strong>der</strong>n sich die Ohren zuhielt und<br />
laut „bla bla bla“ rief. Eine Kommunikation war da nicht möglich. Ich wüsste nicht,<br />
was eine Namens- o<strong>der</strong> Nummernkennzeichnung daran än<strong>der</strong>te. Der Mensch muss<br />
zur Kommunikation bereit sein, darauf kommt es an, sei es bei Demonstrationen o<strong>der</strong><br />
in an<strong>der</strong>en Situationen.<br />
Herr Schuster (Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei, Lan<strong>des</strong>bezirksvorsitzen<strong>der</strong>):<br />
Ich habe den Ausführungen meiner Kollegin nichts hinzuzufügen.<br />
Vorsitzende:<br />
Gibt es weitere Anfragen, Statements, Bemerkungen? - Das ist nicht <strong>der</strong> Fall. Ein<br />
Dankeschön an die Anzuhörenden, die uns mit ihrer Fach- und Sachkompetenz geholfen<br />
haben. Ich wünsche Ihnen einen schönen Heimweg. Vielen Dank!<br />
(Dieses <strong>Protokoll</strong> wurde durch Beschluss <strong>des</strong> <strong>Ausschusses</strong> gemäß § 83 Satz 3 GOLT in <strong>der</strong> 14. <strong>Sitzung</strong><br />
am 3. März 2011 bestätigt.)
<strong>Landtag</strong> Brandenburg P-AI 5/13-1 S. 55<br />
Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />
<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />
Anlagen<br />
Anlage 1: Stellungnahme Polizeipräsident Berlin, Hr. Glietsch<br />
Anlage 2: Stellungnahme LDA, Fr. Hartge<br />
Anlage 3: Stellungnahme Hochschule <strong>für</strong> Wirtschaft und Recht Berlin,<br />
Prof. Dr. Aden<br />
Anlage 4: Veröffentlichung in Dezemberausgabe <strong>der</strong> Zeitschrift „Die Polizei“,<br />
Prof. Dr. Aden<br />
Anlage 5: Präsentation (Prof. Dr. Aden)<br />
Anlage 6: Stellungnahme Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei, Hr. Schuster<br />
Anlage 7: Stellungnahme Deutsche Polizeigewerkschaft, Hr. Franke<br />
Anlage 8: Stellungnahme Bund Deutscher Kriminalbeamter, Fr. Wölk<br />
Anlage 9: Stellungnahme DeutscherAnwaltVerein, Fr. Dr. Sandkuhl<br />
Anlage 10: Stellungnahme Amnesty International, Fr. Lüke<br />
Anlage 11: Stellungnahme Humanistische Union, Fr. Heinrich<br />
Anlage 12: Stellungnahme Generalstaatsanwalt, Dr. Rautenberg
Der Polizeipräsident in Berlin<br />
Zentrale Serviceeinheit<br />
ZSE Org 3-04801<br />
Bearbeiterin: Schumann<br />
EINGEGANGEN<br />
A niz:Age 4<br />
2 1. JAN, 20111,AU<br />
Ertedigt:J_LULÄ"ItilV 4.,<br />
26.11.2010<br />
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Geschäftsanweisung ZSE Nr. 2/2009<br />
über<br />
das Tragen von Namensschil<strong>der</strong>n<br />
Diese Geschäftsanweisung gilt <strong>für</strong> die gesamte Polizeibehörde.<br />
1
1. Dienstkleidungsträger<br />
(1) Diese Geschäftsanweisung gilt <strong>für</strong> die Beschäftigten im Polizeivollzugsdienst, die<br />
Dienstkleidungsträgerinnen und Dienstkleidungsträger sind.<br />
(2) Die zur Senatsverwaltung <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> und Sport o<strong>der</strong> zu an<strong>der</strong>en Behörden<br />
abgeordneten Dienstkleidungsträgerinnen und Dienstkleidungsträger werden von<br />
den nachstehenden Regelungen nicht erfasst.<br />
2. Tragen <strong>des</strong> Namensschil<strong>des</strong> bzw. <strong>des</strong> Schil<strong>des</strong> mit <strong>der</strong> Dienstnummer<br />
(1) In <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen und bürgernahen Polizei <strong>der</strong> weltoffenen Bun<strong>des</strong>hauptstadt ist<br />
das Tragen von Namensschil<strong>der</strong>n zur Dienstkleidung heute eine von den<br />
Bürgerinnen und Bürgern sowie den Gästen unserer Stadt erwartete<br />
selbstverständliche Geste <strong>der</strong> Service-und Kundenorientierung.<br />
(2) Dienstkleidungsträgerinnen und Dienstkleidungsträger tragen sichtbar entwe<strong>der</strong><br />
ein Schild mit dem Familiennamen o<strong>der</strong> an <strong>des</strong>sen Stelle ein Schild mit einer<br />
fünfstelligen Dienstnummer, die nicht mit <strong>der</strong> Personalnummer identisch ist. Die<br />
Entscheidung, welches <strong>der</strong> beiden Schil<strong>der</strong> getragen wird, trifft die jeweilige<br />
Dienstkleidungsträgerin bzw. <strong>der</strong> jeweilige Dienstkleidungsträger. Die Regelungen<br />
über die individuelle Kennzeichnung von Beamtinnen und Beamten <strong>des</strong> SEK vom 8.<br />
Februar 2007 und 30. Mai 2008 bleiben unberührt.<br />
(3) Die in Absatz 2 genannten Schil<strong>der</strong> sind an <strong>der</strong> Allgemeinen Dienstkleidung an<br />
dem da<strong>für</strong> vorgesehenen Knöpfen unter den Klappen <strong>der</strong> Brusttaschen und bei den<br />
Diensthemden/-blusen an den vorhandenen Taschenknöpfen zu befestigen. Die<br />
Schil<strong>der</strong> sind auf <strong>der</strong> Seite <strong>des</strong> Schriftzugs POLIZEI bzw. beim Polohemd am Knopf<br />
<strong>der</strong> Stifttasche zu platzieren.<br />
(4) An den Artikeln <strong>der</strong> Son<strong>der</strong>bekleidung ist das den Namen bzw. die Dienstnummer<br />
tragende Schild (Klettschild) auf den vorgesehenen Flauschflächen zu befestigen.<br />
Dies gilt nicht <strong>für</strong> die in Nr. 4 Absatz 1 genannten Einsatzanzüge.<br />
(5) Die Verpflichtung zum Tragen eines <strong>der</strong> in Absatz 2 bis 4 genannten Schil<strong>der</strong><br />
besteht nicht, wenn <strong>der</strong> Bekleidungsartikel nach Absatz 4 nicht über die<br />
erfor<strong>der</strong>lichen Befestigungsmöglichkeiten verfügt.<br />
3. Anzahl und Ausgestaltung <strong>der</strong> Schil<strong>der</strong><br />
(1) Jede Dienstkleidungsträgerin und je<strong>der</strong> Dienstkleidungsträger erhält ein Schild in<br />
silberner Grundfarbe mit Lasche zum Anhängen, beschriftet mit dem Familiennamen,<br />
und ein Schild in silberner Grundfarbe mit Lasche zum Anhängen, beschriftet mit <strong>der</strong><br />
Dienstnummer.<br />
(2) Mit Ausnahme <strong>der</strong> in Nr. 4 Absatz 1 genannten Angehörigen <strong>der</strong> Einsatzeinheiten<br />
erhalten die Polizeidienstkräfte mit Son<strong>der</strong>bekleidung je ein Schild aus Gewebe mit<br />
Klettfläche auf <strong>der</strong> Rückseite, beschriftet mit dem Namen bzw. <strong>der</strong> Dienstnummer.<br />
4. Taktische Kennzeichnung an Einsatzanzügen<br />
An den Einsatzanzügen tragen die Angehörigen <strong>der</strong> Einsatzeinheiten eine taktische<br />
Rückenkennzeichnung, die die individuelle Zuordnung ermöglicht. Sie besteht aus<br />
einer fünfstelligen Buchstaben-/Ziffernkombination.<br />
2
5. Verwaltung und Vergabe <strong>der</strong> Dienstnummern<br />
(1) Die Generierung, Verwaltung und Vergabe <strong>der</strong> Dienstnummern erfolgt zentral<br />
über eine nicht öffentliche Datei bei <strong>der</strong> ZSE. Die Datei ist getrennt vom IPV-<br />
Verfahren zu führen.<br />
(2) Zugriff auf die Datei haben neben den in <strong>der</strong> Benutzerverwaltung tätigen<br />
Dienstkräften nur Bearbeiterinnen und Bearbeiter aus dem Lagezentrum PPr St LZ,<br />
den Beschwerde- o<strong>der</strong> Disziplinarbereichen sowie aus dem Bereich LKA 3<br />
(Amtsdelikte) aus dienstlich begründetem Anlass. Der Zugriff erfolgt über die Eingabe<br />
<strong>der</strong> gemeldeten Dienstnummer und eines individuellen Passwortes.<br />
6. Geltungsdauer<br />
Diese Geschäftsanweisung tritt am 01.01.2011 in Kraft. Sie tritt mit Ablauf <strong>des</strong><br />
31.12.2015 außer Kraft.<br />
7. Aufhebung <strong>der</strong> Geschäftsanweisung PPr Stab 01/2003<br />
Mit Inkrafttreten dieser Geschäftsanweisung tritt die GA PPr Stab 01/2003 über das<br />
freiwillige Tragen von Namensschil<strong>der</strong>n außer Kraft und ist aus den Sammlungen zu<br />
entfernen.<br />
Glietsch<br />
3
Ardiage<br />
Die Lan<strong>des</strong>beauftragte<br />
<strong>für</strong> den Datenschutz und<br />
<strong>für</strong> das Recht auf Akteneinsi<br />
Dagmar Hartge<br />
DRAPMBURG<br />
•■.„<br />
Schutz <strong>der</strong><br />
Porsönlichkoltsrechto<br />
9 Informationsfrollicit<br />
LDA 8bg. • Stahnsdorfer Damm 77 • Haus 2 • 14532 Kleinmachnow<br />
An die<br />
Vorsitzende <strong>des</strong> <strong>Ausschusses</strong> <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong><br />
im <strong>Landtag</strong> Brandenburg<br />
Frau Britta Stark, MdL<br />
Postfach 601064<br />
14410 Potsdam<br />
Datum: 19. Januar 2011<br />
Bearbeiter/in: Frau Schnorr<br />
Telefon: 033203 356-40<br />
Telefax: 033203 356-49<br />
Geschäftszeichen: Ha/110/10/918<br />
(bei Antwortschreiben bitte angeben)<br />
Öffentliche Anhörung <strong>des</strong> <strong>Ausschusses</strong> <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> zum Siebenten Gesetz zur Än<strong>der</strong>ung<br />
<strong>des</strong> Brandenburgischen Polizeigesetzes am 27. Januar 2011 im <strong>Landtag</strong><br />
Stellungnahme <strong>der</strong> LDA zum Siebenten Gesetz zur Än<strong>der</strong>ung <strong>des</strong> Brandenburgischen<br />
Polizeigesetzes<br />
Gesetzentwurf <strong>der</strong> CDU-Fraktion (Drs 5/1442)<br />
- Ihr E-Mail vom 5. Januar 2011<br />
Sehr geehrte Frau Stark,<br />
<strong>für</strong> die Übersendung <strong>des</strong> o. g. Gesetzentwurfs und <strong>der</strong> Fragen zur öffentlichen Anhörung am<br />
27. Januar 2011 bedanke ich mich.<br />
Als Anlage füge ich Ihnen meine Stellungnahme zu den Fragen 1.,2.,5.,6., 9., und 10. bei,<br />
die aus meiner Sicht eine datenschutzrechtliche Relevanz haben.<br />
Bitte geben Sie diese Stellungnahme auch an die Mitglie<strong>der</strong> Ihres <strong>Ausschusses</strong> weiter.<br />
Ich bin gerne bereit, nähere Erläuterungen im Ausschuss zu geben und mich den Fragen zu<br />
stellen.<br />
Mit freundlichen Grüßen<br />
2cV /7/Ci-4e_<br />
Dagmar Hartge<br />
1 Anlage<br />
Die Lan<strong>des</strong>beauftragte <strong>für</strong> den Datenschutz und <strong>für</strong> das Recht auf Akteneinsicht • Stahnsdorfer Damm 77 • 14532 Kleinmachnow<br />
Tel.: 033203/356-0 • Fax 033203/356-49 • E-Mail: Poststelle@LDA.Brandenburg.de • Internet: http://www.Ida.brandenburg.de<br />
Fingerprint: ODD7 0C8A 6550 8B73 2A53 EFEE AC85 7D66
Die Lan<strong>des</strong>beauftragte<br />
<strong>für</strong> den Datenschutz und<br />
<strong>für</strong> das Recht auf Akteneinsicht<br />
ORAhlintURG<br />
Dagmar Hartge<br />
Schulz <strong>der</strong><br />
• Persönfichkoitsrochto<br />
• Informationsfreiheit<br />
Anhörung <strong>des</strong> <strong>Ausschusses</strong> <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong><br />
<strong>des</strong> <strong>Landtag</strong>es Brandenburg<br />
am 27. Januar 2011<br />
Schriftliche Stellungnahme<br />
<strong>der</strong> Lan<strong>des</strong>beauftragten <strong>für</strong> den Datenschutz und <strong>für</strong> das Recht auf Akteneinsicht<br />
zum Siebenten Gesetz zur Än<strong>der</strong>ung <strong>des</strong> Brandenburgischen Polizeigesetzes<br />
- Gesetzentwurf <strong>der</strong> CDU-Fraktion (Drs. 5/1442) -<br />
Kleinmachnow, den 19. Januar 2011<br />
ce)-r2 gQ94e<br />
Dagmar Hartge<br />
Lan<strong>des</strong>beauftragte <strong>für</strong> den Datenschutz<br />
und <strong>für</strong> das Recht auf Akteneinsicht
2<br />
Zu den gestellten "Fragen an die Anzuhörenden" nehme ich wie folgt Stellung:<br />
zu 1. Welche Gründe sprechen <strong>für</strong> und welche gegen eine Kennzeichnungspflicht?<br />
Bei <strong>der</strong> Kennzeichnung eines Polizeivollzugsbediensteten durch ein Namensschild wird ein<br />
personenbezogenes Datum <strong>des</strong> Betroffenen äußerlich <strong>für</strong> Dritte wahrnehmbar gemacht. Datenschutzrechtlich<br />
betrachtet liegt in dieser Preisgabe <strong>des</strong> Namens bei <strong>der</strong> Dienstausübung<br />
eine Datenübermittlung an Stellen außerhalb <strong>des</strong> öffentlichen Bereichs. Da diese Kennzeichnung<br />
ohne bzw. unabhängig von <strong>der</strong> freiwilligen Zustimmung <strong>des</strong> Betroffenen erfolgen<br />
soll, liegt ein Eingriff in das nach Art. 2 Abs.1 i.V.m. Art 1 Abs1 GG und Artikel 11 <strong>der</strong> Lan<strong>des</strong>verfassung<br />
geschützte Persönlichkeitsrecht bzw. <strong>des</strong> Rechts auf Datenschutz vor. Dieses<br />
bestimmt, dass <strong>der</strong> Einzelne grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung<br />
seiner Daten bestimmen kann. Eine Einschränkung ist jedoch im überwiegenden Allgemeininteresse<br />
zulässig sofern <strong>der</strong> Gesetzgeber eine normenklare Regelung schafft und den<br />
Grundsatz <strong>der</strong> Verhältnismäßigkeit beachtet.<br />
Gegen die Kennzeichnungspflicht sprechen vor<strong>der</strong>gründig die Interessen <strong>der</strong> Betroffenen,<br />
bei Einsätzen über den Namen nicht persönlich identifizierbar zu sein. Der Lan<strong>des</strong>beauftragten<br />
sind Be<strong>für</strong>chtungen <strong>der</strong> Polizei bekannt, dass insbeson<strong>der</strong>e Beamte, die bei geschlossenen<br />
Einsätzen in Massen- und Großveranstaltungen ihren Dienst verrichten, Missbrauch und<br />
Gefährdung be<strong>für</strong>chten. Polizeikritische o<strong>der</strong> kriminelle Personen könnten willkürlich falsche<br />
Anschuldigungen gegen die Beamten erheben o<strong>der</strong> mit Hilfe weiterer öffentlich zugänglicher<br />
Informationen Privatanschriften ermitteln und die Polizeibeamten sowie Angehörige bedrohen<br />
und angreifen.<br />
Den Interessen <strong>der</strong> Betroffenen stehen jedoch überwiegende Allgemeininteressen an <strong>der</strong><br />
Kennzeichnung gegenüber. In einem mo<strong>der</strong>nen Rechtsstaat sollen sich Exekutivorgane und<br />
Bürger offen begegnen. Das Gewaltmonopol <strong>des</strong> Staates, das insbeson<strong>der</strong>e von Beamten<br />
mit Polizeibefugnissen sichtbar umgesetzt wird, sollte durch angemessene Transparenz und<br />
Überprüfbarkeit <strong>des</strong> Handelns ausgeglichen werden. Eine individuelle Kennzeichnung kann<br />
auch dazu beitragen, Amtsmissbrauch zu verhüten und im Falle von ungesetzlichen Übergriffen<br />
die Verantwortlichen schneller zu ermitteln und zur Rechenschaft zu ziehen. Gleichzeitig<br />
lassen sich auch falsche Anschuldigungen aufklären. Darüber hinaus wird ein sichtba-
3<br />
res Zeichen gesetzt, dass auch Polizeivollzugsbedienstete, die ihre Befugnisse in Großeinsätzen<br />
ausüben, eigenverantwortlich handeln.<br />
Einer verpflichtenden Kennzeichnung <strong>der</strong> Polizeivollzugsbediensteten mittels Namensschild<br />
und abgekürztem Dienstgrad wie Sie in § 9 Abs. 1 <strong>des</strong> Gesetzentwurfs vorgesehen ist, stehen<br />
grundsätzlich keine datenschutzrechtlichen Bedenken entgegen. Dies gilt sowohl bei<br />
Alltags- als auch Großeinsätzen in geschlossenen Einheiten. Das Namensschild sollte im<br />
Regelfall nur den Nachnamen <strong>des</strong> Beamten wie<strong>der</strong>geben. Im Falle von häufig vorkommenden<br />
Familiennamen (Müller, Schmidt, Fischer, Schnei<strong>der</strong> ect) halte ich es <strong>für</strong> zulässig, ggf.<br />
den auf den ersten Buchstaben abgekürzten Vornamen zusätzlich in das Namensschild zu<br />
übernehmen. Im Interesse <strong>der</strong> Normenklarheit, empfehle ich die Art <strong>der</strong> namentlichen Kennzeichnung<br />
im Polizeigesetz festzulegen.<br />
Die in § 9 Abs.1 S. 2 vorgesehene Möglichkeit, bei Einsätzen in geschlossenen Einheiten<br />
eine an<strong>der</strong>weitige Kennung (Pseudonymisierung im Sinne <strong>des</strong> § 3 Abs.3 Nr. 2 Bbg DSG)<br />
einzusetzen, ist datenschutzrechtlich vertretbar. Das insoweit eingeräumte Ermessen gewährleistet<br />
eine den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wahrende Einzelfallprüfung zum Schutz<br />
einzelner Polizeibediensteter o<strong>der</strong> Gruppen. Bestehen Sicherheitsbedenken, ist das Interesse<br />
<strong>des</strong> betroffenen Polizeibeamten, nicht gegenüber Dritten namentlich bekannt zu sein, im<br />
konkreten Fall mit dem Transparenzbedürfnis <strong>der</strong> von polizeilichen Maßnahmen Betroffenen<br />
abzuwägen. Um eine nachträgliche Identitätsfeststellung zu ermöglichen, muss durch entsprechende<br />
Zuordnungslisten sichergestellt sein, dass ein Polizeibediensteter identifiziert<br />
werden kann.<br />
zu 2. Welche Fälle sollten von <strong>der</strong> generellen namentlichen Kennzeichnungspflicht<br />
ausgenommen werden?<br />
Ausgenommen werden sollten Polizeibedienstete, <strong>der</strong>en dienstliche Tätigkeit notwendig<br />
durch die Bekanntgabe <strong>des</strong> Namens gefährdet würde (verdeckt arbeitende Ermittler) bzw.<br />
persönlich beson<strong>der</strong>s gefährdete Polizeibedienstete.
4<br />
zu 5. Welche Unterschiede sehen Sie zwischen Mitarbeitern <strong>der</strong> Polizei und Verwaltungsmitarbeitern,<br />
die mit vollem Namen bekannt sind (z.B. durch Türschil<strong>der</strong> und die<br />
Unterzeichnung von Schreiben)?<br />
Mitarbeiter <strong>der</strong> öffentlichen Verwaltung sind von den Bürgern über ihren Namen und ihr äußeres<br />
Erscheinungsbild und Gesichtszüge identifizierbar. Polizeibedienstete, die in geschlossenen<br />
Einheiten im Einsatz sind, tragen in <strong>der</strong> Regel äußerlich einheitliche Kleidung<br />
und Schutzhelme, die eine Identifizierung erschweren o<strong>der</strong> unmöglich machen. Darüber hinaus<br />
greifen mit Polizeibefugnissen ausgestattete Beamte vielfach in beson<strong>der</strong>er Weise in die<br />
Rechte Dritter ein (Durchsuchungen, Festnahmen, Gewahrsamsnahmen). Umso mehr ist<br />
eine Kontrollmöglichkeit <strong>des</strong> polizeilichen Handelns geboten.<br />
Auch hoheitlich handelnde Mitglie<strong>der</strong> von Staatsanwaltschaft und Justiz, die ggf. nach<br />
Diensthandlungen unberechtigten Nachstellungen ausgesetzt sein könnten, sind namentlich<br />
identifizierbar. Ihnen ist in Abwägung einer gewünschten effektiven rechtsstaatlichen Kontrolle<br />
und transparenten Justiz zuzumuten, dass ihre Persönlichkeitsrecht insoweit eingeschränkt<br />
wird.<br />
zu 6. Wie bewerten Sie die Kennzeichnungspflicht im Hinblick auf § 36 Beamtenstatusgesetz,<br />
wonach Beamtinnen und Beamte <strong>für</strong> die Rechtmäßigkeit ihrer dienstlichen<br />
Handlungen die volle persönliche Verantwortung tragen?<br />
Um die Rechtmäßigkeit dienstlicher Handlungen, <strong>für</strong> die Beamtinnen und Beamte die volle<br />
persönliche Verantwortung tragen, überprüfen zu können, bedarf es <strong>der</strong> konkreten Erkennbarkeit<br />
<strong>des</strong> Amtsträgers nach außen. Bei einer schuldhaften Dienstpflichtverletzung haften<br />
Beamtinnen und Beamte sowohl straf- und zivilrechtlich als auch disziplinarrechtlich und<br />
müssen <strong>des</strong>halb identifizierbar sein.<br />
zu 9. Wie bewerten Sie die Verwendung eines - ggf. wechselnden- Aliasnamens o<strong>der</strong><br />
einer Buchstaben- Nummern - Kombination?<br />
Für die datenschutzrechtliche Beurteilung spielt es keine Rolle, ob Aliasnamen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e<br />
Kennungen verwendet werden. Allerdings erhöht die Verwendung von Hun<strong>der</strong>ten von Aliasnamen<br />
die Gefahr von Fehlidentifikationen mit realen Namen. Eine Kennzeichnung mit Ali-
5<br />
asnamen müsste in <strong>der</strong> Öffentlichkeit bekannt sein, um Verwechslungen zu vermeiden. Aus<br />
praktischen Gründen scheint mir eine Kennung durch Buchstaben o<strong>der</strong> Nummern sinnvoller.<br />
Ein Pseudonym sollte aus gut sichtbaren Zahlen (max. 4- stellig) und/o<strong>der</strong> einprägsamen<br />
Buchstabenkombinationen o<strong>der</strong> Symbolen bestehen. Da bei Großeinsätzen Polizeibedienstete<br />
aus mehreren Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong>n zusammengezogen werden, empfehle ich eine Län<strong>der</strong>kennung<br />
hinzuzufügen.<br />
Da wechselnde Aliasnamen o<strong>der</strong> Kennungen jeweils neu in entsprechenden Zuordnungslisten<br />
festgehalten werden müssten, würden erhebliche Datenmengen anfallen. Aus Gründen<br />
<strong>der</strong> Datensparsamkeit rate ich davon ab. Sofern die Vergabe von Pseudonymen <strong>für</strong> jeden<br />
Einsatz neu erfolgt, sind Zuordnungslisten so lange aufzubewahren, wie es disziplinar- o<strong>der</strong><br />
strafrechtliche Ermittlungen erfor<strong>der</strong>n.<br />
zu 10. Wie bewerten Sie den Umstand, dass privatwirtschaftlich tätige Wachleute<br />
rechtlich verpflichtet sind, ein Namensschild zu tragen?<br />
Die Bekanntgabe <strong>des</strong> Namens bei Wachleuten privater Unternehmen, die quasi- hoheitlichen<br />
Sicherheitsaufgaben wahrnehmen, ist datenschutzrechtlich nicht zu beanstanden.
Prof. Dr. jur. Hartmut Aden<br />
Fall. bleich Polizei und ieltsinanagement<br />
Professur <strong>für</strong> Öffentliches Recht und Europarecht<br />
Alt-Friedrichsfelde 60<br />
10315 Berlin<br />
Tel. 030 9021-4344 o<strong>der</strong> 0228 976 83-72 Fax -73<br />
E-Mail: Hartmut. Aden@hwr-berlin . de<br />
Affiage 3<br />
Hochschule <strong>für</strong><br />
Wirtschaft und Recht Berlin<br />
Berlin School of Econornics and Law<br />
EINGEGANGEN<br />
4. JAN. 7U11),4/S<br />
Erledigt: 4' __2(:(V<br />
1)2v<br />
Stellungnahme anlässlich <strong>der</strong> Öffentlichen Anhörung<br />
<strong>des</strong> <strong>Ausschusses</strong> <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> zum<br />
Siebenten Gesetz zur Än<strong>der</strong>ung <strong>des</strong> Brandenburgischen Polizeigesetzes<br />
Gesetzentwurf <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> CDU<br />
Drucksache 5/1442<br />
Donnerstag, 27. Januar 2011, <strong>Landtag</strong> Brandenburg<br />
Teil 1: Empfehlungen und Literaturhinweis<br />
Ich empfehle dem <strong>Landtag</strong>, den vorliegenden Gesetzentwurf - eventuell mit kleineren Än<strong>der</strong>ungen<br />
(s. u.) – anzunehmen.<br />
Die Arbeit <strong>der</strong> Polizei in Deutschland ist in den zurückliegenden Jahren wesentlich professioneller<br />
geworden, getragen von einem verbesserten Niveau <strong>der</strong> Ausbildung und <strong>der</strong> Nutzung<br />
vielfältiger Professionalisierungsstrategien durch die Polizeipraxis. Eine gesetzliche Kennzeichnungsregelung<br />
ist ein wichtiger Schritt zur Verstärkung dieses Trends. Sie macht deutlich,<br />
dass Polizeibedienstete bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und Teil einer serviceorientierten<br />
und bürgerfreundlichen Institution sind. Bei Teilen <strong>der</strong> Bevölkerung verbliebenes<br />
Misstrauen, genährt von unangemessenen Verhaltensweisen einzelner Polizeibediensteter<br />
o<strong>der</strong> –einheiten in <strong>der</strong> Vergangenheit, kann so abgebaut werden. Für die (vergleichsweise<br />
wenigen) Fälle, in denen auch heute noch unangemessenes o<strong>der</strong> gar rechtswidriges Verhalten<br />
von Polizeibediensteten vorkommt, lassen die Vorgaben <strong>des</strong> Gesetzes erwarten, dass die Verursacher<br />
effektiver zur Verantwortung gezogen werden können als bisher.<br />
Werden anonyme Einsatzsituationen vermieden, so hat dies zugleich eine wichtige präventive<br />
Funktion, die auch die Polizeibediensteten selbst schützt: Müssen sie damit rechnen, dass sie<br />
<strong>für</strong> Fehlverhalten belangt werden, so steht zu erwarten, dass sie dieses von vornherein vermeiden,<br />
auch im Hinblick auf eventuelle disziplinar- o<strong>der</strong> strafrechtliche Konsequenzen.<br />
Nähere Erörterung <strong>der</strong> Vorzüge einer gesetzlichen Kennzeichnungsregelung (auch gegenüber<br />
behördeninternen Regelungen) unter Einbeziehung <strong>der</strong> Gesetzentwürfe in Brandenburg<br />
und Sachsen: Aden, Die Kennzeichnung von Polizeibediensteten, in: Die Polizei 2010 (Heft<br />
12), S. 347-352 (s. Anlage, Son<strong>der</strong>druck).<br />
1
Prof. Dr. jur. Hartmut Aden<br />
Hochschule <strong>für</strong><br />
'Wirtschaft und Recht Berlin<br />
Berlin School of Economics and Law<br />
Teil 2: Antworten zu den übersandten Fragen an die Anzuhörenden<br />
1. Welche Gründe sprechen <strong>für</strong> und welche gegen eine Kennzeichnungspflicht?<br />
Die Gründe, die <strong>für</strong> eine gesetzliche Kennzeichnungspflicht sprechen, überwiegen eindeutig.<br />
Es sei beson<strong>der</strong>s darauf hingewiesen, dass eine gesetzliche Regelung, wie sie <strong>der</strong> vorliegende<br />
Entwurf vorschlägt, einer Regelung per Dienstanweisung klar überlegen ist. Denn eine gesetzliche<br />
Regelung schafft eine stabile, normenklare Grundlage, auch im Hinblick auf das informationelle<br />
Selbstbestimmungsrecht <strong>der</strong> Bediensteten. Zudem macht sie deutlich, dass <strong>der</strong><br />
Gesetzgeber das Anliegen einer Polizeikennzeichnung hoch gewichtet und es sich keinesfalls<br />
um eine rein verwaltungsinterne Angelegenheit handelt.<br />
Zu den einzelnen Argumenten <strong>für</strong> und gegen die Kennzeichnungspflicht: s.o., Teil 1; nähere<br />
Auseinan<strong>der</strong>setzung mit den Gegenargumenten: s. Anlage: Aden, in: Die Polizei 2010 (Heft<br />
12).<br />
2. Welche Fälle sollten von <strong>der</strong> generellen namentlichen Kennzeichnungspflicht ausgenommen<br />
werden?<br />
Eine weit gefasste Ausnahmeregelung, wie sie <strong>der</strong> vorliegende Entwurf in § 9 Abs. 3 vorsieht,<br />
ist nicht zu empfehlen. Die Gefährdung <strong>des</strong> Zwecks <strong>der</strong> Amtshandlung ist als Anknüpfungspunkt<br />
<strong>für</strong> die Ausnahmeregelung zu unbestimmt. Hier sollte <strong>der</strong> vorliegende Entwurf<br />
nachgebessert werden. Wenn die namentliche Kennzeichnung durch ein Kennzeichen ersetzt<br />
werden kann, bleiben nur sehr wenige Fälle, in denen eine Kennzeichnung sachlogisch<br />
zweckwidrig wäre. Die gesetzlich geregelten Fälle <strong>des</strong> Einsatzes verdeckter Ermittler könnten<br />
explizit von <strong>der</strong> Kennzeichnungspflicht ausgenommen werden.<br />
3. Welche Erkenntnisse gibt es über die Gefährdung von Polizeibeamten und ihren Angehörigen<br />
aufgrund einer individuellen Kennzeichnung? Liegt statistisches Material<br />
zu Übergriffen vor?<br />
We<strong>der</strong> zu rechtswidrigen Übergriffen durch Polizeibedienstete auf Bürgerinnen und Bürger<br />
noch zu Übergriffen auf Polizeibedienstete liegen methodisch abgesicherte statistische Informationen<br />
vor.<br />
2
Prof. Dr. jur. Hartmut Aden<br />
Hochschule <strong>für</strong><br />
Wirtschaft und Recht Berlin<br />
Berlin School of Economics and Law<br />
Schell einet ntunentlidien KennLeielniung und einem<br />
Übergriff auf Polizeibedienstete o<strong>der</strong> ihre Familien erkennbar wurden, sind mir nicht bekannt.<br />
Gelegentlich wird <strong>der</strong> Fall eines hohen Berliner Polizeibeamten angeführt, <strong>der</strong> von<br />
Rechtsextremisten bedroht worden sein soll. Dieser Fall ist in<strong>des</strong> <strong>für</strong> die Diskussion <strong>der</strong><br />
Kennzeichnungspflicht kaum aussagekräftig, da es sich um einen Beamten handelt, <strong>der</strong> aufgrund<br />
seiner exponierten Stellung ohnehin regelmäßig in <strong>der</strong> Öffentlichkeit steht und auch<br />
überregional bekannt ist.<br />
Informationen über Fälle, in denen Einsatzkräfte <strong>des</strong> mittleren o<strong>der</strong> gehobenen Dienstes<br />
von Personen, gegen die sie dienstlich einschreiten mussten, privat unmittelbar bedroht<br />
o<strong>der</strong> sogar gefährdet worden sind, liegen mir nicht vor.<br />
Sollten in Zukunft solche Bedrohungsfälle auftreten, so erschiene es angemessen, bei Bediensteten,<br />
die entsprechend gefährdet sind, die namentliche Kennzeichnung durch ein an<strong>der</strong>es<br />
Kennzeichen zu ersetzen. Da<strong>für</strong> rege ich eine Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> in § 9 Abs. 1 vorgeschlagenen<br />
Formulierung an: Statt „beim Einsatz geschlossener Einheiten" würde die Formulierung<br />
„aufgrund einer durch tatsächliche Anhaltspunkte gestützten Gefährdungsanalyse" eine<br />
flexiblere Handhabung <strong>der</strong> alternativen Kennzeichnung ermöglichen. Aus meiner Sicht wäre<br />
es sogar denkbar, die Wahl zwischen Namensschild und Kennzeichen in das individuelle Entscheidungsermessen<br />
<strong>des</strong>/<strong>der</strong> betroffenen Bediensteten zu stellen.<br />
4. Welche Erfahrungen sind mit <strong>der</strong> Internetpräsenz <strong>der</strong> Revierpolizisten (Veröffentlichung<br />
mit Foto und vollem Namen) gemacht worden?<br />
S.o., Antwort zu Frage 3. Die Internetpräsenz vor allem führen<strong>der</strong> Polizeibediensteter ist<br />
ebenfalls ein Element einer serviceorientierten, bürgerfreundlichen Polizei. Eine solche Internetpräsenz<br />
erleichtert den Bürgerinnen und Bürgern das Auffinden <strong>der</strong> zuständigen und <strong>für</strong><br />
ihre Anliegen kompetenten Verwaltungsmitarbeiter. Über negative Erfahrungen, die hiermit<br />
eventuell gemacht worden sein könnten, liegen mir keine Informationen vor.<br />
3
Prof. Dr. jur. Hartmut Aden<br />
5. Welche Unix' schiede sehen Sie Lvvischen Pflitaib<br />
Hochschule <strong>für</strong><br />
Wirtschaft und Recht Berlin<br />
Berlin School of Econornics and Law<br />
1 1 1 '<br />
mitarbeitern, die mit vollem Namen bekannt sind (z. B. durch Türschil<strong>der</strong> und<br />
die Unterzeichnung von Schreiben)?<br />
Hier sehe ich keine Unterschiede, die es rechtfertigen könnten, Polizeibedienstete an<strong>der</strong>s zu<br />
behandeln als Mitarbeiter an<strong>der</strong>er Verwaltungen. Wo Polizeibedienstete überwiegend in einem<br />
festen Büro arbeiten o<strong>der</strong> Korrespondenz verfassen, ist die Nennung <strong>des</strong> Namens ohnehin<br />
üblich und teilweise auch rechtlich geboten. Dies gilt z. B. <strong>für</strong> Ermittlungsberichte in<br />
Straf- und Ordnungswidrigkeitsverfahren.<br />
6. Wie bewerten Sie die Kennzeichnungspflicht im Hinblick auf § 36 Beamtenstatusgesetz,<br />
wonach Beamtinnen und Beamte <strong>für</strong> die Rechtmäßigkeit ihrer dienstlichen<br />
Handlungen die volle persönliche Verantwortung tragen?<br />
Diese beamtenrechtliche Regelung ist Ausdruck eines Spannungsverhältnisses, in dem sich<br />
Berufsbeamte in einem demokratischen Rechtsstaat befinden. Einerseits sind sie weisungsgebunden.<br />
An<strong>der</strong>erseits darf Weisungsgebundenheit nicht mit „blindem Gehorsam" verwechselt<br />
werden. Vielmehr sind Beamtinnen und Beamte je<strong>der</strong>zeit auch selbst <strong>für</strong> die Rechtmäßigkeit<br />
ihres Handelns verantwortlich. Gegen rechtswidrige Anweisungen von Vorgesetzten steht ihnen<br />
die Remonstration zur Verfügung.<br />
Angesichts <strong>der</strong> weitgehenden Rechte <strong>der</strong> Polizeibediensteten als Repräsentanten <strong>des</strong> staatlichen<br />
Gewaltmonopols erscheint diese Eigenverantwortung gerade <strong>für</strong> den Polizeiberuf beson<strong>der</strong>s<br />
wichtig. Das in den letzten Jahrzehnten wesentlich höher gewordenen Ausbildungsniveau<br />
bei <strong>der</strong> Polizei folgt dem Leitbild <strong>des</strong> eigenverantwortlichen Handelns.<br />
Selbst in scheinbar beson<strong>der</strong>s weisungsgebundenen Einsatzsituationen, z. B. als Mitarbeiter<br />
einer geschlossenen Einheit bei einem Großeinsatz, verbleiben den einzelnen Bediensteten<br />
noch erhebliche Entscheidungsspielräume, die sie eigenverantwortlich ausfüllen können und<br />
müssen. So entscheidet z. B. bei <strong>der</strong> Auflösung einer Sitzblockade jede einzelne Beamtin und<br />
je<strong>der</strong> einzelne Beamte letztendlich selbst darüber, wie höflich o<strong>der</strong> unhöflich sie o<strong>der</strong> er die<br />
Betroffenen anspricht o<strong>der</strong> wie „hart" o<strong>der</strong> „sanft" er o<strong>der</strong> sie eine Zwangsmaßnahme ausführt.<br />
4
Prof. Dr. jur. Hartmut Aden<br />
7. Wie-bewerte<br />
Hochschule <strong>für</strong><br />
Wirtschaft und Recht Berlin<br />
Berlin School of Economics and Law<br />
blit..k auf den Eui upäist. len Ko-<br />
dex <strong>für</strong> Polizeiethik und die Standards <strong>des</strong> Europäischen Komitees zur Verhütung<br />
von Folter und unmenschlicher o<strong>der</strong> erniedrigen<strong>der</strong> Behandlung o<strong>der</strong> Strafe?<br />
Der im Jahr 2001 vom Ministerkomitee <strong>des</strong> Europarats verabschiedete Europäische Kodex<br />
<strong>für</strong> Polizeiethik betont, dass die öffentliche Hand „wirksame und unparteiische Beschwerdeverfahren<br />
gegen die Polizei einrichten" muss (Europarat, Ministerkomitee, Empfehlung Rec<br />
(2001)10 über den Europäischen Kodex <strong>für</strong> Polizeiethik, Ziffer VI 61). In Deutschland gibt<br />
es zwar grundsätzlich hinreichende gerichtliche Verfahren, mit denen Betroffene Verwaltungshandeln<br />
nachprüfen lassen können. Doch sind diese nur dann wirksam im Sinne <strong>des</strong> Polizeiethik-Kodexes,<br />
wenn zugleich Vorkehrungen getroffen werden, dass diese Verfahren<br />
nicht aus Mangel an nachprüfbaren Beweisen ins Leere laufen. Daher erfor<strong>der</strong>t die effektive<br />
Umsetzung <strong>des</strong> Kodexes die Kennzeichnung <strong>der</strong> Polizeibediensteten im Einsatz.<br />
8. Wo sollte das Namensschild angebracht werden (auf Vor<strong>der</strong>- und/o<strong>der</strong> Rückseite <strong>der</strong><br />
Uniform, Schulter, Helm)?<br />
Entscheidend ist, dass ein Namensschild o<strong>der</strong> Kennzeichen vom Gegenüber erkannt werden<br />
kann. Daher hängt die Art <strong>des</strong> Schil<strong>des</strong> von <strong>der</strong> Einsatzsituation ab. Während bei Mitarbeitern<br />
im Streifendienst ein Schild vorne an <strong>der</strong> Uniform ausreichen dürfte, erfor<strong>der</strong>t die beson<strong>der</strong>e<br />
Anonymität bei geschlossenen Einsätzen mit Einsatzanzügen und Helm eine hinreichend<br />
große Schrift sowohl am Einsatzanzug (am besten vorne und hinten) als auch am Helm. Die<br />
Einzelheiten <strong>der</strong> Ausgestaltung kann m. E. <strong>der</strong> Verwaltung überlassen bleiben. Das Gesetz<br />
sollte jedoch vorgeben, dass die Art <strong>der</strong> Kennzeichnung <strong>der</strong> Zielsetzung gerecht werden<br />
muss.<br />
9. Wie bewerten Sie die Verwendung eines - ggf. wechselnden - Aliasnamens o<strong>der</strong> einer<br />
Buchstaben-Nummern-Kombination?<br />
Ein häufiger Wechsel von Aliasnamen o<strong>der</strong> Buchstaben-Nummern-Kombination würde den<br />
Verwaltungsaufwand erhöhen, da <strong>für</strong> die sichere Identifizierung eine vollständige Dokumentation<br />
<strong>der</strong> zu einem bestimmten Zeitpunkt vergebenen Kennzeichen erfor<strong>der</strong>lich ist. Für einen<br />
häufigen Wechsel sehe ich keine Veranlassung.<br />
5
Prof. Dr. jur. Hartmut Aden<br />
Die gebe zliehe Re<br />
Hochschule <strong>für</strong><br />
Wirtschaft und Recht Berlin<br />
Berlin School of Economics and Law<br />
athenrund KelulLeielleu <strong>für</strong> daß G egunü<br />
leicht zu merken sind und bei Bedarf die sichere Identifizierung <strong>der</strong> handelnden Polizeibediensteten<br />
zulassen. Bei sehr häufig vorkommenden Namen (Müller, Meier, Schulze etc.)<br />
sollte daher zusätzlich <strong>der</strong> Vorname angegeben werden. Der Dienstgrad ist nicht erfor<strong>der</strong>lich.<br />
Gut informierte Personen können diesen an <strong>der</strong> Uniform identifizieren. Für weniger gut informierte<br />
Personen ist diese Information ohnehin wenig relevant.<br />
Nummern sollten so kurz sein, dass sie gut zu merken sind. Markante Buchstaben-Nummern-<br />
Kombinationen o<strong>der</strong> höchstens vierstellige Nummern erscheinen insofern angemessen.<br />
Für die nähere Ausgestaltung innerhalb dieses Rahmens kann <strong>der</strong> Verwaltung ein Spielraum<br />
überlassen werden.<br />
10. Wie bewerten Sie den Umstand, dass privatwirtschaftlich tätige Wachleute rechtlich<br />
verpflichtet sind, ein Namensschild zu tragen?<br />
Gemäß § 11 Abs. 4 <strong>der</strong> Bewachungsverordnung haben Wachpersonen, die Tätigkeiten mit<br />
hohem Öffentlichkeitsbezug ausüben (u. a. Kontrollgänge im öffentlichen Verkehrsraum,<br />
Schutz vor Ladendieben, Türsteher von Diskotheken) ein Schild mit ihrem Namen o<strong>der</strong> einer<br />
Kennnummer sowie mit dem Namen <strong>des</strong> Bewachungsunternehmers zu tragen.<br />
Diese Regelung hat sich nach meinem Kenntnisstand bewährt. Die Anwendungspraxis dieser<br />
Vorschrift hat keine Gefährdung <strong>der</strong> Bediensteten erkennen lassen.<br />
6
Ardeq, „,<br />
Hartmut Aden<br />
Die Kennzeichnung von Polizeibediensteten<br />
Son<strong>der</strong>druck aus:<br />
Die Polizei 2010 (101. Jg., Nr. 12), S. 347-352
Prof. Dr. Hartmut Aden, Berlin"<br />
Die Kennzeichnung von Polizeibediensteten<br />
In letzter Zeit wird in Deutschland wie<strong>der</strong> intensiv diskutiert,<br />
ob Polizeibedienstete dazu verpflichtet werden sollten, bei<br />
dienstlichen Einsätzen Namensschil<strong>der</strong> o<strong>der</strong> jedenfalls ein<br />
Kennzeichen zu tragen. Fälle, in denen unprofessionelle Verhaltensweisen<br />
o<strong>der</strong> gar Straftaten von Polizeibediensteten<br />
ohne Folgen blieben, weil die Verantwortlichen nicht identifiziert<br />
werden konnten, gaben in <strong>der</strong> Vergangenheit immer wie<strong>der</strong><br />
Anlass zu entsprechenden For<strong>der</strong>ungen. In Sachsen und<br />
Brandenburg wurden Gesetzentwürfe zu diesem Thema in<br />
die <strong>Landtag</strong>e eingebracht. In Berlin gibt es Bestrebungen <strong>für</strong><br />
eine verwaltungsinterne Lösung. Dieser Beitrag diskutiert diese<br />
verschiedenen Wege und zeigt, dass eine gesetzliche Regelung<br />
zu empfehlen ist. Erlegt dar, dass eine Kennzeichnungsregelung<br />
allein polizeiliches Fehlverhalten nicht verhin<strong>der</strong>n kann. Die<br />
Ursachen solchen Fehlverhaltens bedürfen größerer Aufmerksamkeit<br />
und daraus abgeleiteter Än<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Polizeikultur.<br />
1. Achsen <strong>der</strong> gegenwärtigen Kennzeichnungsdiskussion<br />
In Sachsen' und Brandenburg' haben Oppositionsfraktionen<br />
verschiedener politischer Provenienz Entwürfe <strong>für</strong> gesetzliche<br />
Regelungen vorgelegt, die eine Kennzeichnung von Polizeibediensteten<br />
im Einsatz verbindlich vorschreiben. In Berlin<br />
hat <strong>der</strong> Polizeipräsident sich <strong>für</strong> eine Kennzeichnungspflicht<br />
ausgesprochen. Sein Versuch einer hausinternen Lösung<br />
durch Erlass einer Geschäftsanweisung scheiterte<br />
allerdings bislang an <strong>der</strong> Personalvertretung, <strong>der</strong>en Mitbestimmung<br />
solche Verwaltungsvorschriften unterliegen.' In<br />
den meisten Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong>n haben die Polizeibediensteten<br />
die Möglichkeit, freiwillig ein Namensschild zu tragen,' zumeist<br />
unterstützt durch die Dienststellen, die zu den Uniformen<br />
passende Schil<strong>der</strong> bereitstellen.<br />
Amnesty International dokumentierte in einem im Sommer<br />
2010 veröffentlichten Bericht' erneut eine Reihe von Fäl-<br />
* Der Autor ist Professor <strong>für</strong> Öffentliches Recht und Europarecht an<br />
<strong>der</strong> Hochschule <strong>für</strong> Wirtschaft und Recht Berlin, Fachbereich Polizei<br />
und Sicherheitsmanagement. Dieser Beitrag basiert auf <strong>der</strong><br />
Stellungnahme, die <strong>der</strong> Verfasser am 19. 8.2010 anlässlich einer<br />
Anhörung <strong>des</strong> Innenausschusses <strong>des</strong> Sächsischen <strong>Landtag</strong>es zum<br />
Entwurf <strong>der</strong> Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen<br />
<strong>Landtag</strong> vom 12. 1.2010 <strong>für</strong> ein »Gesetz über die Keruizeichnungsund<br />
Ausweisungspflicht <strong>der</strong> Bediensteten <strong>der</strong> Polizei«, <strong>Landtag</strong>s-Drucksache<br />
5/1006, abgegeben hat. Der Verfasser dankt<br />
Herrn Assessor jur. KKA Christian Franzen und Frau Julia Boegel<br />
<strong>für</strong> Recherchen zur Vorbereitung dieses Beitrags.<br />
1 Entwurf <strong>der</strong> Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen<br />
<strong>Landtag</strong> vom 12. 1. 2010, a. a. 0.<br />
2 Entwurf <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> CDU im <strong>Landtag</strong> Brandenburg vom<br />
17. 6.2010 <strong>für</strong> ein »Siebentes Gesetz zur Än<strong>der</strong>ung <strong>des</strong> Brandenburgischen<br />
Polizeigesetzes«, <strong>Landtag</strong>s-Drucksache 5/1442.<br />
3 So z. B. die Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei Berlin: littp://www.gdp.de/<br />
gdp/gdpber.nsf/id/DE_Gesamtpersonalrat_GPR_lehnt_die von_<br />
Polizeipraesident_D ieter_Glietsch_gefor<strong>der</strong>te_Zwangskennzeichn<br />
(überprüft am 10. 9. 2010).<br />
4 So in Berlin aufgrund einer Geschäftsanweisung aus dem Jahr 2003<br />
<strong>für</strong> Dienstkleidungsträger.<br />
5 Amnesty Interrzational, Sektion <strong>der</strong> Bun<strong>des</strong>republik Deutschland<br />
e. V, Täter unbekannt: Mangelnde Aufklärung von mutmaßlichen<br />
Misshandlungen durch die Polizei in Deutschland, Bonn 2010; zuvor<br />
bereits: Amnesty International, Sektion <strong>der</strong> Bun<strong>des</strong>republik<br />
Deutschland e. V., Erneut im Fokus: Vorwürfe über polizeiliche<br />
Misshandlungen und den Einsatz unverhältnismäßiger Gewalt in<br />
Deutschland, Bonn 2004 (deutsche 'Übersetzung <strong>der</strong> vom internationalen<br />
Sekretariat von Amnesty International herausgegebenen<br />
Ausgabe).<br />
len aus den letzten Jahren, die zeigen, dass Fehlverhalten von<br />
Polizeibediensteten in einer relevanten Zahl von Fällen nur<br />
<strong>des</strong>halb nicht sanktioniert wird, weil eine festgestellte Tat keinem<br />
konkreten Beamten zugeordnet werden kann. Die For<strong>der</strong>ung<br />
nach einer Kennzeichnung <strong>der</strong> Polizeibediensteten<br />
im Einsatz zählt <strong>des</strong>halb zu den Schlussfolgerungen und<br />
Empfehlungen <strong>des</strong> Amnesty-Berichts. Weitere Organisationen,<br />
darunter <strong>der</strong> Deutsche Anwaltsverein, sprachen sich im<br />
Sommer 2010 <strong>für</strong> eine obligatorische Kennzeichnung aus.'<br />
2. Zielrichtung: Transparenz, Serviceorientierung, und<br />
hohes Verantwortungsniveau – auch <strong>für</strong> den Polizeidienst<br />
Verwaltungswissenschaftlich gesehen trägt Transparenz zu<br />
einer effizienteren Verwaltung bei. In Deutschland herrschte<br />
lange Zeit das Modell einer Geheimverwaltung vor. Nur die<br />
von einem Verwaltungsverfahren unmittelbar Betroffenen<br />
hatten Informationsansprüche. Aufgrund internationaler<br />
und europäischer Einflüsse hat sich dies in den letzten Jahren<br />
grundlegend gewandelt. Informationszugangsrechte ohne<br />
Nachweis eines konkreten rechtlichen Interesses wurden zunächst<br />
<strong>für</strong> die Umweltverwaltung, inzwischen <strong>für</strong> weite Teile<br />
<strong>der</strong> übrigen Verwaltungen Rechtswirklichkeit.' Für die betroffenen<br />
Dienststellen mag dies zunächst unbequem und<br />
aufwendig erscheinen. Die positiven Effekte sind aber unbestritten,<br />
Hierzu zählt auch <strong>der</strong> Umstand, dass Verwaltungsmitarbeiter<br />
unter Beobachtung einer größeren Öffentlichkeit<br />
zusätzliche Anreize haben, über ihr Auftreten, ihr Handeln<br />
und ihre Arbeitsergebnisse selbstkritisch nachzudenken.<br />
Für Sicherheitsbehörden gelten in puncto Transparenz<br />
weitreichende Ausnahmen, 8 und dies aus guten Gründen.<br />
Denn Sicherheitsbehörden verfügen nicht nur über beson<strong>der</strong>s<br />
sensible personenbezogene Daten. Vollständige Transparenz<br />
kann in bestimmten Situationen auch die Sicherheit<br />
gefährden. Dennoch kann <strong>der</strong> Trend zu einer transparenten<br />
Verwaltung vor <strong>der</strong> Polizei und an<strong>der</strong>en Sicherheitsbehörden<br />
nicht Halt machen. Denn nur ein geringer Teil <strong>der</strong> Informationen,<br />
die eine große Verwaltung wie die Polizei tagtäglich<br />
produziert, ist so »sensibel«, dass diese auf keinen Fall nach<br />
außen dringen dürfen. Gut organisierte Polizeibehörden nutzen<br />
längst das Internet <strong>für</strong> die Information <strong>der</strong> Öffentlichkeit,<br />
z. B, indem sie ihre Organisationsstrukturen transparent<br />
machen und es Außenstehenden erleichtern, die jeweils zuständigen<br />
Ansprechpartner zu finden und zu erreichen.'<br />
Auch das Tragen von Namensschil<strong>der</strong>n ist selbstverständliches<br />
Element einer mo<strong>der</strong>nen, serviceorientierten Organi-<br />
6 Deutscher Anwaltsverein (durch den Gefahrenabwehrrechtsausschuss),<br />
Stellungnahme zur For<strong>der</strong>ung einer Kennzeichnungspflicht<br />
<strong>für</strong> Polizeibedienstete, Berlin (DAV-Stellungnahme<br />
38/2010).<br />
7 Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong> vom 5. 9. 2005,<br />
BGBl. I, 2005, S. 2722; auch viele Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong> haben Informationsfreiheitsgesetze<br />
erlassen. Zur Entwicklung, auch rechtsvergleichend:<br />
Michael Kloepfer, Informationsrecht, München 2002,<br />
S. 400 ff.<br />
8 So in S 3 Nr. 1 und 2 IFG.<br />
9 Vgl. hierzu die unterschiedlich konzipierten Internetauftritte <strong>der</strong><br />
Lan<strong>des</strong>polizeien, die über das Portal www.polizei.de erreichbar<br />
sind.<br />
Heft 12/2010 347
sation, die die Bürgerinnen ünd Bürger nicht mehr in erster<br />
Linie als Adressaten von Anweisungen, son<strong>der</strong>n auch o<strong>der</strong><br />
sogar vorrangig als Nachfrager <strong>des</strong> öffentliches Gutes Sicherheit<br />
ansieht.<br />
Ein weiterer Aspekt kommt hinzu: In mo<strong>der</strong>nen Verwaltungen<br />
ist <strong>der</strong> einzelne Mitarbeiter nicht mehr nur ausführen<strong>des</strong><br />
Organ <strong>für</strong> Anweisungen einer anonymen Hierarchie.<br />
Vielmehr haben sich Ausbildung und Führungskonzepte<br />
dahin geän<strong>der</strong>t, dass die Bediensteten in ihren<br />
Zuständigkeitsbereichen weitgehend eigenständig und verantwortungsvoll<br />
entscheiden und handeln. Diese Entwicklung<br />
ist gerade <strong>für</strong> den Polizeiberuf mit <strong>der</strong> hohen Verantwortung<br />
<strong>für</strong> das Entscheiden im Einzelfall auf <strong>der</strong> Grundlage<br />
von Ermessensspielräumen von großer Bedeutung.<br />
Zwar tragen Polizeibeamte Uniformen, die ihrem Gegenüber<br />
deutlich machen, dass hier keine Privatperson, son<strong>der</strong>n<br />
ein staatlich legitimierter Hoheitsträger handelt.<br />
Doch entbindet die Uniformierung die einzelnen Polizeibediensteten<br />
nicht von <strong>der</strong> individuellen Verantwortung <strong>für</strong><br />
ihr Handeln. Selbst in Situationen, in denen geschlossene<br />
Einheiten aufgrund von bisweilen kleinteiligen Einsatzbefehlen<br />
arbeiten, bleiben den einzelnen Bediensteten in den<br />
Grenzen <strong>der</strong> konkreten Anweisung und <strong>der</strong> allgemeinen<br />
rechtlichen Regeln noch erhebliche Spielräume: Wie<br />
freundlich o<strong>der</strong> unfreundlich Polizeibedienstete auftreten,<br />
ob sie auf aggressives Verhalten gelassen o<strong>der</strong> mit Gegenaggression<br />
reagieren, wie »hart« o<strong>der</strong> »sanft« eine Zwangsmaßnahme,<br />
z. B. die Räumung einer Blockade, durchgeführt<br />
wird – dies sind Beispiele <strong>für</strong> eigenverantwortliche<br />
Entscheidungsspielräume, die den Polizeibediensteten auch<br />
in scheinbar detailliert reglementierten Einsatzsituationen<br />
verbleiben.<br />
Aufgrund dieser hohen Verantwortung erscheint es als logische<br />
Entwicklung, dass Polizeibedienstete den Bürgerinnen<br />
und Bürgern nicht mehr nur als anonymer Teil einer uniformierten<br />
Berufsgruppe gegenüber treten, son<strong>der</strong>n auch als verantwortlich<br />
handelnde Individuen. Das Tragen eines Namensschil<strong>des</strong><br />
ist damit logische Konsequenz aus dem gestiegenen<br />
Verantwortungsniveau.<br />
3. Prävention und Aufklärung von Fehlverhalten als<br />
Gründe <strong>für</strong> eine Kennzeichnung<br />
Die guten Gründe <strong>für</strong> eine stärkere Serviceorientierung auch<br />
von Sicherheitsbehörden rechtfertigen bereits <strong>für</strong> sich die<br />
Einführung einer gesetzlichen Kennzeichnungspflicht <strong>für</strong><br />
Polizeibedienstete.<br />
An<strong>der</strong>e min<strong>des</strong>tens ebenso wichtige Gründe kommen hinzu:<br />
Polizeibedienstete, die je<strong>der</strong>zeit identifizierbar sind – sei<br />
es durch ein Namensschild o<strong>der</strong> ein Kennzeichen – können<br />
sich nicht hinter <strong>der</strong> scheinbar anonymen Situation <strong>des</strong> Einsatzes<br />
in Gruppen o<strong>der</strong> geschlossenen Einheiten verstecken.<br />
Vielmehr ist ihnen so von vornherein klar, dass sie die Verantwortung<br />
<strong>für</strong> die Professionalität ihres Handelns übernehmen<br />
müssen. Überreaktionen auf Provokationen o<strong>der</strong> ungebührlich<br />
hartes Handeln zum Nachteil eines missliebigen polizeilichen<br />
Gegenübers können damit zwar nicht völlig ausgeschlossen<br />
werden. Sie werden aber wesentlich weniger wahrscheinlich,<br />
wenn die Handelnden damit rechnen müssen, <strong>für</strong><br />
die professionelle Angemessenheit ihres Verhaltens im Einsatz<br />
Rechenschaft ablegen und die Verantwortung übernehmen<br />
zu müssen.<br />
Die For<strong>der</strong>ung nach einer Kennzeichnung von Polizeibeamten<br />
im Einsatz ist nicht neu. Seit Jahrzehnten zählt sie regelmäßig<br />
zu den Schlussfolgerungen aus nicht aufzuklärenden<br />
Fällen polizeilichen Fehlverhaltens. t° So kam <strong>der</strong> Parlamentarische<br />
Untersuchungsausschuss in Hamburg, <strong>der</strong> sich<br />
in den 1990er Jahren mit einer Reihe von Fällen polizeilichen<br />
Fehlverhaltens beschäftigte, u. a. zu dem Ergebnis: »Zur<br />
Identifizierung eines Polizisten ist das Tragen von Namensschil<strong>der</strong>n<br />
wichtig. Durch Zahlen statt Namen sind be<strong>für</strong>chtete<br />
Racheakte gegen Polizisten auszuschließen.ell<br />
Kommt es trotz <strong>des</strong> hohen professionellen Niveaus, auf<br />
dem mo<strong>der</strong>ne Polizeiorganisationen heute arbeiten, zu Fehlern,<br />
durch die Außenstehende geschädigt werden, so zeichnet<br />
sich ein Rechtsstaat dadurch aus, dass er den Betroffenen<br />
effektive Rechtsschutzmöglichkeiten zur Verfügung stellt. In<br />
Deutschland hat dies durch die Rechtswegegarantie in<br />
Art. 19 Abs. 4 GG Verfassungsrang? Der im Jahr 2001 vom<br />
Ministerkomitee <strong>des</strong> Europarats verabschiedete Europäische<br />
Kodex <strong>für</strong> Polizeiethik betont, dass die öffentliche Hand<br />
»wirksame und unparteiische Beschwerdeverfahren gegen<br />
die Polizei einrichten« muss." In Deutschland gibt es zwar<br />
grundsätzlich hinreichende gerichtliche Verfahren, mit denen<br />
Betroffene Verwaltungshandeln nachprüfen lassen können.<br />
Doch sind diese nur dann wirksam im Sinne <strong>des</strong> Polizeiethik-Kodexes,<br />
wenn zugleich Vorkehrungen getroffen werden,<br />
dass diese Verfahren nicht aus Mangel an nachprüfbaren<br />
Beweisen ins Leere laufen. Daher erfor<strong>der</strong>t die effektive Umsetzung<br />
<strong>des</strong> Kodexes die Kennzeichnung <strong>der</strong> Polizeibediensteten<br />
im Einsatz.14<br />
Die von Amnesty International veröffentlichten Einzelfälle<br />
wecken Zweifel, ob die deutschen Polizeiorganisationen<br />
diesen Standard vollständig erfüllen. Ermittlungsverfahren<br />
wegen Körperverletzung im Amt (§, 340 StGB) werden beson<strong>der</strong>s<br />
oft eingestellt. So verhandelten Strafgerichte im Jahr<br />
2008 nur 94 Fälle nach dieser Vorschrift," während laut polizeilicher<br />
Kriminalstatistik in den zurückliegenden Jahren<br />
konstant jeweils mehr als 2.000 Ermittlungsverfahren wegen<br />
dieses Delikts eingeleitet wurden." Nur in einer kleinen Zahl<br />
<strong>der</strong> Fälle kommt es zu Verurteilungen." Diese Diskrepanz<br />
10 Z. B. Manfred Such, Namens- und Nummernschil<strong>der</strong> signalisieren<br />
kein Misstrauen gegen die Polizei!, in: Manfred Brusten (Hg.),<br />
Polizei-Politik, Kriminologisches Journal, Beiheft 4, 1992,<br />
S. 130-135; Zur Entwicklung <strong>der</strong> Diskussion: Otto Die<strong>der</strong>ichs,<br />
Never ending story: Kennzeichnung von Polizeibeamten, in Bürgerrechte'<br />
& Polizei/CILIP 94 (3/2009), S. 58-65; be<strong>für</strong>wortend<br />
auch: Andreas Greifeid, Persönliche Kennzeichnung von Polizeibeamten,<br />
in: Zeitschrift <strong>für</strong> Rechtspolitik 1982 (15 Jg., Nr. 12),<br />
S. 318-320.<br />
11 Bürgerschaft <strong>der</strong> Freien und Hansestadt Hamburg, Bericht <strong>des</strong><br />
Parlamentarischen Untersuchungsausschusses »Hamburger Polizei«,<br />
Bürgerschafts-Drs. 15/6200 vom <strong>13.</strong> 11. 1996, S. 1072.<br />
12 Zur Reichweite: Hans D. Jarass, in: <strong>der</strong>s./ Bodo Pieroth, Grundgesetz<br />
<strong>für</strong> die Bun<strong>des</strong>republik Deutschland. Kommentar, 10. Aufl.,<br />
München 2009, Art. 19 Rn. 32 ff.<br />
13 Europarat, Ministerkomitee, Empfehlung Rec (2001)10 über den<br />
Europäischen Kodex <strong>für</strong> Polizeiethik, Ziffer VI 61.<br />
14 Mit weiteren völkerrechtlichen Argumenten: Amnesty International,<br />
Bericht 2010, a. a. 0., S. 78 ff.<br />
15 Nähere Analyse bei: Tobias Singelnstein, Polizisten vor Gericht:<br />
Strafverfahren wegen Körperverletzung im Amt, in: Bürgerrechte<br />
& Polizei/CILIP 95 (1/2010), S. 55. Dieses Delikt kann nicht nur<br />
von Polizeibediensteten begangen werden; ein Teil <strong>der</strong> Fälle entfällt<br />
auf an<strong>der</strong>e Amtsträger wie z. B. Zollbeamte, Strafvollzugsbedienstete,<br />
Lehrer o<strong>der</strong> Erzieher.<br />
16 Die Polizeiliche Kriminalstatistik registriert 2.314 Ermittlungsverfahren<br />
nach § 340 StGB <strong>für</strong> das Jahr 2008, 2.288 <strong>für</strong> das Jahr<br />
2007, 2.127 <strong>für</strong> das Jahr 2000 und 2.105 <strong>für</strong> das Jahr 1999: Bun<strong>des</strong>kriminalamt,<br />
Polizeiliche Kriminalstatistik 2008, 'Wiesbaden<br />
2009, S. 209 und 2000, Wiesbaden 2001, S. 214.<br />
17 Ausführlicher hierzu: Tobias Singelnstein, Institutionalisierte<br />
Handlungsnormen bei den Staatsanwaltschaften im Umgang mit<br />
Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung im Amt gegen<br />
348 DIE POLIZEI
spiegelt einerseits den Umstand wi<strong>der</strong>, dass es Fälle gibt, in<br />
denen Außenstehende Polizeibedienstete unzutreffend einer<br />
Körperverletzung im Amt bezichtigen. Hinzu kommt aber<br />
eine problematische Gruppe von Sachverhalten, in denen<br />
bei den Ermittlungen objektiv festgestellt wird, dass ein polizeiliches<br />
Fehlverhalten vorgelegen hat. In manchen <strong>der</strong> von<br />
Amnesty International dokumentierten Fälle erhielten die<br />
Opfer sogar Entschädigungszahlungen. Zur Anklage kam es<br />
aber nicht, weil die konkret verantwortlichen Personen nicht<br />
ermittelt werden konnzen. 18 Die Kennzeichnung könnte jedenfalls<br />
dazu beitragen, die Zahl solcher nicht aufzuklärenden<br />
Fälle zu verringern. Eine im Auftrag <strong>der</strong> Berliner Polizei<br />
entstandene empirische Untersuchung anhand von Berliner<br />
Ermittlungsverfahren nach S 340 StGB aus den Jahren 2006<br />
bis 2008 kommt zu dem Ergebnis, dass eine Kennzeichnung<br />
immerhin bei 9 % <strong>der</strong> untersuchten Fälle die Ermittlungen<br />
erleichtert hätte,' 9 Dieser Anteil mag auf den ersten Blick gering<br />
erscheinen. Vor dem Hintergrund, dass auch die problematischen,<br />
nicht aufzuklärenden Fälle nur einen kleinen Anteil<br />
<strong>der</strong> Ermittlungsverfahren nach § 340 StGB ausmachen,<br />
stützt das Ergebnis die Erwartung, dass eine Kennzeichnungspflicht<br />
gerade in den Fällen die Ermittlungen erleichtert,<br />
in denen die Taten, nicht aber die Täter feststehen.<br />
Im Ergebnis dient eine Kennzeichnungspflicht auch den<br />
betroffenen Polizeibediensteten selbst, und das unter zwei<br />
Aspekten: Erstens werden sie so von unprofessionellem Verhalten<br />
abgehalten, das bei einer Überführung schwere dienstrechtliche<br />
Folgen haben kann. An<strong>der</strong>erseits erleichtert die<br />
Identifizierung <strong>der</strong> Beteiligten auch die Entlastung von unberechtigten<br />
Vorwürfen, etwa dadurch, dass umstehende Bedienstete<br />
leichter ermittelt und zu <strong>der</strong> betreffenden Situation<br />
befragt werden können. Beide Argumente gelten umso mehr<br />
<strong>des</strong>halb, weil viele Einsatzsituationen heute durch private<br />
Foto- o<strong>der</strong> Videoaufnahmen dokumentiert werden, die als<br />
be- o<strong>der</strong> entlasten<strong>des</strong> Beweismaterial bei <strong>der</strong> Aufklärung<br />
von Vorwürfen unrechtmäßigen Polizeihandelns herangezogenen<br />
werden können.<br />
Personalräte und Gewerkschaften haben den Einwand erhoben,<br />
eine Kennzeichnung stelle alle Polizeibediensteten<br />
unter den Generalverdacht unrechtmäßigen Handelns. In<br />
Anbetracht <strong>der</strong> Selbstverständlichkeit, mit <strong>der</strong> Bedienstete<br />
an<strong>der</strong>er Verwaltungen heute ihrem Publikum namentlich gegenüber<br />
treten, stehen in<strong>des</strong> Offenheit und Transparenz im<br />
Mittelpunkt <strong>des</strong> Interesses. Dass nur ein sehr geringer Teil<br />
<strong>der</strong> Polizeibediensteten zu unprofessionellem o<strong>der</strong> gar unrechtmäßigem<br />
Handeln neigt, steht dabei außer Frage. Ferner<br />
wurde die Sorge geäußert, Polizeibedienstete o<strong>der</strong> ihre Familien<br />
könnten Opfer gewaltsamer Racheakte werden, wenn ihr<br />
Name öffentlich bekannt wird Z° Wenn die Möglichkeit besteht,<br />
in Situationen, die als gefährlich eingeschätzt werden,<br />
das Namensschild durch ein Kennzeichen zu ersetzen, dürfte<br />
eine solche Gefahr nicht bestehen." Denn nur die Dienststel-<br />
Polizeivollzugsbeamte, in: Monatsschrift <strong>für</strong> Kriminologie und<br />
Strafrechtsreform 2003 (86. Jg., Nr. 1), S. 1-26 (7 ff.).<br />
18 Z. B. Amnesty International, Bericht 2010, a. a. 0., S. 76 und<br />
S. 78.<br />
19 Klaus Rogall, Zur Frage <strong>der</strong> Einführung einer individuellen Kennzeichnungspflicht<br />
bei uniformierten Polizeibediensteten, Gutachten,<br />
unveröffentlichtes Typoskript, Berlin 2008, S. 128 et passim.<br />
20 Z. B. Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei a. a. 0.<br />
21 So auch Bürgerschaft <strong>der</strong> Freien und Hansestadt Hamburg, Bericht<br />
<strong>des</strong> Parlamentarischen Untersuchungsausschusses »Hamburger<br />
0.<br />
le verfügt über die zusätzlichen Informationen die eine eindeutige<br />
Zuordnung <strong>des</strong> Kennzeichens zu einer bestimmten<br />
Person ermöglichen. Dort wo Polizeibedienstete freiwillig<br />
Namensschil<strong>der</strong> tragen, sind Racheakte zudem bisher nicht<br />
bekannt geworden.<br />
4. Kennzeichnung – freiwillig o<strong>der</strong> als Pflicht?<br />
Seit den 1970er Jahren stand die Kennzeichnung von Polizeibediensteten<br />
in verschiedenen Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong>n immer wie<strong>der</strong><br />
auf <strong>der</strong> Tagesordnung?' Drei Varianten werden diskutiert:<br />
Das freiwillige Tragen von Namensschil<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> Kennzeichen,<br />
eine behördeninterne Verpflichtung hierzu und eine gesetzliche<br />
Regelung.<br />
4.1 Freiwilliges Tragen von Namensschil<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> Kennzeichen<br />
Die freiwillige Variante hätte den Vorzug, dass sie den einzelnen<br />
Bediensteten als verantwortlich handeln<strong>des</strong> Individuum<br />
beson<strong>der</strong>s ernst nimmt. Dort wo diese Möglichkeit bereits<br />
besteht, zeigen die Erfahrungen in<strong>des</strong>, dass in erster Linie<br />
die ohnehin beson<strong>der</strong>s engagiert und verantwortungsvoll<br />
handelnden Polizeibediensteten im Interesse einer besseren<br />
Kommunikation gerne von dieser Möglichkeit Gebrauch<br />
machen. Die eigentlich problematischen Fälle, <strong>für</strong> die eine<br />
Kennzeichnung gefor<strong>der</strong>t wird, bleiben aber außen vor: Die<br />
beson<strong>der</strong>s konfliktträchtigen Einsätze bei Versammlungen<br />
o<strong>der</strong> größeren Veranstaltungen, bei denen geschlossene Einheiten<br />
tätig sind. Gerade Bedienstete, die ein negatives Bild<br />
ihres Gegenübers mitbringen, z. B. aufgrund von unangenehmen<br />
Erfahrungen bei früheren Einsätzen, werden hier kaum<br />
mit einer freiwilligen Kennzeichnung auftreten. Die relative<br />
Anonymität solcher Einsatzsituationen begünstigt Regelverletzungen<br />
und unprofessionelles Verhalten sowie die Überreaktion<br />
auf Provokationen. Eine freiwillige Kennzeichnungslösung<br />
kann die von Amnesty International und an<strong>der</strong>en aufgezeigten<br />
Probleme daher nicht lösen.<br />
4,2 Verpflichtung durch Dienstanweisung<br />
Die zweite Variante besteht in einer Verpflichtung zum Tragen<br />
von Namen o<strong>der</strong> Kennzeichen durch Dienstanweisung<br />
o<strong>der</strong> Dienstvereinbarung. Hier ist das Personalvertretungsrecht<br />
anwendbar. Die Regelungen unterliegen <strong>der</strong> Mitbestimmung.23<br />
Damit haben die Personalvertretungen es in <strong>der</strong><br />
Hand, die bei einem Teil <strong>der</strong> Bediensteten wenig beliebte<br />
Kennzeichnung zu verhin<strong>der</strong>n.<br />
Nicht nur diese faktische Vetoposition <strong>der</strong> Personalvertretung<br />
spricht in<strong>des</strong> gegen eine Verpflichtung per Dienstanweisung.<br />
Gewichtige rechtliche Argumente kommen hinzu: Legt<br />
<strong>der</strong> Dienstherr einem Beamten die Pflicht auf, seine personenbezogenen<br />
Daten öffentlich zu machen, so greift er in<br />
das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein. Egal<br />
ob Name o<strong>der</strong> Kennziffer – aus <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong> betroffenen<br />
Beamten handelt es sich um personenbezogene Daten.<br />
Nach <strong>der</strong> Legaldefinition <strong>des</strong> § 3 Abs. 1 BDSG sind personenbezogene<br />
Daten Einzelangaben über persönliche o<strong>der</strong><br />
sachliche Verhältnisse einer bestimmten o<strong>der</strong> bestimmbaren<br />
22 Überblick bei Die<strong>der</strong>ichs, a. a. 0.<br />
23 Dienstanweisungen zur Kennzeichnung dürften Regelungen »<strong>der</strong><br />
Ordnung in <strong>der</strong> Dienststelle und <strong>des</strong> Verhaltens <strong>der</strong> Beschäftigten«<br />
sein, die gemäß 5 75 Abs. 3 Nr. 13 Bun<strong>des</strong>personalvertretungsgesetz<br />
<strong>der</strong> Mitbestimmung unterliegen. Wo auch explizit<br />
die »Trageordnungen <strong>für</strong> Dienstkleidung« als mitbestimmungsbedürftig<br />
aufgeführt sind, dürfte diese Regelung einschlägig sein,<br />
so § 87 Abs. 2 Nr. 7 Personalvertretungsgesetz Berlin.<br />
Heft 12/2010 349
natürlichen Person. Der Name ist somit per se personenbezogenes<br />
Datum, ein Kennzeichen führt dazu, dass die Person<br />
<strong>für</strong> diejenigen bestimmbar ist, die über den Zuordnungsschlüssel<br />
<strong>des</strong> Kennzeichens zu einer bestimmten Person verfügen."<br />
Welche Anfor<strong>der</strong>ungen an rechtliche Regelungen zu stellen<br />
sind, die einen solchen Eingriff legitimieren, ist nicht abschließend<br />
geklärt. in den 1990er Jahren hat das Verwaltungsgericht<br />
Frankfurt/Main eine Regelung <strong>für</strong> rechtmäßig gehalten,<br />
die Beamtinnen und Beamte <strong>der</strong> hessischen Schutz-, Bereitschafts-<br />
und Wasserschutzpolizei per Erlass verpflichtete,<br />
Namensschil<strong>der</strong> an <strong>der</strong> Dienstkleidung zu tragen, Dieser Erlass<br />
räumte den einzelnen Bediensteten aber ein Recht ein,<br />
das Namensschild in Gefährdungssituationen in eigener Verantwortung<br />
abzulegen. Als Rechtsgrundlage <strong>für</strong> diese verwaltungsinterne<br />
Regelung hielt das VG Frankfurt/Main seinerzeit<br />
die allgemeinen beamtenrechtlichen Bestimmungen<br />
<strong>für</strong> ausreichend, denen zufolge Beamte verpflichtet sind, die<br />
Anordnungen ihrer Vorgesetzten auszuführen und sie die<br />
volle persönliche Verantwortung <strong>für</strong> die Rechtmäßigkeit ihrer<br />
dienstlichen Handlungen tragen. 25 Das Oberverwaltungsgericht<br />
Rheinland-Pfalz hat im Jahr 2007 die Klage eines Bibliotheksmitarbeiters<br />
abgewiesen, <strong>der</strong> nicht mit <strong>der</strong> Veröffentlichung<br />
seines Namens und seiner dienstlichen Kontaktdaten<br />
im Internetauftritt <strong>der</strong> Bibliothek einverstanden war.<br />
Das OVG stellte einen Eingriff in das Recht auf informationelle<br />
Selbstbestimmung <strong>des</strong> betroffenen Mitarbeiters fest.<br />
Dieser Eingriff sei aber durch die Regelungen <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>beamtengesetzes<br />
und <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>datenschutzgesetzes zur Erhebung<br />
von Mitarbeiterdaten und zu <strong>der</strong>en Übermittlung an<br />
nicht-öffentliche Stellen hinreichend legitimiert.25<br />
Nach <strong>der</strong> Rechtsprechung <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>verfassungsgerichts<br />
bedürfen Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung<br />
einer hinreichend bestimmten gesetzlichen<br />
Grundlage. Anlass, Zweck und Grenzen <strong>des</strong> Eingriffs müssen<br />
in <strong>der</strong> Ermächtigung bereichsspezifisch, präzise und normenklar<br />
festgelegt werden." Daher ist zweifelhaft, ob die allgemeinen<br />
Klauseln in den Beamtengesetzen, nach denen <strong>der</strong><br />
Dienstherr den Beamten Anweisungen erteilen o<strong>der</strong> mit ihren<br />
personenbezogenen Daten umgehen darf, eine Kennzeichnungspflicht<br />
<strong>für</strong> Polizeibeamte hinreichend legitimieren.<br />
Eine Regelung per Dienstanweisung ist folglich nicht<br />
empfehlenswert.<br />
4.3 Verpflichtung durch Gesetz<br />
Die gesetzliche Lösung, wie sie in Sachsen und Brandenburg<br />
vorgeschlagen worden ist, hat somit wichtige Vorteile. Sie<br />
schafft eine hinreichend normenklare und bestimmte Rechtsgrundlage<br />
<strong>für</strong> den Eingriff in das Recht auf informationelle<br />
Selbstbestimmung <strong>der</strong>jenigen, die sich nicht <strong>für</strong> eine freiwillige<br />
Kennzeichnung entscheiden mögen. Min<strong>des</strong>tens ebenso<br />
gewichtig dürfte <strong>der</strong> Vorteil sein, dass die Kennzeichnung auf<br />
gesetzlicher Grundlage wesentlich stärker demokratisch legi-<br />
24 Vgl. auch Thilo Weichem, Kommentierung zu S 3, in: Wolfgang<br />
• Därtbler/ Thomas Klebe/ Peter Wedde/ Thilo Weichen, Bun<strong>des</strong>datenschutzgesetz,<br />
3. Aufl., Frankfurt/Main 2010.<br />
25 §§, 70, 71 Hessisches Beamtengesetz (entspricht 55 55, 60 Bun<strong>des</strong>beamtengesetz;<br />
21, 22 Lan<strong>des</strong>beamtengesetz Berlin); VG<br />
Frankfurt/Main, Urteil vom 10. 6. 1996, Az. 9 E 873/95, JMB1.<br />
Hessen 1996, S. 407 (410).<br />
26 OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 10. 9. 2008, Az. 2 A<br />
10413/07.OVG, Recht im Amt 2008, 5. 78.<br />
27 Ständige Rechtsprechung, z. B. BVerfG, Beschluss <strong>der</strong> 2. Kammer<br />
<strong>des</strong> Zweiten Senats vom 11. 8. 2009, Az. 2 BvR 941/08.<br />
timiert ist als eine verwaltungsinterne Anweisung. Die entscheidenden<br />
Abgeordneten können so unterstreichen, dass<br />
ihnen eine mo<strong>der</strong>ne, professionell, rechtsstaatlich und serviceorientiert<br />
arbeitende Polizei ein wichtiges Anliegen ist.<br />
Zugleich übernehmen sie gegenüber den Bediensteten, die einer<br />
Kennzeichnungspflicht mit Skepsis o<strong>der</strong> Sorgen gegenüber<br />
stehen, die politische Verantwortung <strong>für</strong> diese Maßnahme<br />
zur Stärkung von Transparenz und verantwortlichem<br />
Handeln.<br />
5. Eckpunkte einer gesetzlichen Kennzeichnungspflicht:<br />
Die Entwürfe in Sachsen und Brandenburg<br />
Der sächsische Gesetzentwurf schlägt vor, die Kennzeichnungspflicht<br />
als Ergänzung in § 8 <strong>des</strong> Polizeigesetzes <strong>des</strong><br />
Freistaates Sachsen (SächsPolG) einzufügen, <strong>der</strong> bisher <strong>für</strong><br />
Angehörige <strong>der</strong> Polizei die Pflicht regelt, sich auf Verlangen<br />
gegenüber den von <strong>der</strong> Diensthandlung Betroffenen mit ihrem<br />
Dienstausweis zu legitimieren. Der Gesetzentwurf<br />
schlägt die Umbenennung dieses Paragraphen von »Ausweispflicht«<br />
in »Kennzeichnungs- und Ausweisungspflicht« vor.<br />
Der Titel »Kennzeichnungs- und Ausweispflicht« o<strong>der</strong><br />
»Kennzeichnungs- und Legitimationspflicht« wäre sicherlich<br />
aufgrund <strong>der</strong> begrifflichen Verwechslungsgefahr mit<br />
dem auslän<strong>der</strong>rechtlichen Ausweisungsbegriff empfehlenswerter.<br />
Inhaltlich wird § 8 nach dem Entwurf um folgende<br />
Formulierungen ergänzt:<br />
»Angehörige <strong>der</strong> Polizei tragen bei Diensthandlungen ein<br />
deutlich sichtbares Namensschild mit Dienstgrad. Das Namensschild<br />
kann beim Einsatz geschlossener Einheiten durch<br />
eine zur nachträglichen Identitätsfeststellung geeignete<br />
Kennzeichnung ersetzt werden, «<br />
Die Möglichkeit, das Namensschild durch eine an<strong>der</strong>e individuelle<br />
Kennzeichnung (Kennziffer o. ä.) zu ersetzten,<br />
könnte auch weiter gefasst und stärker in das Ermessen <strong>der</strong><br />
.einzelnen Bediensteten gestellt werden, Eine Kennzeichnungsregelung,<br />
die sich nicht nur auf die uniformierte<br />
Schutzpolizei und auf Einsatzkräfte bei Versammlungen<br />
und größeren Veranstaltungen bezieht, sollte hier weitere typische<br />
Gefährdungssituationen berücksichtigen: Auch bei<br />
Einsätzen in bestimmten kriminellen Milieus, die nicht von<br />
geschlossenen Einheiten durchgeführt werden, kann es im<br />
Interesse <strong>der</strong> Eigensicherung <strong>der</strong> eingesetzten Bediensteten<br />
angeraten sein, statt <strong>der</strong> namentlichen die alternative Kennzeichnung<br />
zu wählen. Die Wahl zwischen beiden Varianten<br />
könnte durchaus <strong>der</strong> individuellen Sicherheitseinschätzung<br />
<strong>der</strong> Bediensteten überlassen werden.<br />
Die <strong>für</strong> die Ausweispflicht geltende Ausnahmeklausel <strong>für</strong><br />
beson<strong>der</strong>e Umstände, die es ausnahmsweise rechtfertigen,<br />
den Ausweis nicht vorzuzeigen, wird nach dem sächsischen<br />
Vorschlag <strong>für</strong> die Ausweis- und Kennzeichnungspflicht gleichermaßen<br />
wie folgt gefasst: »Die Kennzeichnungs- und Ausweisungspflicht<br />
gilt nicht, wenn im Einzelfall <strong>der</strong> Zweck <strong>der</strong><br />
Maßnahme o<strong>der</strong> Leib, Leben o<strong>der</strong> Freiheit einer Person unmittelbar<br />
gefährdet würden. Diese Ausnahmen sind jeweils<br />
zu begründen und aktenkundig zu machen, Das Sächsische<br />
Staatsministerium <strong>des</strong> Innern wird ermächtigt, das Nähere<br />
durch Rechtsverordnung nach Anhörung <strong>des</strong> Sächsischen Datenschutzbeauftragten<br />
zu regeln.«<br />
Bei <strong>der</strong> oben skizzierten Variante, die die Wahlmöglichkeit<br />
zwischen Namen und alternativem Kennzeichen erweitert,<br />
wäre die in § 8 Abs. 2 <strong>der</strong> Entwurfsfassung vorgesehene Ausnahmeklausel<br />
nur noch <strong>für</strong> wenige Son<strong>der</strong>situationen relevant.<br />
Hiervon dürfte sachlogisch <strong>der</strong> Einsatz verdeckter Ermittler<br />
(5 41 SächsPolG) erfasst sein. Auch beson<strong>der</strong>e Gefah-<br />
350 DIE POLIZEI
ensituationen, in denen eine spezielle Schutzausrüstung<br />
getragen. werden muss (Gefahrstoff-Schutzanzüge, Atemschutzmasken<br />
o. ä.) dürften erfasst sein. Die vorgeschlagene<br />
Begründungs- und Dokumentationspflicht stellt hinreichend<br />
sicher, dass von dieser Ausnahmeklausel nicht über Gebühr<br />
Gebrauch gemacht wird. Die Dienststellen können dieser<br />
Pflicht im Rahmen <strong>der</strong> schriftlichen Einsatzplanung nachkommen.<br />
Ein nennenswerter zusätzlicher Verwaltungsaufwand<br />
entsteht daher durch die Begründungs- und Dokumentationspflicht<br />
nicht.<br />
Der brandenburgische Gesetzentwurf wählt einen ähnlichen<br />
Ansatz, indem er die Kennzeichnungspflicht in den Paragraphen<br />
<strong>des</strong> Polizeigesetzes integriert, <strong>der</strong> in Brandenburg<br />
als Legitimationspflicht bezeichnet wird. Die Entwurfsformulierungen<br />
gleichen den sächsischen. Für den Einsatz geschlossener<br />
Einheiten eröffnet auch dieser Entwurf die Option<br />
einer die nachträgliche Identifizierung ermöglichenden<br />
Kennzeichnung.<br />
Sachsen<br />
Brandenburg<br />
Einbringende Bündnis 90/ CDU<br />
Fraktion<br />
Die Grünen<br />
Einbringung <strong>Landtag</strong>s-Druck- <strong>Landtag</strong>s-Drucksache<br />
5/1006 vom sache 5/1442 vom<br />
12. Januar 2010 17. Juni 2010<br />
Einfügungsstelle Bisherige Rege- Bisherige Regeim<br />
Polizeigesetz lung zur Ausweis- hing zur Legitimapflicht<br />
tionspflicht (5 9<br />
(§ 8 SächsPolG) BbgPolG)<br />
Bezeichnung <strong>der</strong> Angehörige <strong>der</strong> Polizeivollzugsbeerfassten<br />
Gruppe Polizei dienstete<br />
Inhalt <strong>der</strong> Kenn- Tragen eines dem- Tragen eines demzeichnungspflicht<br />
lich sichtbaren lieh sichtbaren<br />
Namensschil<strong>des</strong> Namensschil<strong>des</strong><br />
mit Dienstgrad bei mit Dienstgrad bei<br />
Diensthandlungen Amtshandlungen<br />
Alternative Verwendung einer Verwendung einer<br />
Kennzeichnung zur nachträglichen zur nachträglichen<br />
Identitätsfeststel- Identitätsfeststellung<br />
geeigneten lung geeigneten<br />
Kennzeichnung Kennzeichnung<br />
beim Einsatz ge- beim Einsatz geschlossener<br />
Ein- schlossener Einheiten<br />
heizen<br />
Ausnahmen von Wenn <strong>der</strong> Zweck Soweit <strong>der</strong> Zweck<br />
<strong>der</strong> Kennzeich- <strong>der</strong> Maßnahme <strong>der</strong> Amtshandlung<br />
nungs- und Aus- o<strong>der</strong> Leib, Leben beeinträchtigt<br />
weispflicht o<strong>der</strong> Freiheit einer würde.<br />
Person im Einzelfall<br />
unmittelbar<br />
gefährdet würden;<br />
Begründungs- und<br />
Dokumentationspflicht<br />
Verordnungser- Ermächtigung <strong>für</strong> Ermächtigung <strong>für</strong><br />
mächtigung zur das Sächsische das Lan<strong>des</strong>minisweiteren<br />
Konkre- Staatsministerium terium <strong>des</strong> Innern<br />
tisierung <strong>des</strong> Innern nach nach Anhörung<br />
Anhörung <strong>des</strong> <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>beauf-<br />
Sächsischen Da- tragten <strong>für</strong> Datentenschutzbeauf-<br />
schutz und das<br />
tragten.<br />
Recht auf Akteneinsicht<br />
Abbildung: Gesetzentwürfe Brandenburg und Sachsen im<br />
Vergleich<br />
Die Ausnahmemöglichkeit <strong>für</strong> den Fall, dass <strong>der</strong> »Zweck <strong>der</strong><br />
Amtshandlung [...] beeinträchtigt wird«, ist in dem brandenburgischen<br />
Entwurf weiter gefasst als in dem sächsischen.<br />
Diese Klausel sollte so präzisiert werden, dass sie nicht zu<br />
viele »Hintertüren« öffnet, die es ermöglichen, die Zielsetzungen<br />
<strong>der</strong> gesetzlichen Kennzeichnungspflicht zu umgehen.<br />
Die in beiden Entwürfen vorgesehene Angabe <strong>des</strong> Dienstgra<strong>des</strong><br />
erscheint zum Erreichen <strong>des</strong> Gesetzeszwecks nicht erfor<strong>der</strong>lich<br />
und könnte daher entfallen. Einschlägig informierte<br />
Adressaten können den Dienstgrad an <strong>der</strong> Uniform ablesen;<br />
<strong>für</strong> weniger informierte Personen dürfte diese Information<br />
ohnehin wenig aufschlussreich sein.<br />
6. Eine Kennzeichnungspflicht allein löst nicht alle Probleme<br />
Die Kennzeichnungspflicht kann dazu beitragen, Polizeibedienstete<br />
von unprofessionellem o<strong>der</strong> unrechtmäßigem Handeln<br />
abzuhalten, weil sie damit rechnen müssen, dass ihr<br />
Fehlverhalten geahndet wird, Es wäre in<strong>des</strong> verfehlt anzunehmen,<br />
dass allein durch diese Maßnahme Fälle von unrechtmäßigem<br />
polizeilichem Handeln, exzessiver Gewaltanwendung<br />
etc. völlig verhin<strong>der</strong>t werden könnten.<br />
An<strong>der</strong>e Maßnahmen müssen hinzukommen. Ein wichtiger<br />
Schritt ist die nähere Erforschung <strong>der</strong> individual- und gruppenpsychologischen<br />
Ursachen <strong>für</strong> Fehlverhalten. Weshalb<br />
neigen manche Polizeibedienstete dazu, in bestimmten Situationen<br />
weniger professionell zu reagieren und Gewalt jenseits<br />
<strong>der</strong> zulässigen Zwangsmittel anzuwenden, obwohl die<br />
rechtsstaatlichen Grenzen polizeilichen Handelns in Ausbildung<br />
und Praxis ein immer wie<strong>der</strong>kehren<strong>des</strong> Thema sind?<br />
Wie kann die Stress- und Provokationsresistenz <strong>der</strong> Polizeibediensteten<br />
weiter verbessert werden? Wie lassen sich<br />
Feindbil<strong>der</strong> bezüglich bestimmter Personen o<strong>der</strong> Gruppen<br />
abbauen?<br />
Dabei geht es nicht nur darum, einzelne »schwarze Schafe«<br />
zu identifizieren und aus dem Polizeidienst zu entfernen.<br />
Min<strong>des</strong>tens ebenso interessant ist die Frage, warum Menschen<br />
in bestimmten Situationen, z. B. im Interesse einer vermeintlich<br />
wichtigen Sache, ethische Überzeugungen hintenan<br />
stellen. Gewaltbereitschaft geht keinesfalls nur von Personen<br />
aus, die dazu genetisch prä<strong>des</strong>tiniert sind. 28 Sowohl individuelle<br />
Traumatisierungen aufgrund von dienstlichen o<strong>der</strong><br />
privaten Erlebnissen als auch Gruppendruck o<strong>der</strong> beson<strong>der</strong>e<br />
Stresssituationen können dazu beitragen, dass Menschen sich<br />
weniger besonnen verhalten als sie es aufgrund ihrer Ausbildung<br />
und Lebenserfahrung eigentlich könnten. Der beste<br />
Weg, individuellem Fehlverhalten vorzubeugen, besteht da<br />
her in <strong>der</strong> Anerkennung und offenen, unvoreingenommenen<br />
Diskussion solcher Probleme. Die Betroffenen brauchen ein<br />
Arbeitsumfeld, in dem sie ihre Empfindungen und ihr Handeln<br />
in kritischen Situationen ohne Ansehensverlust und<br />
dienstliche Nachteile aufarbeiten können. Auch leicht zugängliche<br />
Hilfs- und Therapieangebote sind erfor<strong>der</strong>lich.<br />
Führungskräfte müssen die »Verantwortung <strong>für</strong> die Gestaltung<br />
<strong>der</strong> situativen Bedingungen
ischer Hinsicht letztlich unbegründet sein sollte, kann sie<br />
doch auf ein Kommunikationsproblem hinweisen, das Anlass<br />
zur Verbesserung <strong>der</strong> polizeilichen Arbeitskultur gibt."<br />
Es bedarf einer Polizeikultur, die die einzelnen Beamten so<br />
unterstützt, dass sie auch in schwierigen Einsatzsituationen<br />
noch genügend selbstkritischen Abstand zu ihrem Tun bewahren,<br />
um Fehler zu vermeiden."<br />
7. Schlussfolgerungen<br />
Die Kennzeichnung <strong>der</strong> Polizeibediensteten eröffnet den<br />
Opfern unrechtmäßigen Polizeihandelns bessere Chancen,<br />
Konsequenzen <strong>für</strong> die Täter durchzusetzen und einen Ausgleich<br />
<strong>für</strong> erlittene Schäden zu erhalten. Noch besser wäre<br />
aber eine Polizei, die so professionell handelt, dass Überreaktionen<br />
und unrechtmäßiges Verhalten noch stärker als bisher<br />
30 Hierzu ausführlich: Werner Lehne, Aus Fehlern lernen o<strong>der</strong> Fehlverhalten<br />
kontrollieren und sanktionieren? Die Erfahrungen <strong>der</strong><br />
Hamburger Polizeikornmission, in: Karlhans Liebl (Hg.), Fehlerund<br />
Lernkultur in <strong>der</strong> Polizei, Herbolzheim 2004, S. 123-147,<br />
31 Ahnlich auch Sticher, a. a. 0., S. 22; zu strukturellen Problemen<br />
<strong>der</strong> Polizeikultur vgl. auch Rafael Behr, Cop Culture – Der Alltag<br />
<strong>des</strong> Gewaltmonopols, 2. Aufl., Wiesbaden 2008.<br />
vermieden werden. Solange es aber Fälle unrechtmäßigen<br />
Verhaltens gibt, ist eine gesetzliche Kennzeichnungspflicht<br />
ein Mittel, das dazu beitragen kann, unrechtmäßiges Polizeihandeln<br />
präventiv zu verhin<strong>der</strong>n und – soweit dies im Einzelfall<br />
nicht gelingt – den rechtsstaatlichen und völkerrechtlichen<br />
Standards entsprechend aufzuklären und zu sanktionieren.<br />
Dieser Beitrag hat gezeigt, dass eine gesetzliche Regelung<br />
freiwilligen o<strong>der</strong> verwaltungsinternen Lösungen klar überlegen<br />
ist. Nur so kann die jahrzehntelange Diskussion über die<br />
Polizeikennzeichnung in eine demokratisch und rechtsstaatlich<br />
abgesicherte Lösung münden. Die in Sachsen und Brandenburg<br />
vorgelegten Gesetzentwürfe stammen von Oppositionsfraktionen<br />
dieser <strong>Landtag</strong>e. Es bleibt also abzuwarten,<br />
ob es den hier initiativ gewordenen Parteien gelingt, dieses<br />
Anliegen in Form von Gesetzesbeschlüssen durchzusetzen,<br />
wo sie an den Regierungsmehrheiten beteiligt sind.<br />
Die Erfahrungen mit freiwilliger o<strong>der</strong> vorgeschriebener<br />
Polizeikennzeichnung im In- und Ausland näher zu untersuchen,<br />
um das empirische Wissen zu diesem Thema zu erweitern,<br />
bleibt ein Forschungs<strong>des</strong>i<strong>der</strong>at <strong>für</strong> die empirische Polizeiforschung.<br />
352<br />
DIE POLIZEI
Zusammenfassung <strong>der</strong><br />
Stellungnahme anlässlich <strong>der</strong> Öffentlichen Anhörung<br />
<strong>des</strong> <strong>Ausschusses</strong> <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> zum<br />
Siebenten Gesetz zur Än<strong>der</strong>ung <strong>des</strong> Brandenburgischen<br />
Polizeigesetzes<br />
Gesetzentwurf <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> CDU<br />
Drucksache 5/1442<br />
Donnerstag, 27. Januar 2011, <strong>Landtag</strong> Brandenburg<br />
Prof. Dr. jur. Hartmut Aden<br />
Hochschule <strong>für</strong><br />
Wirtschaft und Recht Berlin<br />
Berlin School of Economics and Law<br />
27.01.2011: Stellungnahme anlässlich <strong>der</strong><br />
Anhörung <strong>des</strong> <strong>Ausschusses</strong> <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> <strong>des</strong><br />
Brandenburgischen <strong>Landtag</strong>s<br />
cl
Ausführliche Stellungnahme<br />
In Ihren Unterlagen:<br />
1) Schriftliche Stellungnahme zur heutigen Anhörung<br />
(Empfehlungen und Antworten zu den übersandten<br />
Fragen)<br />
2) Ausführliche Analyse <strong>der</strong> Gesetzentwürfe in Brandenburg und<br />
Sachsen: Aden, Die Kennzeichnung von Polizeibediensteten, in:<br />
Die Polizei 2010 (Heft 12), S. 347-352<br />
Prof. Dr. jur. Hartmut Aden<br />
Hochschule <strong>für</strong><br />
Wirtschaft und Recht Berlin<br />
Berlin School of Economics and Law<br />
27.01.2011: Stellungnahme anlässlich <strong>der</strong><br />
Anhörung <strong>des</strong> <strong>Ausschusses</strong> <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> <strong>des</strong><br />
Brandenburgischen <strong>Landtag</strong>s
Empfehlung: Gesetzentwurf annehmen<br />
Empfehlung, den Gesetzentwurf anzunehmen<br />
(evtl. mit kleineren Än<strong>der</strong>ungen, s. unten)<br />
Prof. Dr. jur. Hartmut Aden<br />
Hochschule <strong>für</strong><br />
Wirtschaft und Recht Berlin<br />
Berlin Schoot of Economics and Law<br />
27.01.2011: Stellungnahme anlässlich <strong>der</strong><br />
Anhörung <strong>des</strong> <strong>Ausschusses</strong> <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> <strong>des</strong><br />
Brandenburgischen <strong>Landtag</strong>s
Hauptargumenile <strong>für</strong> die Poliz; eeichnung<br />
3 c hLtIze<br />
Min<br />
Hr, Voigt<br />
Namentliche Kennzeichnung als Ausdruck von<br />
Wertschätzung <strong>des</strong> Gegenübers und von<br />
Serviceorientierung einer mo<strong>der</strong>nen Verwaltung<br />
D Die Polizei in Deutschland hat heute einen hohen<br />
Ausbildungsstandards. Die einzelnen Bediensteten<br />
können und wollen Verantwortung übernehmen.<br />
Sicherung <strong>der</strong> Identifizierung <strong>der</strong> Verantwortlichen <strong>für</strong><br />
unprofessionelles o<strong>der</strong> unrechtmäßiges Handeln<br />
Damit zugleich: Präventiveffekt: Schutz <strong>der</strong><br />
potentiellen Opfer und <strong>der</strong> Beamten selbst vor<br />
unrechtmäßigem Verhalten (und den daraus folgenden<br />
dienst- und strafrechtlichen Konsequenzen)<br />
Prof. Dr. jur. Hartmut Aden<br />
Hochschule <strong>für</strong><br />
Wirtschaft und Recht Berlin<br />
Berlin School of Econorrtics and Law<br />
27.01.2011: Stellungnahme anlässlich <strong>der</strong><br />
Anhörung <strong>des</strong> <strong>Ausschusses</strong> <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> <strong>des</strong><br />
Brandenburgischen <strong>Landtag</strong>s
Wenig überteugende Ggeenarg9nen e<br />
Gefährdung <strong>der</strong> Beamt/innien o<strong>der</strong> ihrer<br />
Angehörigen?<br />
D Keine Fälle bekannt!<br />
D Diskutierte Fälle betreffen Beamte, die exponiert in <strong>der</strong><br />
Öffentlichkeit stehen (Führungsebene)<br />
»- Falls doch Bedrohungssituationen auftreten sollten:<br />
Kennzeichen als Alternative (Beschränkung <strong>des</strong><br />
Gesetzentwurfs auf geschlossene Einheiten könnte<br />
ersetzt werden durch Gefährdungen allgemein)<br />
Werden Polizist/inn/en durch die Kennzeichnungspflicht<br />
unter „Generalverdacht" gestellt? Nein!<br />
Namensschil<strong>der</strong> sind heute in allen Verwaltungen<br />
selbstverständlich, ohne dass die Bediensteten in<br />
irgendeiner Weise verdächtigt werden, unrechtmäßig zu<br />
handeln.<br />
Prof. Dr. jur. Hartmut Aden<br />
Hochschule <strong>für</strong><br />
Wirtschaft und Recht Berlin<br />
Berlin School of Econornics and Law<br />
27.01.2011: Stellungnahme anlässlich <strong>der</strong><br />
Anhörung <strong>des</strong> <strong>Ausschusses</strong> <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> <strong>des</strong><br />
Brandenburgischen <strong>Landtag</strong>s
Noch: Einsgesetzliche Regelung zur<br />
Polizeikennzeichnung Alt warum und wozu?<br />
Beson<strong>der</strong>e Gründe <strong>für</strong> eine gesetzliche Regelung:<br />
Freiwillige Lösungen sind gerade <strong>für</strong> die problematischen<br />
Fälle (Übergriffe in unübersichtlichen Situationen) untauglich.<br />
D Zweifel, ob Dienstanweisungen angesichts <strong>der</strong><br />
Grundrechtsbetroffenheit <strong>der</strong> Beamten (Recht auf<br />
informationelle Selbstbestimmung) ausreichen.<br />
D Eine gesetzliche Regelung schafft eine normenklare<br />
Rechtsgrundlage gegenüber den Beamt/inn/en. Die<br />
Abgeordneten unterstreichen die Wichtigkeit einer<br />
professionell, rechtsstaatlich und serviceorientiert<br />
arbeitenden Polizei.<br />
Fazit: Eine gesetzliche Regelung — wie hier vorgeschlagen -<br />
ist an<strong>der</strong>en Möglichkeiten (Dienstanweisung o<strong>der</strong> freiwilligen<br />
Lösungen) klar überlegen.<br />
Prof. Dr. jur. Hartmut Aden<br />
Hochschule <strong>für</strong><br />
Wirtschaft und Recht Berlin<br />
Berlin Schoot of Econornics and Law<br />
27.01.2011: Stellungnahme anlässlich <strong>der</strong><br />
Anhörung <strong>des</strong> <strong>Ausschusses</strong> <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> <strong>des</strong><br />
Brandenburgischen <strong>Landtag</strong>s
Ist <strong>der</strong> Gesetzesveschlag geeignet, dietimgestrebten<br />
Ziele zu erreichen?<br />
Vorliegen<strong>der</strong> Gesetzentwurf ist grundsätzlich<br />
gut geeignet, die skizzierten Ziele einer<br />
Kennzeichnung zu erreichen<br />
Än<strong>der</strong>ungsanregungen:<br />
Kennzeichen statt Namen bei Gefährdung<br />
— nicht nur <strong>für</strong> geschlossene Einheiten<br />
D Ausnahmeklausel (§ 9 Abs. 3) streichen<br />
o<strong>der</strong> explizit auf präzise Fallgruppen<br />
beschränken (Verdeckte Ermittler)<br />
Prof. Dr. jur. Hartmut Aden<br />
Hochschule <strong>für</strong><br />
Wirtschaft und Recht Berlin<br />
Berlin School of EconomIcs and Law<br />
27.01.2011: Stellungnahme anlässlich <strong>der</strong><br />
Anhörung <strong>des</strong> <strong>Ausschusses</strong> <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> <strong>des</strong><br />
Brandenburgischen <strong>Landtag</strong>s
Polizeikennzeichnung wie ausgigtaften<br />
Ausgestaltung darf die Zielsetzung nicht aus den<br />
Augen verlieren:<br />
D Anonyme Situationen (geschlossene Einheiten mit<br />
Einsatzansanzug und Helm): deutlich lesbares und<br />
merkbares Schild an Anzug und Helm, möglichst<br />
vorne und hinten<br />
» Streifen- o<strong>der</strong> Innendienst: Namensschild — gut<br />
lesbar! — reicht<br />
Keine Notwendigkeit, das Kennzeichen regelmäßig<br />
zu wechseln.<br />
Prof. Dr. jur. Hartmut Aden<br />
Hochschule <strong>für</strong><br />
Wirtschaft und Recht Berlin<br />
Berlin School of Economics and Law<br />
27.01.2011: Stellungnahme anlässlich <strong>der</strong><br />
Anhörung <strong>des</strong> <strong>Ausschusses</strong> <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> <strong>des</strong><br />
Brandenburgischen <strong>Landtag</strong>s
Gesetzliche Regeleng und dann? Was Mnst noch zu<br />
tun ist...<br />
Was sonst noch zu tun ist...<br />
D Gruppen- und individualpsychologische<br />
Ursachenforschung: Warum handeln Polizeibedienstete<br />
einzeln o<strong>der</strong> in Gruppen – in bestimmten Situationen<br />
unprofessionell?<br />
Polizeikultur: Entwicklung einer Fehlerkultur: Fehler nicht<br />
verschweigen (aus Angst vor negativen Öffentlichkeitsreaktionen<br />
o<strong>der</strong> individuellen Sanktionen), son<strong>der</strong>n aus ihnen lernen<br />
». Prävention: Stress- und Provokationsresistenz, Abbau von<br />
Feindbil<strong>der</strong>n usw.<br />
Prof. Dr. jur. Hartmut Aden<br />
Hochschule <strong>für</strong><br />
Wirtschaft und Recht Berlin<br />
Berlin School of Economics and Law<br />
27.01.2011: Stellungnahme anlässlich <strong>der</strong><br />
Anhörung <strong>des</strong> <strong>Ausschusses</strong> <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> <strong>des</strong><br />
Brandenburgischen <strong>Landtag</strong>s
• Ausblick<br />
Brandenburg kann mit diesem Gesetz eine Vorreiterrolle<br />
übernehmen!<br />
D Die Polizeiforschung ist gespannt auf die Erfahrungen<br />
Begleitforschungsprojekte?<br />
Vielen Dank <strong>für</strong> die Aufmerksamkeit!<br />
Prof. Dr. jur. Hartmut Aden<br />
Hochschule <strong>für</strong><br />
Wirtschaft und Recht Berlin<br />
Berlin Schoot of Economics and Law<br />
27.01.2011: Stellungnahme anlässlich <strong>der</strong><br />
Anhörung <strong>des</strong> <strong>Ausschusses</strong> <strong>für</strong> inneres <strong>des</strong><br />
Brandenburgischen <strong>Landtag</strong>s
Anlage 6<br />
ENGEGANGEN<br />
7 i<br />
N11. /A5<br />
i (1.<br />
Erled gt:<br />
Gesetzentwurf <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> CDU – 7. Gesetz zur Än<strong>der</strong>ung <strong>des</strong> BranWenburgischen<br />
Polizeigesetzes – Drucksache 5/1442<br />
Anhörung im Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />
Stellungnahme <strong>der</strong> Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei<br />
Sehr geehrte Damen und Herren,<br />
die Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei, Lan<strong>des</strong>bezirk Brandenburg, nimmt zu o. g. Gesetzentwurf wie folgt<br />
Stellung:<br />
Die Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei lehnt die Aufnahme einer generellen Kennzeichnungspflicht <strong>für</strong><br />
Polizeivollzugsbeamte in das Brandenburgische Polizeigesetz ab!<br />
Begründung:<br />
Die allgemeine Verpflichtung zum Tragen von Namensschil<strong>der</strong>n stellt einen Eingriff in das<br />
Grundrecht auf informelle Selbstbestimmung als Ausprägung <strong>des</strong> allgemeinen<br />
Persönlichkeitsrechts nach Artikel 2 Abs. 1 Grundgesetz in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1<br />
Grundgesetz dar.<br />
2. Die namentliche Zwangskennzeichnung ist ein Eingriff in die persönliche Freiheit und steht<br />
im Wi<strong>der</strong>spruch zur Garantie von Artikel 8 EMRK (Europäische<br />
Menschenrechtskommission).<br />
3. Entsprechende Grundrechtseingriffe müssen im öffentlichen Interesse liegen, verhältnismäßig<br />
sein und den Kerngehalt <strong>des</strong> Grundrechts nicht verletzen bzw. den Kriterien nach Artikel 8<br />
Ziff. 2 EMRK entsprechen.<br />
Ein öffentliches Interesse an einer namentlichen Zwangskennzeichnung <strong>der</strong> Polizei liegt nicht<br />
vor. Es gibt keinerlei wissenschaftliche Untersuchungen bzw. Bürgerbefragungen, die dieses<br />
belegen. Es erfolgt also eine gesetzliche Normierung, ohne dass die entsprechenden<br />
Voraussetzungen geprüft wurden. Dagegen mündet das nachgewiesene Bedürfnis <strong>der</strong><br />
Beschäftigten <strong>des</strong> öffentlichen Dienstes nach leistungsgerechter Besoldung und Entlohnung<br />
nur unzureichend in gesetzliche Normierungen.<br />
Mit <strong>der</strong> Kenntnis über persönliche Daten, die aus dem Tragen von Namensschil<strong>der</strong>n<br />
gewonnen werden können (vollständige Namen anhand öffentlicher Telefonbücher o<strong>der</strong> über<br />
Suchmaschinen im Internet und <strong>der</strong> Privatanschrift - nicht je<strong>der</strong> heißt Müller, Lehmann,<br />
Schuster) können zu Missbrauch führen. Der Dienstherr ist jedoch verpflichtet, einen<br />
Missbrauch personenbezogener Daten im Rahmen <strong>der</strong> Fürsorgepflicht sowohl <strong>für</strong> den<br />
Polizeibeamten wie auch <strong>für</strong> <strong>des</strong>sen Familien sicherzustellen.<br />
5. In geschlossenen Einheiten <strong>der</strong> Bereitschaftspolizei ist eine Identifizierung auch durch<br />
Kennzeichnung auf dem Helm bzw. Aufkleber auf dem Rücken <strong>der</strong> Einsatzkräfte<br />
gewährleistet. Diese Aufkleber ermöglichen aufgrund von Zahlen, Buchstaben o<strong>der</strong><br />
Symbolkombinationen eine Zuordnung zur jeweiligen Einsatzeinsatz <strong>der</strong> Beamtinnen und<br />
Beamten.
2<br />
6. Die namentliche Kennzeichnung <strong>der</strong> Polizei stellt diese unter einen so genannten<br />
Generalverdacht. Unbeantwortet ist die Frage, warum nicht alle an<strong>der</strong>en Status- bzw.<br />
Beschäftigungsgruppen <strong>des</strong> öffentlichen Dienstes ebenfalls einer namentlichen<br />
Kennzeichnung unterworfen werden (Ordnungsämter, Feuerwehr, Gerichtsvollzieher etc.).<br />
7. Bei getroffenen polizeilichen Maßnahmen werden die Namen <strong>der</strong> veranlassenden Beamtinnen<br />
und Beamten sowohl im täglichen Dienst wie auch bei geschlossenen Einsätzen festgehalten<br />
(Unterschriften bei Anzeigen, Owi-Anzeigen, Festnahmeprotokollen etc.).<br />
Die bestehenden gesetzlichen und innerdienstlichen Regelungen reichen zur Identifizierung von<br />
Polizeivollzugsbeamten im täglichen Dienst und im geschlossenen Einsatz vollkommen aus.<br />
Brandenburgisches Polizeigesetz (BbgPoLG) § 9 Legitimationspflicht<br />
„Auf Verlangen <strong>des</strong> von einer Maßnahme Betroffenen hat sich <strong>der</strong> Polizeivollzugsbedienstete<br />
auszuweisen, soweit <strong>der</strong> Zweck <strong>der</strong> Maßnahme dadurch nicht beeinträchtigt wird."<br />
Entsprechend dieser gesetzlichen Regelung sind Polizeivollzugsbeamte in Brandenburg verpflichtet,<br />
sich auszuweisen, solange <strong>der</strong> Zweck <strong>der</strong> Maßnahme nicht beeinträchtigt wird. Dies erfolgt durch<br />
namentliche Vorstellung mit Dienstgrad, durch Vorzeigen <strong>des</strong> Dienstausweises/ <strong>der</strong> Dienstmarke und<br />
ggf. Übergabe von Visitenkarten. Unsere Revierpolizisten als Ansprechpartner unserer Brandenburger<br />
Bürgerinnen und Bürger sind mit Namen und Bild im Internetauftritt <strong>der</strong> Brandenburger Polizei<br />
sichtbar. In den Polizeidienststellen sind an den Diensträumen Schil<strong>der</strong> angebracht, auf denen<br />
namentlich und mit Dienstgrad ersichtlich ist, welche Kollegin bzw. welcher Kollege in diesem<br />
Dienstraum seinen Dienst verrichtet. Damit wird <strong>der</strong> vorgeschriebenen Legitimationspflicht<br />
umfassend Rechnung getragen.<br />
In <strong>der</strong> Dienstkleidungsvorschrift <strong>für</strong> die Polizei <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> Brandenburg (DKV PoL BB) ist in <strong>der</strong><br />
Anlage 1 Ziffer 2.9 Verbandsabzeichen, Namensschil<strong>der</strong> geregelt:<br />
„Das Tragen von Verbandsabzeichen und Namensschil<strong>der</strong>n erfolgt auf freiwilliger Basis.<br />
Verbandsabzeichen können an <strong>der</strong> rechten Brustseite und Namensschil<strong>der</strong> an <strong>der</strong> linken Brustseite von<br />
Oberbekleidungsstücken getragen werden."<br />
Damit ist das bereits jetzt mögliche freiwillige Tragen von Namensschil<strong>der</strong>n auch in einer<br />
Dienstkleidungsvorschrift <strong>für</strong> die Polizei <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> Brandenburg geregelt. Dieses freiwillige Tragen<br />
von Namensschil<strong>der</strong>n wird teilweise (insbeson<strong>der</strong>e im höheren Dienst) genutzt.<br />
Gerade in <strong>der</strong> aktuellen politischen Diskussion wird deutlich, dass eine zunehmende Anzahl von<br />
Bürgerinnen und Bürgern mit politischen Entscheidungen und insbeson<strong>der</strong>e mit dem<br />
Zustandekommen von politischen Entscheidungen nicht mehr einverstanden sind. Sie for<strong>der</strong>n<br />
verstärkt, dass Bürgerwille akzeptiert und respektiert wird. Beispiele da<strong>für</strong> sind u. a. Stuttgart 21, die<br />
Anticastorbewegung o<strong>der</strong> das Nein zum Großflughafen Berlin-Schönefeld.<br />
Politische Unglaubwürdigkeit wird auch durch folgenden Fakt belegt.<br />
In <strong>der</strong> Drucksache 16/3746 <strong>des</strong> Abgeordnetenhauses von Berlin beantragt die Fraktion <strong>der</strong> CDU, die<br />
Kennzeichnungspflicht <strong>für</strong> Polizisten zu stoppen. In <strong>der</strong> Begründung heißt es u. a.<br />
„... die individuelle Kennzeichnung ist nachteilig und sogar gefährlich <strong>für</strong> Polizeibeamte. Individuelle<br />
Kennzeichnungen führen zwangsläufig zu einer erheblichen Steigerung taktischer, im Zweifel<br />
verleum<strong>der</strong>ischer Anzeigen. Selbst wenn sich die Vorwürfe als haltlos erweisen sollten, bedeutet das<br />
eine Beför<strong>der</strong>ungssperre <strong>für</strong> die betroffenen Beamten. ... Der Senat gefährdet durch die<br />
Kennzeichnung die Beamten, <strong>für</strong> die er doch zur Fürsorge verpflichtet ist. Sie verdienen <strong>für</strong> ihre<br />
schwierige Arbeit unser volles Vertrauen und unsere Unterstützung."
3<br />
Dies zeigt die Unglaubwürdigkeit <strong>des</strong> politischen Fö<strong>der</strong>alismus am Beispiel <strong>der</strong> CDU Brandenburg<br />
und <strong>der</strong> CDU Berlin. Die ebenfalls fö<strong>der</strong>al organisierte Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei lehnt einhellig die<br />
generelle Kennzeichnungspflicht <strong>für</strong> Polizeivollzugsbeamte ab.<br />
Neben dem friedlichen Protest gegen politische Entscheidungen kommt es auch verstärkt zu einer<br />
Radikalisierung von Protestbewegungen, insbeson<strong>der</strong>e im linken und rechten Spektrum politischer<br />
Anschauungen. Diese Radikalisierung bekommen in erster Linie die Vertreter <strong>der</strong> Staatsmacht und<br />
hier konkret die Polizei zu spüren. Auf Initiative <strong>der</strong> Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei hat das kriminologische<br />
Forschungsinstitut Nie<strong>der</strong>sachsen e.V. im Auftrag <strong>der</strong> Innenministerkonferenz und <strong>der</strong> Gewerkschaft<br />
<strong>der</strong> Polizei eine Polizeibefragung zum Thema „Gewalt gegen Polizeibeamte" durchgeführt. Erste<br />
Ergebnisse liegen vor.<br />
Wesentliche Ergebnisse:<br />
- Polizeibeamte sind im Rahmen ihre dienstlichen Tätigkeit in sehr hohem Maße<br />
Aggressionen von Bürgerinnen und Bürgern ausgesetzt.<br />
Von den befragten Polizeibeamten wurden im Jahre 2009 81,9 % beschimpft, beleidigt o<strong>der</strong><br />
verbal bedroht,<br />
90,1 % davon erlebten dieses sogar mehrfach,<br />
47,8 % wurden gestoßen, geschupst o<strong>der</strong> festgehalten,<br />
24,9 % wurden mit Gegenständen geworfen und<br />
26,5 % wurden mit Faust/Hand geschlagen o<strong>der</strong> mit Füßen getreten,<br />
14,6 % erlebten eine Bedrohung mit einer Waffe o<strong>der</strong> einem gefährlichen Gegenstand und<br />
8,6 ()/0 wurden auch damit angegriffen.<br />
Die täglichen Angriffe bewirkten bei vielen Beamten massive Verletzungen, beson<strong>der</strong>s häufig<br />
betroffen sind Streifenbeamte!<br />
Schwerpunkte dieser Gewaltübergriffe liegen zu 27,5 % bei <strong>der</strong> Festnahme von<br />
Tatverdächtigen, 23,7 % wegen Streitsituationen im öffentlichen Raum o<strong>der</strong> in Familien und<br />
11,0 % bei Einsätzen <strong>der</strong> öffentlichen Ordnung – also im täglichen Dienst!<br />
Im Vergleich <strong>der</strong> 5 Jahre <strong>des</strong> Untersuchungszeitraumes zeigt sich ein deutlicher Anstieg <strong>der</strong><br />
Gewaltübergriffe.<br />
Schwere Gewaltübergriffe führen bei den betroffenen Polizeivollzugsbeamten nicht selten zu<br />
ernsten psychischen und psychosomatischen Beschwerden.<br />
- Beson<strong>der</strong>s deutliche Anstiege schwerer Gewalt gegen Polizeibeamte sind zu verzeichnen bei:<br />
- Demonstrationen von 4,6 % auf 8,0 %<br />
- familiäre Auseinan<strong>der</strong>setzungen von 5,8 % auf 11,4 %<br />
- Streitigkeiten ohne familiären Hintergrund von 9,4 % auf 12,9 %<br />
Eine generelle Kennzeichnungspflicht von Polizeivollzugsbeamten zu for<strong>der</strong>n, ist gerade im<br />
Ergebnis <strong>der</strong> KFN-Studie nicht nur ein falsches politisches Signal, son<strong>der</strong>n eine Verletzung <strong>der</strong><br />
Fürsorgepflicht <strong>des</strong> Dienstherrn.<br />
Bereits heute werden polizeiliche Maßnahen durch unseren Gegenüber videografiert (z. B.<br />
Fußballspiele Babelsberg 03), ausgewertet und illegal ins Internet eingestellt. Zukünftig wird also<br />
dann nicht nur polizeiliches Handeln im Internet nachvollzogen werden können, son<strong>der</strong>n auch noch<br />
namentlich zugeordnet. Somit könnten illegale Datenbanken über handelnde Polizeivollzugsbeamte im
4<br />
Internet mit namentlicher Zuordnung angelegt werden. Dies wi<strong>der</strong>spricht dem grundsätzlich<br />
geregelten Anspruch auf informelle Selbstbestimmung.<br />
Die Verpflichtung von Polizeivollzugsbeamten, im Dienst die vorgeschriebene Uniform zu tragen, ist<br />
vor allem durch das Erfor<strong>der</strong>nis gerechtfertigt, die Legitimation <strong>der</strong> Beamten <strong>für</strong> polizeiliche<br />
Maßnahmen äußerlich kund zu tun.<br />
Die Uniform ist sichtbares Zeichen <strong>für</strong> die Berechtigung ihres Trägers <strong>für</strong> hoheitliche Befugnisse.<br />
Die Uniform soll die Neutralität ihres Trägers zum Ausdruck bringen. Sie ist sichtbares Zeichen da<strong>für</strong>,<br />
dass die Individualität <strong>des</strong> Vollzugsbeamten im Dienst hinter den Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>des</strong> Amtes<br />
zurücktritt. Polizeiliche Maßnahmen sollen losgelöst von <strong>der</strong> Person <strong>der</strong> handelnden Beamten als<br />
Maßnahme <strong>des</strong> Staates empfunden werden.<br />
Auf Anfrage <strong>der</strong> TAZ (Tageszeitung) vom 16.09.2009 gegenüber allen Innenbehörden <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong><br />
und <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> antwortete u. a. das Innenministerium <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> Brandenburg:<br />
„Die in den Einsatzeinheiten <strong>der</strong> Polizei vorhandene funktionsbezogene Kennzeichnung bis auf<br />
Gruppenebene wird als ausreichend angesehen. Weitergehende individuelle Kennzeichnungen werden<br />
zum Schutz <strong>der</strong> Einsatzkräfte vor massenhaften Falschanzeigen, aber auch vor Wahrung ihrer<br />
Persönlichkeitsrechte abgelehnt. Im Übrigen war eine Identifizierung von Einsatzkräften zur<br />
Durchführung von Ermittlungsverfahren in Brandenburg bisher in allen Fällen möglich. Eine<br />
individuelle Kennzeichnung von Einsatzkräften ist unter diesen Voraussetzungen nicht erfor<strong>der</strong>lich."<br />
Diesem Zitat ist aus Sicht <strong>der</strong> Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei nichts hinzuzufügen.<br />
Eine Bürgerbefragung zur Arbeit <strong>der</strong> Polizei in Brandenburg hat gezeigt, dass weit über 2/3 <strong>der</strong><br />
Brandenburger Bürgerinnen und Bürger mit <strong>der</strong> Arbeit <strong>der</strong> Polizei sehr zufrieden bzw. zufrieden sind.<br />
Die Brandenburger Polizei genießt ein hohes Ansehen und Vertrauen bei <strong>der</strong> Brandenburger<br />
Bevölkerung; und dies ohne Zwangskennzeichnung, son<strong>der</strong>n im Rahmen einer Legitimationspflicht.<br />
Mit freundlichen Grüßen<br />
Der Vorstand<br />
i. A.<br />
Andreas Schuster<br />
Lan<strong>des</strong>bezirksvorsitzen<strong>der</strong>
EINGEGANGEN<br />
'<br />
2 5. L de<br />
Öffentliche Anhörung<br />
Erl. ..<br />
Siebentes Gesetz zur Än<strong>der</strong>ung <strong>des</strong> BrandenburgisEFeTirbitzei ''''''''''''<br />
Gesetzentwurf <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> CDU<br />
Drucksache 5/1442<br />
3<br />
niage)-<br />
Donnerstag, 27. Januar 2011, <strong>Landtag</strong> Brandenburg<br />
Fragen an die Anzuhörenden<br />
1. Welche Gründe sprechen <strong>für</strong> und welche gegen eine Kennzeichnungspflicht?<br />
Pro: Die Polizeibeamten könnten besser identifiziert werden. Die Kennzeichnung könnte<br />
das Vertrauen <strong>der</strong> Polizei bei <strong>der</strong> Bevölkerung stärken.<br />
Contra: In Zeiten einer erheblichen Zunahme von Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und -<br />
beamten, persönlichen Bedrohungen und Angriffen ist es Aufgabe <strong>der</strong> Lan<strong>des</strong>regierung /<br />
Parlament, ihre Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten vor Übergriffe und Gewalt zu<br />
schützen. Die DPoIG for<strong>der</strong>t daher, dass die verantwortlichen ihrer Fürsorgepflicht<br />
nachkommen. Eine individuelle Kennzeichnung durch Namensschil<strong>der</strong> o<strong>der</strong> Nummern<br />
hätten jedoch wenig mit Fürsorge zu tun. Die Legitimationspflicht die sich aus § 9 <strong>des</strong><br />
BbgPolG <strong>für</strong> die Polizeibeamtinnen und -beamten ergibt, ist nach Ansicht <strong>der</strong> DPoIG<br />
ausreichend. Aus Sicht <strong>der</strong> DPoIG führt auch das ständige Bekanntgeben <strong>des</strong> eigenen<br />
Namens, ohne dass es zu einem Kontakt zwischen Bürger und Polizei gekommen ist, zu<br />
einer Einschränkung <strong>des</strong> Rechts auf informationelle Selbstbestimmung <strong>der</strong> Beamtinnen und<br />
Beamten. Der Einzelne kann nicht mehr darüber bestimmen, wer über seine persönlichen<br />
Daten verfügt.<br />
Aus <strong>der</strong> Fürsorgepflicht lässt sich auch <strong>der</strong> Schutz <strong>der</strong> Privatsphäre <strong>der</strong> Mitarbeiter ableiten.<br />
Die je<strong>der</strong>zeitige Identifizierung <strong>des</strong> Polizeibeamten erleichtert dem Gegenüber die<br />
Ermittlung <strong>der</strong> Privatanschrift <strong>des</strong> betroffenen Mitarbeiters. Eine persönliche Gefährdung<br />
<strong>der</strong> Polizisten im privaten und familiären Bereich wäre eine mögliche Folge, auch könnten<br />
sich Anschläge auf Polizisten bzw. <strong>der</strong>en Eigentum häufen.<br />
Die Kennzeichnungspflicht kann erhebliche dienstrechtliche Konsequenzen <strong>für</strong> die Beamten<br />
haben. Sie könnten mit ungerechtfertigten Anzeigen/ Beschwerden und daraus folgenden<br />
Ermittlungsverfahren überzogen werden. (Beför<strong>der</strong>ungssperre, Rufschädigung, Stalking im<br />
Familienbereich). Eine Kennzeichnungspflicht läuft auch bestehenden Schutzvorschriften zu<br />
wi<strong>der</strong>. So können Polizeibeamte nach dem StVG eine Übermittlungssperre <strong>für</strong> die<br />
amtlichen Kennzeichen, <strong>der</strong> zugelassenen Fahrzeuge beantragen. Weiterhin können<br />
Übermittlungssperren beim Einwohnermeldeamt nach den Meldegesetzen beantragt<br />
werden. Diese zum Schutz <strong>der</strong> Beamten geschaffenen Möglichkeiten werden ad Absurdum<br />
geführt.<br />
1
2. Welche Fälle sollten von <strong>der</strong> generellen namentlichen Kennzeichnungspflicht<br />
ausgenommen werden?<br />
Es versteht sich, dass beson<strong>der</strong>s gefährdete Beamte/ Spezialeinheiten die mit organisierter<br />
Kriminalität o<strong>der</strong> sehr gewalttätigen Straftätern bzw. sehr strukturiert arbeitenden kriminellen<br />
Gruppierungen zu tun haben, geschützt werden müssen.<br />
Da potentiell aber je<strong>der</strong> Polizeibeamte im Rahmen seiner Tätigkeit auch an solche Straftäter<br />
geraten könnte, sollte einheitlich auf die generelle Kennzeichnungspflicht verzichtet werden.<br />
Dem Polizeibeamten sollte es vorbehalten sein, zu entscheiden, wem er ungefährdet seinen<br />
Namen preis geben möchte (Situationen ohne gewalttätiges Potential). Die<br />
Legitimationspflicht ist <strong>für</strong> alle Polizeibeamten rechtlich geregelt und wird als ausreichend<br />
erachtet<br />
3. Welche Erkenntnisse gibt es über die Gefährdung von Polizeibeamten und<br />
ihren Angehörigen aufgrund einer individuellen Kennzeichnung? Liegt<br />
statistisches Material zu Übergriffen vor?<br />
Es liegen <strong>der</strong> DPoIG diesbezüglich keine statistischen o<strong>der</strong> personellen Informationen vor.<br />
Das Fehlen von Zahlen und Statistiken darf nicht dazu führen, falsche Schlüsse zu ziehen.<br />
Man kann nicht automatisch darauf schließen, dass ein höheres Gefährdungspotential nicht<br />
vorhanden ist. Eine fehlende Statistik kann nicht dazu benutzt werden, in irgendeine<br />
Richtung zu argumentieren.<br />
Der DPoIG ist ein Vorfall aus jüngerer Vergangenheit bekannt. Im Bereich <strong>der</strong><br />
Rockerkriminalität wurde durch die Verhandlung vor dem Landgericht Potsdam<br />
beiwohnende sympathisierende Rocker eine To<strong>des</strong>drohung gegenüber einem aussagenden<br />
-Polizeibeamten <strong>der</strong> Einsatzgruppe-Rocker ausgesprochen. Hier wurde <strong>der</strong> Name <strong>des</strong><br />
Beamten während <strong>der</strong> Verhandlung bzw. aus den Gerichtsakten den Rockergruppierungen<br />
bekannt.<br />
4. Welche Erfahrungen sind mit <strong>der</strong> Internetpräsenz <strong>der</strong> Revierpolizisten<br />
(Veröffentlichung mit Foto und vollem Namen) gemacht worden?<br />
Publiziert wird, dass die Vorstellung <strong>der</strong> zuständigen Revierpolizisten eine positive<br />
Resonanz in <strong>der</strong> Bevölkerung hervor ruft. Das soll nicht bezweifelt werden. Hier sollten<br />
allerdings <strong>der</strong> Aufgabenbereich und die Zielgruppe <strong>der</strong> Revierpolizisten beson<strong>der</strong>e<br />
Beachtung finden. Originäre Aufgabe ist die Repräsentation <strong>der</strong> Polizei, präventive Arbeit in<br />
Schulen etc., Beratungen von öffentlichen und gewerblichen Einrichtungen, Verfolgen von<br />
Ordnungswidrigkeiten im Bereich Verkehr etc. Es geschieht sehr selten, dass<br />
Revierpolizisten in die Gesundheit gefährdende Einsätze mit gewaltbereiten Straftätern<br />
eingebunden werden. Es ist daher kaum zu be<strong>für</strong>chten, dass es zu Repressalien aus Rache<br />
kommen könnte. Insofern muss ein Unterschied gemacht werden. Es ist davon<br />
auszugehen, dass vorwiegend ältere Bürger ihren Revierpolizisten kennen und die<br />
Veröffentlichungen verfolgen. Diese sind in <strong>der</strong> Mehrzahl aber auch nicht <strong>der</strong> Tätergruppe<br />
zuzuordnen, vor <strong>der</strong> Polizeibeamte geschützt werden muss.<br />
Darüber hinaus ist dem Revierpolizisten bei seiner Bewerbung auf die jeweilige Stelle<br />
bewusst, dass er mit seiner Tätigkeit in <strong>der</strong> Öffentlichkeit stehen und als Ansprechpartner<br />
dienen wird. Insofern findet eine Veröffentlichung mit Zustimmung <strong>des</strong> Revierpolizisten statt.<br />
2
Diese Möglichkeit <strong>der</strong> „Freiwilligkeit" muss auch an<strong>der</strong>en Polizeibeamten zugestanden<br />
werden.<br />
5. Welche Unterschiede sehen Sie zwischen Mitarbeitern <strong>der</strong> Polizei und<br />
Verwaltungsmitarbeitern, die mit vollem Namen bekannt sind (z. B. durch<br />
Türschil<strong>der</strong> und die Unterzeichnung von Schreiben)?<br />
Die Beschil<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Büroräume mit den Namen <strong>der</strong> in diesem Büro tätigen<br />
Verwaltungsbeamten ist eine interne organisatorische Maßnahme. Sie hat zum Ziel, schnell<br />
und unbürokratisch den entsprechenden Ansprechpartner /Verantwortlichen zu finden. Die<br />
Büroräume sind in <strong>der</strong> Regel mit Türen versehen die nicht transparent sind. Daher ist ein<br />
Namensschild am Büroraum <strong>für</strong> interne und externe Partner/ Kunden sehr hilfreich, schnell<br />
den richtigen Ansprechpartner zu finden. Verwaltungsbeamte unterscheiden sich in ihren<br />
hoheitlichen Befugnissen deutlich von Vollzugsbeamten. Der Vollzugsbeamte kann und darf<br />
seine Anordnungen ggf. sofort, auch mit Zwang durchsetzen – dieser Interaktion ist ein weit<br />
höheres Konfliktpotential immanent.<br />
Im Übrigen unterliegen Polizeibeamte einer Legitimationspflicht und sie Unterzeichnen alle<br />
ihre Vorgänge mit Name, Nennung <strong>der</strong> Dienststelle und Dienstbezeichnung und bei Bedarf<br />
übergeben sie eine Visitenkarte o<strong>der</strong> weisen sich mit dem Dienstausweis o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
Dienstmarke aus.<br />
In geschlossenen Einsätzen sind bereits jetzt alle Beamten am Helm und auf dem Rücken<br />
aus polizeitaktischen Gründen gekennzeichnet. Diese Kennzeichnung erlaubt es, den Kreis<br />
<strong>der</strong> in Frage kommenden Beamten auf etwa 10 Personen einzuschränken. Darüber hinaus<br />
werden geschlossene Einsätze, z.B. Demonstrationen, oft durch die Polizei o<strong>der</strong> auch durch<br />
die Medien Videodokumentiert. Im Falle von Übergriffen ist eine Identifizierung <strong>der</strong><br />
handelnden Beamten durch die Strafverfolgungsbehörden bereits jetzt gewährleistet.<br />
6. Wie bewerten Sie die Kennzeichnungspflicht im Hinblick auf § 36<br />
Beamtenstatusgesetz, wonach Beamtinnen und Beamte <strong>für</strong> die Rechtmäßigkeit ihrer<br />
dienstlichen Handlungen die volle persönliche Verantwortung tragen?<br />
Auch ohne Kennzeichnungspflicht gilt das Beamtenstatusgesetz. Je<strong>der</strong> Polizist ist sich<br />
darüber im Klaren, dass er die volle Verantwortung <strong>für</strong> sein Tun und Handeln trägt. Sollte<br />
ein Polizeibeamter rechtswidrig handeln, wird er, ebenso wie je<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Straftäter, zur<br />
Verantwortung gezogen. Eine Kennzeichnungspflicht würde nichts an diesem Vorgang<br />
än<strong>der</strong>n. Es gibt ausreichend Vorkehrungen die eine Identifizierung von Polizeikräften<br />
ermöglichen (z.B. folgende Möglichkeiten, wie Arbeitszeitnachweise, Wachdienstpläne,<br />
Dienstreiseanträge, Elbas-Einträge, Vorgänge über freiheitsentziehende Maßnahmen). Der<br />
Name <strong>des</strong> Beamten gibt die Identität <strong>des</strong> Beamten und seiner ganzen Familie preis.<br />
Das Telefonbuch zeigt z.B. <strong>für</strong> den Namen ANDRZYCZICK <strong>für</strong> Brandenburg einen Treffer<br />
und landet Zielgenau bei <strong>der</strong> Familie <strong>des</strong> Kollegen, über Google-Earth, kann <strong>der</strong> geneigte<br />
Ganove sich schon mal mit <strong>der</strong> Wohngegend vertraut machen.<br />
3
7. Wie bewerten Sie die Kennzeichnungspflicht im Hinblick auf den Europäischen<br />
Kodex <strong>für</strong> Polizeiethik und die Standards <strong>des</strong> Europäischen Komitees zur<br />
Verhütung von Folter und unmenschlicher o<strong>der</strong> erniedrigen<strong>der</strong> Behandlung<br />
o<strong>der</strong> Strafe?<br />
Der Name am Revers eines Polizeibeamten sollte nicht das Mittel sein, den Bürger vor<br />
eventuellen Übergriffen durch Polizisten zu schützen. Grundsätzlich hofft <strong>der</strong> Polizeibeamte<br />
auf das Vertrauen <strong>der</strong> Regierung in seine Polizisten. Durch geeignete Auswahlverfahren<br />
und gute Ausbildung wurde schon eine Auslese geeigneter Personen getroffen. Statistisch<br />
gesehen sind unmenschliche Übergriffe o<strong>der</strong> gar Folter deutscher Polizeibeamter<br />
gegenüber Bürgern kaum vorhanden. Bei Bekanntwerden, werden diese mit aller Härte<br />
verfolgt und bestraft. Je<strong>der</strong> Polizist, <strong>der</strong> sich entschließt diesen Beruf zu ergreifen, hat sich<br />
schon im Vorfeld einen gewissen ethischen Anspruch an sich selbst gestellt. Jedem<br />
Polizisten ist klar, dass ein solches Verhalten nicht nur rechtswidrig, son<strong>der</strong>n auch moralisch<br />
nicht zu tolerieren ist.<br />
Eine Kennzeichnungspflicht wird keinerlei Auswirkungen auf die Beamten haben, die sich<br />
ihrer Verantwortung nicht bewusst sind und ethisch nicht korrekt verhalten. Diese werden<br />
an<strong>der</strong>e Wege finden (Namen verbergen etc.), um unerkannt zu bleiben. Diejenigen (und<br />
das ist die Mehrzahl <strong>der</strong> Beamten), die sich korrekt verhalten, werden das mit o<strong>der</strong> ohne<br />
Namen am Revers tun.<br />
8. Wo sollte das Namensschild angebracht werden (auf Vor<strong>der</strong>- und/o<strong>der</strong><br />
Rückseite <strong>der</strong> Uniform, Schulter, Helm)?<br />
An Teilen <strong>der</strong> vor<strong>der</strong>en Oberbekleidung. Für eine Trageerleichterung sollten Klettbän<strong>der</strong><br />
genutzt werden.<br />
9. Wie bewerten Sie die Verwendung eines - ggf. wechselnden - Aliasnamens o<strong>der</strong><br />
einer Buchstaben-Nummern-Kombination?<br />
Das sollten die Polizeibeamtinnen und -beamten selbständig entscheiden.<br />
Der Sinn einer Verwendung von –sogar wechselnden- Aliasnamen erschließt sich uns aus<br />
logischer Sicht nicht und sollte seitens <strong>der</strong> Stichwortgeber definiert werden. Wechselnde<br />
Aliasnamen würden darüber hinaus eine weitere Bürokratisierung innerhalb <strong>der</strong> Polizei<br />
bewirken.<br />
1 0. Wie bewerten Sie den Umstand, dass privatwirtschaftlich tätige Wachleute<br />
rechtlich verpflichtet sind, ein Namensschild zu tragen?<br />
Während an die Polizei als staatliche Institution <strong>der</strong> Anspruch erhoben werden kann, dass<br />
diese dem Allgemeinwohl dient (Artikel 33 Abs. 4 <strong>des</strong> Grundgesetzes) und in einem<br />
öffentlich- rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen, ist bei privaten<br />
Sicherheitsdiensten eindeutig, dass diese nicht dem Allgemeinwohl, son<strong>der</strong>n einzig den<br />
Interessen ihrer Auftraggeber verpflichtet sind.<br />
Wachschutzmitarbeiter sind lediglich mit „Je<strong>der</strong>mannsrechten" (Notwehr, Nothilfe u.<br />
Vorläufige Festnahme n. §127.1 StPO) sowie dem Hausrecht <strong>für</strong> die entsprechende<br />
Einrichtung ausgestattet. Die Rechte privater Sicherheitsdienste sind also nicht mit denen<br />
<strong>der</strong> Polizei vergleichbar. Sie dürfen niemanden zwingen sich auszuweisen, Personen o<strong>der</strong><br />
4
<strong>der</strong>en Sachen durchsuchen o<strong>der</strong> gar Leute in Gewahrsam nehmen. Die Anwendung von<br />
Gewalt ist nur in sehr wenigen Situationen zulässig und muss dabei immer verhältnismäßig<br />
sein<br />
Aus <strong>der</strong> Praxis ist bekannt, dass Aufträge teilweise mit körperlicher Gewalt durchgesetzt<br />
wurden. Die Mitarbeiter sind teilweise schlecht ausgebildet und werden miserabel bezahlt.<br />
Weiterbildung im Deeskalationstraining fehlen meist völlig.<br />
Einerseits sind die Rechte von privaten Sicherheitsdiensten undurchsichtig und meist<br />
unbekannt, an<strong>der</strong>erseits fehlen jegliche Kontrollmechanismen. Rechtlich verpflichtet sind<br />
Wachleute sich namentlich zu kennzeichnen, wenn sie die Sachkundeprüfung nach § 34 A<br />
<strong>der</strong> Gewerbeordnung abgelegt haben und sich im öffentlichen Bereich bewegen.<br />
Polizeibeamte unterliegen einer Legitimationspflicht, ob die Wachschutzmitarbeiter einer<br />
solchen Pflicht unterliegen ist nicht bekannt. Daher ist es selbstverständlich, dass sie<br />
rechtlich verpflichtet sind, ein Namensschild zu tragen.<br />
5
Wage g<br />
B..ci Deutscher Kriminadbeamter<br />
Lan<strong>des</strong>verband Brandenburg<br />
BDK Lan<strong>des</strong>verband Brandenburg1 Gcepelstraße 90 1 15234 Frankfurt (O<strong>der</strong>)<br />
Ihr/e Zeichen/Nachricht vom<br />
ENGEGANGEN<br />
1 G. JAN. 21111WS—<br />
UQJ<br />
Erledigt-2_<br />
Ihr/e Ansprechpartner/1n<br />
Wolfgang Bauch<br />
Funktion<br />
Lan<strong>des</strong>vorsitzen<strong>der</strong><br />
E-Mail<br />
vorstand.brandenburg©bdk.de<br />
Telefon<br />
+49 (0) 335 60688883<br />
+49 (0) 171 2428668<br />
Telefax<br />
+49 (0) 355 2808517<br />
19,01.2011<br />
Öffentliche Anhörung / Siebentes Gesetz zur Än<strong>der</strong>ung <strong>des</strong> Brandenburgischen<br />
Polizeigesetzes / Gesetzentwurf <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> CDU / Drucksache 5/1442<br />
Donnerstag, 27. Januar 2011, <strong>Landtag</strong> Brandenburg<br />
Stellungnahme BDK Brandenburg zum Gesetzentwurf „Kennzeichnungspflicht"<br />
Der BDK Brandenburg lehnt den Gesetzentwurf ab, da durch das offene Tragen eines<br />
Namensschil<strong>des</strong> die Gefahr besteht, dass die Person <strong>des</strong> Beamten einem unkontrollierbaren<br />
dritten Personenkreis und nicht nur dem Betroffenen <strong>der</strong> Amtshandlung bekannt wird. Dem<br />
Betroffenen einer jeden Amtshandlung <strong>der</strong> Kriminalpolizei wird <strong>des</strong>sen Person durch Vorlage<br />
<strong>des</strong> Dienstausweise, einer Visitenkarte o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Unterschrift auf einem <strong>Protokoll</strong> ohnehin<br />
bekannt. Auf das Ausreichen von Visitenkarten sollte dahingehend dienstlich noch mehr<br />
hingewiesen werden. Diese sollten nicht nur jedem Bediensteten zur Verfügung gestellt,<br />
son<strong>der</strong>n die Übergabe an Betroffene noch mehr als schon jetzt zur Selbstverständlichkeit<br />
werden.<br />
Verdeckte Einsätze sind von einer Kennzeichnungspflicht ohnehin ausgenommen, wegen<br />
Gefährdung <strong>der</strong> Person <strong>des</strong> Beamten o<strong>der</strong> <strong>des</strong> Einsatzzwecks.<br />
Bund Deutscher Kriminalbeamter Lan<strong>des</strong>verband Brandenburg<br />
Goepelstraße 90 15234 Frankfurt (O<strong>der</strong>)<br />
Tel.: +49 (0) 335 60688883 1 Fax: +49 (0) 355 2808517<br />
E-Mail: vorstand.brandenburg@bdk.de 1 Internet: www,bdk.de<br />
Mitglied im<br />
Conseil Europeen <strong>des</strong><br />
Syndicats de Police<br />
Mitglied <strong>des</strong> Stifterrates<br />
Deutsches Forum <strong>für</strong><br />
Kriminalprävention
Bund Deutscher Kriminalbeamter<br />
Lan<strong>des</strong>verband Brandenburg<br />
Gleichzeitig weisen wir auf in einigen Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong>n bestehende Freiwilligkeitslösungen hin.<br />
So wurde uns aus Nie<strong>der</strong>sachsen berichtet, dass es dort jedem Polizeivollzugbeamten<br />
freigestellt ist, ein Namensschild zur Legitimation zu tragen. Interessanterweise wird dort<br />
gerade bei den uniformierten Polizeibeamten zunehmend Gebrauch von dieser<br />
Legitimationsform gemacht wird.<br />
Der BDK möchte die Möglichkeit nutzen redaktionell darauf hinzuweisen, dass es im<br />
Gesetzentwurf unterschiedliche Bezeichnungen <strong>des</strong> betroffenen Personenkreises gibt:<br />
Im Gesetzentwurf wird von Polizeivollzugsbediensteten, in <strong>der</strong> allgemeinen Begründung A<br />
von Bediensteten <strong>der</strong> Polizei (PVB/Tarifbeschäftigte) und in <strong>der</strong> Einzelbegründung B von<br />
uniformierten Polizeivollzugsbeamten gesprochen.<br />
Dieser Positionierung liegt ein Beschluss <strong>des</strong> geschäftsführenden BDK-Lan<strong>des</strong>vorstan<strong>des</strong><br />
Brandenburg vom 08.01.2011 zugrunde.<br />
Bund Deutscher Kriminalbeamter Lan<strong>des</strong>verband Brandenburg Seite 1 2
(247(. (Kai, 1üt4<br />
Bund Deutscher Kriminalbeamter<br />
Lan<strong>des</strong>verband Brandenburg<br />
BDK Lan<strong>des</strong>verband BrandenburglGoepelstraße 90 1 15234 Frankfurt (O<strong>der</strong>) Ihr/e Zeichen/Nachricht vom<br />
Ihr/e Ansprechpartner/in<br />
Peggy Wölk<br />
Funktion<br />
E-Mail<br />
yorstand.brandenburqPbdk.de<br />
Telefon<br />
+49 (0) 335 60688883<br />
+49 (0) 171 2428668<br />
Telefax<br />
+49 (0) 355 2808517<br />
Potsdam, 27.01.2011<br />
Öffentliche Anhörung / Siebentes Gesetz zur Än<strong>der</strong>ung <strong>des</strong> Brandenburgischen<br />
Polizeigesetzes / Gesetzentwurf <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> CDU / Drucksache 5/1442<br />
Donnerstag, 27. Januar 2011, <strong>Landtag</strong> Brandenburg<br />
Antworten BDK Brandenburg zum Fragenkatalog <strong>für</strong> die Anzuhörenden<br />
Bevor ich auf die Fragen eingehen möchte, beschäftigt mich eine Frage, die durch Ihr<br />
Schreiben „Gesetzentwurf <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> CDU - Drucksache 5/1442" aufgeworfen wird.<br />
Bei <strong>der</strong> Rechtsfolgenabschätzung, im Speziellen bei <strong>der</strong> Erfor<strong>der</strong>lichkeit, sprechen Sie davon,<br />
„Die Gesetzesän<strong>der</strong>ung ist unter tatsächlichen Gesichtspunkten erfor<strong>der</strong>lich."<br />
Welche tatsächlichen Gesichtspunkte gibt es denn, die eine Gesetzesän<strong>der</strong>ung<br />
erfor<strong>der</strong>lich machen? Was liegen Ihnen hierzu <strong>für</strong> Anhaltspunkte vor, die eine<br />
Kennzeichnungspflicht <strong>für</strong> Brandenburger Polizeibeamte begründen?<br />
Für welchen Personenkreis soll diese Kennzeichnungspflicht gelten? Dies geht aus dem<br />
Gesetzesentwurf nicht klar hervor!<br />
Bund Deutscher Kriminalbeamter Lan<strong>des</strong>verband Brandenburg<br />
Goepelstraße 90 1 15234 Frankfurt (O<strong>der</strong>)<br />
Tel.: +49 (0) 335 60688883 1 Fax: +49 (0) 355 2808517<br />
E-Mail: vorstand.brandenburg@bdk.de 1 Internet: www.bdk.de<br />
Mitglied Irr<br />
Conseil Europäen <strong>des</strong><br />
Syndicats de Police<br />
Mitglied <strong>des</strong> Stifterrates<br />
Deutsches Forum <strong>für</strong><br />
Kriminalprävention
Bund Deutscher Kriminalbeamter<br />
Lan<strong>des</strong>verband Brandenburg<br />
1. Welche Gründe sprechen <strong>für</strong> und welche gegen eine Kennzeichnungspflicht?<br />
Da<strong>für</strong>:<br />
- polizeiliches Handeln je<strong>des</strong> einzelnen Beamten wird transparenter<br />
- <strong>der</strong> Polizist ist <strong>für</strong> Je<strong>der</strong>mann ansprechbar<br />
Dagegen:<br />
- Die Kennzeichnungspflicht könnte den Eindruck erwecken, dass die Polizei unter<br />
Generalverdacht gestellt wird und das in einer Zeit, in <strong>der</strong> die Gewalt gegen<br />
Polizeibeamte zunimmt (siehe auch KfN-Studie).<br />
- unbeteiligte Personen erhalten den Namen eines Beamten, obwohl sie nicht Adressat <strong>der</strong><br />
Maßnahme sind<br />
- spezielle Nachnamen von Beamten sind leicht recherchierbar, (das haben wir ausprobiert<br />
und es gelingt in wenigen Minuten zu erfahren, wie <strong>der</strong> Vorname <strong>des</strong> Beamten ist und dann<br />
geht die Recherche bis zur Familie und Wohnanschrift — diesbezüglich gibt es genug<br />
Beispiele, dass bei Straftätern Anschriften von Beamten und ihren Familien gefunden<br />
wurden<br />
- polizeiliche Handlungen sind nachträglich überprüfbar, somit ist die Kennzeichnung unnötig<br />
- es besteht bereits die Ausweispflicht <strong>für</strong> Beamte und es gibt eine innerdienstliche Vorschrift,<br />
die das Aushändigen von Visitenkarten, auf Verlangen, for<strong>der</strong>t (PDV 350)<br />
- je nach Festlegung, ob Namensschil<strong>der</strong> o<strong>der</strong> Alias o<strong>der</strong> Nummern,<br />
und je nach Festlegung, ob <strong>für</strong><br />
- uniformierte Polizeivollzugsbeamte<br />
- Bedienstete <strong>der</strong> Polizei<br />
- Polizeivollzugsbedienstete<br />
Wird es dann wirklich bei geringfügigen Kosten bleiben? (Je<strong>der</strong> Beamten benötigt min<strong>des</strong>tens<br />
zwei Kennzeichnungen, <strong>für</strong> Bluse und Jacke o<strong>der</strong> Shirt und Jacke und dann auch so, dass<br />
diese nicht verloren werden kann.)<br />
Auch Polizeibeamte sind noch Grundrechtsträger und dürfen auch allein aus diesem Grunde<br />
ihr Recht (Recht auf Informationelle Selbstbestimmung) in Anspruch nehmen.<br />
2. Welche Fälle sollten von <strong>der</strong> generellen namentlichen Kennzeichnungspflicht<br />
ausgenommen werden?<br />
Abgesehen von <strong>der</strong> Grundposition einer Freiwilligkeitsregelung im uniformierten Bereich, ist<br />
<strong>der</strong> BDK <strong>der</strong> Auffassung, dass die Kriminalpolizei generell von einer Kennzeichnungspflicht im<br />
Sinne <strong>des</strong> Tragens von Namensschil<strong>der</strong>n auszunehmen ist. Nicht ohne Grund wird <strong>der</strong> Dienst<br />
auch in zivil versehen. Dieses diskrete Erscheinungsbild schützt im Übrigen auch die Bürger,<br />
mit denen die Kriminalbeamten in Kontakt treten. Immer wie<strong>der</strong> bitten Bürger sogar darum,<br />
das die Kripo sich insbeson<strong>der</strong>e im Bereich <strong>der</strong> Arbeitsstelle als solche nicht zu erkennen gibt<br />
(aus Sorge um den Arbeitsplatz bzw. Sorge im das Image <strong>der</strong> Firma).<br />
Mitarbeiter <strong>der</strong> Kripo weisen sich wie je<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Polizist auf Verlangen mit dem<br />
Dienstausweis aus, stellen sich am Telefon und bei <strong>der</strong> persönlichen Ansprache vor<br />
(Ausnahmen Spezialkräfte, ...), sind namentlich aus Anschreiben aller Art erkennbar (Name<br />
Dienstgrad, Telefonnummer und Aktenzeichen auf Vorladungen und <strong>Protokoll</strong>en) und<br />
Bund Deutscher Kriminalbeamter Lan<strong>des</strong>verband Brandenburg Seite 2
Bund Deutscher Kriminalbeamter<br />
Lan<strong>des</strong>verband Brandenburg<br />
übergeben Visitenkarten. An den Dienstzimmern stehen, wie bei den Verwaltungsbeamten<br />
die Namen.<br />
Wenn die Kripo gänzlich ausgenommen wird, stellen sich die Fragen nach den Ausnahmen im<br />
Bereich <strong>der</strong> Kripo nicht;<br />
- verdeckte Einheiten bzw Spezialeinheiten, bei denen <strong>der</strong> Schutz <strong>der</strong> Persönlichkeit <strong>des</strong><br />
Beamten erfor<strong>der</strong>lich ist<br />
Bsp.: - SEK / MEK<br />
- Fahndung / Mega<br />
- Staats- und Verfassungsschutz<br />
3. Welche Erkenntnisse gibt es über die Gefährdung von Polizeibeamten und ihren<br />
Angehörigen aufgrund einer individuellen Kennzeichnung? Liegt statistisches<br />
Material zu Übergriffen vor?<br />
- es gibt keine Erkenntnisse, da es in <strong>der</strong> polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) nicht erfasst<br />
wird<br />
- in <strong>der</strong> Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) werden lediglich die Übergriffe auf<br />
Polizeibeamten registriert, nicht die Gefährdung<br />
- Ist es überhaupt möglich bei Übergriffen auf Polizeibeamte den Zusammenhang mit <strong>der</strong><br />
individuellen Kennzeichnung zu erkennen?<br />
4. Welche Erfahrungen sind mit <strong>der</strong> Internetpräsenz <strong>der</strong> Revierpolizisten<br />
(Veröffentlichung mit Foto und vollem Namen) gemacht worden?<br />
Der Revierpolizist hat bei <strong>der</strong> Wahl seines Dienstpostens gewusst, dass er namentlich <strong>für</strong><br />
seinen Bereich bekannt sein muss. Es ist hier also von vorn herein klar, dass er überall<br />
seinen Namen und seine Erreichbarkeit hinterlässt. Der Revierpolizist ist aber auch oft nur<br />
<strong>der</strong> Ansprechpartner bei Problemen, Anzeigenaufnahmen und Herstellung von<br />
Erreichbarkeiten. Er ist selten <strong>der</strong> Beamte, wie im Wach- und Wechseldienst (WWD) <strong>der</strong><br />
Zwangsmaßnahmen durchführen muss. Es ist zu beachte, dass das Aufgabenfeld <strong>des</strong><br />
Revierpolizisten nicht mit dem Aufgabenfeld von Bereitschaftspolizei o<strong>der</strong> Wach- und<br />
Wechseldienst verglichen werden kann.<br />
5. Welche Unterschiede sehen Sie zwischen Mitarbeitern <strong>der</strong> Polizei und<br />
Verwaltungsmitarbeitern, die mit vollem Namen bekannt sind (z. B. durch<br />
Türschil<strong>der</strong> und die Unterzeichnung von Schreiben)?<br />
Wie auch bei den Verwaltungsbeamten sind Polizeibeamte durch ihre Unterschriften, mit<br />
Namen und Dienstgrad, auf Schreiben zu erkennen. Namensschil<strong>der</strong> an den Türen haben die<br />
Mitarbeiter <strong>der</strong> Kriminalpolizei auch.<br />
Der Polizist vollzieht vor Ort einen Verwaltungsakt, <strong>der</strong> keine aufschiebende Wirkung hat und<br />
ist direkt als Person da.<br />
Der Verwaltungsbeamte teilt dem Bürger mit, dass er angeschrieben wird, o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Bürger<br />
erhält ein Schreiben - dann richtet sich die Wut <strong>des</strong> Bürgers eher gegen die „Behörde" als<br />
solches, als gegen den Verwaltungsbeamten.<br />
Dem Polizisten wird oft unterstellt, dass er eine Einzelfallentscheidung trifft und die gezielt<br />
gegen den entsprechenden Bürger und wird somit zum „Wutobjekt" und direktem<br />
Angriffspartner.<br />
Bund Deutscher K rirn in albeam te r Lan<strong>des</strong>verband Brandenburg Seite I 3
Bund Deutscher Kriminalbeamter<br />
Lan<strong>des</strong>verband Brandenburg<br />
Hierbei ist es aber egal, ob er Polizist seinen Namen an <strong>der</strong> Uniform trägt o<strong>der</strong> nicht.<br />
Beamte können durch Unbeteiligte bei einer polizeilichen Maßnahme gestört werden. Durch<br />
das Ansprechen mit dem Namen, <strong>der</strong> ja ersichtlich ist, wird dies noch unangenehmer.<br />
Beamte tragen ihren Namen mit sich herum und sind so je<strong>der</strong>zeit ansprechbar.<br />
Der Verwaltungsbeamte wird außerhalb seines Büros nicht als solcher erkannt und auch nicht<br />
angesprochen.<br />
6. Wie bewerten Sie die Kennzeichnungspflicht im Hinblick auf § 36<br />
Beamtenstatusgesetz, wonach Beamtinnen und Beamte <strong>für</strong> die Rechtmäßigkeit<br />
ihrer dienstlichen Handlungen die volle persönliche Verantwortung tragen?<br />
Das ist auch jetzt schon so. Je<strong>der</strong> Beamte hat sich vor Ort auf Verlangen auszuweisen, somit<br />
erfährt <strong>der</strong> Adressat <strong>der</strong> Maßnahme den Namen <strong>des</strong> Beamten. Die Dienststelle muss <strong>der</strong><br />
Beamte allerdings benennen, da diese nirgends verzeichnet ist. Der Dienstgrad (bei<br />
uniformierten Polizisten) ist auf den Schultern ersichtlich und kann bei Interesse je<strong>der</strong>zeit<br />
nachgelesen werden. Somit ist es <strong>für</strong> jeden Bürger möglich eine polizeiliche Maßnahme -<br />
auch in Bezug auf den Beamten - rechtlich prüfen zu lassen.<br />
Gibt es im Land Brandenburg Strafanzeigen gegen Beamte, bei denen <strong>der</strong> Beamte nicht<br />
ermittelt werden konnte?<br />
Für den BDK ist es unstrittig, dass Übergriffe, jeglicher Art, aufgeklärt und geahndet werden<br />
müssen, genauso wie Angriffe auf unsere Kolleginnen und Kollegen.<br />
7. Wie bewerten Sie die Kennzeichnungspflicht im Hinblick auf den Europäischen<br />
Kodex <strong>für</strong> Polizeiethik und die Standards <strong>des</strong> Europäischen Komitees zur Verhütung<br />
von Folter und unmenschlicher o<strong>der</strong> erniedrigen<strong>der</strong> Behandlung o<strong>der</strong> Strafe?<br />
Zu diesem Punkt sollte ein Vergleich herangezogen werden: Wie viele Beamte werden im<br />
Dienst angegriffen und wie viele Anzeigen wegen Tätlichkeiten gegen Beamten gibt es?<br />
Es ist mein persönlicher Standpunkt, dass die Kennzeichnungspflicht in diesem<br />
Zusammenhang nichts än<strong>der</strong>n würde.<br />
8. Wo sollte das Namensschild angebracht werden (auf Vor<strong>der</strong>- und/o<strong>der</strong> Rückseite<br />
<strong>der</strong> Uniform, Schulter, Helm)?<br />
Bei freiwilliger Trageweise sollte <strong>der</strong> Name im Bereich <strong>der</strong> Brust angebracht werden. Eine<br />
Möglichkeit mittels Klett wäre hier gut vorstellbar, da das Namensschild so we<strong>der</strong> den<br />
Beamten noch einen Bürger verletzten kann bzw. einfach abfallen kann.<br />
Problematisch ist es lediglich nachträglich auf den wasserfesten Jacken solche<br />
Verän<strong>der</strong>ungen vorzunehmen.<br />
9. Wie bewerten Sie die Verwendung eines - ggf. wechselnden - Aliasnamens o<strong>der</strong><br />
einer Buchstaben-Nummern-Kombination?<br />
- Aliasnamen werden eher als unpraktisch bezeichnet<br />
Bund Deutscher r 1 rn Ina I be a m ter Lan<strong>des</strong>verband Brandenburg Seite i 4
Bund Deutscher Kriminalbeamter<br />
Lan<strong>des</strong>verband Brandenburg<br />
- Buchstaben-Nummern-Kombinationen sind hier eher ratsam, da die Persönlichkeitsrechte<br />
je<strong>des</strong> Beamten so gewahrt wären<br />
- es muss so aber gewährleistet sein, dass eine Verwechselung ausgeschlossen werden kann<br />
10. Wie bewerten Sie den Umstand, dass privatwirtschaftlich tätige Wachleute<br />
rechtlich verpflichtet sind, ein Namensschild zu tragen?<br />
Schön, dass die Pflicht besteht, aber es trägt kaum ein Mitarbeiter seinen Namen. Eigene<br />
Recherchen haben ergeben, dass es da<strong>für</strong> auch keine Kontrollen bzw. Strafen bei<br />
Nichteinhaltung gibt.<br />
Außerdem kann Wachschutz nicht mit Polizei verglichen werden, da sie sich lediglich im<br />
„Je<strong>der</strong>mannsrecht" befinden. Sie haben keine Befugnisse Vollzugshandlungen durchzuführen<br />
und daher rufen sie auch immer bei Feststellungen an Kontrollobjekten die Polizei.<br />
Im Nachgang zur Anhörung ist zu ergänzen, dass <strong>für</strong> den Fall <strong>der</strong> Einführung dieser<br />
Gesetzesän<strong>der</strong>ung zu bedenken ist, dass alle Beamten an<strong>der</strong>er Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong>, die<br />
zur Amtshilfe nach Brandenburg kommen und somit dem Brandenburgischen<br />
Polizeigesetz unterliegen, hier ebenfalls verpflichtet werden sich zu kennzeichnen!<br />
Dies dürfte zu erheblichen praktischen und politischen Problemen führen.<br />
Bund Deutscher Kriminatheamter Lan<strong>des</strong>verband Brandenburg Seite 1 5
,<br />
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DeutscherAnwaltVerein<br />
1511 °' 4.11<br />
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? 7. 21111 /1.<br />
Erledigt:<br />
Berlin, im Juli 2010<br />
Stellungnahme Nr. 38/2010<br />
www.anwaltverein.de<br />
Stellungnahme <strong>des</strong> Deutschen Anwaltvereins<br />
durch den Gefahrenabwehrrechtsausschuss<br />
zur<br />
For<strong>der</strong>ung einer Kennzeichnungspflicht<br />
<strong>für</strong> Polizeibedienstete<br />
Mitglie<strong>der</strong> <strong>des</strong> <strong>Ausschusses</strong>:<br />
Rechtsanwältin Dr. Heide Sandkuhl, Potsdam (Vorsitzende)<br />
Rechtsanwalt Wilhelm Achelpöhler, Münster<br />
Rechtsanwalt Prof. Dr. Matthias Dombert, Potsdam<br />
Rechtsanwalt Prof. Dr. Rainer Hamm, Frankfurt/Main<br />
Rechtsanwalt Sönke Hilbrans, Berlin<br />
Rechtsanwalt Dr. Stefan König, Berlin<br />
Rechtsanwältin Dr. Regina Michalke (Berichterstatterin)<br />
Rechtsanwältin Kerstin Oetjen, Freiburg im Breisgau<br />
Zuständig in <strong>der</strong> DAV-Geschäftsführung:<br />
Rechtsanwalt Franz Peter Altemeier<br />
DeutscherAnwaltVerein • Littenstraße 11 • D - 10179 Berlin • Tel.: (0 30) 72 61 52 - 0 • Fax: (0 30) 72 61 52 - 1 90 • dav@anwaltverein.de • www.anwaltverein.de
Seite 2 von 7<br />
Verteiler:<br />
• Bun<strong>des</strong>verfassungsgericht<br />
• Bun<strong>des</strong>gerichtshof<br />
■ Bun<strong>des</strong>anwaltschaft<br />
• Bun<strong>des</strong>kanzleramt<br />
• Bun<strong>des</strong>ministerium <strong>des</strong> Innern<br />
• Bun<strong>des</strong>ministerium <strong>der</strong> Justiz<br />
■<br />
■<br />
Rechts- und innenausschuss <strong>des</strong> Deutschen Bun<strong>des</strong>tages<br />
Arbeitskreise Recht und <strong>Inneres</strong> <strong>der</strong> im Bun<strong>des</strong>tag vertretenen Parteien<br />
• Bun<strong>des</strong>rat<br />
• Lan<strong>des</strong>justiz- und Innenministerien<br />
• Rechts- und Innenausschüsse <strong>der</strong> <strong>Landtag</strong>e<br />
• Vorstand <strong>des</strong> Deutschen Anwaltvereins<br />
• Lan<strong>des</strong>verbände <strong>des</strong> Deutschen Anwaltvereins<br />
• Vorsitzende <strong>der</strong> Gesetzgebungsausschüsse <strong>des</strong> Deutschen Anwaltvereins<br />
• Vorsitzende <strong>des</strong> FORUM Junge Anwaltschaft <strong>des</strong> DAV<br />
■ Deutscher Richterbund<br />
■ Bun<strong>des</strong>rechtsanwaltskammer<br />
• Deutscher Beamtenbund<br />
■ Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei (Bun<strong>des</strong>vorstand)<br />
■ Deutsche Polizeigewerkschaft im DBB<br />
■ Ver.di, Recht und Politik<br />
■ Humanistische Union<br />
■ Amnesty International Deutschland<br />
• Frankfurter Allgemeine Zeitung<br />
■ Süddeutsche Zeitung<br />
■ Berliner Zeitung
Seite 3 von 7<br />
Der Deutsche Anwaltverein (DAV) ist <strong>der</strong> freiwillige Zusammenschluss <strong>der</strong><br />
deutschen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte. Der DAV mit <strong>der</strong>zeit ca.<br />
67.000 Mitglie<strong>der</strong>n vertritt die Interessen <strong>der</strong> deutschen Anwaltschaft auf<br />
nationaler, europäischer und internationaler Ebene.<br />
Der DAV spricht sich <strong>für</strong> die Einführung einer allgemeinen Kennzeichnungspflicht<br />
<strong>für</strong> Polizeibedienstete aus. Eine gesetzliche Normierung <strong>der</strong> Ausweis- und<br />
Kennzeichnungspflicht von Polizeibediensteten garantiert die individuelle<br />
Zurechenbarkeit staatlichen Handelns. Sie entspricht dem Selbstverständnis<br />
einer Polizei in <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Gesellschaft, die sich als bürgernah versteht und<br />
den Bürgern offen, kommunikativ und transparent entgegentritt. Damit trägt sie<br />
zur nachhaltigen Vertrauensbildung zwischen Bürgern und Polizei bei.<br />
1. In Deutschland gibt es bis heute keine generelle und <strong>für</strong> alle Bereiche <strong>der</strong><br />
Polizeiarbeit verbindliche Kennzeichnungspflicht <strong>für</strong> Polizeibedienstete. In <strong>der</strong><br />
Vergangenheit existierten nach 1848 bis zum Beginn <strong>des</strong> 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />
Formen einer Namens- und Kennzeichnungspflicht. Diese konnte sich auf<br />
Dauer jedoch nicht durchsetzen und hat <strong>des</strong>halb we<strong>der</strong> in den<br />
Lan<strong>des</strong>polizeigesetzen in <strong>der</strong> Weimarer Republik noch in den gesetzlichen<br />
Regelungen im Nachkriegsdeutschland Eingang gefunden'.<br />
Zurzeit ist die namentliche Kennzeichnung in den Län<strong>der</strong>n im allgemeinen<br />
Dienstbetrieb entwe<strong>der</strong> auf freiwilliger Basis o<strong>der</strong>, soweit über Erlasse o<strong>der</strong><br />
Geschäftsanweisung bei bestimmten Aufgabengebieten verpflichtend, im<br />
Einvernehmen mit <strong>der</strong> jeweiligen Personalvertretung geregelt. Grundsätzlich<br />
gilt, dass auf Verlangen Name, Amtsbezeichnung und Dienststelle zu nennen<br />
sind. Zivilpolizisten haben sich im Regelfall vor dem Einschreiten durch<br />
Vorzeigen <strong>der</strong> Kriminaldienstmarke bzw. <strong>des</strong> Polizeidienstausweises zu<br />
erkennen zu geben. Bei geschlossenen Einheiten ist bun<strong>des</strong>weit we<strong>der</strong> eine<br />
Namenskennzeichnung noch die Kennzeichnung über eine Dienstnummer<br />
vorgesehen.<br />
1 vgl. hierzu Rupprecht ZRP, 1989, 93 ff.; Greifeld ZRP, 1982, 318 ff.<br />
2<br />
vgl. z.B. StPPr Nr. 1/2003 über das freiwillige Tragen von Namensschil<strong>der</strong>n bei den<br />
uniformierten Angehörigen <strong>der</strong> Polizeibehörden in Berlin v. 21.05.2003
Seite 4 von 7<br />
Die Diskussion über die generelle Einführung einer Kennzeichnungspflicht <strong>für</strong><br />
Polizeibedienstete wird seit Jahrzehnten geführt. Die Be<strong>für</strong>worter begründen<br />
dies im Wesentlichen damit, dass durch ein Namensschild das<br />
Vertrauensverhältnis zwischen Polizei und Bürgern gestärkt werde und<br />
Polizeibedienstete bei möglichen Übergriffen – insbeson<strong>der</strong>e bei Einsätzen<br />
im Rahmen von Großveranstaltungen - leichter zu identifizieren seien. Die<br />
Gegenposition führt ins Feld, dass namentlich identifizierbare Polizeibeamte<br />
– und <strong>der</strong>en Familien – ungerechtfertigten Angriffen und Bedrohungen<br />
ausgesetzt sein könnten4.<br />
3. Rechtliche Vorschriften stützen nach dem heutigen Stand <strong>der</strong> Gesetzgebung<br />
ausdrücklich we<strong>der</strong> die eine noch die an<strong>der</strong>e Position. Insbeson<strong>der</strong>e aus dem<br />
Verfassungsrecht wird ganz überwiegend keine Verpflichtung zur<br />
namentlichen Kennzeichnung von Polizeibediensteten abgeleitet. Dies gilt<br />
umgekehrt auch <strong>für</strong> den Verzicht auf die Kennzeichnung: Das Grundrecht auf<br />
informationelle Selbstbestimmung gewährt Polizeibeamten kein Recht i.S.<br />
einer uneinschränkbaren Herrschaft über ihre persönlichen Daten; denn<br />
diesem Grundrecht sind durch das Allgemeininteresse Grenzen gesetzt. Die<br />
Bürger haben ein Interesse daran, <strong>der</strong> Polizei als Teil einer transparenten<br />
staatlichen Verwaltung zu begegnen und ihr Gegenüber in Uniform ggf. auch<br />
namhaft machen zu können. Diese legitime Zielsetzung wird gerade mit <strong>der</strong><br />
Namenskennzeichnung von Polizeibeamten verfolgt5.<br />
Die gesetzliche Normierung <strong>der</strong> Kennzeichnungspflicht dürfte sich aber auf<br />
das Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit <strong>der</strong> Rechtsschutzgarantie stützen<br />
lassen. Die namentliche Kennzeichnung <strong>der</strong> Polizeibediensteten ermöglicht<br />
die individuelle Zurechenbarkeit von hoheitlichem staatlichem Handeln. Damit<br />
wird das Rechtsstaatsprinzip nicht nur in dem Sinne konkretisiert. dass damit<br />
generell die Anonymität <strong>der</strong> Staatsmacht gegenüber dem Einzelnen<br />
eingeschränkt wird. Vielmehr noch: Die Identifizierung <strong>des</strong> einzelnen<br />
Polizisten ermöglicht einen effektiven Rechtsschutz von Bürgerinnen und<br />
Bürgern, die sich durch (Zwangs-)Maßnahmen von Polizeibediensteten in<br />
3<br />
vgl. hierzu den Gesetzentwurf <strong>der</strong> Fraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE<br />
LINKE „Bürgerfreundliche Polizei", Schleswig-Holsteinischer <strong>Landtag</strong>, Drs. 17/251<br />
4<br />
vgl. hierzu z.B. Stellungnahme <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>vorstands <strong>der</strong> Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei v.<br />
18.03.2010; DIE POLIZEI 1970, 38 f., 1971, 193 und 1981, 161 f.<br />
5<br />
vgl. Rupprecht ZRP, 1989, 93 ff. m.w.Nachw.
Seite 5 von 7<br />
ihren Rechten verletzt sehen. Das Bun<strong>des</strong>verfassungsgericht hat sich<br />
mehrfach zur Bedeutung <strong>der</strong> aus dem Rechtsschutzprinzip abgeleiteten<br />
Rechtsschutzgarantie geäußert'. Diese Entscheidungen betrafen zwar im<br />
Wesentlichen Fragen <strong>des</strong> Zugangs zu Gerichten. Für die juristische Prüfung<br />
<strong>der</strong> Frage, ob z.B. die Anwendung körperlicher Gewalt von<br />
Polizeibediensteten eine gerechtfertigte Maßnahme unmittelbaren Zwangs<br />
o<strong>der</strong> rechtswidrige Polizeigewalt darstellt, kommt jedoch <strong>der</strong> Feststellung <strong>der</strong><br />
Identität von Polizeibediensteten eine gleichwertige hohe Bedeutung zu. Sie<br />
stellt den Ausgangspunkt strafrechtlicher Ermittlungen gegen eine konkrete<br />
Person dar. Dadurch wird Kontrolle und Sanktionierung <strong>des</strong> polizeilichen<br />
Handelns überhaupt erst ermöglicht.<br />
So führt das Bun<strong>des</strong>verfassungsgericht in seinem Beschluss vom 4. Februar<br />
2010 (2 BvR 2397/06) unter Bezugnahme auf die Artikel 1 und 2 EMRK und<br />
die Rechtsprechung <strong>des</strong> EGMR zur effektiven Strafverfolgung und<br />
Täterermittlung in Randnummer 20 aus:<br />
„Wirksame Ermittlungen setzen voraus, dass bestimmte<br />
Bedingungen erfüllt sind. Die Ermittlungen müssen zum einen<br />
prompt, umfassend, unvoreingenommen und gründlich sein (vgl.<br />
EGMR, McCann u.a./Vereinigtes Königreich, a.a.O., Rn. 162). Sie<br />
müssen darüber hinaus geeignet sein, zur Identifizierung und<br />
Bestrafung <strong>der</strong> verantwortlichen Person zu führen (vgl. EGMR,<br />
Entscheidung vom 20. Mai 1999, Nr. 21554/93, Ogur/Türkei, NJW<br />
2001, S. 1991 )".<br />
Dass es Anlass zu Kontrolle und Überprüfung <strong>der</strong> Handlungsweise <strong>der</strong><br />
Polizei geben kann, vermerkt nicht zuletzt die Organisation Amnesty<br />
International, die in einem Bericht <strong>der</strong> Sektionskogruppe Polizei vom<br />
17.03.2007 7 und in ihrem jüngsten Deutschlandbericht „Täter unbekannt"'<br />
darauf hinweist, dass auch in Deutschland häufig im Zuge von polizeilichen<br />
6 BVerfGE 116, 24 ff. [52]; 116, 69 ff. [88]; 112, 185 ff. [207]; 117, 71 ff. [121]; BVerfGK 9,<br />
295 ff. [304]<br />
7 http://www.amnestyp<br />
olizei.de/d/wpcontent/uploads/kennzeichnungspflicht_positionspapier finale.pdf<br />
Amnesty Deutschlandbericht 2010 – „Täter unbekannt", Juli 2010, Art.Nr.21710,<br />
abrufbar unter:<br />
http://www.amnesty-polizei.de/d/wp-content/uploads/Polizeibericht-Deutschland-2010.pdf
Seite 6 von 7<br />
Einsätzen bei Demonstrationen und Großveranstaltungen Vorwürfe von<br />
rechtswidrigen Übergriffen <strong>der</strong> Polizei auf Einzelne laut werden und die<br />
fehlende Identifizierung dazu führt, dass die strafrechtliche Sanktion<br />
unterbleiben muss 9 . Die Organisation verbindet diese Feststellung mit <strong>der</strong><br />
Empfehlung an die Innenministerien in Deutschland, die Polizeibediensteten<br />
während ihrer dienstlichen Tätigkeit zu verpflichten, Namensschil<strong>der</strong> o<strong>der</strong><br />
Dienstnummern zu tragen19.<br />
Zwar kam das „Zur Frage <strong>der</strong> Einführung einer individuellen<br />
Kennzeichnungspflicht bei uniformierten Bediensteten" erstattete Gutachten<br />
aus dem Jahr 2008 u.a. zum Ergebnis, dass eine namentliche Identifizierung<br />
lediglich in ca. 9 % <strong>der</strong> zur Anzeige gebrachten Fälle erleichtert worden wäre.<br />
Allerdings verzichteten die meisten Geschädigten auf eine Anzeige gegen<br />
Unbekannt12.<br />
Die namentliche Kennzeichnung <strong>der</strong> Polizeibediensteten hat u.a. zur Folge,<br />
dass <strong>der</strong>en Dienstausübung im konkreten Einzelfall leichter überprüfbar und<br />
damit kontrollierbar ist. Dies ist – entgegen vor allem <strong>der</strong> Auffassung von<br />
polizeilichen Verbänden und . Gewerkschaften <strong>der</strong> Polizei – nicht<br />
gleichzusetzen mit einem „pauschalen Misstrauensvotum und einer<br />
Diskriminierung <strong>der</strong> Schutzpolizei". Eines <strong>der</strong> tragenden Prinzipien <strong>des</strong><br />
demokratischen Rechtsstaats ist die Kontrollierbarkeit staatlicher Macht. Die<br />
Polizei mit ihren weitreichenden (auch Zwangs-)Befugnissen muss sich<br />
dieser Kontrolle stellen. Der Europäische Kodex <strong>für</strong> Polizeiethik (,,European<br />
Code of Police Ethics") <strong>des</strong> Europarats, dem sich Deutschland verpflichtet<br />
hat, spricht sich <strong>des</strong>halb unter Berufung auf die polizeiliche<br />
Rechenschaftspflicht <strong>für</strong> eine Kennzeichnung <strong>der</strong> amtlichen Identität aus.<br />
9 Amnesty International Deutschlandbericht 2010, a.a.O., S. 74 ff. mit Beispielsfällen<br />
10 jüngst bekräftigt in Amnesty International Deutschlandbericht 2010, a.a.O., 5. 109<br />
11<br />
Rogall, Klaus, Zur Frage <strong>der</strong> Einführung einer individuellen Kennzeichnungspflicht bei<br />
uniformierten Polizeibediensteten, Gutachten erstattet im Auftrag <strong>des</strong> Polizeipräsidenten<br />
in Berlin, 2008<br />
12<br />
Amnesty international Deutschlandbericht 2010, a.a.O., S. 70 ff.
Seite 7 von 7<br />
Diese Form von rechtsstaatlicher Verantwortbarkeit wird in <strong>der</strong> Praxis von<br />
den meisten Polizeibeamten auch längst als Teil <strong>des</strong> Berufsethos<br />
verstanden'.<br />
4. Polizeibedienstete sind bei Großveranstaltungen in geschlossenen Einsätzen<br />
oftmals vor beson<strong>der</strong>e Herausfor<strong>der</strong>ungen gestellt, die nicht immer nur<br />
friedlich und durch bloße verbale Kommunikation zu klären sind. Das ist kein<br />
Grund, auf eine Kennzeichnung, und sei es auch nur eine zur Identifizierung<br />
geeignete überschaubare Buchstaben- und Zahlenkombination, zu<br />
verzichten. Gerade in konfliktgeneigten Situationen, in denen von <strong>der</strong> Polizei<br />
auch Zwangsmittel eingesetzt werden können, sollte es auch im Interesse <strong>der</strong><br />
Polizei selbst liegen, den Bürgern nicht als Teil einer anonymen Staatsmacht<br />
entgegen zu treten. Dieses konterkarierte nicht zuletzt ihre Bemühungen um<br />
Bürgernähe an an<strong>der</strong>er Stelle.<br />
Selbst die namentliche Kennzeichnung muss nicht zu einer Zunahme von<br />
rechtwidrigen Drohungen o<strong>der</strong> Klagen gegen Polizeibedienstete führen muss,<br />
zeigen die jahrzehntelangen Erfahrungen, die in den USA, und dort vor allem<br />
in den Metropolen, mit Namenskennzeichen gesammelt wurden. In den USA<br />
tragen Polizeibeamte seit 1975 neben einem Namensschild zumeist<br />
zusätzlich noch eine Personalnummer. Ursprüngliche Proteste seitens <strong>der</strong><br />
Gewerkschaften insbeson<strong>der</strong>e im Hinblick darauf, dass die namentliche<br />
Kennzeichnung zu unbegründeten Klagen gegen Polizeibeamte führte und<br />
diese dadurch verstärkt Belästigungen ausgesetzt würden, erwiesen sich als<br />
unbegründet. Bei Untersuchungen fand man z.B. in New York keinen Hinweis<br />
auf ein Anwachsen von rechtwidriger Bedrohung von Polizeibeamten.<br />
Gleiches galt <strong>für</strong> Detroit und Los Angeles. Die Behörde von Los Angeles sah<br />
es sogar als erwiesen an, dass die positive Einstellung <strong>der</strong> Bürger zur Polizei<br />
verstärkt wurde14.<br />
13<br />
vgl. hierzu den Antrag <strong>der</strong> Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur „Individuellen<br />
Kennzeichnung bei <strong>der</strong> Polizei", Abgeordnetenhaus Berlin, Durchs. 16/0225 vom<br />
01.02.2007, S. 3; vgl. auch die Diskussion im Abgeordnetenhaus von Berlin, 7. <strong>Sitzung</strong> v.<br />
22.02.2007, S. 490 ff.; vgl. weiter: Drs. 16/0623 und 16/0711 <strong>des</strong> Abgeordnetenhaus von<br />
Berlin<br />
14 Greifeid, ZRP 1982, 318 ff.
Anlage AD<br />
EINGEGANGEN<br />
2 5. JAN. 20111,/j2<br />
Erledigt . lj1.4..L 9<br />
STELLUNGNAHME VON AMNESTY INTERNATIONAL ZUM<br />
GESETZENTWURF DER FRAKTION DER CDU DRUCKSACHE 5/1442<br />
ZUM SIEBENTEM GESETZ ZUR ÄNDERUNG DES<br />
BRANDENBURGISCHEN POLIZEIGESETZES<br />
Berlin, 21.01.201 1<br />
Amnesty International bedankt sich <strong>für</strong> die Möglichkeit <strong>der</strong> Stellungnahme.<br />
Amnesty International ist eine internationale Bewegung, die sich <strong>für</strong> die Achtung und den Schutz <strong>der</strong><br />
Menschenrechte auf Grundlage <strong>der</strong> Allgemeinen Erklärung <strong>der</strong> Menschenrechte einsetzt. Die Polizei als<br />
Hüterin <strong>des</strong> Gewaltenmonopols <strong>des</strong> Staates ist zentral <strong>für</strong> den Schutz <strong>der</strong> Menschenrechte. Die Polizei<br />
bedarf aber auch <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>en Transparenz und Kontrolle, da sie als einziges Staatsorgan befugt ist,<br />
unmittelbare Gewalt auszuüben.<br />
Amnesty International ist sich <strong>der</strong> Tatsache bewusst, dass Polizeibeamte in Deutschland eine<br />
schwierige, gefährliche und oft mit großen persönlichen Risiken verbundene Aufgabe erfüllen und dass<br />
die große Mehrheit von ihnen ihren Pflichten professionell und im Einklang mit den Gesetzen erfüllt.<br />
Dennoch ist es notwendig, anzuerkennen, dass Fehler und Fehlverhalten vorkommen können und auch<br />
tatsächlich vorkommen. Solche Vorwürfe müssen umfassend aufgeklärt werden.<br />
Amnesty International begrüßt den Gesetzentwurf <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> CDU zur Än<strong>der</strong>ung <strong>des</strong><br />
Brandenburgischen Polizeigesetzes. Amnesty International for<strong>der</strong>t seit vielen Jahren die Einführung<br />
einer individuellen Kennzeichnungspflicht von Polizeibeamten, um die individuelle Verantwortlichkeit<br />
von Polizeibeamten zu stärken.<br />
Zu den aufgeworfenen Fragen nimmt Amnesty International wie folgt Stellung<br />
1. WELCHE GRÜNDE SPRECHEN FÜR UND WELCHE GEGEN EINE KENNZEICHNUNGSPFLICHT?<br />
Nach Auffassung von Amnesty International sprechen insbeson<strong>der</strong>e fünf Gründe <strong>für</strong> die Einführung <strong>der</strong><br />
Kennzeichnungspfl icht.<br />
(1) Rechtswidriges Verhalten von Polizeibeamten kann geahndet werden<br />
Die individuelle Erkennbarkeit eines Polizeibeamten ist Voraussetzung <strong>für</strong> die Durchführung effektiver<br />
Ermittlungsverfahren bei Vorwürfen wegen Misshandlungen o<strong>der</strong> unverhältnismäßiger<br />
Gewaltanwendung durch Polizeibeamten. Der Europäische Gerichtshof <strong>für</strong> Menschenrechte (EGMR) hat<br />
immer wie<strong>der</strong> unterstrichen, dass solche Ermittlungsverfahren nur dann effektiv sind, wenn sie zur<br />
Identifizierung <strong>des</strong> Täters führen. Insbeson<strong>der</strong>e, wenn Polizistinnen in geschlossenen Einheiten<br />
vgl. z. B. Ogur ./. Türkei, Urteil <strong>der</strong> Großen Kammer vom 20. Mai 1999, Rn. 88, und finucane./. Großbritannien, Urteil<br />
vom 1. Juli 2003, Rn, 67.<br />
AMNESTY INTERNATIONAL Sektion <strong>der</strong> Bun<strong>des</strong>republik Deutschland e. V.<br />
Lan<strong>der</strong> und Asyl Postfach 58 01 62 10411 Berlin<br />
HAUSANSCHRIFT Greifswal<strong>der</strong> Straße 4 . 10405 Berlin<br />
T: +49 30 420248-400. F: +49 30 420248-444 . E: asylearrinesty.de . www.amnesty.de<br />
SPENDENKONTO 80 90 100 . Bank <strong>für</strong> Sozialwirtschaft . BLZ 370 205 00<br />
AMNESTY<br />
INTERNATIONAL
SEITE 2 / 5<br />
agieren, scheitern Ermittlungsverfahren daran, dass nicht festgestellt werden kann, welcher Polizist<br />
o<strong>der</strong> welche Polizistin unverhältnismäßige Gewalt angewendet hat.2<br />
Amnesty International hat auch in Deutschland festgestellt, dass immer wie<strong>der</strong> Ermittlungen wegen<br />
mutmaßlicher rechtswidriger Polizeigewalt <strong>des</strong>wegen nicht geführt werden konnten, weil <strong>der</strong><br />
mutmaßliche Täter nicht identifiziert werden konnte.' Werden beteiligte Polizeibeamte einer<br />
mutmaßlichen Anwendung rechtswidriger Gewalt nicht identifiziert, handelt es sich um eine<br />
unzureichend effektive Ermittlung und damit um eine Menschenrechtsverletzung,'<br />
Die fehlenden o<strong>der</strong> unzureichenden Ermittlungen können zudem zur Straflosigkeit von beteiligten<br />
Polizisten o<strong>der</strong> Polizistinnen führen und bei dem Betroffenen den Eindruck erwecken, dass<br />
Polizeibeamte straffrei bleiben.<br />
Die Identifizierbarkeit eines Polizeibeamten o<strong>der</strong> einer Polizeibeamtin ist wesentliche Voraussetzung <strong>für</strong><br />
die Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit ihres Handelns zu überprüfen. Nach den Beamtengesetzen <strong>des</strong><br />
Bun<strong>des</strong> und <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> tragen auch Polizistinnen die „volle persönliche Verantwortung" <strong>für</strong> die<br />
Rechtmäßigkeit ihrer dienstlichen Handlungen. 5 Verantwortlichkeit heißt, dass sie <strong>für</strong> rechtswidrige<br />
Maßnahmen schadensersatzpflichtig sind, dass gegen sie Strafverfahren eingeleitet werden können und<br />
dass ihr Fehlverhalten disziplinarisch geahndet werden kann. Das alles gilt selbst dann, wenn sie auf<br />
Befehl gehandelt haben.<br />
(2) Die individuelle Kennzeichnungspflicht stärkt die Transparenz polizeilicher Arbeit<br />
Durch die individuelle Kennzeichnungspflicht wird die Transparenz polizeilicher Arbeit erhöht, denn <strong>für</strong><br />
den Betroffenen wird deutlich, wer handelt. Wie in <strong>der</strong> Begründung <strong>des</strong> Gesetzentwurfs zu Recht<br />
ausgeführt wird, bedeutet die Kennzeichnungspflicht, dass die Bürger und Bürgerinnen keiner<br />
anonymen Staatsgewalt gegenüberstehen.<br />
(3) Verbesserung <strong>der</strong> Fehlerkultur <strong>der</strong> Polizei<br />
Die Einführung einer individuellen Kennzeichnungspflicht kann auch zu einer Verbesserung <strong>der</strong><br />
Fehlerkultur führen, weil sie die individuelle Verantwortlichkeit stärkt und dazu beiträgt, Beschwerden<br />
von Bürgern und Bürgerinnen umfassend aufzuarbeiten. Für die Polizei ist es von großer Bedeutung,<br />
eine angemessene Fehlerkultur zu etablieren, um sicherzustellen, dass die Polizei als Institution aus<br />
Fehlern lernen kann und Fehlentwicklungen möglichst schnell entgegen treten kann.<br />
(4) Vertrauen <strong>der</strong> Bevölkerung in die Arbeit <strong>der</strong> Polizei<br />
Durch die individuelle Kennzeichnungspflicht wird auch das Vertrauen <strong>der</strong> Öffentlichkeit in die Polizei<br />
gestärkt. Durch eine Kennzeichnung tritt die Polizei selbstbewusst in <strong>der</strong> Öffentlichkeit auf und das<br />
Verhältnis zu Bürgerinnen und Bürgern verbessert sich. Die wichtige Arbeit <strong>der</strong> Polizei kann durch<br />
einen persönlichen Bezug auch mehr Anerkennung erfahren.<br />
2<br />
vgl. Ramsahai und An<strong>der</strong>e .1 Die Nie<strong>der</strong>lande, Urteil vom 15.05,2007, Nr. 324, Selmouni .1. Frankreich, Urteil vom<br />
28.07,1999, Rn.79.<br />
3<br />
vgl. Amnesty International: "Täter unbekannt - Mangelnde Aufklärung von mutmaßlichen Misshandlungen durch die<br />
Polizei in Deutschland", allgemein: Die<strong>der</strong>ichs, Otto: Never ending story. Kennzeichnung von Polizeibeamten. Bürgerrechte &<br />
Polizei 94 (372009), S. 58 - 65.<br />
4<br />
vgl. Makaratzis ./. Griechenland, Urteil vom 20.12.2004, Rn, 76.<br />
5<br />
vgl. § 56 Bun<strong>des</strong>beamtengesetz, ähnlich in den Lan<strong>des</strong>beamtengesetzen.<br />
AINTmERNNATNAy,
SEITE 3/5<br />
Zwar genießt die Polizei sehr großes Vertrauen <strong>der</strong> Bevölkerung. Das Vertrauen wird aber dann<br />
erschüttert, wenn eine Person eine Beschwerde gegen einen Polizeibeamten erhebt und dieser<br />
Beschwerde nicht nachgegangen werden kann, weil <strong>der</strong> handelnde Polizist nicht identifiziert werden<br />
konnte. Dies haben Betroffene unserer Organisation immer wie<strong>der</strong> berichtet. Exemplarisch da<strong>für</strong> steht<br />
folgen<strong>des</strong> Zitat einer jungen Frau, die am 1. Mai 2007 in Berlin so geschlagen wurde, dass eine Rippe<br />
brach.<br />
„Noch heute empfinde ich tiefe Hilflosigkeit, weil es nicht möglich war, die fraglichen Polizeibeamten<br />
ausfindig zu machen und <strong>für</strong> ihr Fehlverhalten zur Verantwortung zu ziehen."<br />
Diese Frau war gegen 23 Uhr auf dem Heimweg in Berlin gewesen. Sie ging dabei eine Straße entlang,<br />
wo eine Gruppe von Demonstranten und die Polizei waren. Aus einer Gruppe von 13 Polizisten heraus<br />
wurde sie von einem Polizeibeamten mit einem Schlagstock so geschlagen, dass eine Rippe brach und<br />
sie drei Wochen lang arbeitsunfähig war, Es handelte sich bei ihr übrigens um eine ehemalige<br />
Mitarbeiterin von Amnesty International.<br />
(5) Schutz vor falschen Anschuldigungen<br />
Die individuelle Kennzeichnungspflicht schützt aber auch die Polizeibeamten selbst, denn diese<br />
können besser von Zeugen identifiziert werden. Dadurch wird ihre Entlastung sowie die Anerkennung<br />
guter Arbeit einfacher. Zudem wird es leichter, „schwarze Schafe" in <strong>der</strong> mehrheitlich gute Arbeit<br />
leistenden Polizei zu identifizieren und zur Verantwortung zu ziehen. Auch dadurch wird das gute<br />
Ansehen <strong>der</strong> Polizei gestärkt.<br />
2.SOLLTE ES AUSNAHMEN VON DER NAMENTLICHEN KENNZEICHNUNGSPFLICHT GEBEN?<br />
Aus <strong>der</strong> Sicht von Amnesty International muss sichergestellt werden, dass die individuelle<br />
Kennzeichnungspflicht den einzelnen Polizeibeamten nicht gefährdet. Deswegen sollte eine Ausnahme<br />
<strong>der</strong> namentlichen Kennzeichnungspflicht dann möglich sein, wenn es begründete Anhaltspunkte da<strong>für</strong><br />
gibt, dass <strong>der</strong> Polizeibeamte durch die Preisgabe seines Namens gefährdet sein könnte. In diesen<br />
Situationen muss aber eine an<strong>der</strong>e Form <strong>der</strong> individuellen Kennzeichnung sichergestellt werden, die<br />
gewährleistet, dass die Handlungen einzelnen Polizeibeamten zugeordnet werden können.<br />
3.WELCHE ERKENNTNISSE GIBT ES ÜBER DIE GEFÄHRDUNG VON POLIZEIBEAMTEN UND IHREN ANGEHÖRIGEN AUFGRUND EINER<br />
INDIVIDUELLEN KENNZEICHNUNGSPFLICHT?<br />
Amnesty International hat keine Erkenntnisse über eine Gefährdung durch die Kennzeichnungspflicht.<br />
Auch die Polizei Berlin teilte <strong>der</strong> Organisation mit, dass es durch die Einführung <strong>der</strong> individuellen<br />
Kennzeichnungspflicht bei SEK-Beamten zu keiner erhöhten Gefährdung gekommen sei.<br />
5. WELCHE UNTERSCHIEDE SEHEN SIE ZWISCHEN MITARBEITERN DER POLIZEI UND VERWALTUNGSMITARBEITERN, DIE MIT<br />
VOLLEM NAMEN BEKANNT SIND?<br />
Amnesty International ist sich <strong>der</strong> Tatsache bewusst, dass Polizeibeamte in Deutschland eine<br />
schwierige, gefährliche und oft mit großem persönlichen Risiken verbundene Aufgabe erfüllen.<br />
Deswegen ist es von großer Bedeutung, sicherzustellen, dass Polizeibeamte durch das Tragen eines<br />
Namens n icht gefährdet werden,<br />
Amnesty International weist aber auch darauf hin, dass auch an<strong>der</strong>e Berufsgruppen, die durch ihr Amt<br />
gefährdet sind, mit ihrem Namen auftreten müssen. Dies gilt nicht nur <strong>für</strong> Richter und Richterinnen<br />
und Staatsanwälte und Staatsanwältinnen, son<strong>der</strong>n selbst <strong>für</strong> Angehörige <strong>der</strong> Bun<strong>des</strong>wehr, auch wenn<br />
diese im Ausland im Einsatz sind. Privatwirtschaftlich tätigen Wachleuten ist rechtlich vorgeschrieben,<br />
AiNTIVI ERNNAU)TNAYL
SEITE 4 / 5<br />
ein Namensschild zu tragen', Taxifahrerinnen müssen in manchen Regionen ein Namensschild in<br />
ihrem Fahrzeug anbringen.<br />
In an<strong>der</strong>en Staaten tragen Polizeibeamte bereits verpflichtend eine individuelle Kennzeichnung. In<br />
Großbritannien ist das Tragen von individuellen identifikationsnummern auf den Schulterklappen von<br />
Polizistinnen bereits langjährige Praxis. Bei <strong>der</strong> Londoner Metropolitan Police ist das je<strong>der</strong>zeit sichtbare<br />
Tragen von individuellen ID Nummern auf den Schulterklappen Teil <strong>der</strong> Uniformordnung.<br />
Zuwi<strong>der</strong>handlungen sind daher ein Verstoß gegen die Standards professionellen Verhaltens und können<br />
disziplinarrechtlich verfolgt werden.7<br />
Auch bei einigen Polizeien in Spanien besteht seit einigen Jahren eine Kennzeichnungspflicht <strong>für</strong><br />
Polizistinnen aller Einheiten mit sichtbar auf <strong>der</strong> Uniform angebrachten, individuellen<br />
identifikationsnummern." Dies sind die Policia Nacional und die Guardia Civil auf Bun<strong>des</strong>ebene und<br />
auf regionaler Ebene die Polizei von Katalonien.<br />
In Kanada und den USA werden individuelle Kennzeichnungen auf unterschiedliche Weise verwirklicht:<br />
In den kanadischen Städten Vancouver, London und Fre<strong>der</strong>icton werden Namensschil<strong>der</strong> benutzt, in<br />
Toronto ist <strong>der</strong> Name verpflichtend auf die Polizeiuniformen aufgenäht. In den USA sind<br />
Namensschil<strong>der</strong> in Florida und New York City Standard.<br />
6. BEWERTUNG DER KENNZEICHNUNGSPFLICHT IM HINBLICK AUF § 36 BEAMTENSTATUTGESETZ, DER NORMIERT, DASS BEAMTE<br />
PERSÖNLICH VERANTWORTLICH SIND FÜR IHRE HANDLUNGEN<br />
Amnesty International hat im Laufe <strong>der</strong> Recherche immer wie<strong>der</strong> festgestellt, dass Fälle mutmaßlicher<br />
rechtswidriger Polizeigewalt <strong>des</strong>wegen nicht aufgeklärt werden konnte, weil <strong>der</strong> handelnde<br />
Polizeibeamte nicht identifiziert werden konnte. Dies unterminiert die in § 36 Abs. 1 <strong>des</strong><br />
Beamtenstatusgesetzes normierte persönliche Verantwortung <strong>des</strong> Beamten. Die individuelle<br />
Kennzeichnungspflicht stärkt dagegen die persönliche Verantwortung <strong>des</strong> Beamten.<br />
7. KENNZEICHUNGSPFLICHT IM HINBLICK AUF DEN EUROPÄISCHEN KODEX FÜR POLIZEIETHIK UND DIE STANDARDS DES<br />
EUROPÄISCHEN KOMITEES ZUR VERHÜTUNG VON FOLTER UND UNMENSCHLICHER ODER ERNIEDRIGENDER BEHANDLUNG ODER<br />
STRAFE<br />
Der Europäische Kodex <strong>für</strong> Polizeiethik <strong>des</strong> Europarates 9 , <strong>der</strong> vom Ministerrat <strong>des</strong> Europarats<br />
angenommen wurde und <strong>des</strong>wegen ein hohes Maß an Verbindlichkeit hat, betont die persönliche<br />
Verantwortlichkeit und die Rechenschaftspflicht von Polizeibeamtinnen <strong>für</strong> ihr eigenes Tun und<br />
Unterlassen.'° Zudem verweist <strong>der</strong> Kodex auf die Notwendigkeit von Polizeibeamtinnen, sich während<br />
<strong>der</strong> Ausübung ihres Dienstes grundsätzlich, sowohl als Mitglied <strong>der</strong> Polizei als auch seine berufliche<br />
Identität auszuweisen." „Ohne die Möglichkeit einem Polizisten/-in persönlich zu identifizieren, wird<br />
<strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> Rechenschaftspflicht aus <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong> Öffentlichkeit sinnentleert."12<br />
Auch das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher o<strong>der</strong> erniedrigen<strong>der</strong><br />
Behandlung o<strong>der</strong> Strafe (CPT) weist in seinen Standards explizit darauf hin, wie wichtig die Möglichkeit<br />
6<br />
§ 9 Abs. 1 Satz 1 Bewachungsverordnung.<br />
7<br />
Diese Standards sind festgelegt in den Police (Conduct) Regulations 2008, Statutory Instruments 2008, Police, England<br />
And Wales, Ne. 2864.<br />
8<br />
vgl. Amnesty International, Spain: Adding Insult to Injury: Police Impunity Two Years On. 2009, EUR 41/010/2009 : S. 7.<br />
9<br />
The European Code of Police Ethics, Council of Europe, 19.09.2001, Rec(2001)10, Rn, 61.<br />
10<br />
vgl. The European Code of Police Ethics, Council of Europe, 19.09,2001, Rec(2001)10, Nr, 16.<br />
11<br />
ebd. Nr,45,<br />
12<br />
ebd. Nr. 45, Kommentar.<br />
AM N ESTY<br />
INTERNATIONAL
SEITE 5 / 5<br />
<strong>der</strong> Identifizierung von Polizeibeamtinnen ist, insbeson<strong>der</strong>e wenn es um die Vermeidung von<br />
Misshandlungen in Polizeigewahrsam geht." Das CPT unterstreicht, dass die Vermummung von<br />
Polizistinnen im Dienst nur in absoluten Ausnahmefällen gestattet sein kann, da hierdurch die<br />
Identifikation eines polizeilichen Täters nur schwer möglich ist»<br />
Vor diesem Hintergrund begrüßt Amnesty International die individuelle Kennzeichnungspflicht, Auch<br />
<strong>der</strong> Europäische Menschenrechtskommissar Thomas Hammarberg hat hervorgehoben, dass die<br />
individuelle Erkennbarkeit von Polizeibeamten aus menschenrechtlicher Sicht von großer Bedeutung<br />
ist. Dies hat er zuletzt in einem Brief an den Bun<strong>des</strong>innenminister de Maiziere vom 1 5.1 1.2010<br />
hervorgehoben.' 5<br />
8.WO SOLLTE DAS NAMENSSCHILD ANGEBRACHT WERDEN?<br />
Das Namensschild o<strong>der</strong> aber eine an<strong>der</strong>e individuelle Kennzeichnung sollte so angebracht werden, dass<br />
sie auch in unübersichtlichen Situationen noch lesbar sind. Sollte statt <strong>des</strong> Namens eine Nummer<br />
gewählt werden, dann sollte diese so gewählt werden, dass sie leicht zu merken ist.<br />
9.WIE BEWERTEN SIE DIE VERWENDUNG EINES - GGF. WECHSELNDEN - ALIASNAMENS ODER EINER BUCHSTABEN-NUMMERN-<br />
KOMBINATION?<br />
Amnesty International begrüßt jede Form <strong>der</strong> individuellen Kennzeichnung, Die Form <strong>der</strong><br />
Kennzeichnung sollte so gewählt werden, dass sichergestellt ist, dass sie einem einzelnen Polizisten<br />
zugeordnet ist. Sie sollte zudem leicht einprägsam sein und an einer Stelle <strong>der</strong> Uniform angebracht<br />
werden, an <strong>der</strong> sie deutlich zu erkennen ist.<br />
13<br />
Europäisches Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher o<strong>der</strong> erniedrigen<strong>der</strong> Behandlung o<strong>der</strong> Strafe (CPT),<br />
CPT Standards, CPT/Inf/E (2002) 1 - Rev. 2006, Deutsch, S. 92, Nr. 33-34,<br />
14<br />
vgl. ebd. S. 92 Nr. 34.<br />
15<br />
Veröffentlicht unter><br />
https://wcd.coe, i nt/wcd/com. instranet. I nstraServiet?command-com ,instranet CmdBlobGet& I nstraneti m<br />
age= 1 728 763&SecMode=1 &Docid- 1 669020&Usage= 2.<br />
1AN Ti V E 1R N AET SI TN AYL
HUMANISTISCHE UNION e.V. Lan<strong>des</strong>verband Berlin-Brandenburg<br />
Haus <strong>der</strong> Demokratie und Menschenrechte, Greifswal<strong>der</strong> Str. 4, 10405 Berlin<br />
ELNGEGANGEN<br />
f,Z , JAN. 2G11<br />
Ertedigt: ,<br />
TiAdzietihi:te<br />
Tel.: 030 / 204 25 04<br />
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Bürozeiten: Mi 16-19h<br />
Aktiventreffen jeden 1. Mi ab 20h<br />
Geschäftsführung Berlin-Brandenburg:<br />
Anja Heinrich<br />
E-Mail:<br />
berlin@ humanistische-union.de<br />
WWW:<br />
kur':// berlin. humanistische-union.de<br />
Stellungnahme <strong>der</strong> Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union e.V.<br />
Lan<strong>des</strong>verband Berlin-Brandenburg<br />
anlässlich <strong>der</strong> Öffentlichen Anhörung<br />
<strong>des</strong> <strong>Ausschusses</strong> <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> am 27. Januar 2011 zum<br />
Aniage 44<br />
Bun<strong>des</strong>vorstand: Beiratsmitglie<strong>der</strong>: Dr. Heinrich Hannover Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, MdB Werner Vüt<br />
Prof, Dr, Rosemarie Will, Vorsitzende Prof. Edgar Banger Dr. Detlef Hensche Dr. Till Müller-Heidelberg Heidemarie Wieczorek-Zeul, MdB<br />
Tobias Baur Prof. Dr. Thea Bauriedl Prof. Dr. Hartmut von Heutig Prof. Dr. Heide Pfarr Prof. Dr. Alexan<strong>der</strong> Wittkowsky<br />
Johann-Albrecht Haupt Prof. Dr. Volker Bialas Heide Hering Gerd Pflaumer Rosi Wolf-Almanasreh<br />
Werner Koep-Kerstin Prof. Dr. Lorenz Böllinger Dr. Dr. h.c. Burkhard Hirsch Claudia Roth, MdB Dr Dieter Wun<strong>der</strong><br />
Helga Lenz Daniela Dahn Friedrich Huth Jürgen Roth Prof. Dr. Karl-Georg Zinn<br />
Dr. Jens Puschke Dr. Dieter Delseroth Prof. Dr. Herbert Jäger Prof. Dr. Fritz Sack<br />
Dr. Fredrik Roggan, stellv. Vors. Prof. Dr. Erhard Denninger Prof. Dr. Walter Jens Klaus Scheunemann Lan<strong>des</strong>vorstand Berlin-Brandenburg:<br />
Jutta Roitsch-Wittkowsky Prof. Carl-Heinz Evers Elisabeth Kilali Georg Schlage Norman Bäuerle<br />
Björn Schreinermacher Prof. Dr. Johannes Feest Dr. Thomas Krämer Helga Schuchardt Tobias Baur<br />
Ulrich Prickh Ulrich Krüger-Limberger Dr. Karl-Ludwig Sommer Axel Bussmer<br />
Geschäftsführung Bun<strong>des</strong>verband: Prof. Dr. Monika Frommel Renate Künast, MdB Prof. Klaus Staeck Roland Otte<br />
Martina Kant, Sven Lü<strong>der</strong>s Prof. Dr. Hansjörgen Garstka Prof. Dr. Martin Kutscha Prof. Er, Ilse Staff Axel Lüssow<br />
Stand: November 2010 Dr. Klaus Hahnzog Prof. Dr. Rüdiger Lautmann Prof. Dr. Wilhelm Steinmüller<br />
BÜRGERRECHTSORGANISATION seit 1961, vereinigt mit <strong>der</strong> Gustav Heinemann-Initiative<br />
Siebenten Gesetz zur Än<strong>der</strong>ung <strong>des</strong> Brandenburgischen Polizeigesetzes<br />
Gesetzentwurf <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> CDU<br />
Drucksache 511442<br />
Berlin, 26.01.2011<br />
1. Welche Gründe sprechen <strong>für</strong> und welche gegen eine Kennzeichnungspflicht?<br />
BÜRGERNÄHE und TRANSPARENZ: Völlig zu Recht stellt <strong>der</strong> Gesetzentwurf in seiner<br />
Begründung fest, dass eine namentliche Kennzeichnung geeignet ist, Transparenz und Bürgernähe <strong>der</strong><br />
Polizei zu stärken: Ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Bürger und Polizei erleichtert i.d.R.<br />
auch die Arbeit <strong>der</strong> Polizeibediensteten und ist damit auch in <strong>der</strong>en Interesse.<br />
EFFEKTIVER RECHTSSCHUTZ: Zudem stellt eine Kennzeichnung sicher, dass polizeiliches<br />
Handeln individuell zurechenbar und kontrollierbar ist. Damit wird gewährleistet, dass Vorwürfe<br />
rechtswidrigen Handelns einzelner Polizeibeamter rechtsstaatlich überprüfbar sind. Die bun<strong>des</strong>weite<br />
Erfahrung hat gezeigt, dass die mangelhafte Identifizierbarkeit von Polizeibeamten den effektiven<br />
Rechtsschutz erheblich beeinträchtigen kann. Die Bürgerinnen und Bürger müssen aber darauf<br />
vertrauen können, dass Straftaten im Amt aufgeklärt werden und dass entsprechende Ermittlungen<br />
und Verfahren zumin<strong>des</strong>t nicht daran scheitern, dass Täter nicht identifiziert werden können. Die<br />
namentliche Kennzeichnung ist geeignet, diese Lücke zu schließen. Allerdings darf auch nicht darüber<br />
hinweggetäuscht werden, dass die Kennzeichnung von Polizisten eine zwar ganz wesentliche<br />
Maßnahme ist, um einen effektiveren Rechtsschutzes gegen rechtwidriges polizeiliches Handeln zu<br />
erreichen, an<strong>der</strong>e Probleme, z. B. im Hinblick auf ein unparteiisches Beschwerdeverfahren o<strong>der</strong><br />
Schwierigkeiten <strong>der</strong> Beweisführung aber nicht beseitigen kann.2<br />
I Stellungnahme <strong>der</strong> Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union e.V. Lan<strong>des</strong>verband Berlin-Brandenburg<br />
zum Gesetzentwurf <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> CDU Siebentes Gesetz zur Än<strong>der</strong>ung <strong>des</strong> Brandenburgischen Polizeigesetzes<br />
(Drs. 5/1442) vom 25.08.2010.<br />
2 Wrocklage, Hartmuth (2007): Polizei im Wandel – Ist eine Demokratisierung <strong>der</strong> Polizei möglich?, in: Reinhard Kreissl<br />
(Hg.): Policing in Context, S.125 ff. (136).<br />
Bankverbindung: Bank <strong>für</strong> Sozialwirtschaft - BLZ 100 205 00 • Konto-Nr. 3074230
RECHTSSTAATLICHE ANFODERUNGEN: Der Kennzeichnungspflicht wird von<br />
Polizeigewerkschaften entgegengehalten, es handele sich dabei um ein „pauschales<br />
Misstrauensvotum" gegenüber <strong>der</strong> Polizei. Dieser Einwand verkennt, dass die Kontrolle staatlichen<br />
Handelns zu den Grundpfeilern <strong>des</strong> demokratischen Rechtsstaates gehört. Wenn durch eine<br />
Kennzeichnung gewährleistet wird, dass polizeiliches Handeln auch in jedem Einzelfall individuell<br />
zurechenbar ist, stärkt dies das Vertrauen <strong>der</strong> Bürgerinnen und Bürger. Selbstverständlich ist die<br />
Polizei im gesetzlichen Rahmen zur Ausübung unmittelbaren Zwangs befugt. Die Ausübung <strong>des</strong><br />
staatlichen Gewaltmonopols bezieht ihre Legitimation aber auch gerade daraus, dass sie demokratisch<br />
beschlossenen gesetzlichen Regeln und Grenzen unterliegt. Es muss daher auch im Interesse <strong>der</strong><br />
Polizei selbst liegen, dass diese Grenzen eingehalten werden und dass Verstöße durch einzelne<br />
Vollzugsbeamte wirksam geahndet werden können.3<br />
PRÄVENTION: Eine namentliche Kennzeichnung kann auf verschiedenen Ebenen präventive<br />
Wirkung entfalten. Zum einen erhöht die Möglichkeit <strong>der</strong> namentlichen Ansprache die<br />
Dialogbereitschaft zwischen den Bürgern und den Polizeivollzugsbediensteten und kann so<br />
deeskalierend wirken. Anonymität wirkt bedrohlich. Ein Namensschild kann daher den durch die<br />
beson<strong>der</strong>e Situation erschwerten Kontakt entkrampfen. Zudem wird <strong>der</strong> einzelne<br />
Polizeivollzugsbedienstete durch die Möglichkeit die Rechtmäßigkeit seines Handelns nachzuprüfen<br />
stets dazu angehalten, in beson<strong>der</strong>em Maße auf die Professionalität seines Handelns zu achten. Im<br />
Übrigen könnte und sollte aufgeklärtes Fehlverhalten auch dazu genutzt werden, Ursachen von<br />
unprofessionellem Verhalten zu ermitteln und zu beseitigen. Häufig beruht polizeiliches Fehlverhalten<br />
auf Überlastung o<strong>der</strong> Überfor<strong>der</strong>ung. Nicht zuletzt lenkt das Namensschild die Aufmerksamkeit <strong>des</strong><br />
Bürgers auf die Person hinter <strong>der</strong> Uniform und ruft auch den Bürger zu den üblichen Formen <strong>des</strong><br />
Anstands auf.4<br />
Diese Vorteile rechtfertigen auch den mit <strong>der</strong> namentlichen Kennzeichnung verbundenen Eingriff in<br />
das Grundrecht auf freie Entfaltung <strong>der</strong> Persönlichkeit und das Recht auf informationelle<br />
Selbstbestimmung.5<br />
2. Welche Fälle sollten von <strong>der</strong> generellen namentlichen Kennzeichnungspflicht ausgenommen<br />
werden?<br />
Im Interesse <strong>der</strong> Polizeivollzugsbediensteten sollte eine Ausnahme von <strong>der</strong> Pflicht zur namentlich<br />
Kennzeichnung dann gelten, wenn ein Polizeivollzugsbediensteter konkret gefährdet ist. Zum einen<br />
dürfte sich ein Anspruch auf Befreiung von <strong>der</strong> Pflicht zur namentlichen Kennzeichnung aus <strong>der</strong><br />
Fürsorgepflicht <strong>des</strong> Dienstherrn ergeben, zum an<strong>der</strong>en läge wohl ohne eine solche Ausnahme ein<br />
unverhältnismäßiger Eingriff in das Persönlichkeitsrecht <strong>des</strong> Beamten vor.6<br />
Zum Schutz und zur Wahrung <strong>der</strong> Interessen <strong>der</strong> Polizeivollzugbediensteten erscheint es aber<br />
ausreichend, auf eine im konkreten Einzelfall festgestellte Gefährdung abzustellen. Bei einem weiter<br />
gefassten Ausnahmetatbestand ist zu be<strong>für</strong>chten, dass es zur Umkehr <strong>des</strong> Regel-Ausnahme-Prinzips<br />
kommt, so dass <strong>der</strong> Zweck <strong>der</strong> Gesetzesän<strong>der</strong>ung verfehlt wird.<br />
3 Stellungnahme <strong>der</strong> Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union e.V. Lan<strong>des</strong>verband Berlin-Brandenburg zum<br />
Gesetzentwurf <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> CDU Siebentes Gesetz zur Än<strong>der</strong>ung <strong>des</strong> Brandenburgischen Polizeigesetzes (Drs. 5/1442)<br />
vom 25.08.2010.<br />
Greifswald: Persönliche Kennzeichnung von Polizeibeamten, ZRP 1982, 318 (320).<br />
5 VG Frankfurt/M. 10.6.1996, 9 E 873/95 (V).<br />
6 VG Frankfurt/M. 10.6,1996, 9 E 873/95 (V).<br />
2
In jedem Fall sollte sichergestellt werden, dass die Ausnahme nicht zu einem völligen Verzicht auf<br />
jegliche individuelle Kennzeichnung führt, son<strong>der</strong>n allenfalls auf die namentliche. Denn wird das<br />
Namensschild durch eine zur nachträglichen Identitätsfeststellung geeignete Kennzeichnung ersetzt,<br />
kann keinerlei Gefahr <strong>für</strong> die Beamtin o<strong>der</strong> den Beamten entstehen, so dass hier we<strong>der</strong> ein<br />
unverhältnismäßiger Eingriff in das Persönlichkeitsrecht noch ein Befreiungsanspruch aus <strong>der</strong><br />
Fürsorgepflicht besteht.<br />
Weniger empfehlenswert ist es, geschlossene Einheiten von <strong>der</strong> namentlichen Kennzeichnung<br />
auszunehmen, denn gerade bei Großeinsätzen tritt die Polizei dem Bürger als anonyme Masse<br />
gegenüber. Daher sollte gerade hier die oben beschriebene präventive und deeskalierende Wirkung,<br />
die von Namensschil<strong>der</strong>n ausgehen kann, zum Tragen kommen.<br />
Soweit man durch einen Ausnahmetatbestand sicherstellen möchte, dass <strong>der</strong> Zweck polizeilicher<br />
Amtshandlungen durch die Kennzeichnungspflicht nicht konterkariert wird, ist zu beachten, dass dies<br />
bei <strong>der</strong> Pflicht zum Tragen eines Identifikationsmerkmals an<strong>der</strong>s als bei <strong>der</strong> bereits in § 9 Bbg PolG<br />
geregelten Legitimationspflicht nur in sehr wenigen Fällen denkbar erscheint. Während die<br />
Legitimationspflicht vom Polizeivollzugsbediensteten eine aktive Handlung, nämlich das Vorzeigen<br />
<strong>des</strong> Dienstausweises erfor<strong>der</strong>t, und <strong>der</strong> Polizeivollzugsbedienstete dadurch an <strong>der</strong> Ausübung seiner<br />
Amtshandlung gehin<strong>der</strong>t sein kann, ist eine <strong>der</strong>artige Beeinträchtigung durch das bloße Tragen eines<br />
Identifikationsmerkmals nicht möglich. Allenfalls beim Einsatz verdeckter Ermittler nach § 35 Bbg<br />
PolG ist eine Kennzeichnung zweckwidrig. Berücksichtigt man dies, erscheint die Formulierung in<br />
§ 9 IH <strong>des</strong> Gesetzentwurfs („soweit <strong>der</strong> Zweck <strong>der</strong> Amtshandlung dadurch beeinträchtigt wird") sehr<br />
weit und unbestimmt. Unter welchen Voraussetzungen eine Beeinträchtigung angenommen (o<strong>der</strong><br />
behauptet) werden kann, bleibt unklar. Zur Vermeidung einer möglichen Aushöhlung <strong>der</strong><br />
Kennzeichnungspflicht empfiehlt die Humanistische Union eine engere Formulierung zu wählen, z. B.<br />
„soweit dadurch <strong>der</strong> Zweck <strong>der</strong> Maßnahme nicht erreicht werden kann" o<strong>der</strong> die explizite Ausnahme<br />
verdeckter Ermittler von <strong>der</strong> Kennzeichnungspflicht.<br />
3. Welche Erkenntnisse gibt es über die Gefährdung von Polizeibeamten und ihren<br />
Angehörigen aufgrund einer individuellen Kennzeichnung? Liegt statistisches Material zu<br />
Übergriffen vor?<br />
Für eine höhere Gefährdung durch eine individuelle Kennzeichnung sind keine empirischen Belege<br />
bekannt. Die Erfahrung aus an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n, die Namensschil<strong>der</strong> <strong>für</strong> alle Polizistinnen und Polizisten<br />
eingeführt haben, spricht gegen die Annahme einer ansteigenden Gefährdung. Entsprechen<strong>des</strong> gilt <strong>für</strong><br />
die bereits in Deutschland gemachten Erfahrungen, denn auch hierzulande sind die Namen von<br />
Polizeivollzugsbediensteten häufig schon bekannt. Da in Brandenburg und auch vielen an<strong>der</strong>en<br />
Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong>n die Polizeivollzugsbeamten ohnehin verpflichtet sind, einem von einer Maßnahme<br />
Betroffenen auf <strong>des</strong>sen Verlangen den Dienstausweis zu zeigen und die Namen von Polizeibeamten<br />
während Gerichtsverfahren genannt werden. Erinnert sei zudem daran, dass auch Richter und<br />
Staatsanwälte damit leben müssen und können, dass sie Straftätern namentlich bekannt sind.<br />
Überhaupt nicht nachvollziehbar ist <strong>der</strong> Gefährdungseinwand, wenn er sogar gegenüber einer<br />
nichtnamentlichen Kennzeichnung vorgebracht wird]<br />
7 Stellungnahme <strong>der</strong> Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union e.V. Lan<strong>des</strong>verband Berlin-Brandenburg zum<br />
Gesetzentwurf <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> CDU Siebentes Gesetz zur Än<strong>der</strong>ung <strong>des</strong> Brandenburgischen Polizeigesetzes (Drs. 5/1442)<br />
vom 25.08.2010.<br />
3
4. Welche Erfahrungen sind mit <strong>der</strong> Internetpräsenz <strong>der</strong> Revierpolizisten (Veröffentlichung<br />
mit Foto und vollem Namen) gemacht worden?<br />
Der Humanistischen Union sind keine negativen Auswirkungen bekannt, die von <strong>der</strong> Internetpräsenz<br />
<strong>der</strong> Revierpolizisten ausgingen. Zumal die Internetpräsenz <strong>der</strong> Revierpolizisten und die<br />
Kennzeichnungspflicht nicht ohne weiteres vergleichbar sind, da die Intensität <strong>des</strong> Eingriffs in das<br />
Persönlichkeitsrecht <strong>des</strong> Beamten bei <strong>der</strong> Präsenz im Internet mit vollem Namen und Foto bereits eine<br />
an<strong>der</strong>e ist.<br />
5. Welche Unterschiede sehen Sie zwischen Mitarbeitern <strong>der</strong> Polizei und Verwaltungsmitarbeitern,<br />
die mit vollem Namen bekannt sind (z. B. durch Türschil<strong>der</strong> und die Unterzeichnung<br />
von Schreiben)?<br />
Dass Mitarbeiter <strong>der</strong> Polizei an<strong>der</strong>s als Verwaltungsmitarbeiter nicht mit vollem Namen erkennbar<br />
und ansprechbar sind, stellt eine nicht nachvollziehbare Privilegierung <strong>der</strong> Polizistinnen und<br />
Polizisten dar. Denn die Eigenverantwortlichkeit <strong>der</strong> Amtsausübung, die durch die Verpflichtung zum<br />
Tragen eines Namensschil<strong>des</strong> konkretisiert wird, gilt in Deutschland <strong>für</strong> jede Beamtin und jeden<br />
Beamten (vgl. Frage 6).<br />
Dabei ist bei Maßnahmen <strong>der</strong> Polizei die „Erkennbarkeit" <strong>des</strong> polizeilichen Handlungsträgers in<br />
beson<strong>der</strong>em Maße geboten, denn jede polizeiliche Maßnahme und insbeson<strong>der</strong>e Zwangsanwendungen<br />
stellen einen Eingriff in die Grundrechte <strong>des</strong> Betroffenen dar. Die Polizei unterscheidet sich von<br />
an<strong>der</strong>en Hoheitsträgern insbeson<strong>der</strong>e durch ihre Zwangsbefugnisse. Je<strong>der</strong> Verwaltungsakt kann<br />
ungeachtet seiner Rechtmäßigkeit (zunächst) mit Zwang durchgesetzt werden und Nichtbefolgung<br />
polizeilicher Anordnungen o<strong>der</strong> Maßnahmen kann eine Straftat (z. B. § 113 StGB, § 23 VersG) o<strong>der</strong><br />
Ordnungswidrigkeit darstellen (z. B. § 111 OWiG, § 113 OWiG, § 29 I Nr. 2 VersG). Diese<br />
weitreichenden Befugnisse erzeugen nicht selten ein Gefühl <strong>der</strong> Ohnmacht und bürgen daher ein<br />
beson<strong>der</strong>es Konfliktpotential in sich. Gerade Polizistinnen und Polizisten sollten sich daher bürgernah<br />
präsentieren und durch individuelle Ansprechharkeit Vertrauen schaffen.<br />
6. Wie bewerten Sie die Kennzeichnungspflicht im Hinblick auf § 36 Beamtenstatusgesetz,<br />
wonach Beamtinnen und Beamte <strong>für</strong> die Rechtmäßigkeit ihrer dienstlichen Handlungen die<br />
volle persönliche Verantwortung tragen?<br />
§ 36 Beamtenstatusgesetz normiert, ebenso wie § 839 I BGB, die Eigenverantwortlichkeit <strong>der</strong><br />
Amtausübung eines Beamten. D.h. <strong>der</strong> einzelne Amtsträger und nicht etwa <strong>der</strong> Dienstherr, <strong>für</strong> den das<br />
Amt wahrgenommen wird, trägt nach außen hin die Verantwortung <strong>für</strong> das Amt. Er hat also<br />
individuell <strong>für</strong> seine Aufgabenerfüllung einzustehen. 8 Diese Eigenverantwortlichkeit gibt dem<br />
Beamten eine eigene Einstellung zur Sache und bewirkt, dass er stets bemüht sein wird, nach außen<br />
hin rechtmäßig zu handeln. 9 Sie dient damit <strong>der</strong> Verwirklichung <strong>der</strong> rechtsstaatlichen Bindung <strong>der</strong><br />
vollziehenden Gewalt an Gesetz und Recht (Art. 20 III GG). Das damit bezweckte beson<strong>der</strong>e<br />
Verantwortungsbewusstsein kann in <strong>der</strong> Praxis aber nur dann entstehen, wenn die Rechtmäßigkeit <strong>der</strong><br />
Amtshandlungen eines Polizeibeamten auch tatsächlich nachprüfbar ist. Dies setzt voraus, dass dem<br />
einzelnen Polizeibeamten seine jeweiligen Amtshandlungen konkret zugeordnet werden können, er<br />
also persönlich identifizierbar ist. Die Möglichkeit, sich als Einzelner hinter einer größeren Masse zu<br />
8 VG Frankfurt/M 10.6.1996, 9 E 873/95 (V).<br />
9 Felix: Die Bedeutung <strong>des</strong> Remonstrationsverfahrens <strong>für</strong> den Rechtsschutz <strong>des</strong> Beamten, ZBR 1994, 18 (21).<br />
4
verstecken, wirkt jedem eigenverantwortlichen Handeln entgegen. Dem trägt die Pflicht zum Tragen<br />
eines Namensschil<strong>des</strong> Rechnung. Das Namensschild schafft einen individuell erkennbaren Amtsträger<br />
in <strong>der</strong> Polizei und macht dem jeweiligen Vollzugsbeamten selbst deutlich, dass er nicht bloßer<br />
Funktionsträger in einer Polizeimaschinerie ist, son<strong>der</strong>n zu jedem Zeitpunkt persönliche<br />
Verantwortung <strong>für</strong> seine Diensthandlungen trägt.1°<br />
7. Wie bewerten Sie die Kennzeichnungspflicht im Hinblick auf den Europäischen Kodex <strong>für</strong><br />
Polizeiethik und die Standards <strong>des</strong> Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter und<br />
unmenschlicher o<strong>der</strong> erniedrigen<strong>der</strong> Behandlung o<strong>der</strong> Strafe?<br />
Der European Code of Police Ethics (EcoPE) legt in seiner Nummer 45 fest, dass die Polizeibediensteten<br />
in die Lage zu versetzen sind, sich hinsichtlich ihrer Zugehörigkeit zur Polizei und ihrer<br />
amtlichen Identität auszuweisen. Als Empfehlung <strong>des</strong> Ministerkomitees <strong>des</strong> Europarates handelt es<br />
sich bei dem EcoPE um eine Selbstverpflichtung, die damit keine Bindungswirkung entfaltet. Er zeigt<br />
jedoch sehr deutlich die notwendige Verbindung zwischen <strong>der</strong> Eigenverantwortlichkeit <strong>der</strong><br />
Amtausübung – welche in Nummer 16 <strong>des</strong> EcoPE geregelt ist – und <strong>der</strong> Kennzeichnungspflicht auf.<br />
In <strong>der</strong> dazugehörigen Kommentierung heißt es zu Nummer 45 <strong>des</strong> EcoPE: „Ohne die Möglichkeit<br />
einen Polizeibedienste/n persönlich zu identifizieren, wird <strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> Rechenschaftspflicht aus<br />
<strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong> Öffentlichkeit sinnentleert."<br />
Die Standards <strong>des</strong> Europäischen Komitees zur Verhütung von unmenschlicher und erniedrigen<strong>der</strong><br />
Behandlung (CPT) weisen darauf hin, dass rechtswidriges polizeiliches Handeln nur dann untersucht<br />
werden kann, wenn die jeweiligen Polizeibeamten auch identifizierbar sind.11<br />
Sowohl <strong>der</strong> EcoPE als auch die Standards <strong>des</strong> CTP machen zudem deutlich, dass <strong>für</strong> eine effektive<br />
Untersuchung möglichen Fehlverhaltens von Polizeivollzugsbeamten neben <strong>der</strong> Kennzeichnung <strong>der</strong><br />
Polizisten stets auch ein unabhängiges Ermittlungsverfahren erfor<strong>der</strong>lich ist.12<br />
8. Wo sollte das Namensschild angebracht werden (auf Vor<strong>der</strong>- und/o<strong>der</strong> Rückseite <strong>der</strong><br />
Uniform, Schulter, Helm)?<br />
Das Namenschild sollte in jedem Fall so angebracht werden, dass es sowohl von einem von einer<br />
Maßnahme Betroffenen als auch von Dritten gut erkannt werden kann. Dies ist insbeson<strong>der</strong>e bei<br />
geschlossenen Einheiten wichtig, da hier das Namensschild wegen <strong>der</strong> Bekleidung <strong>der</strong> Polizeibeamten<br />
mit Schulterpolster, Helm etc.) i.d.R. das einzige Identifikationsmerkmal sein wird. Jedenfalls bei<br />
geschlossenen Einsätzen ist zu empfehlen, das Namenschild nicht nur auf <strong>der</strong> Brust, son<strong>der</strong>n z. B.<br />
auch auf Rücken und Helm anzubringen. Ein entsprechen<strong>der</strong> Gesetzentwurf in Schleswig-Holstein13<br />
sieht z. B. vor, dass das Namensschild bzw. die Kennzeichnung dann, wenn <strong>der</strong><br />
Polizeivollzugsbedienstete einen Helm trägt, zusätzlich auch an beiden Seiten das Helms anzubringen<br />
ist. Auch dies wäre eine mögliche und gute Variante. Gerade <strong>der</strong> Helm erscheint <strong>für</strong> das<br />
Identifikationsmerkmal gut geeignet, da es dort unabhängig von Maßnahme und Handlung <strong>des</strong><br />
Polizeivollzugsbediensteten gut erkennbar sein dürfte.<br />
Wrocklage, Hartmuth: Polizei im Wandel – Ist eine Demokratisierung <strong>der</strong> Polizei möglich?, in: Reinhard Kreissl (Hg.),<br />
Policing in Context, 5.125 ff. (135)<br />
I I CPT Standards, CPT/Inf/E (2002) 1 – Rev. 2010, Deutsch, S. 100, Nr. 33-34.<br />
12 CPT Standards, CPT/Inf/E (2002) 1 – Rev. 2010, Deutsch, S. 100, Nr. 32; EcoPE Nr. 61.<br />
13 Entwurf eines Gesetzes zur Än<strong>der</strong>ung <strong>des</strong> Allgemeinen Verwaltungsgesetzes <strong>für</strong> das Land Schleswig-Holstein,<br />
Gesetzentwurf <strong>der</strong> Faktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE, Drs 17/251.<br />
5
9. Wie bewerten Sie die Verwendung eines – ggf. wechselnden – Aliasnamens o<strong>der</strong> einer<br />
Buchstaben-Nummern-Kombination?<br />
Nicht alle <strong>der</strong> genannten Vorteile einer namentlichen Kennzeichnung können auch durch einen<br />
Aliasnamen o<strong>der</strong> eine Buchstaben-Nummern-Kombination erreicht werden. Insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Aspekt<br />
<strong>der</strong> Bürgernähe spricht <strong>für</strong> eine Kennzeichnung mit Namen. Außerdem dürfte auch gerade von <strong>der</strong><br />
namentlichen Kennzeichnung eine verstärkte präventive Wirkung ausgehen, da insbeson<strong>der</strong>e die<br />
Möglichkeit <strong>der</strong> namentlichen Ansprache deeskalierend wirken kann. Der Name dürfte auch<br />
einprägsamer sein als eine Buchstaben-Nummern-Kombination. Letztere wäre allerdings immer noch<br />
einer schlecht merkbaren Dienstnummer vorzuziehen.<br />
10. Wie bewerten Sie den Umstand, dass privatwirtschaftlich tätige Wachleute rechtlich<br />
verpflichtet sind, ein Namensschild zu tragen?<br />
Seit 2002 sind Wachpersonen, die Kontrollgänge im öffentlichen Verkehrsraum o<strong>der</strong> in an<strong>der</strong>en<br />
Hausrechtsbereichen mit tatsächlich öffentlichem Verkehr durchführen o<strong>der</strong> als Eintrittskontrolleure<br />
von Diskotheken tätig sind, gemäß § 11 IV Bewachungsverordnung verpflichtet ein Namensschild zu<br />
tragen. Laut <strong>der</strong> Begründung <strong>der</strong> Gesetzesän<strong>der</strong>ung wurden damit folgende Zwecke verfolgt: Zum<br />
einen soll im Konfliktfall eine Identifizierung <strong>der</strong> Wachperson möglich sein, zum an<strong>der</strong>en soll die<br />
Kennzeichnung präventiv wirken. Dies sind die gleichen Gründe, die auch da<strong>für</strong> sprechen, die<br />
Polizeivollzugsbediensteten mit einem Namensschild zu versehen. Berücksichtigt man, dass<br />
Polizeivollzugsbediensteten, an<strong>der</strong>s als dem Wachpersonal, nicht nur Je<strong>der</strong>mannrechte zustehen,<br />
son<strong>der</strong>n ihnen weit darüber hinausgehende umfassende Hoheitsrechte übertragen sind, erscheint eine<br />
namentliche Kennzeichnung <strong>des</strong> Polizeivollzugsdienstes erst recht angezeigt. Bei <strong>der</strong> Übernahme von<br />
Verantwortung darf eine rechtsstaatlich legitimierte Polizei nicht hinter Bediensteten im privaten<br />
Bewachungswesen zurückstehen.<br />
6
Der Generalstaatsanwalt<br />
<strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> Brandenburg<br />
EINGEGANGEN<br />
2 5. JAN. 2011 ti.§0<br />
Anlage A2<br />
Eriecligt:Ctietr hi<br />
Der Generalstaatsanwalt <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> Brandenburg - 14767 Brandenburg<br />
Frau Vorsitzende<br />
<strong>des</strong> <strong>Ausschusses</strong> <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong><br />
<strong>des</strong> <strong>Landtag</strong>es Brandenburg<br />
Britta Stark<br />
Am Havelblick 8<br />
14473 Potsdam<br />
Telefon: 03381 2082-0<br />
Nebenstelle: 03381 2082-210<br />
Telefax: 03381 2082-190<br />
Datum: 25. Januar 2011<br />
Aktenzeichen: 470 - 19<br />
(bei Antwort bitte angeben)<br />
- per E-Mail -<br />
Öffentliche Anhörung <strong>des</strong> <strong>Ausschusses</strong> <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> zum Siebten Gesetz zur Än<strong>der</strong>ung<br />
<strong>des</strong> Brandenburgischen Polizeigesetzes, Gesetzentwurf <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> CDU, LT-<br />
Drucksache 5/1442<br />
Ihr Schreiben vom 5. Januar 2011<br />
Mein Schreiben vom 11. Januar 2011<br />
Sehr geehrte Frau Vorsitzende,<br />
gerne komme ich Ihrer Bitte nach und darf Ihnen zur Vorbereitung auf die obige Anhörung<br />
nachfolgend eine erste kurze Einschätzung zur beabsichtigen Än<strong>der</strong>ung <strong>des</strong><br />
Brandenburgischen Polizeigesetzes aus staatsanwaltlicher Sicht geben:<br />
Kern <strong>des</strong> Gesetzentwurfs ist die Einführung einer Kennzeichnungspflicht als Ergänzung <strong>der</strong><br />
bereits bestehenden Legitimationspflicht in <strong>der</strong> Weise, dass Polizeivollzugsbeamte verpflichtet<br />
werden sollen, bei Amtshandlungen ein deutlich sichtbares Namensschild mit Dienstgrad zu<br />
tragen, wobei das Namensschild beim Einsatz geschlossener Einheiten durch eine zur<br />
nachträglichen Identitätsfeststellung geeigneten Kennzeichnung ersetzt werden kann. Die<br />
Hausadresse: Steinstraße 61, 14776 Brandenburg an <strong>der</strong> Havel<br />
Öffentliche Verkehrsmittel:<br />
vom Hauptbahnhof<br />
Straßenbahn 2, 6<br />
bis Haltestelle Neustädtischer Markt<br />
Bankverbindung:<br />
Lan<strong>des</strong>hauptkasse Potsdam,<br />
WestLB Düsseldorf,<br />
(BLZ 300 500 00) Konto-Nr.: 7110 400 533<br />
IBAN: DE02 1000 0000 0016 0015 00<br />
BiC-Code: MARKDEF1100<br />
Rückfragen erbeten:<br />
Mo. bis Fr. von 08:30 Uhr — 12:00 Uhr und<br />
13:00 — 15:00 Uhr (freitags bis 14:00 Uhr)
2<br />
vorgesehene namentliche Kennzeichnung soll auf die Fälle beschränkt werden, in denen <strong>der</strong><br />
Zweck <strong>der</strong> Amtshandlung nicht beeinträchtigt wird.<br />
Wenngleich <strong>der</strong> Wortlaut <strong>des</strong> § 9 Abs. 1 BbgPoIG-E bezüglich <strong>des</strong> betroffenen<br />
Personenkreises keine weitere Differenzierung enthält, gehe ich doch davon aus, dass sich<br />
die vorgesehene Kennzeichnungspflicht allein auf Angehörige <strong>der</strong> Schutzpolizei bezieht. In<br />
Bezug auf die Beamten <strong>der</strong> Kriminalpolizei dürfte eine solche namentliche Kennzeichnung im<br />
Hinblick auf <strong>der</strong>en spezifisches Aufgaben- und Tätigkeitsfeld we<strong>der</strong> notwendig noch sinnvoll<br />
sein. Mit diesem Verständnis korrespondiert auch die Begründung <strong>des</strong> Gesetzentwurfs, in <strong>der</strong><br />
von einer Kennzeichnung uniformierter Polizeivollzugsbediensteter die Rede ist.<br />
Die mit <strong>der</strong> Einführung einer Kennzeichnungspflicht verbundene Möglichkeit <strong>der</strong> individuellen<br />
Identifizierung entspricht im Grundsatz dem in § 36 Abs. 1 BeamtStG normierten allgemeinen<br />
Prinzip, wonach Beamtinnen und Beamte <strong>für</strong> die Rechtmäßigkeit ihrer dienstlichen<br />
Handlungen regelmäßig die volle persönliche Verantwortung tragen. Insoweit kommt die<br />
vorgesehene namentliche Kennzeichnung rechtsstaatlichen Erfor<strong>der</strong>nissen prinzipiell<br />
entgegen und dürfte darüber hinaus geeignet sein, das Vertrauen in die Arbeit <strong>der</strong> Polizei<br />
durch Transparenz und Bürgernähe zu stärken.<br />
An<strong>der</strong>erseits darf nicht übersehen werden, dass die vorgesehene Verpflichtung zum Tragen<br />
von Namensschil<strong>der</strong>n schutzwürdige Interessen <strong>der</strong> betroffenen Polizeivollzugskräfte und ihrer<br />
Angehörigen berührt. Zwar ergeben sich <strong>für</strong> die von Kritikern einer namentlichen<br />
Kennzeichnung geäußerte Be<strong>für</strong>chtung, dass mit <strong>der</strong> Einführung von Namensschil<strong>der</strong>n<br />
Übergriffe auf Bedienstete <strong>der</strong> Polizei bzw. ihre Familienangehörigen verbunden sein könnten,<br />
in <strong>der</strong> hiesigen staatsanwaltlichen Praxis keine Anhaltspunkte (wobei darauf hinzuweisen ist,<br />
dass entsprechende Fälle von Repressalien gegen Polizeibeamte außerhalb von<br />
Wi<strong>der</strong>standshandlungen S. d. § 113 StGB bei den Staatsanwaltschaften statistisch nicht<br />
geson<strong>der</strong>t erfasst werden). Allerdings ist nicht von <strong>der</strong> Hand zu weisen, dass das Tragen von<br />
Namensschil<strong>der</strong>n <strong>der</strong>artige Übergriffe auf Polizeivollzugsbeamte för<strong>der</strong>n könnte, ebenso wie<br />
es vermehrt zu haltlosen Beschwerden o<strong>der</strong> Anzeigen gegen Polizeibeamte kommen könnte.<br />
Auch dürfte das offene Tragen eines Namensschil<strong>des</strong> dazu führen, dass <strong>der</strong> Beamten einem<br />
unkontrollierbaren dritten Personenkreis und nicht nur dem Betroffenen einer Amtshandlung,<br />
<strong>der</strong> ein berechtigtes Interesse an einer Identifizierung <strong>des</strong> gegen ihn einschreitenden Beamten<br />
hat, bekannt wird.
3<br />
Soweit in diesem Zusammenhang Vergleiche mit Angehörigen von privaten Wachschutzunternehmen<br />
angestellt werden, die regelmäßig verpflichtet sind, ein Namensschild zu tragen,<br />
halte ich diese im Ansatz <strong>für</strong> verfehlt. Denn Angehörige privater Wachdienste beschränken<br />
sich in ihrer Tätigkeit generell auf die Ausübung von Hausrechten und/o<strong>der</strong> allgemeinen<br />
Notwehr- bzw. Nothilferechten, wohingegen Polizeivollzugsbedienstete in Erfüllung ihres<br />
gesetzlichen Auftrags im Bereich <strong>des</strong> präventiven Polizeirechts und <strong>der</strong><br />
Kriminalitätsbekämpfung vielfach aktiv einzuschreiten haben und sich in verstärktem Maße in<br />
konfliktträchtige Situationen begeben müssen, in denen sie ggf. auch Repressalien zu<br />
be<strong>für</strong>chten haben, so z. B. dann, wenn sie, was häufig geschieht, von Wachschutzbediensteten<br />
zu Hilfe gerufen werden.<br />
Geht man somit im Resümee davon aus, dass es einerseits rechtsstaatlichen und<br />
polizeirechtlichen Standards entspricht, die Identifizierung einzelner Polizeivollzugsbeamter im<br />
Rahmen <strong>der</strong> Dienstausübung je<strong>der</strong>zeit zu ermöglichen, an<strong>der</strong>erseits aber auch<br />
Persönlichkeitsrechte <strong>der</strong> betroffenen Beamten und ihrer Angehörigen zu wahren sind, könnte<br />
sich ein vermittelnde Lösung <strong>für</strong> eine Gesetzesän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong>gestalt anbieten, dass man eine<br />
Kennzeichnung von Polizeivollzugsbeamten, etwa durch eine Buchstaben-Zahlen-<br />
Kombination, zwar generell vorsieht, es jedoch wie in an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n den einzelnen<br />
Polizeibeamten auf freiwilliger Basis überlässt, sich im Dienst durch das Tragen von<br />
Namensschil<strong>der</strong>n offen zu erkennen zu geben.<br />
Ich hoffe, dass Ihnen diese erste Einschätzung zum vorliegenden Gesetzentwurf hilfreich ist.<br />
Auf weitere Einzelfragen werde ich im Rahmen meiner Anhörung gerne eingehen und freue<br />
mich insoweit auf einen regen und interessanten Gedankenaustausch mit den Mitglie<strong>der</strong>n <strong>des</strong><br />
<strong>Ausschusses</strong> und an<strong>der</strong>en eingeladenen Experten.<br />
Mit freundlichen Grüßen<br />
(Dr. Rautenberg)
<strong>Landtag</strong> Brandenburg P-AI 5/13-2<br />
5. Wahlperiode<br />
Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong><br />
<strong>Protokoll</strong> – Teil 2<br />
<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> (öffentlich)<br />
27. Januar 2011<br />
Potsdam - Haus <strong>des</strong> <strong>Landtag</strong>es<br />
<strong>13.</strong>00 Uhr bis 16.35 Uhr<br />
Vorsitz:<br />
Britta Stark (SPD)<br />
<strong>Protokoll</strong>:<br />
Anke Robert<br />
Anwesende Ausschussmitglie<strong>der</strong>:<br />
Danny Eichelbaum (CDU)<br />
Bettina Fortunato (DIE LINKE)<br />
Hans-Peter Goetz (FDP)<br />
Stefan Ludwig (DIE LINKE)<br />
Ursula Nonnemacher (GRÜNE/B90)<br />
Sven Petke (CDU)<br />
Dr. Hans-Jürgen Scharfenberg (DIE LINKE)<br />
Werner-Siegwart Schippel (SPD)<br />
stellvertretend Alwin Ziel (SPD)<br />
Datum <strong>der</strong> Ausgabe: 09.03.2011
<strong>Landtag</strong> Brandenburg P-AI 5/13-2 S. 2<br />
Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />
<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> – Teil 2 ro-we<br />
Tagesordnung:<br />
2. Fünftes Gesetz zur Än<strong>der</strong>ung <strong>des</strong> Gesetzes zur Ausführung <strong>des</strong> Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetzes,<br />
Gesetzentwurf <strong>der</strong> Lan<strong>des</strong>regierung,<br />
Drucksache 5/2396<br />
3. Volksinitiative nach Artikel 76 <strong>der</strong> Verfassung <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> Brandenburg "Für<br />
den Erhalt einer leistungs- und handlungsfähigen sowie wahrnehmbar präsenten<br />
Polizei in allen Regionen <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> Brandenburg"<br />
4. „Zukunft <strong>des</strong> Brand- und Katastrophenschutzes im Land Brandenburg absichern!“,<br />
Konzept <strong>der</strong> Lan<strong>des</strong>regierung, Drucksache 5/2616<br />
5. Weiterer Fortgang <strong>der</strong> Polizeistrukturreform<br />
6. Auswertung <strong>des</strong> letzten Castor-Transportes und Bewertung <strong>der</strong> bevorstehenden<br />
Transporte<br />
7. Bericht <strong>des</strong> Ministers <strong>des</strong> Innern zur Sicherheitslage von Juden und jüdischen<br />
Einrichtungen im Land Brandenburg<br />
8. Ermittlungsstand zum Brand in zwei Mehrfamilienhäusern am 30. November<br />
2010 und am 1. Dezember 2010 in Ludwigsfelde<br />
9. Verschiedenes
<strong>Landtag</strong> Brandenburg P-AI 5/13-2 S. 3<br />
Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />
<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> – Teil 2 ro-we<br />
Festlegungen und Beschlüsse:<br />
Zu TOP 2:<br />
Die Mitglie<strong>der</strong> <strong>des</strong> <strong>Ausschusses</strong> <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> verständigen sich darauf, die Anhörung<br />
im Ausschuss <strong>für</strong> Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz am 2. März 2011 zum<br />
Fünften Gesetz zur Än<strong>der</strong>ung <strong>des</strong> Gesetzes zur Ausführung <strong>des</strong> Tierischen Nebenprodukte-Beseitigungsgesetzes,<br />
Gesetzentwurf <strong>der</strong> Lan<strong>des</strong>regierung, Drucksache<br />
5/2396, abzuwarten und anschließend die Beratung dieses Gesetzentwurfes vorzunehmen.<br />
Zu TOP 3:<br />
Die Mitglie<strong>der</strong> <strong>des</strong> <strong>Ausschusses</strong> <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> verständigen sich darauf, die Vertreter<br />
<strong>der</strong> Volksinitiative "Für den Erhalt einer leistungs- und handlungsfähigen sowie wahrnehmbar<br />
präsenten Polizei in allen Regionen <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> Brandenburg" in <strong>der</strong> <strong>Sitzung</strong><br />
am 3. März 2011 anzuhören und spätestens in <strong>der</strong> <strong>Sitzung</strong> am 31. März 2011<br />
ein Votum zu erarbeiten.<br />
Zu TOP 4:<br />
Die Mitglie<strong>der</strong> <strong>des</strong> <strong>Ausschusses</strong> <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> verständigen sich darauf, zum Konzept<br />
<strong>der</strong> Lan<strong>des</strong>regierung „Zukunft <strong>des</strong> Brand- und Katastrophenschutzes im Land Brandenburg<br />
absichern!“, Drucksache 5/2616, im Rahmen <strong>der</strong> Beratung externen Sachverstand<br />
hinzuzuziehen. Hierbei sollte <strong>der</strong> Fokus <strong>der</strong> Erörterung insbeson<strong>der</strong>e auf<br />
dem Katastrophenschutz liegen. Den Fraktionen wird die Möglichkeit eingeräumt, Anzuhörende<br />
sowie weitere Themenschwerpunkte zu benennen. Die Beratung soll in<br />
<strong>der</strong> <strong>Sitzung</strong> am 5. Mai 2011 erfolgen.<br />
Das Ministerium <strong>des</strong> Innern wird darum gebeten, dem Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> bis Mitte<br />
April 2011 eine Übersicht zur Verfügung zu stellen, wie an<strong>der</strong>e Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong> mit<br />
ausgewählten Bereichen <strong>des</strong> Brand- und Katastrophenschutzes umgehen.<br />
Zu TOP 9:<br />
Die Mitglie<strong>der</strong> <strong>des</strong> <strong>Ausschusses</strong> <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> verständigen sich darauf, Ende Mai eine<br />
Ausschussreise in die Schweiz zu den Themen „Direkte Demokratie und „Wahlrecht“<br />
durchzuführen. Die <strong>Landtag</strong>sverwaltung wird gebeten, das hierzu Erfor<strong>der</strong>liche zu<br />
veranlassen.
<strong>Landtag</strong> Brandenburg P-AI 5/13-2 S. 4<br />
Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />
<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> – Teil 2 ro-we<br />
Aus <strong>der</strong> Beratung:<br />
Zu TOP 2:<br />
Fünftes Gesetz zur Än<strong>der</strong>ung <strong>des</strong> Gesetzes zur Ausführung <strong>des</strong><br />
Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetzes, Gesetzentwurf<br />
<strong>der</strong> Lan<strong>des</strong>regierung, Drucksache 5/2396<br />
Die Vorsitzende erinnert daran, dass <strong>der</strong> vorgenannte Gesetzentwurf in <strong>der</strong> 26. <strong>Sitzung</strong><br />
<strong>des</strong> <strong>Landtag</strong>es am 16. Dezember 2010 in 1. Lesung beraten worden sei. Der<br />
Gesetzentwurf sei dann zur fe<strong>der</strong>führenden Beratung an den Ausschuss <strong>für</strong> Umwelt,<br />
Gesundheit und Verbraucherschutz überwiesen worden. Darüber hinaus sei die<br />
Überweisung zur Mitberatung an den Ausschuss <strong>für</strong> Infrastruktur und Landwirtschaft<br />
sowie an den Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> erfolgt.<br />
Der Ausschuss <strong>für</strong> Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz habe nunmehr beschlossen,<br />
zu diesem Gesetzentwurf am 2. März 2011 eine Anhörung durchführen zu<br />
wollen. Sie schlage daher vor, dass zunächst die Anhörung abgewartet werden solle<br />
und anschließend hier im Ausschuss die kreisliche Beteiligung erörtert werden sollte.<br />
Die Ausschussmitglie<strong>der</strong> erklären sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden.<br />
Zu TOP 3:<br />
Volksinitiative nach Artikel 76 <strong>der</strong> Verfassung <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> Brandenburg<br />
"Für den Erhalt einer leistungs- und handlungsfähigen<br />
sowie wahrnehmbar präsenten Polizei in allen Regionen <strong>des</strong><br />
Lan<strong>des</strong> Brandenburg"<br />
Die Vorsitzende berichtet, dass am 14. Dezember 2010 die oben genannte Volksinitiative<br />
mit ca. 97.000 Unterschriften dem <strong>Landtag</strong> übergeben worden sei. Sie als Vorsitzende<br />
<strong>des</strong> <strong>Ausschusses</strong> <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> sowie <strong>der</strong> <strong>Landtag</strong>spräsident hätten die Gelegenheit<br />
gehabt, diese Unterschriften entgegenzunehmen.<br />
Die Volksinitiative sei an den Hauptausschuss weitergeleitet worden. Dieser habe<br />
das Vorliegen <strong>der</strong> förmlichen Voraussetzungen sowie die Zulässigkeit <strong>der</strong> Volksinitiative<br />
bejaht und diese sodann an den Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> als den zuständigen Ausschuss<br />
überwiesen.<br />
Gemäß § 12 <strong>des</strong> Volksabstimmungsgesetzes hätten die Vertreter <strong>der</strong> Volksinitiative<br />
das Recht auf eine Anhörung vor dem zuständigen Ausschuss. Aus diesem Grund<br />
schlage sie vor, dass die Vertreter <strong>der</strong> Volksinitiative in <strong>der</strong> <strong>Sitzung</strong> am 3. März 2011<br />
angehört werden sollten. Die abschließende Behandlung <strong>der</strong> Volksinitiative müsse im<br />
Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> spätestens in <strong>der</strong> <strong>Sitzung</strong> am 31. März 2011 erfolgen. Der<br />
Hauptausschuss habe auch mit einer entsprechenden Fristsetzung zum 1. April 2011<br />
um die Zuarbeitung einer Stellungnahme gebeten. Anschließend müsse noch <strong>der</strong><br />
Hauptausschuss über die Volksinitiative beraten sowie eine Beschlussempfehlung
<strong>Landtag</strong> Brandenburg P-AI 5/13-2 S. 5<br />
Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />
<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> – Teil 2 ro-we<br />
erarbeiten. Die abschließende Befassung im Plenum könne dann am <strong>13.</strong> April 2011<br />
erfolgen.<br />
Die Mitglie<strong>der</strong> <strong>des</strong> <strong>Ausschusses</strong> <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> sind sowohl mit <strong>der</strong> Durchführung <strong>der</strong><br />
Anhörung als auch mit dem vorgeschlagenen Terminplan einverstanden.<br />
Zu TOP 4:<br />
„Zukunft <strong>des</strong> Brand- und Katastrophenschutzes im Land Brandenburg<br />
absichern!“, Konzept <strong>der</strong> Lan<strong>des</strong>regierung, Drucksache<br />
5/2616<br />
Die Vorsitzende berichtet, dass die Lan<strong>des</strong>regierung am 29. Dezember 2011 das<br />
vorerwähnte Konzept vorgelegt habe. Dieses sei in <strong>der</strong> 29. <strong>Sitzung</strong> <strong>des</strong> <strong>Landtag</strong>es<br />
am 20. Januar 2011 beraten und an den Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> überwiesen worden.<br />
Sie schlägt vor, dass in <strong>der</strong> heutigen <strong>Sitzung</strong> lediglich eine Verständigung über den<br />
Umgang mit diesem Konzept erfolgen sollte. Eine vertiefte Erörterung sollte in einer<br />
späteren <strong>Sitzung</strong> erfolgen. Aufgrund <strong>der</strong> Vielzahl <strong>der</strong> zu erörternden Themen schlage<br />
sie vor, dass die Erörterung am 5. Mai 2011 stattfinden sollte. Darüber hinaus fragt<br />
sie nach, wie konkret mit dem Konzept umgegangen werden sollte.<br />
Abgeordneter Schippel (SPD) weist darauf hin, dass die Erarbeitung dieses Konzeptes<br />
auch unter <strong>der</strong> Einbeziehung von Expertengruppen erfolgt sei. Eine Anhörung zu<br />
diesem Konzept halte er vor diesem Hintergrund <strong>für</strong> nicht notwendig. Dennoch sollte<br />
zum Bereich Katastrophenschutz auf den Sachverstand von außen zurückgegriffen<br />
werden. Im Bereich <strong>des</strong> Katastrophenschutzes würde sich auf Bun<strong>des</strong>ebene eine<br />
drastische Entwicklung abspielen. Diese werde auch auf Lan<strong>des</strong>ebene große Auswirkungen<br />
haben. Vor diesem Hintergrund sollte eine Verständigung sowohl mit dem<br />
Lan<strong>des</strong>feuerwehrverband, mit dem Technischen Hilfswerk und gegebenenfalls auch<br />
mit <strong>der</strong> LIGA erfolgen. Dabei sollte jedoch keine Bewertung <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ungen erfolgen,<br />
son<strong>der</strong>n es sollte darüber geredet werden, wie <strong>der</strong> Katastrophenschutz auch<br />
künftig gewährleistet werden könne.<br />
Abgeordneter Goetz (FDP) fragt nach, ob in Ergänzung <strong>des</strong> vorliegenden Konzeptes<br />
<strong>der</strong> Umgang <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong> mit diesen Problemen zugearbeitet werden<br />
könnte. Eventuell seien bereits in an<strong>der</strong>en Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong>n Lösungen vorhanden sowie<br />
Erfahrungen gemacht worden, auf die nunmehr zurückgegriffen werden könnte.<br />
Darüber hinaus meint er, dass keine Anhörung mehr erfolgen müsste; vielmehr würde<br />
es ausreichen, wenn durch das Ministerium <strong>des</strong> Innern eine schriftliche Zuarbeit<br />
erfolge, sodass ein Vergleich beispielsweise <strong>der</strong> verschiedenen Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong> zueinan<strong>der</strong><br />
deutlich werde. Er geht davon aus, dass dies auch Thema <strong>der</strong> Innenministerkonferenz<br />
gewesen sei und hier wenigstens auf Referentenebene ein Arbeitskontakt<br />
bestehe. Er wolle darauf hinweisen, dass eine solche Zuarbeit rechtzeitig vor <strong>der</strong> <strong>Sitzung</strong><br />
im Mai erfolgen müsste.
<strong>Landtag</strong> Brandenburg P-AI 5/13-2 S. 6<br />
Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />
<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> – Teil 2 ro-we<br />
Darüber hinaus hielte er es <strong>für</strong> notwendig, auch externen Sachverstand hinzuziehen<br />
und beispielsweise die Meinung <strong>des</strong> Städte- und Gemeindebun<strong>des</strong> zur Frage <strong>der</strong><br />
Nachwuchsgewinnung zu hören.<br />
Die Vorsitzende fragt nach, auf welche Themen sich die Zuarbeit <strong>des</strong> Ministeriums<br />
<strong>des</strong> Innern beziehen sollte.<br />
Abgeordneter Goetz (FDP) verweist hierbei insbeson<strong>der</strong>e auf die Nachwuchsgewinnung<br />
und ergänzt, dass all die Themen, in denen eine sinnvolle Gegenüberstellung<br />
möglich sei, herausgearbeitet werden sollten.<br />
Die Vorsitzende fragt nach, ob es seitens <strong>des</strong> Ministeriums möglich wäre, etwa bis<br />
Mitte April 2011 eine entsprechende Zuarbeit zu leisten.<br />
Staatssekretär Zeeb schlägt hieraufhin vor, dass den an<strong>der</strong>en Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong>n die<br />
Möglichkeit eingeräumt werden sollte, ihnen gegenüber darzulegen, ob sie bestimmte<br />
Konzepte zum Beispiel zur Nachwuchsgewinnung hätten und wie sich die Entwicklung<br />
vor dem Hintergrund <strong>der</strong> demografischen Entwicklung gestalte.<br />
Abgeordneter Goetz (FDP) äußert, dass die Zuarbeit <strong>der</strong> Gegenüberstellung bis Mitte<br />
April 2011 ausreichen würde, wenn im Mai noch keine abschließende Beratung erfolge.<br />
Abgeordneter Petke (CDU) äußert, dass er das Herausnehmen von Teilbereichen <strong>für</strong><br />
nicht sachgerecht halte. Er unterstreicht allerdings auch, dass er nicht noch einmal<br />
die Durchführung einer Anhörung, wie sie bereits stattgefunden habe, wünsche. Im<br />
Kern gehe es um die Frage, wie hier in Brandenburg mit den Kommunen gemeinsam<br />
<strong>der</strong> Brand- und Katastrophenschutz gestaltet werde. Er habe nichts dagegen, hier<br />
weitere Gespräche zu führen, diese sollten allerdings etwas ausgeweitet werden<br />
- sowohl thematisch als auch personell.<br />
Abgeordneter Dr. Scharfenberg (DIE LINKE) äußert, dass seiner Einschätzung nach<br />
darauf geachtet werden sollte, dass die Diskussion nicht ausufere. Er halte es <strong>für</strong><br />
richtig und wichtig, beispielsweise den Bereich <strong>des</strong> Katastrophenschutzes herauszugreifen<br />
und hier konkret über Punkte zu reden, die auch <strong>für</strong> die Betroffenen vor Ort<br />
von Interesse seien. Hier sollte eine konkrete Wertung erfolgen.<br />
Abgeordneter Schippel (SPD) äußert, dass es nicht um eine Positionierung zu einzelnen<br />
Maßnahmen gehen könne. Die Frage müsse vielmehr lauten, wie die konkreten<br />
Auswirkungen seien und wie damit umgegangen werden könne. Seiner Einschätzung<br />
nach bestünde eventuell teilweise die Gefahr, dass bestehende Aufgaben nicht<br />
erfüllt werden könnten. Auf diese real existierende Gefahr müsse entsprechend reagiert<br />
werden.
<strong>Landtag</strong> Brandenburg P-AI 5/13-2 S. 7<br />
Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />
<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> – Teil 2 ro-we<br />
Zusätzlich weist die Vorsitzende darauf hin, dass bereits durch die kommunalen<br />
Spitzenverbände unaufgefor<strong>der</strong>t Stellungnahmen dem Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> zugearbeitet<br />
worden seien. Hierin sei insbeson<strong>der</strong>e Kritik an <strong>der</strong> Lan<strong>des</strong>regierung dahingehend<br />
geäußert worden, dass ihnen keine angemessene Frist zur Abgabe einer<br />
Stellungnahme eingeräumt worden sei. Darüber hinaus sei die Be<strong>für</strong>chtung geäußert<br />
worden, dass die Finanzierung <strong>des</strong> Brand- und Katastrophenschutzes künftig offensichtlich<br />
von den Kommunen weitgehend allein getragen werden solle. Schon allein<br />
vor diesem Hintergrund meine sie, dass die kommunalen Spitzenverbände ebenfalls<br />
in diese Gespräche einbezogen werden müssten.<br />
Abgeordneter Petke (CDU) äußert, dass dieser Vorschlag so aufgegriffen werden<br />
könne. Er schlage vor, dies noch zu erweitern und die Rechte <strong>der</strong> einzelnen Fraktionen<br />
zu stärken. Er beantragt, dass auch den Fraktionen die Möglichkeit eingeräumt<br />
werden sollte, Anzuhörende sowie konkrete Themen zu benennen. Er weist in diesem<br />
Zusammenhang darauf hin, dass neben dem Katastrophenschutz beispielsweise<br />
auch <strong>der</strong> Erwerb von Führerscheinen <strong>für</strong> Feuerwehrenfahrzeuge von großer Wichtigkeit<br />
wäre. Schlussendlich unterstreicht er, dass es sich jedoch nicht noch einmal<br />
um eine öffentliche große Anhörung handeln sollte.<br />
Die Vorsitzende fasst zusammen, dass Übereinstimmung unter den Mitglie<strong>der</strong>n <strong>des</strong><br />
<strong>Ausschusses</strong> <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> dahingehend bestehe, dass ein informeller Austausch zu<br />
einzelnen Themen mit einzelnen Anzuhörenden zum Konzept <strong>der</strong> Lan<strong>des</strong>regierung<br />
„Zukunft <strong>des</strong> Brand- und Katastrophenschutzes im Land Brandenburg absichern!“,<br />
Drucksache 5/ 2616, erfolgen solle. Die Fraktionen sollten die Anzuhörenden sowie<br />
die Themen so benennen, dass eine rechtzeitige Einladung erfolgen könne.<br />
Zu TOP 5:<br />
Weiterer Fortgang <strong>der</strong> Polizeistrukturreform<br />
Die Vorsitzende berichtet, dass dieser Tagesordnungspunkt auf einen Antrag <strong>der</strong><br />
CDU-Fraktion zurückgehe.<br />
Staatssekretär Zeeb weist darauf hin, dass die Lan<strong>des</strong>regierung ihren internen Zeitplan<br />
auf die vom <strong>Landtag</strong> gesetzten Berichtspflichten eingestellt habe. Die Aufbaustäbe<br />
würden <strong>der</strong>zeit mehr o<strong>der</strong> weniger unbeeinflusst vom Ministerium arbeiten.<br />
Zum 31. Mai 2011 könne mit einem ersten Strukturvorschlag <strong>der</strong> Aufbaustäbe und<br />
<strong>der</strong> Entscheidung <strong>des</strong> Ministers gerechnet werden.<br />
Abgeordneter Petke (CDU) bezieht sich auf eine Presseveröffentlichung eines Abgeordneten<br />
<strong>der</strong> Fraktion DIE LINKE, in <strong>der</strong> bestimmte Zahlen genannt worden seien. Er<br />
bittet darum, dass Staatssekretär Zeeb dazu Stellung nehmen sollte.<br />
Darüber hinaus erkundigt er sich nach dem Planungsstand hinsichtlich einer möglichen<br />
Polizeiwache am Standort Schönefeld beim BBI. Hierzu gebe es wohl sehr unterschiedliche<br />
Auffassungen.
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Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />
<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> – Teil 2 ro-we<br />
Staatssekretär Zeeb äußert zur Frage einer möglichen Polizeiwache am Standort<br />
Schönefeld, dass er nicht <strong>der</strong> Entscheidung bzw. den Vorschlägen <strong>der</strong> Aufbaustäbe<br />
vorweg greifen wolle. Insofern könne er diese Frage nicht beantworten. Hinsichtlich<br />
<strong>der</strong> erwähnten Presseveröffentlichung äußert Staatssekretär Zeeb, dass er diese zur<br />
Kenntnis genommen habe. Er sei nicht darüber informiert, dass Aufbaustäbe bereits<br />
jetzt verschiedene Vorschläge machen würden - erst recht nicht zur Personalaufteilung<br />
in einzelnen Regionen. Er halte die in diesem Artikel geäußerten Tatsachen <strong>für</strong><br />
Spekulation.<br />
Zu TOP 6:<br />
Auswertung <strong>des</strong> letzten Castor-Transportes und Bewertung <strong>der</strong><br />
bevorstehenden Transporte<br />
Die Vorsitzende berichtet, dass dieser Tagesordnungspunkt auf einen Antrag <strong>der</strong><br />
CDU-Fraktion zurückgehe. Sie erinnert daran, dass <strong>der</strong> letzte Castor-Transport im<br />
Land Brandenburg am 16. Dezember 2010 stattgefunden habe. Er hätte das brandenburgische<br />
Gebiet bei Wittenberge um 9.04 Uhr erreicht und die Prignitz in Richtung<br />
Ludwigslust um 9.23 Uhr verlassen. Hinsichtlich weiteren Transporte sei <strong>der</strong>zeit<br />
nichts bekannt.<br />
Staatssekretär Zeeb berichtet, dass allgemein bekannt sein dürfte, dass ähnliche<br />
Transporte häufig im Bun<strong>des</strong>gebiet stattfinden würden. Diese Transporte - einschließlich<br />
<strong>der</strong> Routen - würden ohne Einflussnahme durch das Land Brandenburg<br />
bzw. die Polizei festgelegt werden. Bei dem letzten Transport sei es zu keinerlei gewalttätigen<br />
Auseinan<strong>der</strong>setzungen auf Brandenburger Gebiet gekommen.<br />
Zu TOP 7:<br />
Bericht <strong>des</strong> Ministers <strong>des</strong> Innern zur Sicherheitslage von Juden<br />
und jüdischen Einrichtungen im Land Brandenburg<br />
Die Vorsitzende berichtet, dass dieser Tagesordnungspunkt auf einen Antrag <strong>der</strong><br />
CDU-Fraktion zurückgehe.<br />
Abgeordneter Petke (CDU) unterrichtet, dass es Presseveröffentlichungen gegeben<br />
habe, die zum Teil wie<strong>der</strong> öffentlich zurückgenommen worden seien und sich mit dieser<br />
Problemlage beschäftigt hätten. Anlass hier<strong>für</strong> sei auch eine Klarstellung <strong>des</strong> Ministerpräsidenten<br />
gewesen. Er wolle sich nunmehr danach erkundigen, welcher Vorgang<br />
diesen Berichten zugrunde liege.<br />
Staatssekretär Zeeb unterstreicht, dass es lediglich eine Meinungsberichterstattung<br />
gegeben habe. Gegenstand <strong>der</strong> Berichterstattung sei gewesen, dass möglicherweise<br />
im Land Brandenburg nicht sämtliche gefährdete Objekte - auch solche, die dem jüdischen<br />
Glauben dienen - geschützt werden würden. Er könne jetzt lediglich bekräftigen,<br />
was bereits <strong>der</strong> Ministerpräsident geäußert habe, nämlich dass dies im Land
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Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />
<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> – Teil 2 ro-we<br />
Brandenburg nicht <strong>der</strong> Fall sei. Selbstverständlich würden die Gefährdungen sämtlicher<br />
Objekte laufend analysiert und das Erfor<strong>der</strong>liche veranlasst werden. Er erinnert<br />
daran, dass es verschiedene Gefährdungsstufen gebe, die laufend überprüft würden.<br />
Eine beson<strong>der</strong>e Gefährdungslage sei im Land Brandenburg nicht festzustellen.<br />
Staatssekretär Zeeb äußert, dass teilweise <strong>für</strong> ihn nicht erklärlich sei, warum bestimmte<br />
Dinge plötzlich thematisiert würden. Er wie<strong>der</strong>holt, dass die Polizei im Rahmen<br />
ihrer Aufgaben auch mit den Betroffenen im Rahmen <strong>des</strong> Notwendigen in Kontakt<br />
stehe.<br />
Abgeordneter Dr. Scharfenberg (DIE LINKE) äußert, dass Ausgangspunkt <strong>der</strong> Diskussion<br />
eindeutig <strong>der</strong> Einbruch in das Büro <strong>der</strong> gesetzestreuen jüdischen Gemeinde<br />
gewesen sei. Anschließend habe es eine öffentliche Äußerung gegeben. Im Rahmen<br />
<strong>des</strong>sen hätte sich auch <strong>der</strong> Rabbiner zu Wort gemeldet. Eine Verbindung dieses<br />
Sachverhaltes mit einer Sicherheitsproblematik halte er <strong>für</strong> nicht angebracht. Dennoch<br />
müsse natürlich dieser Sachverhalt ernst genommen werden.<br />
Abgeordneter Petke (CDU) stimmt den Ausführungen <strong>des</strong> Abgeordneten Dr. Scharfenberg<br />
(DIE LINKE) insofern zu, dass <strong>der</strong> Ausgangspunkt letztendlich eine strafbare<br />
Handlung gewesen sei. Nach dieser Straftat habe es jedoch Aussagen gegeben, die<br />
sich auf das gesamte Land bezogen hätten. In diesem Zusammenhang habe sich<br />
auch <strong>der</strong> Ministerpräsident geäußert. Vor diesem Hintergrund habe er die Erörterung<br />
hierzu im Ausschuss <strong>für</strong> wichtig gehalten.<br />
Zu TOP 8:<br />
Ermittlungsstand zum Brand in zwei Mehrfamilienhäusern am<br />
30. November 2010 und am 1. Dezember 2010 in Ludwigsfelde<br />
Die Vorsitzende weist darauf hin, dass dieser Tagesordnungspunkt auf einen Antrag<br />
<strong>der</strong> CDU-Fraktion zurückgehe.<br />
Staatssekretär Zeeb bittet darum, dass Herr Kriminaldirektor Höppner hierzu Ausführungen<br />
tätigen könne.<br />
Herr Kriminaldirektor Höppner weist darauf hin, dass die Ermittlungen zu diesen Taten<br />
noch nicht abgeschlossen seien und insofern ermittlungsinterne Erkenntnisse<br />
nicht bekanntgegeben werden dürfen. Es handele sich um drei unterschiedlich begangene<br />
Straftaten <strong>des</strong> Brandgeschehens. Seitens <strong>des</strong> Schutzbereiches sei <strong>für</strong> die<br />
Ermittlungen eine Ermittlungsgruppe eingerichtet worden, die festgestellt habe, dass<br />
in allen Fällen Brandbeschleuniger verwendet worden seien. Es sei jeweils die<br />
Brandzündung in den Abendstunden erfolgt. Nach jetzigem Ermittlungsstand könne<br />
kein Zusammenhang zwischen den Straftaten sowie kein politischer Hintergrund festgestellt<br />
werden. Es würde <strong>der</strong>zeit in alle Richtungen ermittelt werden. In diesem Zusammenhang<br />
sei ein weiterer Sachverhalt mitaufgeklärt worden. Es sei ein Schüler<br />
als Tatverdächtiger ermittelt worden. Auch in diese Richtung würden die Ermittlungen<br />
<strong>der</strong>zeit laufen.
<strong>Landtag</strong> Brandenburg P-AI 5/13-2 S. 10<br />
Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />
<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> – Teil 2 ro-we<br />
Zu TOP 9:<br />
Verschiedenes<br />
Die Vorsitzende unterbreitet den Vorschlag, dass <strong>der</strong> Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> eine<br />
Reise unternehmen sollte. Ziel <strong>der</strong> Reise sollte die Schweiz sein. Die zu erörternden<br />
Themen sollten die <strong>der</strong> „Direkten Demokratie“ sowie <strong>des</strong> „Wahlrechts“ sein. Der genaue<br />
Zeitplan <strong>für</strong> dieses Reise stehe noch nicht fest. Sie präferiere den Reisezeitpunkt<br />
um den <strong>Sitzung</strong>stermin Ende Mai 2011.<br />
Mehrheitlich wird die Durchführung einer solchen Ausschussreise beschlossen und<br />
die <strong>Landtag</strong>sverwaltung gebeten, alles Erfor<strong>der</strong>liche zu veranlassen.<br />
Die Vorsitzende bedankt sich <strong>für</strong> die Aufmerksamkeit und die rege Diskussion. Sie<br />
erinnert daran, dass die nächste <strong>Sitzung</strong> am 3. März 2011 stattfinden werde und<br />
schließt die <strong>Sitzung</strong>.<br />
(Dieses <strong>Protokoll</strong> wurde durch Beschluss <strong>des</strong> <strong>Ausschusses</strong> gemäß § 83 Satz 3 GOLT in <strong>der</strong> 14. <strong>Sitzung</strong><br />
am 3. März 2011 bestätigt.)