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Protokoll der 13. Sitzung des Ausschusses für Inneres - Landtag ...

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<strong>Landtag</strong> Brandenburg P-AI 5/13-1<br />

5. Wahlperiode<br />

Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong><br />

<strong>Protokoll</strong> – Teil 1<br />

<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> (öffentliche Anhörung)<br />

27. Januar 2011<br />

Potsdam - Haus <strong>des</strong> <strong>Landtag</strong>es<br />

<strong>13.</strong>00 Uhr bis 16.35Uhr<br />

Vorsitz:<br />

Britta Stark (SPD)<br />

<strong>Protokoll</strong>:<br />

Stenografischer Dienst/<br />

Anke Robert<br />

Anwesende Ausschussmitglie<strong>der</strong>:<br />

Danny Eichelbaum (CDU)<br />

Bettina Fortunato (DIE LINKE)<br />

Hans-Peter Goetz (FDP)<br />

Stefan Ludwig (DIE LINKE)<br />

Ursula Nonnemacher (GRÜNE/B90)<br />

Sven Petke (CDU)<br />

Dr. Hans-Jürgen Scharfenberg (DIE LINKE)<br />

Werner-Siegwart Schippel (SPD)<br />

stellvertretend Alwin Ziel (SPD)<br />

Datum <strong>der</strong> Ausgabe: 09.03.2011


<strong>Landtag</strong> Brandenburg P-AI 5/13-1 S. 2<br />

Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />

<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />

Tagesordnung:<br />

2. Siebentes Gesetz zur Än<strong>der</strong>ung <strong>des</strong> Brandenburgischen Polizeigesetzes,<br />

Gesetzentwurf <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> CDU, Drucksache 5/1442<br />

Anhörung<br />

Aus <strong>der</strong> Beratung:<br />

Vorsitzende: Meine Damen und Herren, ich begrüße Sie zu unserer heutigen <strong>Sitzung</strong><br />

<strong>des</strong> Innenausschusses.<br />

Vor Eintritt in die Tagesordnung begrüße ich ganz beson<strong>der</strong>s herzlich unseren Innenminister,<br />

Herrn Dr. Woidke; Herr Staatssekretär Zeep wird gleich eintreffen. Herzlich<br />

willkommen!<br />

Zur Form: Die Tagesordnung ist Ihnen am 17. Januar 2011 zugestellt worden. Gibt<br />

es zur Tagesordnung Bemerkungen o<strong>der</strong> Än<strong>der</strong>ungsvorschläge?<br />

Abgeordneter Ludwig (DIE LINKE):<br />

Da wir so viele Gäste haben, die wir umfänglich hören wollen, schlage ich vor, Tagesordnungspunkt<br />

1 entwe<strong>der</strong> als neuen Tagesordnungspunkt 2 o<strong>der</strong> am Ende <strong>der</strong><br />

Tagesordnung einordnen.<br />

Vorsitzende:<br />

Ich nehme gern auf, dass wir Tagesordnungspunkt 1 und Tagesordnungspunkt 2 aufgrund<br />

<strong>der</strong> vielen Gäste tauschen.<br />

Gibt es weitere Än<strong>der</strong>ungsanträge zur Tagesordnung? - Das ist nicht <strong>der</strong> Fall. Dann<br />

lasse ich über die Tagesordnung abstimmen. Wir beginnen also mit <strong>der</strong> Anhörung.<br />

TOP 2 wird Aktuelles sein; ansonsten bleibt die Tagesordnung wie vereinbart. Wer<br />

<strong>der</strong> so geän<strong>der</strong>ten Tagesordnung zustimmt, den bitte ich um sein Handzeichen. -<br />

Das ist die Mehrzahl. - Gegenstimmen? - Keine. - Enthaltungen? - Auch keine. Damit<br />

ist einstimmig so beschlossen.<br />

Die <strong>Protokoll</strong>e <strong>der</strong> <strong>Sitzung</strong>en vom 18. November 2010 sowie vom 2. Dezember 2010<br />

haben Sie erhalten. Gibt es Anmerkungen, Redeanzeigen o<strong>der</strong> Redebedarf dazu? -<br />

Das ist nicht <strong>der</strong> Fall. Dann stimmen wir über die beiden <strong>Protokoll</strong>e ab. Wer ihnen zustimmt,<br />

den bitte ich um sein Handzeichen. - Das ist die Mehrzahl. -<br />

Gegenstimmen? - Keine. - Enthaltungen? - Auch keine. Damit haben wir die <strong>Protokoll</strong>e<br />

einstimmig angenommen.


<strong>Landtag</strong> Brandenburg P-AI 5/13-1 S. 3<br />

Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />

<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />

Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:<br />

Siebentes Gesetz zur Än<strong>der</strong>ung <strong>des</strong> Brandenburgischen Polizeigesetzes,<br />

Gesetzentwurf <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> CDU, Drucksache 5/1442<br />

Die Anhörung wurde lange vorbereitet. Der Gesetzentwurf ist im Juli 2010 erörtert<br />

und dem <strong>Landtag</strong> zugeleitet worden. Da wir im Innenausschuss immer viel zu tun haben,<br />

haben wir uns gemeinsam darauf geeinigt, heute diesen Gesetzentwurf zu behandeln.<br />

Wir haben dazu Sachverständige eingeladen; die Teilnehmerliste habe ich Ihnen zukommen<br />

lassen. Ich schlage vor, dass wir die Anzuhörenden in 3 Gruppen einteilen<br />

und zunächst Herrn Dieter Glietsch, den Polizeipräsidenten von Berlin, anhören. Anschließend<br />

war Herr Rautenberg vorgesehen; er hat uns lei<strong>der</strong> aus Krankheitsgründen<br />

abgesagt. Es folgen Frau Dr. Hartge, die Lan<strong>des</strong>beauftragte <strong>für</strong> den Datenschutz,<br />

Herr Professor Hartmut Aden, die Gewerkschaften und Berufsvertretungen<br />

und <strong>der</strong> Deutsche Anwaltsverein. Herr Peter Schaare, <strong>der</strong> Bun<strong>des</strong>beauftragte <strong>für</strong> den<br />

Datenschutz hat lei<strong>der</strong> auch abgesagt.<br />

Ich bitte die Anzuhörenden, die Redezeit von zehn Minuten nicht zu überschreiten,<br />

und erteile nun Herrn Dieter Glietsch zum vorliegenden Gesetzentwurf das Wort.<br />

Herr Glietsch (Polizeipräsident Berlin):<br />

Ich möchte gern über meine Erfahrungen als Polizeipräsident in Berlin zu dem Thema<br />

berichten.<br />

Für die uniformierten Angehörigen <strong>der</strong> Berliner Polizei ist die Verpflichtung zum Tragen<br />

eines Namens- o<strong>der</strong> Dienstnummernschil<strong>des</strong> seit dem 26. November <strong>des</strong> vergangenen<br />

Jahres durch Geschäftsanweisung <strong>des</strong> Polizeipräsidenten geregelt. Dieser<br />

Regelung ist eine intensive und umfassende Diskussion vorausgegangen, die sowohl<br />

polizeiintern als auch öffentlich geführt wurde.<br />

In <strong>der</strong> Berliner Lan<strong>des</strong>politik wurde seit vielen Jahren immer wie<strong>der</strong> die For<strong>der</strong>ung<br />

nach einer gesetzlich geregelten sogenannten individuellen Kennzeichnung erhoben,<br />

zuletzt im Abgeordnetenhaus durch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit Antrag<br />

vom 1. Februar <strong>des</strong> Jahres 2007. Diese For<strong>der</strong>ungen beschränkten sich regelmäßig<br />

auf Einsatzeinheiten <strong>der</strong> Polizei und wurden mit <strong>der</strong> Behauptung begründet, die Identifizierbarkeit<br />

von Polizeibeamten, denen eine Straftat vorgeworfen wird, sei auf an<strong>der</strong>e<br />

Weise nicht zu gewährleisten.<br />

Eine vor diesem Hintergrund von mir im Jahr 2007 in Auftrag gegebene wissenschaftliche<br />

Untersuchung durch Prof. Dr. Rogall von <strong>der</strong> Freien Universität Berlin auf<br />

<strong>der</strong> Basis von 131 eingestellten Ermittlungsverfahren wegen Verdachts <strong>der</strong> Körperverletzung<br />

im Amt hat dies zwar so nicht bestätigt, <strong>der</strong> Gutachter kommt aber zu dem


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Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />

<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />

Ergebnis, dass eine individuelle Kennzeichnung <strong>der</strong> eingesetzten Polizeibeamten die<br />

Aufklärung <strong>der</strong> angezeigten Tat in 12 Fällen erleichtert hätte. In weiteren 10 Fällen<br />

war das nach seiner Einschätzung immerhin nicht auszuschließen. Dieses Ergebnis<br />

<strong>der</strong> Untersuchung war jedoch <strong>für</strong> meine Entscheidung, die Dienstkleidungsträger <strong>der</strong><br />

Berliner Polizei zum Tragen einer individuellen Kennzeichnung zu verpflichten, nicht<br />

ausschlaggebend. Ich bin vielmehr <strong>der</strong> Überzeugung, dass heute, in einer mo<strong>der</strong>nen<br />

und bürgernahen Polizei das Tragen von Namensschil<strong>der</strong>n zur Dienstkleidung eine<br />

selbstverständliche Geste <strong>der</strong> Bürger- und Kundenorientierung ist, die von den Bürgerinnen<br />

und Bürgern auch erwartet werden kann. Deshalb hatte ich bereits im Jahre<br />

2003 mit einer Geschäftsanweisung das freiwillige Tragen eines von <strong>der</strong> Behörde zur<br />

Verfügung gestellten Namensschil<strong>des</strong> empfohlen und in den Folgejahren auch intensiv<br />

da<strong>für</strong> geworben. Bis zum Jahr 2009 sind ca. 10 000 Namensschil<strong>der</strong> an die rund<br />

15.000 Dienstkleidungsträger <strong>der</strong> Berliner Polizei ausgegeben worden.<br />

Obwohl bis heute keinerlei Negativerfahrungen bekannt geworden sind, wurden Namensschil<strong>der</strong><br />

nur von einem Teil <strong>der</strong> Mitarbeiter getragen. Ein an<strong>der</strong>er, nicht geringer<br />

Teil lehnte das Tragen <strong>des</strong> Namensschil<strong>des</strong> ab und begründete dies mit <strong>der</strong> Angst<br />

vor Repressalien durch Rechtsbrecher. Dabei handelt es sich nach meiner Überzeugung<br />

um emotionale Vorbehalte, die sich nicht auf Tatsachen stützen, gleichwohl von<br />

mir ernstgenommen und in <strong>der</strong> Geschäftsanweisung auch berücksichtigt worden<br />

sind. Sie stellt es den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern frei, anstelle <strong>des</strong> Namensschil<strong>des</strong><br />

ein Schild mit einer fünfstelligen Dienstnummer an <strong>der</strong> Uniform zu tragen.<br />

An den Einsatzanzügen tragen die Angehörigen <strong>der</strong> Einsatzeinheit eine taktische<br />

Rückenkennzeichnung, die die individuelle Zuordnung ermöglicht.<br />

Die angeblich mit dem Bekanntwerden <strong>des</strong> Namens verbundenen Gefahren waren<br />

auch das Hauptargument in den Ablehnungsentscheidungen im personalvertretungsrechtlichen<br />

Beteiligungsverfahren, das erst im November 2010 durch eine Entscheidung<br />

<strong>der</strong> Einigungsstelle beendet werden konnte. Die These, das Bekanntwerden<br />

<strong>des</strong> Namens eines Polizeibeamten sei <strong>für</strong> ihn und seine Familie generell gefährlich,<br />

wurde in <strong>der</strong> seit Jahren andauernden Diskussion nie durch Fakten belegt. Eine Anonymisierung<br />

<strong>der</strong> im Dienst eingesetzten Beamten ist - jedenfalls wenn man sie generell<br />

vornehmen möchte - rechtlich unzulässig und auch faktisch unmöglich, da bei<br />

jedem polizeilichen Sachverhalt mit anschließen<strong>der</strong> Berichts- o<strong>der</strong> Anzeigenfertigung<br />

<strong>der</strong> Name <strong>des</strong> einschreitenden Beamten aktenkundig wird. Im Straf- o<strong>der</strong> Ordnungswidrigkeitenverfahren<br />

kann je<strong>der</strong> Beschuldigte o<strong>der</strong> Betroffene den Namen <strong>der</strong> einschreitenden<br />

Mitarbeiter in Erfahrung bringen. Sie treten aus Rechtsgründen als „Anzeigen<br />

durch Zeugen“ namentlich in Erscheinung. Es wäre daher auch unsinnig, die<br />

Namensschil<strong>der</strong> <strong>der</strong> Kriminalbeamten an den Bürotüren mit <strong>der</strong> Begründung zu entfernen,<br />

denn auch sie könnten von vorgeladenen o<strong>der</strong> festgenommenen Straftätern<br />

zur Identifizierung ihrer Strafverfolger genutzt werden.<br />

Unbestritten ist, dass die Zahl <strong>der</strong> Gewaltdelikte gegen Polizeibeamte hoch ist. Dies<br />

ist jedoch im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Einführung einer namentlichen Kennzeichnung<br />

irrelevant. Ziel <strong>der</strong> Angriffe ist in <strong>der</strong> Regel nicht die namentlich bekannte individuelle


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<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />

Person, son<strong>der</strong>n die staatliche Institution, also die Polizei als Repräsentant <strong>des</strong> Staates.<br />

Dabei ist es unerheblich, ob die einschreitende Dienstkraft ein Namensschild<br />

trägt o<strong>der</strong> nicht.<br />

Geltend gemacht wurde auch, dass sogenannte Retourkutschen nach Einführung einer<br />

Kennzeichnungspflicht ins Unermessliche steigen würden. Auch diese Be<strong>für</strong>chtung<br />

ist nicht begründet. Als Retourkutschen werden falsche Beschuldigungen gegen<br />

Polizeibeamte bezeichnet, die als Reaktion auf rechtmäßiges polizeiliches Handeln<br />

erhoben werden. Diese Möglichkeit besteht unabhängig davon, ob ein Polizeibeamter<br />

seinen Namen an <strong>der</strong> Uniform trägt o<strong>der</strong> nicht. Polizistinnen und Polizisten müssen<br />

sich, wenn sie identifizierbar sind, nicht vor falschen Anschuldigungen und Verdächtigungen<br />

<strong>für</strong>chten, weil diese sich in aller Regel als haltlos erweisen und weil Anonymität<br />

nicht vor falschen Anschuldigungen schützt.<br />

Mein Fazit aus <strong>der</strong> mehrjährigen intensiven Diskussion, die ich nicht nur im Rahmen<br />

<strong>des</strong> Beteiligungsverfahrens, son<strong>der</strong>n auch in einer Vielzahl von Dienststellenbesuchen<br />

mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geführt habe, lautet <strong>des</strong>halb: Polizeibeamtinnen<br />

und Polizeibeamte müssen akzeptieren, dass im freiheitlich-demokratischem<br />

Rechtsstaat je<strong>der</strong>, <strong>der</strong> von polizeilichen Maßnahmen betroffen ist, grundsätzlich<br />

einen Anspruch darauf hat zu wissen, wer in seine Rechte eingreift.<br />

Gefahren, denen Polizistinnen und Polizisten durch Rechtsbrecher ausgesetzt sind,<br />

erhöhen sich nicht dadurch, dass sie den Namen an <strong>der</strong> Uniform tragen. Für den, <strong>der</strong><br />

das trotzdem be<strong>für</strong>chtet, ist es gut, wenn er zwischen Name und Dienstnummer wählen<br />

kann. Weil es keinen überzeugenden Grund da<strong>für</strong> gibt, die Namen <strong>der</strong> Polizeibeamtinnen<br />

und Polizeibeamten generell geheim zu halten, hat <strong>der</strong> Berliner Beauftragte<br />

<strong>für</strong> Datenschutz und Informationsfreiheit folgerichtig auch keine Bedenken gegen die<br />

von mir erlassene Regelung geltend gemacht.<br />

Im Laufe <strong>der</strong> Diskussion haben immer mehr Kolleginnen und Kollegen begriffen,<br />

dass es <strong>der</strong> Polizei schadet, wenn wir uns immer wie<strong>der</strong> vorhalten lassen müssen,<br />

wir wollten uns in <strong>der</strong> Anonymität verstecken, weil wir den kritischen Blick <strong>der</strong> Öffentlichkeit<br />

<strong>für</strong>chten. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind sehr gut ausgebildete,<br />

professionell und rechtsstaatlich handelnde Polizistinnen und Polizisten, die das, was<br />

sie tun o<strong>der</strong> unterlassen, gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern verantworten können.<br />

Selbstvertrauen und Anonymität passen nicht zusammen, ebenso wenig wie<br />

Anonymität und Bürgernähe. Die mit dem Gesetzentwurf vorgeschlagene Regelung<br />

ist aus meiner Sicht grundsätzlich sinnvoll und auch geeignet, die in <strong>der</strong> Begründung<br />

genannten Ziele zu erreichen (Stellungnahme, Anlage 1).<br />

Frau Hartge (Lan<strong>des</strong>beauftragte <strong>für</strong> den Datenschutz):<br />

Ich werde die Punkte, die meine Behörde beantworten kann, anhand <strong>der</strong> Fragen herausstellen.


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<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />

Zu Frage 1: Welche Gründe sprechen <strong>für</strong> und welche gegen eine Kennzeichnungspflicht?<br />

Ich stelle voran, dass es sich bei <strong>der</strong> Kennzeichnung durch Namensschil<strong>der</strong><br />

von Polizeibeamten selbstverständlich um eine Übermittlung personenbezogener Daten<br />

an Dritte handelt. In <strong>der</strong> brandenburgischen Verfassung gibt es ein Grundrecht,<br />

das die informationelle Selbstbestimmung ausdrücklich schützt, das aber auch sagt,<br />

dass das Grundrecht im überwiegenden allgemeinen Interesse einschränkbar ist.<br />

Was spricht <strong>für</strong> bzw. gegen eine Kennzeichnung? Es sind insbeson<strong>der</strong>e Be<strong>für</strong>chtungen,<br />

dass es <strong>für</strong> Polizeibeamte zu Gefährdungen kommen könnte, wenn durch Missbrauch<br />

ihrer Daten beispielsweise Namen recherchiert o<strong>der</strong> die Adresse über das Internet<br />

bekannt gegeben werden. Es gibt auch die Be<strong>für</strong>chtung, dass es möglicherweise<br />

zu falschen Anschuldigungen kommen könnte, wenn man namentlich benannt<br />

ist.<br />

Ich selbst sehe eigentlich nur Vorteile bei einer Kennzeichnungspflicht, weil ich denke,<br />

dass <strong>der</strong> Rechtsstaat ein offenes Gesicht haben sollte. Ein transparenter und mo<strong>der</strong>ner<br />

Rechtsstaat bringen es mit sich, dem an<strong>der</strong>en grundsätzlich offen gegenüberzutreten,<br />

wie es gerade bei hoheitlichem Handeln beson<strong>der</strong>s wichtig ist. Es ist wichtig,<br />

dass das hoheitliche Handeln von Mitarbeitern, die in Grundrechte sehr intensiv<br />

eingreifen, überprüfbar ist. Deswegen ist es naheliegend, dies durch eine - im Regelfall<br />

namentliche o<strong>der</strong> auch pseudonyme - Benennung zu ermöglichen. Es ist <strong>für</strong> die<br />

Bediensteten in diesem eingriffsintensiven Bereich von Vorteil, weil es wichtig ist,<br />

dass Anschuldigungen, die auch ohne namentliche Nennung erfolgen können, überprüfbar<br />

sind, und das ist wesentlich leichter, wenn man konkret benennen kann, welche<br />

Person gemeint ist. Im Übrigen ist es auch ein Zeichen von eigenverantwortlichem<br />

Handeln, wenn ich die Beziehung zu meiner eigenen Person durch ein Zeichen<br />

sichtbar mache.<br />

Zu <strong>der</strong> Frage <strong>des</strong> „Wie“ <strong>der</strong> Kennzeichnung: Lassen Sie mich zunächst auf den Gesetzentwurf<br />

eingehen. Es wurde eine namentliche Kennzeichnung, das heißt, ein Namensschild<br />

vorgeschlagen. Im Regelfall würde <strong>der</strong> Nachname eines Beamten ausreichen.<br />

Nur dort, wo häufiger geführte Namen vorkommen - beispielsweise die klassischen,<br />

häufig vorkommenden Namen Müller, Schmidt, Fischer, Schnei<strong>der</strong> -, ist es<br />

denkbar, durch abgekürzte Vornamen die Identifizierbarkeit zu verbessern.<br />

Es gibt jedoch auch die Möglichkeit, Pseudonyme einzusetzen. Diese können <strong>für</strong> den<br />

Bürger, wenn sie entsprechend gewählt werden, nachteilig sein, wenn sie nämlich zu<br />

lang sind. Ein Pseudonym muss immer so gewählt werden, dass es merkfähig ist. Es<br />

nützt nichts, wenn man eine zehnstellige Kombination sieht, die man sich bei Einsätzen<br />

auf keinen Fall merken kann. Dann steht man vor <strong>der</strong> Situation sagen zu müssen:<br />

Ich habe zwar eine Ziffernkombination gesehen, kann sie jedoch nicht wie<strong>der</strong>geben.<br />

- Ich denke, dass gerade die Pseudonymisierung in sicherheitsrelevanten Bereichen<br />

eine Möglichkeit ist, dem Bürger gegenüberzutreten. Dabei denke ich an Großeinsätze<br />

<strong>der</strong> Polizei bei Großdemonstrationen, bei denen <strong>der</strong> Beamte gerade nicht<br />

offen gegenübertritt und beschreibbar ist. Durch die Anzüge und Helme, die getragen<br />

werden müssen, ist <strong>der</strong> Bürger dort darauf angewiesen, irgendeine Rückführbarkeit


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zu bekommen, damit eine nachträgliche Identitätsfeststellung möglich wird.<br />

Zur zweiten Frage: Welche Fälle sollten von <strong>der</strong> generellen namentlichen Kennzeichnungspflicht<br />

ausgenommen werden? Es ist selbstverständlich, dass es Bereiche in<br />

<strong>der</strong> polizeilichen Tätigkeit gibt, die sich definitiv nicht <strong>für</strong> eine namentliche Benennung<br />

eignen. Ein typisches Beispiel dürften hierbei die verdeckten Ermittler sein. Ich glaube,<br />

niemand kommt auf die Idee, diese Einsatzbereiche namentlich auszuweisen. Es<br />

ist hier vielleicht noch die Klarstellung einzubringen, dass diese Bereiche we<strong>der</strong> namentlich<br />

noch mit Pseudonym gekennzeichnet werden sollen. Bei beson<strong>der</strong>en Anlässen<br />

bieten sich jedoch Pseudonyme an, sodass die Abschichtung, die da vorliegt,<br />

auch nicht fernliegend ist.<br />

Zu Frage 5: Welche Unterschiede sehen Sie zwischen Mitarbeitern <strong>der</strong> Polizei und<br />

Verwaltungsmitarbeitern, die mit vollem Namen bekannt sind, zum Beispiel durch<br />

Türschil<strong>der</strong> und die Unterzeichnung von Schreiben? Es gibt einen ganz offensichtlichen<br />

Unterschied: Wenn Sie mit Verwaltungsmitarbeitern in Kontakt treten, gibt es<br />

per se ein Gesicht, das Ihnen gegenübertritt; das ist bei <strong>der</strong> Polizei, wenn man eine<br />

Wache aufsucht, im Übrigen auch so, es gibt ein konkretes Gegenüber. In den Verwaltungen<br />

ist es Gott sei Dank üblich, dass es auch an den Zimmertüren <strong>der</strong> Mitarbeiter<br />

namentliche Benennungen gibt. In Kommunen ist es zunehmend üblich, dass<br />

Mitarbeiter, die dem Bürger Auskünfte geben, Namensschil<strong>der</strong> tragen. Sicherlich gibt<br />

es Unterschiede, beispielsweise, wenn man in einer Gefährdungssituation - auf<br />

Großdemonstrationen - <strong>für</strong> Rechtssicherheit eintritt. Ich bin davon überzeugt, dass es<br />

im Prinzip um die Identifizierbarkeit geht, die sichergestellt sein muss - insbeson<strong>der</strong>e<br />

in den Fällen, in denen <strong>der</strong> Beamte nicht mehr erkennbar ist -, damit sein Verhalten<br />

kontrollierbar wird.<br />

Zu Frage 6: Wie bewerten Sie die Kennzeichnungspflicht im Hinblick auf § 36 Beamtenstatusgesetz,<br />

wonach Beamtinnen und Beamte <strong>für</strong> die Rechtmäßigkeit ihrer<br />

dienstlichen Handlungen die volle persönliche Verantwortung tragen? Da ist im Prinzip<br />

nur ein einziger Satz nötig: Es ist ein sichtbares Zeichen <strong>der</strong> persönlichen Verantwortung,<br />

die in § 36 Beamtenstatusgesetz geregelt ist.<br />

Zu Frage 9: Wie bewerten Sie die Verwendung eines - gegebenenfalls wechselnden<br />

- Aliasnamens o<strong>der</strong> einer Buchstaben-Nummern-Kombination? Bei Aliasnamen<br />

habe selbst ich Bedenken. Aliasnamen sind problematisch, weil sie <strong>für</strong> die Bevölkerung<br />

nicht als Aliasnamen erkennbar sind und weil sie vor allem im Nachhinein zu<br />

Problemen führen können, wenn zum Beispiel Fehlidentifikationen erfolgen. Wenn jemand<br />

einen Aliasnamen als wahren Namen ansieht und es eine an<strong>der</strong>e Person mit<br />

dem Namen gibt, können Verknüpfungen erfolgen, die nicht gewünscht sind. Pseudonymisierung<br />

ist in jedem Fall rechtssicherer; bei einer Ziffern-Buchstaben-Kombination<br />

lege ich Wert darauf, dass sie <strong>für</strong> den Betrachter aufnehmbar bleibt, da das ab<br />

einer bestimmten Ziffernmenge nicht mehr <strong>der</strong> Fall ist.


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Zu Frage 10: Wie bewerten Sie den Umstand, dass privatwirtschaftlich tätige Wachleute<br />

rechtlich verpflichtet sind, ein Namensschild zu tragen? Aus datenschutzrechtlicher<br />

Sicht beanstande ich das nicht. Insofern kann ich es auch nicht weitergehend<br />

bewerten. Es ist eine zulässige Form, dem Bürger gegenüberzutreten.<br />

Damit bin ich am Ende angelangt und möchte noch einen Hinweis zu § 9 Abs. 4 <strong>des</strong><br />

hier vorgelegten Gesetzentwurfs geben. Dort verweisen Sie auf die Beteiligung <strong>der</strong><br />

LDA bei <strong>der</strong> Rechtsverordnung. Dieser Verweis kann entfallen, weil in § 7 Abs. 2 <strong>des</strong><br />

Brandenburgischen Datenschutzgesetzes bereits die Einbeziehung <strong>der</strong> LDA gesetzlich<br />

geregelt ist (Stellungnahme, Anlage 2).<br />

Herr Prof. Dr. Aden (Hochschule <strong>für</strong> Wirtschaft und Recht Berlin):<br />

Ich habe Ihnen im Vorfeld eine schriftliche Stellungnahme (Anlage 3) zukommen lassen,<br />

in <strong>der</strong> ich auf die einzelnen Fragen eingehe, die Sie gestellt hatten. Ich möchte<br />

Sie außerdem - das hatte ich Ihnen auch zukommen lassen - auf einen Text verweisen,<br />

den ich in <strong>der</strong> Dezemberausgabe <strong>der</strong> Zeitschrift „Die Polizei“ veröffentlicht habe<br />

(Anlage 4). Da habe ich mich mit dem Brandenburgentwurf und dem sächsischen<br />

Parallelentwurf etwas ausführlicher auseinan<strong>der</strong>gesetzt, habe noch einmal einige Argumente<br />

genannt, was ich in den folgenden zehn Minuten nicht tun kann. Ich fasse<br />

hier <strong>des</strong>wegen nur kurz zusammen, gehe also nicht auf alle, son<strong>der</strong>n nur auf ausgewählte<br />

Fragen ein, möchte Ihnen jedoch empfehlen, diesen Gesetzentwurf - eventuell<br />

mit kleinen Än<strong>der</strong>ungen - anzunehmen, zu denen ich gleich kommen werde.<br />

Ich gehe noch einmal auf das ein, was von denjenigen, die sich mit dieser Thematik<br />

in den letzten Jahren beschäftigt haben, ebenfalls hervorgehoben wird, was Sie auch<br />

in meiner Veröffentlichung finden, nämlich die Hauptargumente <strong>für</strong> die Kennzeichnungsregelung,<br />

die Wertschätzung <strong>des</strong> Gegenübers, die Serviceorientierung, die <strong>für</strong><br />

eine Organisation wie die Polizei heute sehr wichtig geworden ist, was aber auch ein<br />

wichtiges Argument ist, nämlich, dass es heutzutage ein gewachsenes Ausbildungsniveau<br />

gibt.<br />

Die Polizei in Deutschland ist sehr viel professioneller geworden, also sie noch vor<br />

30, 40 Jahren war. Es gibt heute sehr gut ausgebildete Polizisten, die nicht nur Verantwortung<br />

übernehmen können, son<strong>der</strong>n auch wollen, weshalb sie keine Unterschiede<br />

zu an<strong>der</strong>en Verwaltungen sehen. Es ist also eine zeitgemäße Entwicklung,<br />

dass man heute zu einer Kennzeichnungsregelung kommt.<br />

Natürlich geht es aber auch darum, dass es in Fällen, in denen es zu unprofessionellem<br />

o<strong>der</strong> unrechtmäßigem Handeln kommt, Identifizierungsmöglichkeiten gibt; das ist<br />

natürlich ein zentrales Anliegen eines solchen Gesetzgebungsprojekts.<br />

Schließlich - das wird manchmal übersehen - hat ein solches Gesetz auch Präventivfunktionen<br />

in verschiedene Richtungen, nämlich einerseits gegenüber denjenigen,


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Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />

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die möglicherweise Opfer von unrechtmäßigen Polizeihandlungen werden könnten,<br />

zum an<strong>der</strong>en gegenüber den Beamtinnen und Beamten selbst. Denn wenn man<br />

weiß, dass man in gewisser Weise unter Beobachtung steht, ist die Wahrscheinlichkeit,<br />

dass man das Risiko eingeht, hinterher dienstrechtlich o<strong>der</strong> strafrechtlich belangt<br />

zu werden, wesentlich geringer. Insofern hat eine Kennzeichnungsregelung<br />

auch gegenüber den Bediensteten selbst eine wichtige Präventivfunktion.<br />

Bei den Gegenargumenten hat man in den letzten Jahrzehnten vor allem zwei Problemkreise<br />

diskutiert, auch in den Monaten, seit es diese Gesetzentwürfe gibt. Das<br />

ist zum einen die Gefährdungsproblematik. Es ist schon mehrmals betont worden,<br />

dass, wenn es zu einer namentlichen Kennzeichnung im Polizeibereich käme, die<br />

Beamten selbst o<strong>der</strong> ihre Angehörigen gefährdet seien. Es gibt heute schon viele Polizeibeamte,<br />

die ihren Dienst mit Namensschil<strong>der</strong>n antreten. Konkrete Fälle, in denen<br />

Gefährdungen eingetreten sind, sind nicht bekannt geworden, zumin<strong>des</strong>t nicht in den<br />

normalen Dienststellen im mittleren und gehobenen Dienst. Es werden einzelne Fälle<br />

aus <strong>der</strong> Führungsebene berichtet, die natürlich sehr exponiert in <strong>der</strong> Öffentlichkeit<br />

stehen, wenn es etwa um die Frage geht, mit welchen Auflagen Versammlungen und<br />

Ähnliches versehen werden sollen. Da soll es schon zu Vorkommnissen gekommen<br />

sein. Aber ich denke, das kann kein Argument im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Kennzeichnungsdiskussion<br />

sein, weil das Mitarbeiter sind, die kraft Amtes ohnehin häufig<br />

überregional bekannt sind.<br />

Nun zu dem Argument, man stelle Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte mit einer<br />

Kennzeichnungspflicht unter Generalverdacht. Ich kann nicht nachvollziehen, wie das<br />

begründet wird. In allen möglichen Verwaltungen und auch in <strong>der</strong> Privatwirtschaft gibt<br />

es heute solche Kennzeichnungen. Dass das etwas mit einem Generalverdacht zu<br />

tun haben sollte, läge in an<strong>der</strong>en Verwaltungen sicherlich völlig fern - und das liegt<br />

meines Erachtens auch im Polizeibereich sehr fern.<br />

Ich möchte kurz auf das Thema Kennzeichnungspflicht per Freiwilligkeit, per Dienstanweisung<br />

o<strong>der</strong> per gesetzlicher Regelung eingehen. Zwar sind freiwillige Lösungen<br />

schön und gut, jedoch ist die Kennzeichnungspflicht per Gesetz weit überlegen. Viele<br />

Polizisten sind jedoch professionell genug, die Kennzeichnung freiwillig anzunehmen.<br />

In problematischen Fällen - geschlossene Einheiten, schwierigen Einsatzsituationen -<br />

gibt es jedoch mit <strong>der</strong> Freiwilligkeit weiterhin Probleme. Der Bericht von Amnesty hat<br />

dazu auch Fälle dokumentiert. Ich meine, dass es freiwillige Lösungen gibt; bei<br />

Dienstanweisungen in Berlin gibt es das ja - Herr Glietsch hat das ja inzwischen in<br />

Berlin durchgesetzt. Das ist zweifellos ein Schritt in die richtige Richtung. Ich meine<br />

aber, dass eine gesetzliche Regelung dem weit überlegen ist, weil man damit gleichzeitig<br />

eine Normengabe, eine Eingriffsgrundlage auch gegenüber den Bediensteten<br />

selbst hat, wenn man davon ausgeht, dass es sich um - das ist wohl Konsens in <strong>der</strong><br />

juristischen Fachliteratur - einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung<br />

<strong>der</strong> Beamtinnen und Beamten handelt. Da ist eine gesetzliche Regelung<br />

viel besser.


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Natürlich ist es auch ein politisches Signal von Ihnen, meine Damen und Herren Abgeordneten,<br />

dass Sie so etwas wollen und das gegenüber den Bediensteten direkt<br />

vertreten. Deswegen sind wir mit einer gesetzlichen Regelung sehr viel besser als<br />

mit einer rein verwaltungsinternen bedient, abgesehen davon, dass man bei verwaltungsinternen<br />

Regelungen auch noch das Problem hat, dass sie sehr schnell wie<strong>der</strong><br />

infrage gestellt werden können, wenn <strong>der</strong> Wind vielleicht einmal an<strong>der</strong>s weht.<br />

Zur Frage Kennzeichen o<strong>der</strong> Namensschild: Der Gesetzentwurf sieht vor, dass nur<br />

bei geschlossenen Einheiten bei Gefährdungssituationen <strong>der</strong> Name durch ein Kennzeichen<br />

ersetzt werden kann. Das kann man durch einen Anknüpfungstatbestand<br />

ausweiten, nämlich indem man sagt, es müssten tatsächlich Anlasspunkte <strong>für</strong> eine<br />

Gefährdung vorliegen. Ich hielte das <strong>für</strong> möglich, wenn man von <strong>der</strong> Prämisse ausginge,<br />

dass es heutzutage eine ziemlich professionell handelnde Polizei gibt. Ich würde<br />

es sogar - ähnlich, wie das jetzt in Berlin als Kompromiss durchgesetzt worden<br />

ist - <strong>für</strong> denkbar halten, dass man das ins Ermessen <strong>der</strong> einzelnen Beamtinnen und<br />

Beamten stellt. Diese Regelung, die jetzt auf die geschlossenen Einheiten beschränkt<br />

ist, würde ich ein wenig auf Gefährdungssituationen ausweiten - entwe<strong>der</strong><br />

mit einer klaren materiellen Anknüpfung o<strong>der</strong> sogar über Freiwilligkeit. Wenn man<br />

das aber macht, ist die von Ihnen in § 9 Abs. 3 vorgesehene Ausnahmeklausel weitestgehend<br />

überflüssig. Sie könnte dann vollkommen entfallen o<strong>der</strong> sehr präzise auf<br />

Einzelfälle beschränkt werden. Meine Vorrednerin hat über die verdeckten Ermittler<br />

gesprochen. Das wäre vielleicht ein solcher Fall, und dann könnte die Ausnahmeklausel<br />

im neuen Abs. 3, wie er im Entwurf vorgesehen ist, vollkommen entfallen.<br />

Zur Ausgestaltung: Da kommt es auf die jeweilige Situation an. Es macht einen Unterschied,<br />

ob es sich um einen Streifendienst o<strong>der</strong> einen Innendienst handelt. Bei<br />

Letzterem reicht ein ganz normales Namensschild, wie es in je<strong>der</strong> Verwaltung o<strong>der</strong><br />

je<strong>der</strong> privatwirtschaftlichen Organisation üblich ist.<br />

Etwas an<strong>der</strong>es ist es bei anonymen Situationen, also bei geschlossenen Einheiten,<br />

wo mit Einsatzanzug und Helm aufgetreten wird. Da wird die Identifizierbarkeit <strong>der</strong><br />

einzelnen Person wesentlich erschwert, weshalb man darauf achten sollte, dass es<br />

ein deutlich les- und merkbares Schild gibt. Wenn man nicht den Namen hat, sollte<br />

es kein zu langes Kennzeichen sein, das sich niemand merken kann. Es wäre aber<br />

bei <strong>der</strong> Größe <strong>der</strong> Einheiten durchaus möglich, mit einem sinnvollen Kennzeichnungssystem<br />

- vielleicht bestehend aus Nummern und Buchstaben mit insgesamt<br />

höchstens vier, fünf Stellen - zu arbeiten. Dieses Kennzeichnungssystem könnte man<br />

sowohl am Helm als auch am Einsatzanzug in passen<strong>der</strong> Größe anbringen.<br />

Ich sehe keine Notwendigkeit, die Kennzeichnung regelmäßig zu wechseln. Das würde<br />

den Verwaltungsaufwand erhöhen. Eine Kennzeichnungsregelung, die nicht allein<br />

auf dem Namen basiert, son<strong>der</strong>n auch auf Pseudonymen o<strong>der</strong> sonstigen Kennzeichnungen,<br />

kann nur dann gut funktionieren, wenn es verwaltungsmäßig parallel entsprechende<br />

Abgleichmöglichkeiten gibt, wer dieses Kennzeichen zu welchem Zeit-


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<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />

punkt getragen hat. Meines Erachtens kann die Kennzeichnung durchaus konstant<br />

sein und, wenn konkrete Gefährdungssituationen eingetreten sind, gewechselt werden.<br />

Für einen regelmäßigen Wechsel sehe ich jedoch keine Notwendigkeit, da das<br />

nur unnötigen Verwaltungsaufwand erzeugt.<br />

Zum Schluss möchte ich noch etwas über die Thematik hinausgehen. Die Debatte<br />

um die Kennzeichnung von Polizeibeamten ist zwar wichtig, man sollte jedoch nicht<br />

vernachlässigen, dass in dem Zusammenhang auch an<strong>der</strong>e Fragen wichtig sind, die<br />

in die Diskussion einzubeziehen sind, zum Beispiel: Warum kommt es trotz <strong>des</strong> heutigen<br />

hohen Professionalisierungsniveaus noch dazu, dass in bestimmten Situationen<br />

unprofessionell gehandelt wird? Das hat gruppen- und individualpsychologische Ursachen.<br />

Daran muss man also in <strong>der</strong> Ausbildung, aber auch in <strong>der</strong> kontinuierlichen<br />

Dienstbegleitung arbeiten, denn das hat auch etwas mit Polizeikultur zu tun. Kollege<br />

Behr von <strong>der</strong> Hochschule <strong>der</strong> Polizei in Hamburg hat dazu viel gearbeitet. Es stellt<br />

sich also die Frage: Ist die heutige Polizeikultur überhaupt in <strong>der</strong> Lage, aus Fehlern<br />

zu lernen, o<strong>der</strong> versucht man nicht eher - weil man immer dienstrechtliche o<strong>der</strong> sogar<br />

strafrechtliche Konsequenzen be<strong>für</strong>chten muss -, Fehler möglichst unter <strong>der</strong> Decke<br />

zu halten? Insofern gibt es da ein Grundsatzproblem, das man allein mit <strong>der</strong> Kennzeichnung<br />

nicht lösen kann, son<strong>der</strong>n eine Frage <strong>der</strong> Polizeikultur und ihrer rechtlichen<br />

Rahmenbedingungen insgesamt ist.<br />

Präventiv kann man sicherlich auch im Rahmen von Aus- und Fortbildung einiges tun<br />

- so etwas wie Stress- und Provokationsresistenz von Feindbil<strong>der</strong>n; in Berlin gibt es<br />

in <strong>der</strong> Ausbildung zum gehobenen Dienst eine sehr gute psychologische Ausbildung,<br />

da wird so etwas durchaus mitgemacht.<br />

Fazit: Sie können in Brandenburg, wenn Sie dieses Gesetz beschließen, eine Vorreiterrolle<br />

übernehmen, denn in gesetzlicher Form gibt es so etwas bisher nicht - in<br />

Sachsen befindet sich <strong>der</strong> Gesetzentwurf noch im Verfahren -, weshalb ich Sie dazu<br />

ausdrücklich ermuntern möchte. Wir von <strong>der</strong> Polizeiforschung sind durchaus gespannt<br />

auf die Erfahrungen. Begleitforschungsprojekte wären ebenfalls gut denkbar.<br />

Für Ihre Fragen stehe ich gern zur Verfügung.<br />

Abgeordneter Petke (CDU):<br />

Ich habe eine Frage an den Polizeipräsidenten. Es hat in <strong>der</strong> Vergangenheit auch in<br />

Berlin mehrfach den Versuch gegeben, diese Kennzeichnung gesetzlich zu regeln. In<br />

<strong>der</strong> gesamten Diskussion wird immer wie<strong>der</strong> von den Vertretern <strong>der</strong> Polizeivertretung<br />

o<strong>der</strong> von <strong>der</strong> GDP und an<strong>der</strong>en auf die Möglichkeit hingewiesen, dass es durch das<br />

öffentliche Identifizieren <strong>des</strong> Namens eines Polizeibeamten zu Übergriffen auf ihn<br />

bzw. Familienangehörige kommen könnte. Ich habe die Lan<strong>des</strong>regierung gefragt, ob<br />

solche Fälle bekannt sind. Die Antwort steht noch aus. Ich möchte, auch, da Sie<br />

langjähriger Polizeipräsident in Berlin sind und die innere Sicherheit dort einen an<strong>der</strong>en<br />

Stellenwert hat als im Flächenland Brandenburg, nachfragen, ob und inwieweit<br />

solche Fälle bei denjenigen, die freiwillig ein Namensschild getragen haben, bekannt


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<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />

sind. Die Gefahr, die damit unter Umständen verbunden ist, wird in <strong>der</strong> heutigen Anhörung<br />

sicherlich noch eine Rolle spielen.<br />

Herr Glietsch (Der Polizeipräsident in Berlin):<br />

Ich hatte in meinem Vortrag darauf hingewiesen, dass solche Übergriffe nicht bekannt<br />

geworden sind. Wie eben angesprochen worden ist: Es gibt Polizeibeamte, die<br />

durch ihre Funktion notwendigerweise mit ihrem Namen öffentlich in Erscheinung treten<br />

müssen. Das gilt <strong>für</strong> den Polizeipräsidenten, <strong>für</strong> Direktionsleiter und beispielsweise<br />

auch <strong>für</strong> Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die versammlungsrechtliche Bestätigungen<br />

unterzeichnen müssen. Es hat zum Beispiel einen Farbanschlag auf das Wohnhaus<br />

<strong>des</strong>jenigen gegeben, <strong>der</strong> die Versammlungsbehörde in unserer Polizeibehörde<br />

leitet, und es hat auch öffentliche Drohungen von Rechtsextremisten gegen einen Direktionsleiter<br />

gegeben, <strong>der</strong> regelmäßig Einsätze aus Anlass rechtsextremistischer<br />

Veranstaltungen zu leiten hat. Das sind unvermeidbare Dinge, und die sind auch losgelöst<br />

von <strong>der</strong> Frage, ob wir eine solche Regelung treffen, wie wir sie in Berlin getroffen<br />

haben, unvermeidbar. An<strong>der</strong>e Erfahrungen, die etwa diese Be<strong>für</strong>chtung begründen<br />

könnten, haben wir in Berlin nicht gemacht.<br />

Abgeordneter Petke (CDU):<br />

Herr Glietsch, vor Ihrer Zeit als Polizeipräsident in Berlin waren Sie Jahrzehnte selbst<br />

handeln<strong>der</strong> Polizeibeamter, Polizeiführer. Woher kommt denn die Kritik an diesen<br />

Vorhaben, was uns ja schon Jahrzehnte begleitet? Es muss ja eine wie auch immer<br />

geartete Motivation geben, dass das durch verschiedene Gewerkschaften und an<strong>der</strong>e<br />

immer wie<strong>der</strong> als Be<strong>für</strong>chtung vorgetragen wird.<br />

Herr Glietsch (Polizeipräsident Berlin):<br />

Ich kann das nicht rational erklären. Es gibt eine diffuse Be<strong>für</strong>chtung. Insbeson<strong>der</strong>e<br />

habe ich das - an<strong>der</strong>e sicher auch - bei Angehörigen von geschlossenen Einheiten<br />

beobachtet, von Einsatzeinheiten, die häufig Einsätze zu bewältigen haben, bei denen<br />

sie mit harter Gewalt zu tun haben, bei denen ohne Zweifel das Risiko, in Stresssituationen<br />

zu geraten und dann überzureagieren, zweifellos vorhanden ist. Das ist<br />

<strong>für</strong> mich auch die Erklärung da<strong>für</strong>, dass Mitarbeiter in diesen Einheiten beson<strong>der</strong>s<br />

lange gebraucht haben - möglicherweise zum Teil noch brauchen -, um sich davon<br />

überzeugen zu lassen, dass die von ihnen be<strong>für</strong>chteten Risiken in <strong>der</strong> Realität nicht<br />

vorhanden sind.<br />

Ich habe in den letzten Jahren allerdings auch die Erfahrung gemacht, dass sich diese<br />

emotionalen Vorbehalte weitestgehend beseitigen lassen, wenn man lange und<br />

intensiv immer wie<strong>der</strong> über die Frage diskutiert: Was ist Emotion, und welche Be<strong>für</strong>chtungen<br />

sind mit realistischen Hintergründen belegbar?


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Abgeordneter Ziel (SPD):<br />

Ich möchte eine kurze Bemerkung machen und dann Herrn Polizeipräsidenten<br />

Glietsch und Herrn Prof. Aden Fragen stellen. Zunächst will ich sagen, dass wir Abgeordnete<br />

natürlich verpflichtet sind, <strong>für</strong> Leben und Gesundheit <strong>der</strong> Polizisten und<br />

auch unserer Bürgerinnen und Bürger einzustehen, sodass es hier darum geht, etwas<br />

in die Waage zu bringen, was vielleicht noch nicht so ganz in <strong>der</strong> Waage ist.<br />

Misstrauen sehe ich nicht. Wenn wir über das Thema Kennzeichnung reden, sehe<br />

aber sehr wohl, dass Sorgfalt angebracht ist. Ich will den Gesetzentwurf damit noch<br />

nicht beurteilen, aber das Anliegen aufnehmen, das aus diesem Gesetzentwurf hervorgeht.<br />

Herr Polizeipräsident Glietsch, Sie haben fast tagtäglich mit Polizeieinsätzen zu tun.<br />

Macht sich die von Ihnen in Berlin getroffene Regelung in Polizeieinsätzen bemerkbar,<br />

dass Polizisten sagen bzw. Sie feststellen müssen, Polizisten können in ihren<br />

Einsätzen nicht professionell agieren, weil sie daran gehin<strong>der</strong>t sind, aus Angst so zu<br />

verfahren, wie sie es gelernt haben bzw. notwendig wäre?<br />

Zweitens: Ist es <strong>für</strong> Sie von Bedeutung, wenn Berlin und Brandenburg ähnliche Regelungen<br />

hätten? Daran schließt sich die Frage an Herrn Prof. Aden an. Sie sind <strong>der</strong><br />

Auffassung, eine gesetzliche Regelung würde einer untergesetzlichen Regelung weit<br />

überlegen sein. Können Sie praktische Beispiele nennen, aus denen hervorgeht,<br />

dass diese Auffassung richtig ist?<br />

Herr Glietsch (Polizeipräsident Berlin):<br />

Zu <strong>der</strong> Frage, welche Wirkung eine solche Kennzeichnung auf die Sicherheit im Einsatz<br />

hat, kann ich vor dem Hintergrund unserer Erfahrungen in Berlin nur sagen: Sie<br />

hat keine negative Wirkung. Wir haben uns dieser Geschäftsanweisung, nicht nur,<br />

was die Kennzeichnung <strong>der</strong> Polizeibeamten im täglichen Dienst angeht, stufenweise<br />

genähert. Ich hatte darauf hingewiesen, dass wir 2003 eine Empfehlung gegeben haben,<br />

<strong>für</strong> die wir intensiv geworben haben. Wir haben, was die geschlossenen Einheiten<br />

angeht, im Jahre 2006 eine Geschäftsanweisung erlassen, in <strong>der</strong> wir eine Kennzeichnung<br />

bis auf die Gruppenebene getroffen haben. Das heißt, die Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter <strong>der</strong> Einsatzhun<strong>der</strong>tschaften tragen eine vierstellige Kennzeichnung<br />

an ihren Einsatzeinzügen, die es zweifelsfrei ermöglicht nachzuvollziehen - das ist <strong>für</strong><br />

je<strong>der</strong>mann gut ablesbar -, welche Gruppe - eine Gruppe besteht in <strong>der</strong> Regel aus<br />

maximal zehn Beamten im Einsatz, tatsächlich meist aus sieben o<strong>der</strong> acht Beamten -<br />

aktiv war. Wenn man die Gruppe hat, dann kann man relativ gut sicherstellen, dass<br />

beispielsweise nachvollzogen werden kann, welche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

einen bestimmten Sachverhalt zu verantworten haben, <strong>der</strong> zu einer Anzeige geführt<br />

hat. Das hätte ja beispielsweise zu Verunsicherungen führen können; das ist nicht<br />

<strong>der</strong> Fall gewesen.


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<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />

Im Übrigen wissen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter heute alle, dass man gerade<br />

bei solchen Einsätzen damit rechnen muss, gefilmt o<strong>der</strong> fotografiert zu werden - und<br />

das nicht nur durch Journalisten, son<strong>der</strong>n durch die unterschiedlichsten Teilnehmer<br />

an solchen Aktionen, durch Zuschauer. Es gibt kaum noch einen Sachverhalt, zu<br />

dem man nach kurzer Zeit nicht auch Videos auch auf youtube findet, und die sind<br />

durchaus als Beitrag zur Ermittlungsführung von Bedeutung. All das hat nach meinem<br />

Da<strong>für</strong>halten nicht etwa zur Verunsicherung geführt, son<strong>der</strong>n dazu beigetragen,<br />

dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter solche problematischen und schwierigen<br />

Aufgaben heute professioneller bewältigen als in <strong>der</strong> Vergangenheit.<br />

Herr Prof. Dr. Aden (Hochschule <strong>für</strong> Wirtschaft und Recht Berlin):<br />

Zu <strong>der</strong> Frage, warum eine gesetzliche Regelung besser ist: Eine untergesetzliche<br />

Regelung bzw. eine verwaltungsinterne Regelung ist natürlich ein Schritt in die richtige<br />

Richtung, aber eine gesetzliche Regelung hat den Vorteil, dass sie mehr Rechtssicherheit<br />

<strong>für</strong> alle Beteiligten schafft, nämlich auch <strong>für</strong> die Polizeiführung, die damit<br />

eine klare Regelung hat, die vom Gesetzgeber unterstützt wird, in <strong>der</strong> genau steht,<br />

wie <strong>der</strong> rechtliche Rahmen ist. Ich will Ihnen das anhand <strong>der</strong> bisherigen Erfahrungen<br />

illustrieren:<br />

Es gab in Hessen in den 90er-Jahren eine verwaltungsinterne Regelung, die dazu<br />

führte, dass die Einzelheiten über Jahre umstritten blieben, dass Klagen gegen diese<br />

Regelungen liefen und über Jahre ein rechtsunsicherer Schwebezustand existierte.<br />

Das hätte man mit einer gesetzlichen Regelung nicht, son<strong>der</strong>n hätte von vornherein<br />

eine abgesicherte Regelung - natürlich auch im Hinblick auf den Grundrechtsschutz<br />

<strong>der</strong> Bediensteten selbst -, denn es ist in <strong>der</strong> Fachdiskussion doch weitestgehend unbestritten,<br />

dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung <strong>der</strong> einzelnen Beamtinnen<br />

und Beamten betroffen ist, wenn man eine solche Kennzeichnungsregelung<br />

einführt. Das heißt, man braucht da<strong>für</strong> eine gesetzliche Eingriffsgrundlage. Man<br />

kann natürlich diskutieren, ob sich die Eingriffsgrundlage da<strong>für</strong> aus den allgemeinen<br />

Vorschriften <strong>des</strong> Beamtenrechts ergibt. Das halte ich <strong>für</strong> durchaus vertretbar, aber<br />

man hat natürlich mehr Rechtssicherheit, wenn man <strong>für</strong> diese spezielle Problematik<br />

eine klare spezifische Regelung hat, und das wäre eben genau eine solche Regelung<br />

wie hier vorgeschlagen.<br />

Abgeordnete Nonnemacher (GRÜNE/B90):<br />

Ich habe einige Fragen an den Polizeipräsidenten. Sie haben diese Regelung seit<br />

November 2010 <strong>für</strong> uniformierte Mitarbeiter verbindlich eingeführt und gesagt, es besteht<br />

Wahlfreiheit zwischen einem Namensschild und einer Ziffern-Buchstaben-Kombination.<br />

Heißt das, dass Sie je<strong>der</strong> Mitarbeiterin und jedem Mitarbeiter bei<strong>des</strong> zur<br />

Verfügung stellen und sie von Fall zu Fall entscheiden lassen? O<strong>der</strong> wird eine Wahl<br />

getroffen, ob man sich <strong>für</strong> ein Namensschild o<strong>der</strong> eine an<strong>der</strong>e Kennzeichnung entscheidet?<br />

Wenn Letzteres <strong>der</strong> Fall ist, überblicken Sie in <strong>der</strong> kurzen Zeit schon, wie<br />

viele Mitarbeiter sich <strong>für</strong> welche Lösung entschieden haben?


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Herr Prof. Aden, Sie haben uns geschil<strong>der</strong>t, dass in Sachsen und jetzt auch in Brandenburg<br />

ein Gesetzentwurf im Verfahren ist. Überblicken Sie aus Ihrer Forschungstätigkeit,<br />

welche Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong> sonst noch Regelungen analog zu Berlin auf Dienstebene<br />

unterhalten und warum es dort nicht zu gesetzlichen Lösungen gekommen ist?<br />

Sie hatten das sehr wichtige Problemfeld <strong>der</strong> Fehlerkultur angesprochen. Ich denke,<br />

das ist etwas ganz Entscheiden<strong>des</strong>. Ich weiß aus dem Krankenhaus, dass das ein<br />

vermintes Gebiet ist. Ärzte machen ja auch keine Fehler, wie wir wissen. Das ist sehr<br />

schwierig, da heranzukommen.<br />

Meinen Sie, dass eine Kennzeichnungspflicht vielleicht auch för<strong>der</strong>n würde, dass<br />

man sich mit Troubleshooting-Mechanismen intensiver auseinan<strong>der</strong>setzt?<br />

Herr Glietsch (Polizeipräsident Berlin):<br />

Es gibt eine generelle Wahlfreiheit, die nicht „einmal Wahlfreiheit“, son<strong>der</strong>n „ständig<br />

Wahlfreiheit“ bedeutet. Deswegen stellen wir den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern<br />

zwei Schil<strong>der</strong> zur Verfügung, min<strong>des</strong>tens eines mit Dienstnummer und min<strong>des</strong>tens<br />

eines mit dem Namen, sodass er wechseln kann, wann er will, dass er sich, je nachdem,<br />

welche Aufgaben er unter welchen Rahmenbedingungen an welcher Stelle zu<br />

welcher Zeit wahrnimmt, entscheiden kann, ob er die Dienstnummer o<strong>der</strong> den Namen<br />

tragen will. Die Geschäftsanweisung ist ja gerade erst in Kraft getreten, und wir<br />

konnten mit den Beschaffungsmaßnahmen, mit den logistischen Maßnahmen, die<br />

notwendig sind, erst nach Inkrafttreten beginnen. Daher kann ich nicht von Erfahrungen<br />

berichten. Die Frage kann man, wie Sie sie gestellt haben, nicht beantworten.<br />

Ich gehe davon aus, dass das tatsächlich wechseln wird. Es wird sicher Kollegen geben,<br />

die sich entscheiden, immer die Nummer zu nehmen. Das sind die, die ihre<br />

emotionalen Vorbehalte nicht überwinden können. Aber es wird sehr viele geben, die<br />

von <strong>der</strong> Möglichkeit Gebrauch machen, sich je nach Einsatz und Aufgabe zu entscheiden,<br />

ob sie ein Namens- o<strong>der</strong> ein Nummernschild tragen.<br />

Herr Prof. Dr. Aden (Hochschule <strong>für</strong> Wirtschaft und Recht Berlin):<br />

Ich denke, dass es eine sinnvolle Lösung ist, ein solches Wahlrecht einzuführen und<br />

keine generelle Festlegung zu treffen, denn es geht ja gerade darum, die anlassspezifische<br />

Situation in Rechnung zu stellen. Deswegen ist es eine sehr sinnvolle Lösung,<br />

wenn man auf Freiwilligkeit bezüglich <strong>der</strong> Wahl zwischen den beiden Kennzeichnungsformen<br />

setzt und dies nicht ein <strong>für</strong> allemal festlegt. So kann <strong>für</strong> die jeweilige<br />

Einsatzsituation verantwortlich entschieden werden.<br />

Zu <strong>der</strong> Frage, wie es sich in an<strong>der</strong>en Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong>n verhält: In Sachsen-Anhalt gibt<br />

es einen Gesetzentwurf. Es hat auch Entwürfe aus Oppositionsfraktionen in Schleswig-Holstein<br />

und Nie<strong>der</strong>sachsen gegeben. Mir ist aber nicht bekannt, inwieweit sie


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abschließend beraten worden sind. Eine gesetzliche Regelung gibt es <strong>der</strong>zeit in keinem<br />

Bun<strong>des</strong>land.<br />

Für die Bun<strong>des</strong>polizei wurde die Frage in letzter Zeit diskutiert. Da hat die Bun<strong>des</strong>regierung<br />

das sowohl auf gesetzlicher als auch verwaltungsinterner Ebene abgelehnt.<br />

Auf verwaltungsinterner Ebene gibt es in mehreren Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong>n Regelungen, die<br />

ähnlich sind wie die in Berlin vor 2010, nämlich dass die freiwillige Kennzeichnung<br />

geför<strong>der</strong>t wird. Das gibt es in einer Reihe von Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong>n, etwa in Hessen, Hamburg<br />

usw., in denen zum Beispiel Namensschil<strong>der</strong> zur Verfügung gestellt werden.<br />

Verpflichtende Regelungen gibt es bisher nur in Berlin. Da wäre, was die gesetzliche<br />

Regelung anginge, Brandenburg Vorreiter. Meine Einschätzung wäre, dass, wenn es<br />

erst einmal Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong> gibt, die das eingeführt haben, die nicht wirklich berechtigten<br />

Sorgen mancher Polizeibediensteter bezüglich dieser Regelung sich schnell zerstreuen<br />

werden, weil man sieht, dass solche Regelungen auch ermöglichen, dass<br />

man sich, wenn man einmal in eine kritische Situation gerät, durch die Alternativkennzeichnung<br />

schützt.<br />

Zu Ihrer Frage bezüglich <strong>der</strong> Fehlerkultur: Natürlich gibt es einen Zusammenhang<br />

zwischen <strong>der</strong> Kennzeichnungsdiskussion und <strong>der</strong> Frage, ob es eine Aufarbeitung von<br />

Fehlerkulturen innerhalb <strong>der</strong> Polizei gibt. Das überschneidet sich, es sind natürlich<br />

trotzdem zwei Dimensionen. Man kann sagen, es trägt auch zur Fehleridentifizierung<br />

und zur sinnvollen Fehleraufarbeitung bei, wenn es solche Kennzeichnungsregelungen<br />

gibt.<br />

Die Problematik geht noch ein ganzes Stück darüber hinaus, weil sich auch die Frage<br />

stellt, wie man aus solch großen hierarchisch strukturierten Verwaltungen in <strong>der</strong><br />

Polizei eine lernende Organisation machen kann, die in <strong>der</strong> Lage ist, wenn etwas<br />

passiert ist, dies so zu reflektieren, dass <strong>der</strong>jenige, <strong>der</strong> einen Fehler gemacht hat, da<strong>für</strong><br />

nicht notwendig sanktioniert wird, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Fehler als Chance <strong>des</strong> Lernens <strong>für</strong><br />

die gesamte Organisationseinheit gesehen wird, man sich also anschaut, warum <strong>der</strong><br />

Fehler passiert ist und was man tun kann, damit ein solcher Fehler beim nächsten<br />

Mal vermieden wird. Das ist eine Dimension, die weit darüber hinaus geht. Da gibt es<br />

auch einige rechtliche Probleme, die da mit hineinspielen, wie das Legalitätsprinzip,<br />

wenn man im Straftatenbereich ist usw. Das heißt, das ist ein umfangreiches Thema,<br />

das man da zu bearbeiten hat.<br />

Abgeordneter Dr. Scharfenberg (DIE LINKE):<br />

Wir diskutieren dieses Thema ja unter <strong>der</strong> Voraussetzung, dass sich die Koalitionspartner<br />

in ihrer Vereinbarung verpflichtet haben, dazu eine Regelung zu finden, und<br />

wir diskutieren heute über einen Gesetzentwurf <strong>der</strong> CDU, die nun nicht gerade im<br />

Ruf steht, dieses Thema voranzubringen, Beispiel Berlin. Das ist schon eine beson<strong>der</strong>e<br />

Voraussetzung, die, denke ich, sehr produktiv sein kann.


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Zweitens hat diese Kennzeichnungspflicht in Brandenburg wie in an<strong>der</strong>en neuen<br />

Län<strong>der</strong>n schon einmal gegolten - nach dem Vorschalt-Polizeigesetz, das bis 1996 in<br />

Kraft gewesen ist. Das ist damals aber nicht umgesetzt worden; diese Regelung ist ja<br />

ins Leere gelaufen.<br />

Ich habe folgende Fragen an Herrn Glietsch: In Berlin ist diese freiwillige Regelung<br />

seit 2003 praktiziert worden. Sie haben Zahlen genannt. Können Sie darüber hinaus<br />

Erfahrungen im Umgang mit dieser freiwilligen Regelung vermitteln? Ich denke, das<br />

ist das, was bei <strong>der</strong> Polizei immer noch am besten ankommt, zu sagen: Je<strong>der</strong> kann<br />

selbst entscheiden, wie er damit umgeht. - Sie haben diese freiwillige Regelung mit<br />

gewissem Nachdruck schon praktiziert; mich interessieren Ihre Erfahrungen damit.<br />

Zweitens: Die Anwendung <strong>der</strong> verbindlichen Regelung gilt seit zwei Monaten. Meine<br />

Frage lautet: Gibt es da auch schon vermittelnswerte Erfahrungen?<br />

Drittens: Wenn eine solche verbindliche Regelung zur Kennzeichnung gilt, ergibt sich<br />

automatisch die Frage: Wie ist denn das, wenn Polizeikräfte aus an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n im<br />

Land wirksam werden, bei denen diese Kennzeichnungspflicht nicht gilt? Wie sieht<br />

das in Berlin aus, wie gehen Sie damit um?<br />

Herr Glietsch (Polizeipräsident Berlin):<br />

Erfahrungen mit <strong>der</strong> Freiwilligkeit habe ich eben dargestellt. Wir haben in <strong>der</strong> Phase<br />

2003 bis 2010 immerhin 10 000 Namensschil<strong>der</strong> ausgegeben, und die wurden nur<br />

ausgegeben, wenn <strong>der</strong> Mitarbeiter auch ein Namensschild haben wollte. Das deutet<br />

darauf hin, dass rund 10 000 Mitarbeiter zumin<strong>des</strong>t bei bestimmten Einsätzen das<br />

Namensschild getragen haben. Deswegen kann ich sagen, dass wir in diesem Zusammenhang<br />

jedenfalls keinerlei Negativerfahrungen gemacht haben.<br />

Über Erfahrungen mit <strong>der</strong> verbindlichen Regelung kann ich erst berichten, wenn wir<br />

die logistischen Maßnahmen abgeschlossen haben. Das wird nach dem ersten Halbjahr<br />

<strong>der</strong> Fall sein. Es gibt <strong>für</strong> mich auch keine Veranlassung, davon auszugehen,<br />

dass diese Erfahrungen an<strong>der</strong>e sein werden als die, die wir bisher gesammelt haben.<br />

Die Regelung, was Einsatzkräfte aus an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n angeht, ist, glaube ich, mit<br />

dieser Geschäftsanweisungslösung, die wir geschaffen haben, klarer und einfacher,<br />

als wenn wir eine gesetzliche Regelung hätten. Für die Geschäftsanweisung ist ganz<br />

klar, dass sie nur <strong>für</strong> die Angehörigen meiner Behörde, <strong>der</strong> Berliner Polizei, gilt. Wir<br />

leben damit, dass die Unterstützungskräfte aus an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n, die wir relativ häufig<br />

haben, eben an<strong>der</strong>en Regelungen und nicht dieser Regelung unterliegen. Wenn<br />

Sie das gesetzlich regeln, müssen Sie, glaube ich, mitregeln, was <strong>für</strong> diese Kräfte<br />

gelten soll.<br />

Im Übrigen möchte ich die Gelegenheit nutzen, auf das hinzuweisen, was mich bewogen<br />

hat, diesen Weg und nicht den gesetzlichen zu gehen. In beiden Koalitions-


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vereinbarungen <strong>der</strong> Regierungsfraktionen in Berlin, die vor 2006 dieselben waren wie<br />

nach 2006, stand, man wolle eine gesetzliche Regelung schaffen. Ich habe von Anfang<br />

an da<strong>für</strong> plädiert, das nicht zu tun, son<strong>der</strong>n mir die Möglichkeit zu geben, das<br />

durch Geschäftsanweisung zu regeln, und zwar, nachdem wir diesen Weg gegangen<br />

sind und nachdem ich innerhalb meiner Behörde möglichst viele Führungskräfte und<br />

Mitarbeiter davon überzeugen konnte, dass es gut <strong>für</strong> die Polizei ist. Ich halte es<br />

auch <strong>für</strong> gut, dass das in <strong>der</strong> Behörde, aus <strong>der</strong> Behörde heraus von <strong>der</strong> Polizei geregelt<br />

worden ist und nicht vom Gesetzgeber aufoktroyiert wurde. Das ist ja keine Erfindung<br />

von mir, son<strong>der</strong>n wir haben zwölf Amts- und Direktionsleiter, die diese Geschäftsanweisungen<br />

im Entwurf gezeichnet haben. Das wird von ihnen mitgetragen.<br />

Dieser Prozess ist <strong>für</strong> die Polizei und <strong>für</strong> die Frage, wie akzeptabel das dann auch <strong>für</strong><br />

die Mitarbeiter ist, nach meiner Überzeugung nicht ohne Bedeutung.<br />

Herr Prof. Dr. Aden (Hochschule <strong>für</strong> Wirtschaft und Recht Berlin):<br />

Das hängt sicherlich auch ein wenig mit <strong>der</strong> Regelungssystematik zusammen, wenn<br />

auch die Einsatzkräfte aus an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n von dieser Regelung erfasst würden. Da<br />

müsste man sich noch einmal anschauen, inwieweit die an<strong>der</strong>en Regelungen <strong>des</strong><br />

Brandenburgischen Polizeigesetzes zur Zusammenarbeit mit Einsatzkräften aus an<strong>der</strong>en<br />

Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong>n entsprechende Klarstellung erfor<strong>der</strong>n, denn von <strong>der</strong> beamtenrechtlichen<br />

Seite her ist es sicherlich eindeutig, dass <strong>der</strong> Dienstherr nur die eigenen<br />

Beamten verpflichten kann. Das ist auch keine klassische Eingriffsbefugnis. Insofern<br />

bin ich mir nicht sicher, ob man das tatsächlich hier mit regeln muss o<strong>der</strong> ob sich das<br />

nicht aus <strong>der</strong> Logik <strong>des</strong> Beamtenrechts schon ergibt, dass das Land Brandenburg<br />

Unterstützungskräfte aus an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n nicht dazu verpflichten könnte. Das wäre<br />

eher meine Einschätzung, dass sich die Anwendung dieser Regelung per se nur auf<br />

die brandenburgischen Polizeibeamten bezöge. Natürlich kann man dann die Unterstützungskräfte<br />

überzeugen, bei einer solchen Kennzeichnungsregelung mitzumachen,<br />

aber wir kennen ja diese Problematiken bei solchen großen Einsätzen. In Berlin<br />

haben wir das Problem ja mehr, als wir es in Brandenburg vermutlich haben. Das<br />

sind ohnehin die heikelsten Einsätze, was hinterher die Verantwortlichkeiten angeht,<br />

natürlich nicht nur <strong>für</strong> das Handeln <strong>der</strong> individuellen Beamten, son<strong>der</strong>n auch <strong>für</strong> die<br />

Einsatzleitung insgesamt.<br />

Vorsitzende:<br />

Danke schön. - Bitte, Herr Goetz.<br />

Abgeordneter Goetz (FDP):<br />

Herr Glietsch, die von Ihnen erlassene Regelung ist zum 1. Januar dieses Jahres in<br />

Kraft getreten. Sie legten dar, dass es ein jahrelanger Prozess war, den Sie geführt<br />

haben, bis es zum Inkrafttreten dieser Regelung gekommen ist.


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Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />

<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />

Wie würden Sie zu einer Regelung stehen, die in Brandenburg per Gesetz über<br />

Nacht in Kraft trete? Sähen Sie Probleme, wenn es von heute auf morgen zu einer<br />

Regelung käme, nach <strong>der</strong> unter an<strong>der</strong>em die Beamten dazu aufgefor<strong>der</strong>t werden,<br />

diese Regelung ab sofort zu verfolgen bzw. umzusetzen?<br />

Meines Erachtens muss eine gewisse Hemmschwelle ausgeräumt worden sein. Wie<br />

wurde diese Hemmschwelle in Berlin ausgeräumt? Was würden Sie uns aufgrund Ihrer<br />

Erfahrungen empfehlen? Wäre eine Frist, eine Dauer o<strong>der</strong> eine Begleitung notwendig,<br />

um eine solche Regelung einzuführen? Kann man sie dann tatsächlich von<br />

heute auf morgen umsetzen?<br />

Des Weiteren habe ich den Eindruck, dass die Übergriffe auf Beamte in erheblichem<br />

Umfang zunehmen und diese zunehmenden Übergriffe - falls ich mich irre, lasse<br />

mich gern belehren - auch ein wesentlicher Faktor da<strong>für</strong> sind, dass sich die Beamten<br />

über die scheinbar sinkende Hemmschwelle, gegen Beamte vorzugehen, Sorgen<br />

machen.<br />

Herr Glietsch bzw. Herr Prof. Aden, welche Auswirkungen könnten solche Namensschil<strong>der</strong><br />

<strong>für</strong> die Zukunft haben? Was wurde getan, um die Hemmschwelle wie<strong>der</strong> anzuheben<br />

und den Beamten die Sorge vor solchen Übergriffen zu nehmen? Falls noch<br />

nichts getan wurde: Was kann man tun, um auf diese Weise einen Ausgleich zu<br />

schaffen, wenn das von den Beamten vorgetragene und aus meiner Sicht berechtigte<br />

Anliegen einer Behandlung bedarf?<br />

Vorsitzende:<br />

Herr Glietsch, bitte.<br />

Herr Glietsch (Polizeipräsident Berlin):<br />

Wie bereits eben verdeutlicht, war es sehr wichtig, dass wir Gelegenheit hatten, jahrelang<br />

da<strong>für</strong> zu werben, darüber zu diskutieren, die Führungskräfte mitzunehmen und<br />

auch möglichst viele Mitarbeiter davon zu überzeugen, dass dies eine Regelung ist,<br />

die ihnen nicht schadet und die <strong>der</strong> Polizei insgesamt nutzt.<br />

Ich kann zwar nicht behaupten, dass alle überzeugt sind, aber gegenwärtig halten<br />

wesentlich mehr Mitarbeiter diese Regelung <strong>für</strong> sinnvoll und akzeptieren sie auch, als<br />

es noch vor drei, vier o<strong>der</strong> fünf Jahren <strong>der</strong> Fall war. Das ist auf die in den vergangenen<br />

Jahren sehr intensiv geführte Diskussion zurückzuführen. Schließlich habe ich<br />

dieses Thema unter an<strong>der</strong>em auch in vielen meiner wöchentlichen Dienststellenbesuchen<br />

erörtert, und zwar insbeson<strong>der</strong>e mit den Angehörigen <strong>der</strong> Einsatzeinheiten,<br />

bei denen die emotionalen Vorbehalte am größten waren. Meine Überzeugung ist:<br />

Sie akzeptieren diese Regelung.


<strong>Landtag</strong> Brandenburg P-AI 5/13-1 S. 20<br />

Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />

<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />

Zu Beginn unserer Diskussionen über Namensschil<strong>der</strong> waren die Vorbehalte sehr<br />

groß. Irgendwann kam dann <strong>der</strong> Punkt, dass die Beamten eine taktische, individualisierbare<br />

Rückenkennzeichnung gefor<strong>der</strong>t haben, die ihnen nicht solch große Probleme<br />

wie die Namensschil<strong>der</strong> bereiteten. Nun ist dies - nachdem die Regelung in Kraft<br />

getreten ist und die Diskussion im Rahmen <strong>des</strong> Beteiligungsverfahrens im November<br />

mit <strong>der</strong> Entscheidung <strong>der</strong> Einigungsstelle abgeschlossen wurde - in <strong>der</strong> Behörde kein<br />

Thema mehr.<br />

Insofern kann ich Ihnen nur empfehlen: Polizeibeamte sind daran gewöhnt, dass Gesetze<br />

in Kraft treten und dass sie sie beachten müssen. Für die Akzeptanz ist es jedoch<br />

wichtig, dass man sich die Zeit nimmt, innerhalb <strong>der</strong> Polizei da<strong>für</strong> zu werben,<br />

die Führungskräfte da<strong>für</strong> zu gewinnen und auch möglichst viele Mitarbeiter davon zu<br />

überzeugen, indem man verdeutlicht, dass es im Interesse <strong>der</strong> Polizei liegt, eine solche<br />

Regelung einzuführen, und sie nicht einfach von heute auf morgen aufoktroyiert.<br />

Abgeordneter Goetz (FDP):<br />

Ist die in Berlin erreichte Akzeptanz wesentlich davon getragen, dass alternativ zum<br />

Namen auch eine anonymisierte Fassung angeboten wird?<br />

Herr Glietsch (Polizeipräsident Berlin):<br />

Ja.<br />

Vorsitzende:<br />

Herr Prof. Aden, bitte.<br />

Herr Prof. Dr. Aden (Hochschule <strong>für</strong> Wirtschaft und Recht Berlin):<br />

Weitestgehend kann ich mich Herrn Glietsch anschließen. Völlig unabhängig davon,<br />

ob Sie dies per Gesetz o<strong>der</strong> durch eine Verwaltungsanweisung regeln, werden Sie<br />

Überzeugungsarbeit immer ein Stück weit leisten müssen. Es ist auch eine Führungsfrage<br />

innerhalb <strong>der</strong> Polizei, dass man dem heute als zum eigenverantwortlichen<br />

Handeln Ausgebildeten nicht irgendwelche Entscheidungen nur von oben aufoktroyiert,<br />

ohne die Gründe da<strong>für</strong> zu vermitteln. Jedoch lassen sich meines Erachtens in<br />

dem Moment, in dem man die Alternative hat, in Gefährdungssituationen auf ein solches<br />

nicht namentliches Kennzeichen überzugehen, die Sorgen schnell zerstreuen.<br />

In <strong>der</strong> Tat gibt es Untersuchungen darüber - diese sind nicht unbedingt qualitativ absicherbar,<br />

geben jedoch eine Trendaussage -, dass es in den vergangenen Jahren in<br />

gewissen Situationen mehr Gewalt gegen Polizeibeamte gegeben hat. Sieht man<br />

sich jedoch die Situationen an, stellt man fest, dass es keine typischen Situationen<br />

waren, bei denen ein Namensschild zu einer zusätzlichen Gefährdung geführt hat.


<strong>Landtag</strong> Brandenburg P-AI 5/13-1 S. 21<br />

Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />

<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />

Vielmehr ist es eine Problematik sinken<strong>der</strong> Gewaltschwellen in <strong>der</strong> Gesellschaft insgesamt,<br />

dass gewisse Situationen also eher eskalieren können.<br />

Darauf reagiert man im Polizeibereich bereits seit langem. In Berlin gibt es da<strong>für</strong> eine<br />

spezielle Eingriffsbefugnis, dass Streifenwagen mit einer Videokamera ausgestattet<br />

werden dürfen, die von den Beamten in bestimmten Gefährdungssituationen eingeschaltet<br />

werden, damit das, was geschieht und was die Beamten als gefährlich wahrnehmen,<br />

zum einen dokumentiert wird und damit zum an<strong>der</strong>en Unterstützung herbeigeholt<br />

werden kann, wenn eine Eskalation <strong>der</strong> Situation festgestellt wird. Solche Gefährdungen<br />

kann man natürlich nicht völlig ausschließen, sie haben aber mit <strong>der</strong><br />

Kennzeichnungsdiskussion nichts zu tun.<br />

Abgeordneter Goetz (FDP):<br />

Meines Erachtens gibt es schon einen Zusammenhang; denn die Sorge <strong>der</strong> Beamten<br />

vor Übergriffen ist eine allgemeine Sorge. Ob <strong>der</strong> Übergriff unabhängig vom Namensschild<br />

erfolgt, spielt <strong>für</strong> den dem Übergriff ausgesetzten Beamten zunächst keine<br />

Rolle. Vielmehr stellt man sich die Frage, was <strong>der</strong> jeweilige Dienstherr aufgrund<br />

seiner Fürsorgepflicht <strong>für</strong> den Beamten tun kann, um ihm die Sorgen vor solchen<br />

Übergriffen zu nehmen. Wenn man etwas unternimmt, sinkt sicherlich auch die Sorge<br />

in Bezug auf die Namensschil<strong>der</strong>. Insofern danke ich Ihnen <strong>für</strong> das genannte Beispiel<br />

<strong>der</strong> Kameras in den Fahrzeugen.<br />

Kann man noch mehr tun bzw. welche weiteren Möglichkeiten gibt es, um die Sorge<br />

vor Übergriffen - <strong>der</strong> Zusammenhang zum Namensschild ist aus meiner Sicht unmittelbar<br />

gegeben - zu reduzieren?<br />

Vorsitzende:<br />

Herr Glietsch, bitte.<br />

Herr Glietsch (Polizeipräsident Berlin):<br />

Ich bin sicher, unabdingbare Voraussetzung <strong>für</strong> eine Akzeptanz bei den Namensschil<strong>der</strong>n<br />

ist, dass die Behörde hinsichtlich <strong>der</strong> Eigensicherung und <strong>des</strong> Schutzes <strong>der</strong><br />

Beamten gegenüber Angriffen alles getan hat und auch weiterhin alles tun wird, was<br />

ihr möglich ist und was die Mitarbeiter auch erwarten können.<br />

Dazu gehört das Anbieten eines sehr guten Eigensicherungs- bzw. Einsatztrainings<br />

in <strong>der</strong> Behörde, das nicht nur angeboten wird, son<strong>der</strong>n verpflichtend ist, das auf dem<br />

aktuellen Stand <strong>der</strong> Technik ist bzw. dem höheren Stand an<strong>der</strong>er Län<strong>der</strong> angepasst<br />

wird und das stets fortentwickelt wird. Zudem sollte in <strong>der</strong> behördlichen Praxis sichergestellt<br />

werden, dass dieses Eigensicherungstraining - dies ist nicht nur ein Schieß-


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Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />

<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />

training, son<strong>der</strong>n ein umfassen<strong>des</strong> Training - alle Aspekte <strong>der</strong> Eigensicherung und<br />

<strong>des</strong> Schutzes vor Gewalt beinhaltet und insofern die angebotenen Möglichkeiten tatsächlich<br />

genutzt werden.<br />

Auch sollte sich die Schutzausstattung <strong>der</strong> Beamten auf dem aktuellen Stand <strong>der</strong><br />

Technik befinden. Das gilt insbeson<strong>der</strong>e <strong>für</strong> die Einheiten, die im Einsatz mehr o<strong>der</strong><br />

weniger regelmäßig - in Berlin regelmäßig - mit Gewalt konfrontiert werden. Daher<br />

sollte hinsichtlich <strong>der</strong> Einsatzanzüge, <strong>der</strong> Schutzwesten, <strong>des</strong> Mehrzweckstockes und<br />

<strong>der</strong> Helmausstattung das auf dem Markt beste zu erwerbende Material beschafft werden.<br />

Vorsitzende:<br />

Gibt es weitere Wortmeldungen o<strong>der</strong> Fragen? - Das ist nicht <strong>der</strong> Fall. Dann erhält<br />

nun Herr Schuster <strong>für</strong> die Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> Brandenburg das<br />

Wort. - Bitte schön, Herr Schuster.<br />

Herr Schuster (Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei, Lan<strong>des</strong>bezirksvorsitzen<strong>der</strong>):<br />

Herzlichen Dank <strong>für</strong> die Möglichkeit, in <strong>der</strong> Anhörung <strong>des</strong> Innenausschusses zum<br />

Gesetzentwurf <strong>der</strong> CDU-Fraktion Stellung nehmen zu können. Die endgültige Fassung<br />

unserer Stellungnahme wurde heute recht spät erarbeitet und ist vor etwa einer<br />

Stunde <strong>der</strong> Geschäftsstelle zugegangen (Stellungnahme, Anlage 6). Einige wenige<br />

Exemplare habe ich mitgebracht.<br />

Die Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei Brandenburg lehnt die Aufnahme einer generellen<br />

Kennzeichnungspflicht <strong>für</strong> Polizeivollzugsbeamte in das Brandenburgische Polizeigesetz<br />

ab. Begründung - erstens: Die allgemeine Verpflichtung zum Tragen von Namensschil<strong>der</strong>n<br />

stellt einen Eingriff in das Grundrecht auf informelle Selbstbestimmung<br />

als Ausprägung <strong>des</strong> allgemeinen Persönlichkeitsrechtes gemäß Artikel 2 Abs.<br />

1 GG i.V.m. Artikel 1 Abs. 1 GG dar.<br />

Zweitens: Die namentliche Zwangskennzeichnung ist ein Eingriff in die persönliche<br />

Freiheit und steht im Wi<strong>der</strong>spruch zur Garantie von Artikel 8 <strong>der</strong> Europäischen Menschenrechtskonvention.<br />

Drittens: Entsprechende Grundrechtseingriffe müssen im öffentlichen Interesse liegen,<br />

verhältnismäßig sein und den Kerngehalt <strong>des</strong> Grundrechts nicht verletzen bzw.<br />

den Kriterien gemäß Artikel 8 EMRK entsprechen.<br />

Das öffentliche Interesse an einer namentlichen Zwangskennzeichnung <strong>der</strong> Polizei<br />

liegt nicht vor. Es gibt keinerlei wissenschaftliche Untersuchung und keine Bürgerbefragung,<br />

die dies belegt. Es erfolgt eine gesetzliche Normierung, ohne dass die entsprechenden<br />

Voraussetzungen <strong>für</strong> diese Maßnahme geprüft wurden. Dagegen mündet<br />

das nachgewiesene Bedürfnis <strong>der</strong> öffentlich Beschäftigten unter an<strong>der</strong>em nach


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<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />

leistungsgerechter Bezahlung, das wir nachweisen können, in keinerlei Reaktion einer<br />

gesetzlichen Nomierung.<br />

Viertens: Erkenntnisse über persönliche Daten, die aus dem Tragen von Namensschil<strong>der</strong>n<br />

gewonnen werden können - etwa vollständige Namen anhand öffentlicher<br />

Telefonbücher o<strong>der</strong> über Suchmaschinen im Internet, womit auch die Privatanschrift<br />

ermittelt werden kann -, können zu Missbrauch führen; denn nicht je<strong>der</strong> heißt Müller,<br />

Lehmann o<strong>der</strong> Schuster. Jedoch ist <strong>der</strong> Dienstherr verpflichtet, bei Missbrauch personenbezogener<br />

Daten im Rahmen <strong>der</strong> Fürsorgepflicht sowohl <strong>für</strong> den Polizeibeamten<br />

als auch <strong>für</strong> <strong>des</strong>sen Familien Schutz sicherzustellen.<br />

Fünftens: In geschlossenen Einheiten <strong>der</strong> Bereitschaftspolizei ist eine Identifizierung<br />

auch durch Kennzeichnung auf dem Helm bzw. durch Aufkleber auf dem Rücken <strong>der</strong><br />

Einsatzkräfte gewährleistet. Diese Aufkleber ermöglichen aufgrund von Zahlen-,<br />

Buchstaben- o<strong>der</strong> Symbolkombinationen die Zuordnung zur jeweiligen Einsatzeinheit<br />

<strong>der</strong> Beamten. Das wurde in <strong>der</strong> Innenministerkonferenz einheitlich zwischen dem<br />

Bund und den Län<strong>der</strong>n abgestimmt.<br />

Sechstens: Die namentliche Kennzeichnung <strong>der</strong> Polizei stellt diese unter einen sogenannten<br />

Generalverdacht, auch wenn dies hier verneint wurde. Unbeantwortet bleibt<br />

die Frage, warum nicht alle Status- und Beschäftigtengruppen <strong>des</strong> öffentlichen<br />

Dienstes einer Kennzeichnung unterliegen.<br />

Siebentens: Bei getroffenen polizeilichen Maßnahmen werden die Namen <strong>der</strong> veranlassenden<br />

Beamten sowohl im täglichen Dienst als auch bei geschlossenen Einsätzen<br />

festgehalten - zum Beispiel durch Unterschrift unter Anzeigen, Ordnungswidrigkeitsanzeigen<br />

und Festnahmeprotokollen.<br />

Die bestehenden gesetzlichen und innerdienstlichen Regelungen in Brandenburg genügen<br />

zur Identifizierung von Polizeivollzugsbeamten sowohl im täglichen Dienst als<br />

auch bei geschlossenen Einsätzen. In § 9 BbgPolG wird eindeutig die Legitimationspflicht<br />

geregelt. Entsprechend dieser gesetzlichen Regelung sind Polizeivollzugsbeamte<br />

in Brandenburg verpflichtet, sich auszuweisen, solange <strong>der</strong> Zweck <strong>der</strong> Maßnahme<br />

nicht beeinträchtigt wird. Dies erfolgt durch Vorstellung mit Dienstgrad und Namen,<br />

durch Vorzeigen <strong>des</strong> Dienstausweises o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Dienstmarke und gegebenenfalls<br />

durch Übergabe von Visitenkarten.<br />

Unsere Revierpolizisten als Ansprechpartner <strong>der</strong> Brandenburger Bürger sind mit Namen<br />

und Bild im Internet veröffentlicht. In den Polizeidienststellen sind an allen<br />

Diensträumen Schil<strong>der</strong> angebracht, auf denen wegen <strong>des</strong> Namens und <strong>des</strong> Dienstgra<strong>des</strong><br />

ersichtlich ist, welcher Kollege in diesem Raum seinen Dienst verrichtet. Damit<br />

ist nach unserer Auffassung <strong>der</strong> vorgeschriebenen Legitimationspflicht umfassend<br />

Rechnung getragen.


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Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />

<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />

Auch in <strong>der</strong> Dienstbekleidungsvorschrift <strong>für</strong> die Polizei <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> Brandenburg ist in<br />

<strong>der</strong> Anlage 1 Ziffer 2.9 zu Verbandszeichen und Namensschil<strong>der</strong>n geregelt, dass ein<br />

freiwilliges Tragen von Namensschil<strong>der</strong>n je<strong>der</strong>zeit möglich ist.<br />

Nun möchte ich auf Folgen<strong>des</strong> aufmerksam machen: Wenn Brandenburg als erstes<br />

Bun<strong>des</strong>land die Pflicht zum Tragen von Namensschil<strong>der</strong>n gesetzlich regelt, werden<br />

wir erhebliche Schwierigkeiten haben, künftig noch Fremdkräfte zu polizeilichen Einsätzen<br />

in Brandenburg zu bekommen. Unsere Kollegen werden bei Einsätzen in an<strong>der</strong>en<br />

Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong>n regelmäßig über die im Polizeigesetz festgelegten Regelungen<br />

<strong>der</strong> jeweiligen Län<strong>der</strong> belehrt. Insofern würde dies auch <strong>für</strong> die Fremdkräfte aus an<strong>der</strong>en<br />

Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong>n in Brandenburg gelten.<br />

Es gibt nun zwei Varianten: Entwe<strong>der</strong> müssen die Fremdkräfte in Brandenburg ebenfalls<br />

Namensschil<strong>der</strong> tragen, wie es gesetzlich vorgeschrieben ist - dies werden sie<br />

nicht tun, solange sie im eigenen Land nicht dazu verpflichtet sind -, o<strong>der</strong> wir regeln<br />

in Brandenburg, dass sich die Brandenburger Polizisten kennzeichnen müssen, die<br />

Fremdkräfte ihren Dienst in Brandenburg aber ungekennzeichnet verrichten können.<br />

Dies wird jedoch unseren Kollegen gegenüber schwer vermittelbar sein.<br />

In <strong>der</strong> aktuellen politischen Diskussion wird deutlich, dass eine zunehmende Anzahl<br />

von Bürgern mit politischen Entscheidungen allgemein, aber auch mit dem Zustandekommen<br />

von politischen Entscheidungen nicht mehr einverstanden ist. Sie for<strong>der</strong>n<br />

verstärkt, dass Bürgerwille akzeptiert und respektiert wird. Beispiele da<strong>für</strong> sind „Stuttgart<br />

21“, die Anti-Castor-Bewegung o<strong>der</strong> das Nein zum Großflughafen BBI.<br />

Nun möchte ich die Frage <strong>der</strong> politischen Unglaubwürdigkeit, wie sie gegenwärtig in<br />

<strong>der</strong> Brandenburger Polizei diskutiert wird, an einem konkreten Fakt belegen. In <strong>der</strong><br />

Drucksache 16/3746 <strong>des</strong> Abgeordnetenhauses in Berlin vom 19.01.2011 beantragt<br />

die Fraktion <strong>der</strong> CDU, die Kennzeichnungspflicht <strong>für</strong> Polizisten sofort zu stoppen.<br />

In <strong>der</strong> Begründung heißt es unter an<strong>der</strong>em:<br />

„Die individuelle Kennzeichnung ist nachteilig und sogar gefährlich <strong>für</strong> Polizeivollzugsbeamte.<br />

Individuelle Kennzeichnungen führen zwangsläufig zu einer<br />

erheblichen Steigerung taktischer, im Zweifel verleum<strong>der</strong>ischer Anzeigen.<br />

Selbst wenn sich die Vorwürfe als haltos erweisen sollten, bedeutet das eine<br />

Beför<strong>der</strong>ungssperre <strong>für</strong> die betroffenen Beamten. Der Senat gefährdet durch<br />

die Kennzeichnung Beamte, <strong>für</strong> die er doch zur Fürsorge verpflichtet ist. Sie<br />

verdienen <strong>für</strong> ihre schwierige Arbeit unser volles Vertrauen und unsere volle<br />

Unterstützung!“<br />

Dies zeigt die Unglaubwürdigkeit <strong>des</strong> politischen Fö<strong>der</strong>alismus am Beispiel <strong>der</strong> CDU<br />

Brandenburg und <strong>der</strong> CDU Berlin. Die Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei ist auch fö<strong>der</strong>al organisiert,<br />

aber bei <strong>der</strong> Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei gibt es eine Meinung: Wir lehnen die<br />

Kennzeichnungspflicht bun<strong>des</strong>weit ab.


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Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />

<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />

Zudem sollte man sich auch die Frage stellen, warum erst kürzlich die Bun<strong>des</strong>regierung<br />

die Kennzeichnungspflicht <strong>für</strong> Bun<strong>des</strong>beamte - insbeson<strong>der</strong>e im Bereich <strong>der</strong> Bereitschaftspolizei<br />

<strong>des</strong> Bun<strong>des</strong> - abgelehnt hat.<br />

Neben dem friedlichen Protest gegen politische Entscheidungen kommt es verstärkt<br />

zu einer Radikalisierung von Protestbewegungen, insbeson<strong>der</strong>e im linken und rechten<br />

Spektrum politischer Anschauung. Diese Radikalisierung bekommen in erster Linie<br />

die Vertreter <strong>der</strong> Staatsmacht und konkret die Polizeivollzugsbeamten zu spüren.<br />

Auf Initiative <strong>der</strong> Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei hat das Kriminologische Forschungsinstitut<br />

Nie<strong>der</strong>sachsen e.V. im Auftrag <strong>der</strong> Innenministerkonferenz und <strong>der</strong> Gewerkschaft <strong>der</strong><br />

Polizei eine Polizeibefragung zum Thema „Gewalt gegen Polizeibeamte“ durchgeführt.<br />

Diese Studie fand im vergangenen Jahr statt.<br />

Wesentliche Ergebnisse sind: Polizeibeamte sind im Rahmen ihrer dienstlichen Tätigkeit<br />

in sehr hohem Maße Agressionen von Bürgern ausgesetzt. Von den befragten<br />

Polizeibeamten wurden im Jahr 2009 81,9 % beschimpft, beleidigt o<strong>der</strong> verbal bedroht.<br />

47,8 % wurden gestoßen, geschubst o<strong>der</strong> festgehalten, 24,9 % mit Gegenständen<br />

beworfen, 26,5 % mit Faust bzw. Hand geschlagen o<strong>der</strong> mit Füßen getreten.<br />

14,6 % erlebten eine Bedrohung mit einer Waffe o<strong>der</strong> einem gefährlichen Gegenstand,<br />

und 8,6 % wurden mit diesen angegriffen.<br />

Die täglichen Angriffe bewirken bei vielen Beamten massive Verletzungen. Beson<strong>der</strong>s<br />

häufig betroffen sind Streifenbeamte. Insofern kann ich mir nur schwer die sogenannte<br />

heile Welt insbeson<strong>der</strong>e in den Großstädten in Deutschland und das innige<br />

Verhältnis zwischen Bürger und Polizei vorstellen.<br />

Schwerpunkte dieser Gewaltübergriffe liegen zu 27,5 % bei <strong>der</strong> Festnahme von Tatverdächtigen,<br />

zu 23,7 % bei Streitsituationen im öffentlichen Raum o<strong>der</strong> in Familien<br />

und zu 11 % bei Einsätzen <strong>der</strong> öffentlichen Ordnung, also im täglichen Dienst.<br />

Nun muss man sich vorstellen, die Kollegen sind im Dienst, fahren zum Einsatz und<br />

müssen sich überlegen: Trage ich eine Nummer o<strong>der</strong> ein Namensschild, ohne zu<br />

wissen, ob es bei dem Einsatz um eine gewalttätige Auseinan<strong>der</strong>setzung o<strong>der</strong> um<br />

einen beizulegenden Familienstreit geht.<br />

Im Vergleich <strong>der</strong> vergangenen fünf Jahre <strong>des</strong> Untersuchungszeitraumes zeigt sich<br />

ein deutlicher Anstieg <strong>der</strong> Gewaltübergriffe gegenüber <strong>der</strong> Polizei. Schwere Gewaltübergriffe<br />

führen bei den betroffenen Polizeivollzugsbeamten nicht selten zu schweren<br />

psychischen und psychosomatischen Beschwerden. Ein beson<strong>der</strong>s deutlicher<br />

Anstieg schwerer Gewalt ist bei Demonstrationen - 4,6 % auf 8 % -, bei familiären<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzungen - 5,8 % auf 11,4 % - und bei Streitigkeiten ohne familiären<br />

Hintergrund - 9,4 § auf 12,9 % - zu verzeichnen.


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<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />

Eine generelle Kennzeichnungspflicht von Polizeivollzugsbeamten zu for<strong>der</strong>n ist insbeson<strong>der</strong>e<br />

im Ergebnis <strong>der</strong> KFN-Studie (KFN = Kriminologisches Forschungsinstitut<br />

Nie<strong>der</strong>sachsen e. V.) ein vollkommen falsches politisches Signal. Wir bezeichnen<br />

dies als eine Verletzung <strong>der</strong> Fürsorgepflicht <strong>des</strong> Dienstherrn. Bereits heute werden<br />

fast alle polizeilichen Maßnahmen videografiert.<br />

Für Potsdam im Übrigen interessant: Babelsberg 03 - es wurde ein eigener Verein<br />

bzw. eine Initiative gegründet, nach <strong>der</strong> die Polizei kontrolliert wird und alle polizeilichen<br />

Maßnahmen bei Fußballspielen videografiert, ausgewertet und auch illlegal ins<br />

Internet gestellt werden. Künftig würde demnach nicht nur polizeiliches Handeln im<br />

Internet nachvollziehbar sein, son<strong>der</strong>n auch die handelnden Personen namentlich zugeordnet<br />

werden können. Insofern können illegale Datenbanken über handelnde Polizeivollzugsbeamte<br />

im Internet angelegt werden. Dies wi<strong>der</strong>spricht dem generellen<br />

Anspruch auf informelle Selbstbestimmung.<br />

Die Verpflichtung von Polizeivollzugsbeamten, im Dienst die vorgeschriebene Uniform<br />

zu tragen, war durch das Erfor<strong>der</strong>nis gerechtfertigt, die Legitimation <strong>der</strong> Beamten<br />

<strong>für</strong> polizeiliche Maßnahmen äußerlich kundzutun.<br />

Nun zwei abschließende Bemerkungen. Erstens: Es gab eine Anfrage <strong>der</strong> „taz“ - Tageszeitung<br />

Berlin - vom 16. September 2009 an sämtliche Innenministerien und Innenressorts<br />

<strong>des</strong> Bun<strong>des</strong> und <strong>der</strong> Län<strong>der</strong>. In Beantwortung dieser Anfrage hat das Innenministerium<br />

Brandenburg wie folgt geantwortet:<br />

„Die in den Einsatzeinheiten <strong>der</strong> Polizeien vorhandene funktionsbezogene<br />

Kennzeichnung bis auf Gruppenebene wird als ausreichend angesehen. Weitergehende<br />

individuelle Kennzeichnungen werden zum Schutz <strong>der</strong> Einsatzkräfte<br />

vor massenhaften Falschanzeigen, aber auch zur Wahrung ihrer Persönlichkeitsrechte<br />

abgelehnt. Im Übrigen war eine Identifizierung von Einsatzkräften<br />

zur Durchführung von Ermittlungsverfahren in Brandenburg bisher in<br />

allen Fällen möglich. Eine individuelle Kennzeichnung von Einsatzkräften ist<br />

unter diesen Voraussetzungen nicht erfor<strong>der</strong>lich.“<br />

Diesem Zitat ist aus Sicht <strong>der</strong> Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei nichts hinzuzufügen.<br />

Zweitens: Die bereits zweimal durchgeführte Bürgerbefragung zur Arbeit <strong>der</strong> Brandenburger<br />

Polizei verdeutlicht, dass weit mehr als zwei Drittel <strong>der</strong> Brandenburger<br />

Bürger mit <strong>der</strong> Arbeit <strong>der</strong> Brandenburger Polizei zufrieden bzw. sehr zufrieden sind.<br />

Die Brandenburger Polizei genießt ein hohes Ansehen und Vertrauen. Zudem ist uns<br />

nicht bekannt, dass es For<strong>der</strong>ungen zu einer Zwangskennzeichnung <strong>der</strong> Brandenburger<br />

Polizei gibt.<br />

Die Frage, ob es Erkenntnisse darüber gibt, dass Namen von Polizeibeamten bekannt<br />

wurden, ist zu sagen: Diese Erkenntnisse gibt es, und sie können auch mit Beispielen<br />

unterlegt werden. Unter an<strong>der</strong>em wurde einem Kollegen aus einer Wache <strong>der</strong>


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abgeschnittene Kopf eines Schweines vor die Haustür gelegt - <strong>der</strong> Rest <strong>des</strong> Schweines<br />

lag im Garten -, nachdem Täter herausgefunden haben, an welchem Vorgang<br />

dieser Kollege arbeitet.<br />

Sämtliche polizeilichen Großeinsätze werden von <strong>der</strong> Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei in<br />

Brandenburg begleitet. Bei <strong>der</strong> Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei gibt es Einsatzjacken, auf<br />

denen das Namensschild steht. Ich hatte bei dem in Halbe durchgeführten Einsatz<br />

den Fehler begangen und diese Jacke getragen. Als Ergebnis hatte ich mehr als ein<br />

Jahr regelrechten Telefonterror, nachdem Demonstranten herausfanden, wer Andreas<br />

Schuster ist, und meine Telefonnummer aus dem Internet sehr leicht erfuhren.<br />

Dies können auch an<strong>der</strong>e Kollegen nachvollziehen; denn es gibt zahlreiche Beispiele<br />

da<strong>für</strong>.<br />

Warum bringt man dies nicht zur Anzeige? - Wir wissen am besten, welchen Sinn es<br />

macht, eine Anzeige zu erstatten. Es macht keinen Sinn; denn es kommt nichts dabei<br />

heraus.<br />

Dieses Thema wurde bei <strong>der</strong> gestrigen Versammlung mit mehr als 100 Kollegen diskutiert,<br />

die in diesem Bereich kein Vertrauen in die Justiz haben. Wenn in Brandenburg<br />

ein Straftäter eine Schusswaffe benutzt und freigesprochen wird, weil er nicht<br />

gezielt auf Polizeibeamte schießt, son<strong>der</strong>n sich mit den Schüssen „lediglich“ den<br />

Weg freischießen wollte, fragen sich die Kollegen, wie verbale Angriffe im Rahmen<br />

<strong>der</strong> Kennzeichnungspflicht durch die Justiz verfolgt werden sollen.<br />

Auf den Punkt gebracht: Wir lehnen eine generelle Kennzeichnungspflicht in Brandenburg<br />

ab. Mit <strong>der</strong> gegenwärtigen gesetzlichen Regelung in § 9 BbgPolG sind bereits<br />

umfassende Regelungen zur Legitimationspflicht vorhanden. - Schönen Dank.<br />

Vorsitzende:<br />

Wir danken <strong>für</strong> die sehr klaren Worte. - Als nächster Anzuhören<strong>der</strong> erhält Herr Franke<br />

<strong>für</strong> die Deutsche Polizeigewerkschaft im Deutschen Beamtenbund das Wort.<br />

Herr Franke (Deutsche Polizeigewerkschaft):<br />

Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Liebe Abgeordnete! Da Ihnen unsere Stellungnahme<br />

schriftlich vorliegt (Anlage 7) und ich mich Andreas Schuster im Wesentlichen anschließen<br />

kann, nur noch einige Ergänzungen von mir.<br />

Uns geht es nicht um Anonymität <strong>der</strong> Polizei - die Polizisten sollen nicht anonym ihren<br />

Dienst verrichten -, son<strong>der</strong>n unseres Erachtens sind die bestehenden Regelungen<br />

völlig ausreichend. Uns sind keine Fälle bekannt, in denen die bestehenden Regelungen<br />

nicht ausreichend gewesen wären. Zudem ist es nicht Polizeiaufgabe, seinen<br />

- das sage ich bewusst - Familiennamen plakativ zur Schau zu stellen. Schließlich<br />

ist es nicht nur <strong>der</strong> Name <strong>des</strong> handelnden Beamten, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> ganzen Familie.


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Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />

<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />

Sicherlich habe ich als Polizeibeamter die Möglichkeit, über das Straßenverkehrsgesetz<br />

mein Fahrzeug vor Abfragen zu schützen, indem ich beim Einwohnermeldeamt<br />

einen Eintrag bei dienstlicher Notwendigkeit vornehmen lasse, sodass niemand -<br />

auch nicht die Parteien zum Zwecke ihrer Wahlauffor<strong>der</strong>ungen - meine Daten erfährt.<br />

Meine Eltern, die mit Nachnamen auch Franke heißen, können das jedoch nicht. Insofern<br />

können sie gefunden werden, auch wenn ich mich größtenteils anonymisieren<br />

lassen kann.<br />

Die von Herrn Schuster genannten Beispiele lassen sich beliebig fortsetzen. Sicherlich<br />

werden die Namen <strong>der</strong> Kollegen auch über Ermittlungsverfahren bekannt, weshalb<br />

wir als Gewerkschafter gerade dort unsere Dienstherren in <strong>der</strong> Pflicht sehen, in<br />

dieser Hinsicht mehr zu tun; denn unter an<strong>der</strong>em bei Prozessen gegen die Hells Angels<br />

werden die dort handelnden und als Zeugen auftretenden Polizeibeamten konkret<br />

mit Namen angesprochen und bedroht. Das hat mittelbar Folgen auf die Handlungsfähigkeit<br />

dieser Beamten. Insofern wird sich ein Streifenbeamter zweimal überlegen,<br />

wen er auf <strong>der</strong> Straße anhält, wenn er mit Repressalien rechnen muss, weil<br />

sein Name mit <strong>der</strong> von ihm zu schreibenden Anzeige dem Täter bekannt wird.<br />

Als Polizeibeamter kann ich meinen Namen überall - auch bei <strong>der</strong> Telekom - schützen<br />

lassen, dennoch bin ich im Dienst je<strong>der</strong>zeit öffentlich mit meinem Namen, <strong>der</strong> zugleich<br />

<strong>der</strong> Name <strong>der</strong> Familie ist, erkennbar.<br />

Des Weiteren werden oft Vergleiche mit an<strong>der</strong>en Berufsständen, die Namensschil<strong>der</strong><br />

tragen, angeführt. Meines Erachtens ist es aber schon ein Unterschied - das müsste<br />

auch jedem klar sein -, ob eine Verkäuferin mit ihrem Namen einem Hells Angel ein<br />

Brot verkauft o<strong>der</strong> ob ein Polizeibeamter den jungen Mann <strong>für</strong> 48 Stunden o<strong>der</strong> länger<br />

in den Gewahrsam sperrt und ihm somit die Freiheit entzieht.<br />

Auch das Bahnpersonal wird als Beispiel angeführt, das Namensschil<strong>der</strong> trägt. Jedoch<br />

haben die Zugbegleiter von <strong>der</strong> Bahn die Erlaubnis <strong>für</strong> die Verwendung eines<br />

Pseudonyms, damit sie vor Übergriffen agressiver Reisen<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Freizeit geschützt<br />

sind. Insofern heißt <strong>der</strong> Zugbegleiter nicht unbedingt so, wie es auf dem Namensschild<br />

steht.<br />

Zudem liegt <strong>der</strong> Sinn <strong>des</strong> Tragens einer Uniform bzw. einer Dienstbekleidung darin,<br />

dass die Persönlichkeit <strong>des</strong> Beamten hinter seiner Funktion zurücktritt. Da<strong>für</strong> wurde<br />

die Uniform sozusagen erfunden. Auch die Amtsbezeichnung soll unter an<strong>der</strong>em da<strong>für</strong><br />

genutzt werden, dass unter an<strong>der</strong>em ich nicht als Herr Oberkommissar Franke<br />

angesprochen werden muss, son<strong>der</strong>n als Herr Oberkommissar. So verhält es sich<br />

auch bei an<strong>der</strong>en Polizeibeamten. Der Polizeibeamte wird also nicht als Privatperson<br />

mit seinem persönlichen Namen im Dienst tätig, son<strong>der</strong>n als Polizeitbeamter. Das ist<br />

ein wesentlicher Unterschied.


<strong>Landtag</strong> Brandenburg P-AI 5/13-1 S. 29<br />

Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />

<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />

Die von Herrn Prof. Aden angesprochene Fehlerkultur finden wir sehr wichtig. Eine<br />

Fehlerkultur in <strong>der</strong> Brandenburger Polizei findet nur insoweit statt, als auf ein Fehlverhalten<br />

insofern reagiert wird, dass man über das Entdecken eines Schuldigen erfreut<br />

ist. Dieser Schuldige wird dann bestraft, und man lehnt sich zurück.<br />

Bei unseren Kollegen ist hier natürlich die Be<strong>für</strong>chtung, dass diese namentliche<br />

Kennzeichnung ausschließlich dazu dient, innerhalb <strong>der</strong> Dienststellen auf Fehler in<br />

<strong>der</strong> Richtung zu reagieren, dass man abstraft, ohne die Chance zu nutzen, diese<br />

Fehler als tatsächliche Chance zu sehen, diese auszuwerten und an ihrer Abstellung<br />

zu arbeiten. Die Fehlerkultur bei <strong>der</strong> Polizei in Brandenburg sieht jedoch lei<strong>der</strong> so<br />

aus, dass man sich in <strong>der</strong> Regel mit dem Finden <strong>des</strong> Schuldigen zufriedengibt.<br />

Herr Glietsch sprach das Einsatz- und Eigensicherungstraining sowie die Schutzausstattung<br />

an. Zur Ausrüstung nur so viel: Ich persönlich habe noch immer meine erste<br />

Schutzweste, die ich im Jahr <strong>der</strong> Einführung <strong>der</strong> ballistischen Schutzwesten erhalten<br />

habe. Dies ist mehr als zehn Jahre her. Die Weste entspricht garantiert nicht mehr<br />

dem aktuellen Stand <strong>der</strong> Technik. Zumin<strong>des</strong>t hat <strong>der</strong> Hersteller dieser Weste die Garantie<br />

<strong>für</strong> dieses Objekt aufgegeben und garantiert mittlerweile nicht mehr, dass diese<br />

Weste noch einen Schuss abhält.<br />

Das Einsatz- und Eigensicherungstraining beschränkt sich bei <strong>der</strong> Polizei Brandenburg<br />

im Streifendienst auf regelmäßiges Schießtraining. Mir ist nicht bekannt, dass<br />

Einsatz- und Eigensicherungstraining in den jeweiligen Dienststellen regelmäßig mit<br />

<strong>der</strong> Intensität durchgeführt wird, wie Herr Glietsch das einfor<strong>der</strong>t. Das ist auch in Anbetracht<br />

<strong>der</strong> Einsatzbelastung <strong>der</strong> Polizei und <strong>der</strong> personellen Ausstattung nicht möglich,<br />

schließlich soll unsere Polizei auf 7.000 Beschäftigte reduziert werden. Insofern<br />

frage ich mich, woher Sie die Arbeitszeit da<strong>für</strong> nehmen wollen, die Beamten so fit zu<br />

machen und so zu trainieren, dass die von Herrn Glietsch genannten Voraussetzungen<br />

tatsächlich erfüllt werden? - Ich habe diesbezüglich erhebliche Zweifel.<br />

Eine in diesem Gesetzentwurf aufgestellte These lautet: Die Kennzeichnung könnte<br />

das Vertrauen in die Polizei bei <strong>der</strong> Bevölkerung stärken. - Ich muss jedoch sagen:<br />

Allein aufgrund dieser Vermutung einen Gesetzentwurf zu verabschieden greift unserer<br />

Auffassung nach zu kurz, da die Unterstellung - auch wenn Sie das nicht wahrhaben<br />

wollen - enthalten ist, die Bevölkerung misstraue <strong>der</strong> Polizei.<br />

Wenn dem so wäre, würde ich dennoch daran zweifeln, dass das Vertrauen <strong>der</strong> Bevölkerung<br />

in die Polizei plötzlich und unerwartet zurückkäme, wenn die Polizeibeamten<br />

mit einem Namensschild unterwegs wären. Meines Erachtens kann man sich<br />

Vertrauen in <strong>der</strong> Bevölkerung nur durch Taten und nicht durch ein Namensschild erwerben.<br />

Zudem ist ein Schild und ein Kennzeichen keine konkrete polizeiliche Aufgabe,<br />

sodass mir unklar ist, warum das im Polizeigesetz stehen soll - auch hinsichtlich<br />

<strong>der</strong> damit einhergehenden Probleme, wenn Einsatzkräfte an<strong>der</strong>er Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong> in<br />

Brandenburg tätig sind.


<strong>Landtag</strong> Brandenburg P-AI 5/13-1 S. 30<br />

Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />

<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />

Die bestehenden Regelungen sind insofern völlig ausreichend. Auch ist uns kein Fall<br />

bekannt, in dem sich die Kollegen nicht an diese Regelungen gehalten o<strong>der</strong> diese zu<br />

Ausfällen bei <strong>der</strong> Strafverfolgung geführt hätten. Deshalb bezweifeln wir die Sinnhaftigkeit<br />

<strong>der</strong> neuen Regelung.<br />

Die Studie „Polizisten in Deutschland leben gefährlich“ wurde bereits von Herrn<br />

Schuster angeführt. Gewerkschaften haben eine solche Untersuchung in Auftrag gegeben,<br />

nicht die Dienstherren, obwohl ich erwartet hätte, dass die Dienstherren eine<br />

solche Untersuchung durchgeführt hätten.<br />

Übergriffe gegen Polizeibeamte werden nicht daraufhin untersucht, ob sie dadurch<br />

begünstigt wurden, dass <strong>der</strong> Name <strong>des</strong> Beamten geläufig war. Bekannt ist, dass<br />

Rechts- und Linksextreme die Namen von Polizeibeamten sammeln und in Datenbanken<br />

im Internet veröffentlichen. In mehr als nur einem Fall wurden Beamte persönlich<br />

angesprochen, sich in gewissen Klientels zurückzuhalten und von Einsatzmaßnahmen<br />

abzusehen. Insofern kann es nicht im Interesse <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> liegen,<br />

ohne Notwendigkeit eine Kennzeichnung verpflichtend einzuführen. Das Tragen eines<br />

Namensschil<strong>des</strong> auf freiwilliger Basis dagegen ist sicherlich vorstellbar.<br />

Ich bedanke mich <strong>für</strong> die Aufmerksamkeit und hoffe auf eine Entscheidung im Sinne<br />

<strong>der</strong> Beamten.<br />

Vorsitzende:<br />

Wir danken Ihnen, Herr Franke. - Als nächste Anzuhörende erhält Frau Wölk <strong>für</strong> den<br />

Bund Deutscher Kriminalbeamter - Lan<strong>des</strong>verband Brandenburg - das Wort.<br />

Frau Wölk (Bund Deutscher Kriminalbeamter, Polizeioberkommissarin):<br />

Guten Tag! Zunächst bedanke ich mich da<strong>für</strong>, die Ausführungen <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong> Deutscher<br />

Kriminalbeamter hier darzustellen zu dürfen.<br />

Die Ihnen vom Lan<strong>des</strong>vorstand zugegangene Stellungnahme (Anlage 8) möchte ich<br />

nun kurz verlesen. Der BDK lehnt den Gesetzentwurf ab, da durch das offensichtliche<br />

Tragen eines Namensschil<strong>des</strong> die Gefahr besteht, dass die Person <strong>des</strong> Beamten<br />

einem unkontrollierbaren dritten Personenkreis - nicht nur dem Betroffenen <strong>der</strong> Amtshandlung<br />

- bekannt wird. Schließlich wird dem Betroffenen einer Amtshandlung die<br />

Person <strong>des</strong> Beamten durch Vorlage <strong>des</strong> Dienstausweises, einer Visitenkarte o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Unterschrift auf einem <strong>Protokoll</strong> ohnehin bekannt.<br />

Auf das Ausweichen von Visitenkarten sollte vermehrt hingewiesen werden, wobei es<br />

bereits <strong>für</strong> die Streifenbeamten eine innerdienstliche Vorschrift bzw. eine Polizeidienstvorschrift<br />

gibt, nach <strong>der</strong> Streifenbeamte Visitenkarten auf Verlangen auszuhändigen<br />

haben. Insofern sollten die Visitenkarten jedem Bediensteten zur Verfügung


<strong>Landtag</strong> Brandenburg P-AI 5/13-1 S. 31<br />

Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />

<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />

gestellt werden. Zudem sollte die Übergabe dieser Visitenkarten an den Betroffenen<br />

noch mehr zur Selbstverständlichkeit werden. Verdeckte Einsätze sind von einer<br />

Kennzeichnungspflicht aufgrund <strong>der</strong> Gefährdung <strong>der</strong> Person <strong>des</strong> Beamten bzw. <strong>des</strong><br />

Einsatzzweckes ohnehin ausgenommen.<br />

Zugleich weisen wir auf in einigen Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong>n bestehende Freiwilligkeitslösungen<br />

hin. In Nie<strong>der</strong>sachsen zum Beispiel steht es jedem Polizeivollzugsbeamten frei, zur<br />

Legitimation ein Namensschild zu tragen, was insbeson<strong>der</strong>e von uniformierten Polizisten<br />

zunehmend genutzt wird.<br />

Der Bund Deutscher Kriminalbeamter möchte zudem auf redaktionelle Punkte hinweisen.<br />

So gibt es in dem Gesetzentwurf unterschiedliche Bezeichnungen, <strong>für</strong> welche<br />

Beamte dies gelten soll. Einerseits wird von uniformierten Polizeivollzugsbeamten<br />

gesprochen, an<strong>der</strong>erseits von Bediensteten <strong>der</strong> Polizei bzw. von Polizeivollzugsbediensteten.<br />

Insofern wäre es wichtig, vor Inkrafttreten <strong>des</strong> Gesetzes klarzustellen,<br />

<strong>für</strong> welchen Personenkreis <strong>der</strong> Polizei diese Kennzeichnungspflicht gelten soll.<br />

Im Gesetzentwurf <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> CDU steht:<br />

„Die Gesetzesän<strong>der</strong>ung ist unter tatsächlichen Gesichtspunkten erfor<strong>der</strong>lich.“<br />

Jedoch fehlt es an tatsächlichen Gesichtspunkten, weshalb die Erfor<strong>der</strong>lichkeit infrage<br />

zu stellen ist.<br />

Nun zu den aufgeworfenen Fragen. Erstens: Wir sind unter an<strong>der</strong>em <strong>des</strong>halb gegen<br />

die Kennzeichnungspflicht - wie die von Herrn Schuster bereits erwähnte KFN-Studie<br />

belegt -, weil die Gewalt gegen Polizeibeamte immer mehr zunimmt. Unbeteiligte<br />

Personen erhalten den Namen von Beamten, obwohl sie nicht Adressat einer polizeilichen<br />

Maßnahme sind. Spezielle Nachnamen von Beamten sind sehr leicht über das<br />

Internet recherchierbar. Zudem findet man private Adressen sehr schnell, weil unsere<br />

Polizeibeamten am öffentlichen Leben teilhaben und unter an<strong>der</strong>em an Sportwettkämpfen<br />

teilnehmen, von denen Namenslisten im Internet kursieren.<br />

Da polizeiliche Handlungen nachträglich überprüft werden können, ist die Kennzeichnung<br />

absolut unnötig. Bei einer begangenen Ordnungswidrigkeits- o<strong>der</strong> Bußgeldanzeige<br />

sind die Namen anhand <strong>der</strong> Unterschriften erkennbar. Auf dem Strafzettel steht<br />

eine Nummer, anhand <strong>der</strong>er <strong>der</strong> Träger <strong>des</strong> Verwarngeld- o<strong>der</strong> Zahlscheinblockes<br />

recherchierbar ist. Insofern ist je<strong>der</strong> Beamte im Nachgang ermittelbar.<br />

Zweitens: In dem Moment, in dem wir uns gegen eine Kennzeichnungspflicht aussprechen,<br />

benötigen wir eigentlich keine Ausnahmen. Fakt ist: Sowohl verdeckte Ermittler<br />

als auch Spezialeinheiten - unter an<strong>der</strong>em unsere Fahndungskräfte, Staatsschutz,<br />

Verfassungsschutz - dürfen nicht in einer solchen Weise gekennzeichnet<br />

werden.


<strong>Landtag</strong> Brandenburg P-AI 5/13-1 S. 32<br />

Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />

<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />

Zudem sind unsere Kriminalbeamten in Zivilkleidung tätig. Sehr oft werden sie von<br />

den Bürgern gebeten, sich bei Einsätzen unter an<strong>der</strong>em in den Dienststellen <strong>der</strong> Bürger<br />

nicht als Polizeibeamte kenntlich zu machen, weil einerseits die Angestellten<br />

Angst vor Jobverlust haben, wenn <strong>der</strong> Vorgesetzte das Erscheinen <strong>der</strong> Polizei mitbekommt,<br />

und an<strong>der</strong>erseits <strong>der</strong> Firmenchef Angst hat - wenn die Polizei wegen ihm die<br />

Firma aufsucht -, dass das Firmenimage in irgendeiner Art und Weise geschädigt<br />

wird.<br />

Drittens: Die polizeiliche Kriminalstatistik erfasst keine Gefahren, son<strong>der</strong>n Fälle, in<br />

denen Polizeibeamte angegriffen werden. Herr Schuster hat bereits mitgeteilt, dass<br />

in einigen Fällen Beamte aufgrund <strong>der</strong> Bekanntgabe <strong>des</strong> Namens bedroht bzw. attackiert<br />

werden.<br />

Aufzuführen ist hierbei, dass Beleidigungen gegenüber Polizeibeamten von diesen<br />

nicht mehr angezeigt werden. Unter an<strong>der</strong>em hat unsere Polizeiwache in Potsdam-<br />

Mitte von dem Gericht in Potsdam ein Schreiben erhalten, das sich auf eine Beleidigungsanzeige<br />

eines Polizeibeamten wie folgt bezog: Bitte, nutzen Sie den Zivilrechtsweg.<br />

Das heißt so viel wie: Bei Ihnen als Beamter wird das öffentliche Interesse<br />

insofern nicht anerkannt, als dass diese Beleidigung so behandelt wird.<br />

Bekommt <strong>der</strong> Beamte ein solches Schreiben und wird die Kennzeichnung verpflichtend,<br />

wird er sich fragen, was <strong>der</strong> Dienstherr überhaupt noch <strong>für</strong> ihn tut. Er soll seinen<br />

Namen öffentlich tragen, obwohl die Beleidigung gegen ihn kein öffentliches Interesse<br />

hat, weshalb er sich <strong>des</strong> Zivilrechtsweges bedienen soll? Wie weit soll es<br />

denn noch kommen, meine Damen und Herren?<br />

Viertens: Wenn jemand Revierpolizist werden möchte, ist demjenigen auch bewusst,<br />

dass er in seinem Bereich bekannt sein muss. Er soll Ansprechpartner sein und sich<br />

zeigen. Dazu gehört natürlich, dass er namentlich bekannt ist. Jedoch wird nicht ein<br />

Revierpolizist, son<strong>der</strong>n ein Streifenpolizist zu beizulegenden Familienstreitigkeiten<br />

gerufen, auch wenn Revierpolizisten bei Familienstreitigkeiten natürlich zur Verfügung<br />

stehen. Schließlich haben sie aufgrund ihres Bekanntheitsgra<strong>des</strong> oftmals an<strong>der</strong>e<br />

Möglichkeiten als <strong>der</strong> Streifendienst, auf die Betroffenen einzuwirken.<br />

Revierpolizisten wissen, dass ihr Name in <strong>der</strong> Öffentlichkeit zirkuliert, aber nicht viele<br />

Bürger wissen tatsächlich, wer <strong>für</strong> ihren Bereich zuständig ist. Natürlich sind die Beamten<br />

in <strong>der</strong> Internetpräsenz vertreten. Wer sich jedoch nicht da<strong>für</strong> interessiert, weiß<br />

dennoch nicht, wer <strong>für</strong> ihn verantwortlich ist. Insofern ist eine Kennzeichnungspflicht<br />

auch hier absolut unnötig.<br />

Fünftens: An jedem Dienstzimmer stehen die Namen <strong>der</strong> Kollegen. Die Streifenbeamten<br />

stellen sich bei Kontrollen im Außendienst vor und sind verpflichtet, ihren<br />

Dienstausweis auf Verlangen zu zeigen. Die Polizeidienstvorschrift 350 besagt eindeutig,<br />

dass auf Verlangen auch Visitenkarten auszuhändigen sind, auf <strong>der</strong> Name,<br />

Dienstgrad und Dienststelle <strong>der</strong> Beamten stehen.


<strong>Landtag</strong> Brandenburg P-AI 5/13-1 S. 33<br />

Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />

<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />

Beim Verwaltungsbeamten ist es so, dass sein Name am Dienstzimmer steht. Befindet<br />

er sich jedoch nicht im Dienstzimmer, ist er kein Verwaltungsbeamter, son<strong>der</strong>n<br />

ein Mensch wie du und ich. Es ist nicht ersichtlich, ob er Angestellter, Verwaltungsbeamter<br />

o<strong>der</strong> einfach ein Bürger ist, <strong>der</strong> über den Gang läuft. In dem Augenblick ist er<br />

anonymisiert. Der Polizist - sollte dieser Gesetzentwurf in Kraft treten - ist es dann<br />

nicht mehr. Wenn er die Wache verlässt, muss er dennoch sein Namensschild tragen<br />

und ist demnach immer Polizist. Selbst ein Kriminalist wäre dann in Zivil - sollte er ein<br />

Namensschild tragen müssen - immer Polizist. Er kann nie verdeckt bleiben - auch in<br />

ziviler Kleidung nicht.<br />

Sechstens: Bezüglich <strong>der</strong> Kennzeichnungspflicht mit Blick auf § 36 Bamtenstatusgesetzes<br />

ist zu sagen, dass es völlig einleuchtend ist, dass je<strong>der</strong> Beamte <strong>für</strong> seine<br />

Maßnahmen selbst die Verantwortung trägt. Insofern ist mir nicht ersichtlich, was die<br />

Kennzeichnungspflicht verän<strong>der</strong>n sollte, wenn <strong>der</strong> Beamte ein Namensschild trägt.<br />

Herr Glietsch und Herr Aden sagten aus, dass unsere Polizei und die Ausbildung zu<br />

Polizeivollzugsbeamten immer besser und professioneller werden. Demnach kennt<br />

auch je<strong>der</strong> Beamte seine Pflichten und weiß, dass er natürlich <strong>für</strong> Recht und Gesetz<br />

steht und auch selbst <strong>für</strong> sein Handeln verantwortlich ist.<br />

Zu <strong>der</strong> letzten aufgeworfenen Frage hinsichtlich <strong>des</strong> Umstan<strong>des</strong>, dass privatwirtschaftlich<br />

tätige Wachleute zum Tragen eines Namensschil<strong>des</strong> rechtlich verpflichtet<br />

sind, möchte ich Folgen<strong>des</strong> sagen: Im Wach- und Wechseldienst haben wir tagtäglich<br />

mit solchen Unternehmen zu tun; denn wir werden stets zu dortigen Einsätzen<br />

gerufen, da die Wachleute selbst kein Recht auf Vollzugshandlung bzw. auf Durchführung<br />

von Zwangshandlungen haben.<br />

Eine Nachfrage bei Mitarbeitern von Securitas und an<strong>der</strong>en Sicherheitsfirmen ergab,<br />

dass eine Pflicht zum Tragen <strong>des</strong> Namens besteht, dies aber niemand tut, weil es<br />

nicht kontrolliert wird und es keine Ahndung gibt. Daher fragen sich die Wachleute,<br />

warum sie dann überhaupt ein Namensschild tragen sollen. Insofern finde ich es sehr<br />

schwierig - wenn schon die Wachleute trotz Vorschrift mit solch einer Gleichgültigkeit<br />

damit umgehen -, diesen Vergleich <strong>für</strong> die Polizei in irgendeiner Art und Weise anzuführen.<br />

Noch einmal: Wir sind gegen die Kennzeichnungspflicht. Allenfalls würden wir die<br />

Möglichkeit akzeptieren, dass auf freiwilliger Basis entwe<strong>der</strong> <strong>der</strong> Name o<strong>der</strong> eine<br />

Nummer getragen werden kann. - Vielen Dank.<br />

Vorsitzende:<br />

Wir danken Ihnen. - Herr Goetz, bitte.


<strong>Landtag</strong> Brandenburg P-AI 5/13-1 S. 34<br />

Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />

<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />

Abgeordneter Goetz (FDP):<br />

Herr Schuster, würden Sie es erstens an<strong>der</strong>s sehen, wenn den Beamten das Tragen<br />

von Namensschil<strong>der</strong>n freigestellt werden würde? - Sie haben sich sehr vehement gegen<br />

das Tragen von Namensschil<strong>der</strong>n ausgesprochen, weshalb diese Möglichkeit bei<br />

Ihnen <strong>für</strong> mich nicht deutlich geworden ist. Den Aussagen Ihrer Kollegen war dagegen<br />

eindeutig zu entnehmen, dass sie eine freiwillige Art und Weise akzeptieren würden.<br />

Zweitens: Würden Sie zwischen Namensschil<strong>der</strong>n und anonymisierten Ziffernfolgen<br />

abstufen und insofern die Ziffernfolge eher akzeptieren? - Das entkräftigt möglicherweise<br />

nicht Ihre Argumentation zu Anzeigen o<strong>der</strong> Vorwürfen, aber: Wäre dies eine<br />

mil<strong>der</strong>e Variante, mit <strong>der</strong> die Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei besser umgehen könnte?<br />

Drittens: Was würden Sie sich zum einen als Polizeibeamter von Ihrem Dienstherrn<br />

zum Schutz vor den von Ihnen dargestellten Übergriffen o<strong>der</strong> eventuellen nachteiligen<br />

Folgen wünschen, wenn es zu einer solchen Kennzeichnungspflicht <strong>der</strong> Beamten<br />

mit Namen o<strong>der</strong> Nummern käme, o<strong>der</strong> wie müsste man zum an<strong>der</strong>en gegensteuern,<br />

um die möglichen Be<strong>für</strong>chtungen und Nachteile auszugleichen, damit die Beamten<br />

mit einer solchen Kennzeichnung besser umgehen könnten?<br />

Herr Schuster (Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei, Lan<strong>des</strong>bezirksvorsitzen<strong>der</strong>):<br />

Das freiwillige Tragen von Namensschil<strong>der</strong>n gibt es bereits in <strong>der</strong> Brandenburger Polizei<br />

und muss insofern nicht neu geregelt werden. Meines Erachtens wird diese<br />

Möglichkeit von sehr wenigen Kollegen <strong>des</strong> höheren Dienstes genutzt, im mittleren<br />

und gehobenen Dienst - insbeson<strong>der</strong>e in den operativen Bereichen - dagegen so gut<br />

wie gar nicht.<br />

Eine Abstufung zwischen Namensschil<strong>der</strong>n und Nummern lehnen wir ab. Schließlich<br />

wissen Sie im täglichen Dienst nicht, was bei einem Einsatz passiert. Die KFN-Studie<br />

hat bewiesen, dass es zunehmend im täglichen Dienst bei „normalen“ Einsätzen -<br />

unter an<strong>der</strong>em bei Verkehrskontrollen und Familienstreitigkeiten - zu verbalen Auseinan<strong>der</strong>setzungen<br />

und gewalttätigen Ausschreitungen gegen Polizeivollzugsbeamte<br />

kommt. Soll <strong>der</strong> Kollege dann - wenn er bei einem vermeintlich „normalen“ Einsatz<br />

merkt, dieser wird gewalttätig - sein Namensschild gegen eine Nummer austauschen?<br />

- Das ist realitätsfremd, weshalb wir dies ablehnen.<br />

Wenn es dennoch zu einer diesbezüglichen Festlegung durch den Dienstherrn käme,<br />

wäre das Gewähren dienstlichen Rechtsschutzes notwendig. Diesen gibt es zwar auf<br />

dem Papier, jedoch nicht in <strong>der</strong> Realität.<br />

Allein die Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei Brandenburg vertritt vor Gericht durchschnittlich<br />

400 Kollegen pro Jahr. Die Tatsache, dass wir im Rahmen von Gegenanzeigen


<strong>Landtag</strong> Brandenburg P-AI 5/13-1 S. 35<br />

Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />

<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />

durch die selbst angezeigten Betroffenen - dabei geht es unter an<strong>der</strong>em um Körperverletzungen<br />

- in mehr als 90 % <strong>der</strong> Fälle vor Gericht erfolgreich sind, zeigt, dass diese<br />

Gegenanzeigen in <strong>der</strong> Regel <strong>des</strong>halb zustande kommen, um von <strong>der</strong> selbst begangenen<br />

Straftat abzulenken. Insofern wäre dort ein dienstlicher Rechtsschutz notwendig,<br />

<strong>der</strong> kaum gewährleistet wird. Bei einer Kennzeichnungspflicht besteht diesbezüglich<br />

eine noch größere Gefahr.<br />

Vorsitzende:<br />

Danke schön. - Herr Petke, bitte.<br />

Abgeordneter Petke (CDU):<br />

Vielen Dank, Frau Vorsitzende. - Ich danke auch den Anzuhörenden <strong>für</strong> Ihre heutigen<br />

Stellungnahmen zum Gesetzentwurf im Innenausschuss <strong>des</strong> <strong>Landtag</strong>es Brandenburg.<br />

Zunächst einige Anmerkungen: Meines Erachtens ist es nicht opportun, die gegenwärtigen<br />

Arbeitsbedingungen bei <strong>der</strong> Polizei in einem zum Teil solch drastischen Bild<br />

zu kennzeichnen. Die dortigen zahlreichen Überzeichnungen haben wenig mit <strong>der</strong><br />

Realität zu tun. Das sage ich auch bewusst als Vertreter <strong>der</strong> Opposition. Insofern<br />

kann ich nur davor warnen, diese in den Zusammenhang mit dem hier diskutierten<br />

Gesetzentwurf zu bringen. Zudem ist mir nicht ersichtlich, was Flugroutendiskussionen<br />

mit Namensschil<strong>der</strong>n bei <strong>der</strong> Polizei zu tun haben.<br />

Die Entscheidung eines Gerichtes in Brandenburg zu einem Straftäter und seiner<br />

Freilassung kann natürlich kritisiert werden - die Justiz muss sich schließlich gewissen<br />

Fragen stellen -, aber ob das mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zu tun hat, ist<br />

zweifelhaft.<br />

Herr Schuster, wenn ich Ihren Ausführungen zur Frage, was ein Polizeibeamter in<br />

seinem täglichen Dienst - unter an<strong>der</strong>em im Wach- und Wechseldienst - alles zu vergegenwärtigen<br />

hat, glauben soll, müsste sich die Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei dann nicht<br />

auch gegen die Freiwilligkeit von Namensschil<strong>der</strong>n aussprechen? - Es wäre doch sogar<br />

- wenn ich das von Ihnen gezeichnete Bild vom Dienst <strong>der</strong> Polizei in Brandenburg<br />

1:1 übernehme - zwingend, dass <strong>der</strong> Gesetzgeber bzw. <strong>der</strong> Dienstherr den Beamten<br />

untersagen müsste, ein Namensschild zu tragen.<br />

Insofern sehe ich einen gewissen Wi<strong>der</strong>spruch, dass Sie einerseits Namensschil<strong>der</strong><br />

ablehnen, an<strong>der</strong>erseits aber auf die Freiwilligkeit verweisen. Ist das nicht wi<strong>der</strong>sprüchlich?<br />

- Ich bitte Sie, insbeson<strong>der</strong>e auf diesen Punkt in Ihrer eigenen Argumentation<br />

einzugehen.


<strong>Landtag</strong> Brandenburg P-AI 5/13-1 S. 36<br />

Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />

<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />

Herr Schuster (Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei, Lan<strong>des</strong>bezirksvorsitzen<strong>der</strong>):<br />

Auf Ihre erste Anmerkung möchte ich nicht weiter eingehen, weil ich mir diese nicht<br />

annehme. Das muss in an<strong>der</strong>en Diskussionsbeiträgen zur Sprache gekommen sein.<br />

Zu Ihrer Anmerkung bezüglich <strong>der</strong> Justiz ist Folgen<strong>des</strong> zu sagen: Herr Petke, ich<br />

habe gestern eine Veranstaltung bzw. Diskussion - Namensschil<strong>der</strong>: ja o<strong>der</strong> nein -<br />

mit 120 Kollegen in Vorbereitung auf die heutige Anhörung durchgeführt. Dort wurde<br />

bewusst die Frage gestellt: Werdet ihr bedroht, wenn <strong>der</strong> Name bekannt wird? - Daraufhin<br />

schil<strong>der</strong>ten die Kollegen ihre konkreten Erlebnisse - unter an<strong>der</strong>em das Ereignis<br />

mit dem abgetrennten Schweinekopf o<strong>der</strong> auch Ereignisse bei Gerichtsprozessen.<br />

Warum wird wohl in Gerichtsprozessen <strong>der</strong> Name <strong>des</strong> Polizeivollzugsbeamten<br />

hinten im Saal wie<strong>der</strong>holt, wenn <strong>des</strong>sen Name genannt wird? - Im günstigsten Fall<br />

kommt es zum Ordnungsruf <strong>des</strong> Richters, zu mehr aber nicht. Wenn die Kollegen <strong>der</strong><br />

Meinung sind, es bringt nichts, eine Drohung o<strong>der</strong> Bedrohung zur Anzeige zu bringen,<br />

wird ersichtlich, dass die Beamten kein Vertrauen haben; denn es passiert sowieso<br />

nichts.<br />

Ihre Frage zur Freiwilligkeit kann ich nur mit Nein beantworten; denn die Kollegen -<br />

auch die Revierpolizisten - können in <strong>der</strong> Regel davon ausgehen, dass sie in einem<br />

polizeilichen Dienstgebäude o<strong>der</strong> bei <strong>der</strong> Durchführung einer Vernehmung beim normalen<br />

polizeilichen Handeln auch normalen Bürgern gegenübertreten. Jedoch hat<br />

die KFN-Studie bewiesen, dass vor allem im täglichen Dienst die Gewalt gegen Polizeibeamte<br />

in starkem Maße zunimmt.<br />

Die Kollegen sowohl in Brandenburg als auch in Berlin - es fanden Gespräche mit<br />

den dortigen Beamten statt - wollen bei einem Einsatz keine Namensschil<strong>der</strong> tragen,<br />

sehr wohl aber im sonstigen Dienst. Vor allem bei sogenannten Großeinsätzen - Demonstrationen,<br />

Fußballeinsätze, Großveranstaltungen - wird dies abgelehnt, weil dort<br />

in sehr starkem Maße die Gewalt gegen Polizisten zunimmt.<br />

Insofern: Freiwilligkeit be<strong>für</strong>worten wir, eine generelle Pflicht lehnen wir ab.<br />

Vorsitzende:<br />

Danke schön. - Frau Nonnemacher, bitte.<br />

Abgeordnete Nonnemacher (GRÜNE/B90):<br />

Danke schön, Frau Vorsitzende. - Ich habe mit wenig Erstaunen zur Kenntnis genommen,<br />

dass sich alle drei Vertreter unserer Polizeigewerkschaften bzw. Polizeiverbände<br />

gegen die Kennzeichnungspflicht ausgesprochen haben. Das, was mich jedoch<br />

berührt hat, ist <strong>der</strong> große Frust, <strong>der</strong> zum Teil aus Ihren Statements deutlich<br />

wird. Vor allem die Aussagen, man hätte kein Vertrauen in die Justiz, <strong>der</strong> Fö<strong>der</strong>alis-


<strong>Landtag</strong> Brandenburg P-AI 5/13-1 S. 37<br />

Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />

<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />

mus sei lächerlich und bei Brandenburgs Polizei gehe es nur um die Suche nach den<br />

Schuldigen, erschüttern mich.<br />

Herr Schuster, Sie haben Ihre Ablehnung mit dem informationellen Selbstbestimmungsrecht<br />

begründet. Haben Sie die Stellungnahme unserer Lan<strong>des</strong>beauftragten<br />

dazu gehört, die gesagt hat, es gebe keine Bedenken? - Auch <strong>der</strong> Herr Polizeipräsident<br />

Glietsch hat angemerkt, dass <strong>der</strong> Datenschutzbeauftragte im Land Berlin keinerlei<br />

Bedenken in dieser Form geäußert hat. Was sagen Sie dazu?<br />

Zudem sehen Sie bei <strong>der</strong> Kennzeichnungspflicht die Polizei einen beson<strong>der</strong>en Zwiespalt.<br />

Wie verhält es sich mit <strong>der</strong> Gefährdung, <strong>der</strong> unter an<strong>der</strong>em Richter, Staatsanwälte,<br />

Sozialarbeiter und Rettungsstellenpersonal ausgesetzt sind? - Diese Berufsstände<br />

haben ebenfalls mit einem zum Teil sehr schwierigen Klientel mit hohem<br />

Agressionspotenzial zu tun, weshalb die Wahrscheinlichkeit von Übergriffen nach<br />

meiner Beobachtung min<strong>des</strong>tens in dem Bereich liegt, <strong>der</strong> bei Polizeibeamten vorkommen<br />

kann - so sie denn belegt seien.<br />

Auch haben Sie häufiger die KFN-Studie aus Nie<strong>der</strong>sachsen zitiert, bei <strong>der</strong> es um<br />

den Themenkomplex „Gewalt gegen Polizei“ geht. Wird darin explizit darauf hingewiesen,<br />

dass durch eine Kennzeichnungspflicht die Gewalt zugenommen hat?<br />

Herr Schuster (Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei, Lan<strong>des</strong>bezirksvorsitzen<strong>der</strong>):<br />

Die KFN-Studie ist keine Untersuchung Nie<strong>der</strong>sachsens, son<strong>der</strong>n betrifft eine Untersuchung<br />

<strong>des</strong> Kriminologischen Instituts Nie<strong>der</strong>sachsens. Beteiligt waren daran die<br />

Län<strong>der</strong> Berlin, Brandenburg, Bremen, Nie<strong>der</strong>sachsen, Mecklenburg-Vorpommern,<br />

Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Saarland, Schleswig-Holstein und Thüringen. Nicht<br />

beteiligt haben sich einige CDU-regierte Län<strong>der</strong> aus politischen Gründen, was ich<br />

nicht weiter kommentieren möchte.<br />

Diese KFN-Studie ist nicht auf die Problematik „Kennzeichnungspflicht“ - das war<br />

auch nicht Untersuchungsauftrag - eingegangen, son<strong>der</strong>n auf das Phänomen <strong>der</strong> Zunahme<br />

<strong>der</strong> Gewalt gegen Polizei. Das wurde in den genannten Län<strong>der</strong>n in den vergangenen<br />

fünf Jahren untersucht. Auszugsweise habe ich aus einer Zusammenfassung<br />

von Herrn Prof. Pfeiffer entsprechende Zahlen genannt, die in unserer Stellungnahme<br />

nachlesbar sind.<br />

Zu Ihrer zweiten Frage ist Folgen<strong>des</strong> zu sagen: Sicherlich gibt es auch Gewaltpotenzial<br />

unter an<strong>der</strong>em gegenüber Richtern und Sozialarbeitern - das sehe ich auch so -,<br />

jedoch unterliegen diese Berufsstände keiner generellen Kennzeichnungspflicht.<br />

Ihre dritte Frage kann ich mit Ja beantworten. Natürlich habe ich die Ausführungen<br />

von Frau Hartge und Herrn Glietsch zur Kenntnis genommen, jedoch muss die Gewerkschaft<br />

<strong>der</strong> Polizei nicht in je<strong>der</strong> Beziehung mit diesen Aussagen übereinstimmen.<br />

Schließlich gibt es auch <strong>für</strong> Polizeivollzugsbeamte das Grundrecht auf informel-


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le Selbstbestimmung. Uns ist bekannt, dass es zulässige Ausnahmeregelungen gibt,<br />

und zwar dann, wenn ein öffentliches Interesse vorliegt, die Verhältnismäßigkeit gewahrt<br />

ist und <strong>der</strong> Kerngehalt <strong>des</strong> Grundrechtes weiter akzeptiert bleibt. Das öffentliche<br />

Interesse an den Namensschil<strong>der</strong>n konnte bisher noch niemand nachweisen.<br />

Solange es dieses nicht gibt, sind wir <strong>der</strong> Auffassung: Die Ausnahme ist nicht gerechtfertigt.<br />

- Das ist unsere Rechtsposition.<br />

Vorsitzende:<br />

Vielen Dank. - Herr Ziel, bitte.<br />

Abgeordneter Ziel (SPD):<br />

Die Polizisten als Repräsentanten <strong>des</strong> Staates genießen in <strong>der</strong> Bevölkerung eine<br />

sehr hohe Anerkennung. Ich glaube, in <strong>der</strong> langen Liste <strong>der</strong> Berufe liegt dieser Berufszweig<br />

ganz vorn. Insofern sehe ich es schon gern, dass wir im Hinterkopf behalten<br />

- wenn wir das Thema „Kennzeichnung“ diskutieren -, wie viel uns die Polizei in<br />

ihrer Arbeit wert ist. Natürlich hat sie unseren Schutz verdient. Dennoch möchten wir<br />

gern, dass die Polizei in <strong>der</strong> Bevölkerung bürgerfreundlich ankommt.<br />

Herr Schuster, in gewissen Bereichen <strong>der</strong> Polizei ist es gang und gäbe, seinen Namen<br />

deutlich zu nennen, seinen Dienstausweis zu zeigen o<strong>der</strong> die Visitenkarte auf<br />

den Tisch zu legen. Worin liegt <strong>für</strong> Sie <strong>der</strong> qualitative Unterschied zum Namensschild?<br />

Herr Schuster (Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei, Lan<strong>des</strong>bezirksvorsitzen<strong>der</strong>):<br />

Ich möchte Folgen<strong>des</strong> noch einmal kurz voranstellen, damit wir als Gewerkschaft <strong>der</strong><br />

Polizei nicht falsch verstanden werden: Wir sind gegen eine anonyme Polizei. Auch<br />

die Brandenburger Polizei ist in keiner Weise anonym. Ich habe sehr deutlich gesagt,<br />

dass sich im normalen täglichen Dienst je<strong>der</strong> Kollege vorstellt, sich ausweist und gegebenenfalls<br />

eine Visitenkarte übergibt, dass unsere Diensträume mit dem Namen<br />

<strong>des</strong> darin tätigen Beamten gekennzeichnet sind und unsere Revierpolizisten bekannt<br />

sind.<br />

Es bleiben nur diese Fälle übrig, wo <strong>der</strong> Kollege zu einem Einsatz gerufen wird und<br />

wo aufgrund <strong>des</strong> Gewaltpotenzials seines Gegenübers - ob verbale o<strong>der</strong> körperliche<br />

Gewalt - zu be<strong>für</strong>chten ist, dass dies Auswirkungen auf seine Persönlichkeitsrechte,<br />

gegebenenfalls sogar auf seine Familie hat. Wird eine generelle Kennzeichnungspflicht<br />

eingeführt, kann <strong>der</strong> Kollege nicht mehr entscheiden; dann trägt er den Namen.<br />

Das Gleiche betrifft die polizeilichen Großeinsätze, wo wir als Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei<br />

mit den Innenministern und Innensenatoren übereinstimmen, dass durch bestimmte<br />

Symbole und Kennzeichen die Polizeieinheiten so gekennzeichnet sind,


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dass man zumin<strong>des</strong>t bis auf die Polizeigruppe genau ermitteln kann, aus welchem<br />

Bereich welche polizeiliche Handlung vorgenommen wird. Dies ist nach unserer Auffassung<br />

ausreichend.<br />

Herr Franke (Deutsche Polizeigewerkschaft):<br />

Frau Vorsitzende, dürfte ich dazu noch etwas ergänzen?<br />

Vorsitzende:<br />

Natürlich dürfen Sie ergänzen, Sie dürfen sich zu Wort melden.<br />

Herr Franke (Deutsche Polizeigewerkschaft):<br />

Es wurde nach dem qualitativen Unterschied gefragt. Der qualitative Unterschied<br />

liegt aus meiner Sicht vor allem darin: Wenn <strong>der</strong> Geschäftsmann o<strong>der</strong> Sie als Politiker<br />

irgendwo auftreten und Ihren Namen nennen o<strong>der</strong> die Visitenkarte übergeben,<br />

wissen Sie stets, wem gegenüber Sie Ihren Namen preisgegeben haben.<br />

Wir sind auch gegen eine anonyme Polizei, aber wir möchten gern kontrollieren, wem<br />

wir diese Information geben. Wir möchten selbst wissen, wem wir das gegeben haben,<br />

und wir wollen nicht von jemandem überrascht werden, <strong>der</strong> aus irgendeiner Internetseite<br />

- weil wir dort auf irgendeinem Foto mit Namen zu sehen sind - unseren<br />

Namen kennt und uns damit mehr o<strong>der</strong> weniger überraschen kann. Es ist ein wesentlicher<br />

Unterschied, dass die Selbstbestimmung hier im Vor<strong>der</strong>grund steht, dass <strong>der</strong><br />

Beamte selbst bestimmt, wann er diese Information herausgibt und auch weiß, dass<br />

er diese Information herausgeben kann und sich später auch ganz bewusst daran erinnern<br />

kann.<br />

Die Datenschützerin hat aus meiner Sicht Recht, sie hat aber nur den Beamten an<br />

sich betrachtet und hat dabei vergessen, dass dieser Beamte, <strong>der</strong> nicht wie die Krankenschwester<br />

mit „Schwester Petra“ gekennzeichnet ist, bei <strong>der</strong> man maximal den<br />

Vornamen weiß, son<strong>der</strong>n die gesamte Familie <strong>des</strong> Beamten mit dem Namen preisgegeben<br />

wird. Das ist schon ein Eingriff in die informelle Selbstbestimmung, die über<br />

den jeweils handelnden Beamten hinausgeht, nämlich die gesamte Familie <strong>des</strong> Beamten<br />

betrifft und nicht nur ihn selbst.<br />

Herr Petke hat angesprochen, dass wir hier überzeichnen würden. Er kann mich gern<br />

begleiten und mal meine Schussweste aus dem Schrank nehmen und sehen, welches<br />

Herstellungsdatum darauf steht, wenn er meint, ich erzählte hier Geschichten.<br />

Das Fehlermanagement bei <strong>der</strong> Polizei - das mag Sie schockieren - ist unser tägliches<br />

Erleben. Es würde mich freuen, wenn man daranginge und daran etwas än<strong>der</strong>te.<br />

Das wären aber erst einmal Grundvoraussetzungen, bevor wir hier über solche<br />

Dinge diskutieren.


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Im Übrigen: Herr Petke hat viel gesagt, aber die Antwort auf die Tatsachen, die die<br />

Frau Kollegin angesprochen hat, ist er immer noch schuldig geblieben. Mir fehlen die<br />

tatsächlichen Anhaltspunkte da<strong>für</strong>: Warum muss jetzt eine Kennzeichnungspflicht<br />

her? Wenn man eine Kennzeichnungspflicht <strong>für</strong> Polizeibeamte braucht: Warum wird<br />

das nicht im Bund geregelt, wo wir doch jetzt gerade über die Bereitschaftspolizei in<br />

allen Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong>n tätig werden? Es wäre in meinen Augen völlig daneben, wenn<br />

je<strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>land eine eigene Regelung hat. Da werden unsere Einsatzbeamten aus<br />

den Hun<strong>der</strong>tschaften irgendwo schizophren, wenn sie sich auch noch darum kümmern<br />

müssten, vor jedem Einsatz zu eruieren: Wie ist das mit <strong>der</strong> Kennzeichnungspflicht,<br />

muss ich jetzt ein Namensschild tragen o<strong>der</strong> nicht, o<strong>der</strong> wie soll das alles ablaufen?<br />

Von daher ist es wie<strong>der</strong> irgendwo eine Beschäftigung mit einem Thema, das völlig<br />

ohne jede Notwendigkeit ist. Wir sollten lieber darüber diskutieren, ob wir nicht noch<br />

ein paar mehr Polizisten im Land behalten wollen. Immerhin kostete die Kennzeichnung<br />

das Land Hamburg über 70 000 Euro - ein Jahresgehalt <strong>für</strong> einen Beamten.<br />

Abgeordneter Dr. Scharfenberg (DIE LINKE):<br />

Ich möchte an die Ausführungen <strong>des</strong> Abgeordneten Ziel anknüpfen. Sie alle haben<br />

hier zum Ausdruck gebracht, dass Sie akzeptieren, dass Revierpolizisten namentlich<br />

bekannt sind. Viele Revierpolizisten sind so bekannt, dass viele Leute wissen, wo sie<br />

wohnen. Das ist eine Selbstverständlichkeit. Nun stellt sich mir die Frage: Wenn man<br />

das akzeptiert: Entsteht automatisch ein Wi<strong>der</strong>spruch zur restlichen Polizei? Denn<br />

man wird ja nicht ernsthaft unterstellen wollen, dass Revierpolizisten sozusagen<br />

Schön-Wetter-Polizisten sind, die nur mit dem Guten und Schönen zu tun haben,<br />

son<strong>der</strong>n sie kommen automatisch auch in Gefährdungssituationen. Das gehört bei einer<br />

ernsthaften Wahrnehmung dieser Aufgabe - ich gehe davon aus, dass das die<br />

meisten tun - dazu.<br />

Deswegen meine Frage: Gibt es aus Ihrer Sicht irgendwelche Ansatzpunkte da<strong>für</strong>,<br />

dass die namentliche Kennzeichnung <strong>der</strong> Revierpolizisten zu Gefährdungen führt?<br />

Es müsste meiner Meinung nach zumin<strong>des</strong>t erkennbar sein, wenn <strong>der</strong> Zusammenhang<br />

zwischen namentlicher Kennzeichnung und einer Gefährdung nachweisbar<br />

wäre. Mich würde interessieren, ob es irgendwelche Erfahrungen gibt.<br />

Zum Zweiten: Niemand wird in Abrede stellen, dass bei beson<strong>der</strong>s gefährlichen Einsätzen<br />

ein solcher Name von Nachteil sein kann. Es steht wie selbstverständlich im<br />

Raum, dass in diesem Moment die Dienstnummer getragen werden kann und damit<br />

<strong>der</strong> Rückschluss auf eine Familie, eine unmittelbare persönliche Identifizierung in diesem<br />

Sinn gar nicht möglich wäre. Vielleicht können Sie dazu auch noch mal etwas<br />

sagen.


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Frau Wölk (Bund Deutscher Kriminalbeamter, Polizeioberkommissarin):<br />

Ich möchte kurz zum Thema Revierpolizei Stellung nehmen. Hierzu müsste erst einmal<br />

die eindeutige Aufgabenbeschreibung <strong>der</strong> Revierpolizei klar sein. Aufgabe <strong>der</strong><br />

Revierpolizei ist es nicht, erstrangig auf Notrufe zu reagieren, son<strong>der</strong>n erst einmal in<br />

ihrem Revierpolizeibereich tätig zu sein, sich vom Bürger, <strong>der</strong> ein Problem hat, ansprechen<br />

zu lassen, auch mal eine Anzeige entgegenzunehmen, Revierpolizisten haben<br />

Sprechzeiten zu realisieren, wo Bürger mit Problemen hinkommen bzw. den Ansprechpartner<br />

Polizei suchen und wollen.<br />

Der Wach- und Wechseldienst hat diese Aufgabe nicht; er hat durchaus die Aufgabe,<br />

Anzeigen entgegenzunehmen, wird aber auch größtenteils zu Notsituationen gerufen,<br />

die über die Notrufwahl 110 unserer Leitstelle eingehen, und da ist nicht klar,<br />

was hinter diesem Notruf steckt. Es ist nicht klar: Was geht aus dem Familienstreit<br />

heraus? Oftmals sind es sogar nur die Nachbarn, die anrufen und sagen: Da und dort<br />

ist dieser Sachverhalt. Dann fährt die Streifenbesatzung dort hin, hat keine Ahnung,<br />

was sie erwartet und soll, bevor sie dort hineingeht, <strong>für</strong> sich entscheiden: Name o<strong>der</strong><br />

Nummer? Das geht nicht, weil - wie Herr Schuster schon argumentierte - die Situation<br />

innerhalb von Sekunden von freundlich zu aggressiv umschlagen kann, und das<br />

ist in keiner Weise vorhersehbar.<br />

Natürlich kann auch ein Revierpolizist in eine solche Situation kommen. Aber <strong>der</strong> Revierpolizist<br />

ist von seinem Grundauftrag her mit einer an<strong>der</strong>en Aufgabe befasst als<br />

<strong>der</strong> Streifendienst. Das sollte man dazu auch wissen.<br />

Herr Schuster (Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei, Lan<strong>des</strong>bezirksvorsitzen<strong>der</strong>):<br />

Ich möchte das, was meine Kollegin dazu gesagt hat, ausdrücklich unterstützen. Zur<br />

Definition „gefährlicher Einsatz“: Ob es ein gefährlicher Einsatz ist o<strong>der</strong> nicht, weiß<br />

man erst dann, wenn man fort ist. Die KFN-Studie hat klar belegt, dass ganz normale<br />

Verkehrskontrollen mit Geschwindigkeitsüberwachung schlagartig zu einem gefährlichen<br />

Einsatz werden können, indem unsere Kollegen beschimpft, bedroht werden<br />

o<strong>der</strong> sogar ein Fahrzeug auf sie zufährt. Das hat nun wenig mit Kennzeichnungspflicht<br />

zu tun, aber es bestehen beson<strong>der</strong>e Gefahrensituationen.<br />

Der Revierpolizist hat eine an<strong>der</strong>e Aufgabe. Um gleich zu belegen, Herr Petke, dass<br />

es konkrete Beispiele gibt: Ich habe gestern mit den Kollegen aus Jüterbog gesprochen,<br />

dort wurde eine Wache geschlossen. Es gab die Zusicherung seitens <strong>der</strong> Politik,<br />

dass die gleiche Absicherung durch den Wach- und Wechseldienst erfolgt wie<br />

vorher. Es kommt dort jetzt kein Wach- und Wechseldienst mehr vorbei, son<strong>der</strong>n die<br />

Revierpolizisten müssen jetzt die Aufgaben <strong>des</strong> WWD übernehmen. Dadurch entsteht<br />

auch in diesem Bereich ein ganz an<strong>der</strong>es Gefährdungspotenzial, als sie es vorher<br />

hatten, wo die Kollegen nämlich zu solchen Einsätzen gegangen sind, wie das


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die Kollegin eben erläutert hat. Auch da gibt es mittlerweile eine Verschiebung, sodass,<br />

wenn dieser Zustand so anhält, ich nicht glaube, dass bei den Revierpolizisten<br />

die Öffentlichkeit noch genauso gesehen wird wie bisher.<br />

Herr Franke (Deutsche Polizeigewerkschaft):<br />

Die Revierpolizei ist nicht in diesem Maße dem Videografieren und Fotografieren<br />

ausgesetzt. Unsere Einsatzhun<strong>der</strong>tschaften und auch <strong>der</strong> Wach- und Wechseldienst<br />

sind viel stärker betroffen, von Unbeteiligten irgendwo namentlich identifiziert zu werden<br />

als <strong>der</strong> Revierpolizist. Die Revierdienste beruhen auf Freiwilligkeit, niemand wird<br />

Revierpolizist, ohne sich freiwillig dazu gemeldet zu haben.<br />

Im Wach- und Wechseldienst sieht das an<strong>der</strong>s aus, dort fängt je<strong>der</strong> Beamte erst einmal<br />

an, er hat darauf keinen großartigen Einfluss. Das heißt, wer Revierpolizist wird,<br />

erklärt sich auch damit einverstanden, dass sein Name in einer öffentlichen Form genannt<br />

wird. Insofern ist es wirklich ein Unterschied qualitativer Art, ob man bei <strong>der</strong><br />

Revierpolizei o<strong>der</strong> im Wach- und Wechseldienst arbeitet und dort seinen Namen<br />

trägt.<br />

Soweit ich den Gesetzentwurf gelesen habe, ist darin nur von individueller Kennzeichnung<br />

durch Namen die Rede. Dass jetzt auch eine Kennzeichnung mittels<br />

Dienstnummer infrage kommt, ist mir neu. Von daher müsste man über diese Frage<br />

erst einmal neu nachdenken. So wie ich Sie bisher verstanden hatte, ging es darum,<br />

die Kollegen namentlich zu kennzeichnen.<br />

Abgeordneter Schippel (SPD):<br />

Von den Gewerkschaften wurde beeindruckend geschil<strong>der</strong>t, dass es Untersuchungen<br />

gibt, inwieweit es Übergriffe auf Polizisten gab. Ich frage mal umgekehrt: Ist Ihnen<br />

eine Untersuchung o<strong>der</strong> ein Anzahl von Übergriffen von Polizisten auf Bürger bekannt,<br />

die sich bei Demonstrationen entsprechend friedlich und entsprechend den<br />

Gesetzen verhalten? Gibt es eine solche Untersuchung?<br />

Vorsitzende:<br />

Möchte jemand darauf antworten?<br />

Herr Franke (Deutsche Polizeigewerkschaft):<br />

Ja, ich würde gern darauf antworten, und zwar dahingehend: Ich finde, dass wir die<br />

falschen Ansprechpartner sind. Diese Frage hätte Ihnen Herr Petke beantworten sollen.<br />

Das wären nämlich die Tatsachen gewesen, die uns auch interessiert hätten.<br />

Wenn Sie hier eine Untersuchung gehabt hätten, Herr Petke, aus <strong>der</strong> eindeutig hervorgeht,<br />

dass genau das ständig geschieht, dass Unschuldige verprügelt, eingesperrt<br />

werden, ohne dass Beamte identifiziert werden, dann hätte ich vollstes Verständnis


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<strong>für</strong> diesen Gesetzesvorstoß. Das sind die Tatsachen, die wir vermissen. Von daher<br />

finde ich Ihre Frage berechtigt, kann sie aber nicht beantworten.<br />

Vorsitzende:<br />

Ich glaube, im nächsten Block wird Frau Monika Lüke von Amnesty International<br />

dazu etwas sagen können. Gibt es Ihrerseits zu dieser Frage noch Redebedarf? -<br />

Dann möchte ich den nächsten Block eröffnen.<br />

Frau Dr. Heide Sandkuhl (Deutscher Anwaltverein, Vorsitzende <strong>des</strong> Gefahrenabwehrrechtsausschusses):<br />

Vielen Dank <strong>für</strong> Ihre Einladung. Mein Name ist Heide Sandkuhl, ich bin Rechtsanwältin<br />

aus Potsdam und ausschließlich im Bereich <strong>der</strong> Strafverteidigung als Strafverteidigerin<br />

tätig, habe also auch in <strong>der</strong> Praxis mit <strong>der</strong> einen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Verteidigung eines<br />

Polizisten o<strong>der</strong> als Nebenklägerin zu tun. In dieser Eigenschaft bin ich heute<br />

nicht bei Ihnen, son<strong>der</strong>n als Vorsitzende <strong>des</strong> <strong>Ausschusses</strong> <strong>für</strong> Gefahrenabwehrrecht<br />

<strong>des</strong> Deutschen Anwaltvereins. Der Deutsche Anwaltverein ist die freiwillige Vereinigung<br />

von Anwälten, <strong>der</strong> sich durch seine Ausschüsse immer wie<strong>der</strong> gern einmal in<br />

die Rechtspolitik einmischt und <strong>der</strong> Auffassung ist, dass er dies aufgrund seiner praktischen<br />

Erfahrungen tun sollte.<br />

Unsere Position ist seit Längerem bekannt: Wir begrüßen die Einführung <strong>der</strong> Kennzeichnungspflicht.<br />

Bevor ich Ihnen noch einmal kurz die Gründe, weshalb wir das<br />

tun, zusammentrage, gestatten Sie mir vier Vorbemerkungen.<br />

Erste Vorbemerkung: Ich nehme es sehr ernst, was die Vertreter <strong>der</strong> Gewerkschaft<br />

berichtet haben. Aber was mich sehr berührt: Ich habe das, ehrlich gesagt, als absolute<br />

Bankrotterklärung empfunden - Verhältnis Polizei - Dienstherr -, wenn das, wie<br />

Sie das schil<strong>der</strong>n, so zutreffen sollte.<br />

Zweite Vorbemerkung: Wenn wir uns auf die Ebene begeben, zur Begründung <strong>des</strong><br />

Erlasses eines Gesetzes uns über einzelne Fälle zu unterhalten, dann treten wir in<br />

folgen<strong>des</strong> Dilemma ein, was hier auch eindrucksvoll zutage getreten ist: Der Polizeipräsident<br />

in Berlin, Herr Glietsch, hat auf die Frage, welches die Bedenken gegen die<br />

Einführung <strong>der</strong> Kennzeichnungspflicht seien, gesagt, dass er das als Emotion, als<br />

Angst vor Repressalien sehe, er jedoch keine Fakten nennen könne, die diese Ängste<br />

belegen. So habe ich ihn verstanden.<br />

Soeben haben wir von vielen Fällen gehört, in denen Polizisten - so habe ich das verstanden,<br />

was Sie vorgetragen haben - regelrecht Ängste ausstehen müssen, dass ihnen<br />

Gefahren drohen, falls die Kennzeichnungspflicht eingeführt werden sollte.<br />

Umgekehrt - das ist hier schon angesprochen worden, und davon haben wir uns leiten<br />

lassen - gibt es Untersuchungen, so zum Beispiel eine von Amnesty Internatio-


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nal: den Deutschlandbericht. Ich gehe davon aus, dass Frau Lüke dazu gleich etwas<br />

sagen wird. Dann haben wir die Situation - weil wir gerade über Einzelfälle sprechen<br />

-: Einsätze bei Demonstrationen und Großveranstaltungen, wo Vorwürfe von<br />

rechtswidrigen Übergriffen <strong>der</strong> Polizei auf Einzelne laut werden und die fehlende<br />

Identifizierung dazu führt, dass die strafrechtliche Sanktion unterbleiben muss.<br />

Nun können wir Folgen<strong>des</strong> machen: Sie können die Fälle berichten, wir können sie<br />

berichten und können dann probieren, das in eine Waagschale zu bringen, Stichwort<br />

Rechtstatsachen. Das halte ich <strong>für</strong> ein bisschen schwierig und auch <strong>für</strong> gefährlich.<br />

Damit komme ich zur dritten Vorbemerkung. Seitens <strong>der</strong> Gewerkschaft wurde gesagt,<br />

sie sehe kein öffentliches Interesse, die Kennzeichnungspflicht gesetzlich zu regeln.<br />

Damit will ich auf unsere Begründung überleiten, warum wir uns da<strong>für</strong> aussprechen:<br />

Das öffentliche Interesse liegt doch wohl offenkundig darin, dass die individuelle<br />

Zurechenbarkeit staatlichen Handelns garantiert werden muss - gerade in dem Bereich,<br />

in dem wie im Polizeirecht ganz intensive, grundrechtsintensive Maßnahmen<br />

erfolgen. Die individuelle Zurechenbarkeit staatlichen Handelns ergibt sich nicht zuletzt<br />

aus Artikel 19 Absatz 4 Grundgesetz - Rechtsschutzgarantie. Erst die Identifizierung<br />

<strong>des</strong> einzelnen staatlichen Handelns macht es <strong>für</strong> die Bürgerinnen und Bürger<br />

möglich, effektiven Rechtsschutz zu beanspruchen. Kann ich staatliches Handeln<br />

nicht identifizieren, läuft mein Rechtsschutz leer.<br />

Die namentliche Kennzeichnung <strong>des</strong> Polizeibediensteten bedeutet aus unserer Sicht<br />

we<strong>der</strong> einen Missbrauchsverdacht gegen Polizisten noch eine Diskriminierung von<br />

Schutzpolizisten. Im Gegenteil: Staatliches Handeln ist nur so gut, wie es überwacht<br />

werden kann.<br />

Tragen<strong>des</strong> Prinzip eines demokratischen Rechtsstaates ist die Kontrollierbarkeit<br />

staatlicher Macht. Was ich traurig finde, ist, dass seitens <strong>der</strong> Gewerkschaft regelrecht<br />

eine Unsicherheit und eine Angst zum Ausdruck gekommen ist statt - was hier seitens<br />

<strong>der</strong> Politiker angesprochen worden ist - auch eines Bekennens zu ihrem Beruf.<br />

Damit meine ich eine offene, transparente Gesellschaft. Sie schütteln mit dem Kopf -<br />

aber es hat doch auch etwas mit Kultur zu tun. Ihre Auffassung birgt das Risiko, dass<br />

wir in retardierte Zeiten zurückfallen. Polizei ist doch heute ein Teil <strong>der</strong> Gesellschaft,<br />

<strong>der</strong> positiv angenommen werden sollte, und dazu gehört auch, dass <strong>der</strong> Polizist das<br />

Selbstbewusstsein hat, sich namentlich zu nennen. Bedrohungssituationen - verstehen<br />

Sie mich nicht falsch -: In <strong>der</strong> Justiz müssen sie dies vielerorts ertragen, manchmal<br />

auch die Verteidigung.<br />

Ich nehme das, was Sie sagen, absolut ernst. Es gibt ja diese Diskussion. Aber wenn<br />

ich mir den Gesetzentwurf anschaue, stelle ich fest: Er hat diese Tatsache erkannt<br />

und dadurch aufgefangen, dass er von einem Grundsatz spricht, nämlich die Kennzeichnung<br />

und die Fälle <strong>für</strong> Ausnahmen zulässt.


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Selbstverständlich gibt es Fälle - Frau Hartge hat Sie genannt - bei <strong>der</strong> verdeckten<br />

Ermittlung; da wird niemand auf die Idee kommen, jemanden mit einem Namensschild<br />

loszuschicken. Ich meine: Der uns vorliegende Gesetzentwurf bietet die Möglichkeit,<br />

den Schutz, den Sie zu Recht verlangen, <strong>für</strong> die entscheidenden sensiblen<br />

Situationen dadurch zu schaffen, dass Ausnahmen begründet werden und zum Beispiel<br />

nicht <strong>der</strong> Name, son<strong>der</strong>n eine Nummer eingeführt wird.<br />

Hiermit korrespondiert <strong>der</strong> Europäische Kodex <strong>für</strong> Polizeiethik <strong>des</strong> Europarates, dem<br />

sich Deutschland verpflichtet hat. Dieser spricht sich ebenso unter Berufung auf die<br />

polizeiliche Rechenschaftspflicht <strong>für</strong> die Kennzeichnung <strong>der</strong> amtlichen Identität aus.<br />

Gestatten Sie mir noch kurz einen Rechtsvergleich. Wir haben uns in unserem Ausschuss<br />

die Mühe gemacht, zu schauen, wie es in den an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n aussieht. In<br />

den USA gibt es 1975 die Kennzeichnungspflicht. Dort gab es entsprechende Untersuchungen,<br />

die zu dem Ergebnis geführt haben: keine gesteigerten Gefahren <strong>für</strong> die<br />

einzelnen Polizisten; im Gegenteil: positive Auswirkung auf das Zusammenwachsen<br />

von Bürgern und Polizei. Diese Untersuchungen hat man in New York, Detroit und<br />

Los Angeles durchgeführt; gerade die Behörde von Los Angeles sah es als erwiesen<br />

an - ich zitiere -, dass die positive Einstellung <strong>der</strong> Bürger zur Polizei verstärkt wurde.<br />

Australien, Spanien, Mexiko arbeiten mit Identifikationsnummern, so auch Puerto<br />

Rico. Interessant fand ich Kolumbien, Kolumbien würde ich, was die innere Sicherheit<br />

angeht, nicht gerade mit Brandenburg vergleichen. Wenn ich mir dann aber vor<br />

Augen halte: In Kolumbien tragen Polizisten eine Identifikationsnummer, den Namen,<br />

den Dienstgrad und das Datum <strong>der</strong> letzten Beför<strong>der</strong>ung. In Guatemala tragen die Polizisten<br />

ihren Namen und ihre Dienstbezeichnung. In Kanada und <strong>der</strong> Schweiz muss<br />

eine Identifikation erst auf Nachfrage erfolgen.<br />

Nicht zuletzt noch <strong>der</strong> Hinweis und damit auch eine Anregung, eine Konsequenz daraus<br />

zu ziehen: In United Kingdom trägt man entsprechende Nummern, zur Identifizierung<br />

auch leicht erkennbar. Nun hatte sich dort Folgen<strong>des</strong> zugetragen: Während <strong>der</strong><br />

Demonstrationen im Zusammenhang mit dem G 20-Gipfel 2009 gab es Polizisten,<br />

die ihre Kennzeichnung verdeckt haben, entwe<strong>der</strong> dadurch, dass sie eine Schutzweste<br />

über dieser Kennzeichnung getragen haben, o<strong>der</strong>: Es soll solche Polizisten<br />

gegeben haben, die mit einem kleinen Feuerlöscher, <strong>der</strong> in die oberste Tasche gesteckt<br />

wurde, die Kennzeichnung verdeckten. Im Rahmen dieser Demonstrationen<br />

kam es zum Tod eines Zeitungsverkäufers. Es wurde ermittelt. Angeblich sollen Polizisten<br />

einer Elitegruppe involviert gewesen sein, jedoch ihre Nummern verdeckt haben.<br />

Das führte dann in United Kingdom zu heftigen Diskussionen über die Kennzeichnung<br />

und darüber, wie damit umgegangen werden soll. Die Kritik, die an dem<br />

Polizeichef laut wurde, war, man habe nur Verantwortlichen auf die Finger geschaut,<br />

ansonsten sei nichts passiert. Es wurde plötzlich zum Bumerang, und die Polizei wurde<br />

heftigst kritisiert.


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Die oberste Aufsichtsbehörde <strong>der</strong> Polizei hat dann als Konsequenz aus diesen Ereignissen<br />

Folgen<strong>des</strong> getan: Um das Entfernen und Verdecken <strong>der</strong> Identifikationsnummern<br />

zu verhin<strong>der</strong>n, hat Scotland Yard Anfang 2010 bestickte Schulterklappen, die<br />

nicht mehr abgenommen werden können, eingeführt. Das ist auch so ein eindrucksvoller<br />

Fall, an dem man eines deutlich machen kann: Die Beobachtung aus <strong>der</strong> Praxis.<br />

Ich durfte einmal einen Polizisten verteidigen, <strong>der</strong> in den Verdacht <strong>der</strong> Körperverletzung<br />

geraten war. Der Polizist bestritt die Tat. Herr Glietsch, <strong>der</strong> Polizeipräsident in<br />

Berlin, hatte schon angesprochen: Großeinsätze werden häufig mit Videos, Kameras<br />

verfolgt, auch von Privaten, und dann ins Netz gestellt. Die Ermittler nahmen Zugriff<br />

auf diese Aufzeichnungen, Videoaufnahmen, die zum Teil unklar waren, auch in <strong>der</strong><br />

Bildbeschaffenheit. Was sich nachher herausstellte, warum mein Mandant, <strong>der</strong> Polizist,<br />

in diese Ermittlung hineingeraten war: Ein Ermittler meinte, eine gewisse Ähnlichkeit<br />

festgestellt zu haben.<br />

Wäre es seinerzeit möglich gewesen, anhand bestimmter Merkmale den Polizisten<br />

zu identifizieren, wäre gegen meinen Mandanten überhaupt kein Ermittlungsverfahren<br />

eingeleitet worden, weil klar gewesen wäre, dass er es nicht ist. Bezogen auf den<br />

England-Fall hätte man hier die Möglichkeit gehabt. Wären diese Nummern nicht verdeckt<br />

worden, wäre die Polizei nicht in dem Maße angegangen worden, wie das in<br />

den Zeitungen diskutiert worden ist.<br />

Aus diesen Überlegungen, die ich darzustellen versucht habe - ich sehe davon ab, im<br />

Einzelnen auf Ihre rechtliche Position einzugehen, die ich <strong>für</strong> nicht haltbar ansehe -,<br />

möchte ich sagen: Auch Ihr Hinweis auf Artikel 2 reicht überhaupt nicht. Das Grundrecht<br />

verschafft keinem Polizisten ein Recht, sich nicht kennzeichnen zu müssen. Im<br />

Gegenteil: Artikel 2 wird eingeschränkt durch die allgemeinen Gesetze (Stellungnahme,<br />

Anlage 9).<br />

Frau Lüke (Generalsekretärin Amnesty International):<br />

Ich kann mich in weiten Teilen den Ausführungen von Frau Dr. Sandkuhl anschließen.<br />

Amnesty International arbeitet seit über 15 Jahren am Thema Polizei in<br />

Deutschland sowohl bezüglich <strong>der</strong> Rechte als auch <strong>der</strong> Rechtsverpflichtungen <strong>der</strong><br />

Polizistinnen und Polizisten. Wir tun das, weil die Polizei nach dem Grundgesetz eine<br />

wichtige Rolle <strong>für</strong> den Schutz <strong>der</strong> Menschenrechte in Deutschland spielt. Die Polizei<br />

gehört zu den wenigen Institutionen, denen das Tragen und Nutzen von Waffen erlaubt<br />

ist, was eine beson<strong>der</strong>e Verantwortung mit sich bringt. In diesem Zusammenhang<br />

ist die Kennzeichnungspflicht zu sehen. Diese beson<strong>der</strong>e Macht und zugleich<br />

Verantwortung erfor<strong>der</strong>t aber auch in einem beson<strong>der</strong>en Maße Transparenz und<br />

Kontrolle, und dazu dient die Kennzeichnungspflicht.<br />

Auch ich will nicht im Einzelnen auf die rechtlichen Konsequenzen eingehen. Diese<br />

beson<strong>der</strong>e Macht und Verantwortung - man nennt sie auch ein „beson<strong>der</strong>es Gewaltverhältnis“<br />

- führt dazu, dass die grundrechtlichen Erörterungen, die Herr Schuster<br />

uns vortrug, vielleicht nicht in allen Schattierungen richtig sind. Es gibt tatsächlich


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gute Gründe, die Grundrechte <strong>der</strong> Polizistinnen und Polizisten durch ein Gesetz einzuschränken.<br />

Die Kennzeichnungspflicht würde nach Vorschlag <strong>der</strong> brandenburgischen<br />

CDU mit einem solchen Gesetz festgelegt.<br />

Es gibt gute Gründe im rechtlichen und auch im funktionellen Bereich. Es gibt gute<br />

Gründe im rechtlichen Bereich, die im Grundgesetz und auch in <strong>der</strong> Europäischen<br />

Menschenrechtskonvention festgeschrieben sind. Das Grundgesetz for<strong>der</strong>t, dass je<strong>der</strong>,<br />

jede immer dann, wenn die Behauptung besteht, in den eigenen Rechten verletzt<br />

zu sein, die Möglichkeit haben muss, dass dem durch ein Ermittlungsverfahren<br />

nachgegangen wird, und wenn dieses Ermittlungsverfahren zu substantiellen Ergebnissen<br />

führt, auch durch ein Gerichtsverfahren.<br />

Eine ähnliche Regelung gibt es auf Europäischer Ebene in <strong>der</strong> Menschenrechtskonvention.<br />

Hier liegt das Problem: Wenn Rechtsverletzungen behauptet werden, wenn<br />

behauptet wird, dass die Polizei ihre Rechte überschritten hat, unzulässig Gewalt<br />

ausgeübt hat, sind Ermittlungen <strong>der</strong>zeit in <strong>der</strong> Regel nicht möglich, denn <strong>der</strong> Polizist<br />

o<strong>der</strong> die Polizistin ist nicht zu identifizieren. Es fehlt also an Transparenz. Hierzu würde<br />

eine Kennzeichnungspflicht beitragen, und sie würde auch dazu dienen, das Vertrauen<br />

<strong>der</strong> Bürger in die Polizei, das <strong>der</strong>zeit in hohem Maße besteht - das sagt im<br />

Übrigen auch die Pfeiffer-Studie -, noch zu stärken, und würde gleichermaßen die<br />

Polizistin, den Polizisten vor ungerechtfertigten Vorwürfen schützen. Jetzt wird im<br />

Zweifel eine ganze Diensteinheit behelligt. Wenn aber <strong>der</strong> Polizist o<strong>der</strong> die Polizistin<br />

klar gekennzeichnet ist - sei es durch Namen, sei es durch Nummern -, ist es möglich,<br />

direkt Denjenigen, Diejenige in die Verantwortung zu nehmen und dadurch die<br />

an<strong>der</strong>en vor ungerechtfertigten Vorwürfen zu schützen.<br />

Zugleich erhöht sich auch präventiv die Verantwortung <strong>der</strong> Polizistinnen und Polizisten,<br />

weil sie wissen, sie sind erkennbar. Deswegen ist bei den einzelnen Polizeieingriffen<br />

größere Vorsicht erkennbar. Gleichzeitig trägt es zur Deeskalation bei, weil die<br />

Bürger bei Demonstrationen, bei Veranstaltungen, aber auch bei Vorfällen im Familienbereich<br />

ein Gegenüber sehen. Sie sehen nicht anonym die Polizei, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong><br />

Polizist/die Polizistin wird individualisiert und dadurch zum Partner, zum Gegenüber.<br />

Das trägt nachgewiesenermaßen zur Deeskalation bei.<br />

Die Kennzeichnung von Polizisten ist also aus vielen Gründen geboten. Sie steigert<br />

das Vertrauen <strong>der</strong> Bevölkerung in die Polizei. Sie stärkt die Verantwortung <strong>der</strong> Polizisten.<br />

Sie stärkt die Transparenz <strong>der</strong> Polizisten. Sie sorgt <strong>für</strong> eine Fehlerkultur, und<br />

sie verhin<strong>der</strong>t rechtswidriges Verhalten bzw. trägt zu <strong>des</strong>sen Aufklärung bei.<br />

An<strong>der</strong>e europäische Län<strong>der</strong> haben es uns vorgemacht. Ergänzend nenne ich noch<br />

Spanien. In Spanien wird die Guardia Civil gekennzeichnet.<br />

Zuletzt noch, ohne auf alle Einzelheiten einzugehen, zu <strong>der</strong> Studie <strong>des</strong> kriminologischen<br />

Forschungsinstituts in Hannover: Ja, es gibt einen Anstieg von Gewalt gegen<br />

Polizisten. Der Gewaltanstieg ist allerdings maßgeblich in Fällen im Familienzusam-


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menhang nachgewiesen und in Fällen unter Alkoholeinfluss, zugegebenermaßen<br />

auch bei Demonstrationen. Das sind ganz klar die Situationen. Prof. Pfeiffer hat auch<br />

nachgewiesen, dass dieser Gewaltanstieg nicht alle Polizistinnen und Polizisten trifft,<br />

son<strong>der</strong>n erstaunlicherweise häufig gegenüber männlichen Polizisten nachzuvollziehen<br />

ist, und auch da gibt es Differenzierungen: bei großen männlichen Polizisten.<br />

(Heiterkeit)<br />

Nein, tatsächlich. Es ist nicht generell ein Gewaltanstieg zu verzeichnen. Prof. Pfeiffer<br />

sieht da auch gewisse Zusammenhänge.<br />

Es bleibt das Problem bei Demonstrationen. Das passt in diesen Kontext. Es nimmt<br />

die Bedenken von Andreas Schuster auf. Allerdings sprechen auch hier die Erfahrungen<br />

<strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> Berlin. Spezialeinheiten und Son<strong>der</strong>einsatzkommandos sind seit<br />

Sommer 2008 gekennzeichnet, und es gibt dort keine negativen Erfahrungen.<br />

Zusammenfassend: Es gibt viele gesetzliche und strukturelle Gründe da<strong>für</strong>, die Polizei<br />

zu kennzeichnen. Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen von <strong>der</strong> Polizei, ein bisschen<br />

mehr Vertrauen zu haben. Die Sorgen sind berechtigt. Die Polizei erfüllt eine<br />

schwierige Aufgabe. Aber die Erfahrungen zeigen, namentlich <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> Berlin,<br />

aber auch <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en europäischen Län<strong>der</strong>, dass eine Kennzeichnung nicht zu zusätzlichen<br />

Bedrohungen und Angriffen gegen die Polizei führt. - Vielen Dank (Stellungnahme,<br />

Anlage 10).<br />

Frau Heinrich (Humanistische Union <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>verban<strong>des</strong> Berlin-Brandenburg,<br />

Geschäftsführerin):<br />

Es wurden schon sehr viele Punkte genannt, ich möchte nicht alles wie<strong>der</strong>holen. Wir<br />

sind <strong>für</strong> eine Polizeikennzeichnung. Deswegen begrüßen wir den Vorstoß, den die<br />

CDU unternommen hat, sehr stark.<br />

Es sprechen viele Gründe <strong>für</strong> die Kennzeichnung. Es wurden genannt Serviceorientierung,<br />

<strong>der</strong> Rechtsstaat, die Überprüfbarkeit <strong>der</strong> Rechtmäßigkeit polizeilichen Handels,<br />

effektiver Rechtsschutz. Es ist in unseren Augen auch kein Misstrauensvotum<br />

gegenüber <strong>der</strong> Polizei, die Rechtmäßigkeit <strong>der</strong> einzelnen Maßnahmen zu überprüfen;<br />

denn es ist eine Selbstverständlichkeit in einem demokratischen Rechtsstaat, dass<br />

eine Kontrolle stattfindet.<br />

Unser Rechtsstaat baut auf Kontrollmechanismen auf. Sie sind ein Grundpfeiler <strong>des</strong><br />

Rechtsstaates. Ich erinnere an die Gewaltenteilung. Wir haben heute schon Fö<strong>der</strong>alismus<br />

gehört. Man kann auch ganz viele an<strong>der</strong>e Dinge nennen. Das sind alles Mechanismen,<br />

die darauf aufbauen, dass Kontrolle stattfindet.<br />

Ein Rechtsstaat funktioniert nicht mit blindem Vertrauen. Es ist ein sensibles System.<br />

Da wird Hoheitsgewalt ausgeübt, die auch übertragen ist vom Bürger, vom Volk. Das


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Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />

<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />

ist kein Eigeninteresse. Je<strong>der</strong> Richter fällt sein Urteil im Namen <strong>des</strong> Volkes. Auch <strong>der</strong><br />

einzelne Polizist handelt bei je<strong>der</strong> Maßnahme, die er vornimmt, ob er ein Auto abschleppen<br />

lässt, ob er jemanden festnimmt etc., im Namen <strong>des</strong> Volkes. Der Bürger<br />

muss überprüfen können: Was hat er eigentlich in meinem Namen gemacht?<br />

Es gibt einige Punkte, die <strong>für</strong> eine Kennzeichnung sprechen. Einen möchte ich noch<br />

hervorheben, das ist die Prävention. Ich möchte ihn <strong>des</strong>wegen hervorheben, weil gerade<br />

die Prävention ein Beispiel da<strong>für</strong> ist, dass die Kennzeichnung im Interesse aller<br />

Beteiligten liegt. Ich habe das Gefühl, dass das hier noch nicht richtig gewürdigt wurde.<br />

Die Polizeikennzeichnung liegt im Interesse <strong>der</strong> Bürger, die Rechtmäßigkeit polizeilichen<br />

Handelns kann überprüft werden, aber sie ist auch im Interesse <strong>der</strong> einzelnen<br />

Polizistinnen und Polizisten; denn Prävention ist auch in ihrem Interesse.<br />

Die präventive Wirkung kann auf verschiedenen Ebenen wirken, zum einen dadurch,<br />

dass Bürgernähe geschaffen wird. Das ist auch <strong>der</strong> Aspekt, <strong>der</strong> im Gesetzentwurf<br />

ganz beson<strong>der</strong>s hervorgehoben wird. Bürgernähe hat einen deeskalierenden Charakter.<br />

Bürgernähe ist die Strategie, die die Polizei in ihren Einsätzen ohnehin verfolgt,<br />

um zu deeskalieren, um einer Eskalation vorzubeugen. Dazu trägt eine Kennzeichnung<br />

bei. Sie überwindet die Anonymität und passt auch in das Konzept, das<br />

die Polizei bisher fährt.<br />

Zum an<strong>der</strong>en wird auch <strong>der</strong> einzelne Polizist angehalten sein, eigenes Handeln zu<br />

reflektieren, sich selbst zu überprüfen, ob er die nötige Professionalität an den Tag<br />

legt. Auch das wirkt präventiv. Herr Glietsch hat gesagt, Angriffe gegen Polizisten<br />

richten sich in <strong>der</strong> Regel nicht gegen die Person <strong>des</strong> Polizisten, son<strong>der</strong>n gegen den<br />

Repräsentanten <strong>des</strong> Staates. Die Kennzeichnung kann diese Anonymität aufheben,<br />

kann die Aufmerksamkeit <strong>des</strong> Bürgers darauf lenken, dass auch hinter <strong>der</strong> Uniform,<br />

auch hinter einer Schutzkleidung, einem Helm, wo man vielleicht das Gesicht gar<br />

nicht sieht, eine Persönlichkeit ist, und kann den Bürger zu einem üblichen und<br />

freundlichen Verhalten aufrufen.<br />

Ein vierter sehr wichtiger Aspekt, warum die Kennzeichnung präventiv wirken kann,<br />

ist, dass dadurch Ursachenforschung betrieben werden kann. Denn Ursachenforschung<br />

kann man nur dann betreiben, wenn man sich die Altfälle, da, wo etwas<br />

schiefgelaufen ist, anguckt und herausfindet: Was war da eigentlich falsch? Was ist<br />

da nicht richtig gelaufen?<br />

Wir von <strong>der</strong> Humanistischen Union sind sehr davon überzeugt - das belegen auch<br />

verschiedene Studien, das hat auch <strong>der</strong> Parlamentarische Untersuchungsausschuss<br />

in Hamburg in den 90er Jahren festgestellt -, dass das Fehlverhalten von Polizeibeamten<br />

in den allermeisten Fällen nicht darauf beruht, dass sich ein sogenanntes<br />

schwarzes Schaf in den Reihen <strong>der</strong> Polizisten befindet, son<strong>der</strong>n dass die situative<br />

Bedingung einen Beamten dazu bringen kann, den rechtlichen Rahmen nicht einzuhalten,<br />

beispielsweise, wenn er überlastet o<strong>der</strong> überfor<strong>der</strong>t ist. Ich glaube, gerade<br />

weil darin die Ursachen von Fehlverhalten liegen, muss man Fehlverhalten aufklären


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können - natürlich auch aufgrund <strong>des</strong> effektiven Rechts und aufgrund <strong>der</strong> Grundrechte<br />

-, um daraus zu lernen, um die Situation und die Arbeitsbedingungen <strong>für</strong> die Polizeibeamten<br />

vielleicht zukünftig zu verbessern.<br />

Ich sehe auch ein Interesse <strong>der</strong> Polizeivertreter, Fehlverhalten, das in <strong>der</strong> Vergangenheit<br />

aufgetreten ist, aufzuklären, die Arbeitsbedingungen zu verbessern und die<br />

Polizisten in die Situation zu bringen, dass sie die an sie gestellten Anfor<strong>der</strong>ungen -<br />

und die sind schwierig - erfüllen können. Das gehört nach meiner Ansicht zur Fürsorgepflicht<br />

<strong>des</strong> Dienstherrn.<br />

Ich will es bei diesen Argumenten <strong>für</strong> die Kennzeichnung belassen und auf die Details<br />

eingehen. Wir haben die Frage <strong>der</strong> Ausnahmen, wann sollte man eine Ausnahme<br />

von <strong>der</strong> Kennzeichnung vorsehen. Es gibt zwei Ebenen <strong>der</strong> Ausnahmen. Zum<br />

einen hat man die Möglichkeit, von jeglicher Kennzeichnung abzusehen. Die an<strong>der</strong>e<br />

Möglichkeit ist, statt <strong>der</strong> Namenskennzeichnung - die sieht <strong>der</strong> jetzige Gesetzentwurf<br />

vor -, eine Nummernkennzeichnung zu wählen. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass<br />

dann ein kompletter Verzicht auf eine Kennzeichnung erfolgen soll, wenn <strong>der</strong> Zweck<br />

<strong>der</strong> Maßnahme beeinträchtigt wird. Diese Formulierung wurde aus dem jetzigen § 9<br />

<strong>des</strong> Brandenburgischen Polizeigesetzes übernommen. Sie scheint mir aber in Bezug<br />

auf die Polizeikennzeichnung gar nicht so passend zu sein.<br />

Natürlich kann die Legitimationspflicht, wo <strong>der</strong> Beamte dazu verpflichtet wird, seine<br />

Dienstkarte auszuhändigen, im Wi<strong>der</strong>spruch zu seiner sonstigen Aufgabe stehen,<br />

eine polizeiliche Maßnahme vorzunehmen. Das heißt, ein Polizeibeamter kann<br />

schlecht zwei Dinge auf einmal machen: denjenigen festnehmen, <strong>der</strong> festgenommen<br />

werden muss, o<strong>der</strong> die Dienstkarte zeigen. Da kann ein Konflikt bestehen. Diesen<br />

Konflikt sehe ich bei <strong>der</strong> Kennzeichnung nicht in dem Maße. Ich denke, es sind ganz<br />

wenige Fälle, bei denen <strong>der</strong> Zweck <strong>der</strong> Maßnahme durch eine Kennzeichnung beeinträchtigt<br />

o<strong>der</strong> vereitelt wird. Das wären zum Beispiel die verdeckten Ermittler. Deswegen<br />

sind wir von <strong>der</strong> Humanistischen Union sehr da<strong>für</strong>, diese doch sehr weit gefasste<br />

Ausnahme, dass <strong>der</strong> Zweck <strong>der</strong> Maßnahme beeinträchtigt wird, einzuschränken, weil<br />

wir hier eher Tür und Tor geöffnet sehen, dass das bestehende Anliegen, eine Kennzeichnung<br />

einzuführen, in <strong>der</strong> Praxis durch diesen sehr weit gefassten Tatbestand<br />

ausgehöhlt wird. Ein Vorschlag von unserer Seite wäre - das ist meines Erachtens<br />

nicht die beste Variante -, zumin<strong>des</strong>t zu sagen: Der Zweck muss vereitelt sein. Was<br />

ich aber viel besser finde - zwei Varianten -, ist, entwe<strong>der</strong> die Personen konkret auszunehmen,<br />

die verdeckten Ermittler zum Beispiel, o<strong>der</strong> - so ist es in <strong>der</strong> Dienstanweisung<br />

in Berlin und im Gesetzentwurf in Hamburg und in Schleswig-Holstein - gar keine<br />

komplette Ausnahme vorzusehen, son<strong>der</strong>n den Adressatenkreis <strong>der</strong>jenigen, die<br />

eine Namenskennzeichnung tragen sollen, direkt auf die uniformierte Polizei zu beschränkt.<br />

Das macht Sinn; dann braucht man meines Erachtens nicht mehr diesen<br />

weiten Ausnahmetatbestand, <strong>der</strong> sich hier wirklich auf jegliche Kennzeichnung bezieht,<br />

also wann gar keine Kennzeichnung vorgenommen werden soll. Ich glaube,<br />

das öffnet dem Missbrauch die Tür.


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Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />

<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />

Dann zu <strong>der</strong> zweiten Möglichkeit, eine Ausnahme vorzusehen, nämlich statt <strong>der</strong> namentlichen<br />

Kennzeichnung eine alternative Kennzeichnung zu wählen. Ob das eine<br />

Nummer ist, eine Buchstaben-Nummern-Kombination, Alias-Namen, da gibt es verschiedene<br />

Möglichkeiten. Der Gesetzentwurf sieht vor, die geschlossenen Einheiten<br />

mit einer Nummer zu kennzeichnen. Ich habe Gründe genannt, warum ich die präventive<br />

Wirkung <strong>der</strong> Kennzeichnung beson<strong>der</strong>s hervorgehoben habe. Das hatte noch<br />

einen an<strong>der</strong>en Grund. Ich finde nämlich, dass diese präventive Wirkung gerade bei<br />

den geschlossenen Einheiten von großer Bedeutung ist. Denn gerade hier kommt es<br />

auf den Dialog an, gerade hier muss Kommunikation möglich sein, und gerade hier<br />

wird diese Strategie <strong>der</strong> Bürgernähe, <strong>der</strong> Deeskalation verfolgt. Deswegen, glaube<br />

ich, ist hier <strong>der</strong> Ansatzpunkt, dass man bei den geschlossenen Einheiten von <strong>der</strong> namentlichen<br />

Kennzeichnung absieht, vielleicht nicht so ganz <strong>der</strong> richtige. Unser Vorschlag<br />

wäre, auf eine Gefahr abzustellen, ob <strong>für</strong> den Beamten eine Gefahr besteht,<br />

und dann eine Nummernkennzeichnung zu wählen.<br />

Ich komme zur Frage Dienstanweisung o<strong>der</strong> Gesetz, die ich eigentlich nicht aufzugreifen<br />

geplant hatte. Es wurden verschiedene Aspekte <strong>für</strong> das eine o<strong>der</strong> das an<strong>der</strong>e<br />

benannt. Herr Glietsch meinte, es spreche <strong>für</strong> die Dienstanweisung, dass man die<br />

Möglichkeit habe, innerhalb <strong>der</strong> Polizei <strong>für</strong> die Kennzeichnung zu werben. Ich vertrete<br />

den Lan<strong>des</strong>verband Berlin-Brandenburg. Wir haben das natürlich auch in Berlin verfolgt.<br />

Ich hatte nicht das Gefühl, dass man dort die Polizisten überzeugen konnte;<br />

das trifft zumin<strong>des</strong>t auf diejenigen zu, mit denen wir gesprochen haben. Wir haben -<br />

im Gegenteil - eher die For<strong>der</strong>ung gehört, das Parlament solle das regeln. Die Personalvertreter<br />

haben uns die ausdrückliche Auffor<strong>der</strong>ung entgegengebracht: Warum<br />

eine Dienstanweisung? Wenn die Politik das tatsächlich will, dann soll das Parlament<br />

das regeln.<br />

Ein Defizit bei <strong>der</strong> Dienstanweisung - die Verwaltungswissenschaftler o<strong>der</strong> Rechtswissenschaftler<br />

müssten einmal prüfen, ob das so stimmt, was ich sage - ist Folgen<strong>des</strong>:<br />

Polizeikräfte, die aus an<strong>der</strong>en Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong>n kommen und im Wege <strong>der</strong> Amtshilfe<br />

tätig werden, sind nicht von <strong>der</strong> Dienstanweisung erfasst - das ist klar -, aber sie<br />

sind meines Erachtens vom Polizeigesetz Brandenburg erfasst. Es gibt ein Verwaltungsabkommen<br />

zwischen Brandenburg und verschiedenen an<strong>der</strong>en Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong>n,<br />

das die Amtshilfe durch Polizeikräfte regelt. Darin steht, dass das Dienstrecht <strong>des</strong><br />

entsendenden Bun<strong>des</strong>lan<strong>des</strong> und das Polizeirecht <strong>des</strong> anfor<strong>der</strong>nden Bun<strong>des</strong>lan<strong>des</strong><br />

gilt. Wenn ich das richtig interpretiere, müssten die Dienstkräfte aus den an<strong>der</strong>en<br />

Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong>n somit in die Nummernkennzeichnung einbezogen werden. Das sehe<br />

ich als großen Vorteil und nicht etwa als Nachteil. Die Sorge, dass dem Land Brandenburg<br />

dann keine Polizisten mehr gestellt würden, teile ich nicht. Es klang ein wenig<br />

so, als würde das Land Brandenburg ein Verbrechen an den Polizisten aus den<br />

an<strong>der</strong>en Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong>n verüben. Dabei werden sie einfach in eine rechtstaatliche<br />

Selbstverständlichkeit einbezogen. Darauf kann sich wohl kein an<strong>der</strong>es Bun<strong>des</strong>land<br />

berufen und sagen: Wir leisten keine Amtshilfe mehr. - Im Übrigen ist die Amtshilfe<br />

auch im Grundgesetz festgehalten, es bestehen also Verpflichtungen; da kann ich<br />

den einen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en beruhigen (Stellungnahme, Anlage 11).


<strong>Landtag</strong> Brandenburg P-AI 5/13-1 S. 52<br />

Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />

<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />

Vorsitzende:<br />

Es besteht die Gelegenheit, Fragen zu stellen. Frau Nonnemacher, bitte.<br />

Abgeordnete Nonnemacher (GRÜNE/B90):<br />

Eine Frage richtet sich an Frau Lüke von Amnesty International und eine Frage an<br />

beide Damen. Frau Dr. Sandkuhl hat auf ihre Studie hingewiesen; ich nehme an, sie<br />

reflektiert auf die Untersuchung „Täter unbekannt“ von 2009. Wir suchen ja nach Datenmaterial<br />

und wissenschaftlichen Belegen <strong>für</strong> o<strong>der</strong> gegen eine Kennzeichnungspflicht.<br />

Frau Lüke, können Sie uns bitte kurz schil<strong>der</strong>n, in wie vielen Fällen eine Strafverfolgung<br />

o<strong>der</strong> die Ausräumung von Verdachtsmomenten nicht möglich war, weil die<br />

Identifizierung eines verdächtigen Polizeibeamten o<strong>der</strong> einer Beamtin nicht vorgenommen<br />

werden konnte?<br />

Wir haben gehört, dass es ein Kompromiss sein könnte, den Polizeibeamtinnen und<br />

-beamten freizustellen, sich <strong>für</strong> ein Namensschild o<strong>der</strong> eine Ziffernkombination zu<br />

entscheiden - eventuell sogar situationsbedingt. Meine Frage an beide Damen: Wie<br />

stehen Sie dazu? Ist das aus <strong>der</strong> Sicht Ihrer Organisationen, die <strong>der</strong> Kennzeichnungspflicht<br />

positiv gegenüberstehen, ein gangbarer Weg, o<strong>der</strong> würden Sie da Bedenken<br />

haben?<br />

Frau Lüke (Generalsekretärin Amnesty International):<br />

Namens- o<strong>der</strong> Nummernkennzeichnung - da haben wir keine Präferenz. Wichtig ist,<br />

dass Polizistinnen und Polizisten individualisierbar sind. Ob das durch Namen o<strong>der</strong><br />

Nummern erfolgt, stellen wir anheim. Wichtig ist, dass die Bezeichnungen sichtbar<br />

getragen werden - zum Beispiel am Revers, wie es bei <strong>der</strong> Metropolitan Police in<br />

London üblich ist -, und bei einer Nummernkennzeichnung wäre es wichtig, dass die<br />

Kombinationen leicht merkbar sind. Wir denken, dass es bestimmte Situationen gibt -<br />

ich greife damit die Be<strong>für</strong>chtungen <strong>der</strong> Kollegen hinsichtlich möglicher Repressalien<br />

im privaten Bereich auf -, in denen die Nummernkennzeichnung vorzugswürdig sein<br />

könnte.<br />

Zu unseren Berichten: Das Thema Polizei beschäftigt uns seit 1994, es ist <strong>der</strong> vierte<br />

Bericht. Es ist immer schwierig, mit Zahlen zu operieren. Im Jahr 2009 gab es erstmals<br />

bun<strong>des</strong>weit Statistiken - alle Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong> haben zugeliefert - zu Übergriffen<br />

auf und Ermittlungsverfahren gegen Amtsträger. Es ist schwierig - Amtsträger sind<br />

auch Staatsanwälte, Richter usw. -, Polizisten auszuson<strong>der</strong>n. Ich bin sehr zurückhaltend,<br />

voreilig Schlüsse zu ziehen. Die Ermittlungsverfahren bei Gewaltvorwürfen gegen<br />

Polizistinnen und Polizisten - seien es Körperverletzung o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Formen<br />

körperlicher Gewalt - machen nur ein Drittel <strong>der</strong> sonstigen Ermittlungsverfahren aus.<br />

Der Prozentsatz <strong>der</strong> Verurteilungen am Ende dieser Ermittlungsverfahren ist wie<strong>der</strong>um<br />

um ein Drittel niedriger als in sonstigen Ermittlungsverfahren. Ich finde es aller-


<strong>Landtag</strong> Brandenburg P-AI 5/13-1 S. 53<br />

Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />

<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />

dings schwierig, daraus den Schluss zu ziehen, dass Gewaltvorwürfe gegen die Polizei<br />

nicht ausreichend sorgfältig ermittelt würden. Das kann an<strong>der</strong>e Gründe haben. Es<br />

kann ganz einfach so sein, dass Polizisten doch weniger gewaltbereit sind als an<strong>der</strong>e.<br />

Kurzum: Es ist ganz schwierig, mit Zahlen zu argumentieren. Das liegt nicht an<br />

Amnesty, son<strong>der</strong>n daran, dass es kaum bzw. erst seit dem vergangenen Jahr Statistiken<br />

gibt. Ich denke aber, dass das die Diskussion um eine Kennzeichnungspflicht<br />

nicht beeinflussen darf. Es gibt das beson<strong>der</strong>e Gewaltmonopol. Die Polizei gehört<br />

nach dem Grundgesetz zu den wenigen Akteuren, denen es per Gesetz erlaubt ist,<br />

Gewalt auszuüben. Das bringt eine beson<strong>der</strong>e Verantwortung mit sich. Die Aufgaben<br />

<strong>der</strong> Polizistinnen und Polizisten sind beson<strong>der</strong>s schwierig, und es werden hohe<br />

Transparenzanfor<strong>der</strong>ungen gestellt, zum einen um die Polizistinnen und Polizisten zu<br />

schützen und auch, um Vorwürfe aufzuklären. Da ist die Kennzeichnung - sei es<br />

durch Nummern o<strong>der</strong> durch Namen - eigentlich das beste und auch das am geringsten<br />

eingreifende Mittel. Insofern verstehe ich Ihre Bedenken nicht. Ein Grundrechtseingriff<br />

wäre gerechtfertigt.<br />

Frau Heinrich (Humanistische Union <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>verban<strong>des</strong> Berlin-Brandenburg,<br />

Geschäftsführerin):<br />

Wir präferieren die Namenskennzeichnung und würden es be<strong>für</strong>worten, wenn im Gesetz<br />

ausdrücklich festgelegt würde, dass Namensschil<strong>der</strong> getragen werden sollen.<br />

Grund da<strong>für</strong> ist die präventive Wirkung. All die an<strong>der</strong>en positiven Aspekte, die <strong>für</strong><br />

eine Kennzeichnung sprechen, kämen auch bei <strong>der</strong> Nummernkennzeichnung zum<br />

Tragen, sodass uns auch eine Nummernkennzeichnung an sich sehr lieb wäre und<br />

wir sie be<strong>für</strong>worteten. Aber wir tendieren eher zur Namenskennzeichnung, weil wir<br />

das Gefühl haben, dass die Nummernkennzeichnung nicht alle positiven Aspekte erfasst,<br />

die eine Namenskennzeichung mit sich brächte.<br />

Abgeordneter Goetz (FDP):<br />

Vorhin ist gesagt worden, dass das Tragen von Namensschil<strong>der</strong>n zur Deeskalation<br />

führen könnte, weil <strong>der</strong> Beamte in Uniform zurück- und <strong>der</strong> Mensch in den Vor<strong>der</strong>grund<br />

träte. Mich würde interessieren, was die Gewerkschaftsvertreter dazu sagen.<br />

Das freiwillige Tragen von Namensschil<strong>der</strong>n gibt es bereits. Möglicherweise gibt es<br />

Erfahrungswerte aus dem täglichen Umgang - etwa, wenn man zu einem Ehestreit<br />

gerufen wird o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Einsatz zu einer gewaltbereiten Demonstration erfolgt -, ob das<br />

Tragen eines Namensschil<strong>des</strong> zur Deeskalation beiträgt und einer möglichen Gewalttat<br />

vorgebeugt werden kann, weil <strong>der</strong> Mensch, <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Uniform steckt, sichtbar<br />

wird. Ich würde einmal auf die praktische Erfahrung abstellen wollen.<br />

Vorsitzende:<br />

Ich bitte um eine kurze Antwort. Wir sind in <strong>der</strong> Zeit schon weit fortgeschritten.


<strong>Landtag</strong> Brandenburg P-AI 5/13-1 S. 54<br />

Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />

<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />

Herr Neumann (Deutsche Polizeigewerkschaft):<br />

Ich versuche mich kurz zu fassen. Wenn die Polizei angegriffen wird, kommt es darauf<br />

an, ob es sich um einen Polizisten o<strong>der</strong> eine Polizistin handelt, und wie groß diejenigen<br />

sind. Ob er o<strong>der</strong> sie ein Namensschild trägt, ist meines Erachtens unerheblich.<br />

Menschen, die uns gewaltbereit gegenübertreten, sind männlich und groß. Es ist<br />

bekannt, dass Polizistinnen sehr deeskalierend wirken und männliche Gewalttäter<br />

eher zurückschrecken, eine Polizistin anzugreifen als einen Polizisten. Ob man <strong>des</strong>wegen<br />

zu dem Schluss kommen sollte, nur noch Frauen unter 1,60 m in den Polizeidienst<br />

zu stellen, überlasse ich Ihrem Urteil. Im Übrigen: Den Polizisten das letzte<br />

Beför<strong>der</strong>ungsdatum ans Revers zu heften ... das könnte in Brandenburg peinlich werden.<br />

Frau Wölk (Bund Deutscher Kriminalbeamter, Polizeioberkommissarin):<br />

Soweit mir bekannt ist, werden Namensschil<strong>der</strong>, gerade wenn es um den Einsatz bei<br />

Demonstrationen geht, höchstens von Polizistführern getragen. Diese wie<strong>der</strong>um begeben<br />

sich ganz selten zum Demonstrationszug; insofern weiß ich nicht, ob sie direkt<br />

angesprochen werden. Ich hatte schon mehrfach das Problem, dass ein gewaltbereiter<br />

Mensch nicht zur Kommunikation bereit war, son<strong>der</strong>n sich die Ohren zuhielt und<br />

laut „bla bla bla“ rief. Eine Kommunikation war da nicht möglich. Ich wüsste nicht,<br />

was eine Namens- o<strong>der</strong> Nummernkennzeichnung daran än<strong>der</strong>te. Der Mensch muss<br />

zur Kommunikation bereit sein, darauf kommt es an, sei es bei Demonstrationen o<strong>der</strong><br />

in an<strong>der</strong>en Situationen.<br />

Herr Schuster (Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei, Lan<strong>des</strong>bezirksvorsitzen<strong>der</strong>):<br />

Ich habe den Ausführungen meiner Kollegin nichts hinzuzufügen.<br />

Vorsitzende:<br />

Gibt es weitere Anfragen, Statements, Bemerkungen? - Das ist nicht <strong>der</strong> Fall. Ein<br />

Dankeschön an die Anzuhörenden, die uns mit ihrer Fach- und Sachkompetenz geholfen<br />

haben. Ich wünsche Ihnen einen schönen Heimweg. Vielen Dank!<br />

(Dieses <strong>Protokoll</strong> wurde durch Beschluss <strong>des</strong> <strong>Ausschusses</strong> gemäß § 83 Satz 3 GOLT in <strong>der</strong> 14. <strong>Sitzung</strong><br />

am 3. März 2011 bestätigt.)


<strong>Landtag</strong> Brandenburg P-AI 5/13-1 S. 55<br />

Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />

<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> Stenografischer Dienst/ro-we<br />

Anlagen<br />

Anlage 1: Stellungnahme Polizeipräsident Berlin, Hr. Glietsch<br />

Anlage 2: Stellungnahme LDA, Fr. Hartge<br />

Anlage 3: Stellungnahme Hochschule <strong>für</strong> Wirtschaft und Recht Berlin,<br />

Prof. Dr. Aden<br />

Anlage 4: Veröffentlichung in Dezemberausgabe <strong>der</strong> Zeitschrift „Die Polizei“,<br />

Prof. Dr. Aden<br />

Anlage 5: Präsentation (Prof. Dr. Aden)<br />

Anlage 6: Stellungnahme Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei, Hr. Schuster<br />

Anlage 7: Stellungnahme Deutsche Polizeigewerkschaft, Hr. Franke<br />

Anlage 8: Stellungnahme Bund Deutscher Kriminalbeamter, Fr. Wölk<br />

Anlage 9: Stellungnahme DeutscherAnwaltVerein, Fr. Dr. Sandkuhl<br />

Anlage 10: Stellungnahme Amnesty International, Fr. Lüke<br />

Anlage 11: Stellungnahme Humanistische Union, Fr. Heinrich<br />

Anlage 12: Stellungnahme Generalstaatsanwalt, Dr. Rautenberg


Der Polizeipräsident in Berlin<br />

Zentrale Serviceeinheit<br />

ZSE Org 3-04801<br />

Bearbeiterin: Schumann<br />

EINGEGANGEN<br />

A niz:Age 4<br />

2 1. JAN, 20111,AU<br />

Ertedigt:J_LULÄ"ItilV 4.,<br />

26.11.2010<br />

99 00 13<br />

Dir 1 bis 6<br />

Dir ZA<br />

LKA<br />

SenlnnSport III C<br />

Bereitstellung über Intrapol<br />

Geschäftsanweisung ZSE Nr. 2/2009<br />

über<br />

das Tragen von Namensschil<strong>der</strong>n<br />

Diese Geschäftsanweisung gilt <strong>für</strong> die gesamte Polizeibehörde.<br />

1


1. Dienstkleidungsträger<br />

(1) Diese Geschäftsanweisung gilt <strong>für</strong> die Beschäftigten im Polizeivollzugsdienst, die<br />

Dienstkleidungsträgerinnen und Dienstkleidungsträger sind.<br />

(2) Die zur Senatsverwaltung <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> und Sport o<strong>der</strong> zu an<strong>der</strong>en Behörden<br />

abgeordneten Dienstkleidungsträgerinnen und Dienstkleidungsträger werden von<br />

den nachstehenden Regelungen nicht erfasst.<br />

2. Tragen <strong>des</strong> Namensschil<strong>des</strong> bzw. <strong>des</strong> Schil<strong>des</strong> mit <strong>der</strong> Dienstnummer<br />

(1) In <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen und bürgernahen Polizei <strong>der</strong> weltoffenen Bun<strong>des</strong>hauptstadt ist<br />

das Tragen von Namensschil<strong>der</strong>n zur Dienstkleidung heute eine von den<br />

Bürgerinnen und Bürgern sowie den Gästen unserer Stadt erwartete<br />

selbstverständliche Geste <strong>der</strong> Service-und Kundenorientierung.<br />

(2) Dienstkleidungsträgerinnen und Dienstkleidungsträger tragen sichtbar entwe<strong>der</strong><br />

ein Schild mit dem Familiennamen o<strong>der</strong> an <strong>des</strong>sen Stelle ein Schild mit einer<br />

fünfstelligen Dienstnummer, die nicht mit <strong>der</strong> Personalnummer identisch ist. Die<br />

Entscheidung, welches <strong>der</strong> beiden Schil<strong>der</strong> getragen wird, trifft die jeweilige<br />

Dienstkleidungsträgerin bzw. <strong>der</strong> jeweilige Dienstkleidungsträger. Die Regelungen<br />

über die individuelle Kennzeichnung von Beamtinnen und Beamten <strong>des</strong> SEK vom 8.<br />

Februar 2007 und 30. Mai 2008 bleiben unberührt.<br />

(3) Die in Absatz 2 genannten Schil<strong>der</strong> sind an <strong>der</strong> Allgemeinen Dienstkleidung an<br />

dem da<strong>für</strong> vorgesehenen Knöpfen unter den Klappen <strong>der</strong> Brusttaschen und bei den<br />

Diensthemden/-blusen an den vorhandenen Taschenknöpfen zu befestigen. Die<br />

Schil<strong>der</strong> sind auf <strong>der</strong> Seite <strong>des</strong> Schriftzugs POLIZEI bzw. beim Polohemd am Knopf<br />

<strong>der</strong> Stifttasche zu platzieren.<br />

(4) An den Artikeln <strong>der</strong> Son<strong>der</strong>bekleidung ist das den Namen bzw. die Dienstnummer<br />

tragende Schild (Klettschild) auf den vorgesehenen Flauschflächen zu befestigen.<br />

Dies gilt nicht <strong>für</strong> die in Nr. 4 Absatz 1 genannten Einsatzanzüge.<br />

(5) Die Verpflichtung zum Tragen eines <strong>der</strong> in Absatz 2 bis 4 genannten Schil<strong>der</strong><br />

besteht nicht, wenn <strong>der</strong> Bekleidungsartikel nach Absatz 4 nicht über die<br />

erfor<strong>der</strong>lichen Befestigungsmöglichkeiten verfügt.<br />

3. Anzahl und Ausgestaltung <strong>der</strong> Schil<strong>der</strong><br />

(1) Jede Dienstkleidungsträgerin und je<strong>der</strong> Dienstkleidungsträger erhält ein Schild in<br />

silberner Grundfarbe mit Lasche zum Anhängen, beschriftet mit dem Familiennamen,<br />

und ein Schild in silberner Grundfarbe mit Lasche zum Anhängen, beschriftet mit <strong>der</strong><br />

Dienstnummer.<br />

(2) Mit Ausnahme <strong>der</strong> in Nr. 4 Absatz 1 genannten Angehörigen <strong>der</strong> Einsatzeinheiten<br />

erhalten die Polizeidienstkräfte mit Son<strong>der</strong>bekleidung je ein Schild aus Gewebe mit<br />

Klettfläche auf <strong>der</strong> Rückseite, beschriftet mit dem Namen bzw. <strong>der</strong> Dienstnummer.<br />

4. Taktische Kennzeichnung an Einsatzanzügen<br />

An den Einsatzanzügen tragen die Angehörigen <strong>der</strong> Einsatzeinheiten eine taktische<br />

Rückenkennzeichnung, die die individuelle Zuordnung ermöglicht. Sie besteht aus<br />

einer fünfstelligen Buchstaben-/Ziffernkombination.<br />

2


5. Verwaltung und Vergabe <strong>der</strong> Dienstnummern<br />

(1) Die Generierung, Verwaltung und Vergabe <strong>der</strong> Dienstnummern erfolgt zentral<br />

über eine nicht öffentliche Datei bei <strong>der</strong> ZSE. Die Datei ist getrennt vom IPV-<br />

Verfahren zu führen.<br />

(2) Zugriff auf die Datei haben neben den in <strong>der</strong> Benutzerverwaltung tätigen<br />

Dienstkräften nur Bearbeiterinnen und Bearbeiter aus dem Lagezentrum PPr St LZ,<br />

den Beschwerde- o<strong>der</strong> Disziplinarbereichen sowie aus dem Bereich LKA 3<br />

(Amtsdelikte) aus dienstlich begründetem Anlass. Der Zugriff erfolgt über die Eingabe<br />

<strong>der</strong> gemeldeten Dienstnummer und eines individuellen Passwortes.<br />

6. Geltungsdauer<br />

Diese Geschäftsanweisung tritt am 01.01.2011 in Kraft. Sie tritt mit Ablauf <strong>des</strong><br />

31.12.2015 außer Kraft.<br />

7. Aufhebung <strong>der</strong> Geschäftsanweisung PPr Stab 01/2003<br />

Mit Inkrafttreten dieser Geschäftsanweisung tritt die GA PPr Stab 01/2003 über das<br />

freiwillige Tragen von Namensschil<strong>der</strong>n außer Kraft und ist aus den Sammlungen zu<br />

entfernen.<br />

Glietsch<br />

3


Ardiage<br />

Die Lan<strong>des</strong>beauftragte<br />

<strong>für</strong> den Datenschutz und<br />

<strong>für</strong> das Recht auf Akteneinsi<br />

Dagmar Hartge<br />

DRAPMBURG<br />

•■.„<br />

Schutz <strong>der</strong><br />

Porsönlichkoltsrechto<br />

9 Informationsfrollicit<br />

LDA 8bg. • Stahnsdorfer Damm 77 • Haus 2 • 14532 Kleinmachnow<br />

An die<br />

Vorsitzende <strong>des</strong> <strong>Ausschusses</strong> <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong><br />

im <strong>Landtag</strong> Brandenburg<br />

Frau Britta Stark, MdL<br />

Postfach 601064<br />

14410 Potsdam<br />

Datum: 19. Januar 2011<br />

Bearbeiter/in: Frau Schnorr<br />

Telefon: 033203 356-40<br />

Telefax: 033203 356-49<br />

Geschäftszeichen: Ha/110/10/918<br />

(bei Antwortschreiben bitte angeben)<br />

Öffentliche Anhörung <strong>des</strong> <strong>Ausschusses</strong> <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> zum Siebenten Gesetz zur Än<strong>der</strong>ung<br />

<strong>des</strong> Brandenburgischen Polizeigesetzes am 27. Januar 2011 im <strong>Landtag</strong><br />

Stellungnahme <strong>der</strong> LDA zum Siebenten Gesetz zur Än<strong>der</strong>ung <strong>des</strong> Brandenburgischen<br />

Polizeigesetzes<br />

Gesetzentwurf <strong>der</strong> CDU-Fraktion (Drs 5/1442)<br />

- Ihr E-Mail vom 5. Januar 2011<br />

Sehr geehrte Frau Stark,<br />

<strong>für</strong> die Übersendung <strong>des</strong> o. g. Gesetzentwurfs und <strong>der</strong> Fragen zur öffentlichen Anhörung am<br />

27. Januar 2011 bedanke ich mich.<br />

Als Anlage füge ich Ihnen meine Stellungnahme zu den Fragen 1.,2.,5.,6., 9., und 10. bei,<br />

die aus meiner Sicht eine datenschutzrechtliche Relevanz haben.<br />

Bitte geben Sie diese Stellungnahme auch an die Mitglie<strong>der</strong> Ihres <strong>Ausschusses</strong> weiter.<br />

Ich bin gerne bereit, nähere Erläuterungen im Ausschuss zu geben und mich den Fragen zu<br />

stellen.<br />

Mit freundlichen Grüßen<br />

2cV /7/Ci-4e_<br />

Dagmar Hartge<br />

1 Anlage<br />

Die Lan<strong>des</strong>beauftragte <strong>für</strong> den Datenschutz und <strong>für</strong> das Recht auf Akteneinsicht • Stahnsdorfer Damm 77 • 14532 Kleinmachnow<br />

Tel.: 033203/356-0 • Fax 033203/356-49 • E-Mail: Poststelle@LDA.Brandenburg.de • Internet: http://www.Ida.brandenburg.de<br />

Fingerprint: ODD7 0C8A 6550 8B73 2A53 EFEE AC85 7D66


Die Lan<strong>des</strong>beauftragte<br />

<strong>für</strong> den Datenschutz und<br />

<strong>für</strong> das Recht auf Akteneinsicht<br />

ORAhlintURG<br />

Dagmar Hartge<br />

Schulz <strong>der</strong><br />

• Persönfichkoitsrochto<br />

• Informationsfreiheit<br />

Anhörung <strong>des</strong> <strong>Ausschusses</strong> <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong><br />

<strong>des</strong> <strong>Landtag</strong>es Brandenburg<br />

am 27. Januar 2011<br />

Schriftliche Stellungnahme<br />

<strong>der</strong> Lan<strong>des</strong>beauftragten <strong>für</strong> den Datenschutz und <strong>für</strong> das Recht auf Akteneinsicht<br />

zum Siebenten Gesetz zur Än<strong>der</strong>ung <strong>des</strong> Brandenburgischen Polizeigesetzes<br />

- Gesetzentwurf <strong>der</strong> CDU-Fraktion (Drs. 5/1442) -<br />

Kleinmachnow, den 19. Januar 2011<br />

ce)-r2 gQ94e<br />

Dagmar Hartge<br />

Lan<strong>des</strong>beauftragte <strong>für</strong> den Datenschutz<br />

und <strong>für</strong> das Recht auf Akteneinsicht


2<br />

Zu den gestellten "Fragen an die Anzuhörenden" nehme ich wie folgt Stellung:<br />

zu 1. Welche Gründe sprechen <strong>für</strong> und welche gegen eine Kennzeichnungspflicht?<br />

Bei <strong>der</strong> Kennzeichnung eines Polizeivollzugsbediensteten durch ein Namensschild wird ein<br />

personenbezogenes Datum <strong>des</strong> Betroffenen äußerlich <strong>für</strong> Dritte wahrnehmbar gemacht. Datenschutzrechtlich<br />

betrachtet liegt in dieser Preisgabe <strong>des</strong> Namens bei <strong>der</strong> Dienstausübung<br />

eine Datenübermittlung an Stellen außerhalb <strong>des</strong> öffentlichen Bereichs. Da diese Kennzeichnung<br />

ohne bzw. unabhängig von <strong>der</strong> freiwilligen Zustimmung <strong>des</strong> Betroffenen erfolgen<br />

soll, liegt ein Eingriff in das nach Art. 2 Abs.1 i.V.m. Art 1 Abs1 GG und Artikel 11 <strong>der</strong> Lan<strong>des</strong>verfassung<br />

geschützte Persönlichkeitsrecht bzw. <strong>des</strong> Rechts auf Datenschutz vor. Dieses<br />

bestimmt, dass <strong>der</strong> Einzelne grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung<br />

seiner Daten bestimmen kann. Eine Einschränkung ist jedoch im überwiegenden Allgemeininteresse<br />

zulässig sofern <strong>der</strong> Gesetzgeber eine normenklare Regelung schafft und den<br />

Grundsatz <strong>der</strong> Verhältnismäßigkeit beachtet.<br />

Gegen die Kennzeichnungspflicht sprechen vor<strong>der</strong>gründig die Interessen <strong>der</strong> Betroffenen,<br />

bei Einsätzen über den Namen nicht persönlich identifizierbar zu sein. Der Lan<strong>des</strong>beauftragten<br />

sind Be<strong>für</strong>chtungen <strong>der</strong> Polizei bekannt, dass insbeson<strong>der</strong>e Beamte, die bei geschlossenen<br />

Einsätzen in Massen- und Großveranstaltungen ihren Dienst verrichten, Missbrauch und<br />

Gefährdung be<strong>für</strong>chten. Polizeikritische o<strong>der</strong> kriminelle Personen könnten willkürlich falsche<br />

Anschuldigungen gegen die Beamten erheben o<strong>der</strong> mit Hilfe weiterer öffentlich zugänglicher<br />

Informationen Privatanschriften ermitteln und die Polizeibeamten sowie Angehörige bedrohen<br />

und angreifen.<br />

Den Interessen <strong>der</strong> Betroffenen stehen jedoch überwiegende Allgemeininteressen an <strong>der</strong><br />

Kennzeichnung gegenüber. In einem mo<strong>der</strong>nen Rechtsstaat sollen sich Exekutivorgane und<br />

Bürger offen begegnen. Das Gewaltmonopol <strong>des</strong> Staates, das insbeson<strong>der</strong>e von Beamten<br />

mit Polizeibefugnissen sichtbar umgesetzt wird, sollte durch angemessene Transparenz und<br />

Überprüfbarkeit <strong>des</strong> Handelns ausgeglichen werden. Eine individuelle Kennzeichnung kann<br />

auch dazu beitragen, Amtsmissbrauch zu verhüten und im Falle von ungesetzlichen Übergriffen<br />

die Verantwortlichen schneller zu ermitteln und zur Rechenschaft zu ziehen. Gleichzeitig<br />

lassen sich auch falsche Anschuldigungen aufklären. Darüber hinaus wird ein sichtba-


3<br />

res Zeichen gesetzt, dass auch Polizeivollzugsbedienstete, die ihre Befugnisse in Großeinsätzen<br />

ausüben, eigenverantwortlich handeln.<br />

Einer verpflichtenden Kennzeichnung <strong>der</strong> Polizeivollzugsbediensteten mittels Namensschild<br />

und abgekürztem Dienstgrad wie Sie in § 9 Abs. 1 <strong>des</strong> Gesetzentwurfs vorgesehen ist, stehen<br />

grundsätzlich keine datenschutzrechtlichen Bedenken entgegen. Dies gilt sowohl bei<br />

Alltags- als auch Großeinsätzen in geschlossenen Einheiten. Das Namensschild sollte im<br />

Regelfall nur den Nachnamen <strong>des</strong> Beamten wie<strong>der</strong>geben. Im Falle von häufig vorkommenden<br />

Familiennamen (Müller, Schmidt, Fischer, Schnei<strong>der</strong> ect) halte ich es <strong>für</strong> zulässig, ggf.<br />

den auf den ersten Buchstaben abgekürzten Vornamen zusätzlich in das Namensschild zu<br />

übernehmen. Im Interesse <strong>der</strong> Normenklarheit, empfehle ich die Art <strong>der</strong> namentlichen Kennzeichnung<br />

im Polizeigesetz festzulegen.<br />

Die in § 9 Abs.1 S. 2 vorgesehene Möglichkeit, bei Einsätzen in geschlossenen Einheiten<br />

eine an<strong>der</strong>weitige Kennung (Pseudonymisierung im Sinne <strong>des</strong> § 3 Abs.3 Nr. 2 Bbg DSG)<br />

einzusetzen, ist datenschutzrechtlich vertretbar. Das insoweit eingeräumte Ermessen gewährleistet<br />

eine den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wahrende Einzelfallprüfung zum Schutz<br />

einzelner Polizeibediensteter o<strong>der</strong> Gruppen. Bestehen Sicherheitsbedenken, ist das Interesse<br />

<strong>des</strong> betroffenen Polizeibeamten, nicht gegenüber Dritten namentlich bekannt zu sein, im<br />

konkreten Fall mit dem Transparenzbedürfnis <strong>der</strong> von polizeilichen Maßnahmen Betroffenen<br />

abzuwägen. Um eine nachträgliche Identitätsfeststellung zu ermöglichen, muss durch entsprechende<br />

Zuordnungslisten sichergestellt sein, dass ein Polizeibediensteter identifiziert<br />

werden kann.<br />

zu 2. Welche Fälle sollten von <strong>der</strong> generellen namentlichen Kennzeichnungspflicht<br />

ausgenommen werden?<br />

Ausgenommen werden sollten Polizeibedienstete, <strong>der</strong>en dienstliche Tätigkeit notwendig<br />

durch die Bekanntgabe <strong>des</strong> Namens gefährdet würde (verdeckt arbeitende Ermittler) bzw.<br />

persönlich beson<strong>der</strong>s gefährdete Polizeibedienstete.


4<br />

zu 5. Welche Unterschiede sehen Sie zwischen Mitarbeitern <strong>der</strong> Polizei und Verwaltungsmitarbeitern,<br />

die mit vollem Namen bekannt sind (z.B. durch Türschil<strong>der</strong> und die<br />

Unterzeichnung von Schreiben)?<br />

Mitarbeiter <strong>der</strong> öffentlichen Verwaltung sind von den Bürgern über ihren Namen und ihr äußeres<br />

Erscheinungsbild und Gesichtszüge identifizierbar. Polizeibedienstete, die in geschlossenen<br />

Einheiten im Einsatz sind, tragen in <strong>der</strong> Regel äußerlich einheitliche Kleidung<br />

und Schutzhelme, die eine Identifizierung erschweren o<strong>der</strong> unmöglich machen. Darüber hinaus<br />

greifen mit Polizeibefugnissen ausgestattete Beamte vielfach in beson<strong>der</strong>er Weise in die<br />

Rechte Dritter ein (Durchsuchungen, Festnahmen, Gewahrsamsnahmen). Umso mehr ist<br />

eine Kontrollmöglichkeit <strong>des</strong> polizeilichen Handelns geboten.<br />

Auch hoheitlich handelnde Mitglie<strong>der</strong> von Staatsanwaltschaft und Justiz, die ggf. nach<br />

Diensthandlungen unberechtigten Nachstellungen ausgesetzt sein könnten, sind namentlich<br />

identifizierbar. Ihnen ist in Abwägung einer gewünschten effektiven rechtsstaatlichen Kontrolle<br />

und transparenten Justiz zuzumuten, dass ihre Persönlichkeitsrecht insoweit eingeschränkt<br />

wird.<br />

zu 6. Wie bewerten Sie die Kennzeichnungspflicht im Hinblick auf § 36 Beamtenstatusgesetz,<br />

wonach Beamtinnen und Beamte <strong>für</strong> die Rechtmäßigkeit ihrer dienstlichen<br />

Handlungen die volle persönliche Verantwortung tragen?<br />

Um die Rechtmäßigkeit dienstlicher Handlungen, <strong>für</strong> die Beamtinnen und Beamte die volle<br />

persönliche Verantwortung tragen, überprüfen zu können, bedarf es <strong>der</strong> konkreten Erkennbarkeit<br />

<strong>des</strong> Amtsträgers nach außen. Bei einer schuldhaften Dienstpflichtverletzung haften<br />

Beamtinnen und Beamte sowohl straf- und zivilrechtlich als auch disziplinarrechtlich und<br />

müssen <strong>des</strong>halb identifizierbar sein.<br />

zu 9. Wie bewerten Sie die Verwendung eines - ggf. wechselnden- Aliasnamens o<strong>der</strong><br />

einer Buchstaben- Nummern - Kombination?<br />

Für die datenschutzrechtliche Beurteilung spielt es keine Rolle, ob Aliasnamen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e<br />

Kennungen verwendet werden. Allerdings erhöht die Verwendung von Hun<strong>der</strong>ten von Aliasnamen<br />

die Gefahr von Fehlidentifikationen mit realen Namen. Eine Kennzeichnung mit Ali-


5<br />

asnamen müsste in <strong>der</strong> Öffentlichkeit bekannt sein, um Verwechslungen zu vermeiden. Aus<br />

praktischen Gründen scheint mir eine Kennung durch Buchstaben o<strong>der</strong> Nummern sinnvoller.<br />

Ein Pseudonym sollte aus gut sichtbaren Zahlen (max. 4- stellig) und/o<strong>der</strong> einprägsamen<br />

Buchstabenkombinationen o<strong>der</strong> Symbolen bestehen. Da bei Großeinsätzen Polizeibedienstete<br />

aus mehreren Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong>n zusammengezogen werden, empfehle ich eine Län<strong>der</strong>kennung<br />

hinzuzufügen.<br />

Da wechselnde Aliasnamen o<strong>der</strong> Kennungen jeweils neu in entsprechenden Zuordnungslisten<br />

festgehalten werden müssten, würden erhebliche Datenmengen anfallen. Aus Gründen<br />

<strong>der</strong> Datensparsamkeit rate ich davon ab. Sofern die Vergabe von Pseudonymen <strong>für</strong> jeden<br />

Einsatz neu erfolgt, sind Zuordnungslisten so lange aufzubewahren, wie es disziplinar- o<strong>der</strong><br />

strafrechtliche Ermittlungen erfor<strong>der</strong>n.<br />

zu 10. Wie bewerten Sie den Umstand, dass privatwirtschaftlich tätige Wachleute<br />

rechtlich verpflichtet sind, ein Namensschild zu tragen?<br />

Die Bekanntgabe <strong>des</strong> Namens bei Wachleuten privater Unternehmen, die quasi- hoheitlichen<br />

Sicherheitsaufgaben wahrnehmen, ist datenschutzrechtlich nicht zu beanstanden.


Prof. Dr. jur. Hartmut Aden<br />

Fall. bleich Polizei und ieltsinanagement<br />

Professur <strong>für</strong> Öffentliches Recht und Europarecht<br />

Alt-Friedrichsfelde 60<br />

10315 Berlin<br />

Tel. 030 9021-4344 o<strong>der</strong> 0228 976 83-72 Fax -73<br />

E-Mail: Hartmut. Aden@hwr-berlin . de<br />

Affiage 3<br />

Hochschule <strong>für</strong><br />

Wirtschaft und Recht Berlin<br />

Berlin School of Econornics and Law<br />

EINGEGANGEN<br />

4. JAN. 7U11),4/S<br />

Erledigt: 4' __2(:(V<br />

1)2v<br />

Stellungnahme anlässlich <strong>der</strong> Öffentlichen Anhörung<br />

<strong>des</strong> <strong>Ausschusses</strong> <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> zum<br />

Siebenten Gesetz zur Än<strong>der</strong>ung <strong>des</strong> Brandenburgischen Polizeigesetzes<br />

Gesetzentwurf <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> CDU<br />

Drucksache 5/1442<br />

Donnerstag, 27. Januar 2011, <strong>Landtag</strong> Brandenburg<br />

Teil 1: Empfehlungen und Literaturhinweis<br />

Ich empfehle dem <strong>Landtag</strong>, den vorliegenden Gesetzentwurf - eventuell mit kleineren Än<strong>der</strong>ungen<br />

(s. u.) – anzunehmen.<br />

Die Arbeit <strong>der</strong> Polizei in Deutschland ist in den zurückliegenden Jahren wesentlich professioneller<br />

geworden, getragen von einem verbesserten Niveau <strong>der</strong> Ausbildung und <strong>der</strong> Nutzung<br />

vielfältiger Professionalisierungsstrategien durch die Polizeipraxis. Eine gesetzliche Kennzeichnungsregelung<br />

ist ein wichtiger Schritt zur Verstärkung dieses Trends. Sie macht deutlich,<br />

dass Polizeibedienstete bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und Teil einer serviceorientierten<br />

und bürgerfreundlichen Institution sind. Bei Teilen <strong>der</strong> Bevölkerung verbliebenes<br />

Misstrauen, genährt von unangemessenen Verhaltensweisen einzelner Polizeibediensteter<br />

o<strong>der</strong> –einheiten in <strong>der</strong> Vergangenheit, kann so abgebaut werden. Für die (vergleichsweise<br />

wenigen) Fälle, in denen auch heute noch unangemessenes o<strong>der</strong> gar rechtswidriges Verhalten<br />

von Polizeibediensteten vorkommt, lassen die Vorgaben <strong>des</strong> Gesetzes erwarten, dass die Verursacher<br />

effektiver zur Verantwortung gezogen werden können als bisher.<br />

Werden anonyme Einsatzsituationen vermieden, so hat dies zugleich eine wichtige präventive<br />

Funktion, die auch die Polizeibediensteten selbst schützt: Müssen sie damit rechnen, dass sie<br />

<strong>für</strong> Fehlverhalten belangt werden, so steht zu erwarten, dass sie dieses von vornherein vermeiden,<br />

auch im Hinblick auf eventuelle disziplinar- o<strong>der</strong> strafrechtliche Konsequenzen.<br />

Nähere Erörterung <strong>der</strong> Vorzüge einer gesetzlichen Kennzeichnungsregelung (auch gegenüber<br />

behördeninternen Regelungen) unter Einbeziehung <strong>der</strong> Gesetzentwürfe in Brandenburg<br />

und Sachsen: Aden, Die Kennzeichnung von Polizeibediensteten, in: Die Polizei 2010 (Heft<br />

12), S. 347-352 (s. Anlage, Son<strong>der</strong>druck).<br />

1


Prof. Dr. jur. Hartmut Aden<br />

Hochschule <strong>für</strong><br />

'Wirtschaft und Recht Berlin<br />

Berlin School of Economics and Law<br />

Teil 2: Antworten zu den übersandten Fragen an die Anzuhörenden<br />

1. Welche Gründe sprechen <strong>für</strong> und welche gegen eine Kennzeichnungspflicht?<br />

Die Gründe, die <strong>für</strong> eine gesetzliche Kennzeichnungspflicht sprechen, überwiegen eindeutig.<br />

Es sei beson<strong>der</strong>s darauf hingewiesen, dass eine gesetzliche Regelung, wie sie <strong>der</strong> vorliegende<br />

Entwurf vorschlägt, einer Regelung per Dienstanweisung klar überlegen ist. Denn eine gesetzliche<br />

Regelung schafft eine stabile, normenklare Grundlage, auch im Hinblick auf das informationelle<br />

Selbstbestimmungsrecht <strong>der</strong> Bediensteten. Zudem macht sie deutlich, dass <strong>der</strong><br />

Gesetzgeber das Anliegen einer Polizeikennzeichnung hoch gewichtet und es sich keinesfalls<br />

um eine rein verwaltungsinterne Angelegenheit handelt.<br />

Zu den einzelnen Argumenten <strong>für</strong> und gegen die Kennzeichnungspflicht: s.o., Teil 1; nähere<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzung mit den Gegenargumenten: s. Anlage: Aden, in: Die Polizei 2010 (Heft<br />

12).<br />

2. Welche Fälle sollten von <strong>der</strong> generellen namentlichen Kennzeichnungspflicht ausgenommen<br />

werden?<br />

Eine weit gefasste Ausnahmeregelung, wie sie <strong>der</strong> vorliegende Entwurf in § 9 Abs. 3 vorsieht,<br />

ist nicht zu empfehlen. Die Gefährdung <strong>des</strong> Zwecks <strong>der</strong> Amtshandlung ist als Anknüpfungspunkt<br />

<strong>für</strong> die Ausnahmeregelung zu unbestimmt. Hier sollte <strong>der</strong> vorliegende Entwurf<br />

nachgebessert werden. Wenn die namentliche Kennzeichnung durch ein Kennzeichen ersetzt<br />

werden kann, bleiben nur sehr wenige Fälle, in denen eine Kennzeichnung sachlogisch<br />

zweckwidrig wäre. Die gesetzlich geregelten Fälle <strong>des</strong> Einsatzes verdeckter Ermittler könnten<br />

explizit von <strong>der</strong> Kennzeichnungspflicht ausgenommen werden.<br />

3. Welche Erkenntnisse gibt es über die Gefährdung von Polizeibeamten und ihren Angehörigen<br />

aufgrund einer individuellen Kennzeichnung? Liegt statistisches Material<br />

zu Übergriffen vor?<br />

We<strong>der</strong> zu rechtswidrigen Übergriffen durch Polizeibedienstete auf Bürgerinnen und Bürger<br />

noch zu Übergriffen auf Polizeibedienstete liegen methodisch abgesicherte statistische Informationen<br />

vor.<br />

2


Prof. Dr. jur. Hartmut Aden<br />

Hochschule <strong>für</strong><br />

Wirtschaft und Recht Berlin<br />

Berlin School of Economics and Law<br />

Schell einet ntunentlidien KennLeielniung und einem<br />

Übergriff auf Polizeibedienstete o<strong>der</strong> ihre Familien erkennbar wurden, sind mir nicht bekannt.<br />

Gelegentlich wird <strong>der</strong> Fall eines hohen Berliner Polizeibeamten angeführt, <strong>der</strong> von<br />

Rechtsextremisten bedroht worden sein soll. Dieser Fall ist in<strong>des</strong> <strong>für</strong> die Diskussion <strong>der</strong><br />

Kennzeichnungspflicht kaum aussagekräftig, da es sich um einen Beamten handelt, <strong>der</strong> aufgrund<br />

seiner exponierten Stellung ohnehin regelmäßig in <strong>der</strong> Öffentlichkeit steht und auch<br />

überregional bekannt ist.<br />

Informationen über Fälle, in denen Einsatzkräfte <strong>des</strong> mittleren o<strong>der</strong> gehobenen Dienstes<br />

von Personen, gegen die sie dienstlich einschreiten mussten, privat unmittelbar bedroht<br />

o<strong>der</strong> sogar gefährdet worden sind, liegen mir nicht vor.<br />

Sollten in Zukunft solche Bedrohungsfälle auftreten, so erschiene es angemessen, bei Bediensteten,<br />

die entsprechend gefährdet sind, die namentliche Kennzeichnung durch ein an<strong>der</strong>es<br />

Kennzeichen zu ersetzen. Da<strong>für</strong> rege ich eine Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> in § 9 Abs. 1 vorgeschlagenen<br />

Formulierung an: Statt „beim Einsatz geschlossener Einheiten" würde die Formulierung<br />

„aufgrund einer durch tatsächliche Anhaltspunkte gestützten Gefährdungsanalyse" eine<br />

flexiblere Handhabung <strong>der</strong> alternativen Kennzeichnung ermöglichen. Aus meiner Sicht wäre<br />

es sogar denkbar, die Wahl zwischen Namensschild und Kennzeichen in das individuelle Entscheidungsermessen<br />

<strong>des</strong>/<strong>der</strong> betroffenen Bediensteten zu stellen.<br />

4. Welche Erfahrungen sind mit <strong>der</strong> Internetpräsenz <strong>der</strong> Revierpolizisten (Veröffentlichung<br />

mit Foto und vollem Namen) gemacht worden?<br />

S.o., Antwort zu Frage 3. Die Internetpräsenz vor allem führen<strong>der</strong> Polizeibediensteter ist<br />

ebenfalls ein Element einer serviceorientierten, bürgerfreundlichen Polizei. Eine solche Internetpräsenz<br />

erleichtert den Bürgerinnen und Bürgern das Auffinden <strong>der</strong> zuständigen und <strong>für</strong><br />

ihre Anliegen kompetenten Verwaltungsmitarbeiter. Über negative Erfahrungen, die hiermit<br />

eventuell gemacht worden sein könnten, liegen mir keine Informationen vor.<br />

3


Prof. Dr. jur. Hartmut Aden<br />

5. Welche Unix' schiede sehen Sie Lvvischen Pflitaib<br />

Hochschule <strong>für</strong><br />

Wirtschaft und Recht Berlin<br />

Berlin School of Econornics and Law<br />

1 1 1 '<br />

mitarbeitern, die mit vollem Namen bekannt sind (z. B. durch Türschil<strong>der</strong> und<br />

die Unterzeichnung von Schreiben)?<br />

Hier sehe ich keine Unterschiede, die es rechtfertigen könnten, Polizeibedienstete an<strong>der</strong>s zu<br />

behandeln als Mitarbeiter an<strong>der</strong>er Verwaltungen. Wo Polizeibedienstete überwiegend in einem<br />

festen Büro arbeiten o<strong>der</strong> Korrespondenz verfassen, ist die Nennung <strong>des</strong> Namens ohnehin<br />

üblich und teilweise auch rechtlich geboten. Dies gilt z. B. <strong>für</strong> Ermittlungsberichte in<br />

Straf- und Ordnungswidrigkeitsverfahren.<br />

6. Wie bewerten Sie die Kennzeichnungspflicht im Hinblick auf § 36 Beamtenstatusgesetz,<br />

wonach Beamtinnen und Beamte <strong>für</strong> die Rechtmäßigkeit ihrer dienstlichen<br />

Handlungen die volle persönliche Verantwortung tragen?<br />

Diese beamtenrechtliche Regelung ist Ausdruck eines Spannungsverhältnisses, in dem sich<br />

Berufsbeamte in einem demokratischen Rechtsstaat befinden. Einerseits sind sie weisungsgebunden.<br />

An<strong>der</strong>erseits darf Weisungsgebundenheit nicht mit „blindem Gehorsam" verwechselt<br />

werden. Vielmehr sind Beamtinnen und Beamte je<strong>der</strong>zeit auch selbst <strong>für</strong> die Rechtmäßigkeit<br />

ihres Handelns verantwortlich. Gegen rechtswidrige Anweisungen von Vorgesetzten steht ihnen<br />

die Remonstration zur Verfügung.<br />

Angesichts <strong>der</strong> weitgehenden Rechte <strong>der</strong> Polizeibediensteten als Repräsentanten <strong>des</strong> staatlichen<br />

Gewaltmonopols erscheint diese Eigenverantwortung gerade <strong>für</strong> den Polizeiberuf beson<strong>der</strong>s<br />

wichtig. Das in den letzten Jahrzehnten wesentlich höher gewordenen Ausbildungsniveau<br />

bei <strong>der</strong> Polizei folgt dem Leitbild <strong>des</strong> eigenverantwortlichen Handelns.<br />

Selbst in scheinbar beson<strong>der</strong>s weisungsgebundenen Einsatzsituationen, z. B. als Mitarbeiter<br />

einer geschlossenen Einheit bei einem Großeinsatz, verbleiben den einzelnen Bediensteten<br />

noch erhebliche Entscheidungsspielräume, die sie eigenverantwortlich ausfüllen können und<br />

müssen. So entscheidet z. B. bei <strong>der</strong> Auflösung einer Sitzblockade jede einzelne Beamtin und<br />

je<strong>der</strong> einzelne Beamte letztendlich selbst darüber, wie höflich o<strong>der</strong> unhöflich sie o<strong>der</strong> er die<br />

Betroffenen anspricht o<strong>der</strong> wie „hart" o<strong>der</strong> „sanft" er o<strong>der</strong> sie eine Zwangsmaßnahme ausführt.<br />

4


Prof. Dr. jur. Hartmut Aden<br />

7. Wie-bewerte<br />

Hochschule <strong>für</strong><br />

Wirtschaft und Recht Berlin<br />

Berlin School of Economics and Law<br />

blit..k auf den Eui upäist. len Ko-<br />

dex <strong>für</strong> Polizeiethik und die Standards <strong>des</strong> Europäischen Komitees zur Verhütung<br />

von Folter und unmenschlicher o<strong>der</strong> erniedrigen<strong>der</strong> Behandlung o<strong>der</strong> Strafe?<br />

Der im Jahr 2001 vom Ministerkomitee <strong>des</strong> Europarats verabschiedete Europäische Kodex<br />

<strong>für</strong> Polizeiethik betont, dass die öffentliche Hand „wirksame und unparteiische Beschwerdeverfahren<br />

gegen die Polizei einrichten" muss (Europarat, Ministerkomitee, Empfehlung Rec<br />

(2001)10 über den Europäischen Kodex <strong>für</strong> Polizeiethik, Ziffer VI 61). In Deutschland gibt<br />

es zwar grundsätzlich hinreichende gerichtliche Verfahren, mit denen Betroffene Verwaltungshandeln<br />

nachprüfen lassen können. Doch sind diese nur dann wirksam im Sinne <strong>des</strong> Polizeiethik-Kodexes,<br />

wenn zugleich Vorkehrungen getroffen werden, dass diese Verfahren<br />

nicht aus Mangel an nachprüfbaren Beweisen ins Leere laufen. Daher erfor<strong>der</strong>t die effektive<br />

Umsetzung <strong>des</strong> Kodexes die Kennzeichnung <strong>der</strong> Polizeibediensteten im Einsatz.<br />

8. Wo sollte das Namensschild angebracht werden (auf Vor<strong>der</strong>- und/o<strong>der</strong> Rückseite <strong>der</strong><br />

Uniform, Schulter, Helm)?<br />

Entscheidend ist, dass ein Namensschild o<strong>der</strong> Kennzeichen vom Gegenüber erkannt werden<br />

kann. Daher hängt die Art <strong>des</strong> Schil<strong>des</strong> von <strong>der</strong> Einsatzsituation ab. Während bei Mitarbeitern<br />

im Streifendienst ein Schild vorne an <strong>der</strong> Uniform ausreichen dürfte, erfor<strong>der</strong>t die beson<strong>der</strong>e<br />

Anonymität bei geschlossenen Einsätzen mit Einsatzanzügen und Helm eine hinreichend<br />

große Schrift sowohl am Einsatzanzug (am besten vorne und hinten) als auch am Helm. Die<br />

Einzelheiten <strong>der</strong> Ausgestaltung kann m. E. <strong>der</strong> Verwaltung überlassen bleiben. Das Gesetz<br />

sollte jedoch vorgeben, dass die Art <strong>der</strong> Kennzeichnung <strong>der</strong> Zielsetzung gerecht werden<br />

muss.<br />

9. Wie bewerten Sie die Verwendung eines - ggf. wechselnden - Aliasnamens o<strong>der</strong> einer<br />

Buchstaben-Nummern-Kombination?<br />

Ein häufiger Wechsel von Aliasnamen o<strong>der</strong> Buchstaben-Nummern-Kombination würde den<br />

Verwaltungsaufwand erhöhen, da <strong>für</strong> die sichere Identifizierung eine vollständige Dokumentation<br />

<strong>der</strong> zu einem bestimmten Zeitpunkt vergebenen Kennzeichen erfor<strong>der</strong>lich ist. Für einen<br />

häufigen Wechsel sehe ich keine Veranlassung.<br />

5


Prof. Dr. jur. Hartmut Aden<br />

Die gebe zliehe Re<br />

Hochschule <strong>für</strong><br />

Wirtschaft und Recht Berlin<br />

Berlin School of Economics and Law<br />

athenrund KelulLeielleu <strong>für</strong> daß G egunü<br />

leicht zu merken sind und bei Bedarf die sichere Identifizierung <strong>der</strong> handelnden Polizeibediensteten<br />

zulassen. Bei sehr häufig vorkommenden Namen (Müller, Meier, Schulze etc.)<br />

sollte daher zusätzlich <strong>der</strong> Vorname angegeben werden. Der Dienstgrad ist nicht erfor<strong>der</strong>lich.<br />

Gut informierte Personen können diesen an <strong>der</strong> Uniform identifizieren. Für weniger gut informierte<br />

Personen ist diese Information ohnehin wenig relevant.<br />

Nummern sollten so kurz sein, dass sie gut zu merken sind. Markante Buchstaben-Nummern-<br />

Kombinationen o<strong>der</strong> höchstens vierstellige Nummern erscheinen insofern angemessen.<br />

Für die nähere Ausgestaltung innerhalb dieses Rahmens kann <strong>der</strong> Verwaltung ein Spielraum<br />

überlassen werden.<br />

10. Wie bewerten Sie den Umstand, dass privatwirtschaftlich tätige Wachleute rechtlich<br />

verpflichtet sind, ein Namensschild zu tragen?<br />

Gemäß § 11 Abs. 4 <strong>der</strong> Bewachungsverordnung haben Wachpersonen, die Tätigkeiten mit<br />

hohem Öffentlichkeitsbezug ausüben (u. a. Kontrollgänge im öffentlichen Verkehrsraum,<br />

Schutz vor Ladendieben, Türsteher von Diskotheken) ein Schild mit ihrem Namen o<strong>der</strong> einer<br />

Kennnummer sowie mit dem Namen <strong>des</strong> Bewachungsunternehmers zu tragen.<br />

Diese Regelung hat sich nach meinem Kenntnisstand bewährt. Die Anwendungspraxis dieser<br />

Vorschrift hat keine Gefährdung <strong>der</strong> Bediensteten erkennen lassen.<br />

6


Ardeq, „,<br />

Hartmut Aden<br />

Die Kennzeichnung von Polizeibediensteten<br />

Son<strong>der</strong>druck aus:<br />

Die Polizei 2010 (101. Jg., Nr. 12), S. 347-352


Prof. Dr. Hartmut Aden, Berlin"<br />

Die Kennzeichnung von Polizeibediensteten<br />

In letzter Zeit wird in Deutschland wie<strong>der</strong> intensiv diskutiert,<br />

ob Polizeibedienstete dazu verpflichtet werden sollten, bei<br />

dienstlichen Einsätzen Namensschil<strong>der</strong> o<strong>der</strong> jedenfalls ein<br />

Kennzeichen zu tragen. Fälle, in denen unprofessionelle Verhaltensweisen<br />

o<strong>der</strong> gar Straftaten von Polizeibediensteten<br />

ohne Folgen blieben, weil die Verantwortlichen nicht identifiziert<br />

werden konnten, gaben in <strong>der</strong> Vergangenheit immer wie<strong>der</strong><br />

Anlass zu entsprechenden For<strong>der</strong>ungen. In Sachsen und<br />

Brandenburg wurden Gesetzentwürfe zu diesem Thema in<br />

die <strong>Landtag</strong>e eingebracht. In Berlin gibt es Bestrebungen <strong>für</strong><br />

eine verwaltungsinterne Lösung. Dieser Beitrag diskutiert diese<br />

verschiedenen Wege und zeigt, dass eine gesetzliche Regelung<br />

zu empfehlen ist. Erlegt dar, dass eine Kennzeichnungsregelung<br />

allein polizeiliches Fehlverhalten nicht verhin<strong>der</strong>n kann. Die<br />

Ursachen solchen Fehlverhaltens bedürfen größerer Aufmerksamkeit<br />

und daraus abgeleiteter Än<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Polizeikultur.<br />

1. Achsen <strong>der</strong> gegenwärtigen Kennzeichnungsdiskussion<br />

In Sachsen' und Brandenburg' haben Oppositionsfraktionen<br />

verschiedener politischer Provenienz Entwürfe <strong>für</strong> gesetzliche<br />

Regelungen vorgelegt, die eine Kennzeichnung von Polizeibediensteten<br />

im Einsatz verbindlich vorschreiben. In Berlin<br />

hat <strong>der</strong> Polizeipräsident sich <strong>für</strong> eine Kennzeichnungspflicht<br />

ausgesprochen. Sein Versuch einer hausinternen Lösung<br />

durch Erlass einer Geschäftsanweisung scheiterte<br />

allerdings bislang an <strong>der</strong> Personalvertretung, <strong>der</strong>en Mitbestimmung<br />

solche Verwaltungsvorschriften unterliegen.' In<br />

den meisten Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong>n haben die Polizeibediensteten<br />

die Möglichkeit, freiwillig ein Namensschild zu tragen,' zumeist<br />

unterstützt durch die Dienststellen, die zu den Uniformen<br />

passende Schil<strong>der</strong> bereitstellen.<br />

Amnesty International dokumentierte in einem im Sommer<br />

2010 veröffentlichten Bericht' erneut eine Reihe von Fäl-<br />

* Der Autor ist Professor <strong>für</strong> Öffentliches Recht und Europarecht an<br />

<strong>der</strong> Hochschule <strong>für</strong> Wirtschaft und Recht Berlin, Fachbereich Polizei<br />

und Sicherheitsmanagement. Dieser Beitrag basiert auf <strong>der</strong><br />

Stellungnahme, die <strong>der</strong> Verfasser am 19. 8.2010 anlässlich einer<br />

Anhörung <strong>des</strong> Innenausschusses <strong>des</strong> Sächsischen <strong>Landtag</strong>es zum<br />

Entwurf <strong>der</strong> Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen<br />

<strong>Landtag</strong> vom 12. 1.2010 <strong>für</strong> ein »Gesetz über die Keruizeichnungsund<br />

Ausweisungspflicht <strong>der</strong> Bediensteten <strong>der</strong> Polizei«, <strong>Landtag</strong>s-Drucksache<br />

5/1006, abgegeben hat. Der Verfasser dankt<br />

Herrn Assessor jur. KKA Christian Franzen und Frau Julia Boegel<br />

<strong>für</strong> Recherchen zur Vorbereitung dieses Beitrags.<br />

1 Entwurf <strong>der</strong> Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen<br />

<strong>Landtag</strong> vom 12. 1. 2010, a. a. 0.<br />

2 Entwurf <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> CDU im <strong>Landtag</strong> Brandenburg vom<br />

17. 6.2010 <strong>für</strong> ein »Siebentes Gesetz zur Än<strong>der</strong>ung <strong>des</strong> Brandenburgischen<br />

Polizeigesetzes«, <strong>Landtag</strong>s-Drucksache 5/1442.<br />

3 So z. B. die Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei Berlin: littp://www.gdp.de/<br />

gdp/gdpber.nsf/id/DE_Gesamtpersonalrat_GPR_lehnt_die von_<br />

Polizeipraesident_D ieter_Glietsch_gefor<strong>der</strong>te_Zwangskennzeichn<br />

(überprüft am 10. 9. 2010).<br />

4 So in Berlin aufgrund einer Geschäftsanweisung aus dem Jahr 2003<br />

<strong>für</strong> Dienstkleidungsträger.<br />

5 Amnesty Interrzational, Sektion <strong>der</strong> Bun<strong>des</strong>republik Deutschland<br />

e. V, Täter unbekannt: Mangelnde Aufklärung von mutmaßlichen<br />

Misshandlungen durch die Polizei in Deutschland, Bonn 2010; zuvor<br />

bereits: Amnesty International, Sektion <strong>der</strong> Bun<strong>des</strong>republik<br />

Deutschland e. V., Erneut im Fokus: Vorwürfe über polizeiliche<br />

Misshandlungen und den Einsatz unverhältnismäßiger Gewalt in<br />

Deutschland, Bonn 2004 (deutsche 'Übersetzung <strong>der</strong> vom internationalen<br />

Sekretariat von Amnesty International herausgegebenen<br />

Ausgabe).<br />

len aus den letzten Jahren, die zeigen, dass Fehlverhalten von<br />

Polizeibediensteten in einer relevanten Zahl von Fällen nur<br />

<strong>des</strong>halb nicht sanktioniert wird, weil eine festgestellte Tat keinem<br />

konkreten Beamten zugeordnet werden kann. Die For<strong>der</strong>ung<br />

nach einer Kennzeichnung <strong>der</strong> Polizeibediensteten<br />

im Einsatz zählt <strong>des</strong>halb zu den Schlussfolgerungen und<br />

Empfehlungen <strong>des</strong> Amnesty-Berichts. Weitere Organisationen,<br />

darunter <strong>der</strong> Deutsche Anwaltsverein, sprachen sich im<br />

Sommer 2010 <strong>für</strong> eine obligatorische Kennzeichnung aus.'<br />

2. Zielrichtung: Transparenz, Serviceorientierung, und<br />

hohes Verantwortungsniveau – auch <strong>für</strong> den Polizeidienst<br />

Verwaltungswissenschaftlich gesehen trägt Transparenz zu<br />

einer effizienteren Verwaltung bei. In Deutschland herrschte<br />

lange Zeit das Modell einer Geheimverwaltung vor. Nur die<br />

von einem Verwaltungsverfahren unmittelbar Betroffenen<br />

hatten Informationsansprüche. Aufgrund internationaler<br />

und europäischer Einflüsse hat sich dies in den letzten Jahren<br />

grundlegend gewandelt. Informationszugangsrechte ohne<br />

Nachweis eines konkreten rechtlichen Interesses wurden zunächst<br />

<strong>für</strong> die Umweltverwaltung, inzwischen <strong>für</strong> weite Teile<br />

<strong>der</strong> übrigen Verwaltungen Rechtswirklichkeit.' Für die betroffenen<br />

Dienststellen mag dies zunächst unbequem und<br />

aufwendig erscheinen. Die positiven Effekte sind aber unbestritten,<br />

Hierzu zählt auch <strong>der</strong> Umstand, dass Verwaltungsmitarbeiter<br />

unter Beobachtung einer größeren Öffentlichkeit<br />

zusätzliche Anreize haben, über ihr Auftreten, ihr Handeln<br />

und ihre Arbeitsergebnisse selbstkritisch nachzudenken.<br />

Für Sicherheitsbehörden gelten in puncto Transparenz<br />

weitreichende Ausnahmen, 8 und dies aus guten Gründen.<br />

Denn Sicherheitsbehörden verfügen nicht nur über beson<strong>der</strong>s<br />

sensible personenbezogene Daten. Vollständige Transparenz<br />

kann in bestimmten Situationen auch die Sicherheit<br />

gefährden. Dennoch kann <strong>der</strong> Trend zu einer transparenten<br />

Verwaltung vor <strong>der</strong> Polizei und an<strong>der</strong>en Sicherheitsbehörden<br />

nicht Halt machen. Denn nur ein geringer Teil <strong>der</strong> Informationen,<br />

die eine große Verwaltung wie die Polizei tagtäglich<br />

produziert, ist so »sensibel«, dass diese auf keinen Fall nach<br />

außen dringen dürfen. Gut organisierte Polizeibehörden nutzen<br />

längst das Internet <strong>für</strong> die Information <strong>der</strong> Öffentlichkeit,<br />

z. B, indem sie ihre Organisationsstrukturen transparent<br />

machen und es Außenstehenden erleichtern, die jeweils zuständigen<br />

Ansprechpartner zu finden und zu erreichen.'<br />

Auch das Tragen von Namensschil<strong>der</strong>n ist selbstverständliches<br />

Element einer mo<strong>der</strong>nen, serviceorientierten Organi-<br />

6 Deutscher Anwaltsverein (durch den Gefahrenabwehrrechtsausschuss),<br />

Stellungnahme zur For<strong>der</strong>ung einer Kennzeichnungspflicht<br />

<strong>für</strong> Polizeibedienstete, Berlin (DAV-Stellungnahme<br />

38/2010).<br />

7 Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong> vom 5. 9. 2005,<br />

BGBl. I, 2005, S. 2722; auch viele Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong> haben Informationsfreiheitsgesetze<br />

erlassen. Zur Entwicklung, auch rechtsvergleichend:<br />

Michael Kloepfer, Informationsrecht, München 2002,<br />

S. 400 ff.<br />

8 So in S 3 Nr. 1 und 2 IFG.<br />

9 Vgl. hierzu die unterschiedlich konzipierten Internetauftritte <strong>der</strong><br />

Lan<strong>des</strong>polizeien, die über das Portal www.polizei.de erreichbar<br />

sind.<br />

Heft 12/2010 347


sation, die die Bürgerinnen ünd Bürger nicht mehr in erster<br />

Linie als Adressaten von Anweisungen, son<strong>der</strong>n auch o<strong>der</strong><br />

sogar vorrangig als Nachfrager <strong>des</strong> öffentliches Gutes Sicherheit<br />

ansieht.<br />

Ein weiterer Aspekt kommt hinzu: In mo<strong>der</strong>nen Verwaltungen<br />

ist <strong>der</strong> einzelne Mitarbeiter nicht mehr nur ausführen<strong>des</strong><br />

Organ <strong>für</strong> Anweisungen einer anonymen Hierarchie.<br />

Vielmehr haben sich Ausbildung und Führungskonzepte<br />

dahin geän<strong>der</strong>t, dass die Bediensteten in ihren<br />

Zuständigkeitsbereichen weitgehend eigenständig und verantwortungsvoll<br />

entscheiden und handeln. Diese Entwicklung<br />

ist gerade <strong>für</strong> den Polizeiberuf mit <strong>der</strong> hohen Verantwortung<br />

<strong>für</strong> das Entscheiden im Einzelfall auf <strong>der</strong> Grundlage<br />

von Ermessensspielräumen von großer Bedeutung.<br />

Zwar tragen Polizeibeamte Uniformen, die ihrem Gegenüber<br />

deutlich machen, dass hier keine Privatperson, son<strong>der</strong>n<br />

ein staatlich legitimierter Hoheitsträger handelt.<br />

Doch entbindet die Uniformierung die einzelnen Polizeibediensteten<br />

nicht von <strong>der</strong> individuellen Verantwortung <strong>für</strong><br />

ihr Handeln. Selbst in Situationen, in denen geschlossene<br />

Einheiten aufgrund von bisweilen kleinteiligen Einsatzbefehlen<br />

arbeiten, bleiben den einzelnen Bediensteten in den<br />

Grenzen <strong>der</strong> konkreten Anweisung und <strong>der</strong> allgemeinen<br />

rechtlichen Regeln noch erhebliche Spielräume: Wie<br />

freundlich o<strong>der</strong> unfreundlich Polizeibedienstete auftreten,<br />

ob sie auf aggressives Verhalten gelassen o<strong>der</strong> mit Gegenaggression<br />

reagieren, wie »hart« o<strong>der</strong> »sanft« eine Zwangsmaßnahme,<br />

z. B. die Räumung einer Blockade, durchgeführt<br />

wird – dies sind Beispiele <strong>für</strong> eigenverantwortliche<br />

Entscheidungsspielräume, die den Polizeibediensteten auch<br />

in scheinbar detailliert reglementierten Einsatzsituationen<br />

verbleiben.<br />

Aufgrund dieser hohen Verantwortung erscheint es als logische<br />

Entwicklung, dass Polizeibedienstete den Bürgerinnen<br />

und Bürgern nicht mehr nur als anonymer Teil einer uniformierten<br />

Berufsgruppe gegenüber treten, son<strong>der</strong>n auch als verantwortlich<br />

handelnde Individuen. Das Tragen eines Namensschil<strong>des</strong><br />

ist damit logische Konsequenz aus dem gestiegenen<br />

Verantwortungsniveau.<br />

3. Prävention und Aufklärung von Fehlverhalten als<br />

Gründe <strong>für</strong> eine Kennzeichnung<br />

Die guten Gründe <strong>für</strong> eine stärkere Serviceorientierung auch<br />

von Sicherheitsbehörden rechtfertigen bereits <strong>für</strong> sich die<br />

Einführung einer gesetzlichen Kennzeichnungspflicht <strong>für</strong><br />

Polizeibedienstete.<br />

An<strong>der</strong>e min<strong>des</strong>tens ebenso wichtige Gründe kommen hinzu:<br />

Polizeibedienstete, die je<strong>der</strong>zeit identifizierbar sind – sei<br />

es durch ein Namensschild o<strong>der</strong> ein Kennzeichen – können<br />

sich nicht hinter <strong>der</strong> scheinbar anonymen Situation <strong>des</strong> Einsatzes<br />

in Gruppen o<strong>der</strong> geschlossenen Einheiten verstecken.<br />

Vielmehr ist ihnen so von vornherein klar, dass sie die Verantwortung<br />

<strong>für</strong> die Professionalität ihres Handelns übernehmen<br />

müssen. Überreaktionen auf Provokationen o<strong>der</strong> ungebührlich<br />

hartes Handeln zum Nachteil eines missliebigen polizeilichen<br />

Gegenübers können damit zwar nicht völlig ausgeschlossen<br />

werden. Sie werden aber wesentlich weniger wahrscheinlich,<br />

wenn die Handelnden damit rechnen müssen, <strong>für</strong><br />

die professionelle Angemessenheit ihres Verhaltens im Einsatz<br />

Rechenschaft ablegen und die Verantwortung übernehmen<br />

zu müssen.<br />

Die For<strong>der</strong>ung nach einer Kennzeichnung von Polizeibeamten<br />

im Einsatz ist nicht neu. Seit Jahrzehnten zählt sie regelmäßig<br />

zu den Schlussfolgerungen aus nicht aufzuklärenden<br />

Fällen polizeilichen Fehlverhaltens. t° So kam <strong>der</strong> Parlamentarische<br />

Untersuchungsausschuss in Hamburg, <strong>der</strong> sich<br />

in den 1990er Jahren mit einer Reihe von Fällen polizeilichen<br />

Fehlverhaltens beschäftigte, u. a. zu dem Ergebnis: »Zur<br />

Identifizierung eines Polizisten ist das Tragen von Namensschil<strong>der</strong>n<br />

wichtig. Durch Zahlen statt Namen sind be<strong>für</strong>chtete<br />

Racheakte gegen Polizisten auszuschließen.ell<br />

Kommt es trotz <strong>des</strong> hohen professionellen Niveaus, auf<br />

dem mo<strong>der</strong>ne Polizeiorganisationen heute arbeiten, zu Fehlern,<br />

durch die Außenstehende geschädigt werden, so zeichnet<br />

sich ein Rechtsstaat dadurch aus, dass er den Betroffenen<br />

effektive Rechtsschutzmöglichkeiten zur Verfügung stellt. In<br />

Deutschland hat dies durch die Rechtswegegarantie in<br />

Art. 19 Abs. 4 GG Verfassungsrang? Der im Jahr 2001 vom<br />

Ministerkomitee <strong>des</strong> Europarats verabschiedete Europäische<br />

Kodex <strong>für</strong> Polizeiethik betont, dass die öffentliche Hand<br />

»wirksame und unparteiische Beschwerdeverfahren gegen<br />

die Polizei einrichten« muss." In Deutschland gibt es zwar<br />

grundsätzlich hinreichende gerichtliche Verfahren, mit denen<br />

Betroffene Verwaltungshandeln nachprüfen lassen können.<br />

Doch sind diese nur dann wirksam im Sinne <strong>des</strong> Polizeiethik-Kodexes,<br />

wenn zugleich Vorkehrungen getroffen werden,<br />

dass diese Verfahren nicht aus Mangel an nachprüfbaren<br />

Beweisen ins Leere laufen. Daher erfor<strong>der</strong>t die effektive Umsetzung<br />

<strong>des</strong> Kodexes die Kennzeichnung <strong>der</strong> Polizeibediensteten<br />

im Einsatz.14<br />

Die von Amnesty International veröffentlichten Einzelfälle<br />

wecken Zweifel, ob die deutschen Polizeiorganisationen<br />

diesen Standard vollständig erfüllen. Ermittlungsverfahren<br />

wegen Körperverletzung im Amt (§, 340 StGB) werden beson<strong>der</strong>s<br />

oft eingestellt. So verhandelten Strafgerichte im Jahr<br />

2008 nur 94 Fälle nach dieser Vorschrift," während laut polizeilicher<br />

Kriminalstatistik in den zurückliegenden Jahren<br />

konstant jeweils mehr als 2.000 Ermittlungsverfahren wegen<br />

dieses Delikts eingeleitet wurden." Nur in einer kleinen Zahl<br />

<strong>der</strong> Fälle kommt es zu Verurteilungen." Diese Diskrepanz<br />

10 Z. B. Manfred Such, Namens- und Nummernschil<strong>der</strong> signalisieren<br />

kein Misstrauen gegen die Polizei!, in: Manfred Brusten (Hg.),<br />

Polizei-Politik, Kriminologisches Journal, Beiheft 4, 1992,<br />

S. 130-135; Zur Entwicklung <strong>der</strong> Diskussion: Otto Die<strong>der</strong>ichs,<br />

Never ending story: Kennzeichnung von Polizeibeamten, in Bürgerrechte'<br />

& Polizei/CILIP 94 (3/2009), S. 58-65; be<strong>für</strong>wortend<br />

auch: Andreas Greifeid, Persönliche Kennzeichnung von Polizeibeamten,<br />

in: Zeitschrift <strong>für</strong> Rechtspolitik 1982 (15 Jg., Nr. 12),<br />

S. 318-320.<br />

11 Bürgerschaft <strong>der</strong> Freien und Hansestadt Hamburg, Bericht <strong>des</strong><br />

Parlamentarischen Untersuchungsausschusses »Hamburger Polizei«,<br />

Bürgerschafts-Drs. 15/6200 vom <strong>13.</strong> 11. 1996, S. 1072.<br />

12 Zur Reichweite: Hans D. Jarass, in: <strong>der</strong>s./ Bodo Pieroth, Grundgesetz<br />

<strong>für</strong> die Bun<strong>des</strong>republik Deutschland. Kommentar, 10. Aufl.,<br />

München 2009, Art. 19 Rn. 32 ff.<br />

13 Europarat, Ministerkomitee, Empfehlung Rec (2001)10 über den<br />

Europäischen Kodex <strong>für</strong> Polizeiethik, Ziffer VI 61.<br />

14 Mit weiteren völkerrechtlichen Argumenten: Amnesty International,<br />

Bericht 2010, a. a. 0., S. 78 ff.<br />

15 Nähere Analyse bei: Tobias Singelnstein, Polizisten vor Gericht:<br />

Strafverfahren wegen Körperverletzung im Amt, in: Bürgerrechte<br />

& Polizei/CILIP 95 (1/2010), S. 55. Dieses Delikt kann nicht nur<br />

von Polizeibediensteten begangen werden; ein Teil <strong>der</strong> Fälle entfällt<br />

auf an<strong>der</strong>e Amtsträger wie z. B. Zollbeamte, Strafvollzugsbedienstete,<br />

Lehrer o<strong>der</strong> Erzieher.<br />

16 Die Polizeiliche Kriminalstatistik registriert 2.314 Ermittlungsverfahren<br />

nach § 340 StGB <strong>für</strong> das Jahr 2008, 2.288 <strong>für</strong> das Jahr<br />

2007, 2.127 <strong>für</strong> das Jahr 2000 und 2.105 <strong>für</strong> das Jahr 1999: Bun<strong>des</strong>kriminalamt,<br />

Polizeiliche Kriminalstatistik 2008, 'Wiesbaden<br />

2009, S. 209 und 2000, Wiesbaden 2001, S. 214.<br />

17 Ausführlicher hierzu: Tobias Singelnstein, Institutionalisierte<br />

Handlungsnormen bei den Staatsanwaltschaften im Umgang mit<br />

Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung im Amt gegen<br />

348 DIE POLIZEI


spiegelt einerseits den Umstand wi<strong>der</strong>, dass es Fälle gibt, in<br />

denen Außenstehende Polizeibedienstete unzutreffend einer<br />

Körperverletzung im Amt bezichtigen. Hinzu kommt aber<br />

eine problematische Gruppe von Sachverhalten, in denen<br />

bei den Ermittlungen objektiv festgestellt wird, dass ein polizeiliches<br />

Fehlverhalten vorgelegen hat. In manchen <strong>der</strong> von<br />

Amnesty International dokumentierten Fälle erhielten die<br />

Opfer sogar Entschädigungszahlungen. Zur Anklage kam es<br />

aber nicht, weil die konkret verantwortlichen Personen nicht<br />

ermittelt werden konnzen. 18 Die Kennzeichnung könnte jedenfalls<br />

dazu beitragen, die Zahl solcher nicht aufzuklärenden<br />

Fälle zu verringern. Eine im Auftrag <strong>der</strong> Berliner Polizei<br />

entstandene empirische Untersuchung anhand von Berliner<br />

Ermittlungsverfahren nach S 340 StGB aus den Jahren 2006<br />

bis 2008 kommt zu dem Ergebnis, dass eine Kennzeichnung<br />

immerhin bei 9 % <strong>der</strong> untersuchten Fälle die Ermittlungen<br />

erleichtert hätte,' 9 Dieser Anteil mag auf den ersten Blick gering<br />

erscheinen. Vor dem Hintergrund, dass auch die problematischen,<br />

nicht aufzuklärenden Fälle nur einen kleinen Anteil<br />

<strong>der</strong> Ermittlungsverfahren nach § 340 StGB ausmachen,<br />

stützt das Ergebnis die Erwartung, dass eine Kennzeichnungspflicht<br />

gerade in den Fällen die Ermittlungen erleichtert,<br />

in denen die Taten, nicht aber die Täter feststehen.<br />

Im Ergebnis dient eine Kennzeichnungspflicht auch den<br />

betroffenen Polizeibediensteten selbst, und das unter zwei<br />

Aspekten: Erstens werden sie so von unprofessionellem Verhalten<br />

abgehalten, das bei einer Überführung schwere dienstrechtliche<br />

Folgen haben kann. An<strong>der</strong>erseits erleichtert die<br />

Identifizierung <strong>der</strong> Beteiligten auch die Entlastung von unberechtigten<br />

Vorwürfen, etwa dadurch, dass umstehende Bedienstete<br />

leichter ermittelt und zu <strong>der</strong> betreffenden Situation<br />

befragt werden können. Beide Argumente gelten umso mehr<br />

<strong>des</strong>halb, weil viele Einsatzsituationen heute durch private<br />

Foto- o<strong>der</strong> Videoaufnahmen dokumentiert werden, die als<br />

be- o<strong>der</strong> entlasten<strong>des</strong> Beweismaterial bei <strong>der</strong> Aufklärung<br />

von Vorwürfen unrechtmäßigen Polizeihandelns herangezogenen<br />

werden können.<br />

Personalräte und Gewerkschaften haben den Einwand erhoben,<br />

eine Kennzeichnung stelle alle Polizeibediensteten<br />

unter den Generalverdacht unrechtmäßigen Handelns. In<br />

Anbetracht <strong>der</strong> Selbstverständlichkeit, mit <strong>der</strong> Bedienstete<br />

an<strong>der</strong>er Verwaltungen heute ihrem Publikum namentlich gegenüber<br />

treten, stehen in<strong>des</strong> Offenheit und Transparenz im<br />

Mittelpunkt <strong>des</strong> Interesses. Dass nur ein sehr geringer Teil<br />

<strong>der</strong> Polizeibediensteten zu unprofessionellem o<strong>der</strong> gar unrechtmäßigem<br />

Handeln neigt, steht dabei außer Frage. Ferner<br />

wurde die Sorge geäußert, Polizeibedienstete o<strong>der</strong> ihre Familien<br />

könnten Opfer gewaltsamer Racheakte werden, wenn ihr<br />

Name öffentlich bekannt wird Z° Wenn die Möglichkeit besteht,<br />

in Situationen, die als gefährlich eingeschätzt werden,<br />

das Namensschild durch ein Kennzeichen zu ersetzen, dürfte<br />

eine solche Gefahr nicht bestehen." Denn nur die Dienststel-<br />

Polizeivollzugsbeamte, in: Monatsschrift <strong>für</strong> Kriminologie und<br />

Strafrechtsreform 2003 (86. Jg., Nr. 1), S. 1-26 (7 ff.).<br />

18 Z. B. Amnesty International, Bericht 2010, a. a. 0., S. 76 und<br />

S. 78.<br />

19 Klaus Rogall, Zur Frage <strong>der</strong> Einführung einer individuellen Kennzeichnungspflicht<br />

bei uniformierten Polizeibediensteten, Gutachten,<br />

unveröffentlichtes Typoskript, Berlin 2008, S. 128 et passim.<br />

20 Z. B. Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei a. a. 0.<br />

21 So auch Bürgerschaft <strong>der</strong> Freien und Hansestadt Hamburg, Bericht<br />

<strong>des</strong> Parlamentarischen Untersuchungsausschusses »Hamburger<br />

0.<br />

le verfügt über die zusätzlichen Informationen die eine eindeutige<br />

Zuordnung <strong>des</strong> Kennzeichens zu einer bestimmten<br />

Person ermöglichen. Dort wo Polizeibedienstete freiwillig<br />

Namensschil<strong>der</strong> tragen, sind Racheakte zudem bisher nicht<br />

bekannt geworden.<br />

4. Kennzeichnung – freiwillig o<strong>der</strong> als Pflicht?<br />

Seit den 1970er Jahren stand die Kennzeichnung von Polizeibediensteten<br />

in verschiedenen Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong>n immer wie<strong>der</strong><br />

auf <strong>der</strong> Tagesordnung?' Drei Varianten werden diskutiert:<br />

Das freiwillige Tragen von Namensschil<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> Kennzeichen,<br />

eine behördeninterne Verpflichtung hierzu und eine gesetzliche<br />

Regelung.<br />

4.1 Freiwilliges Tragen von Namensschil<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> Kennzeichen<br />

Die freiwillige Variante hätte den Vorzug, dass sie den einzelnen<br />

Bediensteten als verantwortlich handeln<strong>des</strong> Individuum<br />

beson<strong>der</strong>s ernst nimmt. Dort wo diese Möglichkeit bereits<br />

besteht, zeigen die Erfahrungen in<strong>des</strong>, dass in erster Linie<br />

die ohnehin beson<strong>der</strong>s engagiert und verantwortungsvoll<br />

handelnden Polizeibediensteten im Interesse einer besseren<br />

Kommunikation gerne von dieser Möglichkeit Gebrauch<br />

machen. Die eigentlich problematischen Fälle, <strong>für</strong> die eine<br />

Kennzeichnung gefor<strong>der</strong>t wird, bleiben aber außen vor: Die<br />

beson<strong>der</strong>s konfliktträchtigen Einsätze bei Versammlungen<br />

o<strong>der</strong> größeren Veranstaltungen, bei denen geschlossene Einheiten<br />

tätig sind. Gerade Bedienstete, die ein negatives Bild<br />

ihres Gegenübers mitbringen, z. B. aufgrund von unangenehmen<br />

Erfahrungen bei früheren Einsätzen, werden hier kaum<br />

mit einer freiwilligen Kennzeichnung auftreten. Die relative<br />

Anonymität solcher Einsatzsituationen begünstigt Regelverletzungen<br />

und unprofessionelles Verhalten sowie die Überreaktion<br />

auf Provokationen. Eine freiwillige Kennzeichnungslösung<br />

kann die von Amnesty International und an<strong>der</strong>en aufgezeigten<br />

Probleme daher nicht lösen.<br />

4,2 Verpflichtung durch Dienstanweisung<br />

Die zweite Variante besteht in einer Verpflichtung zum Tragen<br />

von Namen o<strong>der</strong> Kennzeichen durch Dienstanweisung<br />

o<strong>der</strong> Dienstvereinbarung. Hier ist das Personalvertretungsrecht<br />

anwendbar. Die Regelungen unterliegen <strong>der</strong> Mitbestimmung.23<br />

Damit haben die Personalvertretungen es in <strong>der</strong><br />

Hand, die bei einem Teil <strong>der</strong> Bediensteten wenig beliebte<br />

Kennzeichnung zu verhin<strong>der</strong>n.<br />

Nicht nur diese faktische Vetoposition <strong>der</strong> Personalvertretung<br />

spricht in<strong>des</strong> gegen eine Verpflichtung per Dienstanweisung.<br />

Gewichtige rechtliche Argumente kommen hinzu: Legt<br />

<strong>der</strong> Dienstherr einem Beamten die Pflicht auf, seine personenbezogenen<br />

Daten öffentlich zu machen, so greift er in<br />

das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein. Egal<br />

ob Name o<strong>der</strong> Kennziffer – aus <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong> betroffenen<br />

Beamten handelt es sich um personenbezogene Daten.<br />

Nach <strong>der</strong> Legaldefinition <strong>des</strong> § 3 Abs. 1 BDSG sind personenbezogene<br />

Daten Einzelangaben über persönliche o<strong>der</strong><br />

sachliche Verhältnisse einer bestimmten o<strong>der</strong> bestimmbaren<br />

22 Überblick bei Die<strong>der</strong>ichs, a. a. 0.<br />

23 Dienstanweisungen zur Kennzeichnung dürften Regelungen »<strong>der</strong><br />

Ordnung in <strong>der</strong> Dienststelle und <strong>des</strong> Verhaltens <strong>der</strong> Beschäftigten«<br />

sein, die gemäß 5 75 Abs. 3 Nr. 13 Bun<strong>des</strong>personalvertretungsgesetz<br />

<strong>der</strong> Mitbestimmung unterliegen. Wo auch explizit<br />

die »Trageordnungen <strong>für</strong> Dienstkleidung« als mitbestimmungsbedürftig<br />

aufgeführt sind, dürfte diese Regelung einschlägig sein,<br />

so § 87 Abs. 2 Nr. 7 Personalvertretungsgesetz Berlin.<br />

Heft 12/2010 349


natürlichen Person. Der Name ist somit per se personenbezogenes<br />

Datum, ein Kennzeichen führt dazu, dass die Person<br />

<strong>für</strong> diejenigen bestimmbar ist, die über den Zuordnungsschlüssel<br />

<strong>des</strong> Kennzeichens zu einer bestimmten Person verfügen."<br />

Welche Anfor<strong>der</strong>ungen an rechtliche Regelungen zu stellen<br />

sind, die einen solchen Eingriff legitimieren, ist nicht abschließend<br />

geklärt. in den 1990er Jahren hat das Verwaltungsgericht<br />

Frankfurt/Main eine Regelung <strong>für</strong> rechtmäßig gehalten,<br />

die Beamtinnen und Beamte <strong>der</strong> hessischen Schutz-, Bereitschafts-<br />

und Wasserschutzpolizei per Erlass verpflichtete,<br />

Namensschil<strong>der</strong> an <strong>der</strong> Dienstkleidung zu tragen, Dieser Erlass<br />

räumte den einzelnen Bediensteten aber ein Recht ein,<br />

das Namensschild in Gefährdungssituationen in eigener Verantwortung<br />

abzulegen. Als Rechtsgrundlage <strong>für</strong> diese verwaltungsinterne<br />

Regelung hielt das VG Frankfurt/Main seinerzeit<br />

die allgemeinen beamtenrechtlichen Bestimmungen<br />

<strong>für</strong> ausreichend, denen zufolge Beamte verpflichtet sind, die<br />

Anordnungen ihrer Vorgesetzten auszuführen und sie die<br />

volle persönliche Verantwortung <strong>für</strong> die Rechtmäßigkeit ihrer<br />

dienstlichen Handlungen tragen. 25 Das Oberverwaltungsgericht<br />

Rheinland-Pfalz hat im Jahr 2007 die Klage eines Bibliotheksmitarbeiters<br />

abgewiesen, <strong>der</strong> nicht mit <strong>der</strong> Veröffentlichung<br />

seines Namens und seiner dienstlichen Kontaktdaten<br />

im Internetauftritt <strong>der</strong> Bibliothek einverstanden war.<br />

Das OVG stellte einen Eingriff in das Recht auf informationelle<br />

Selbstbestimmung <strong>des</strong> betroffenen Mitarbeiters fest.<br />

Dieser Eingriff sei aber durch die Regelungen <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>beamtengesetzes<br />

und <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>datenschutzgesetzes zur Erhebung<br />

von Mitarbeiterdaten und zu <strong>der</strong>en Übermittlung an<br />

nicht-öffentliche Stellen hinreichend legitimiert.25<br />

Nach <strong>der</strong> Rechtsprechung <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>verfassungsgerichts<br />

bedürfen Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung<br />

einer hinreichend bestimmten gesetzlichen<br />

Grundlage. Anlass, Zweck und Grenzen <strong>des</strong> Eingriffs müssen<br />

in <strong>der</strong> Ermächtigung bereichsspezifisch, präzise und normenklar<br />

festgelegt werden." Daher ist zweifelhaft, ob die allgemeinen<br />

Klauseln in den Beamtengesetzen, nach denen <strong>der</strong><br />

Dienstherr den Beamten Anweisungen erteilen o<strong>der</strong> mit ihren<br />

personenbezogenen Daten umgehen darf, eine Kennzeichnungspflicht<br />

<strong>für</strong> Polizeibeamte hinreichend legitimieren.<br />

Eine Regelung per Dienstanweisung ist folglich nicht<br />

empfehlenswert.<br />

4.3 Verpflichtung durch Gesetz<br />

Die gesetzliche Lösung, wie sie in Sachsen und Brandenburg<br />

vorgeschlagen worden ist, hat somit wichtige Vorteile. Sie<br />

schafft eine hinreichend normenklare und bestimmte Rechtsgrundlage<br />

<strong>für</strong> den Eingriff in das Recht auf informationelle<br />

Selbstbestimmung <strong>der</strong>jenigen, die sich nicht <strong>für</strong> eine freiwillige<br />

Kennzeichnung entscheiden mögen. Min<strong>des</strong>tens ebenso<br />

gewichtig dürfte <strong>der</strong> Vorteil sein, dass die Kennzeichnung auf<br />

gesetzlicher Grundlage wesentlich stärker demokratisch legi-<br />

24 Vgl. auch Thilo Weichem, Kommentierung zu S 3, in: Wolfgang<br />

• Därtbler/ Thomas Klebe/ Peter Wedde/ Thilo Weichen, Bun<strong>des</strong>datenschutzgesetz,<br />

3. Aufl., Frankfurt/Main 2010.<br />

25 §§, 70, 71 Hessisches Beamtengesetz (entspricht 55 55, 60 Bun<strong>des</strong>beamtengesetz;<br />

21, 22 Lan<strong>des</strong>beamtengesetz Berlin); VG<br />

Frankfurt/Main, Urteil vom 10. 6. 1996, Az. 9 E 873/95, JMB1.<br />

Hessen 1996, S. 407 (410).<br />

26 OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 10. 9. 2008, Az. 2 A<br />

10413/07.OVG, Recht im Amt 2008, 5. 78.<br />

27 Ständige Rechtsprechung, z. B. BVerfG, Beschluss <strong>der</strong> 2. Kammer<br />

<strong>des</strong> Zweiten Senats vom 11. 8. 2009, Az. 2 BvR 941/08.<br />

timiert ist als eine verwaltungsinterne Anweisung. Die entscheidenden<br />

Abgeordneten können so unterstreichen, dass<br />

ihnen eine mo<strong>der</strong>ne, professionell, rechtsstaatlich und serviceorientiert<br />

arbeitende Polizei ein wichtiges Anliegen ist.<br />

Zugleich übernehmen sie gegenüber den Bediensteten, die einer<br />

Kennzeichnungspflicht mit Skepsis o<strong>der</strong> Sorgen gegenüber<br />

stehen, die politische Verantwortung <strong>für</strong> diese Maßnahme<br />

zur Stärkung von Transparenz und verantwortlichem<br />

Handeln.<br />

5. Eckpunkte einer gesetzlichen Kennzeichnungspflicht:<br />

Die Entwürfe in Sachsen und Brandenburg<br />

Der sächsische Gesetzentwurf schlägt vor, die Kennzeichnungspflicht<br />

als Ergänzung in § 8 <strong>des</strong> Polizeigesetzes <strong>des</strong><br />

Freistaates Sachsen (SächsPolG) einzufügen, <strong>der</strong> bisher <strong>für</strong><br />

Angehörige <strong>der</strong> Polizei die Pflicht regelt, sich auf Verlangen<br />

gegenüber den von <strong>der</strong> Diensthandlung Betroffenen mit ihrem<br />

Dienstausweis zu legitimieren. Der Gesetzentwurf<br />

schlägt die Umbenennung dieses Paragraphen von »Ausweispflicht«<br />

in »Kennzeichnungs- und Ausweisungspflicht« vor.<br />

Der Titel »Kennzeichnungs- und Ausweispflicht« o<strong>der</strong><br />

»Kennzeichnungs- und Legitimationspflicht« wäre sicherlich<br />

aufgrund <strong>der</strong> begrifflichen Verwechslungsgefahr mit<br />

dem auslän<strong>der</strong>rechtlichen Ausweisungsbegriff empfehlenswerter.<br />

Inhaltlich wird § 8 nach dem Entwurf um folgende<br />

Formulierungen ergänzt:<br />

»Angehörige <strong>der</strong> Polizei tragen bei Diensthandlungen ein<br />

deutlich sichtbares Namensschild mit Dienstgrad. Das Namensschild<br />

kann beim Einsatz geschlossener Einheiten durch<br />

eine zur nachträglichen Identitätsfeststellung geeignete<br />

Kennzeichnung ersetzt werden, «<br />

Die Möglichkeit, das Namensschild durch eine an<strong>der</strong>e individuelle<br />

Kennzeichnung (Kennziffer o. ä.) zu ersetzten,<br />

könnte auch weiter gefasst und stärker in das Ermessen <strong>der</strong><br />

.einzelnen Bediensteten gestellt werden, Eine Kennzeichnungsregelung,<br />

die sich nicht nur auf die uniformierte<br />

Schutzpolizei und auf Einsatzkräfte bei Versammlungen<br />

und größeren Veranstaltungen bezieht, sollte hier weitere typische<br />

Gefährdungssituationen berücksichtigen: Auch bei<br />

Einsätzen in bestimmten kriminellen Milieus, die nicht von<br />

geschlossenen Einheiten durchgeführt werden, kann es im<br />

Interesse <strong>der</strong> Eigensicherung <strong>der</strong> eingesetzten Bediensteten<br />

angeraten sein, statt <strong>der</strong> namentlichen die alternative Kennzeichnung<br />

zu wählen. Die Wahl zwischen beiden Varianten<br />

könnte durchaus <strong>der</strong> individuellen Sicherheitseinschätzung<br />

<strong>der</strong> Bediensteten überlassen werden.<br />

Die <strong>für</strong> die Ausweispflicht geltende Ausnahmeklausel <strong>für</strong><br />

beson<strong>der</strong>e Umstände, die es ausnahmsweise rechtfertigen,<br />

den Ausweis nicht vorzuzeigen, wird nach dem sächsischen<br />

Vorschlag <strong>für</strong> die Ausweis- und Kennzeichnungspflicht gleichermaßen<br />

wie folgt gefasst: »Die Kennzeichnungs- und Ausweisungspflicht<br />

gilt nicht, wenn im Einzelfall <strong>der</strong> Zweck <strong>der</strong><br />

Maßnahme o<strong>der</strong> Leib, Leben o<strong>der</strong> Freiheit einer Person unmittelbar<br />

gefährdet würden. Diese Ausnahmen sind jeweils<br />

zu begründen und aktenkundig zu machen, Das Sächsische<br />

Staatsministerium <strong>des</strong> Innern wird ermächtigt, das Nähere<br />

durch Rechtsverordnung nach Anhörung <strong>des</strong> Sächsischen Datenschutzbeauftragten<br />

zu regeln.«<br />

Bei <strong>der</strong> oben skizzierten Variante, die die Wahlmöglichkeit<br />

zwischen Namen und alternativem Kennzeichen erweitert,<br />

wäre die in § 8 Abs. 2 <strong>der</strong> Entwurfsfassung vorgesehene Ausnahmeklausel<br />

nur noch <strong>für</strong> wenige Son<strong>der</strong>situationen relevant.<br />

Hiervon dürfte sachlogisch <strong>der</strong> Einsatz verdeckter Ermittler<br />

(5 41 SächsPolG) erfasst sein. Auch beson<strong>der</strong>e Gefah-<br />

350 DIE POLIZEI


ensituationen, in denen eine spezielle Schutzausrüstung<br />

getragen. werden muss (Gefahrstoff-Schutzanzüge, Atemschutzmasken<br />

o. ä.) dürften erfasst sein. Die vorgeschlagene<br />

Begründungs- und Dokumentationspflicht stellt hinreichend<br />

sicher, dass von dieser Ausnahmeklausel nicht über Gebühr<br />

Gebrauch gemacht wird. Die Dienststellen können dieser<br />

Pflicht im Rahmen <strong>der</strong> schriftlichen Einsatzplanung nachkommen.<br />

Ein nennenswerter zusätzlicher Verwaltungsaufwand<br />

entsteht daher durch die Begründungs- und Dokumentationspflicht<br />

nicht.<br />

Der brandenburgische Gesetzentwurf wählt einen ähnlichen<br />

Ansatz, indem er die Kennzeichnungspflicht in den Paragraphen<br />

<strong>des</strong> Polizeigesetzes integriert, <strong>der</strong> in Brandenburg<br />

als Legitimationspflicht bezeichnet wird. Die Entwurfsformulierungen<br />

gleichen den sächsischen. Für den Einsatz geschlossener<br />

Einheiten eröffnet auch dieser Entwurf die Option<br />

einer die nachträgliche Identifizierung ermöglichenden<br />

Kennzeichnung.<br />

Sachsen<br />

Brandenburg<br />

Einbringende Bündnis 90/ CDU<br />

Fraktion<br />

Die Grünen<br />

Einbringung <strong>Landtag</strong>s-Druck- <strong>Landtag</strong>s-Drucksache<br />

5/1006 vom sache 5/1442 vom<br />

12. Januar 2010 17. Juni 2010<br />

Einfügungsstelle Bisherige Rege- Bisherige Regeim<br />

Polizeigesetz lung zur Ausweis- hing zur Legitimapflicht<br />

tionspflicht (5 9<br />

(§ 8 SächsPolG) BbgPolG)<br />

Bezeichnung <strong>der</strong> Angehörige <strong>der</strong> Polizeivollzugsbeerfassten<br />

Gruppe Polizei dienstete<br />

Inhalt <strong>der</strong> Kenn- Tragen eines dem- Tragen eines demzeichnungspflicht<br />

lich sichtbaren lieh sichtbaren<br />

Namensschil<strong>des</strong> Namensschil<strong>des</strong><br />

mit Dienstgrad bei mit Dienstgrad bei<br />

Diensthandlungen Amtshandlungen<br />

Alternative Verwendung einer Verwendung einer<br />

Kennzeichnung zur nachträglichen zur nachträglichen<br />

Identitätsfeststel- Identitätsfeststellung<br />

geeigneten lung geeigneten<br />

Kennzeichnung Kennzeichnung<br />

beim Einsatz ge- beim Einsatz geschlossener<br />

Ein- schlossener Einheiten<br />

heizen<br />

Ausnahmen von Wenn <strong>der</strong> Zweck Soweit <strong>der</strong> Zweck<br />

<strong>der</strong> Kennzeich- <strong>der</strong> Maßnahme <strong>der</strong> Amtshandlung<br />

nungs- und Aus- o<strong>der</strong> Leib, Leben beeinträchtigt<br />

weispflicht o<strong>der</strong> Freiheit einer würde.<br />

Person im Einzelfall<br />

unmittelbar<br />

gefährdet würden;<br />

Begründungs- und<br />

Dokumentationspflicht<br />

Verordnungser- Ermächtigung <strong>für</strong> Ermächtigung <strong>für</strong><br />

mächtigung zur das Sächsische das Lan<strong>des</strong>minisweiteren<br />

Konkre- Staatsministerium terium <strong>des</strong> Innern<br />

tisierung <strong>des</strong> Innern nach nach Anhörung<br />

Anhörung <strong>des</strong> <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>beauf-<br />

Sächsischen Da- tragten <strong>für</strong> Datentenschutzbeauf-<br />

schutz und das<br />

tragten.<br />

Recht auf Akteneinsicht<br />

Abbildung: Gesetzentwürfe Brandenburg und Sachsen im<br />

Vergleich<br />

Die Ausnahmemöglichkeit <strong>für</strong> den Fall, dass <strong>der</strong> »Zweck <strong>der</strong><br />

Amtshandlung [...] beeinträchtigt wird«, ist in dem brandenburgischen<br />

Entwurf weiter gefasst als in dem sächsischen.<br />

Diese Klausel sollte so präzisiert werden, dass sie nicht zu<br />

viele »Hintertüren« öffnet, die es ermöglichen, die Zielsetzungen<br />

<strong>der</strong> gesetzlichen Kennzeichnungspflicht zu umgehen.<br />

Die in beiden Entwürfen vorgesehene Angabe <strong>des</strong> Dienstgra<strong>des</strong><br />

erscheint zum Erreichen <strong>des</strong> Gesetzeszwecks nicht erfor<strong>der</strong>lich<br />

und könnte daher entfallen. Einschlägig informierte<br />

Adressaten können den Dienstgrad an <strong>der</strong> Uniform ablesen;<br />

<strong>für</strong> weniger informierte Personen dürfte diese Information<br />

ohnehin wenig aufschlussreich sein.<br />

6. Eine Kennzeichnungspflicht allein löst nicht alle Probleme<br />

Die Kennzeichnungspflicht kann dazu beitragen, Polizeibedienstete<br />

von unprofessionellem o<strong>der</strong> unrechtmäßigem Handeln<br />

abzuhalten, weil sie damit rechnen müssen, dass ihr<br />

Fehlverhalten geahndet wird, Es wäre in<strong>des</strong> verfehlt anzunehmen,<br />

dass allein durch diese Maßnahme Fälle von unrechtmäßigem<br />

polizeilichem Handeln, exzessiver Gewaltanwendung<br />

etc. völlig verhin<strong>der</strong>t werden könnten.<br />

An<strong>der</strong>e Maßnahmen müssen hinzukommen. Ein wichtiger<br />

Schritt ist die nähere Erforschung <strong>der</strong> individual- und gruppenpsychologischen<br />

Ursachen <strong>für</strong> Fehlverhalten. Weshalb<br />

neigen manche Polizeibedienstete dazu, in bestimmten Situationen<br />

weniger professionell zu reagieren und Gewalt jenseits<br />

<strong>der</strong> zulässigen Zwangsmittel anzuwenden, obwohl die<br />

rechtsstaatlichen Grenzen polizeilichen Handelns in Ausbildung<br />

und Praxis ein immer wie<strong>der</strong>kehren<strong>des</strong> Thema sind?<br />

Wie kann die Stress- und Provokationsresistenz <strong>der</strong> Polizeibediensteten<br />

weiter verbessert werden? Wie lassen sich<br />

Feindbil<strong>der</strong> bezüglich bestimmter Personen o<strong>der</strong> Gruppen<br />

abbauen?<br />

Dabei geht es nicht nur darum, einzelne »schwarze Schafe«<br />

zu identifizieren und aus dem Polizeidienst zu entfernen.<br />

Min<strong>des</strong>tens ebenso interessant ist die Frage, warum Menschen<br />

in bestimmten Situationen, z. B. im Interesse einer vermeintlich<br />

wichtigen Sache, ethische Überzeugungen hintenan<br />

stellen. Gewaltbereitschaft geht keinesfalls nur von Personen<br />

aus, die dazu genetisch prä<strong>des</strong>tiniert sind. 28 Sowohl individuelle<br />

Traumatisierungen aufgrund von dienstlichen o<strong>der</strong><br />

privaten Erlebnissen als auch Gruppendruck o<strong>der</strong> beson<strong>der</strong>e<br />

Stresssituationen können dazu beitragen, dass Menschen sich<br />

weniger besonnen verhalten als sie es aufgrund ihrer Ausbildung<br />

und Lebenserfahrung eigentlich könnten. Der beste<br />

Weg, individuellem Fehlverhalten vorzubeugen, besteht da<br />

her in <strong>der</strong> Anerkennung und offenen, unvoreingenommenen<br />

Diskussion solcher Probleme. Die Betroffenen brauchen ein<br />

Arbeitsumfeld, in dem sie ihre Empfindungen und ihr Handeln<br />

in kritischen Situationen ohne Ansehensverlust und<br />

dienstliche Nachteile aufarbeiten können. Auch leicht zugängliche<br />

Hilfs- und Therapieangebote sind erfor<strong>der</strong>lich.<br />

Führungskräfte müssen die »Verantwortung <strong>für</strong> die Gestaltung<br />

<strong>der</strong> situativen Bedingungen


ischer Hinsicht letztlich unbegründet sein sollte, kann sie<br />

doch auf ein Kommunikationsproblem hinweisen, das Anlass<br />

zur Verbesserung <strong>der</strong> polizeilichen Arbeitskultur gibt."<br />

Es bedarf einer Polizeikultur, die die einzelnen Beamten so<br />

unterstützt, dass sie auch in schwierigen Einsatzsituationen<br />

noch genügend selbstkritischen Abstand zu ihrem Tun bewahren,<br />

um Fehler zu vermeiden."<br />

7. Schlussfolgerungen<br />

Die Kennzeichnung <strong>der</strong> Polizeibediensteten eröffnet den<br />

Opfern unrechtmäßigen Polizeihandelns bessere Chancen,<br />

Konsequenzen <strong>für</strong> die Täter durchzusetzen und einen Ausgleich<br />

<strong>für</strong> erlittene Schäden zu erhalten. Noch besser wäre<br />

aber eine Polizei, die so professionell handelt, dass Überreaktionen<br />

und unrechtmäßiges Verhalten noch stärker als bisher<br />

30 Hierzu ausführlich: Werner Lehne, Aus Fehlern lernen o<strong>der</strong> Fehlverhalten<br />

kontrollieren und sanktionieren? Die Erfahrungen <strong>der</strong><br />

Hamburger Polizeikornmission, in: Karlhans Liebl (Hg.), Fehlerund<br />

Lernkultur in <strong>der</strong> Polizei, Herbolzheim 2004, S. 123-147,<br />

31 Ahnlich auch Sticher, a. a. 0., S. 22; zu strukturellen Problemen<br />

<strong>der</strong> Polizeikultur vgl. auch Rafael Behr, Cop Culture – Der Alltag<br />

<strong>des</strong> Gewaltmonopols, 2. Aufl., Wiesbaden 2008.<br />

vermieden werden. Solange es aber Fälle unrechtmäßigen<br />

Verhaltens gibt, ist eine gesetzliche Kennzeichnungspflicht<br />

ein Mittel, das dazu beitragen kann, unrechtmäßiges Polizeihandeln<br />

präventiv zu verhin<strong>der</strong>n und – soweit dies im Einzelfall<br />

nicht gelingt – den rechtsstaatlichen und völkerrechtlichen<br />

Standards entsprechend aufzuklären und zu sanktionieren.<br />

Dieser Beitrag hat gezeigt, dass eine gesetzliche Regelung<br />

freiwilligen o<strong>der</strong> verwaltungsinternen Lösungen klar überlegen<br />

ist. Nur so kann die jahrzehntelange Diskussion über die<br />

Polizeikennzeichnung in eine demokratisch und rechtsstaatlich<br />

abgesicherte Lösung münden. Die in Sachsen und Brandenburg<br />

vorgelegten Gesetzentwürfe stammen von Oppositionsfraktionen<br />

dieser <strong>Landtag</strong>e. Es bleibt also abzuwarten,<br />

ob es den hier initiativ gewordenen Parteien gelingt, dieses<br />

Anliegen in Form von Gesetzesbeschlüssen durchzusetzen,<br />

wo sie an den Regierungsmehrheiten beteiligt sind.<br />

Die Erfahrungen mit freiwilliger o<strong>der</strong> vorgeschriebener<br />

Polizeikennzeichnung im In- und Ausland näher zu untersuchen,<br />

um das empirische Wissen zu diesem Thema zu erweitern,<br />

bleibt ein Forschungs<strong>des</strong>i<strong>der</strong>at <strong>für</strong> die empirische Polizeiforschung.<br />

352<br />

DIE POLIZEI


Zusammenfassung <strong>der</strong><br />

Stellungnahme anlässlich <strong>der</strong> Öffentlichen Anhörung<br />

<strong>des</strong> <strong>Ausschusses</strong> <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> zum<br />

Siebenten Gesetz zur Än<strong>der</strong>ung <strong>des</strong> Brandenburgischen<br />

Polizeigesetzes<br />

Gesetzentwurf <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> CDU<br />

Drucksache 5/1442<br />

Donnerstag, 27. Januar 2011, <strong>Landtag</strong> Brandenburg<br />

Prof. Dr. jur. Hartmut Aden<br />

Hochschule <strong>für</strong><br />

Wirtschaft und Recht Berlin<br />

Berlin School of Economics and Law<br />

27.01.2011: Stellungnahme anlässlich <strong>der</strong><br />

Anhörung <strong>des</strong> <strong>Ausschusses</strong> <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> <strong>des</strong><br />

Brandenburgischen <strong>Landtag</strong>s<br />

cl


Ausführliche Stellungnahme<br />

In Ihren Unterlagen:<br />

1) Schriftliche Stellungnahme zur heutigen Anhörung<br />

(Empfehlungen und Antworten zu den übersandten<br />

Fragen)<br />

2) Ausführliche Analyse <strong>der</strong> Gesetzentwürfe in Brandenburg und<br />

Sachsen: Aden, Die Kennzeichnung von Polizeibediensteten, in:<br />

Die Polizei 2010 (Heft 12), S. 347-352<br />

Prof. Dr. jur. Hartmut Aden<br />

Hochschule <strong>für</strong><br />

Wirtschaft und Recht Berlin<br />

Berlin School of Economics and Law<br />

27.01.2011: Stellungnahme anlässlich <strong>der</strong><br />

Anhörung <strong>des</strong> <strong>Ausschusses</strong> <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> <strong>des</strong><br />

Brandenburgischen <strong>Landtag</strong>s


Empfehlung: Gesetzentwurf annehmen<br />

Empfehlung, den Gesetzentwurf anzunehmen<br />

(evtl. mit kleineren Än<strong>der</strong>ungen, s. unten)<br />

Prof. Dr. jur. Hartmut Aden<br />

Hochschule <strong>für</strong><br />

Wirtschaft und Recht Berlin<br />

Berlin Schoot of Economics and Law<br />

27.01.2011: Stellungnahme anlässlich <strong>der</strong><br />

Anhörung <strong>des</strong> <strong>Ausschusses</strong> <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> <strong>des</strong><br />

Brandenburgischen <strong>Landtag</strong>s


Hauptargumenile <strong>für</strong> die Poliz; eeichnung<br />

3 c hLtIze<br />

Min<br />

Hr, Voigt<br />

Namentliche Kennzeichnung als Ausdruck von<br />

Wertschätzung <strong>des</strong> Gegenübers und von<br />

Serviceorientierung einer mo<strong>der</strong>nen Verwaltung<br />

D Die Polizei in Deutschland hat heute einen hohen<br />

Ausbildungsstandards. Die einzelnen Bediensteten<br />

können und wollen Verantwortung übernehmen.<br />

Sicherung <strong>der</strong> Identifizierung <strong>der</strong> Verantwortlichen <strong>für</strong><br />

unprofessionelles o<strong>der</strong> unrechtmäßiges Handeln<br />

Damit zugleich: Präventiveffekt: Schutz <strong>der</strong><br />

potentiellen Opfer und <strong>der</strong> Beamten selbst vor<br />

unrechtmäßigem Verhalten (und den daraus folgenden<br />

dienst- und strafrechtlichen Konsequenzen)<br />

Prof. Dr. jur. Hartmut Aden<br />

Hochschule <strong>für</strong><br />

Wirtschaft und Recht Berlin<br />

Berlin School of Econorrtics and Law<br />

27.01.2011: Stellungnahme anlässlich <strong>der</strong><br />

Anhörung <strong>des</strong> <strong>Ausschusses</strong> <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> <strong>des</strong><br />

Brandenburgischen <strong>Landtag</strong>s


Wenig überteugende Ggeenarg9nen e<br />

Gefährdung <strong>der</strong> Beamt/innien o<strong>der</strong> ihrer<br />

Angehörigen?<br />

D Keine Fälle bekannt!<br />

D Diskutierte Fälle betreffen Beamte, die exponiert in <strong>der</strong><br />

Öffentlichkeit stehen (Führungsebene)<br />

»- Falls doch Bedrohungssituationen auftreten sollten:<br />

Kennzeichen als Alternative (Beschränkung <strong>des</strong><br />

Gesetzentwurfs auf geschlossene Einheiten könnte<br />

ersetzt werden durch Gefährdungen allgemein)<br />

Werden Polizist/inn/en durch die Kennzeichnungspflicht<br />

unter „Generalverdacht" gestellt? Nein!<br />

Namensschil<strong>der</strong> sind heute in allen Verwaltungen<br />

selbstverständlich, ohne dass die Bediensteten in<br />

irgendeiner Weise verdächtigt werden, unrechtmäßig zu<br />

handeln.<br />

Prof. Dr. jur. Hartmut Aden<br />

Hochschule <strong>für</strong><br />

Wirtschaft und Recht Berlin<br />

Berlin School of Econornics and Law<br />

27.01.2011: Stellungnahme anlässlich <strong>der</strong><br />

Anhörung <strong>des</strong> <strong>Ausschusses</strong> <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> <strong>des</strong><br />

Brandenburgischen <strong>Landtag</strong>s


Noch: Einsgesetzliche Regelung zur<br />

Polizeikennzeichnung Alt warum und wozu?<br />

Beson<strong>der</strong>e Gründe <strong>für</strong> eine gesetzliche Regelung:<br />

Freiwillige Lösungen sind gerade <strong>für</strong> die problematischen<br />

Fälle (Übergriffe in unübersichtlichen Situationen) untauglich.<br />

D Zweifel, ob Dienstanweisungen angesichts <strong>der</strong><br />

Grundrechtsbetroffenheit <strong>der</strong> Beamten (Recht auf<br />

informationelle Selbstbestimmung) ausreichen.<br />

D Eine gesetzliche Regelung schafft eine normenklare<br />

Rechtsgrundlage gegenüber den Beamt/inn/en. Die<br />

Abgeordneten unterstreichen die Wichtigkeit einer<br />

professionell, rechtsstaatlich und serviceorientiert<br />

arbeitenden Polizei.<br />

Fazit: Eine gesetzliche Regelung — wie hier vorgeschlagen -<br />

ist an<strong>der</strong>en Möglichkeiten (Dienstanweisung o<strong>der</strong> freiwilligen<br />

Lösungen) klar überlegen.<br />

Prof. Dr. jur. Hartmut Aden<br />

Hochschule <strong>für</strong><br />

Wirtschaft und Recht Berlin<br />

Berlin Schoot of Econornics and Law<br />

27.01.2011: Stellungnahme anlässlich <strong>der</strong><br />

Anhörung <strong>des</strong> <strong>Ausschusses</strong> <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> <strong>des</strong><br />

Brandenburgischen <strong>Landtag</strong>s


Ist <strong>der</strong> Gesetzesveschlag geeignet, dietimgestrebten<br />

Ziele zu erreichen?<br />

Vorliegen<strong>der</strong> Gesetzentwurf ist grundsätzlich<br />

gut geeignet, die skizzierten Ziele einer<br />

Kennzeichnung zu erreichen<br />

Än<strong>der</strong>ungsanregungen:<br />

Kennzeichen statt Namen bei Gefährdung<br />

— nicht nur <strong>für</strong> geschlossene Einheiten<br />

D Ausnahmeklausel (§ 9 Abs. 3) streichen<br />

o<strong>der</strong> explizit auf präzise Fallgruppen<br />

beschränken (Verdeckte Ermittler)<br />

Prof. Dr. jur. Hartmut Aden<br />

Hochschule <strong>für</strong><br />

Wirtschaft und Recht Berlin<br />

Berlin School of EconomIcs and Law<br />

27.01.2011: Stellungnahme anlässlich <strong>der</strong><br />

Anhörung <strong>des</strong> <strong>Ausschusses</strong> <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> <strong>des</strong><br />

Brandenburgischen <strong>Landtag</strong>s


Polizeikennzeichnung wie ausgigtaften<br />

Ausgestaltung darf die Zielsetzung nicht aus den<br />

Augen verlieren:<br />

D Anonyme Situationen (geschlossene Einheiten mit<br />

Einsatzansanzug und Helm): deutlich lesbares und<br />

merkbares Schild an Anzug und Helm, möglichst<br />

vorne und hinten<br />

» Streifen- o<strong>der</strong> Innendienst: Namensschild — gut<br />

lesbar! — reicht<br />

Keine Notwendigkeit, das Kennzeichen regelmäßig<br />

zu wechseln.<br />

Prof. Dr. jur. Hartmut Aden<br />

Hochschule <strong>für</strong><br />

Wirtschaft und Recht Berlin<br />

Berlin School of Economics and Law<br />

27.01.2011: Stellungnahme anlässlich <strong>der</strong><br />

Anhörung <strong>des</strong> <strong>Ausschusses</strong> <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> <strong>des</strong><br />

Brandenburgischen <strong>Landtag</strong>s


Gesetzliche Regeleng und dann? Was Mnst noch zu<br />

tun ist...<br />

Was sonst noch zu tun ist...<br />

D Gruppen- und individualpsychologische<br />

Ursachenforschung: Warum handeln Polizeibedienstete<br />

einzeln o<strong>der</strong> in Gruppen – in bestimmten Situationen<br />

unprofessionell?<br />

Polizeikultur: Entwicklung einer Fehlerkultur: Fehler nicht<br />

verschweigen (aus Angst vor negativen Öffentlichkeitsreaktionen<br />

o<strong>der</strong> individuellen Sanktionen), son<strong>der</strong>n aus ihnen lernen<br />

». Prävention: Stress- und Provokationsresistenz, Abbau von<br />

Feindbil<strong>der</strong>n usw.<br />

Prof. Dr. jur. Hartmut Aden<br />

Hochschule <strong>für</strong><br />

Wirtschaft und Recht Berlin<br />

Berlin School of Economics and Law<br />

27.01.2011: Stellungnahme anlässlich <strong>der</strong><br />

Anhörung <strong>des</strong> <strong>Ausschusses</strong> <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> <strong>des</strong><br />

Brandenburgischen <strong>Landtag</strong>s


• Ausblick<br />

Brandenburg kann mit diesem Gesetz eine Vorreiterrolle<br />

übernehmen!<br />

D Die Polizeiforschung ist gespannt auf die Erfahrungen<br />

Begleitforschungsprojekte?<br />

Vielen Dank <strong>für</strong> die Aufmerksamkeit!<br />

Prof. Dr. jur. Hartmut Aden<br />

Hochschule <strong>für</strong><br />

Wirtschaft und Recht Berlin<br />

Berlin Schoot of Economics and Law<br />

27.01.2011: Stellungnahme anlässlich <strong>der</strong><br />

Anhörung <strong>des</strong> <strong>Ausschusses</strong> <strong>für</strong> inneres <strong>des</strong><br />

Brandenburgischen <strong>Landtag</strong>s


Anlage 6<br />

ENGEGANGEN<br />

7 i<br />

N11. /A5<br />

i (1.<br />

Erled gt:<br />

Gesetzentwurf <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> CDU – 7. Gesetz zur Än<strong>der</strong>ung <strong>des</strong> BranWenburgischen<br />

Polizeigesetzes – Drucksache 5/1442<br />

Anhörung im Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />

Stellungnahme <strong>der</strong> Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei<br />

Sehr geehrte Damen und Herren,<br />

die Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei, Lan<strong>des</strong>bezirk Brandenburg, nimmt zu o. g. Gesetzentwurf wie folgt<br />

Stellung:<br />

Die Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei lehnt die Aufnahme einer generellen Kennzeichnungspflicht <strong>für</strong><br />

Polizeivollzugsbeamte in das Brandenburgische Polizeigesetz ab!<br />

Begründung:<br />

Die allgemeine Verpflichtung zum Tragen von Namensschil<strong>der</strong>n stellt einen Eingriff in das<br />

Grundrecht auf informelle Selbstbestimmung als Ausprägung <strong>des</strong> allgemeinen<br />

Persönlichkeitsrechts nach Artikel 2 Abs. 1 Grundgesetz in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1<br />

Grundgesetz dar.<br />

2. Die namentliche Zwangskennzeichnung ist ein Eingriff in die persönliche Freiheit und steht<br />

im Wi<strong>der</strong>spruch zur Garantie von Artikel 8 EMRK (Europäische<br />

Menschenrechtskommission).<br />

3. Entsprechende Grundrechtseingriffe müssen im öffentlichen Interesse liegen, verhältnismäßig<br />

sein und den Kerngehalt <strong>des</strong> Grundrechts nicht verletzen bzw. den Kriterien nach Artikel 8<br />

Ziff. 2 EMRK entsprechen.<br />

Ein öffentliches Interesse an einer namentlichen Zwangskennzeichnung <strong>der</strong> Polizei liegt nicht<br />

vor. Es gibt keinerlei wissenschaftliche Untersuchungen bzw. Bürgerbefragungen, die dieses<br />

belegen. Es erfolgt also eine gesetzliche Normierung, ohne dass die entsprechenden<br />

Voraussetzungen geprüft wurden. Dagegen mündet das nachgewiesene Bedürfnis <strong>der</strong><br />

Beschäftigten <strong>des</strong> öffentlichen Dienstes nach leistungsgerechter Besoldung und Entlohnung<br />

nur unzureichend in gesetzliche Normierungen.<br />

Mit <strong>der</strong> Kenntnis über persönliche Daten, die aus dem Tragen von Namensschil<strong>der</strong>n<br />

gewonnen werden können (vollständige Namen anhand öffentlicher Telefonbücher o<strong>der</strong> über<br />

Suchmaschinen im Internet und <strong>der</strong> Privatanschrift - nicht je<strong>der</strong> heißt Müller, Lehmann,<br />

Schuster) können zu Missbrauch führen. Der Dienstherr ist jedoch verpflichtet, einen<br />

Missbrauch personenbezogener Daten im Rahmen <strong>der</strong> Fürsorgepflicht sowohl <strong>für</strong> den<br />

Polizeibeamten wie auch <strong>für</strong> <strong>des</strong>sen Familien sicherzustellen.<br />

5. In geschlossenen Einheiten <strong>der</strong> Bereitschaftspolizei ist eine Identifizierung auch durch<br />

Kennzeichnung auf dem Helm bzw. Aufkleber auf dem Rücken <strong>der</strong> Einsatzkräfte<br />

gewährleistet. Diese Aufkleber ermöglichen aufgrund von Zahlen, Buchstaben o<strong>der</strong><br />

Symbolkombinationen eine Zuordnung zur jeweiligen Einsatzeinsatz <strong>der</strong> Beamtinnen und<br />

Beamten.


2<br />

6. Die namentliche Kennzeichnung <strong>der</strong> Polizei stellt diese unter einen so genannten<br />

Generalverdacht. Unbeantwortet ist die Frage, warum nicht alle an<strong>der</strong>en Status- bzw.<br />

Beschäftigungsgruppen <strong>des</strong> öffentlichen Dienstes ebenfalls einer namentlichen<br />

Kennzeichnung unterworfen werden (Ordnungsämter, Feuerwehr, Gerichtsvollzieher etc.).<br />

7. Bei getroffenen polizeilichen Maßnahmen werden die Namen <strong>der</strong> veranlassenden Beamtinnen<br />

und Beamten sowohl im täglichen Dienst wie auch bei geschlossenen Einsätzen festgehalten<br />

(Unterschriften bei Anzeigen, Owi-Anzeigen, Festnahmeprotokollen etc.).<br />

Die bestehenden gesetzlichen und innerdienstlichen Regelungen reichen zur Identifizierung von<br />

Polizeivollzugsbeamten im täglichen Dienst und im geschlossenen Einsatz vollkommen aus.<br />

Brandenburgisches Polizeigesetz (BbgPoLG) § 9 Legitimationspflicht<br />

„Auf Verlangen <strong>des</strong> von einer Maßnahme Betroffenen hat sich <strong>der</strong> Polizeivollzugsbedienstete<br />

auszuweisen, soweit <strong>der</strong> Zweck <strong>der</strong> Maßnahme dadurch nicht beeinträchtigt wird."<br />

Entsprechend dieser gesetzlichen Regelung sind Polizeivollzugsbeamte in Brandenburg verpflichtet,<br />

sich auszuweisen, solange <strong>der</strong> Zweck <strong>der</strong> Maßnahme nicht beeinträchtigt wird. Dies erfolgt durch<br />

namentliche Vorstellung mit Dienstgrad, durch Vorzeigen <strong>des</strong> Dienstausweises/ <strong>der</strong> Dienstmarke und<br />

ggf. Übergabe von Visitenkarten. Unsere Revierpolizisten als Ansprechpartner unserer Brandenburger<br />

Bürgerinnen und Bürger sind mit Namen und Bild im Internetauftritt <strong>der</strong> Brandenburger Polizei<br />

sichtbar. In den Polizeidienststellen sind an den Diensträumen Schil<strong>der</strong> angebracht, auf denen<br />

namentlich und mit Dienstgrad ersichtlich ist, welche Kollegin bzw. welcher Kollege in diesem<br />

Dienstraum seinen Dienst verrichtet. Damit wird <strong>der</strong> vorgeschriebenen Legitimationspflicht<br />

umfassend Rechnung getragen.<br />

In <strong>der</strong> Dienstkleidungsvorschrift <strong>für</strong> die Polizei <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> Brandenburg (DKV PoL BB) ist in <strong>der</strong><br />

Anlage 1 Ziffer 2.9 Verbandsabzeichen, Namensschil<strong>der</strong> geregelt:<br />

„Das Tragen von Verbandsabzeichen und Namensschil<strong>der</strong>n erfolgt auf freiwilliger Basis.<br />

Verbandsabzeichen können an <strong>der</strong> rechten Brustseite und Namensschil<strong>der</strong> an <strong>der</strong> linken Brustseite von<br />

Oberbekleidungsstücken getragen werden."<br />

Damit ist das bereits jetzt mögliche freiwillige Tragen von Namensschil<strong>der</strong>n auch in einer<br />

Dienstkleidungsvorschrift <strong>für</strong> die Polizei <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> Brandenburg geregelt. Dieses freiwillige Tragen<br />

von Namensschil<strong>der</strong>n wird teilweise (insbeson<strong>der</strong>e im höheren Dienst) genutzt.<br />

Gerade in <strong>der</strong> aktuellen politischen Diskussion wird deutlich, dass eine zunehmende Anzahl von<br />

Bürgerinnen und Bürgern mit politischen Entscheidungen und insbeson<strong>der</strong>e mit dem<br />

Zustandekommen von politischen Entscheidungen nicht mehr einverstanden sind. Sie for<strong>der</strong>n<br />

verstärkt, dass Bürgerwille akzeptiert und respektiert wird. Beispiele da<strong>für</strong> sind u. a. Stuttgart 21, die<br />

Anticastorbewegung o<strong>der</strong> das Nein zum Großflughafen Berlin-Schönefeld.<br />

Politische Unglaubwürdigkeit wird auch durch folgenden Fakt belegt.<br />

In <strong>der</strong> Drucksache 16/3746 <strong>des</strong> Abgeordnetenhauses von Berlin beantragt die Fraktion <strong>der</strong> CDU, die<br />

Kennzeichnungspflicht <strong>für</strong> Polizisten zu stoppen. In <strong>der</strong> Begründung heißt es u. a.<br />

„... die individuelle Kennzeichnung ist nachteilig und sogar gefährlich <strong>für</strong> Polizeibeamte. Individuelle<br />

Kennzeichnungen führen zwangsläufig zu einer erheblichen Steigerung taktischer, im Zweifel<br />

verleum<strong>der</strong>ischer Anzeigen. Selbst wenn sich die Vorwürfe als haltlos erweisen sollten, bedeutet das<br />

eine Beför<strong>der</strong>ungssperre <strong>für</strong> die betroffenen Beamten. ... Der Senat gefährdet durch die<br />

Kennzeichnung die Beamten, <strong>für</strong> die er doch zur Fürsorge verpflichtet ist. Sie verdienen <strong>für</strong> ihre<br />

schwierige Arbeit unser volles Vertrauen und unsere Unterstützung."


3<br />

Dies zeigt die Unglaubwürdigkeit <strong>des</strong> politischen Fö<strong>der</strong>alismus am Beispiel <strong>der</strong> CDU Brandenburg<br />

und <strong>der</strong> CDU Berlin. Die ebenfalls fö<strong>der</strong>al organisierte Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei lehnt einhellig die<br />

generelle Kennzeichnungspflicht <strong>für</strong> Polizeivollzugsbeamte ab.<br />

Neben dem friedlichen Protest gegen politische Entscheidungen kommt es auch verstärkt zu einer<br />

Radikalisierung von Protestbewegungen, insbeson<strong>der</strong>e im linken und rechten Spektrum politischer<br />

Anschauungen. Diese Radikalisierung bekommen in erster Linie die Vertreter <strong>der</strong> Staatsmacht und<br />

hier konkret die Polizei zu spüren. Auf Initiative <strong>der</strong> Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei hat das kriminologische<br />

Forschungsinstitut Nie<strong>der</strong>sachsen e.V. im Auftrag <strong>der</strong> Innenministerkonferenz und <strong>der</strong> Gewerkschaft<br />

<strong>der</strong> Polizei eine Polizeibefragung zum Thema „Gewalt gegen Polizeibeamte" durchgeführt. Erste<br />

Ergebnisse liegen vor.<br />

Wesentliche Ergebnisse:<br />

- Polizeibeamte sind im Rahmen ihre dienstlichen Tätigkeit in sehr hohem Maße<br />

Aggressionen von Bürgerinnen und Bürgern ausgesetzt.<br />

Von den befragten Polizeibeamten wurden im Jahre 2009 81,9 % beschimpft, beleidigt o<strong>der</strong><br />

verbal bedroht,<br />

90,1 % davon erlebten dieses sogar mehrfach,<br />

47,8 % wurden gestoßen, geschupst o<strong>der</strong> festgehalten,<br />

24,9 % wurden mit Gegenständen geworfen und<br />

26,5 % wurden mit Faust/Hand geschlagen o<strong>der</strong> mit Füßen getreten,<br />

14,6 % erlebten eine Bedrohung mit einer Waffe o<strong>der</strong> einem gefährlichen Gegenstand und<br />

8,6 ()/0 wurden auch damit angegriffen.<br />

Die täglichen Angriffe bewirkten bei vielen Beamten massive Verletzungen, beson<strong>der</strong>s häufig<br />

betroffen sind Streifenbeamte!<br />

Schwerpunkte dieser Gewaltübergriffe liegen zu 27,5 % bei <strong>der</strong> Festnahme von<br />

Tatverdächtigen, 23,7 % wegen Streitsituationen im öffentlichen Raum o<strong>der</strong> in Familien und<br />

11,0 % bei Einsätzen <strong>der</strong> öffentlichen Ordnung – also im täglichen Dienst!<br />

Im Vergleich <strong>der</strong> 5 Jahre <strong>des</strong> Untersuchungszeitraumes zeigt sich ein deutlicher Anstieg <strong>der</strong><br />

Gewaltübergriffe.<br />

Schwere Gewaltübergriffe führen bei den betroffenen Polizeivollzugsbeamten nicht selten zu<br />

ernsten psychischen und psychosomatischen Beschwerden.<br />

- Beson<strong>der</strong>s deutliche Anstiege schwerer Gewalt gegen Polizeibeamte sind zu verzeichnen bei:<br />

- Demonstrationen von 4,6 % auf 8,0 %<br />

- familiäre Auseinan<strong>der</strong>setzungen von 5,8 % auf 11,4 %<br />

- Streitigkeiten ohne familiären Hintergrund von 9,4 % auf 12,9 %<br />

Eine generelle Kennzeichnungspflicht von Polizeivollzugsbeamten zu for<strong>der</strong>n, ist gerade im<br />

Ergebnis <strong>der</strong> KFN-Studie nicht nur ein falsches politisches Signal, son<strong>der</strong>n eine Verletzung <strong>der</strong><br />

Fürsorgepflicht <strong>des</strong> Dienstherrn.<br />

Bereits heute werden polizeiliche Maßnahen durch unseren Gegenüber videografiert (z. B.<br />

Fußballspiele Babelsberg 03), ausgewertet und illegal ins Internet eingestellt. Zukünftig wird also<br />

dann nicht nur polizeiliches Handeln im Internet nachvollzogen werden können, son<strong>der</strong>n auch noch<br />

namentlich zugeordnet. Somit könnten illegale Datenbanken über handelnde Polizeivollzugsbeamte im


4<br />

Internet mit namentlicher Zuordnung angelegt werden. Dies wi<strong>der</strong>spricht dem grundsätzlich<br />

geregelten Anspruch auf informelle Selbstbestimmung.<br />

Die Verpflichtung von Polizeivollzugsbeamten, im Dienst die vorgeschriebene Uniform zu tragen, ist<br />

vor allem durch das Erfor<strong>der</strong>nis gerechtfertigt, die Legitimation <strong>der</strong> Beamten <strong>für</strong> polizeiliche<br />

Maßnahmen äußerlich kund zu tun.<br />

Die Uniform ist sichtbares Zeichen <strong>für</strong> die Berechtigung ihres Trägers <strong>für</strong> hoheitliche Befugnisse.<br />

Die Uniform soll die Neutralität ihres Trägers zum Ausdruck bringen. Sie ist sichtbares Zeichen da<strong>für</strong>,<br />

dass die Individualität <strong>des</strong> Vollzugsbeamten im Dienst hinter den Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>des</strong> Amtes<br />

zurücktritt. Polizeiliche Maßnahmen sollen losgelöst von <strong>der</strong> Person <strong>der</strong> handelnden Beamten als<br />

Maßnahme <strong>des</strong> Staates empfunden werden.<br />

Auf Anfrage <strong>der</strong> TAZ (Tageszeitung) vom 16.09.2009 gegenüber allen Innenbehörden <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong><br />

und <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> antwortete u. a. das Innenministerium <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> Brandenburg:<br />

„Die in den Einsatzeinheiten <strong>der</strong> Polizei vorhandene funktionsbezogene Kennzeichnung bis auf<br />

Gruppenebene wird als ausreichend angesehen. Weitergehende individuelle Kennzeichnungen werden<br />

zum Schutz <strong>der</strong> Einsatzkräfte vor massenhaften Falschanzeigen, aber auch vor Wahrung ihrer<br />

Persönlichkeitsrechte abgelehnt. Im Übrigen war eine Identifizierung von Einsatzkräften zur<br />

Durchführung von Ermittlungsverfahren in Brandenburg bisher in allen Fällen möglich. Eine<br />

individuelle Kennzeichnung von Einsatzkräften ist unter diesen Voraussetzungen nicht erfor<strong>der</strong>lich."<br />

Diesem Zitat ist aus Sicht <strong>der</strong> Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei nichts hinzuzufügen.<br />

Eine Bürgerbefragung zur Arbeit <strong>der</strong> Polizei in Brandenburg hat gezeigt, dass weit über 2/3 <strong>der</strong><br />

Brandenburger Bürgerinnen und Bürger mit <strong>der</strong> Arbeit <strong>der</strong> Polizei sehr zufrieden bzw. zufrieden sind.<br />

Die Brandenburger Polizei genießt ein hohes Ansehen und Vertrauen bei <strong>der</strong> Brandenburger<br />

Bevölkerung; und dies ohne Zwangskennzeichnung, son<strong>der</strong>n im Rahmen einer Legitimationspflicht.<br />

Mit freundlichen Grüßen<br />

Der Vorstand<br />

i. A.<br />

Andreas Schuster<br />

Lan<strong>des</strong>bezirksvorsitzen<strong>der</strong>


EINGEGANGEN<br />

'<br />

2 5. L de<br />

Öffentliche Anhörung<br />

Erl. ..<br />

Siebentes Gesetz zur Än<strong>der</strong>ung <strong>des</strong> BrandenburgisEFeTirbitzei ''''''''''''<br />

Gesetzentwurf <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> CDU<br />

Drucksache 5/1442<br />

3<br />

niage)-<br />

Donnerstag, 27. Januar 2011, <strong>Landtag</strong> Brandenburg<br />

Fragen an die Anzuhörenden<br />

1. Welche Gründe sprechen <strong>für</strong> und welche gegen eine Kennzeichnungspflicht?<br />

Pro: Die Polizeibeamten könnten besser identifiziert werden. Die Kennzeichnung könnte<br />

das Vertrauen <strong>der</strong> Polizei bei <strong>der</strong> Bevölkerung stärken.<br />

Contra: In Zeiten einer erheblichen Zunahme von Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und -<br />

beamten, persönlichen Bedrohungen und Angriffen ist es Aufgabe <strong>der</strong> Lan<strong>des</strong>regierung /<br />

Parlament, ihre Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten vor Übergriffe und Gewalt zu<br />

schützen. Die DPoIG for<strong>der</strong>t daher, dass die verantwortlichen ihrer Fürsorgepflicht<br />

nachkommen. Eine individuelle Kennzeichnung durch Namensschil<strong>der</strong> o<strong>der</strong> Nummern<br />

hätten jedoch wenig mit Fürsorge zu tun. Die Legitimationspflicht die sich aus § 9 <strong>des</strong><br />

BbgPolG <strong>für</strong> die Polizeibeamtinnen und -beamten ergibt, ist nach Ansicht <strong>der</strong> DPoIG<br />

ausreichend. Aus Sicht <strong>der</strong> DPoIG führt auch das ständige Bekanntgeben <strong>des</strong> eigenen<br />

Namens, ohne dass es zu einem Kontakt zwischen Bürger und Polizei gekommen ist, zu<br />

einer Einschränkung <strong>des</strong> Rechts auf informationelle Selbstbestimmung <strong>der</strong> Beamtinnen und<br />

Beamten. Der Einzelne kann nicht mehr darüber bestimmen, wer über seine persönlichen<br />

Daten verfügt.<br />

Aus <strong>der</strong> Fürsorgepflicht lässt sich auch <strong>der</strong> Schutz <strong>der</strong> Privatsphäre <strong>der</strong> Mitarbeiter ableiten.<br />

Die je<strong>der</strong>zeitige Identifizierung <strong>des</strong> Polizeibeamten erleichtert dem Gegenüber die<br />

Ermittlung <strong>der</strong> Privatanschrift <strong>des</strong> betroffenen Mitarbeiters. Eine persönliche Gefährdung<br />

<strong>der</strong> Polizisten im privaten und familiären Bereich wäre eine mögliche Folge, auch könnten<br />

sich Anschläge auf Polizisten bzw. <strong>der</strong>en Eigentum häufen.<br />

Die Kennzeichnungspflicht kann erhebliche dienstrechtliche Konsequenzen <strong>für</strong> die Beamten<br />

haben. Sie könnten mit ungerechtfertigten Anzeigen/ Beschwerden und daraus folgenden<br />

Ermittlungsverfahren überzogen werden. (Beför<strong>der</strong>ungssperre, Rufschädigung, Stalking im<br />

Familienbereich). Eine Kennzeichnungspflicht läuft auch bestehenden Schutzvorschriften zu<br />

wi<strong>der</strong>. So können Polizeibeamte nach dem StVG eine Übermittlungssperre <strong>für</strong> die<br />

amtlichen Kennzeichen, <strong>der</strong> zugelassenen Fahrzeuge beantragen. Weiterhin können<br />

Übermittlungssperren beim Einwohnermeldeamt nach den Meldegesetzen beantragt<br />

werden. Diese zum Schutz <strong>der</strong> Beamten geschaffenen Möglichkeiten werden ad Absurdum<br />

geführt.<br />

1


2. Welche Fälle sollten von <strong>der</strong> generellen namentlichen Kennzeichnungspflicht<br />

ausgenommen werden?<br />

Es versteht sich, dass beson<strong>der</strong>s gefährdete Beamte/ Spezialeinheiten die mit organisierter<br />

Kriminalität o<strong>der</strong> sehr gewalttätigen Straftätern bzw. sehr strukturiert arbeitenden kriminellen<br />

Gruppierungen zu tun haben, geschützt werden müssen.<br />

Da potentiell aber je<strong>der</strong> Polizeibeamte im Rahmen seiner Tätigkeit auch an solche Straftäter<br />

geraten könnte, sollte einheitlich auf die generelle Kennzeichnungspflicht verzichtet werden.<br />

Dem Polizeibeamten sollte es vorbehalten sein, zu entscheiden, wem er ungefährdet seinen<br />

Namen preis geben möchte (Situationen ohne gewalttätiges Potential). Die<br />

Legitimationspflicht ist <strong>für</strong> alle Polizeibeamten rechtlich geregelt und wird als ausreichend<br />

erachtet<br />

3. Welche Erkenntnisse gibt es über die Gefährdung von Polizeibeamten und<br />

ihren Angehörigen aufgrund einer individuellen Kennzeichnung? Liegt<br />

statistisches Material zu Übergriffen vor?<br />

Es liegen <strong>der</strong> DPoIG diesbezüglich keine statistischen o<strong>der</strong> personellen Informationen vor.<br />

Das Fehlen von Zahlen und Statistiken darf nicht dazu führen, falsche Schlüsse zu ziehen.<br />

Man kann nicht automatisch darauf schließen, dass ein höheres Gefährdungspotential nicht<br />

vorhanden ist. Eine fehlende Statistik kann nicht dazu benutzt werden, in irgendeine<br />

Richtung zu argumentieren.<br />

Der DPoIG ist ein Vorfall aus jüngerer Vergangenheit bekannt. Im Bereich <strong>der</strong><br />

Rockerkriminalität wurde durch die Verhandlung vor dem Landgericht Potsdam<br />

beiwohnende sympathisierende Rocker eine To<strong>des</strong>drohung gegenüber einem aussagenden<br />

-Polizeibeamten <strong>der</strong> Einsatzgruppe-Rocker ausgesprochen. Hier wurde <strong>der</strong> Name <strong>des</strong><br />

Beamten während <strong>der</strong> Verhandlung bzw. aus den Gerichtsakten den Rockergruppierungen<br />

bekannt.<br />

4. Welche Erfahrungen sind mit <strong>der</strong> Internetpräsenz <strong>der</strong> Revierpolizisten<br />

(Veröffentlichung mit Foto und vollem Namen) gemacht worden?<br />

Publiziert wird, dass die Vorstellung <strong>der</strong> zuständigen Revierpolizisten eine positive<br />

Resonanz in <strong>der</strong> Bevölkerung hervor ruft. Das soll nicht bezweifelt werden. Hier sollten<br />

allerdings <strong>der</strong> Aufgabenbereich und die Zielgruppe <strong>der</strong> Revierpolizisten beson<strong>der</strong>e<br />

Beachtung finden. Originäre Aufgabe ist die Repräsentation <strong>der</strong> Polizei, präventive Arbeit in<br />

Schulen etc., Beratungen von öffentlichen und gewerblichen Einrichtungen, Verfolgen von<br />

Ordnungswidrigkeiten im Bereich Verkehr etc. Es geschieht sehr selten, dass<br />

Revierpolizisten in die Gesundheit gefährdende Einsätze mit gewaltbereiten Straftätern<br />

eingebunden werden. Es ist daher kaum zu be<strong>für</strong>chten, dass es zu Repressalien aus Rache<br />

kommen könnte. Insofern muss ein Unterschied gemacht werden. Es ist davon<br />

auszugehen, dass vorwiegend ältere Bürger ihren Revierpolizisten kennen und die<br />

Veröffentlichungen verfolgen. Diese sind in <strong>der</strong> Mehrzahl aber auch nicht <strong>der</strong> Tätergruppe<br />

zuzuordnen, vor <strong>der</strong> Polizeibeamte geschützt werden muss.<br />

Darüber hinaus ist dem Revierpolizisten bei seiner Bewerbung auf die jeweilige Stelle<br />

bewusst, dass er mit seiner Tätigkeit in <strong>der</strong> Öffentlichkeit stehen und als Ansprechpartner<br />

dienen wird. Insofern findet eine Veröffentlichung mit Zustimmung <strong>des</strong> Revierpolizisten statt.<br />

2


Diese Möglichkeit <strong>der</strong> „Freiwilligkeit" muss auch an<strong>der</strong>en Polizeibeamten zugestanden<br />

werden.<br />

5. Welche Unterschiede sehen Sie zwischen Mitarbeitern <strong>der</strong> Polizei und<br />

Verwaltungsmitarbeitern, die mit vollem Namen bekannt sind (z. B. durch<br />

Türschil<strong>der</strong> und die Unterzeichnung von Schreiben)?<br />

Die Beschil<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Büroräume mit den Namen <strong>der</strong> in diesem Büro tätigen<br />

Verwaltungsbeamten ist eine interne organisatorische Maßnahme. Sie hat zum Ziel, schnell<br />

und unbürokratisch den entsprechenden Ansprechpartner /Verantwortlichen zu finden. Die<br />

Büroräume sind in <strong>der</strong> Regel mit Türen versehen die nicht transparent sind. Daher ist ein<br />

Namensschild am Büroraum <strong>für</strong> interne und externe Partner/ Kunden sehr hilfreich, schnell<br />

den richtigen Ansprechpartner zu finden. Verwaltungsbeamte unterscheiden sich in ihren<br />

hoheitlichen Befugnissen deutlich von Vollzugsbeamten. Der Vollzugsbeamte kann und darf<br />

seine Anordnungen ggf. sofort, auch mit Zwang durchsetzen – dieser Interaktion ist ein weit<br />

höheres Konfliktpotential immanent.<br />

Im Übrigen unterliegen Polizeibeamte einer Legitimationspflicht und sie Unterzeichnen alle<br />

ihre Vorgänge mit Name, Nennung <strong>der</strong> Dienststelle und Dienstbezeichnung und bei Bedarf<br />

übergeben sie eine Visitenkarte o<strong>der</strong> weisen sich mit dem Dienstausweis o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Dienstmarke aus.<br />

In geschlossenen Einsätzen sind bereits jetzt alle Beamten am Helm und auf dem Rücken<br />

aus polizeitaktischen Gründen gekennzeichnet. Diese Kennzeichnung erlaubt es, den Kreis<br />

<strong>der</strong> in Frage kommenden Beamten auf etwa 10 Personen einzuschränken. Darüber hinaus<br />

werden geschlossene Einsätze, z.B. Demonstrationen, oft durch die Polizei o<strong>der</strong> auch durch<br />

die Medien Videodokumentiert. Im Falle von Übergriffen ist eine Identifizierung <strong>der</strong><br />

handelnden Beamten durch die Strafverfolgungsbehörden bereits jetzt gewährleistet.<br />

6. Wie bewerten Sie die Kennzeichnungspflicht im Hinblick auf § 36<br />

Beamtenstatusgesetz, wonach Beamtinnen und Beamte <strong>für</strong> die Rechtmäßigkeit ihrer<br />

dienstlichen Handlungen die volle persönliche Verantwortung tragen?<br />

Auch ohne Kennzeichnungspflicht gilt das Beamtenstatusgesetz. Je<strong>der</strong> Polizist ist sich<br />

darüber im Klaren, dass er die volle Verantwortung <strong>für</strong> sein Tun und Handeln trägt. Sollte<br />

ein Polizeibeamter rechtswidrig handeln, wird er, ebenso wie je<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Straftäter, zur<br />

Verantwortung gezogen. Eine Kennzeichnungspflicht würde nichts an diesem Vorgang<br />

än<strong>der</strong>n. Es gibt ausreichend Vorkehrungen die eine Identifizierung von Polizeikräften<br />

ermöglichen (z.B. folgende Möglichkeiten, wie Arbeitszeitnachweise, Wachdienstpläne,<br />

Dienstreiseanträge, Elbas-Einträge, Vorgänge über freiheitsentziehende Maßnahmen). Der<br />

Name <strong>des</strong> Beamten gibt die Identität <strong>des</strong> Beamten und seiner ganzen Familie preis.<br />

Das Telefonbuch zeigt z.B. <strong>für</strong> den Namen ANDRZYCZICK <strong>für</strong> Brandenburg einen Treffer<br />

und landet Zielgenau bei <strong>der</strong> Familie <strong>des</strong> Kollegen, über Google-Earth, kann <strong>der</strong> geneigte<br />

Ganove sich schon mal mit <strong>der</strong> Wohngegend vertraut machen.<br />

3


7. Wie bewerten Sie die Kennzeichnungspflicht im Hinblick auf den Europäischen<br />

Kodex <strong>für</strong> Polizeiethik und die Standards <strong>des</strong> Europäischen Komitees zur<br />

Verhütung von Folter und unmenschlicher o<strong>der</strong> erniedrigen<strong>der</strong> Behandlung<br />

o<strong>der</strong> Strafe?<br />

Der Name am Revers eines Polizeibeamten sollte nicht das Mittel sein, den Bürger vor<br />

eventuellen Übergriffen durch Polizisten zu schützen. Grundsätzlich hofft <strong>der</strong> Polizeibeamte<br />

auf das Vertrauen <strong>der</strong> Regierung in seine Polizisten. Durch geeignete Auswahlverfahren<br />

und gute Ausbildung wurde schon eine Auslese geeigneter Personen getroffen. Statistisch<br />

gesehen sind unmenschliche Übergriffe o<strong>der</strong> gar Folter deutscher Polizeibeamter<br />

gegenüber Bürgern kaum vorhanden. Bei Bekanntwerden, werden diese mit aller Härte<br />

verfolgt und bestraft. Je<strong>der</strong> Polizist, <strong>der</strong> sich entschließt diesen Beruf zu ergreifen, hat sich<br />

schon im Vorfeld einen gewissen ethischen Anspruch an sich selbst gestellt. Jedem<br />

Polizisten ist klar, dass ein solches Verhalten nicht nur rechtswidrig, son<strong>der</strong>n auch moralisch<br />

nicht zu tolerieren ist.<br />

Eine Kennzeichnungspflicht wird keinerlei Auswirkungen auf die Beamten haben, die sich<br />

ihrer Verantwortung nicht bewusst sind und ethisch nicht korrekt verhalten. Diese werden<br />

an<strong>der</strong>e Wege finden (Namen verbergen etc.), um unerkannt zu bleiben. Diejenigen (und<br />

das ist die Mehrzahl <strong>der</strong> Beamten), die sich korrekt verhalten, werden das mit o<strong>der</strong> ohne<br />

Namen am Revers tun.<br />

8. Wo sollte das Namensschild angebracht werden (auf Vor<strong>der</strong>- und/o<strong>der</strong><br />

Rückseite <strong>der</strong> Uniform, Schulter, Helm)?<br />

An Teilen <strong>der</strong> vor<strong>der</strong>en Oberbekleidung. Für eine Trageerleichterung sollten Klettbän<strong>der</strong><br />

genutzt werden.<br />

9. Wie bewerten Sie die Verwendung eines - ggf. wechselnden - Aliasnamens o<strong>der</strong><br />

einer Buchstaben-Nummern-Kombination?<br />

Das sollten die Polizeibeamtinnen und -beamten selbständig entscheiden.<br />

Der Sinn einer Verwendung von –sogar wechselnden- Aliasnamen erschließt sich uns aus<br />

logischer Sicht nicht und sollte seitens <strong>der</strong> Stichwortgeber definiert werden. Wechselnde<br />

Aliasnamen würden darüber hinaus eine weitere Bürokratisierung innerhalb <strong>der</strong> Polizei<br />

bewirken.<br />

1 0. Wie bewerten Sie den Umstand, dass privatwirtschaftlich tätige Wachleute<br />

rechtlich verpflichtet sind, ein Namensschild zu tragen?<br />

Während an die Polizei als staatliche Institution <strong>der</strong> Anspruch erhoben werden kann, dass<br />

diese dem Allgemeinwohl dient (Artikel 33 Abs. 4 <strong>des</strong> Grundgesetzes) und in einem<br />

öffentlich- rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen, ist bei privaten<br />

Sicherheitsdiensten eindeutig, dass diese nicht dem Allgemeinwohl, son<strong>der</strong>n einzig den<br />

Interessen ihrer Auftraggeber verpflichtet sind.<br />

Wachschutzmitarbeiter sind lediglich mit „Je<strong>der</strong>mannsrechten" (Notwehr, Nothilfe u.<br />

Vorläufige Festnahme n. §127.1 StPO) sowie dem Hausrecht <strong>für</strong> die entsprechende<br />

Einrichtung ausgestattet. Die Rechte privater Sicherheitsdienste sind also nicht mit denen<br />

<strong>der</strong> Polizei vergleichbar. Sie dürfen niemanden zwingen sich auszuweisen, Personen o<strong>der</strong><br />

4


<strong>der</strong>en Sachen durchsuchen o<strong>der</strong> gar Leute in Gewahrsam nehmen. Die Anwendung von<br />

Gewalt ist nur in sehr wenigen Situationen zulässig und muss dabei immer verhältnismäßig<br />

sein<br />

Aus <strong>der</strong> Praxis ist bekannt, dass Aufträge teilweise mit körperlicher Gewalt durchgesetzt<br />

wurden. Die Mitarbeiter sind teilweise schlecht ausgebildet und werden miserabel bezahlt.<br />

Weiterbildung im Deeskalationstraining fehlen meist völlig.<br />

Einerseits sind die Rechte von privaten Sicherheitsdiensten undurchsichtig und meist<br />

unbekannt, an<strong>der</strong>erseits fehlen jegliche Kontrollmechanismen. Rechtlich verpflichtet sind<br />

Wachleute sich namentlich zu kennzeichnen, wenn sie die Sachkundeprüfung nach § 34 A<br />

<strong>der</strong> Gewerbeordnung abgelegt haben und sich im öffentlichen Bereich bewegen.<br />

Polizeibeamte unterliegen einer Legitimationspflicht, ob die Wachschutzmitarbeiter einer<br />

solchen Pflicht unterliegen ist nicht bekannt. Daher ist es selbstverständlich, dass sie<br />

rechtlich verpflichtet sind, ein Namensschild zu tragen.<br />

5


Wage g<br />

B..ci Deutscher Kriminadbeamter<br />

Lan<strong>des</strong>verband Brandenburg<br />

BDK Lan<strong>des</strong>verband Brandenburg1 Gcepelstraße 90 1 15234 Frankfurt (O<strong>der</strong>)<br />

Ihr/e Zeichen/Nachricht vom<br />

ENGEGANGEN<br />

1 G. JAN. 21111WS—<br />

UQJ<br />

Erledigt-2_<br />

Ihr/e Ansprechpartner/1n<br />

Wolfgang Bauch<br />

Funktion<br />

Lan<strong>des</strong>vorsitzen<strong>der</strong><br />

E-Mail<br />

vorstand.brandenburg©bdk.de<br />

Telefon<br />

+49 (0) 335 60688883<br />

+49 (0) 171 2428668<br />

Telefax<br />

+49 (0) 355 2808517<br />

19,01.2011<br />

Öffentliche Anhörung / Siebentes Gesetz zur Än<strong>der</strong>ung <strong>des</strong> Brandenburgischen<br />

Polizeigesetzes / Gesetzentwurf <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> CDU / Drucksache 5/1442<br />

Donnerstag, 27. Januar 2011, <strong>Landtag</strong> Brandenburg<br />

Stellungnahme BDK Brandenburg zum Gesetzentwurf „Kennzeichnungspflicht"<br />

Der BDK Brandenburg lehnt den Gesetzentwurf ab, da durch das offene Tragen eines<br />

Namensschil<strong>des</strong> die Gefahr besteht, dass die Person <strong>des</strong> Beamten einem unkontrollierbaren<br />

dritten Personenkreis und nicht nur dem Betroffenen <strong>der</strong> Amtshandlung bekannt wird. Dem<br />

Betroffenen einer jeden Amtshandlung <strong>der</strong> Kriminalpolizei wird <strong>des</strong>sen Person durch Vorlage<br />

<strong>des</strong> Dienstausweise, einer Visitenkarte o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Unterschrift auf einem <strong>Protokoll</strong> ohnehin<br />

bekannt. Auf das Ausreichen von Visitenkarten sollte dahingehend dienstlich noch mehr<br />

hingewiesen werden. Diese sollten nicht nur jedem Bediensteten zur Verfügung gestellt,<br />

son<strong>der</strong>n die Übergabe an Betroffene noch mehr als schon jetzt zur Selbstverständlichkeit<br />

werden.<br />

Verdeckte Einsätze sind von einer Kennzeichnungspflicht ohnehin ausgenommen, wegen<br />

Gefährdung <strong>der</strong> Person <strong>des</strong> Beamten o<strong>der</strong> <strong>des</strong> Einsatzzwecks.<br />

Bund Deutscher Kriminalbeamter Lan<strong>des</strong>verband Brandenburg<br />

Goepelstraße 90 15234 Frankfurt (O<strong>der</strong>)<br />

Tel.: +49 (0) 335 60688883 1 Fax: +49 (0) 355 2808517<br />

E-Mail: vorstand.brandenburg@bdk.de 1 Internet: www,bdk.de<br />

Mitglied im<br />

Conseil Europeen <strong>des</strong><br />

Syndicats de Police<br />

Mitglied <strong>des</strong> Stifterrates<br />

Deutsches Forum <strong>für</strong><br />

Kriminalprävention


Bund Deutscher Kriminalbeamter<br />

Lan<strong>des</strong>verband Brandenburg<br />

Gleichzeitig weisen wir auf in einigen Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong>n bestehende Freiwilligkeitslösungen hin.<br />

So wurde uns aus Nie<strong>der</strong>sachsen berichtet, dass es dort jedem Polizeivollzugbeamten<br />

freigestellt ist, ein Namensschild zur Legitimation zu tragen. Interessanterweise wird dort<br />

gerade bei den uniformierten Polizeibeamten zunehmend Gebrauch von dieser<br />

Legitimationsform gemacht wird.<br />

Der BDK möchte die Möglichkeit nutzen redaktionell darauf hinzuweisen, dass es im<br />

Gesetzentwurf unterschiedliche Bezeichnungen <strong>des</strong> betroffenen Personenkreises gibt:<br />

Im Gesetzentwurf wird von Polizeivollzugsbediensteten, in <strong>der</strong> allgemeinen Begründung A<br />

von Bediensteten <strong>der</strong> Polizei (PVB/Tarifbeschäftigte) und in <strong>der</strong> Einzelbegründung B von<br />

uniformierten Polizeivollzugsbeamten gesprochen.<br />

Dieser Positionierung liegt ein Beschluss <strong>des</strong> geschäftsführenden BDK-Lan<strong>des</strong>vorstan<strong>des</strong><br />

Brandenburg vom 08.01.2011 zugrunde.<br />

Bund Deutscher Kriminalbeamter Lan<strong>des</strong>verband Brandenburg Seite 1 2


(247(. (Kai, 1üt4<br />

Bund Deutscher Kriminalbeamter<br />

Lan<strong>des</strong>verband Brandenburg<br />

BDK Lan<strong>des</strong>verband BrandenburglGoepelstraße 90 1 15234 Frankfurt (O<strong>der</strong>) Ihr/e Zeichen/Nachricht vom<br />

Ihr/e Ansprechpartner/in<br />

Peggy Wölk<br />

Funktion<br />

E-Mail<br />

yorstand.brandenburqPbdk.de<br />

Telefon<br />

+49 (0) 335 60688883<br />

+49 (0) 171 2428668<br />

Telefax<br />

+49 (0) 355 2808517<br />

Potsdam, 27.01.2011<br />

Öffentliche Anhörung / Siebentes Gesetz zur Än<strong>der</strong>ung <strong>des</strong> Brandenburgischen<br />

Polizeigesetzes / Gesetzentwurf <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> CDU / Drucksache 5/1442<br />

Donnerstag, 27. Januar 2011, <strong>Landtag</strong> Brandenburg<br />

Antworten BDK Brandenburg zum Fragenkatalog <strong>für</strong> die Anzuhörenden<br />

Bevor ich auf die Fragen eingehen möchte, beschäftigt mich eine Frage, die durch Ihr<br />

Schreiben „Gesetzentwurf <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> CDU - Drucksache 5/1442" aufgeworfen wird.<br />

Bei <strong>der</strong> Rechtsfolgenabschätzung, im Speziellen bei <strong>der</strong> Erfor<strong>der</strong>lichkeit, sprechen Sie davon,<br />

„Die Gesetzesän<strong>der</strong>ung ist unter tatsächlichen Gesichtspunkten erfor<strong>der</strong>lich."<br />

Welche tatsächlichen Gesichtspunkte gibt es denn, die eine Gesetzesän<strong>der</strong>ung<br />

erfor<strong>der</strong>lich machen? Was liegen Ihnen hierzu <strong>für</strong> Anhaltspunkte vor, die eine<br />

Kennzeichnungspflicht <strong>für</strong> Brandenburger Polizeibeamte begründen?<br />

Für welchen Personenkreis soll diese Kennzeichnungspflicht gelten? Dies geht aus dem<br />

Gesetzesentwurf nicht klar hervor!<br />

Bund Deutscher Kriminalbeamter Lan<strong>des</strong>verband Brandenburg<br />

Goepelstraße 90 1 15234 Frankfurt (O<strong>der</strong>)<br />

Tel.: +49 (0) 335 60688883 1 Fax: +49 (0) 355 2808517<br />

E-Mail: vorstand.brandenburg@bdk.de 1 Internet: www.bdk.de<br />

Mitglied Irr<br />

Conseil Europäen <strong>des</strong><br />

Syndicats de Police<br />

Mitglied <strong>des</strong> Stifterrates<br />

Deutsches Forum <strong>für</strong><br />

Kriminalprävention


Bund Deutscher Kriminalbeamter<br />

Lan<strong>des</strong>verband Brandenburg<br />

1. Welche Gründe sprechen <strong>für</strong> und welche gegen eine Kennzeichnungspflicht?<br />

Da<strong>für</strong>:<br />

- polizeiliches Handeln je<strong>des</strong> einzelnen Beamten wird transparenter<br />

- <strong>der</strong> Polizist ist <strong>für</strong> Je<strong>der</strong>mann ansprechbar<br />

Dagegen:<br />

- Die Kennzeichnungspflicht könnte den Eindruck erwecken, dass die Polizei unter<br />

Generalverdacht gestellt wird und das in einer Zeit, in <strong>der</strong> die Gewalt gegen<br />

Polizeibeamte zunimmt (siehe auch KfN-Studie).<br />

- unbeteiligte Personen erhalten den Namen eines Beamten, obwohl sie nicht Adressat <strong>der</strong><br />

Maßnahme sind<br />

- spezielle Nachnamen von Beamten sind leicht recherchierbar, (das haben wir ausprobiert<br />

und es gelingt in wenigen Minuten zu erfahren, wie <strong>der</strong> Vorname <strong>des</strong> Beamten ist und dann<br />

geht die Recherche bis zur Familie und Wohnanschrift — diesbezüglich gibt es genug<br />

Beispiele, dass bei Straftätern Anschriften von Beamten und ihren Familien gefunden<br />

wurden<br />

- polizeiliche Handlungen sind nachträglich überprüfbar, somit ist die Kennzeichnung unnötig<br />

- es besteht bereits die Ausweispflicht <strong>für</strong> Beamte und es gibt eine innerdienstliche Vorschrift,<br />

die das Aushändigen von Visitenkarten, auf Verlangen, for<strong>der</strong>t (PDV 350)<br />

- je nach Festlegung, ob Namensschil<strong>der</strong> o<strong>der</strong> Alias o<strong>der</strong> Nummern,<br />

und je nach Festlegung, ob <strong>für</strong><br />

- uniformierte Polizeivollzugsbeamte<br />

- Bedienstete <strong>der</strong> Polizei<br />

- Polizeivollzugsbedienstete<br />

Wird es dann wirklich bei geringfügigen Kosten bleiben? (Je<strong>der</strong> Beamten benötigt min<strong>des</strong>tens<br />

zwei Kennzeichnungen, <strong>für</strong> Bluse und Jacke o<strong>der</strong> Shirt und Jacke und dann auch so, dass<br />

diese nicht verloren werden kann.)<br />

Auch Polizeibeamte sind noch Grundrechtsträger und dürfen auch allein aus diesem Grunde<br />

ihr Recht (Recht auf Informationelle Selbstbestimmung) in Anspruch nehmen.<br />

2. Welche Fälle sollten von <strong>der</strong> generellen namentlichen Kennzeichnungspflicht<br />

ausgenommen werden?<br />

Abgesehen von <strong>der</strong> Grundposition einer Freiwilligkeitsregelung im uniformierten Bereich, ist<br />

<strong>der</strong> BDK <strong>der</strong> Auffassung, dass die Kriminalpolizei generell von einer Kennzeichnungspflicht im<br />

Sinne <strong>des</strong> Tragens von Namensschil<strong>der</strong>n auszunehmen ist. Nicht ohne Grund wird <strong>der</strong> Dienst<br />

auch in zivil versehen. Dieses diskrete Erscheinungsbild schützt im Übrigen auch die Bürger,<br />

mit denen die Kriminalbeamten in Kontakt treten. Immer wie<strong>der</strong> bitten Bürger sogar darum,<br />

das die Kripo sich insbeson<strong>der</strong>e im Bereich <strong>der</strong> Arbeitsstelle als solche nicht zu erkennen gibt<br />

(aus Sorge um den Arbeitsplatz bzw. Sorge im das Image <strong>der</strong> Firma).<br />

Mitarbeiter <strong>der</strong> Kripo weisen sich wie je<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Polizist auf Verlangen mit dem<br />

Dienstausweis aus, stellen sich am Telefon und bei <strong>der</strong> persönlichen Ansprache vor<br />

(Ausnahmen Spezialkräfte, ...), sind namentlich aus Anschreiben aller Art erkennbar (Name<br />

Dienstgrad, Telefonnummer und Aktenzeichen auf Vorladungen und <strong>Protokoll</strong>en) und<br />

Bund Deutscher Kriminalbeamter Lan<strong>des</strong>verband Brandenburg Seite 2


Bund Deutscher Kriminalbeamter<br />

Lan<strong>des</strong>verband Brandenburg<br />

übergeben Visitenkarten. An den Dienstzimmern stehen, wie bei den Verwaltungsbeamten<br />

die Namen.<br />

Wenn die Kripo gänzlich ausgenommen wird, stellen sich die Fragen nach den Ausnahmen im<br />

Bereich <strong>der</strong> Kripo nicht;<br />

- verdeckte Einheiten bzw Spezialeinheiten, bei denen <strong>der</strong> Schutz <strong>der</strong> Persönlichkeit <strong>des</strong><br />

Beamten erfor<strong>der</strong>lich ist<br />

Bsp.: - SEK / MEK<br />

- Fahndung / Mega<br />

- Staats- und Verfassungsschutz<br />

3. Welche Erkenntnisse gibt es über die Gefährdung von Polizeibeamten und ihren<br />

Angehörigen aufgrund einer individuellen Kennzeichnung? Liegt statistisches<br />

Material zu Übergriffen vor?<br />

- es gibt keine Erkenntnisse, da es in <strong>der</strong> polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) nicht erfasst<br />

wird<br />

- in <strong>der</strong> Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) werden lediglich die Übergriffe auf<br />

Polizeibeamten registriert, nicht die Gefährdung<br />

- Ist es überhaupt möglich bei Übergriffen auf Polizeibeamte den Zusammenhang mit <strong>der</strong><br />

individuellen Kennzeichnung zu erkennen?<br />

4. Welche Erfahrungen sind mit <strong>der</strong> Internetpräsenz <strong>der</strong> Revierpolizisten<br />

(Veröffentlichung mit Foto und vollem Namen) gemacht worden?<br />

Der Revierpolizist hat bei <strong>der</strong> Wahl seines Dienstpostens gewusst, dass er namentlich <strong>für</strong><br />

seinen Bereich bekannt sein muss. Es ist hier also von vorn herein klar, dass er überall<br />

seinen Namen und seine Erreichbarkeit hinterlässt. Der Revierpolizist ist aber auch oft nur<br />

<strong>der</strong> Ansprechpartner bei Problemen, Anzeigenaufnahmen und Herstellung von<br />

Erreichbarkeiten. Er ist selten <strong>der</strong> Beamte, wie im Wach- und Wechseldienst (WWD) <strong>der</strong><br />

Zwangsmaßnahmen durchführen muss. Es ist zu beachte, dass das Aufgabenfeld <strong>des</strong><br />

Revierpolizisten nicht mit dem Aufgabenfeld von Bereitschaftspolizei o<strong>der</strong> Wach- und<br />

Wechseldienst verglichen werden kann.<br />

5. Welche Unterschiede sehen Sie zwischen Mitarbeitern <strong>der</strong> Polizei und<br />

Verwaltungsmitarbeitern, die mit vollem Namen bekannt sind (z. B. durch<br />

Türschil<strong>der</strong> und die Unterzeichnung von Schreiben)?<br />

Wie auch bei den Verwaltungsbeamten sind Polizeibeamte durch ihre Unterschriften, mit<br />

Namen und Dienstgrad, auf Schreiben zu erkennen. Namensschil<strong>der</strong> an den Türen haben die<br />

Mitarbeiter <strong>der</strong> Kriminalpolizei auch.<br />

Der Polizist vollzieht vor Ort einen Verwaltungsakt, <strong>der</strong> keine aufschiebende Wirkung hat und<br />

ist direkt als Person da.<br />

Der Verwaltungsbeamte teilt dem Bürger mit, dass er angeschrieben wird, o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Bürger<br />

erhält ein Schreiben - dann richtet sich die Wut <strong>des</strong> Bürgers eher gegen die „Behörde" als<br />

solches, als gegen den Verwaltungsbeamten.<br />

Dem Polizisten wird oft unterstellt, dass er eine Einzelfallentscheidung trifft und die gezielt<br />

gegen den entsprechenden Bürger und wird somit zum „Wutobjekt" und direktem<br />

Angriffspartner.<br />

Bund Deutscher K rirn in albeam te r Lan<strong>des</strong>verband Brandenburg Seite I 3


Bund Deutscher Kriminalbeamter<br />

Lan<strong>des</strong>verband Brandenburg<br />

Hierbei ist es aber egal, ob er Polizist seinen Namen an <strong>der</strong> Uniform trägt o<strong>der</strong> nicht.<br />

Beamte können durch Unbeteiligte bei einer polizeilichen Maßnahme gestört werden. Durch<br />

das Ansprechen mit dem Namen, <strong>der</strong> ja ersichtlich ist, wird dies noch unangenehmer.<br />

Beamte tragen ihren Namen mit sich herum und sind so je<strong>der</strong>zeit ansprechbar.<br />

Der Verwaltungsbeamte wird außerhalb seines Büros nicht als solcher erkannt und auch nicht<br />

angesprochen.<br />

6. Wie bewerten Sie die Kennzeichnungspflicht im Hinblick auf § 36<br />

Beamtenstatusgesetz, wonach Beamtinnen und Beamte <strong>für</strong> die Rechtmäßigkeit<br />

ihrer dienstlichen Handlungen die volle persönliche Verantwortung tragen?<br />

Das ist auch jetzt schon so. Je<strong>der</strong> Beamte hat sich vor Ort auf Verlangen auszuweisen, somit<br />

erfährt <strong>der</strong> Adressat <strong>der</strong> Maßnahme den Namen <strong>des</strong> Beamten. Die Dienststelle muss <strong>der</strong><br />

Beamte allerdings benennen, da diese nirgends verzeichnet ist. Der Dienstgrad (bei<br />

uniformierten Polizisten) ist auf den Schultern ersichtlich und kann bei Interesse je<strong>der</strong>zeit<br />

nachgelesen werden. Somit ist es <strong>für</strong> jeden Bürger möglich eine polizeiliche Maßnahme -<br />

auch in Bezug auf den Beamten - rechtlich prüfen zu lassen.<br />

Gibt es im Land Brandenburg Strafanzeigen gegen Beamte, bei denen <strong>der</strong> Beamte nicht<br />

ermittelt werden konnte?<br />

Für den BDK ist es unstrittig, dass Übergriffe, jeglicher Art, aufgeklärt und geahndet werden<br />

müssen, genauso wie Angriffe auf unsere Kolleginnen und Kollegen.<br />

7. Wie bewerten Sie die Kennzeichnungspflicht im Hinblick auf den Europäischen<br />

Kodex <strong>für</strong> Polizeiethik und die Standards <strong>des</strong> Europäischen Komitees zur Verhütung<br />

von Folter und unmenschlicher o<strong>der</strong> erniedrigen<strong>der</strong> Behandlung o<strong>der</strong> Strafe?<br />

Zu diesem Punkt sollte ein Vergleich herangezogen werden: Wie viele Beamte werden im<br />

Dienst angegriffen und wie viele Anzeigen wegen Tätlichkeiten gegen Beamten gibt es?<br />

Es ist mein persönlicher Standpunkt, dass die Kennzeichnungspflicht in diesem<br />

Zusammenhang nichts än<strong>der</strong>n würde.<br />

8. Wo sollte das Namensschild angebracht werden (auf Vor<strong>der</strong>- und/o<strong>der</strong> Rückseite<br />

<strong>der</strong> Uniform, Schulter, Helm)?<br />

Bei freiwilliger Trageweise sollte <strong>der</strong> Name im Bereich <strong>der</strong> Brust angebracht werden. Eine<br />

Möglichkeit mittels Klett wäre hier gut vorstellbar, da das Namensschild so we<strong>der</strong> den<br />

Beamten noch einen Bürger verletzten kann bzw. einfach abfallen kann.<br />

Problematisch ist es lediglich nachträglich auf den wasserfesten Jacken solche<br />

Verän<strong>der</strong>ungen vorzunehmen.<br />

9. Wie bewerten Sie die Verwendung eines - ggf. wechselnden - Aliasnamens o<strong>der</strong><br />

einer Buchstaben-Nummern-Kombination?<br />

- Aliasnamen werden eher als unpraktisch bezeichnet<br />

Bund Deutscher r 1 rn Ina I be a m ter Lan<strong>des</strong>verband Brandenburg Seite i 4


Bund Deutscher Kriminalbeamter<br />

Lan<strong>des</strong>verband Brandenburg<br />

- Buchstaben-Nummern-Kombinationen sind hier eher ratsam, da die Persönlichkeitsrechte<br />

je<strong>des</strong> Beamten so gewahrt wären<br />

- es muss so aber gewährleistet sein, dass eine Verwechselung ausgeschlossen werden kann<br />

10. Wie bewerten Sie den Umstand, dass privatwirtschaftlich tätige Wachleute<br />

rechtlich verpflichtet sind, ein Namensschild zu tragen?<br />

Schön, dass die Pflicht besteht, aber es trägt kaum ein Mitarbeiter seinen Namen. Eigene<br />

Recherchen haben ergeben, dass es da<strong>für</strong> auch keine Kontrollen bzw. Strafen bei<br />

Nichteinhaltung gibt.<br />

Außerdem kann Wachschutz nicht mit Polizei verglichen werden, da sie sich lediglich im<br />

„Je<strong>der</strong>mannsrecht" befinden. Sie haben keine Befugnisse Vollzugshandlungen durchzuführen<br />

und daher rufen sie auch immer bei Feststellungen an Kontrollobjekten die Polizei.<br />

Im Nachgang zur Anhörung ist zu ergänzen, dass <strong>für</strong> den Fall <strong>der</strong> Einführung dieser<br />

Gesetzesän<strong>der</strong>ung zu bedenken ist, dass alle Beamten an<strong>der</strong>er Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong>, die<br />

zur Amtshilfe nach Brandenburg kommen und somit dem Brandenburgischen<br />

Polizeigesetz unterliegen, hier ebenfalls verpflichtet werden sich zu kennzeichnen!<br />

Dies dürfte zu erheblichen praktischen und politischen Problemen führen.<br />

Bund Deutscher Kriminatheamter Lan<strong>des</strong>verband Brandenburg Seite 1 5


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DeutscherAnwaltVerein<br />

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? 7. 21111 /1.<br />

Erledigt:<br />

Berlin, im Juli 2010<br />

Stellungnahme Nr. 38/2010<br />

www.anwaltverein.de<br />

Stellungnahme <strong>des</strong> Deutschen Anwaltvereins<br />

durch den Gefahrenabwehrrechtsausschuss<br />

zur<br />

For<strong>der</strong>ung einer Kennzeichnungspflicht<br />

<strong>für</strong> Polizeibedienstete<br />

Mitglie<strong>der</strong> <strong>des</strong> <strong>Ausschusses</strong>:<br />

Rechtsanwältin Dr. Heide Sandkuhl, Potsdam (Vorsitzende)<br />

Rechtsanwalt Wilhelm Achelpöhler, Münster<br />

Rechtsanwalt Prof. Dr. Matthias Dombert, Potsdam<br />

Rechtsanwalt Prof. Dr. Rainer Hamm, Frankfurt/Main<br />

Rechtsanwalt Sönke Hilbrans, Berlin<br />

Rechtsanwalt Dr. Stefan König, Berlin<br />

Rechtsanwältin Dr. Regina Michalke (Berichterstatterin)<br />

Rechtsanwältin Kerstin Oetjen, Freiburg im Breisgau<br />

Zuständig in <strong>der</strong> DAV-Geschäftsführung:<br />

Rechtsanwalt Franz Peter Altemeier<br />

DeutscherAnwaltVerein • Littenstraße 11 • D - 10179 Berlin • Tel.: (0 30) 72 61 52 - 0 • Fax: (0 30) 72 61 52 - 1 90 • dav@anwaltverein.de • www.anwaltverein.de


Seite 2 von 7<br />

Verteiler:<br />

• Bun<strong>des</strong>verfassungsgericht<br />

• Bun<strong>des</strong>gerichtshof<br />

■ Bun<strong>des</strong>anwaltschaft<br />

• Bun<strong>des</strong>kanzleramt<br />

• Bun<strong>des</strong>ministerium <strong>des</strong> Innern<br />

• Bun<strong>des</strong>ministerium <strong>der</strong> Justiz<br />

■<br />

■<br />

Rechts- und innenausschuss <strong>des</strong> Deutschen Bun<strong>des</strong>tages<br />

Arbeitskreise Recht und <strong>Inneres</strong> <strong>der</strong> im Bun<strong>des</strong>tag vertretenen Parteien<br />

• Bun<strong>des</strong>rat<br />

• Lan<strong>des</strong>justiz- und Innenministerien<br />

• Rechts- und Innenausschüsse <strong>der</strong> <strong>Landtag</strong>e<br />

• Vorstand <strong>des</strong> Deutschen Anwaltvereins<br />

• Lan<strong>des</strong>verbände <strong>des</strong> Deutschen Anwaltvereins<br />

• Vorsitzende <strong>der</strong> Gesetzgebungsausschüsse <strong>des</strong> Deutschen Anwaltvereins<br />

• Vorsitzende <strong>des</strong> FORUM Junge Anwaltschaft <strong>des</strong> DAV<br />

■ Deutscher Richterbund<br />

■ Bun<strong>des</strong>rechtsanwaltskammer<br />

• Deutscher Beamtenbund<br />

■ Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei (Bun<strong>des</strong>vorstand)<br />

■ Deutsche Polizeigewerkschaft im DBB<br />

■ Ver.di, Recht und Politik<br />

■ Humanistische Union<br />

■ Amnesty International Deutschland<br />

• Frankfurter Allgemeine Zeitung<br />

■ Süddeutsche Zeitung<br />

■ Berliner Zeitung


Seite 3 von 7<br />

Der Deutsche Anwaltverein (DAV) ist <strong>der</strong> freiwillige Zusammenschluss <strong>der</strong><br />

deutschen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte. Der DAV mit <strong>der</strong>zeit ca.<br />

67.000 Mitglie<strong>der</strong>n vertritt die Interessen <strong>der</strong> deutschen Anwaltschaft auf<br />

nationaler, europäischer und internationaler Ebene.<br />

Der DAV spricht sich <strong>für</strong> die Einführung einer allgemeinen Kennzeichnungspflicht<br />

<strong>für</strong> Polizeibedienstete aus. Eine gesetzliche Normierung <strong>der</strong> Ausweis- und<br />

Kennzeichnungspflicht von Polizeibediensteten garantiert die individuelle<br />

Zurechenbarkeit staatlichen Handelns. Sie entspricht dem Selbstverständnis<br />

einer Polizei in <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Gesellschaft, die sich als bürgernah versteht und<br />

den Bürgern offen, kommunikativ und transparent entgegentritt. Damit trägt sie<br />

zur nachhaltigen Vertrauensbildung zwischen Bürgern und Polizei bei.<br />

1. In Deutschland gibt es bis heute keine generelle und <strong>für</strong> alle Bereiche <strong>der</strong><br />

Polizeiarbeit verbindliche Kennzeichnungspflicht <strong>für</strong> Polizeibedienstete. In <strong>der</strong><br />

Vergangenheit existierten nach 1848 bis zum Beginn <strong>des</strong> 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

Formen einer Namens- und Kennzeichnungspflicht. Diese konnte sich auf<br />

Dauer jedoch nicht durchsetzen und hat <strong>des</strong>halb we<strong>der</strong> in den<br />

Lan<strong>des</strong>polizeigesetzen in <strong>der</strong> Weimarer Republik noch in den gesetzlichen<br />

Regelungen im Nachkriegsdeutschland Eingang gefunden'.<br />

Zurzeit ist die namentliche Kennzeichnung in den Län<strong>der</strong>n im allgemeinen<br />

Dienstbetrieb entwe<strong>der</strong> auf freiwilliger Basis o<strong>der</strong>, soweit über Erlasse o<strong>der</strong><br />

Geschäftsanweisung bei bestimmten Aufgabengebieten verpflichtend, im<br />

Einvernehmen mit <strong>der</strong> jeweiligen Personalvertretung geregelt. Grundsätzlich<br />

gilt, dass auf Verlangen Name, Amtsbezeichnung und Dienststelle zu nennen<br />

sind. Zivilpolizisten haben sich im Regelfall vor dem Einschreiten durch<br />

Vorzeigen <strong>der</strong> Kriminaldienstmarke bzw. <strong>des</strong> Polizeidienstausweises zu<br />

erkennen zu geben. Bei geschlossenen Einheiten ist bun<strong>des</strong>weit we<strong>der</strong> eine<br />

Namenskennzeichnung noch die Kennzeichnung über eine Dienstnummer<br />

vorgesehen.<br />

1 vgl. hierzu Rupprecht ZRP, 1989, 93 ff.; Greifeld ZRP, 1982, 318 ff.<br />

2<br />

vgl. z.B. StPPr Nr. 1/2003 über das freiwillige Tragen von Namensschil<strong>der</strong>n bei den<br />

uniformierten Angehörigen <strong>der</strong> Polizeibehörden in Berlin v. 21.05.2003


Seite 4 von 7<br />

Die Diskussion über die generelle Einführung einer Kennzeichnungspflicht <strong>für</strong><br />

Polizeibedienstete wird seit Jahrzehnten geführt. Die Be<strong>für</strong>worter begründen<br />

dies im Wesentlichen damit, dass durch ein Namensschild das<br />

Vertrauensverhältnis zwischen Polizei und Bürgern gestärkt werde und<br />

Polizeibedienstete bei möglichen Übergriffen – insbeson<strong>der</strong>e bei Einsätzen<br />

im Rahmen von Großveranstaltungen - leichter zu identifizieren seien. Die<br />

Gegenposition führt ins Feld, dass namentlich identifizierbare Polizeibeamte<br />

– und <strong>der</strong>en Familien – ungerechtfertigten Angriffen und Bedrohungen<br />

ausgesetzt sein könnten4.<br />

3. Rechtliche Vorschriften stützen nach dem heutigen Stand <strong>der</strong> Gesetzgebung<br />

ausdrücklich we<strong>der</strong> die eine noch die an<strong>der</strong>e Position. Insbeson<strong>der</strong>e aus dem<br />

Verfassungsrecht wird ganz überwiegend keine Verpflichtung zur<br />

namentlichen Kennzeichnung von Polizeibediensteten abgeleitet. Dies gilt<br />

umgekehrt auch <strong>für</strong> den Verzicht auf die Kennzeichnung: Das Grundrecht auf<br />

informationelle Selbstbestimmung gewährt Polizeibeamten kein Recht i.S.<br />

einer uneinschränkbaren Herrschaft über ihre persönlichen Daten; denn<br />

diesem Grundrecht sind durch das Allgemeininteresse Grenzen gesetzt. Die<br />

Bürger haben ein Interesse daran, <strong>der</strong> Polizei als Teil einer transparenten<br />

staatlichen Verwaltung zu begegnen und ihr Gegenüber in Uniform ggf. auch<br />

namhaft machen zu können. Diese legitime Zielsetzung wird gerade mit <strong>der</strong><br />

Namenskennzeichnung von Polizeibeamten verfolgt5.<br />

Die gesetzliche Normierung <strong>der</strong> Kennzeichnungspflicht dürfte sich aber auf<br />

das Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit <strong>der</strong> Rechtsschutzgarantie stützen<br />

lassen. Die namentliche Kennzeichnung <strong>der</strong> Polizeibediensteten ermöglicht<br />

die individuelle Zurechenbarkeit von hoheitlichem staatlichem Handeln. Damit<br />

wird das Rechtsstaatsprinzip nicht nur in dem Sinne konkretisiert. dass damit<br />

generell die Anonymität <strong>der</strong> Staatsmacht gegenüber dem Einzelnen<br />

eingeschränkt wird. Vielmehr noch: Die Identifizierung <strong>des</strong> einzelnen<br />

Polizisten ermöglicht einen effektiven Rechtsschutz von Bürgerinnen und<br />

Bürgern, die sich durch (Zwangs-)Maßnahmen von Polizeibediensteten in<br />

3<br />

vgl. hierzu den Gesetzentwurf <strong>der</strong> Fraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE<br />

LINKE „Bürgerfreundliche Polizei", Schleswig-Holsteinischer <strong>Landtag</strong>, Drs. 17/251<br />

4<br />

vgl. hierzu z.B. Stellungnahme <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>vorstands <strong>der</strong> Gewerkschaft <strong>der</strong> Polizei v.<br />

18.03.2010; DIE POLIZEI 1970, 38 f., 1971, 193 und 1981, 161 f.<br />

5<br />

vgl. Rupprecht ZRP, 1989, 93 ff. m.w.Nachw.


Seite 5 von 7<br />

ihren Rechten verletzt sehen. Das Bun<strong>des</strong>verfassungsgericht hat sich<br />

mehrfach zur Bedeutung <strong>der</strong> aus dem Rechtsschutzprinzip abgeleiteten<br />

Rechtsschutzgarantie geäußert'. Diese Entscheidungen betrafen zwar im<br />

Wesentlichen Fragen <strong>des</strong> Zugangs zu Gerichten. Für die juristische Prüfung<br />

<strong>der</strong> Frage, ob z.B. die Anwendung körperlicher Gewalt von<br />

Polizeibediensteten eine gerechtfertigte Maßnahme unmittelbaren Zwangs<br />

o<strong>der</strong> rechtswidrige Polizeigewalt darstellt, kommt jedoch <strong>der</strong> Feststellung <strong>der</strong><br />

Identität von Polizeibediensteten eine gleichwertige hohe Bedeutung zu. Sie<br />

stellt den Ausgangspunkt strafrechtlicher Ermittlungen gegen eine konkrete<br />

Person dar. Dadurch wird Kontrolle und Sanktionierung <strong>des</strong> polizeilichen<br />

Handelns überhaupt erst ermöglicht.<br />

So führt das Bun<strong>des</strong>verfassungsgericht in seinem Beschluss vom 4. Februar<br />

2010 (2 BvR 2397/06) unter Bezugnahme auf die Artikel 1 und 2 EMRK und<br />

die Rechtsprechung <strong>des</strong> EGMR zur effektiven Strafverfolgung und<br />

Täterermittlung in Randnummer 20 aus:<br />

„Wirksame Ermittlungen setzen voraus, dass bestimmte<br />

Bedingungen erfüllt sind. Die Ermittlungen müssen zum einen<br />

prompt, umfassend, unvoreingenommen und gründlich sein (vgl.<br />

EGMR, McCann u.a./Vereinigtes Königreich, a.a.O., Rn. 162). Sie<br />

müssen darüber hinaus geeignet sein, zur Identifizierung und<br />

Bestrafung <strong>der</strong> verantwortlichen Person zu führen (vgl. EGMR,<br />

Entscheidung vom 20. Mai 1999, Nr. 21554/93, Ogur/Türkei, NJW<br />

2001, S. 1991 )".<br />

Dass es Anlass zu Kontrolle und Überprüfung <strong>der</strong> Handlungsweise <strong>der</strong><br />

Polizei geben kann, vermerkt nicht zuletzt die Organisation Amnesty<br />

International, die in einem Bericht <strong>der</strong> Sektionskogruppe Polizei vom<br />

17.03.2007 7 und in ihrem jüngsten Deutschlandbericht „Täter unbekannt"'<br />

darauf hinweist, dass auch in Deutschland häufig im Zuge von polizeilichen<br />

6 BVerfGE 116, 24 ff. [52]; 116, 69 ff. [88]; 112, 185 ff. [207]; 117, 71 ff. [121]; BVerfGK 9,<br />

295 ff. [304]<br />

7 http://www.amnestyp<br />

olizei.de/d/wpcontent/uploads/kennzeichnungspflicht_positionspapier finale.pdf<br />

Amnesty Deutschlandbericht 2010 – „Täter unbekannt", Juli 2010, Art.Nr.21710,<br />

abrufbar unter:<br />

http://www.amnesty-polizei.de/d/wp-content/uploads/Polizeibericht-Deutschland-2010.pdf


Seite 6 von 7<br />

Einsätzen bei Demonstrationen und Großveranstaltungen Vorwürfe von<br />

rechtswidrigen Übergriffen <strong>der</strong> Polizei auf Einzelne laut werden und die<br />

fehlende Identifizierung dazu führt, dass die strafrechtliche Sanktion<br />

unterbleiben muss 9 . Die Organisation verbindet diese Feststellung mit <strong>der</strong><br />

Empfehlung an die Innenministerien in Deutschland, die Polizeibediensteten<br />

während ihrer dienstlichen Tätigkeit zu verpflichten, Namensschil<strong>der</strong> o<strong>der</strong><br />

Dienstnummern zu tragen19.<br />

Zwar kam das „Zur Frage <strong>der</strong> Einführung einer individuellen<br />

Kennzeichnungspflicht bei uniformierten Bediensteten" erstattete Gutachten<br />

aus dem Jahr 2008 u.a. zum Ergebnis, dass eine namentliche Identifizierung<br />

lediglich in ca. 9 % <strong>der</strong> zur Anzeige gebrachten Fälle erleichtert worden wäre.<br />

Allerdings verzichteten die meisten Geschädigten auf eine Anzeige gegen<br />

Unbekannt12.<br />

Die namentliche Kennzeichnung <strong>der</strong> Polizeibediensteten hat u.a. zur Folge,<br />

dass <strong>der</strong>en Dienstausübung im konkreten Einzelfall leichter überprüfbar und<br />

damit kontrollierbar ist. Dies ist – entgegen vor allem <strong>der</strong> Auffassung von<br />

polizeilichen Verbänden und . Gewerkschaften <strong>der</strong> Polizei – nicht<br />

gleichzusetzen mit einem „pauschalen Misstrauensvotum und einer<br />

Diskriminierung <strong>der</strong> Schutzpolizei". Eines <strong>der</strong> tragenden Prinzipien <strong>des</strong><br />

demokratischen Rechtsstaats ist die Kontrollierbarkeit staatlicher Macht. Die<br />

Polizei mit ihren weitreichenden (auch Zwangs-)Befugnissen muss sich<br />

dieser Kontrolle stellen. Der Europäische Kodex <strong>für</strong> Polizeiethik (,,European<br />

Code of Police Ethics") <strong>des</strong> Europarats, dem sich Deutschland verpflichtet<br />

hat, spricht sich <strong>des</strong>halb unter Berufung auf die polizeiliche<br />

Rechenschaftspflicht <strong>für</strong> eine Kennzeichnung <strong>der</strong> amtlichen Identität aus.<br />

9 Amnesty International Deutschlandbericht 2010, a.a.O., S. 74 ff. mit Beispielsfällen<br />

10 jüngst bekräftigt in Amnesty International Deutschlandbericht 2010, a.a.O., 5. 109<br />

11<br />

Rogall, Klaus, Zur Frage <strong>der</strong> Einführung einer individuellen Kennzeichnungspflicht bei<br />

uniformierten Polizeibediensteten, Gutachten erstattet im Auftrag <strong>des</strong> Polizeipräsidenten<br />

in Berlin, 2008<br />

12<br />

Amnesty international Deutschlandbericht 2010, a.a.O., S. 70 ff.


Seite 7 von 7<br />

Diese Form von rechtsstaatlicher Verantwortbarkeit wird in <strong>der</strong> Praxis von<br />

den meisten Polizeibeamten auch längst als Teil <strong>des</strong> Berufsethos<br />

verstanden'.<br />

4. Polizeibedienstete sind bei Großveranstaltungen in geschlossenen Einsätzen<br />

oftmals vor beson<strong>der</strong>e Herausfor<strong>der</strong>ungen gestellt, die nicht immer nur<br />

friedlich und durch bloße verbale Kommunikation zu klären sind. Das ist kein<br />

Grund, auf eine Kennzeichnung, und sei es auch nur eine zur Identifizierung<br />

geeignete überschaubare Buchstaben- und Zahlenkombination, zu<br />

verzichten. Gerade in konfliktgeneigten Situationen, in denen von <strong>der</strong> Polizei<br />

auch Zwangsmittel eingesetzt werden können, sollte es auch im Interesse <strong>der</strong><br />

Polizei selbst liegen, den Bürgern nicht als Teil einer anonymen Staatsmacht<br />

entgegen zu treten. Dieses konterkarierte nicht zuletzt ihre Bemühungen um<br />

Bürgernähe an an<strong>der</strong>er Stelle.<br />

Selbst die namentliche Kennzeichnung muss nicht zu einer Zunahme von<br />

rechtwidrigen Drohungen o<strong>der</strong> Klagen gegen Polizeibedienstete führen muss,<br />

zeigen die jahrzehntelangen Erfahrungen, die in den USA, und dort vor allem<br />

in den Metropolen, mit Namenskennzeichen gesammelt wurden. In den USA<br />

tragen Polizeibeamte seit 1975 neben einem Namensschild zumeist<br />

zusätzlich noch eine Personalnummer. Ursprüngliche Proteste seitens <strong>der</strong><br />

Gewerkschaften insbeson<strong>der</strong>e im Hinblick darauf, dass die namentliche<br />

Kennzeichnung zu unbegründeten Klagen gegen Polizeibeamte führte und<br />

diese dadurch verstärkt Belästigungen ausgesetzt würden, erwiesen sich als<br />

unbegründet. Bei Untersuchungen fand man z.B. in New York keinen Hinweis<br />

auf ein Anwachsen von rechtwidriger Bedrohung von Polizeibeamten.<br />

Gleiches galt <strong>für</strong> Detroit und Los Angeles. Die Behörde von Los Angeles sah<br />

es sogar als erwiesen an, dass die positive Einstellung <strong>der</strong> Bürger zur Polizei<br />

verstärkt wurde14.<br />

13<br />

vgl. hierzu den Antrag <strong>der</strong> Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur „Individuellen<br />

Kennzeichnung bei <strong>der</strong> Polizei", Abgeordnetenhaus Berlin, Durchs. 16/0225 vom<br />

01.02.2007, S. 3; vgl. auch die Diskussion im Abgeordnetenhaus von Berlin, 7. <strong>Sitzung</strong> v.<br />

22.02.2007, S. 490 ff.; vgl. weiter: Drs. 16/0623 und 16/0711 <strong>des</strong> Abgeordnetenhaus von<br />

Berlin<br />

14 Greifeid, ZRP 1982, 318 ff.


Anlage AD<br />

EINGEGANGEN<br />

2 5. JAN. 20111,/j2<br />

Erledigt . lj1.4..L 9<br />

STELLUNGNAHME VON AMNESTY INTERNATIONAL ZUM<br />

GESETZENTWURF DER FRAKTION DER CDU DRUCKSACHE 5/1442<br />

ZUM SIEBENTEM GESETZ ZUR ÄNDERUNG DES<br />

BRANDENBURGISCHEN POLIZEIGESETZES<br />

Berlin, 21.01.201 1<br />

Amnesty International bedankt sich <strong>für</strong> die Möglichkeit <strong>der</strong> Stellungnahme.<br />

Amnesty International ist eine internationale Bewegung, die sich <strong>für</strong> die Achtung und den Schutz <strong>der</strong><br />

Menschenrechte auf Grundlage <strong>der</strong> Allgemeinen Erklärung <strong>der</strong> Menschenrechte einsetzt. Die Polizei als<br />

Hüterin <strong>des</strong> Gewaltenmonopols <strong>des</strong> Staates ist zentral <strong>für</strong> den Schutz <strong>der</strong> Menschenrechte. Die Polizei<br />

bedarf aber auch <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>en Transparenz und Kontrolle, da sie als einziges Staatsorgan befugt ist,<br />

unmittelbare Gewalt auszuüben.<br />

Amnesty International ist sich <strong>der</strong> Tatsache bewusst, dass Polizeibeamte in Deutschland eine<br />

schwierige, gefährliche und oft mit großen persönlichen Risiken verbundene Aufgabe erfüllen und dass<br />

die große Mehrheit von ihnen ihren Pflichten professionell und im Einklang mit den Gesetzen erfüllt.<br />

Dennoch ist es notwendig, anzuerkennen, dass Fehler und Fehlverhalten vorkommen können und auch<br />

tatsächlich vorkommen. Solche Vorwürfe müssen umfassend aufgeklärt werden.<br />

Amnesty International begrüßt den Gesetzentwurf <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> CDU zur Än<strong>der</strong>ung <strong>des</strong><br />

Brandenburgischen Polizeigesetzes. Amnesty International for<strong>der</strong>t seit vielen Jahren die Einführung<br />

einer individuellen Kennzeichnungspflicht von Polizeibeamten, um die individuelle Verantwortlichkeit<br />

von Polizeibeamten zu stärken.<br />

Zu den aufgeworfenen Fragen nimmt Amnesty International wie folgt Stellung<br />

1. WELCHE GRÜNDE SPRECHEN FÜR UND WELCHE GEGEN EINE KENNZEICHNUNGSPFLICHT?<br />

Nach Auffassung von Amnesty International sprechen insbeson<strong>der</strong>e fünf Gründe <strong>für</strong> die Einführung <strong>der</strong><br />

Kennzeichnungspfl icht.<br />

(1) Rechtswidriges Verhalten von Polizeibeamten kann geahndet werden<br />

Die individuelle Erkennbarkeit eines Polizeibeamten ist Voraussetzung <strong>für</strong> die Durchführung effektiver<br />

Ermittlungsverfahren bei Vorwürfen wegen Misshandlungen o<strong>der</strong> unverhältnismäßiger<br />

Gewaltanwendung durch Polizeibeamten. Der Europäische Gerichtshof <strong>für</strong> Menschenrechte (EGMR) hat<br />

immer wie<strong>der</strong> unterstrichen, dass solche Ermittlungsverfahren nur dann effektiv sind, wenn sie zur<br />

Identifizierung <strong>des</strong> Täters führen. Insbeson<strong>der</strong>e, wenn Polizistinnen in geschlossenen Einheiten<br />

vgl. z. B. Ogur ./. Türkei, Urteil <strong>der</strong> Großen Kammer vom 20. Mai 1999, Rn. 88, und finucane./. Großbritannien, Urteil<br />

vom 1. Juli 2003, Rn, 67.<br />

AMNESTY INTERNATIONAL Sektion <strong>der</strong> Bun<strong>des</strong>republik Deutschland e. V.<br />

Lan<strong>der</strong> und Asyl Postfach 58 01 62 10411 Berlin<br />

HAUSANSCHRIFT Greifswal<strong>der</strong> Straße 4 . 10405 Berlin<br />

T: +49 30 420248-400. F: +49 30 420248-444 . E: asylearrinesty.de . www.amnesty.de<br />

SPENDENKONTO 80 90 100 . Bank <strong>für</strong> Sozialwirtschaft . BLZ 370 205 00<br />

AMNESTY<br />

INTERNATIONAL


SEITE 2 / 5<br />

agieren, scheitern Ermittlungsverfahren daran, dass nicht festgestellt werden kann, welcher Polizist<br />

o<strong>der</strong> welche Polizistin unverhältnismäßige Gewalt angewendet hat.2<br />

Amnesty International hat auch in Deutschland festgestellt, dass immer wie<strong>der</strong> Ermittlungen wegen<br />

mutmaßlicher rechtswidriger Polizeigewalt <strong>des</strong>wegen nicht geführt werden konnten, weil <strong>der</strong><br />

mutmaßliche Täter nicht identifiziert werden konnte.' Werden beteiligte Polizeibeamte einer<br />

mutmaßlichen Anwendung rechtswidriger Gewalt nicht identifiziert, handelt es sich um eine<br />

unzureichend effektive Ermittlung und damit um eine Menschenrechtsverletzung,'<br />

Die fehlenden o<strong>der</strong> unzureichenden Ermittlungen können zudem zur Straflosigkeit von beteiligten<br />

Polizisten o<strong>der</strong> Polizistinnen führen und bei dem Betroffenen den Eindruck erwecken, dass<br />

Polizeibeamte straffrei bleiben.<br />

Die Identifizierbarkeit eines Polizeibeamten o<strong>der</strong> einer Polizeibeamtin ist wesentliche Voraussetzung <strong>für</strong><br />

die Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit ihres Handelns zu überprüfen. Nach den Beamtengesetzen <strong>des</strong><br />

Bun<strong>des</strong> und <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> tragen auch Polizistinnen die „volle persönliche Verantwortung" <strong>für</strong> die<br />

Rechtmäßigkeit ihrer dienstlichen Handlungen. 5 Verantwortlichkeit heißt, dass sie <strong>für</strong> rechtswidrige<br />

Maßnahmen schadensersatzpflichtig sind, dass gegen sie Strafverfahren eingeleitet werden können und<br />

dass ihr Fehlverhalten disziplinarisch geahndet werden kann. Das alles gilt selbst dann, wenn sie auf<br />

Befehl gehandelt haben.<br />

(2) Die individuelle Kennzeichnungspflicht stärkt die Transparenz polizeilicher Arbeit<br />

Durch die individuelle Kennzeichnungspflicht wird die Transparenz polizeilicher Arbeit erhöht, denn <strong>für</strong><br />

den Betroffenen wird deutlich, wer handelt. Wie in <strong>der</strong> Begründung <strong>des</strong> Gesetzentwurfs zu Recht<br />

ausgeführt wird, bedeutet die Kennzeichnungspflicht, dass die Bürger und Bürgerinnen keiner<br />

anonymen Staatsgewalt gegenüberstehen.<br />

(3) Verbesserung <strong>der</strong> Fehlerkultur <strong>der</strong> Polizei<br />

Die Einführung einer individuellen Kennzeichnungspflicht kann auch zu einer Verbesserung <strong>der</strong><br />

Fehlerkultur führen, weil sie die individuelle Verantwortlichkeit stärkt und dazu beiträgt, Beschwerden<br />

von Bürgern und Bürgerinnen umfassend aufzuarbeiten. Für die Polizei ist es von großer Bedeutung,<br />

eine angemessene Fehlerkultur zu etablieren, um sicherzustellen, dass die Polizei als Institution aus<br />

Fehlern lernen kann und Fehlentwicklungen möglichst schnell entgegen treten kann.<br />

(4) Vertrauen <strong>der</strong> Bevölkerung in die Arbeit <strong>der</strong> Polizei<br />

Durch die individuelle Kennzeichnungspflicht wird auch das Vertrauen <strong>der</strong> Öffentlichkeit in die Polizei<br />

gestärkt. Durch eine Kennzeichnung tritt die Polizei selbstbewusst in <strong>der</strong> Öffentlichkeit auf und das<br />

Verhältnis zu Bürgerinnen und Bürgern verbessert sich. Die wichtige Arbeit <strong>der</strong> Polizei kann durch<br />

einen persönlichen Bezug auch mehr Anerkennung erfahren.<br />

2<br />

vgl. Ramsahai und An<strong>der</strong>e .1 Die Nie<strong>der</strong>lande, Urteil vom 15.05,2007, Nr. 324, Selmouni .1. Frankreich, Urteil vom<br />

28.07,1999, Rn.79.<br />

3<br />

vgl. Amnesty International: "Täter unbekannt - Mangelnde Aufklärung von mutmaßlichen Misshandlungen durch die<br />

Polizei in Deutschland", allgemein: Die<strong>der</strong>ichs, Otto: Never ending story. Kennzeichnung von Polizeibeamten. Bürgerrechte &<br />

Polizei 94 (372009), S. 58 - 65.<br />

4<br />

vgl. Makaratzis ./. Griechenland, Urteil vom 20.12.2004, Rn, 76.<br />

5<br />

vgl. § 56 Bun<strong>des</strong>beamtengesetz, ähnlich in den Lan<strong>des</strong>beamtengesetzen.<br />

AINTmERNNATNAy,


SEITE 3/5<br />

Zwar genießt die Polizei sehr großes Vertrauen <strong>der</strong> Bevölkerung. Das Vertrauen wird aber dann<br />

erschüttert, wenn eine Person eine Beschwerde gegen einen Polizeibeamten erhebt und dieser<br />

Beschwerde nicht nachgegangen werden kann, weil <strong>der</strong> handelnde Polizist nicht identifiziert werden<br />

konnte. Dies haben Betroffene unserer Organisation immer wie<strong>der</strong> berichtet. Exemplarisch da<strong>für</strong> steht<br />

folgen<strong>des</strong> Zitat einer jungen Frau, die am 1. Mai 2007 in Berlin so geschlagen wurde, dass eine Rippe<br />

brach.<br />

„Noch heute empfinde ich tiefe Hilflosigkeit, weil es nicht möglich war, die fraglichen Polizeibeamten<br />

ausfindig zu machen und <strong>für</strong> ihr Fehlverhalten zur Verantwortung zu ziehen."<br />

Diese Frau war gegen 23 Uhr auf dem Heimweg in Berlin gewesen. Sie ging dabei eine Straße entlang,<br />

wo eine Gruppe von Demonstranten und die Polizei waren. Aus einer Gruppe von 13 Polizisten heraus<br />

wurde sie von einem Polizeibeamten mit einem Schlagstock so geschlagen, dass eine Rippe brach und<br />

sie drei Wochen lang arbeitsunfähig war, Es handelte sich bei ihr übrigens um eine ehemalige<br />

Mitarbeiterin von Amnesty International.<br />

(5) Schutz vor falschen Anschuldigungen<br />

Die individuelle Kennzeichnungspflicht schützt aber auch die Polizeibeamten selbst, denn diese<br />

können besser von Zeugen identifiziert werden. Dadurch wird ihre Entlastung sowie die Anerkennung<br />

guter Arbeit einfacher. Zudem wird es leichter, „schwarze Schafe" in <strong>der</strong> mehrheitlich gute Arbeit<br />

leistenden Polizei zu identifizieren und zur Verantwortung zu ziehen. Auch dadurch wird das gute<br />

Ansehen <strong>der</strong> Polizei gestärkt.<br />

2.SOLLTE ES AUSNAHMEN VON DER NAMENTLICHEN KENNZEICHNUNGSPFLICHT GEBEN?<br />

Aus <strong>der</strong> Sicht von Amnesty International muss sichergestellt werden, dass die individuelle<br />

Kennzeichnungspflicht den einzelnen Polizeibeamten nicht gefährdet. Deswegen sollte eine Ausnahme<br />

<strong>der</strong> namentlichen Kennzeichnungspflicht dann möglich sein, wenn es begründete Anhaltspunkte da<strong>für</strong><br />

gibt, dass <strong>der</strong> Polizeibeamte durch die Preisgabe seines Namens gefährdet sein könnte. In diesen<br />

Situationen muss aber eine an<strong>der</strong>e Form <strong>der</strong> individuellen Kennzeichnung sichergestellt werden, die<br />

gewährleistet, dass die Handlungen einzelnen Polizeibeamten zugeordnet werden können.<br />

3.WELCHE ERKENNTNISSE GIBT ES ÜBER DIE GEFÄHRDUNG VON POLIZEIBEAMTEN UND IHREN ANGEHÖRIGEN AUFGRUND EINER<br />

INDIVIDUELLEN KENNZEICHNUNGSPFLICHT?<br />

Amnesty International hat keine Erkenntnisse über eine Gefährdung durch die Kennzeichnungspflicht.<br />

Auch die Polizei Berlin teilte <strong>der</strong> Organisation mit, dass es durch die Einführung <strong>der</strong> individuellen<br />

Kennzeichnungspflicht bei SEK-Beamten zu keiner erhöhten Gefährdung gekommen sei.<br />

5. WELCHE UNTERSCHIEDE SEHEN SIE ZWISCHEN MITARBEITERN DER POLIZEI UND VERWALTUNGSMITARBEITERN, DIE MIT<br />

VOLLEM NAMEN BEKANNT SIND?<br />

Amnesty International ist sich <strong>der</strong> Tatsache bewusst, dass Polizeibeamte in Deutschland eine<br />

schwierige, gefährliche und oft mit großem persönlichen Risiken verbundene Aufgabe erfüllen.<br />

Deswegen ist es von großer Bedeutung, sicherzustellen, dass Polizeibeamte durch das Tragen eines<br />

Namens n icht gefährdet werden,<br />

Amnesty International weist aber auch darauf hin, dass auch an<strong>der</strong>e Berufsgruppen, die durch ihr Amt<br />

gefährdet sind, mit ihrem Namen auftreten müssen. Dies gilt nicht nur <strong>für</strong> Richter und Richterinnen<br />

und Staatsanwälte und Staatsanwältinnen, son<strong>der</strong>n selbst <strong>für</strong> Angehörige <strong>der</strong> Bun<strong>des</strong>wehr, auch wenn<br />

diese im Ausland im Einsatz sind. Privatwirtschaftlich tätigen Wachleuten ist rechtlich vorgeschrieben,<br />

AiNTIVI ERNNAU)TNAYL


SEITE 4 / 5<br />

ein Namensschild zu tragen', Taxifahrerinnen müssen in manchen Regionen ein Namensschild in<br />

ihrem Fahrzeug anbringen.<br />

In an<strong>der</strong>en Staaten tragen Polizeibeamte bereits verpflichtend eine individuelle Kennzeichnung. In<br />

Großbritannien ist das Tragen von individuellen identifikationsnummern auf den Schulterklappen von<br />

Polizistinnen bereits langjährige Praxis. Bei <strong>der</strong> Londoner Metropolitan Police ist das je<strong>der</strong>zeit sichtbare<br />

Tragen von individuellen ID Nummern auf den Schulterklappen Teil <strong>der</strong> Uniformordnung.<br />

Zuwi<strong>der</strong>handlungen sind daher ein Verstoß gegen die Standards professionellen Verhaltens und können<br />

disziplinarrechtlich verfolgt werden.7<br />

Auch bei einigen Polizeien in Spanien besteht seit einigen Jahren eine Kennzeichnungspflicht <strong>für</strong><br />

Polizistinnen aller Einheiten mit sichtbar auf <strong>der</strong> Uniform angebrachten, individuellen<br />

identifikationsnummern." Dies sind die Policia Nacional und die Guardia Civil auf Bun<strong>des</strong>ebene und<br />

auf regionaler Ebene die Polizei von Katalonien.<br />

In Kanada und den USA werden individuelle Kennzeichnungen auf unterschiedliche Weise verwirklicht:<br />

In den kanadischen Städten Vancouver, London und Fre<strong>der</strong>icton werden Namensschil<strong>der</strong> benutzt, in<br />

Toronto ist <strong>der</strong> Name verpflichtend auf die Polizeiuniformen aufgenäht. In den USA sind<br />

Namensschil<strong>der</strong> in Florida und New York City Standard.<br />

6. BEWERTUNG DER KENNZEICHNUNGSPFLICHT IM HINBLICK AUF § 36 BEAMTENSTATUTGESETZ, DER NORMIERT, DASS BEAMTE<br />

PERSÖNLICH VERANTWORTLICH SIND FÜR IHRE HANDLUNGEN<br />

Amnesty International hat im Laufe <strong>der</strong> Recherche immer wie<strong>der</strong> festgestellt, dass Fälle mutmaßlicher<br />

rechtswidriger Polizeigewalt <strong>des</strong>wegen nicht aufgeklärt werden konnte, weil <strong>der</strong> handelnde<br />

Polizeibeamte nicht identifiziert werden konnte. Dies unterminiert die in § 36 Abs. 1 <strong>des</strong><br />

Beamtenstatusgesetzes normierte persönliche Verantwortung <strong>des</strong> Beamten. Die individuelle<br />

Kennzeichnungspflicht stärkt dagegen die persönliche Verantwortung <strong>des</strong> Beamten.<br />

7. KENNZEICHUNGSPFLICHT IM HINBLICK AUF DEN EUROPÄISCHEN KODEX FÜR POLIZEIETHIK UND DIE STANDARDS DES<br />

EUROPÄISCHEN KOMITEES ZUR VERHÜTUNG VON FOLTER UND UNMENSCHLICHER ODER ERNIEDRIGENDER BEHANDLUNG ODER<br />

STRAFE<br />

Der Europäische Kodex <strong>für</strong> Polizeiethik <strong>des</strong> Europarates 9 , <strong>der</strong> vom Ministerrat <strong>des</strong> Europarats<br />

angenommen wurde und <strong>des</strong>wegen ein hohes Maß an Verbindlichkeit hat, betont die persönliche<br />

Verantwortlichkeit und die Rechenschaftspflicht von Polizeibeamtinnen <strong>für</strong> ihr eigenes Tun und<br />

Unterlassen.'° Zudem verweist <strong>der</strong> Kodex auf die Notwendigkeit von Polizeibeamtinnen, sich während<br />

<strong>der</strong> Ausübung ihres Dienstes grundsätzlich, sowohl als Mitglied <strong>der</strong> Polizei als auch seine berufliche<br />

Identität auszuweisen." „Ohne die Möglichkeit einem Polizisten/-in persönlich zu identifizieren, wird<br />

<strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> Rechenschaftspflicht aus <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong> Öffentlichkeit sinnentleert."12<br />

Auch das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher o<strong>der</strong> erniedrigen<strong>der</strong><br />

Behandlung o<strong>der</strong> Strafe (CPT) weist in seinen Standards explizit darauf hin, wie wichtig die Möglichkeit<br />

6<br />

§ 9 Abs. 1 Satz 1 Bewachungsverordnung.<br />

7<br />

Diese Standards sind festgelegt in den Police (Conduct) Regulations 2008, Statutory Instruments 2008, Police, England<br />

And Wales, Ne. 2864.<br />

8<br />

vgl. Amnesty International, Spain: Adding Insult to Injury: Police Impunity Two Years On. 2009, EUR 41/010/2009 : S. 7.<br />

9<br />

The European Code of Police Ethics, Council of Europe, 19.09.2001, Rec(2001)10, Rn, 61.<br />

10<br />

vgl. The European Code of Police Ethics, Council of Europe, 19.09,2001, Rec(2001)10, Nr, 16.<br />

11<br />

ebd. Nr,45,<br />

12<br />

ebd. Nr. 45, Kommentar.<br />

AM N ESTY<br />

INTERNATIONAL


SEITE 5 / 5<br />

<strong>der</strong> Identifizierung von Polizeibeamtinnen ist, insbeson<strong>der</strong>e wenn es um die Vermeidung von<br />

Misshandlungen in Polizeigewahrsam geht." Das CPT unterstreicht, dass die Vermummung von<br />

Polizistinnen im Dienst nur in absoluten Ausnahmefällen gestattet sein kann, da hierdurch die<br />

Identifikation eines polizeilichen Täters nur schwer möglich ist»<br />

Vor diesem Hintergrund begrüßt Amnesty International die individuelle Kennzeichnungspflicht, Auch<br />

<strong>der</strong> Europäische Menschenrechtskommissar Thomas Hammarberg hat hervorgehoben, dass die<br />

individuelle Erkennbarkeit von Polizeibeamten aus menschenrechtlicher Sicht von großer Bedeutung<br />

ist. Dies hat er zuletzt in einem Brief an den Bun<strong>des</strong>innenminister de Maiziere vom 1 5.1 1.2010<br />

hervorgehoben.' 5<br />

8.WO SOLLTE DAS NAMENSSCHILD ANGEBRACHT WERDEN?<br />

Das Namensschild o<strong>der</strong> aber eine an<strong>der</strong>e individuelle Kennzeichnung sollte so angebracht werden, dass<br />

sie auch in unübersichtlichen Situationen noch lesbar sind. Sollte statt <strong>des</strong> Namens eine Nummer<br />

gewählt werden, dann sollte diese so gewählt werden, dass sie leicht zu merken ist.<br />

9.WIE BEWERTEN SIE DIE VERWENDUNG EINES - GGF. WECHSELNDEN - ALIASNAMENS ODER EINER BUCHSTABEN-NUMMERN-<br />

KOMBINATION?<br />

Amnesty International begrüßt jede Form <strong>der</strong> individuellen Kennzeichnung, Die Form <strong>der</strong><br />

Kennzeichnung sollte so gewählt werden, dass sichergestellt ist, dass sie einem einzelnen Polizisten<br />

zugeordnet ist. Sie sollte zudem leicht einprägsam sein und an einer Stelle <strong>der</strong> Uniform angebracht<br />

werden, an <strong>der</strong> sie deutlich zu erkennen ist.<br />

13<br />

Europäisches Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher o<strong>der</strong> erniedrigen<strong>der</strong> Behandlung o<strong>der</strong> Strafe (CPT),<br />

CPT Standards, CPT/Inf/E (2002) 1 - Rev. 2006, Deutsch, S. 92, Nr. 33-34,<br />

14<br />

vgl. ebd. S. 92 Nr. 34.<br />

15<br />

Veröffentlicht unter><br />

https://wcd.coe, i nt/wcd/com. instranet. I nstraServiet?command-com ,instranet CmdBlobGet& I nstraneti m<br />

age= 1 728 763&SecMode=1 &Docid- 1 669020&Usage= 2.<br />

1AN Ti V E 1R N AET SI TN AYL


HUMANISTISCHE UNION e.V. Lan<strong>des</strong>verband Berlin-Brandenburg<br />

Haus <strong>der</strong> Demokratie und Menschenrechte, Greifswal<strong>der</strong> Str. 4, 10405 Berlin<br />

ELNGEGANGEN<br />

f,Z , JAN. 2G11<br />

Ertedigt: ,<br />

TiAdzietihi:te<br />

Tel.: 030 / 204 25 04<br />

Fax: 030 / 204 502 57<br />

Bürozeiten: Mi 16-19h<br />

Aktiventreffen jeden 1. Mi ab 20h<br />

Geschäftsführung Berlin-Brandenburg:<br />

Anja Heinrich<br />

E-Mail:<br />

berlin@ humanistische-union.de<br />

WWW:<br />

kur':// berlin. humanistische-union.de<br />

Stellungnahme <strong>der</strong> Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union e.V.<br />

Lan<strong>des</strong>verband Berlin-Brandenburg<br />

anlässlich <strong>der</strong> Öffentlichen Anhörung<br />

<strong>des</strong> <strong>Ausschusses</strong> <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> am 27. Januar 2011 zum<br />

Aniage 44<br />

Bun<strong>des</strong>vorstand: Beiratsmitglie<strong>der</strong>: Dr. Heinrich Hannover Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, MdB Werner Vüt<br />

Prof, Dr, Rosemarie Will, Vorsitzende Prof. Edgar Banger Dr. Detlef Hensche Dr. Till Müller-Heidelberg Heidemarie Wieczorek-Zeul, MdB<br />

Tobias Baur Prof. Dr. Thea Bauriedl Prof. Dr. Hartmut von Heutig Prof. Dr. Heide Pfarr Prof. Dr. Alexan<strong>der</strong> Wittkowsky<br />

Johann-Albrecht Haupt Prof. Dr. Volker Bialas Heide Hering Gerd Pflaumer Rosi Wolf-Almanasreh<br />

Werner Koep-Kerstin Prof. Dr. Lorenz Böllinger Dr. Dr. h.c. Burkhard Hirsch Claudia Roth, MdB Dr Dieter Wun<strong>der</strong><br />

Helga Lenz Daniela Dahn Friedrich Huth Jürgen Roth Prof. Dr. Karl-Georg Zinn<br />

Dr. Jens Puschke Dr. Dieter Delseroth Prof. Dr. Herbert Jäger Prof. Dr. Fritz Sack<br />

Dr. Fredrik Roggan, stellv. Vors. Prof. Dr. Erhard Denninger Prof. Dr. Walter Jens Klaus Scheunemann Lan<strong>des</strong>vorstand Berlin-Brandenburg:<br />

Jutta Roitsch-Wittkowsky Prof. Carl-Heinz Evers Elisabeth Kilali Georg Schlage Norman Bäuerle<br />

Björn Schreinermacher Prof. Dr. Johannes Feest Dr. Thomas Krämer Helga Schuchardt Tobias Baur<br />

Ulrich Prickh Ulrich Krüger-Limberger Dr. Karl-Ludwig Sommer Axel Bussmer<br />

Geschäftsführung Bun<strong>des</strong>verband: Prof. Dr. Monika Frommel Renate Künast, MdB Prof. Klaus Staeck Roland Otte<br />

Martina Kant, Sven Lü<strong>der</strong>s Prof. Dr. Hansjörgen Garstka Prof. Dr. Martin Kutscha Prof. Er, Ilse Staff Axel Lüssow<br />

Stand: November 2010 Dr. Klaus Hahnzog Prof. Dr. Rüdiger Lautmann Prof. Dr. Wilhelm Steinmüller<br />

BÜRGERRECHTSORGANISATION seit 1961, vereinigt mit <strong>der</strong> Gustav Heinemann-Initiative<br />

Siebenten Gesetz zur Än<strong>der</strong>ung <strong>des</strong> Brandenburgischen Polizeigesetzes<br />

Gesetzentwurf <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> CDU<br />

Drucksache 511442<br />

Berlin, 26.01.2011<br />

1. Welche Gründe sprechen <strong>für</strong> und welche gegen eine Kennzeichnungspflicht?<br />

BÜRGERNÄHE und TRANSPARENZ: Völlig zu Recht stellt <strong>der</strong> Gesetzentwurf in seiner<br />

Begründung fest, dass eine namentliche Kennzeichnung geeignet ist, Transparenz und Bürgernähe <strong>der</strong><br />

Polizei zu stärken: Ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Bürger und Polizei erleichtert i.d.R.<br />

auch die Arbeit <strong>der</strong> Polizeibediensteten und ist damit auch in <strong>der</strong>en Interesse.<br />

EFFEKTIVER RECHTSSCHUTZ: Zudem stellt eine Kennzeichnung sicher, dass polizeiliches<br />

Handeln individuell zurechenbar und kontrollierbar ist. Damit wird gewährleistet, dass Vorwürfe<br />

rechtswidrigen Handelns einzelner Polizeibeamter rechtsstaatlich überprüfbar sind. Die bun<strong>des</strong>weite<br />

Erfahrung hat gezeigt, dass die mangelhafte Identifizierbarkeit von Polizeibeamten den effektiven<br />

Rechtsschutz erheblich beeinträchtigen kann. Die Bürgerinnen und Bürger müssen aber darauf<br />

vertrauen können, dass Straftaten im Amt aufgeklärt werden und dass entsprechende Ermittlungen<br />

und Verfahren zumin<strong>des</strong>t nicht daran scheitern, dass Täter nicht identifiziert werden können. Die<br />

namentliche Kennzeichnung ist geeignet, diese Lücke zu schließen. Allerdings darf auch nicht darüber<br />

hinweggetäuscht werden, dass die Kennzeichnung von Polizisten eine zwar ganz wesentliche<br />

Maßnahme ist, um einen effektiveren Rechtsschutzes gegen rechtwidriges polizeiliches Handeln zu<br />

erreichen, an<strong>der</strong>e Probleme, z. B. im Hinblick auf ein unparteiisches Beschwerdeverfahren o<strong>der</strong><br />

Schwierigkeiten <strong>der</strong> Beweisführung aber nicht beseitigen kann.2<br />

I Stellungnahme <strong>der</strong> Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union e.V. Lan<strong>des</strong>verband Berlin-Brandenburg<br />

zum Gesetzentwurf <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> CDU Siebentes Gesetz zur Än<strong>der</strong>ung <strong>des</strong> Brandenburgischen Polizeigesetzes<br />

(Drs. 5/1442) vom 25.08.2010.<br />

2 Wrocklage, Hartmuth (2007): Polizei im Wandel – Ist eine Demokratisierung <strong>der</strong> Polizei möglich?, in: Reinhard Kreissl<br />

(Hg.): Policing in Context, S.125 ff. (136).<br />

Bankverbindung: Bank <strong>für</strong> Sozialwirtschaft - BLZ 100 205 00 • Konto-Nr. 3074230


RECHTSSTAATLICHE ANFODERUNGEN: Der Kennzeichnungspflicht wird von<br />

Polizeigewerkschaften entgegengehalten, es handele sich dabei um ein „pauschales<br />

Misstrauensvotum" gegenüber <strong>der</strong> Polizei. Dieser Einwand verkennt, dass die Kontrolle staatlichen<br />

Handelns zu den Grundpfeilern <strong>des</strong> demokratischen Rechtsstaates gehört. Wenn durch eine<br />

Kennzeichnung gewährleistet wird, dass polizeiliches Handeln auch in jedem Einzelfall individuell<br />

zurechenbar ist, stärkt dies das Vertrauen <strong>der</strong> Bürgerinnen und Bürger. Selbstverständlich ist die<br />

Polizei im gesetzlichen Rahmen zur Ausübung unmittelbaren Zwangs befugt. Die Ausübung <strong>des</strong><br />

staatlichen Gewaltmonopols bezieht ihre Legitimation aber auch gerade daraus, dass sie demokratisch<br />

beschlossenen gesetzlichen Regeln und Grenzen unterliegt. Es muss daher auch im Interesse <strong>der</strong><br />

Polizei selbst liegen, dass diese Grenzen eingehalten werden und dass Verstöße durch einzelne<br />

Vollzugsbeamte wirksam geahndet werden können.3<br />

PRÄVENTION: Eine namentliche Kennzeichnung kann auf verschiedenen Ebenen präventive<br />

Wirkung entfalten. Zum einen erhöht die Möglichkeit <strong>der</strong> namentlichen Ansprache die<br />

Dialogbereitschaft zwischen den Bürgern und den Polizeivollzugsbediensteten und kann so<br />

deeskalierend wirken. Anonymität wirkt bedrohlich. Ein Namensschild kann daher den durch die<br />

beson<strong>der</strong>e Situation erschwerten Kontakt entkrampfen. Zudem wird <strong>der</strong> einzelne<br />

Polizeivollzugsbedienstete durch die Möglichkeit die Rechtmäßigkeit seines Handelns nachzuprüfen<br />

stets dazu angehalten, in beson<strong>der</strong>em Maße auf die Professionalität seines Handelns zu achten. Im<br />

Übrigen könnte und sollte aufgeklärtes Fehlverhalten auch dazu genutzt werden, Ursachen von<br />

unprofessionellem Verhalten zu ermitteln und zu beseitigen. Häufig beruht polizeiliches Fehlverhalten<br />

auf Überlastung o<strong>der</strong> Überfor<strong>der</strong>ung. Nicht zuletzt lenkt das Namensschild die Aufmerksamkeit <strong>des</strong><br />

Bürgers auf die Person hinter <strong>der</strong> Uniform und ruft auch den Bürger zu den üblichen Formen <strong>des</strong><br />

Anstands auf.4<br />

Diese Vorteile rechtfertigen auch den mit <strong>der</strong> namentlichen Kennzeichnung verbundenen Eingriff in<br />

das Grundrecht auf freie Entfaltung <strong>der</strong> Persönlichkeit und das Recht auf informationelle<br />

Selbstbestimmung.5<br />

2. Welche Fälle sollten von <strong>der</strong> generellen namentlichen Kennzeichnungspflicht ausgenommen<br />

werden?<br />

Im Interesse <strong>der</strong> Polizeivollzugsbediensteten sollte eine Ausnahme von <strong>der</strong> Pflicht zur namentlich<br />

Kennzeichnung dann gelten, wenn ein Polizeivollzugsbediensteter konkret gefährdet ist. Zum einen<br />

dürfte sich ein Anspruch auf Befreiung von <strong>der</strong> Pflicht zur namentlichen Kennzeichnung aus <strong>der</strong><br />

Fürsorgepflicht <strong>des</strong> Dienstherrn ergeben, zum an<strong>der</strong>en läge wohl ohne eine solche Ausnahme ein<br />

unverhältnismäßiger Eingriff in das Persönlichkeitsrecht <strong>des</strong> Beamten vor.6<br />

Zum Schutz und zur Wahrung <strong>der</strong> Interessen <strong>der</strong> Polizeivollzugbediensteten erscheint es aber<br />

ausreichend, auf eine im konkreten Einzelfall festgestellte Gefährdung abzustellen. Bei einem weiter<br />

gefassten Ausnahmetatbestand ist zu be<strong>für</strong>chten, dass es zur Umkehr <strong>des</strong> Regel-Ausnahme-Prinzips<br />

kommt, so dass <strong>der</strong> Zweck <strong>der</strong> Gesetzesän<strong>der</strong>ung verfehlt wird.<br />

3 Stellungnahme <strong>der</strong> Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union e.V. Lan<strong>des</strong>verband Berlin-Brandenburg zum<br />

Gesetzentwurf <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> CDU Siebentes Gesetz zur Än<strong>der</strong>ung <strong>des</strong> Brandenburgischen Polizeigesetzes (Drs. 5/1442)<br />

vom 25.08.2010.<br />

Greifswald: Persönliche Kennzeichnung von Polizeibeamten, ZRP 1982, 318 (320).<br />

5 VG Frankfurt/M. 10.6.1996, 9 E 873/95 (V).<br />

6 VG Frankfurt/M. 10.6,1996, 9 E 873/95 (V).<br />

2


In jedem Fall sollte sichergestellt werden, dass die Ausnahme nicht zu einem völligen Verzicht auf<br />

jegliche individuelle Kennzeichnung führt, son<strong>der</strong>n allenfalls auf die namentliche. Denn wird das<br />

Namensschild durch eine zur nachträglichen Identitätsfeststellung geeignete Kennzeichnung ersetzt,<br />

kann keinerlei Gefahr <strong>für</strong> die Beamtin o<strong>der</strong> den Beamten entstehen, so dass hier we<strong>der</strong> ein<br />

unverhältnismäßiger Eingriff in das Persönlichkeitsrecht noch ein Befreiungsanspruch aus <strong>der</strong><br />

Fürsorgepflicht besteht.<br />

Weniger empfehlenswert ist es, geschlossene Einheiten von <strong>der</strong> namentlichen Kennzeichnung<br />

auszunehmen, denn gerade bei Großeinsätzen tritt die Polizei dem Bürger als anonyme Masse<br />

gegenüber. Daher sollte gerade hier die oben beschriebene präventive und deeskalierende Wirkung,<br />

die von Namensschil<strong>der</strong>n ausgehen kann, zum Tragen kommen.<br />

Soweit man durch einen Ausnahmetatbestand sicherstellen möchte, dass <strong>der</strong> Zweck polizeilicher<br />

Amtshandlungen durch die Kennzeichnungspflicht nicht konterkariert wird, ist zu beachten, dass dies<br />

bei <strong>der</strong> Pflicht zum Tragen eines Identifikationsmerkmals an<strong>der</strong>s als bei <strong>der</strong> bereits in § 9 Bbg PolG<br />

geregelten Legitimationspflicht nur in sehr wenigen Fällen denkbar erscheint. Während die<br />

Legitimationspflicht vom Polizeivollzugsbediensteten eine aktive Handlung, nämlich das Vorzeigen<br />

<strong>des</strong> Dienstausweises erfor<strong>der</strong>t, und <strong>der</strong> Polizeivollzugsbedienstete dadurch an <strong>der</strong> Ausübung seiner<br />

Amtshandlung gehin<strong>der</strong>t sein kann, ist eine <strong>der</strong>artige Beeinträchtigung durch das bloße Tragen eines<br />

Identifikationsmerkmals nicht möglich. Allenfalls beim Einsatz verdeckter Ermittler nach § 35 Bbg<br />

PolG ist eine Kennzeichnung zweckwidrig. Berücksichtigt man dies, erscheint die Formulierung in<br />

§ 9 IH <strong>des</strong> Gesetzentwurfs („soweit <strong>der</strong> Zweck <strong>der</strong> Amtshandlung dadurch beeinträchtigt wird") sehr<br />

weit und unbestimmt. Unter welchen Voraussetzungen eine Beeinträchtigung angenommen (o<strong>der</strong><br />

behauptet) werden kann, bleibt unklar. Zur Vermeidung einer möglichen Aushöhlung <strong>der</strong><br />

Kennzeichnungspflicht empfiehlt die Humanistische Union eine engere Formulierung zu wählen, z. B.<br />

„soweit dadurch <strong>der</strong> Zweck <strong>der</strong> Maßnahme nicht erreicht werden kann" o<strong>der</strong> die explizite Ausnahme<br />

verdeckter Ermittler von <strong>der</strong> Kennzeichnungspflicht.<br />

3. Welche Erkenntnisse gibt es über die Gefährdung von Polizeibeamten und ihren<br />

Angehörigen aufgrund einer individuellen Kennzeichnung? Liegt statistisches Material zu<br />

Übergriffen vor?<br />

Für eine höhere Gefährdung durch eine individuelle Kennzeichnung sind keine empirischen Belege<br />

bekannt. Die Erfahrung aus an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n, die Namensschil<strong>der</strong> <strong>für</strong> alle Polizistinnen und Polizisten<br />

eingeführt haben, spricht gegen die Annahme einer ansteigenden Gefährdung. Entsprechen<strong>des</strong> gilt <strong>für</strong><br />

die bereits in Deutschland gemachten Erfahrungen, denn auch hierzulande sind die Namen von<br />

Polizeivollzugsbediensteten häufig schon bekannt. Da in Brandenburg und auch vielen an<strong>der</strong>en<br />

Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong>n die Polizeivollzugsbeamten ohnehin verpflichtet sind, einem von einer Maßnahme<br />

Betroffenen auf <strong>des</strong>sen Verlangen den Dienstausweis zu zeigen und die Namen von Polizeibeamten<br />

während Gerichtsverfahren genannt werden. Erinnert sei zudem daran, dass auch Richter und<br />

Staatsanwälte damit leben müssen und können, dass sie Straftätern namentlich bekannt sind.<br />

Überhaupt nicht nachvollziehbar ist <strong>der</strong> Gefährdungseinwand, wenn er sogar gegenüber einer<br />

nichtnamentlichen Kennzeichnung vorgebracht wird]<br />

7 Stellungnahme <strong>der</strong> Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union e.V. Lan<strong>des</strong>verband Berlin-Brandenburg zum<br />

Gesetzentwurf <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> CDU Siebentes Gesetz zur Än<strong>der</strong>ung <strong>des</strong> Brandenburgischen Polizeigesetzes (Drs. 5/1442)<br />

vom 25.08.2010.<br />

3


4. Welche Erfahrungen sind mit <strong>der</strong> Internetpräsenz <strong>der</strong> Revierpolizisten (Veröffentlichung<br />

mit Foto und vollem Namen) gemacht worden?<br />

Der Humanistischen Union sind keine negativen Auswirkungen bekannt, die von <strong>der</strong> Internetpräsenz<br />

<strong>der</strong> Revierpolizisten ausgingen. Zumal die Internetpräsenz <strong>der</strong> Revierpolizisten und die<br />

Kennzeichnungspflicht nicht ohne weiteres vergleichbar sind, da die Intensität <strong>des</strong> Eingriffs in das<br />

Persönlichkeitsrecht <strong>des</strong> Beamten bei <strong>der</strong> Präsenz im Internet mit vollem Namen und Foto bereits eine<br />

an<strong>der</strong>e ist.<br />

5. Welche Unterschiede sehen Sie zwischen Mitarbeitern <strong>der</strong> Polizei und Verwaltungsmitarbeitern,<br />

die mit vollem Namen bekannt sind (z. B. durch Türschil<strong>der</strong> und die Unterzeichnung<br />

von Schreiben)?<br />

Dass Mitarbeiter <strong>der</strong> Polizei an<strong>der</strong>s als Verwaltungsmitarbeiter nicht mit vollem Namen erkennbar<br />

und ansprechbar sind, stellt eine nicht nachvollziehbare Privilegierung <strong>der</strong> Polizistinnen und<br />

Polizisten dar. Denn die Eigenverantwortlichkeit <strong>der</strong> Amtsausübung, die durch die Verpflichtung zum<br />

Tragen eines Namensschil<strong>des</strong> konkretisiert wird, gilt in Deutschland <strong>für</strong> jede Beamtin und jeden<br />

Beamten (vgl. Frage 6).<br />

Dabei ist bei Maßnahmen <strong>der</strong> Polizei die „Erkennbarkeit" <strong>des</strong> polizeilichen Handlungsträgers in<br />

beson<strong>der</strong>em Maße geboten, denn jede polizeiliche Maßnahme und insbeson<strong>der</strong>e Zwangsanwendungen<br />

stellen einen Eingriff in die Grundrechte <strong>des</strong> Betroffenen dar. Die Polizei unterscheidet sich von<br />

an<strong>der</strong>en Hoheitsträgern insbeson<strong>der</strong>e durch ihre Zwangsbefugnisse. Je<strong>der</strong> Verwaltungsakt kann<br />

ungeachtet seiner Rechtmäßigkeit (zunächst) mit Zwang durchgesetzt werden und Nichtbefolgung<br />

polizeilicher Anordnungen o<strong>der</strong> Maßnahmen kann eine Straftat (z. B. § 113 StGB, § 23 VersG) o<strong>der</strong><br />

Ordnungswidrigkeit darstellen (z. B. § 111 OWiG, § 113 OWiG, § 29 I Nr. 2 VersG). Diese<br />

weitreichenden Befugnisse erzeugen nicht selten ein Gefühl <strong>der</strong> Ohnmacht und bürgen daher ein<br />

beson<strong>der</strong>es Konfliktpotential in sich. Gerade Polizistinnen und Polizisten sollten sich daher bürgernah<br />

präsentieren und durch individuelle Ansprechharkeit Vertrauen schaffen.<br />

6. Wie bewerten Sie die Kennzeichnungspflicht im Hinblick auf § 36 Beamtenstatusgesetz,<br />

wonach Beamtinnen und Beamte <strong>für</strong> die Rechtmäßigkeit ihrer dienstlichen Handlungen die<br />

volle persönliche Verantwortung tragen?<br />

§ 36 Beamtenstatusgesetz normiert, ebenso wie § 839 I BGB, die Eigenverantwortlichkeit <strong>der</strong><br />

Amtausübung eines Beamten. D.h. <strong>der</strong> einzelne Amtsträger und nicht etwa <strong>der</strong> Dienstherr, <strong>für</strong> den das<br />

Amt wahrgenommen wird, trägt nach außen hin die Verantwortung <strong>für</strong> das Amt. Er hat also<br />

individuell <strong>für</strong> seine Aufgabenerfüllung einzustehen. 8 Diese Eigenverantwortlichkeit gibt dem<br />

Beamten eine eigene Einstellung zur Sache und bewirkt, dass er stets bemüht sein wird, nach außen<br />

hin rechtmäßig zu handeln. 9 Sie dient damit <strong>der</strong> Verwirklichung <strong>der</strong> rechtsstaatlichen Bindung <strong>der</strong><br />

vollziehenden Gewalt an Gesetz und Recht (Art. 20 III GG). Das damit bezweckte beson<strong>der</strong>e<br />

Verantwortungsbewusstsein kann in <strong>der</strong> Praxis aber nur dann entstehen, wenn die Rechtmäßigkeit <strong>der</strong><br />

Amtshandlungen eines Polizeibeamten auch tatsächlich nachprüfbar ist. Dies setzt voraus, dass dem<br />

einzelnen Polizeibeamten seine jeweiligen Amtshandlungen konkret zugeordnet werden können, er<br />

also persönlich identifizierbar ist. Die Möglichkeit, sich als Einzelner hinter einer größeren Masse zu<br />

8 VG Frankfurt/M 10.6.1996, 9 E 873/95 (V).<br />

9 Felix: Die Bedeutung <strong>des</strong> Remonstrationsverfahrens <strong>für</strong> den Rechtsschutz <strong>des</strong> Beamten, ZBR 1994, 18 (21).<br />

4


verstecken, wirkt jedem eigenverantwortlichen Handeln entgegen. Dem trägt die Pflicht zum Tragen<br />

eines Namensschil<strong>des</strong> Rechnung. Das Namensschild schafft einen individuell erkennbaren Amtsträger<br />

in <strong>der</strong> Polizei und macht dem jeweiligen Vollzugsbeamten selbst deutlich, dass er nicht bloßer<br />

Funktionsträger in einer Polizeimaschinerie ist, son<strong>der</strong>n zu jedem Zeitpunkt persönliche<br />

Verantwortung <strong>für</strong> seine Diensthandlungen trägt.1°<br />

7. Wie bewerten Sie die Kennzeichnungspflicht im Hinblick auf den Europäischen Kodex <strong>für</strong><br />

Polizeiethik und die Standards <strong>des</strong> Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter und<br />

unmenschlicher o<strong>der</strong> erniedrigen<strong>der</strong> Behandlung o<strong>der</strong> Strafe?<br />

Der European Code of Police Ethics (EcoPE) legt in seiner Nummer 45 fest, dass die Polizeibediensteten<br />

in die Lage zu versetzen sind, sich hinsichtlich ihrer Zugehörigkeit zur Polizei und ihrer<br />

amtlichen Identität auszuweisen. Als Empfehlung <strong>des</strong> Ministerkomitees <strong>des</strong> Europarates handelt es<br />

sich bei dem EcoPE um eine Selbstverpflichtung, die damit keine Bindungswirkung entfaltet. Er zeigt<br />

jedoch sehr deutlich die notwendige Verbindung zwischen <strong>der</strong> Eigenverantwortlichkeit <strong>der</strong><br />

Amtausübung – welche in Nummer 16 <strong>des</strong> EcoPE geregelt ist – und <strong>der</strong> Kennzeichnungspflicht auf.<br />

In <strong>der</strong> dazugehörigen Kommentierung heißt es zu Nummer 45 <strong>des</strong> EcoPE: „Ohne die Möglichkeit<br />

einen Polizeibedienste/n persönlich zu identifizieren, wird <strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> Rechenschaftspflicht aus<br />

<strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong> Öffentlichkeit sinnentleert."<br />

Die Standards <strong>des</strong> Europäischen Komitees zur Verhütung von unmenschlicher und erniedrigen<strong>der</strong><br />

Behandlung (CPT) weisen darauf hin, dass rechtswidriges polizeiliches Handeln nur dann untersucht<br />

werden kann, wenn die jeweiligen Polizeibeamten auch identifizierbar sind.11<br />

Sowohl <strong>der</strong> EcoPE als auch die Standards <strong>des</strong> CTP machen zudem deutlich, dass <strong>für</strong> eine effektive<br />

Untersuchung möglichen Fehlverhaltens von Polizeivollzugsbeamten neben <strong>der</strong> Kennzeichnung <strong>der</strong><br />

Polizisten stets auch ein unabhängiges Ermittlungsverfahren erfor<strong>der</strong>lich ist.12<br />

8. Wo sollte das Namensschild angebracht werden (auf Vor<strong>der</strong>- und/o<strong>der</strong> Rückseite <strong>der</strong><br />

Uniform, Schulter, Helm)?<br />

Das Namenschild sollte in jedem Fall so angebracht werden, dass es sowohl von einem von einer<br />

Maßnahme Betroffenen als auch von Dritten gut erkannt werden kann. Dies ist insbeson<strong>der</strong>e bei<br />

geschlossenen Einheiten wichtig, da hier das Namensschild wegen <strong>der</strong> Bekleidung <strong>der</strong> Polizeibeamten<br />

mit Schulterpolster, Helm etc.) i.d.R. das einzige Identifikationsmerkmal sein wird. Jedenfalls bei<br />

geschlossenen Einsätzen ist zu empfehlen, das Namenschild nicht nur auf <strong>der</strong> Brust, son<strong>der</strong>n z. B.<br />

auch auf Rücken und Helm anzubringen. Ein entsprechen<strong>der</strong> Gesetzentwurf in Schleswig-Holstein13<br />

sieht z. B. vor, dass das Namensschild bzw. die Kennzeichnung dann, wenn <strong>der</strong><br />

Polizeivollzugsbedienstete einen Helm trägt, zusätzlich auch an beiden Seiten das Helms anzubringen<br />

ist. Auch dies wäre eine mögliche und gute Variante. Gerade <strong>der</strong> Helm erscheint <strong>für</strong> das<br />

Identifikationsmerkmal gut geeignet, da es dort unabhängig von Maßnahme und Handlung <strong>des</strong><br />

Polizeivollzugsbediensteten gut erkennbar sein dürfte.<br />

Wrocklage, Hartmuth: Polizei im Wandel – Ist eine Demokratisierung <strong>der</strong> Polizei möglich?, in: Reinhard Kreissl (Hg.),<br />

Policing in Context, 5.125 ff. (135)<br />

I I CPT Standards, CPT/Inf/E (2002) 1 – Rev. 2010, Deutsch, S. 100, Nr. 33-34.<br />

12 CPT Standards, CPT/Inf/E (2002) 1 – Rev. 2010, Deutsch, S. 100, Nr. 32; EcoPE Nr. 61.<br />

13 Entwurf eines Gesetzes zur Än<strong>der</strong>ung <strong>des</strong> Allgemeinen Verwaltungsgesetzes <strong>für</strong> das Land Schleswig-Holstein,<br />

Gesetzentwurf <strong>der</strong> Faktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE, Drs 17/251.<br />

5


9. Wie bewerten Sie die Verwendung eines – ggf. wechselnden – Aliasnamens o<strong>der</strong> einer<br />

Buchstaben-Nummern-Kombination?<br />

Nicht alle <strong>der</strong> genannten Vorteile einer namentlichen Kennzeichnung können auch durch einen<br />

Aliasnamen o<strong>der</strong> eine Buchstaben-Nummern-Kombination erreicht werden. Insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Aspekt<br />

<strong>der</strong> Bürgernähe spricht <strong>für</strong> eine Kennzeichnung mit Namen. Außerdem dürfte auch gerade von <strong>der</strong><br />

namentlichen Kennzeichnung eine verstärkte präventive Wirkung ausgehen, da insbeson<strong>der</strong>e die<br />

Möglichkeit <strong>der</strong> namentlichen Ansprache deeskalierend wirken kann. Der Name dürfte auch<br />

einprägsamer sein als eine Buchstaben-Nummern-Kombination. Letztere wäre allerdings immer noch<br />

einer schlecht merkbaren Dienstnummer vorzuziehen.<br />

10. Wie bewerten Sie den Umstand, dass privatwirtschaftlich tätige Wachleute rechtlich<br />

verpflichtet sind, ein Namensschild zu tragen?<br />

Seit 2002 sind Wachpersonen, die Kontrollgänge im öffentlichen Verkehrsraum o<strong>der</strong> in an<strong>der</strong>en<br />

Hausrechtsbereichen mit tatsächlich öffentlichem Verkehr durchführen o<strong>der</strong> als Eintrittskontrolleure<br />

von Diskotheken tätig sind, gemäß § 11 IV Bewachungsverordnung verpflichtet ein Namensschild zu<br />

tragen. Laut <strong>der</strong> Begründung <strong>der</strong> Gesetzesän<strong>der</strong>ung wurden damit folgende Zwecke verfolgt: Zum<br />

einen soll im Konfliktfall eine Identifizierung <strong>der</strong> Wachperson möglich sein, zum an<strong>der</strong>en soll die<br />

Kennzeichnung präventiv wirken. Dies sind die gleichen Gründe, die auch da<strong>für</strong> sprechen, die<br />

Polizeivollzugsbediensteten mit einem Namensschild zu versehen. Berücksichtigt man, dass<br />

Polizeivollzugsbediensteten, an<strong>der</strong>s als dem Wachpersonal, nicht nur Je<strong>der</strong>mannrechte zustehen,<br />

son<strong>der</strong>n ihnen weit darüber hinausgehende umfassende Hoheitsrechte übertragen sind, erscheint eine<br />

namentliche Kennzeichnung <strong>des</strong> Polizeivollzugsdienstes erst recht angezeigt. Bei <strong>der</strong> Übernahme von<br />

Verantwortung darf eine rechtsstaatlich legitimierte Polizei nicht hinter Bediensteten im privaten<br />

Bewachungswesen zurückstehen.<br />

6


Der Generalstaatsanwalt<br />

<strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> Brandenburg<br />

EINGEGANGEN<br />

2 5. JAN. 2011 ti.§0<br />

Anlage A2<br />

Eriecligt:Ctietr hi<br />

Der Generalstaatsanwalt <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> Brandenburg - 14767 Brandenburg<br />

Frau Vorsitzende<br />

<strong>des</strong> <strong>Ausschusses</strong> <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong><br />

<strong>des</strong> <strong>Landtag</strong>es Brandenburg<br />

Britta Stark<br />

Am Havelblick 8<br />

14473 Potsdam<br />

Telefon: 03381 2082-0<br />

Nebenstelle: 03381 2082-210<br />

Telefax: 03381 2082-190<br />

Datum: 25. Januar 2011<br />

Aktenzeichen: 470 - 19<br />

(bei Antwort bitte angeben)<br />

- per E-Mail -<br />

Öffentliche Anhörung <strong>des</strong> <strong>Ausschusses</strong> <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> zum Siebten Gesetz zur Än<strong>der</strong>ung<br />

<strong>des</strong> Brandenburgischen Polizeigesetzes, Gesetzentwurf <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> CDU, LT-<br />

Drucksache 5/1442<br />

Ihr Schreiben vom 5. Januar 2011<br />

Mein Schreiben vom 11. Januar 2011<br />

Sehr geehrte Frau Vorsitzende,<br />

gerne komme ich Ihrer Bitte nach und darf Ihnen zur Vorbereitung auf die obige Anhörung<br />

nachfolgend eine erste kurze Einschätzung zur beabsichtigen Än<strong>der</strong>ung <strong>des</strong><br />

Brandenburgischen Polizeigesetzes aus staatsanwaltlicher Sicht geben:<br />

Kern <strong>des</strong> Gesetzentwurfs ist die Einführung einer Kennzeichnungspflicht als Ergänzung <strong>der</strong><br />

bereits bestehenden Legitimationspflicht in <strong>der</strong> Weise, dass Polizeivollzugsbeamte verpflichtet<br />

werden sollen, bei Amtshandlungen ein deutlich sichtbares Namensschild mit Dienstgrad zu<br />

tragen, wobei das Namensschild beim Einsatz geschlossener Einheiten durch eine zur<br />

nachträglichen Identitätsfeststellung geeigneten Kennzeichnung ersetzt werden kann. Die<br />

Hausadresse: Steinstraße 61, 14776 Brandenburg an <strong>der</strong> Havel<br />

Öffentliche Verkehrsmittel:<br />

vom Hauptbahnhof<br />

Straßenbahn 2, 6<br />

bis Haltestelle Neustädtischer Markt<br />

Bankverbindung:<br />

Lan<strong>des</strong>hauptkasse Potsdam,<br />

WestLB Düsseldorf,<br />

(BLZ 300 500 00) Konto-Nr.: 7110 400 533<br />

IBAN: DE02 1000 0000 0016 0015 00<br />

BiC-Code: MARKDEF1100<br />

Rückfragen erbeten:<br />

Mo. bis Fr. von 08:30 Uhr — 12:00 Uhr und<br />

13:00 — 15:00 Uhr (freitags bis 14:00 Uhr)


2<br />

vorgesehene namentliche Kennzeichnung soll auf die Fälle beschränkt werden, in denen <strong>der</strong><br />

Zweck <strong>der</strong> Amtshandlung nicht beeinträchtigt wird.<br />

Wenngleich <strong>der</strong> Wortlaut <strong>des</strong> § 9 Abs. 1 BbgPoIG-E bezüglich <strong>des</strong> betroffenen<br />

Personenkreises keine weitere Differenzierung enthält, gehe ich doch davon aus, dass sich<br />

die vorgesehene Kennzeichnungspflicht allein auf Angehörige <strong>der</strong> Schutzpolizei bezieht. In<br />

Bezug auf die Beamten <strong>der</strong> Kriminalpolizei dürfte eine solche namentliche Kennzeichnung im<br />

Hinblick auf <strong>der</strong>en spezifisches Aufgaben- und Tätigkeitsfeld we<strong>der</strong> notwendig noch sinnvoll<br />

sein. Mit diesem Verständnis korrespondiert auch die Begründung <strong>des</strong> Gesetzentwurfs, in <strong>der</strong><br />

von einer Kennzeichnung uniformierter Polizeivollzugsbediensteter die Rede ist.<br />

Die mit <strong>der</strong> Einführung einer Kennzeichnungspflicht verbundene Möglichkeit <strong>der</strong> individuellen<br />

Identifizierung entspricht im Grundsatz dem in § 36 Abs. 1 BeamtStG normierten allgemeinen<br />

Prinzip, wonach Beamtinnen und Beamte <strong>für</strong> die Rechtmäßigkeit ihrer dienstlichen<br />

Handlungen regelmäßig die volle persönliche Verantwortung tragen. Insoweit kommt die<br />

vorgesehene namentliche Kennzeichnung rechtsstaatlichen Erfor<strong>der</strong>nissen prinzipiell<br />

entgegen und dürfte darüber hinaus geeignet sein, das Vertrauen in die Arbeit <strong>der</strong> Polizei<br />

durch Transparenz und Bürgernähe zu stärken.<br />

An<strong>der</strong>erseits darf nicht übersehen werden, dass die vorgesehene Verpflichtung zum Tragen<br />

von Namensschil<strong>der</strong>n schutzwürdige Interessen <strong>der</strong> betroffenen Polizeivollzugskräfte und ihrer<br />

Angehörigen berührt. Zwar ergeben sich <strong>für</strong> die von Kritikern einer namentlichen<br />

Kennzeichnung geäußerte Be<strong>für</strong>chtung, dass mit <strong>der</strong> Einführung von Namensschil<strong>der</strong>n<br />

Übergriffe auf Bedienstete <strong>der</strong> Polizei bzw. ihre Familienangehörigen verbunden sein könnten,<br />

in <strong>der</strong> hiesigen staatsanwaltlichen Praxis keine Anhaltspunkte (wobei darauf hinzuweisen ist,<br />

dass entsprechende Fälle von Repressalien gegen Polizeibeamte außerhalb von<br />

Wi<strong>der</strong>standshandlungen S. d. § 113 StGB bei den Staatsanwaltschaften statistisch nicht<br />

geson<strong>der</strong>t erfasst werden). Allerdings ist nicht von <strong>der</strong> Hand zu weisen, dass das Tragen von<br />

Namensschil<strong>der</strong>n <strong>der</strong>artige Übergriffe auf Polizeivollzugsbeamte för<strong>der</strong>n könnte, ebenso wie<br />

es vermehrt zu haltlosen Beschwerden o<strong>der</strong> Anzeigen gegen Polizeibeamte kommen könnte.<br />

Auch dürfte das offene Tragen eines Namensschil<strong>des</strong> dazu führen, dass <strong>der</strong> Beamten einem<br />

unkontrollierbaren dritten Personenkreis und nicht nur dem Betroffenen einer Amtshandlung,<br />

<strong>der</strong> ein berechtigtes Interesse an einer Identifizierung <strong>des</strong> gegen ihn einschreitenden Beamten<br />

hat, bekannt wird.


3<br />

Soweit in diesem Zusammenhang Vergleiche mit Angehörigen von privaten Wachschutzunternehmen<br />

angestellt werden, die regelmäßig verpflichtet sind, ein Namensschild zu tragen,<br />

halte ich diese im Ansatz <strong>für</strong> verfehlt. Denn Angehörige privater Wachdienste beschränken<br />

sich in ihrer Tätigkeit generell auf die Ausübung von Hausrechten und/o<strong>der</strong> allgemeinen<br />

Notwehr- bzw. Nothilferechten, wohingegen Polizeivollzugsbedienstete in Erfüllung ihres<br />

gesetzlichen Auftrags im Bereich <strong>des</strong> präventiven Polizeirechts und <strong>der</strong><br />

Kriminalitätsbekämpfung vielfach aktiv einzuschreiten haben und sich in verstärktem Maße in<br />

konfliktträchtige Situationen begeben müssen, in denen sie ggf. auch Repressalien zu<br />

be<strong>für</strong>chten haben, so z. B. dann, wenn sie, was häufig geschieht, von Wachschutzbediensteten<br />

zu Hilfe gerufen werden.<br />

Geht man somit im Resümee davon aus, dass es einerseits rechtsstaatlichen und<br />

polizeirechtlichen Standards entspricht, die Identifizierung einzelner Polizeivollzugsbeamter im<br />

Rahmen <strong>der</strong> Dienstausübung je<strong>der</strong>zeit zu ermöglichen, an<strong>der</strong>erseits aber auch<br />

Persönlichkeitsrechte <strong>der</strong> betroffenen Beamten und ihrer Angehörigen zu wahren sind, könnte<br />

sich ein vermittelnde Lösung <strong>für</strong> eine Gesetzesän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong>gestalt anbieten, dass man eine<br />

Kennzeichnung von Polizeivollzugsbeamten, etwa durch eine Buchstaben-Zahlen-<br />

Kombination, zwar generell vorsieht, es jedoch wie in an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n den einzelnen<br />

Polizeibeamten auf freiwilliger Basis überlässt, sich im Dienst durch das Tragen von<br />

Namensschil<strong>der</strong>n offen zu erkennen zu geben.<br />

Ich hoffe, dass Ihnen diese erste Einschätzung zum vorliegenden Gesetzentwurf hilfreich ist.<br />

Auf weitere Einzelfragen werde ich im Rahmen meiner Anhörung gerne eingehen und freue<br />

mich insoweit auf einen regen und interessanten Gedankenaustausch mit den Mitglie<strong>der</strong>n <strong>des</strong><br />

<strong>Ausschusses</strong> und an<strong>der</strong>en eingeladenen Experten.<br />

Mit freundlichen Grüßen<br />

(Dr. Rautenberg)


<strong>Landtag</strong> Brandenburg P-AI 5/13-2<br />

5. Wahlperiode<br />

Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong><br />

<strong>Protokoll</strong> – Teil 2<br />

<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> (öffentlich)<br />

27. Januar 2011<br />

Potsdam - Haus <strong>des</strong> <strong>Landtag</strong>es<br />

<strong>13.</strong>00 Uhr bis 16.35 Uhr<br />

Vorsitz:<br />

Britta Stark (SPD)<br />

<strong>Protokoll</strong>:<br />

Anke Robert<br />

Anwesende Ausschussmitglie<strong>der</strong>:<br />

Danny Eichelbaum (CDU)<br />

Bettina Fortunato (DIE LINKE)<br />

Hans-Peter Goetz (FDP)<br />

Stefan Ludwig (DIE LINKE)<br />

Ursula Nonnemacher (GRÜNE/B90)<br />

Sven Petke (CDU)<br />

Dr. Hans-Jürgen Scharfenberg (DIE LINKE)<br />

Werner-Siegwart Schippel (SPD)<br />

stellvertretend Alwin Ziel (SPD)<br />

Datum <strong>der</strong> Ausgabe: 09.03.2011


<strong>Landtag</strong> Brandenburg P-AI 5/13-2 S. 2<br />

Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />

<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> – Teil 2 ro-we<br />

Tagesordnung:<br />

2. Fünftes Gesetz zur Än<strong>der</strong>ung <strong>des</strong> Gesetzes zur Ausführung <strong>des</strong> Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetzes,<br />

Gesetzentwurf <strong>der</strong> Lan<strong>des</strong>regierung,<br />

Drucksache 5/2396<br />

3. Volksinitiative nach Artikel 76 <strong>der</strong> Verfassung <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> Brandenburg "Für<br />

den Erhalt einer leistungs- und handlungsfähigen sowie wahrnehmbar präsenten<br />

Polizei in allen Regionen <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> Brandenburg"<br />

4. „Zukunft <strong>des</strong> Brand- und Katastrophenschutzes im Land Brandenburg absichern!“,<br />

Konzept <strong>der</strong> Lan<strong>des</strong>regierung, Drucksache 5/2616<br />

5. Weiterer Fortgang <strong>der</strong> Polizeistrukturreform<br />

6. Auswertung <strong>des</strong> letzten Castor-Transportes und Bewertung <strong>der</strong> bevorstehenden<br />

Transporte<br />

7. Bericht <strong>des</strong> Ministers <strong>des</strong> Innern zur Sicherheitslage von Juden und jüdischen<br />

Einrichtungen im Land Brandenburg<br />

8. Ermittlungsstand zum Brand in zwei Mehrfamilienhäusern am 30. November<br />

2010 und am 1. Dezember 2010 in Ludwigsfelde<br />

9. Verschiedenes


<strong>Landtag</strong> Brandenburg P-AI 5/13-2 S. 3<br />

Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />

<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> – Teil 2 ro-we<br />

Festlegungen und Beschlüsse:<br />

Zu TOP 2:<br />

Die Mitglie<strong>der</strong> <strong>des</strong> <strong>Ausschusses</strong> <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> verständigen sich darauf, die Anhörung<br />

im Ausschuss <strong>für</strong> Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz am 2. März 2011 zum<br />

Fünften Gesetz zur Än<strong>der</strong>ung <strong>des</strong> Gesetzes zur Ausführung <strong>des</strong> Tierischen Nebenprodukte-Beseitigungsgesetzes,<br />

Gesetzentwurf <strong>der</strong> Lan<strong>des</strong>regierung, Drucksache<br />

5/2396, abzuwarten und anschließend die Beratung dieses Gesetzentwurfes vorzunehmen.<br />

Zu TOP 3:<br />

Die Mitglie<strong>der</strong> <strong>des</strong> <strong>Ausschusses</strong> <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> verständigen sich darauf, die Vertreter<br />

<strong>der</strong> Volksinitiative "Für den Erhalt einer leistungs- und handlungsfähigen sowie wahrnehmbar<br />

präsenten Polizei in allen Regionen <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> Brandenburg" in <strong>der</strong> <strong>Sitzung</strong><br />

am 3. März 2011 anzuhören und spätestens in <strong>der</strong> <strong>Sitzung</strong> am 31. März 2011<br />

ein Votum zu erarbeiten.<br />

Zu TOP 4:<br />

Die Mitglie<strong>der</strong> <strong>des</strong> <strong>Ausschusses</strong> <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> verständigen sich darauf, zum Konzept<br />

<strong>der</strong> Lan<strong>des</strong>regierung „Zukunft <strong>des</strong> Brand- und Katastrophenschutzes im Land Brandenburg<br />

absichern!“, Drucksache 5/2616, im Rahmen <strong>der</strong> Beratung externen Sachverstand<br />

hinzuzuziehen. Hierbei sollte <strong>der</strong> Fokus <strong>der</strong> Erörterung insbeson<strong>der</strong>e auf<br />

dem Katastrophenschutz liegen. Den Fraktionen wird die Möglichkeit eingeräumt, Anzuhörende<br />

sowie weitere Themenschwerpunkte zu benennen. Die Beratung soll in<br />

<strong>der</strong> <strong>Sitzung</strong> am 5. Mai 2011 erfolgen.<br />

Das Ministerium <strong>des</strong> Innern wird darum gebeten, dem Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> bis Mitte<br />

April 2011 eine Übersicht zur Verfügung zu stellen, wie an<strong>der</strong>e Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong> mit<br />

ausgewählten Bereichen <strong>des</strong> Brand- und Katastrophenschutzes umgehen.<br />

Zu TOP 9:<br />

Die Mitglie<strong>der</strong> <strong>des</strong> <strong>Ausschusses</strong> <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> verständigen sich darauf, Ende Mai eine<br />

Ausschussreise in die Schweiz zu den Themen „Direkte Demokratie und „Wahlrecht“<br />

durchzuführen. Die <strong>Landtag</strong>sverwaltung wird gebeten, das hierzu Erfor<strong>der</strong>liche zu<br />

veranlassen.


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Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />

<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> – Teil 2 ro-we<br />

Aus <strong>der</strong> Beratung:<br />

Zu TOP 2:<br />

Fünftes Gesetz zur Än<strong>der</strong>ung <strong>des</strong> Gesetzes zur Ausführung <strong>des</strong><br />

Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetzes, Gesetzentwurf<br />

<strong>der</strong> Lan<strong>des</strong>regierung, Drucksache 5/2396<br />

Die Vorsitzende erinnert daran, dass <strong>der</strong> vorgenannte Gesetzentwurf in <strong>der</strong> 26. <strong>Sitzung</strong><br />

<strong>des</strong> <strong>Landtag</strong>es am 16. Dezember 2010 in 1. Lesung beraten worden sei. Der<br />

Gesetzentwurf sei dann zur fe<strong>der</strong>führenden Beratung an den Ausschuss <strong>für</strong> Umwelt,<br />

Gesundheit und Verbraucherschutz überwiesen worden. Darüber hinaus sei die<br />

Überweisung zur Mitberatung an den Ausschuss <strong>für</strong> Infrastruktur und Landwirtschaft<br />

sowie an den Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> erfolgt.<br />

Der Ausschuss <strong>für</strong> Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz habe nunmehr beschlossen,<br />

zu diesem Gesetzentwurf am 2. März 2011 eine Anhörung durchführen zu<br />

wollen. Sie schlage daher vor, dass zunächst die Anhörung abgewartet werden solle<br />

und anschließend hier im Ausschuss die kreisliche Beteiligung erörtert werden sollte.<br />

Die Ausschussmitglie<strong>der</strong> erklären sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden.<br />

Zu TOP 3:<br />

Volksinitiative nach Artikel 76 <strong>der</strong> Verfassung <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> Brandenburg<br />

"Für den Erhalt einer leistungs- und handlungsfähigen<br />

sowie wahrnehmbar präsenten Polizei in allen Regionen <strong>des</strong><br />

Lan<strong>des</strong> Brandenburg"<br />

Die Vorsitzende berichtet, dass am 14. Dezember 2010 die oben genannte Volksinitiative<br />

mit ca. 97.000 Unterschriften dem <strong>Landtag</strong> übergeben worden sei. Sie als Vorsitzende<br />

<strong>des</strong> <strong>Ausschusses</strong> <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> sowie <strong>der</strong> <strong>Landtag</strong>spräsident hätten die Gelegenheit<br />

gehabt, diese Unterschriften entgegenzunehmen.<br />

Die Volksinitiative sei an den Hauptausschuss weitergeleitet worden. Dieser habe<br />

das Vorliegen <strong>der</strong> förmlichen Voraussetzungen sowie die Zulässigkeit <strong>der</strong> Volksinitiative<br />

bejaht und diese sodann an den Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> als den zuständigen Ausschuss<br />

überwiesen.<br />

Gemäß § 12 <strong>des</strong> Volksabstimmungsgesetzes hätten die Vertreter <strong>der</strong> Volksinitiative<br />

das Recht auf eine Anhörung vor dem zuständigen Ausschuss. Aus diesem Grund<br />

schlage sie vor, dass die Vertreter <strong>der</strong> Volksinitiative in <strong>der</strong> <strong>Sitzung</strong> am 3. März 2011<br />

angehört werden sollten. Die abschließende Behandlung <strong>der</strong> Volksinitiative müsse im<br />

Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> spätestens in <strong>der</strong> <strong>Sitzung</strong> am 31. März 2011 erfolgen. Der<br />

Hauptausschuss habe auch mit einer entsprechenden Fristsetzung zum 1. April 2011<br />

um die Zuarbeitung einer Stellungnahme gebeten. Anschließend müsse noch <strong>der</strong><br />

Hauptausschuss über die Volksinitiative beraten sowie eine Beschlussempfehlung


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Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />

<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> – Teil 2 ro-we<br />

erarbeiten. Die abschließende Befassung im Plenum könne dann am <strong>13.</strong> April 2011<br />

erfolgen.<br />

Die Mitglie<strong>der</strong> <strong>des</strong> <strong>Ausschusses</strong> <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> sind sowohl mit <strong>der</strong> Durchführung <strong>der</strong><br />

Anhörung als auch mit dem vorgeschlagenen Terminplan einverstanden.<br />

Zu TOP 4:<br />

„Zukunft <strong>des</strong> Brand- und Katastrophenschutzes im Land Brandenburg<br />

absichern!“, Konzept <strong>der</strong> Lan<strong>des</strong>regierung, Drucksache<br />

5/2616<br />

Die Vorsitzende berichtet, dass die Lan<strong>des</strong>regierung am 29. Dezember 2011 das<br />

vorerwähnte Konzept vorgelegt habe. Dieses sei in <strong>der</strong> 29. <strong>Sitzung</strong> <strong>des</strong> <strong>Landtag</strong>es<br />

am 20. Januar 2011 beraten und an den Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> überwiesen worden.<br />

Sie schlägt vor, dass in <strong>der</strong> heutigen <strong>Sitzung</strong> lediglich eine Verständigung über den<br />

Umgang mit diesem Konzept erfolgen sollte. Eine vertiefte Erörterung sollte in einer<br />

späteren <strong>Sitzung</strong> erfolgen. Aufgrund <strong>der</strong> Vielzahl <strong>der</strong> zu erörternden Themen schlage<br />

sie vor, dass die Erörterung am 5. Mai 2011 stattfinden sollte. Darüber hinaus fragt<br />

sie nach, wie konkret mit dem Konzept umgegangen werden sollte.<br />

Abgeordneter Schippel (SPD) weist darauf hin, dass die Erarbeitung dieses Konzeptes<br />

auch unter <strong>der</strong> Einbeziehung von Expertengruppen erfolgt sei. Eine Anhörung zu<br />

diesem Konzept halte er vor diesem Hintergrund <strong>für</strong> nicht notwendig. Dennoch sollte<br />

zum Bereich Katastrophenschutz auf den Sachverstand von außen zurückgegriffen<br />

werden. Im Bereich <strong>des</strong> Katastrophenschutzes würde sich auf Bun<strong>des</strong>ebene eine<br />

drastische Entwicklung abspielen. Diese werde auch auf Lan<strong>des</strong>ebene große Auswirkungen<br />

haben. Vor diesem Hintergrund sollte eine Verständigung sowohl mit dem<br />

Lan<strong>des</strong>feuerwehrverband, mit dem Technischen Hilfswerk und gegebenenfalls auch<br />

mit <strong>der</strong> LIGA erfolgen. Dabei sollte jedoch keine Bewertung <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ungen erfolgen,<br />

son<strong>der</strong>n es sollte darüber geredet werden, wie <strong>der</strong> Katastrophenschutz auch<br />

künftig gewährleistet werden könne.<br />

Abgeordneter Goetz (FDP) fragt nach, ob in Ergänzung <strong>des</strong> vorliegenden Konzeptes<br />

<strong>der</strong> Umgang <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong> mit diesen Problemen zugearbeitet werden<br />

könnte. Eventuell seien bereits in an<strong>der</strong>en Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong>n Lösungen vorhanden sowie<br />

Erfahrungen gemacht worden, auf die nunmehr zurückgegriffen werden könnte.<br />

Darüber hinaus meint er, dass keine Anhörung mehr erfolgen müsste; vielmehr würde<br />

es ausreichen, wenn durch das Ministerium <strong>des</strong> Innern eine schriftliche Zuarbeit<br />

erfolge, sodass ein Vergleich beispielsweise <strong>der</strong> verschiedenen Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong> zueinan<strong>der</strong><br />

deutlich werde. Er geht davon aus, dass dies auch Thema <strong>der</strong> Innenministerkonferenz<br />

gewesen sei und hier wenigstens auf Referentenebene ein Arbeitskontakt<br />

bestehe. Er wolle darauf hinweisen, dass eine solche Zuarbeit rechtzeitig vor <strong>der</strong> <strong>Sitzung</strong><br />

im Mai erfolgen müsste.


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Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />

<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> – Teil 2 ro-we<br />

Darüber hinaus hielte er es <strong>für</strong> notwendig, auch externen Sachverstand hinzuziehen<br />

und beispielsweise die Meinung <strong>des</strong> Städte- und Gemeindebun<strong>des</strong> zur Frage <strong>der</strong><br />

Nachwuchsgewinnung zu hören.<br />

Die Vorsitzende fragt nach, auf welche Themen sich die Zuarbeit <strong>des</strong> Ministeriums<br />

<strong>des</strong> Innern beziehen sollte.<br />

Abgeordneter Goetz (FDP) verweist hierbei insbeson<strong>der</strong>e auf die Nachwuchsgewinnung<br />

und ergänzt, dass all die Themen, in denen eine sinnvolle Gegenüberstellung<br />

möglich sei, herausgearbeitet werden sollten.<br />

Die Vorsitzende fragt nach, ob es seitens <strong>des</strong> Ministeriums möglich wäre, etwa bis<br />

Mitte April 2011 eine entsprechende Zuarbeit zu leisten.<br />

Staatssekretär Zeeb schlägt hieraufhin vor, dass den an<strong>der</strong>en Bun<strong>des</strong>län<strong>der</strong>n die<br />

Möglichkeit eingeräumt werden sollte, ihnen gegenüber darzulegen, ob sie bestimmte<br />

Konzepte zum Beispiel zur Nachwuchsgewinnung hätten und wie sich die Entwicklung<br />

vor dem Hintergrund <strong>der</strong> demografischen Entwicklung gestalte.<br />

Abgeordneter Goetz (FDP) äußert, dass die Zuarbeit <strong>der</strong> Gegenüberstellung bis Mitte<br />

April 2011 ausreichen würde, wenn im Mai noch keine abschließende Beratung erfolge.<br />

Abgeordneter Petke (CDU) äußert, dass er das Herausnehmen von Teilbereichen <strong>für</strong><br />

nicht sachgerecht halte. Er unterstreicht allerdings auch, dass er nicht noch einmal<br />

die Durchführung einer Anhörung, wie sie bereits stattgefunden habe, wünsche. Im<br />

Kern gehe es um die Frage, wie hier in Brandenburg mit den Kommunen gemeinsam<br />

<strong>der</strong> Brand- und Katastrophenschutz gestaltet werde. Er habe nichts dagegen, hier<br />

weitere Gespräche zu führen, diese sollten allerdings etwas ausgeweitet werden<br />

- sowohl thematisch als auch personell.<br />

Abgeordneter Dr. Scharfenberg (DIE LINKE) äußert, dass seiner Einschätzung nach<br />

darauf geachtet werden sollte, dass die Diskussion nicht ausufere. Er halte es <strong>für</strong><br />

richtig und wichtig, beispielsweise den Bereich <strong>des</strong> Katastrophenschutzes herauszugreifen<br />

und hier konkret über Punkte zu reden, die auch <strong>für</strong> die Betroffenen vor Ort<br />

von Interesse seien. Hier sollte eine konkrete Wertung erfolgen.<br />

Abgeordneter Schippel (SPD) äußert, dass es nicht um eine Positionierung zu einzelnen<br />

Maßnahmen gehen könne. Die Frage müsse vielmehr lauten, wie die konkreten<br />

Auswirkungen seien und wie damit umgegangen werden könne. Seiner Einschätzung<br />

nach bestünde eventuell teilweise die Gefahr, dass bestehende Aufgaben nicht<br />

erfüllt werden könnten. Auf diese real existierende Gefahr müsse entsprechend reagiert<br />

werden.


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Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />

<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> – Teil 2 ro-we<br />

Zusätzlich weist die Vorsitzende darauf hin, dass bereits durch die kommunalen<br />

Spitzenverbände unaufgefor<strong>der</strong>t Stellungnahmen dem Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> zugearbeitet<br />

worden seien. Hierin sei insbeson<strong>der</strong>e Kritik an <strong>der</strong> Lan<strong>des</strong>regierung dahingehend<br />

geäußert worden, dass ihnen keine angemessene Frist zur Abgabe einer<br />

Stellungnahme eingeräumt worden sei. Darüber hinaus sei die Be<strong>für</strong>chtung geäußert<br />

worden, dass die Finanzierung <strong>des</strong> Brand- und Katastrophenschutzes künftig offensichtlich<br />

von den Kommunen weitgehend allein getragen werden solle. Schon allein<br />

vor diesem Hintergrund meine sie, dass die kommunalen Spitzenverbände ebenfalls<br />

in diese Gespräche einbezogen werden müssten.<br />

Abgeordneter Petke (CDU) äußert, dass dieser Vorschlag so aufgegriffen werden<br />

könne. Er schlage vor, dies noch zu erweitern und die Rechte <strong>der</strong> einzelnen Fraktionen<br />

zu stärken. Er beantragt, dass auch den Fraktionen die Möglichkeit eingeräumt<br />

werden sollte, Anzuhörende sowie konkrete Themen zu benennen. Er weist in diesem<br />

Zusammenhang darauf hin, dass neben dem Katastrophenschutz beispielsweise<br />

auch <strong>der</strong> Erwerb von Führerscheinen <strong>für</strong> Feuerwehrenfahrzeuge von großer Wichtigkeit<br />

wäre. Schlussendlich unterstreicht er, dass es sich jedoch nicht noch einmal<br />

um eine öffentliche große Anhörung handeln sollte.<br />

Die Vorsitzende fasst zusammen, dass Übereinstimmung unter den Mitglie<strong>der</strong>n <strong>des</strong><br />

<strong>Ausschusses</strong> <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> dahingehend bestehe, dass ein informeller Austausch zu<br />

einzelnen Themen mit einzelnen Anzuhörenden zum Konzept <strong>der</strong> Lan<strong>des</strong>regierung<br />

„Zukunft <strong>des</strong> Brand- und Katastrophenschutzes im Land Brandenburg absichern!“,<br />

Drucksache 5/ 2616, erfolgen solle. Die Fraktionen sollten die Anzuhörenden sowie<br />

die Themen so benennen, dass eine rechtzeitige Einladung erfolgen könne.<br />

Zu TOP 5:<br />

Weiterer Fortgang <strong>der</strong> Polizeistrukturreform<br />

Die Vorsitzende berichtet, dass dieser Tagesordnungspunkt auf einen Antrag <strong>der</strong><br />

CDU-Fraktion zurückgehe.<br />

Staatssekretär Zeeb weist darauf hin, dass die Lan<strong>des</strong>regierung ihren internen Zeitplan<br />

auf die vom <strong>Landtag</strong> gesetzten Berichtspflichten eingestellt habe. Die Aufbaustäbe<br />

würden <strong>der</strong>zeit mehr o<strong>der</strong> weniger unbeeinflusst vom Ministerium arbeiten.<br />

Zum 31. Mai 2011 könne mit einem ersten Strukturvorschlag <strong>der</strong> Aufbaustäbe und<br />

<strong>der</strong> Entscheidung <strong>des</strong> Ministers gerechnet werden.<br />

Abgeordneter Petke (CDU) bezieht sich auf eine Presseveröffentlichung eines Abgeordneten<br />

<strong>der</strong> Fraktion DIE LINKE, in <strong>der</strong> bestimmte Zahlen genannt worden seien. Er<br />

bittet darum, dass Staatssekretär Zeeb dazu Stellung nehmen sollte.<br />

Darüber hinaus erkundigt er sich nach dem Planungsstand hinsichtlich einer möglichen<br />

Polizeiwache am Standort Schönefeld beim BBI. Hierzu gebe es wohl sehr unterschiedliche<br />

Auffassungen.


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<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> – Teil 2 ro-we<br />

Staatssekretär Zeeb äußert zur Frage einer möglichen Polizeiwache am Standort<br />

Schönefeld, dass er nicht <strong>der</strong> Entscheidung bzw. den Vorschlägen <strong>der</strong> Aufbaustäbe<br />

vorweg greifen wolle. Insofern könne er diese Frage nicht beantworten. Hinsichtlich<br />

<strong>der</strong> erwähnten Presseveröffentlichung äußert Staatssekretär Zeeb, dass er diese zur<br />

Kenntnis genommen habe. Er sei nicht darüber informiert, dass Aufbaustäbe bereits<br />

jetzt verschiedene Vorschläge machen würden - erst recht nicht zur Personalaufteilung<br />

in einzelnen Regionen. Er halte die in diesem Artikel geäußerten Tatsachen <strong>für</strong><br />

Spekulation.<br />

Zu TOP 6:<br />

Auswertung <strong>des</strong> letzten Castor-Transportes und Bewertung <strong>der</strong><br />

bevorstehenden Transporte<br />

Die Vorsitzende berichtet, dass dieser Tagesordnungspunkt auf einen Antrag <strong>der</strong><br />

CDU-Fraktion zurückgehe. Sie erinnert daran, dass <strong>der</strong> letzte Castor-Transport im<br />

Land Brandenburg am 16. Dezember 2010 stattgefunden habe. Er hätte das brandenburgische<br />

Gebiet bei Wittenberge um 9.04 Uhr erreicht und die Prignitz in Richtung<br />

Ludwigslust um 9.23 Uhr verlassen. Hinsichtlich weiteren Transporte sei <strong>der</strong>zeit<br />

nichts bekannt.<br />

Staatssekretär Zeeb berichtet, dass allgemein bekannt sein dürfte, dass ähnliche<br />

Transporte häufig im Bun<strong>des</strong>gebiet stattfinden würden. Diese Transporte - einschließlich<br />

<strong>der</strong> Routen - würden ohne Einflussnahme durch das Land Brandenburg<br />

bzw. die Polizei festgelegt werden. Bei dem letzten Transport sei es zu keinerlei gewalttätigen<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzungen auf Brandenburger Gebiet gekommen.<br />

Zu TOP 7:<br />

Bericht <strong>des</strong> Ministers <strong>des</strong> Innern zur Sicherheitslage von Juden<br />

und jüdischen Einrichtungen im Land Brandenburg<br />

Die Vorsitzende berichtet, dass dieser Tagesordnungspunkt auf einen Antrag <strong>der</strong><br />

CDU-Fraktion zurückgehe.<br />

Abgeordneter Petke (CDU) unterrichtet, dass es Presseveröffentlichungen gegeben<br />

habe, die zum Teil wie<strong>der</strong> öffentlich zurückgenommen worden seien und sich mit dieser<br />

Problemlage beschäftigt hätten. Anlass hier<strong>für</strong> sei auch eine Klarstellung <strong>des</strong> Ministerpräsidenten<br />

gewesen. Er wolle sich nunmehr danach erkundigen, welcher Vorgang<br />

diesen Berichten zugrunde liege.<br />

Staatssekretär Zeeb unterstreicht, dass es lediglich eine Meinungsberichterstattung<br />

gegeben habe. Gegenstand <strong>der</strong> Berichterstattung sei gewesen, dass möglicherweise<br />

im Land Brandenburg nicht sämtliche gefährdete Objekte - auch solche, die dem jüdischen<br />

Glauben dienen - geschützt werden würden. Er könne jetzt lediglich bekräftigen,<br />

was bereits <strong>der</strong> Ministerpräsident geäußert habe, nämlich dass dies im Land


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Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />

<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> – Teil 2 ro-we<br />

Brandenburg nicht <strong>der</strong> Fall sei. Selbstverständlich würden die Gefährdungen sämtlicher<br />

Objekte laufend analysiert und das Erfor<strong>der</strong>liche veranlasst werden. Er erinnert<br />

daran, dass es verschiedene Gefährdungsstufen gebe, die laufend überprüft würden.<br />

Eine beson<strong>der</strong>e Gefährdungslage sei im Land Brandenburg nicht festzustellen.<br />

Staatssekretär Zeeb äußert, dass teilweise <strong>für</strong> ihn nicht erklärlich sei, warum bestimmte<br />

Dinge plötzlich thematisiert würden. Er wie<strong>der</strong>holt, dass die Polizei im Rahmen<br />

ihrer Aufgaben auch mit den Betroffenen im Rahmen <strong>des</strong> Notwendigen in Kontakt<br />

stehe.<br />

Abgeordneter Dr. Scharfenberg (DIE LINKE) äußert, dass Ausgangspunkt <strong>der</strong> Diskussion<br />

eindeutig <strong>der</strong> Einbruch in das Büro <strong>der</strong> gesetzestreuen jüdischen Gemeinde<br />

gewesen sei. Anschließend habe es eine öffentliche Äußerung gegeben. Im Rahmen<br />

<strong>des</strong>sen hätte sich auch <strong>der</strong> Rabbiner zu Wort gemeldet. Eine Verbindung dieses<br />

Sachverhaltes mit einer Sicherheitsproblematik halte er <strong>für</strong> nicht angebracht. Dennoch<br />

müsse natürlich dieser Sachverhalt ernst genommen werden.<br />

Abgeordneter Petke (CDU) stimmt den Ausführungen <strong>des</strong> Abgeordneten Dr. Scharfenberg<br />

(DIE LINKE) insofern zu, dass <strong>der</strong> Ausgangspunkt letztendlich eine strafbare<br />

Handlung gewesen sei. Nach dieser Straftat habe es jedoch Aussagen gegeben, die<br />

sich auf das gesamte Land bezogen hätten. In diesem Zusammenhang habe sich<br />

auch <strong>der</strong> Ministerpräsident geäußert. Vor diesem Hintergrund habe er die Erörterung<br />

hierzu im Ausschuss <strong>für</strong> wichtig gehalten.<br />

Zu TOP 8:<br />

Ermittlungsstand zum Brand in zwei Mehrfamilienhäusern am<br />

30. November 2010 und am 1. Dezember 2010 in Ludwigsfelde<br />

Die Vorsitzende weist darauf hin, dass dieser Tagesordnungspunkt auf einen Antrag<br />

<strong>der</strong> CDU-Fraktion zurückgehe.<br />

Staatssekretär Zeeb bittet darum, dass Herr Kriminaldirektor Höppner hierzu Ausführungen<br />

tätigen könne.<br />

Herr Kriminaldirektor Höppner weist darauf hin, dass die Ermittlungen zu diesen Taten<br />

noch nicht abgeschlossen seien und insofern ermittlungsinterne Erkenntnisse<br />

nicht bekanntgegeben werden dürfen. Es handele sich um drei unterschiedlich begangene<br />

Straftaten <strong>des</strong> Brandgeschehens. Seitens <strong>des</strong> Schutzbereiches sei <strong>für</strong> die<br />

Ermittlungen eine Ermittlungsgruppe eingerichtet worden, die festgestellt habe, dass<br />

in allen Fällen Brandbeschleuniger verwendet worden seien. Es sei jeweils die<br />

Brandzündung in den Abendstunden erfolgt. Nach jetzigem Ermittlungsstand könne<br />

kein Zusammenhang zwischen den Straftaten sowie kein politischer Hintergrund festgestellt<br />

werden. Es würde <strong>der</strong>zeit in alle Richtungen ermittelt werden. In diesem Zusammenhang<br />

sei ein weiterer Sachverhalt mitaufgeklärt worden. Es sei ein Schüler<br />

als Tatverdächtiger ermittelt worden. Auch in diese Richtung würden die Ermittlungen<br />

<strong>der</strong>zeit laufen.


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Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> 27.01.2011<br />

<strong>13.</strong> <strong>Sitzung</strong> – Teil 2 ro-we<br />

Zu TOP 9:<br />

Verschiedenes<br />

Die Vorsitzende unterbreitet den Vorschlag, dass <strong>der</strong> Ausschuss <strong>für</strong> <strong>Inneres</strong> eine<br />

Reise unternehmen sollte. Ziel <strong>der</strong> Reise sollte die Schweiz sein. Die zu erörternden<br />

Themen sollten die <strong>der</strong> „Direkten Demokratie“ sowie <strong>des</strong> „Wahlrechts“ sein. Der genaue<br />

Zeitplan <strong>für</strong> dieses Reise stehe noch nicht fest. Sie präferiere den Reisezeitpunkt<br />

um den <strong>Sitzung</strong>stermin Ende Mai 2011.<br />

Mehrheitlich wird die Durchführung einer solchen Ausschussreise beschlossen und<br />

die <strong>Landtag</strong>sverwaltung gebeten, alles Erfor<strong>der</strong>liche zu veranlassen.<br />

Die Vorsitzende bedankt sich <strong>für</strong> die Aufmerksamkeit und die rege Diskussion. Sie<br />

erinnert daran, dass die nächste <strong>Sitzung</strong> am 3. März 2011 stattfinden werde und<br />

schließt die <strong>Sitzung</strong>.<br />

(Dieses <strong>Protokoll</strong> wurde durch Beschluss <strong>des</strong> <strong>Ausschusses</strong> gemäß § 83 Satz 3 GOLT in <strong>der</strong> 14. <strong>Sitzung</strong><br />

am 3. März 2011 bestätigt.)

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