2 BvE 9-11 - Volker Schöne?
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Jedoch verletzt § 6 Abs. 1 Satz 1 BWG die Grundsätze der Wahlrechtsgleichheit, der<br />
Chancengleichheit der Parteien und der Unmittelbarkeit der Wahl, soweit die Bildung der<br />
Ländersitzkontingente nach der Wählerzahl den Effekt des negativen Stimmgewichts<br />
ermöglicht (e).<br />
68<br />
a) Das Bundeswahlgesetz sieht nunmehr vor, dass die Listenmandate in den Ländern<br />
vergeben werden. Von der Gesamtzahl der Sitze werden den Ländern Kontingente von Sitzen<br />
zugewiesen, um die die Landeslisten der in dem Land angetretenen Parteien konkurrieren (§ 6<br />
Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BWG). Die Berechnung der einer Landesliste zustehenden Sitze<br />
erfolgt - wie im Ausgangspunkt auch die Berechnung der Sitzkontingente der Länder (§ 6<br />
Abs. 6 Satz 1 BWG) -nach dem Divisorverfahren nach Sainte-Laguë/Schepers (§ 6 Abs. 2<br />
BWG).<br />
69<br />
Mit dieser Unterteilung des Wahlgebietes in Listenwahlkreise sind im Vergleich zur<br />
bisherigen Rechtslage (vgl. dazu BVerfGE 121, 266 ) zwangsläufig Einbußen an<br />
Proportionalität verbunden. Zum einen werden - anders als bei einer bundesweiten Verteilung<br />
der Gesamtzahl der Sitze - in Ländern mit kleinen Sitzkontingenten nennenswerte faktische<br />
Zugangshürden zur Sitzzuteilung aufgerichtet (vgl. Seifert, Bundeswahlrecht, 3. Aufl. 1976,<br />
Einl. S. 7; Meyer, Wahlsystem und Verfassungsordnung, 1973, S. 168). Denn die Zahl der<br />
Wählerstimmen, die von vornherein ohne Stimmerfolg bleiben, wird notwendig größer, wenn<br />
sich die Zahl der zu verteilenden Sitze verringert. Zum zweiten kann eine unterschiedliche<br />
Wahlbeteiligung in den Ländern dazu führen, dass die Wählerstimmen im Landesvergleich<br />
unterschiedliche Erfolgswerte aufweisen (vgl. BTDrucks 17/6290, S. 7). Schließlich<br />
vergrößern sich die jedem mathematischen Verteilungsverfahren immanenten<br />
Proportionalitätsverluste (vgl. BVerfGE 79, 169 ; 95, 335 ; 121, 266 ),<br />
wenn die bei Anwendung des Divisorverfahrens entstehenden Abrundungsverluste und<br />
Aufrundungsgewinne der Landeslisten einer Partei nicht - wie bisher durch Verbindung der<br />
Landeslisten zu Verrechnungszwecken (§ 7 Abs. 1 und 2 BWG a.F.) - wahlgebietsbezogen<br />
ausgeglichen werden (vgl. Klecha, ZfP 20<strong>11</strong>, S. 324 ).<br />
70<br />
Der Gesetzgeber hat sich mit diesen Proportionalitätseinbußen nicht abgefunden, sondern zu<br />
deren Abmilderung die Zuweisung der Sitzkontingente an die Länder dynamisch an der<br />
Wählerzahl ausgerichtet (§ 6 Abs. 1 Satz 1 BWG) sowie die länderinterne Sitzzuteilung nach<br />
§ 6 Abs. 2 BWG um eine wahlgebietsbezogene „Reststimmenverwertung“ (§ 6 Abs. 2a<br />
BWG) ergänzt (dazu unten C. II. 2.). Beide Regelungen zielen auf die Beseitigung von<br />
Erfolgswertunterschieden zwischen den Ländern beziehungsweise den Parteien (vgl.<br />
BTDrucks 17/6290, S. 7) und können damit als Ausdruck des gesetzgeberischen Willens,<br />
proportionale Sitzzuteilung nicht nur in den Ländern, sondern möglichst im gesamten<br />
Wahlgebiet zu gewährleisten, gedeutet werden.<br />
71<br />
b) Die Unterteilung des Wahlgebiets in Listenwahlkreise und die Zuweisung von nach der<br />
Wählerzahl bemessenen Sitzkontingenten an diese sind mit dem Grundsatz demokratischer<br />
Repräsentation vereinbar.