2 BvE 9-11 - Volker Schöne?
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Mindestsitzkontingents an kleine Länder wiederum würde weitere Unterschiede in der<br />
Erfolgswertgleichheit der Stimmen zwischen den Listenwahlkreisen herbeiführen, was dem<br />
weiter verfolgten Ziel, proportionale Sitzzuteilung nicht nur in den Ländern, sondern<br />
möglichst im gesamten Wahlgebiet zu gewährleisten, widerspräche. Der Verzicht auf<br />
Listenverbindungen schließlich - und damit auf die Möglichkeit, in den einzelnen Ländern für<br />
eine Sitzzuteilung nicht ausreichende Zweitstimmen bundesweit zusammenzurechnen - zielt<br />
darauf ab, den im früheren Bundeswahlrecht aufgetretenen Effekt des negativen<br />
Stimmgewichts zu beseitigen, und soll damit den Grundsätzen der Gleichheit und<br />
Unmittelbarkeit der Wahl Rechnung tragen (vgl. BVerfGE 121, 266 ).<br />
84<br />
e) § 6 Abs. 1 Satz 1 BWG verletzt die Grundsätze der Gleichheit und Unmittelbarkeit der<br />
Wahl sowie der Chancengleichheit der Parteien, soweit die Bildung der Ländersitzkontingente<br />
nach der Wählerzahl den Effekt des negativen Stimmgewichts ermöglicht. Ein<br />
Sitzzuteilungsverfahren nach dem Verteilungsprinzip der Verhältniswahl darf solche Effekte<br />
nur in seltenen Ausnahmefällen herbeiführen (aa). Dem wird das Sitzzuteilungsverfahren<br />
nach § 6 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 BWG nicht gerecht (bb).<br />
85<br />
aa) Die Verteilung der Mandate auf die Parteien entsprechend dem Verhältnis der Summen<br />
der Wählerstimmen darf im Grundsatz nicht dazu führen, dass die Sitzzahl einer Partei<br />
erwartungswidrig mit der auf diese oder eine konkurrierende Partei entfallenden Stimmenzahl<br />
korreliert (Effekt des negativen Stimmgewichts). Es ist zwar ohne Weiteres einsichtig, dass<br />
als mathematisch unausweichliche Folge eines jeglichen Verteilungsverfahrens (vgl. dazu<br />
BVerfGE 95, 335 ) einzelne Stimmen sich nicht zugunsten einer Partei auswirken<br />
können. Ein Sitzzuteilungsverfahren, das ermöglicht, dass ein Zuwachs an Stimmen zu<br />
Mandatsverlusten führt, oder dass für den Wahlvorschlag einer Partei insgesamt mehr<br />
Mandate erzielt werden, wenn auf ihn selbst weniger oder auf einen konkurrierenden<br />
Vorschlag mehr Stimmen entfallen, widerspricht aber Sinn und Zweck einer demokratischen<br />
Wahl (vgl. BVerfGE 121, 266 ). Solche widersinnigen Wirkungszusammenhänge<br />
zwischen Stimmabgabe und Stimmerfolg beeinträchtigen nicht nur die Wahlrechtsgleichheit<br />
und Chancengleichheit der Parteien, sondern verstoßen auch gegen den Grundsatz der<br />
Unmittelbarkeit der Wahl, da es für den Wähler nicht mehr erkennbar ist, wie sich seine<br />
Stimmabgabe auf den Erfolg oder Misserfolg der Wahlbewerber auswirken kann (BVerfGE<br />
121, 266 ). Gesetzliche Regelungen, die derartige Effekte nicht nur in seltenen und<br />
unvermeidbaren Ausnahmefällen hervorrufen, sind mit der Verfassung nicht zu vereinbaren<br />
(vgl.<br />
BVerfGE 121, 266 ).<br />
86<br />
bb) Das in § 6 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 BWG geregelte<br />
Sitzzuteilungsverfahren kann infolge der Bildung der Ländersitzkontingente nach der<br />
Wählerzahl dazu führen, dass in bestimmten Konstellationen abgegebene Zweitstimmen für<br />
Landeslisten einer Partei insofern negativ wirken, als diese Partei in einem anderen Land<br />
Mandate verliert oder eine andere Partei Mandate gewinnt. Umgekehrt ist es auch möglich,<br />
dass die Nichtabgabe einer Wählerstimme der zu unterstützenden Partei dienlich ist. Dieser<br />
Effekt des negativen Stimmgewichts ist verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt.