02.11.2013 Aufrufe

Uwe Eckardt: 400 Jahre Stadtrechte Elberfeld. - BGV-Wuppertal

Uwe Eckardt: 400 Jahre Stadtrechte Elberfeld. - BGV-Wuppertal

Uwe Eckardt: 400 Jahre Stadtrechte Elberfeld. - BGV-Wuppertal

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Uwe</strong> <strong>Eckardt</strong><br />

<strong>400</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Stadtrechte</strong> <strong>Elberfeld</strong><br />

I.<br />

Die ersten urkundlichen Erwähnungen <strong>Elberfeld</strong>s<br />

datieren aus den <strong>Jahre</strong>n 1161 und 1176.<br />

Die Anfänge des heutigen <strong>Wuppertal</strong>er Stadtteils<br />

reichen jedoch mit Sicherheit weiter zurück.<br />

An der Stelle der Alten reformierten Kirche<br />

(heute: City-Kirche) befand sich eine dem<br />

Hl. Laurentius geweihte Kapelle, die zu einer<br />

Versorgungsstation, einem „Tafelhof“, des<br />

Kölner Erzbischofs gehörte. Aufgrund der in<br />

den 1950er <strong>Jahre</strong>n durchgeführten archäologischen<br />

Untersuchungen ist davon auszugehen,<br />

dass diese Kapelle um das Jahr 1000 errichtet<br />

wurde. Dazu passt auch das Patrozinium,<br />

da man den Sieg Ottos I. über die Ungarn in<br />

der Schlacht auf dem Lechfeld am 10. August<br />

955 dem Tagesheiligen, dem Hl. Laurentius,<br />

zuschrieb und ihm deshalb aus Dankbarkeit in<br />

der Folgezeit viele Kapellen und Kirchen geweiht<br />

wurden. 1<br />

Vermutlich 1161 setzte sich der Kölner Erzbischof<br />

und Kanzler des Kaisers Friedrichs I.,<br />

Rainald von Dassel, bei dem Abt Nikolaus von<br />

Siegburg dafür ein, dass der kaiserliche Notar<br />

Burchard die ihm von dem Priester Conrad<br />

und dem „villicus“ von <strong>Elberfeld</strong> entrissenen<br />

Zehnten zurück erhält. Wir erfahren den Sachverhalt<br />

allerdings nicht direkt, sondern indirekt<br />

aus einem Schreiben des Notars an den<br />

Abt von Siegburg. 2 Die Überlieferung ist also<br />

kompliziert, aber durchaus glaubwürdig. Sie<br />

besagt, dass der Verwalter des dem Erzbischof<br />

gehörenden Hofes <strong>Elberfeld</strong> und ein nicht weiter<br />

bekannter Priester Conrad offenbar bestehende<br />

Besitz- und Rechtsverhältnisse gewaltsam<br />

zu verändern versucht haben.<br />

Weiteres Licht in das Dunkel dieser Zeit<br />

bringt eine Urkunde des <strong>Jahre</strong>s 1176, ohne genauere<br />

Datumsangabe. Danach verpfändete<br />

der Kölner Erzbischof Philipp von Heinsberg<br />

dem Grafen Engelbert I. von Berg für <strong>400</strong><br />

Mark seine bischöflichen Höfe in Hilden und<br />

<strong>Elberfeld</strong> mit allen Rechten und Einkünften. 3<br />

Er benötigte das Geld, um mit eigenen Mitteln<br />

neue Truppen zur Unterstützung des Kaisers<br />

Friedrich I. anzuwerben, der in Oberitalien<br />

zunächst mit kriegerischen Mitteln versuchte,<br />

die kaiserliche Kirchenhoheit gegen Papst<br />

Alexander III. zu behaupten. 4<br />

Mit dieser Verpfändung setzte ein zeitlich<br />

lang gestreckter Prozess ein, in dessen Verlauf<br />

die enge rechtliche Bindung des <strong>Elberfeld</strong>er<br />

Tafelhofes, um den herum sich nach und<br />

nach eine Siedlung bildete, an die Kölner Erzbischöfe<br />

zunehmend verloren ging. Ein wichtiger<br />

Markstein auf diesem Weg war die Urkunde<br />

des Kölner Erzbischofs Engelbert II. vom<br />

19. August 1366, mit der er, nachdem Ritter<br />

Johann von <strong>Elberfeld</strong> zuvor Verzicht geleistet<br />

hatte, Ritter Engelbert Zobbe mit der Burg und<br />

Herrschaft <strong>Elberfeld</strong>, einschließlich allem Zubehör<br />

und aller Rechte, belehnte. 5 Wann und<br />

von wem die 1366 erstmals erwähnte Burg errichtet<br />

wurde und wie sie genau aussah, wissen<br />

wir nicht. Vermutlich handelte es sich um<br />

mehrere, von Mauern umgebene Gebäude aus<br />

Stein, die zusätzlich durch Wassergräben geschützt<br />

wurden.<br />

Es folgten unruhige Zeiten, die durch die<br />

Streitigkeiten innerhalb der bergischen Grafenfamilie<br />

einerseits und den bergisch-märkischen<br />

Konflikt andererseits geprägt waren. Wegen ihrer<br />

strategisch günstigen Lage spielte dabei die<br />

Burg <strong>Elberfeld</strong> eine besondere Rolle. Von hier<br />

aus unternahmen der Jungherzog Adolf von<br />

Berg und der mit ihm verbündete Eberhard von<br />

Limburg Überfälle ins märkische Territorium.<br />

Bei dem Versuch, die feindliche Burg im <strong>Wuppertal</strong><br />

einzunehmen, erlitt Graf Dietrich von<br />

1


der Mark am 14. od er 1 8. März 1398 durch einen<br />

Pfeilschuss eine tödliche Verwundung. 6<br />

Die Ansiedlung, die im Schutze des Tafelhofes<br />

und dann der Burg ständig gewachsen<br />

war, wurde in einer Urkunde vom 4. November<br />

1420 erstmals ausdrücklich als „Freiheit“<br />

bezeichnet. Unter diesem Datum verständigten<br />

sich Adolf von Berg, Adolf von Kleve und<br />

Eberhard von Limburg darauf, Burg, Freiheit<br />

und Herrlichkeit unverzüglich einzunehmen<br />

und sie danach gegen eine an den bergischen<br />

Herzog zu leistende Zahlung von 2.000 Gulden<br />

als Pfand dem Herzog von Kleve zu übergeben.<br />

Es spricht für die offenbar strategische<br />

Bedeutung <strong>Elberfeld</strong>s, dass für einen späteren<br />

Zeitpunkt die Weitergabe des Pfandes an<br />

Eberhard von Limburg gegen Zahlung von<br />

dann 5.000 Gulden vorgesehen war. 7<br />

Der Plan gelangte nicht zur Ausführung. 8<br />

Die Rechtsverhältnisse blieben unübersichtlich.<br />

Die zahlreichen Fehden führten zu ständig neuen<br />

Bündnissen, an deren Zustandekommen sich<br />

auch der Kölner Erzbischof, der nach wie vor seine<br />

Rechte am <strong>Elberfeld</strong>er Besitz geltend machte,<br />

beteiligte. Die Inhaber des Pfandes <strong>Elberfeld</strong><br />

wechselten häufig, was im 14. und 15. Jahrhundert,<br />

in denen die mittelalterliche Pfandschaftspolitik<br />

ihren Höhepunkt erreichte, durchaus üblich<br />

war. 9 Bereits 1421 verzichtete Ritter Dietrich<br />

von der Reck zugunsten von Eberhard von Limburg<br />

auf „Schloss und Herrschaft“ <strong>Elberfeld</strong>.<br />

1425 beurkundeten Berndt Oevelacker, seine<br />

Frau und sein Sohn ihren Verzicht auf „Schloss<br />

und Herrschaft“ <strong>Elberfeld</strong> zugunsten von Adolf<br />

von Kleve. Schließlich verkauften laut Urkunde<br />

vom 12. November 1427 Adolf Quadde und seine<br />

Frau Metza von Elvervelde, Tochter des Johann<br />

Zobbe, „Schloss und Herrlichkeit“ <strong>Elberfeld</strong><br />

Adolf von Berg. 10 Dennoch verblieb nach<br />

dem damaligen Rechtsverständnis die Verfügungsgewalt<br />

an dem umstritten Besitz im <strong>Wuppertal</strong><br />

bei Eberhard von Limburg. 11 Dieser verpfändete<br />

<strong>Elberfeld</strong> 1428 an den westfälischen<br />

Adligen Lubbert von Galen zur Ablösung seiner<br />

Schuld von 3.000 Mark. Gleichzeitig setzte<br />

er Herzog Adolf von Berg und dessen Sohn Ruprecht<br />

zu Erben des Pfandbriefes ein.<br />

Mit Urkunde vom 31. Januar 1430 bekräftigte<br />

Adolf von Berg die Pfandschaft. Er bestätigte<br />

zugleich Lubbert von Galen als herzoglichen<br />

Amtmann und bewilligte ihm ohne<br />

Rechnungslegung die Hälfte aller Einkünfte.<br />

Damit verlor der Kölner Erzbischof, dessen<br />

Interessen an der Herrschaft <strong>Elberfeld</strong> bis<br />

dahin Wilhelm von Nesselrode vertreten hatte,<br />

endgültig seine seit Bestehen des Tafelhofes<br />

für sich beanspruchten Rechte. <strong>Elberfeld</strong><br />

blieb seitdem im alleinigen Besitz der Herzöge<br />

von Berg, wurde aber auch in der Folgezeit immer<br />

wieder als Pfand eingesetzt. Mit der Ernennung<br />

Lubberts von Galen zum bergischen<br />

Amtmann wurde die unter Gerhard I. (1348–<br />

1360) begonnene und der besseren Verwaltung<br />

dienende Aufteilung des Bergischen Landes<br />

in Ämter fortgesetzt. 12 Das neue Amt umfasste<br />

im wesentlichen den späteren Stadtkreis <strong>Elberfeld</strong><br />

unter Einschluss Cronenbergs und die<br />

die beiden Orte umgebenden Wälder.<br />

Die Quellen erlauben keine eindeutige Antwort<br />

auf die Frage, ob <strong>Elberfeld</strong> bereits 1420<br />

tatsächlich schon den Status einer „Freiheit“<br />

in Form einer einfachen bürgerlichen Selbstverwaltung<br />

mit Bürgermeister und Rat an der<br />

Spitze, vielleicht unter Einschluss des Marktrechts,<br />

erlangt hat oder nicht .13 Eine förmliche<br />

Erhebungsurkunde zur Freiheit, wie sie zum<br />

Beispiel für Mettmann überliefert ist, fehlt. 14<br />

Im Gegensatz zu Georg von Below, der eine<br />

Erhebung <strong>Elberfeld</strong>s zur Freiheit vor 1430<br />

für möglich hält, 15 geht Edmund Strutz davon<br />

aus, dass dieser Schritt erst zwischen 1430<br />

und 1444 erfolgt ist. 16 Dafür spricht, dass 1444<br />

zum ersten Mal Bürgermeister, Schöffen und<br />

Rat urkundlich erwähnt sind. 17<br />

Da die 1445 geschlossene Ehe des Herzogs<br />

Gerhard I. von Berg mit Sophia von Sachsen-<br />

Lauenburg zunächst kinderlos blieb, stellte der<br />

in große Finanznöte geratene Herzog in Form<br />

einer Verkaufsurkunde vom 12. März 1451 für<br />

seinen Todesfall dem Erzbischof Dietrich von<br />

Köln die Übergabe des Herzogtums Berg mit<br />

der Herrschaft Blankenberg, der Grafschaft<br />

Ravensberg sowie der Städte Sinzig und Remagen<br />

in Aussicht. Daraufhin leisteten die<br />

2


ergischen Ämter und Städte dem Kölner Erzbischof<br />

die Eventualhuldigung. Am 15. Mai<br />

1451 huldigten auch die Freiheiten <strong>Elberfeld</strong><br />

und Mettmann für den Erbfall. Nachdem aus<br />

der Ehe Gerhards von Berg doch noch erbberichtigte<br />

Söhne hervorgegangen waren, verzichtete<br />

1469 Ruprecht von der Pfalz, der 1463<br />

als Dietrichs Nachfolger zum Kölner Erzbischof<br />

gewählt worden war, gegen die Zahlung<br />

von 45.000 Gulden auf alle aus dem Vertrag<br />

von 1451 abgeleiteten Ansprüche.<br />

Während in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts<br />

Angehörige des adligen Geschlechtes<br />

Nesselrode Amt und Pfandschaft <strong>Elberfeld</strong><br />

in einer Hand vereinigten und ihren Einfluss<br />

durch den Erwerb weiterer Besitzungen und<br />

Rechte vergrößerten, bahnte sich aufgrund der<br />

guten Beziehungen zwischen Wilhelm II. von<br />

Berg, der keine männlichen Nachkommen hatte,<br />

und Johann II. von Kleve die Vereinigung<br />

der Herzogtümer Jülich-Berg und Kleve-Mark<br />

an. In zwei Urkunden vom 25. November 1496<br />

wurde die Verbindung beider Herrschaftskomplexe<br />

vertraglich geregelt und durch die<br />

gemeinsame Heiratsabsprache, die das Verlöbnis<br />

und das Eheversprechen der fünf <strong>Jahre</strong><br />

alten Maria von Jülich-Berg mit dem nur<br />

ein Jahr älteren Johann von Kleve-Mark beinhaltete,<br />

zusätzlich bekräftigt. Für die feierliche<br />

Verlobungszeremonie, wie sie das von<br />

dem Düsseldorfer Maler Claus Meyer zu Beginn<br />

des 20. Jahrhunderts auf Schloss Burg<br />

geschaffene Wandgemälde zeigt, gibt es keine<br />

Quellenzeugnisse. 18 Die Hochzeit fand dann<br />

am 1. Oktober 1510 in prunkvollem Rahmen<br />

in Düsseldorf statt.<br />

Nach dem Tode Wilhelms von Berg 1511<br />

trat Johann III. von Kleve die vereinbarte Erbfolge<br />

im Herzogtum Jülich-Berg an. Seit 1521<br />

– sein Vater Johann II. starb am 15. Januar<br />

1521 – vereinigte er die Herzogtümer Jülich,<br />

Berg und Kleve sowie die Grafschaften Mark<br />

und Ravensberg in einer Hand. Dieser fünfgliedrige<br />

Herrschaftskomplex gewann zwar<br />

aufgrund seiner Größe, seiner wirtschaftlichen<br />

Stärke, und seiner Lage als „Land im<br />

Mittelpunkt der Mächte“ an politischer Bedeutung,<br />

hatte jedoch letztendlich nicht die Kraft,<br />

gegen den Widerstand Habsburg zur führenden<br />

Macht im Nordwesten des Reichs aufzusteigen.<br />

Der Versuch, durch eine vermeintlich<br />

ausgeklügelte Bündnispolitik die Erbansprüche<br />

auf das Herzogtum Geldern durchzusetzen<br />

und damit das fehlende Verbindungsstück<br />

zwischen Kleve und Jülich hinzuzugewinnen,<br />

scheiterte im „Geldrischen Erbfolgestreit“<br />

(1538–1543) kläglich. In raschem Kriegszug<br />

eroberten die kaiserlichen Truppen die Festungen<br />

Düren, Jülich und Roermond. Darauf<br />

hin unterwarf sich Herzog Wilhelm V., der<br />

1539 auf seinen Vater Johann III. gefolgt war,<br />

in „Trauerkleidern“ und mit Fußfall am 3. September<br />

1543 in Venlo Kaiser Karl V. Der Herzog<br />

wurde mit Vertrag dazu gezwungen, nicht<br />

nur dem Kaiser Geldern zu überlassen, sondern<br />

auch die Reformation in seinen Erblanden<br />

rückgängig zu machen.<br />

II.<br />

Die um 1500 günstigen politischen und<br />

wirtschaftlichen Rahmenbedingungen kamen<br />

auch dem <strong>Wuppertal</strong> zugute. Hier hatte sich,<br />

begünstigt durch den vorhandenen Wasserreichtum<br />

und das besonders kalkarme Wasser<br />

der Wupper, aus der bis dahin vorherrschenden<br />

bäuerlichen Hauswirtschaft die Bleicherei<br />

als eigenständiger Gewerbezweig entwickelt.<br />

Hinzu kamen die Veredelung mit den<br />

vornehmlich aus den Flachsanbaugebieten der<br />

näheren und weiteren Umgebung bezogenen<br />

Rohprodukten und der Handel mit den Fertigfabrikaten.<br />

19 Der Bedeutung des neuen Gewerbes<br />

trug Herzog Johann III. Rechnung. Weil<br />

vermutlich wirtschaftliche Schwierigkeiten<br />

aufgetreten waren, verlieh er gegen die Zahlung<br />

von 861 Goldgulden mit der am 29. April<br />

1527 ausgestellten „Garnnahrung“ den Bleichern<br />

in <strong>Elberfeld</strong> und Barmen das alleinige<br />

Recht zum Bleichen und Zwirnen des Garns<br />

im Herzogtum. Das Privileg, das nicht nur die<br />

gewerbliche Tätigkeit sicherte, sondern zugleich<br />

die Voraussetzung für die spätere industrielle<br />

Fortentwicklung bildete, richtete<br />

sich an die „Eingesessenen und unterthanen<br />

3


unserer Freyheit und Kirspel zu Elverfeld, und<br />

in dem Barmen“. 20<br />

Drei <strong>Jahre</strong> nach der Verleihung des Garnnahrungsprivilegs<br />

wurde <strong>Elberfeld</strong> erstmals<br />

ausdrücklich als Stadt bezeichnet. Am 13. Januar<br />

1530 verbriefte Herzog Johann III. Gotthard<br />

Ketteler, der mit Sibylla von Nesselrode,<br />

die ihrerseits durch Erbteilung <strong>Elberfeld</strong><br />

und Haus Nesselrode erhalten hatte, verheiratet<br />

war, den lebenslangen Besitz von „Schloss,<br />

Stadt und Amt“ <strong>Elberfeld</strong>. 21 Die Bezeichnung<br />

„Stadt“ trug der gewachsenen Bedeutung <strong>Elberfeld</strong>s<br />

im Bergischen Land Rechnung, bis<br />

zur Erlangung des offiziellen Stadtrechts war<br />

es jedoch noch ein langer Weg.<br />

Das zeitliche Zusammentreffen der Ausstellung<br />

des Garnnahrungsprivilegs mit dem<br />

ersten Auftreten des Reformators Adolf Clarenbach<br />

1527 im Bergischen Land war sicherlich<br />

ein Zufall. Dennoch sind seitdem Kirchengeschichte<br />

und Wirtschaftsgeschichte<br />

insbesondere im <strong>Wuppertal</strong> sehr eng miteinander<br />

verbunden. Aufgrund ihrer weitreichenden<br />

Handelsbeziehungen waren die <strong>Elberfeld</strong>er<br />

Kaufleute sicherlich früh mit der neuen Lehre<br />

bekannt geworden. Angeblich fanden die ersten<br />

Zusammenkünfte <strong>Elberfeld</strong>er Protestanten<br />

ab 1535 in einem Hause „vor dem Holz“<br />

statt. Herzog Johann III. erließ zwar Mandate,<br />

die den Anhänger Luthers Verfolgung und Bestrafung<br />

androhten, erzwang jedoch nicht deren<br />

konsequente Einhaltung. Auch gegenüber<br />

dem Kaiser bezog er nicht eindeutig Stellung.<br />

Diese ambivalente Haltung behielt sein Sohn<br />

Wilhelm bei, auch nach 1543, obwohl er doch<br />

nach seiner Niederlage im „Geldrischen Erbfolgestreit“<br />

durch Kaiser Karl V. gezwungen<br />

worden war, gegen die Ausbreitung der Reformation<br />

mit größerer Entschiedenheit vorzugehen.<br />

22<br />

Zu diesem Zeitpunkt war in <strong>Elberfeld</strong> die<br />

neue Glaubensbewegung jedoch nicht mehr<br />

aufzuhalten. Hier hatte seit dem Wirken Peter<br />

Los, der 1552 als Kaplan an die Laurentiuskirche<br />

gekommen war, eine kontinuierliche<br />

protestantische Gemeindebildung<br />

eingesetzt. Nach der erzwungenen Flucht<br />

trat Lo in den Dienst des lutherischen Grafen<br />

Franz II. von Waldeck, den Pfandherrn des<br />

Amtes Beyenburg. Die Versuche, nach <strong>Elberfeld</strong><br />

zurückzukehren, scheiterten mehrmals.<br />

Erst ab 1566 war ihm dort die weitgehend<br />

ungehinderte Amtsausübung möglich.<br />

Bis zu seinem Tode am 13. September 1581<br />

überführte er die <strong>Elberfeld</strong>er Gemeinde nahezu<br />

geschlossen zum reformierten Bekenntnis<br />

(Kalvinismus) auf der Grundlage<br />

des Heidelberger Katechismus. Der Überlieferung<br />

zufolge blieben nur sechs Familien<br />

katholisch. 23 Die Grundüberzeugung, dass<br />

zwischen Konfession und wirtschaftlichem<br />

Erfolg ein enger Zusammenhang besteht, hat<br />

seitdem die Bewohner des <strong>Wuppertal</strong>s ganz<br />

besonders geprägt. Zu dieser starken Ausprägung<br />

hat auch beigetragen, dass sich die<br />

Landesherren in der Folgezeit stets zum Katholizismus<br />

bekannt haben.<br />

Für den im <strong>Wuppertal</strong> durch die Verleihung<br />

des Garnnahrungsprivilegs besonders<br />

beförderten wirtschaftliche Aufschwung bedeutete<br />

der <strong>Elberfeld</strong>er Stadtbrand von 1536,<br />

den vermutlich die Fahrlässigkeit des Bürgers<br />

Eckart Wichlinghausen verursacht hatte, zunächst<br />

einen schweren Rückschlag. Die Bewohner<br />

der zum größten Teil zerstörten „Freiheit“<br />

bauten ihre Häuser und die bis auf die<br />

Grundmauern abgebrannte Laurentiuskirche<br />

jedoch wieder zügig auf. Der Wiederaufbau<br />

der bei dem Brand ebenfalls zerstörten Burg<br />

unterblieb dagegen. 24<br />

Der Wegfall der alten Burg bedeutete, dass<br />

die Freiheit <strong>Elberfeld</strong> vor allem nach Nord-<br />

Westen hin schutz- und wehrlos da lag. Nach<br />

Süden gewährte die Freiheitsmauer, die mit der<br />

Burgbefestigung eine bauliche Einheit gebildet<br />

hatte, einen gewissen Schutz. Vermutlich<br />

hatte schon Lubbert von Galen im Zusammenhang<br />

mit der Ausdehnung der Freiheit <strong>Elberfeld</strong><br />

damit begonnen, auf Befehl des Landesherrn<br />

die alte Dorfbefestigung durch ein neues<br />

Bollwerk zu ersetzen. 25 In der Folgezeit tauchten<br />

jedenfalls in den Rechnungsunterlagen die<br />

Baukosten für die Befestigungsanlagen immer<br />

wieder auf.<br />

4


III.<br />

Neue Befestigungsarbeiten waren jedoch<br />

an die Zustimmung des Landesherrn gebunden<br />

und die Genehmigung hierfür erfolgte zumeist<br />

in Verbindung mit einem Stadtrechtsprivileg.<br />

Das Herzogtum Berg – und damit auch <strong>Elberfeld</strong><br />

– wurde seit 1539 von Herzog Wilhelm V.,<br />

dem Reichen, regiert. Die vereinigten Herzogtümer<br />

Jülich, Kleve und Berg in Verbindung<br />

mit den Grafschaften Mark und Ravensberg<br />

spielten als „Land im Mittelpunkt der Mächte“<br />

eine wichtige Rolle in der Reichs- und europäischen<br />

Politik. Die ersten dunklen Wolken zogen<br />

allerdings auf, als Herzog Wilhelm 1566 einen<br />

Schlaganfall erlitt. Hinzu kam eine heimtückische<br />

Geisteskrankheit. Nicht erst seit dieser Zeit<br />

wurden für den Erbfall kaiserliche Privilegien<br />

erteilt sowie in unterschiedlichsten Koalitionen<br />

Absprachen getroffen und Bündnisse geschlossen.<br />

26 Die niederrheinische Frage beschäftigte,<br />

auch und gerade wegen der schwierigen konfessionellen<br />

Verhältnisse, nach und nach die europäischen<br />

Kabinette, sie ging sozusagen in der<br />

europäischen Politik auf. 27<br />

Herzog Johann Wilhelm I., der einzige<br />

Sohn Wilhelms des Reichen, ursprünglich<br />

zum Geistlichen bestimmt, hatte nach dem<br />

Tode seines Bruders Karl Friedrich (1575) die<br />

Erbfolge 1592 angetreten. Früh zeigten sich<br />

auch bei ihm Anzeichen von Geisteskrankheit.<br />

Die 1585 geschlossene Ehe mit der Markgräfin<br />

Jakobe von Baden blieb kinderlos. Die Ermordung<br />

der Markgräfin 1597, 28 die politischen<br />

Einfluss zu gewinnen versucht hatte, war ein<br />

Vorzeichen für das Auseinanderbrechen des<br />

niederrheinisch-bergischen Herrschaftsgebietes<br />

innerhalb weniger <strong>Jahre</strong>. Als Johann Wilhelm,<br />

dessen zweite Ehe mit Antoinette von<br />

Lothringen ebenfalls kinderlos geblieben war,<br />

am 25. März 1609 schließlich starb, brach der<br />

als „Jülich-klevischer Erbfolgestreit“ (1609–<br />

1672) bezeichnete Machtkampf offen aus. Die<br />

mit dem Erbfolgestreit verbundenen politischen<br />

und kriegerischen Auseinandersetzungen<br />

wirkten „wie ein kleines Vorspiel zum<br />

30jährigen Krieg, dessen Mächtekonstellation<br />

(Spanien, Österreich und die Liga gegen Holland,<br />

Frankreich und die deutschen Protestanten)<br />

bereits im Hintergrund sichtbar wurde“. 29<br />

Herzog Johann Wilhelm hatte vier Schwestern<br />

(Marie Eleonore, Anna, Magdalene und<br />

Sibylle), die mit Angehörigen der Häuser<br />

Preußen (Albrecht Friedrich), Pfalz-Neuburg<br />

(Philipp Ludwig), Pfalz-Zweibrücken (Johann)<br />

und Burgau (Karl) verheiratet waren. Diese<br />

Häuser erhoben nun unter Berufung auf mehrere<br />

Privilegien, die die Unteilbarkeit der Lande<br />

und die weibliche Erbfolge beim Erlöschen<br />

des Mannesstammes zugesichert hatten, sowie<br />

auf die bei den Heiraten der Schwestern abgeschlossenen<br />

Eheverträge, Erbansprüche. Hinzu<br />

kamen Forderungen, die Kursachsen aus einem<br />

alten Vertrag ableitete. 30 Vgl. Verwandtschaftstafel<br />

am Schluss der Anmerkungen.<br />

Auch dem Grenznachbarn und Kaiser Rudolf<br />

II. war es keineswegs gleichgültig, ob sich<br />

im Herzogtum katholische oder protestantische<br />

Erben durchsetzten. Ihm stand zudem<br />

das Recht der Sequestration zu, das heißt das<br />

Recht, die umstrittenen Länder zugunsten des<br />

Reiches einzuziehen und an einen Herrscher<br />

seiner Wahl als Lehen wieder zu vergeben.<br />

Der Kaiser fand jedoch zunächst nicht die Zeit<br />

und die passende Gelegenheit zum Eingreifen.<br />

Die Situation wurde zusätzlich dadurch kompliziert,<br />

dass auch außerdeutsche Mächte ein<br />

Mitspracherecht bei der Lösung dieses Erbfolgestreits<br />

für sich beanspruchten. Rom und die<br />

spanischen Niederlande sprachen sich für einen<br />

katholischen Nachfolger aus, die Generalstaaten<br />

votierten natürlich umgekehrt für einen<br />

protestantischen Herrscher. Nicht nur Rudolf<br />

II., sondern auch sein Vetter Ferdinand II., der<br />

als König von Böhmen sowie als deutscher<br />

König und Kaiser später eine zentrale Rolle im<br />

Dreißigjährigen Krieg spielte, erstrebten eine<br />

Nachfolge, die den habsburgischen Einfluss<br />

im Nordwesten des Reiches vergrößerte. Diesem<br />

Bestreben wiederum standen die französischen<br />

Interessen entgegen, weshalb Heinrich<br />

IV. von Frankreich selbst die Möglichkeit eines<br />

Krieges in Kauf nahm, um die Habsburger<br />

von den niederrheinischen Territorien fernzuhalten.<br />

5


Kurfürst Johann Sigismund von Brandenburg,<br />

Schwiegersohn der ältesten Schwester<br />

Johann Wilhelms, und Pfalzgraf Johann Wilhelm<br />

von Pfalz-Neuburg, Sohn der zweiten<br />

Schwester des Herzogs, handelten in dieser Situation<br />

am schnellsten. Sie nahmen durch Bevollmächtigte<br />

die umstrittenen Länder in Besitz<br />

und einigten sich im „Dortmunder Rezess“<br />

am 10. Juni 1609 auf eine gemeinsame Regierung,<br />

um an dem Grundsatz der Unteilbarkeit<br />

des Erbes festzuhalten.<br />

Trotz anfänglichen Widerstandes fanden<br />

sich die Landstände gegen Bestätigung ihrer<br />

Privilegien und gegen Garantie der Religionsfreiheit<br />

für die drei christlichen Bekenntnisse<br />

zur Huldigung der neuen Herrscher bereit.<br />

Dadurch wurden aus den Prätendenten<br />

„possidierende“ Fürsten (lat. possidere = besitzen,<br />

innehaben). Kaiser Rudolf erklärte jedoch<br />

das Dortmunder Abkommen für nichtig,<br />

bildete eine kommissarische Regierung für die<br />

umstrittenen Länder und ernannte Erzherzog<br />

Leopold zu deren Administrator. Kaiserliche<br />

Truppen besetzten die Festung Jülich.<br />

Der Ausbruch eines europäischen Krieges<br />

um das niederrheinisch-bergische Erbe drohte.<br />

Der Tod des französischen Königs Heinrich IV.<br />

(14. Mai 1610) verhinderte vorerst den Kriegsausbruch<br />

und veränderte die europäische Mächtekonstellation<br />

grundlegend. Religionswechsel<br />

führten zu neuen Koalitionen, fast gleichzeitig<br />

traten der Brandenburger zum Calvinismus<br />

und der Pfalz-Neuburger zum Katholizismus<br />

über. Der Bruch zwischen den „possidierenden“<br />

Fürsten war unvermeidlich. Nur das energische<br />

Eingreifen Englands und Frankreichs<br />

beendete die im Frühjahr 1614 ausgebrochenen<br />

militärischen Feindseligkeiten. Die Großmächte<br />

erzwangen den Abschluss des „Xantener<br />

Vertrages“ am 12. November 1614 zwischen<br />

Brandenburg und Pfalz-Neuburg, der die Einheit<br />

der Herzogtümer Jülich- Kleve-Berg zwar<br />

im Grundsatz wahrte, de facto jedoch die endgültige<br />

Teilung einleitete.<br />

Der Pfalzgraf erhielt das vereinte Herzogtum<br />

Jülich-Berg, der Kurfürst das Herzogtum<br />

Kleve mit den Grafschaften Mark und Ravensberg<br />

und der Herrschaft Ravenstein. Trotz des<br />

Vertrages setzte sich der lokale Kleinkrieg fort.<br />

Der Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges, in<br />

dessen Verlauf die strittigen Länder trotz zahlreicher<br />

Besetzungen und Kämpfe neutral zu<br />

bleiben versuchten, zeichnete sich ab. Erst 1666<br />

wurde das Land im „Klever Hauptvergleich“<br />

endgültig geteilt. Die Beilegung der konfessionellen<br />

Streitigkeiten erfolgte 1672 im „Cöllner<br />

Religionsvergleich“. Damit endete der Jülich-Klevische<br />

Erbfolgestreit, der die Stärkung<br />

der habsburgischen Position am Niederrhein<br />

zugunsten der Wittelsbacher verhinderte. Für<br />

Kurbrandenburg war aber mit dem Erwerb der<br />

rheinischen Territorien eine wesentliche Voraussetzung<br />

für den mit Nachdruck betriebenen<br />

Ausbau seiner Vormachtstellung geschaffen.<br />

IV.<br />

Durch diesen Exkurs in die „Große Politik“<br />

werden die Umstände, denen <strong>Elberfeld</strong> die<br />

Verleihung des Stadtrechtsprivilegs von 1610<br />

verdankt, besser verständlich. Die Bemühungen<br />

um die Erlangung dieses Privilegs reichten<br />

in das Ende des 16. Jahrhunderts zurück.<br />

Eine wichtige Rolle spielte dabei der landesherrliche<br />

Besitz, auf dem die Ruinen und die<br />

nur notdürftig wiederhergestellten Bauten der<br />

1536 zerstörten Burganlage standen. Im Zusammenhang<br />

mit der bevorstehenden Einlösung<br />

des Pfandes „Burg und Herrschaft <strong>Elberfeld</strong>“,<br />

das sich seit 1530 im Besitz der<br />

Familie Ketteler befand, wurde 1598 ein Bericht<br />

über den Zustand der Burg („Schloss“)<br />

und die mit ihr verbundenen Einkünfte erstellt.<br />

Dieses „Lagerbuch“ übergab Wilhelm<br />

Ketteler am 1. Ja nuar 1599 der herzoglichen<br />

Kanzlei. Gleichzeitig wurde der Geometer Johann<br />

von der Waye mit der Vermessung und<br />

Zeichnung des Burgplatzes beauftragt, „umb<br />

zu ersehen, was für gebeuwe alda geweßen,<br />

und wie dieselben Platz under die Bürger zu<br />

bebawen aufzutheilen, und auff wieuiel geltts<br />

aufzubrenngen“. 31 Diesem Auftrag verdanken<br />

wir die erste bildliche Darstellung des Burgbezirks<br />

mit der Freiheit.<br />

6


Im Zusammenhang mit der Pfandeinlösung<br />

1599 versuchten Bürgermeister und Rat<br />

von <strong>Elberfeld</strong> vermutlich zum ersten Mal, die<br />

offizielle Anerkennung als Stadt zu erlangen.<br />

Dieser Versuch blieb jedoch in den Wirren der<br />

Zeit unerledigt. 32 Die Quellenlage erlaubt keine<br />

bis in die Einzelheiten gehende Rekonstruktion<br />

der Ereignisse. 33 Vermutlich 1603 erfüllten<br />

die <strong>Elberfeld</strong>er mit dem Ankauf des wüst liegenden<br />

Burggeländes eine Forderung der herzoglichen<br />

Regierung. Die Kaufsumme belief<br />

sich auf ungefähr 2.500 Reichstaler. Nachdem<br />

die noch vorhandenen Mauerreste und Ruinen<br />

abgetragen und die Gräben aufgefüllt worden<br />

waren, wurde das Gelände eingeebnet, parzelliert<br />

und nach und nach wieder bebaut. 34 Für<br />

die neue Bebauung entwarf wieder Johann von<br />

der Waye einen Plan, dessen Grundriss dem<br />

der heutigen <strong>Elberfeld</strong>er Innenstadt weitgehend<br />

entspricht. An die 1536 zerstörte Burg<br />

erinnern noch die Straßennamen „Turmhof“<br />

und „Burgstraße“ Die von der herzoglichen<br />

Regierung zugesagte Gegenleistung in Form<br />

der Erhebung der Freiheit <strong>Elberfeld</strong> zur Stadt<br />

unterblieb aber. Offenbar reichten 1605 Bürgermeister<br />

und Rat deshalb erneut eine Supplik<br />

bei der herzoglichen Regierung in Düsseldorf<br />

ein. Vermutlich erfolgte auch hierauf<br />

keine erkennbare Reaktion.<br />

Die Inbesitznahme der vereinigten Herzogtümer<br />

durch die „possidierenden“ Fürsten, schuf<br />

neue, für <strong>Elberfeld</strong> günstige Voraussetzungen,<br />

die Bürgermeister und Rat offenbar konsequent<br />

zu nutzen verstanden. Als am 2. August 1609<br />

die Kommissare Philipp Wilhelm von Bernsau,<br />

Herr zu Hardenberg, Hans Friedrich von Calcum,<br />

genannt Leuchtenberg, und Nicolas von<br />

Langenberg, der Rechten Doktor, als Vertreter<br />

der „possidierenden“ Fürsten auf ihrer von den<br />

neuen Landesherren angeordneten Rundreise<br />

(„schickung“) zur Entgegennahme der Huldigung,<br />

von Mettmann kommend, am Abend in<br />

<strong>Elberfeld</strong> eintrafen, forderten sie durch einen<br />

Boten Bürgermeister und Rat auf, am nächsten<br />

Tag das Handgelübde zu leisten. 35 Als Bürgermeister<br />

amtierte zu dieser Zeit Johann Nyß.<br />

Die <strong>Elberfeld</strong>er überrumpelten die Kommissare<br />

offenbar noch an demselben Abend mit dem<br />

unaufgefordert vorgetragenen Angebot, „im<br />

fall der nott“ auf ihre eigenen Kosten zur Verteidigung<br />

der guten Sache 100 bis 150 gerüstete<br />

Pferde zur Verfügung zu stellen. Obwohl<br />

die Kommissare am nächsten Morgen auf die<br />

mit dem Angebot verbundenen hohen Kosten<br />

von schätzungsweise 36.000 bis 38.000 Taler<br />

Bergisch hinwiesen, bekräftigten Bürgermeister<br />

und Rat ihr Angebot und baten ihrerseits<br />

die Kommissare ausdrücklich, ihre „Bitte“ den<br />

Landesherren vorzutragen.<br />

Das <strong>Elberfeld</strong>er Anerbieten, das die Kommissare<br />

offenbar völlig überraschte, war fraglos<br />

ein kluger Schachzug, da den „possidierenden“<br />

Fürsten in ihrer schwierigen Lage<br />

durchaus daran gelegen war, sich die zukünftigen<br />

Untertanen zu verpflichten. Um die Gunst<br />

der Stunde zu nutzen, reichten nur wenige Wochen<br />

später Bürgermeister, Rat und Gemeinde<br />

(„Gemeine“) der Freiheit <strong>Elberfeld</strong> eine Supplik<br />

mit der direkt ausgesprochenen Bitte um<br />

die Stadtrechtsverleihung ein, die in Düsseldorf<br />

am 22.8./1.9.1609 einging. 36<br />

Am Anfang stehen die von der höfischen<br />

Etikette in Form und Ton weitgehend vorgeschriebenen<br />

Glückwünsche zum Regierungsantritt<br />

der neuen Landesherren. 37 Im nächsten<br />

Abschnitt erinnern die Supplikanten<br />

daran, dass ihnen seinerzeit von Herzog Johann<br />

Wilhelm und seinen Räten für den Fall<br />

des Kaufs und der Bebauung des landesherrlichen<br />

Burggeländes bestimmte Privilegien<br />

zugesichert worden sind. Sie gestehen den<br />

Räten allerdings zu, dass diese an der Erfüllung<br />

des Versprechens „etwan durch ungelegenheiten<br />

dieser Landen und denselben eußerlich<br />

zugestanden Trangsall behindert worden“<br />

sind. Nachdem aber nun von <strong>Elberfeld</strong>er Seite<br />

alle Bedingungen erfüllt worden sind, wiederholen<br />

die Antragsteller die Bitte, die neuen<br />

Landesherren „wollen uns doch zu wider erbawung<br />

und erhaltung solcher Vestung auch<br />

aufbringung 38 der Freiheit und gemeinen bestes<br />

gnediglich verlehnen, das wie gemeinlich<br />

bey anderen geringen Stätten und Freiheiten<br />

dieses Landts üblich, ein zeitiger Burgermeister<br />

sampt seinen beigeschworenen, über liquidirte<br />

7


schulden, Hauß Zins, 39 verdienten lohn, veldtschaden,<br />

laek 40 und Pool 41 die cognition 42 und<br />

verhör, dan auch Zoll und weg gelt von durchgehenden<br />

wahren und die accinsen 43 von wein,<br />

Bier, brodt und fleisch so vor ort und nechst vor<br />

der Freiheit im Ißlandt zum feihlen Kauff verschließen<br />

44 werden, gehaben und dieselb Accisen,<br />

Zoll und weggelt wie auch den Preiß von<br />

obgemelten Wahren nach Gelegenheit der Zeit<br />

verhöhen und mindern und die uberfarer 45 derentwegen<br />

muktiren 46 und bestraffen möchten,<br />

und uns mit demselben allen und jeden also<br />

gnediglich privilegiren und begnaden“. Die so<br />

erzielten Einnahmen sind zum Bau der Befestigungsanlagen<br />

bestimmt.<br />

Diese Eingabe nimmt in groben Zügen den<br />

Inhalt des etwa ein Jahr später ausgestellten<br />

Privilegs vorweg. Bis zur Verleihung am 10.<br />

August 1610 sind jedoch noch weitere Verhandlungen<br />

erforderlich, die dann allerdings in relativ<br />

kurzer Zeit zu dem von <strong>Elberfeld</strong> angestrebten<br />

Ergebnis kommen. Am 24. Mai 1610 fanden<br />

in Düsseldorf Beratungen darüber statt, inwieweit<br />

die mit der Erhebung <strong>Elberfeld</strong>s zur Stadt<br />

verbundenen Privilegien, insbesondere die Einnahmen,<br />

mit Nachteilen nicht nur für den Landesherrn,<br />

sondern auch für die benachbarten<br />

Städte und Freiheiten verbunden sein könnten.<br />

Die mit der Untersuchung dieser Frage beauftragten<br />

Kommissare verneinten dies unter der<br />

Voraussetzung, dass die Einkünfte bei jährlicher<br />

Rechnungslegung auf 12 <strong>Jahre</strong> begrenzt,<br />

ein Drittel an den Landesherrn bzw. dessen<br />

Kellnerei abgegeben und die Restsumme ausschließlich<br />

zum Bau der Befestigungsanlagen<br />

sowie neuer Straßen „zu des gemeinen besten“<br />

verwendet werden würden. 47 Am 21. Juli<br />

1610 wurden die Kommissare (Sekretäre) Nicolas<br />

von Langenberg und Godthart Cronenberg<br />

beauftragt, mit den <strong>Elberfeld</strong>er Supplikanten<br />

zu verhandeln und darüber Bericht zu erstatten.<br />

An diesen Verhandlungen, die am 14./24.<br />

Juli 1610 stattfanden, nahmen die beiden Bürgermeister<br />

Eustatius Kirberg und Johnn Nyß<br />

teil. Das darüber geführte Protokoll listete detailliert<br />

die Höhe der Steuern auf, mit denen bestimmte<br />

Waren beim Verkauf in der zukünftigen<br />

Stadt <strong>Elberfeld</strong> belegt werden sollten.<br />

V.<br />

Am 10. August 1610 erhielt <strong>Elberfeld</strong> dann<br />

endlich das erstrebte Stadtrechtsprivileg, wobei<br />

es sicherlich kein Zufall war, dass die Verleihung<br />

am Tage des Hl. Laurentius vorgenommen<br />

wurde. 48 Als Aussteller sind in der<br />

Urkunde zunächst Kurfürst Johann Sigismund<br />

von Brandenburg und die Pfalzgräfin Anna sowie<br />

ihre Statthalter Markgraf Ernst von Brandenburg<br />

und Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm genannt.<br />

49 Letztere haben gemeinsam mit jeweils<br />

einem Beamten eigenhändig („manu propria“)<br />

– wie es ausdrücklich vermerkt ist – die Urkunde<br />

unterschrieben und mit ihrem Siegel bekräftigt.<br />

Die Siegel sind abgefallen und verlorengegangen.<br />

Die auf Pergament geschriebene<br />

Urkunde befindet sich in einem sehr schlechten<br />

Zustand. Vermutlich ist sie durch die Verwendung<br />

von Chemikalien zur kurzfristigen<br />

Verbesserung der Lesbarkeit oder feuchte Lagerung<br />

beschädigt worden.<br />

Die Aussteller nennen sich selbst zuerst,<br />

möglichst mit allen Titeln sowie ihren tatsächlichen<br />

und beanspruchten Herrschaftsgebieten.<br />

Das Beispiel Johann Sigismund genügt hier:<br />

„Marggraven zu Brandenburg, des Heyligen Römischen<br />

Reichs ErtzCammerern und Churfursten,<br />

in Preussen, zu Gulich, Cleve und Bergh,<br />

Stettin, Pommeren, der Cassuben und Wenden,<br />

auch in Schlesien, zu Crossen und Jägerendorff<br />

Hertzogen, Burggraven zu Nurenbergh, Fursten<br />

zu Rugen, Graven zu der Marckh und Ravensbergh,<br />

Herrn zu Ravenstein etc“.<br />

In dem ersten Textabschnitt der Urkunde<br />

sind ausführlich und in einer für heutige Ohren<br />

umständlichen und schwer verständlichen<br />

Juristensprache des 17. Jahrhunderts die Vorgeschichte<br />

und das Zustandekommen dargelegt.<br />

Danach bestätigen die Aussteller der Urkunde,<br />

dass bereits Herzog Johann Wilhelm, zum<br />

Wiederaufbau und Befestigung der Freiheit, die<br />

dort, wo der von den <strong>Elberfeld</strong>ern gekaufte und<br />

wieder bebaute alte Burgplatz liegt, ungeschützt<br />

(„zimblich offen und entblößet“) ist, aber auch<br />

zur besseren Entwicklung und Instandhaltung<br />

(„auffkumpst und underhaltungh“) des Ortes<br />

8


Privilegien zugesagt hat, an der Verleihung jedoch<br />

durch „ungelegenheitten“ und „trangsalen“<br />

gehindert worden ist. Es schließt sich eine<br />

Aufzählung der vorgesehenen Rechte und Einnahmen<br />

an, wie sie schon in der Supplik vom<br />

22.8./1.9.1609 aufgelistet sind.<br />

Im folgenden Abschnitt erkennen die neuen<br />

Landesherren an, dass sie die <strong>Elberfeld</strong>er<br />

Supplik „nicht unbillig, sonderen allein zu<br />

auffbringungh, erweitterungh, erbawungh<br />

und befestigungh derselben Freyheit, dan auch<br />

zur befurderungh des gemeinen besten gerichtet<br />

erachten khönnen“. Sie begründen ihre Bereitschaft<br />

ferner mit den Diensten, die die <strong>Elberfeld</strong>er<br />

in der Vergangenheit den bergischen<br />

Herzögen geleistet und auch in Zukunft zu<br />

leisten angeboten haben.<br />

Darauf folgt der eigentliche Rechtsinhalt.<br />

Bürgermeister und Rat erhalten demnach das<br />

Recht zur Ausübung einer eingeschränkten<br />

Gerichtsbarkeit und zur Bestrafung von Vergehen,<br />

sofern diese nicht Leibesstrafen erfordern<br />

oder das Strafgeld nicht mehr als 5 Mark<br />

beträgt. Die Aufzählung der in Frage kommenden<br />

Fälle entspricht den Fällen, die in der<br />

Supplik von 1609 aufgelistet worden sind. Die<br />

Aussteller der Urkunde weisen ausdrücklich<br />

darauf hin, dass der Bürgermeister und seine<br />

„beigeschwornen Rhatspersohnen“ 50 die „cognition<br />

und bestraffungh uber obangesetzte<br />

stuckh und sachen kheiner anderer gestalt,<br />

als in unserem und unserer Principalen nhamen<br />

und von unsertwegen exerciren und gebrauchen“.<br />

Ferner erlauben die Landesherren Bürgermeister<br />

und Rat, für genau spezifizierte Waren,<br />

die durch <strong>Elberfeld</strong> transportiert oder in<br />

der Freiheit und im Island gekauft bzw. verkauft<br />

werden, Steuern („Accinsen“, Aufflagen,<br />

Weg- und Standtgeldtt“) zu erheben:<br />

z.B. von einem Ohm Branntwein 24 Albus, 51<br />

von einem Sack Salz 1 Albus, von einem<br />

Malter Malz 4 Albus, von einem Stück englisches<br />

Tuch („Lacken“) ein halber Reichstaler,<br />

von 100 Sensen 2 Albus, von einem<br />

Pfund Stockfisch 4 Albus usw. Es schließen<br />

sich genaue Bestimmungen zur Besteuerung<br />

von Vieh sowie von Garn und Band an, weil<br />

in <strong>Elberfeld</strong> darin die „vor nembste handtierungh“<br />

getrieben wird. Die hier aufgeführten<br />

Positionen spiegeln die Vielfalt des Angebots<br />

im Textilhandel dieser Zeit wider. Auf<br />

fremder Ware liegen höhere Steuern als auf<br />

einheimischen Produkten. Am Ende dieses<br />

Abschnittes befinden sich Angaben zur Besteuerung<br />

von Waren, die die Krämer außerhalb<br />

ihrer Schlagfenster auf der Straße oder<br />

auf dem Markt feilbieten. Insgesamt listet die<br />

Urkunde mehr als 40 genau bezifferte Positionen<br />

auf.<br />

Diese Einnahmen sind auf 12 <strong>Jahre</strong> begrenzt,<br />

allerdings ist die Möglichkeit der<br />

Verlängerung nicht von vornherein ausgeschlossen.<br />

52 Sie sind ausdrücklich zweckgebunden<br />

für die geplanten Befestigungsarbeiten.<br />

Ein sowohl Bürgermeister und Rat als<br />

auch dem Fürsten eidlich verpflichteter Beamter<br />

hat darüber Rechnung zu führen, vor<br />

allem aber darüber zu wachen, dass die Landesherren<br />

ein Drittel der Gesamteinnahmen<br />

erhalten. „So soll hierzu ein sonderbare Persohn<br />

geordnet werden, welche nith allein<br />

Burgermeisteren und Rhatt, sondern auch<br />

Unß zugelich mit Aydt und pflichtt verwandt<br />

sein 53 , solche Accisen, aufflagen und einkompften<br />

auffbueren, 54 einnhemen, daruber gebuerende<br />

Rechnungh halten und solche alle<br />

jahr zu unserer Cantzlei einschicken solle.<br />

Waß dan solches jährlichs und ein jedes jahr<br />

ertragen wirdt, davon soll durch obgemelten<br />

Einnhemer der dritte theill unß oder unseren<br />

Verordnete, die ubrige zwey theill aber ihren<br />

Burgermeister und Rhatt, iedoch dieser<br />

gestalt und mit dem außtrucklichen bedingh<br />

eingelieffert und gefolget werden, das sie<br />

solche zu anders nichtz als obgemelter fortification,<br />

erweitterungh, erbawungh und verbeßerungh<br />

der Freyheitt anzulegen schuldig<br />

und verbunden“. Die Urkunde schließt mit<br />

den üblichen Strafandrohungs- und Beglaubigungsformeln.<br />

Bei Zuwiderhandeln gegen<br />

die Bestimmungen der Urkunde drohen die<br />

„possidierenden Fürsten“ mit „ungnade und<br />

unnachleßiger straffe“.<br />

9


VI.<br />

Das Privileg vom 10. August 1610 war für<br />

<strong>Elberfeld</strong> die äußere Anerkennung seiner in den<br />

vergangenen Jahrhunderten gewachsenen wirtschaftlichen<br />

und politischen Bedeutung. 55 Andererseits<br />

bedingten die darin enthaltenen Einschränkungen<br />

zahlreiche Konflikte mit dem<br />

landesherrlichen Beamten. In den Verhandlungen<br />

über die Erneuerung der Stadtrechtsurkunde<br />

von 1610 spielten auch die nicht genau festgelegten<br />

Grenzen zwischen Stadt, Amt und<br />

Kirchspiel <strong>Elberfeld</strong> eine wichtige Rolle.<br />

Im Mittelpunkt des zweiten Stadtrechtsprivilegs<br />

vom 11. Oktober 1623, das wegen der im<br />

Xantener Vertrag von 1614 vereinbarten Regelung<br />

allein vom Pfalzgrafen Wolfgang Wilhelm<br />

ausgestellt wurde, stand deshalb die genaue Beschreibung<br />

des Stadtgebietes, in dem Bürgermeister<br />

und Rat die noch immer eingeschränkte<br />

Gerichtsbarkeit und Polizeigewalt ausüben<br />

durften. 56 Vor allem durch die Einbeziehung<br />

des Islands wurde dabei die Grenze der Stadt<br />

<strong>Elberfeld</strong> weit über die der alten Freiheit hinaus<br />

geschoben. Da die Stadt in der Zwischenzeit<br />

die vorgesehenen Befestigungsanlagen offenbar<br />

nicht gebaut oder erneuert hatte, verlängerte<br />

der Pfalzgraf das 1610 gewährte Recht auf<br />

bestimmte Steuereinkünfte. Zwar standen der<br />

Stadt auch jetzt nur zwei Drittel der Gesamteinnahmen<br />

zu, Bürgermeister und Rat hatten jedoch<br />

die Möglichkeit, diese Gelder nicht nur für<br />

den Befestigungsbau, sondern auch für die Anlage<br />

von Wegen und Stegen zu verwenden.<br />

Unmittelbar nach 1623 wurde vermutlich<br />

mit den Befestigungsarbeiten begonnen,<br />

die Verteidigungsanlagen der Stadt blieben jedoch<br />

insgesamt dürftig und unzureichend. Im<br />

Dreißigjährigen Krieg hatte <strong>Elberfeld</strong>, obwohl<br />

Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm an seiner Neutralitätspolitik<br />

festhielt, durch Truppendurchzüge<br />

und Plünderungen zu leiden. In Einzelfällen erfolgten<br />

Überfälle und Besetzungen vermutlich<br />

gerade wegen der Befestigung der Stadt. Bürgermeister<br />

und Rat wandten sich deshalb 1640<br />

an den Landesherrn mit der Bitte, die Befestigungsanlagen<br />

schleifen zu dürfen.<br />

Da <strong>Elberfeld</strong> dadurch eine offene Stadt geworden<br />

war, enthielt die Erneuerung des Stadtrechtsprivilegs<br />

vom 20. März 1647 auch keinen<br />

Hinweis mehr auf die Befestigungsanlagen.<br />

Die Einnahmen aus dem Stand- und Wegegeld<br />

waren nur noch für die Unterhaltung der Brücken,<br />

Wege und Stege bestimmt. Der an den<br />

landesherrlichen Beamten (Kellner) abzugebende<br />

Anteil betrug 25 Reichstaler.<br />

Durch die Wirren des Dreißigjährigen<br />

Krieges sank die Zahl der Einwohner von 1.695<br />

im <strong>Jahre</strong> 1598 auf knapp <strong>400</strong>. Der Wiederaufstieg<br />

setzte nach dem Kriegsende 1648 nur<br />

zögerlich ein. Zwar wurde seit 1658 mit dem<br />

Verkauf und der Bebauung des ehemaligen<br />

Befestigungsgeländes begonnen, doch wuchs<br />

die Stadt im ausgehenden 17. Jahrhundert nur<br />

unwesentlich über die Wallanlagen hin aus.<br />

Der große Stadtbrand vom 22. Mai 1687 warf<br />

die Entwicklung <strong>Elberfeld</strong>s noch einmal weit<br />

zurück. Nur fünf Häuser des Stadtkerns und<br />

die Außenbezirke blieben bei dieser Katastrophe<br />

verschont.<br />

Kurfürst Johann Wilhelm II. („Jan Wellem“)<br />

griff helfend ein und befreite die <strong>Elberfeld</strong>er<br />

Bürger für die Zeit des Wiederaufbaus<br />

von ihren Abgaben. In der Tat überwand die<br />

Stadt auch diesen Rückschlag überraschend<br />

schnell. Im gesamten <strong>Wuppertal</strong> war seit dem<br />

ausgehenden 17. Jahrhundert ein allgemeiner<br />

wirtschaftlicher Aufschwung zu verzeichnen.<br />

Eine 1698 in Barmen durchgeführte Volkszählung<br />

ergab 2.132 Einwohner, vier <strong>Jahre</strong> später<br />

wurden in <strong>Elberfeld</strong> 2.943 Einwohner gezählt.<br />

Mit dieser Aufwärtsentwicklung wuchs auch<br />

das Selbstbewusstsein der Stadt, was u.a. vermehrt<br />

zu Konflikten mit dem von dem Landesherrn<br />

eingesetzten Amtsrichter führte. Hinzu<br />

kamen die religiösen Gegensätze zwischen der<br />

reformierten Bevölkerung <strong>Elberfeld</strong>s und den<br />

katholischen Herzögen aus dem Hause Pfalz-<br />

Neuburg.<br />

Diese Streitigkeiten endeten erst, als Kurfürst<br />

Johann Wilhelm II. am 22. November<br />

1708 <strong>Elberfeld</strong> das Stadtgericht, d. h. eine eigene<br />

Gerichtsbarkeit, verlieh. Dadurch wur-<br />

10


de die Stadtrechtsurkunde von 1610 wesentlich<br />

erweitert und in gewissem Sinn zum<br />

Abschluss gebracht. Die Stadtwerdung <strong>Elberfeld</strong>s<br />

stellt sich somit als ein Prozess dar,<br />

der sich über mehrere Jahrhunderte erstreckt.<br />

Von hervorragender Bedeutung ist hierbei<br />

das Privileg von 1610, da es Bürgermeister<br />

und Rat zu finanzieller Selbstverwaltung und<br />

zur Ausübung gerichtlicher und polizeilicher<br />

Befugnisse befähigt. Den Abschluss dieser<br />

Entwicklung bildete das Stadtgerichtsprivileg<br />

von 1708.<br />

Die Stadtrechtsverleihungen an <strong>Elberfeld</strong><br />

sind eine Folge der Bedeutung, die die an den<br />

erzbischöflichen Tafelhof und die Burg angelehnte<br />

Siedlung aus sich selbst genommen hat.<br />

Damit unterscheidet sich <strong>Elberfeld</strong> grundlegend<br />

von den Städtegründungen der Grafen<br />

von Berg, die diese im 13. Jahrhundert planmäßig<br />

(z. B. Wipperfürth (1222), Lennep (zwischen<br />

1259 und 1276) sowie Düsseldorf (1288))<br />

durchgeführt haben und von denen im Laufe<br />

der Jahrhunderte nur Düsseldorf über eine lokale<br />

Bedeutung hinausgelangt ist.<br />

Anmerkungen:<br />

1 Zur mittelalterlichen Geschichte <strong>Elberfeld</strong>s vgl.<br />

<strong>Uwe</strong> <strong>Eckardt</strong>: Die Alte Reformierte Kirche im<br />

Mittelalter, in: Sylvia Engels/Hermann-Peter<br />

Eberlein (Hg.): Die tausendjährige Geschichte<br />

der Alten reformierten Kirche. Prisma der<br />

Stadt- und Kirchengeschichte <strong>Elberfeld</strong>, Kamen<br />

2009, S. 11–29.<br />

2 Die Regesten der Erzbischöfe von Köln im Mittelalter,<br />

2. Bd.: 1100–1205, bearb. von Richard<br />

Knipping (= Publikationen der Gesellschaft<br />

für Rheinische Geschichtskunde XXI), 1901,<br />

Nachdruck 1985, Nr. 719, S. 119.<br />

3 Vgl. den Abdruck der Urkunde bei Theodor<br />

Joseph Lacomblet: Urkundenbuch für die Geschichte<br />

des Niederrheins, Bd. 1: 779–1200,<br />

Düsseldorf 1840, Nachdruck 1966, Nr. 455, S.<br />

319 f. und bei Günter von Roden: Quellen zur<br />

älteren Geschichte von Hilden, Haan und Richrath,<br />

Teil I: Bis zum <strong>Jahre</strong> 1380 (= Niederbergische<br />

Beiträge 1), 1951, Nr. 7, S. 20–23 (mit<br />

Übersetzung).<br />

4 Vgl. Wilhelm von Giesebrecht: Geschichte<br />

der deutschen Kaiserzeit, hg. von Wilhelm<br />

Schild, Bd. 5, 1930, S. 649–655. Dort ist die<br />

Verpfändung <strong>Elberfeld</strong>s in diesem Zusammenhang<br />

ausdrücklich erwähnt. – Vgl. auch<br />

Alfred Haverkamp: Zwölftes Jahrhundert<br />

1125–1198 (= Gebhardt: Handbuch der deutschen<br />

Geschichte, 10., völlig neu bearb. Auflage,<br />

Bd. 5), Stuttgart 2003, S. 138–140.<br />

5 Vgl. Th. J. Lacomblet: Urkundenbuch (wie Anm.<br />

3), Bd. 3: 1301–1<strong>400</strong>, 1853, Nachdruck 1966, Nr.<br />

670, S. 567 f. – Der entscheidende Passus heißt<br />

wörtlich: „ind han den vurschreuen Engelbrecht<br />

Zobben, ritter, um sunderlinger dienste wille, die<br />

he ons ind onsme gestichte gedain hait ind noch<br />

doin mach, van der burgh ind van der herschaffe<br />

von Elueruelde mit allen yren rechten ind zubehoiren<br />

beleent, ind belen ouermids desen brief,<br />

ind syn eyde ind hulde danaf entfangen “.<br />

6 Die Quellen, die hierüber berichten, widersprechen<br />

sich zum Teil in der Lokalisierung und der<br />

Datierung der Ereignisse. Vgl. hierzu Axel Kolodziej:<br />

Herzog Wilhelm I. von Berg (1380–<br />

1408) (= Bergische Forschungen XXIX), Neustadt<br />

a. d. Aisch 2005, S. 261 mit Anm. 222.<br />

7 Der Text der Urkunde ist gedruckt bei Th. J. Lacomblet:<br />

Urkundenbuch (wie Anm. 3), Bd. 4:<br />

1401–1609, 1857, Nachdruck 1966, Nr. 130, S.<br />

152 f. Die Vereinbarung lautet im Originaltext:<br />

Die Aussteller „doen kunt ind bekennen mit diesem<br />

brieue (…) dat wir eyndrechtligen ind mallich<br />

van ons up syns selues kost weruen soelen,<br />

to bekrechtichen ind to wynnen die burgh, vryheit<br />

ind heirlicheit to Elueruelde, sobalde wyr die<br />

zyt ind gedeliche stonde darzo geraemen konnen,<br />

dat doch geschien sall unuerzochlichen“.<br />

8 Vgl. Otto Schell: Geschichte der Stadt <strong>Elberfeld</strong>,<br />

<strong>Elberfeld</strong> 1900, S. 15.<br />

9 Vgl. L. Weyhe: Artikel „Pfandschaft, -spolitik“,<br />

in: Lexikon des Mittelalters. Studienausgabe,<br />

Bd. 6, 1999, Sp. 2020 f.<br />

10 Die entsprechenden Urkunden sind gedruckt<br />

bei Th. J. Lacomblet: Urkundenbuch (wie Anm.<br />

7), Nr. 137, S. 158 f., Nr. 171. S. 199 f. und<br />

Nr. 182, S. 214 f.<br />

11 Zum Folgenden vgl. Woldemar Harleß: Beiträge<br />

zur Geschichte <strong>Elberfeld</strong>s, 1: Der erzbischöfliche<br />

Hof und die Burg Elvervelde bis zum fünfzehnten<br />

Jahrhunderte und 2. Herrlichkeit, Amt und<br />

Freiheit <strong>Elberfeld</strong> vom 15. bis 17. Jahrhundert,<br />

in: Z<strong>BGV</strong> 1, 1863, S. 226–252, hier: S. 238.<br />

12 Eine Urkunde aus dem Jahr 1363 führt zur Beschreibung<br />

der Grafschaft Berg sechs Städte<br />

(Ratingen, Düsseldorf, Wipperfürth, Lennep,<br />

Radevormwald und Mülheim am Rhein) und<br />

11


acht Ämter (Angermund, Monheim, Mettmann,<br />

Solingen, Miselohe, Bornefeld, Bensberg und<br />

Steinbach) auf; vgl. auch Bernhard Schönneshöfer:<br />

Geschichte des Bergischen Landes, 2. Aufl.,<br />

<strong>Elberfeld</strong> 1908, S. 142 f.<br />

13 Michael Knieriem geht davon aus, dass bereits<br />

1371 im Zusammenhang mit der urkundlichen<br />

Ersterwähnung der Laurentius-Kirche <strong>Elberfeld</strong><br />

als „Freiheit“ bezeichnet worden ist; vgl. Michael<br />

Knieriem: Chronik der Stadt, in: Klaus Goebel<br />

u.a.: Geschichte der Stadt <strong>Wuppertal</strong>, <strong>Wuppertal</strong><br />

1977, S. 172. Für diese frühe Datierung<br />

ist mir kein Beleg bekannt. In der fraglichen Urkunde<br />

vom 31. Oktober 1371 ist von <strong>Elberfeld</strong><br />

immer nur als „Herrschaft“ die Rede; vgl. Th.<br />

J. Lacomblet: Urkundenbuch (wie Anm. 5), Bd.<br />

3, Nr. 715, S. 610 f. Leider habe ich in meinem<br />

Aufsatz: 375 <strong>Jahre</strong> <strong>Stadtrechte</strong> <strong>Elberfeld</strong>, in:<br />

Mitteilungen des Stadtarchivs, des Historischen<br />

Zentrums und des Bergischen Geschichtsvereins-Abteilung<br />

<strong>Wuppertal</strong> 10, 1985, Heft 1–3, S.<br />

2 diese Datierung ungeprüft übernommen.<br />

14 Adolf I. von Berg erhebt mit Urkunde vom<br />

10. August 1424 Mettmann zur Freiheit; vgl.<br />

Th. J. Lacomblet: Urkundenbuch (wie Anm.<br />

7), Nr. 156, S. 176–178.<br />

15 Vgl. Georg von Below: Die landständische Verfassung<br />

von Jülich und Berg bis zum <strong>Jahre</strong> 1511,<br />

in: Z<strong>BGV</strong> 21, 1885, S. 173–256, hier: S. 212,<br />

Anm. 147.<br />

16 Vgl. Edmund Strutz: Die Stadt- und Gerichtsverfassung<br />

<strong>Elberfeld</strong>s von 1610–1807, in:<br />

Z<strong>BGV</strong> 52, 1921, S. 1–93, hier: S. 6 f.<br />

17 Vgl. W. Harleß: Beiträge (wie Anm. 11), S. 239.<br />

18 Zu den hier behandelten Fragen vgl. zuletzt Axel<br />

Kolodziej: Die Kinderverlobung vom 25. November<br />

1496. Zur dynastischen Vorgeschichte der<br />

Vereinigten Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg, in:<br />

Romerike Berge 58, 2008, Heft 3, S. 2–19.<br />

19 Vgl. Wolfgang Köllmann: Sozialgeschichte der<br />

Stadt Barmen im 19. Jahrhundert, Tübingen<br />

1960, S. 3.<br />

20 Der vollständige Text ist ediert von Wilhelm<br />

Crecelius und Adolf Werth in: Z<strong>BGV</strong> 16,<br />

1881, S. 76–82, hier: S. 77. Im Text sind <strong>Elberfeld</strong><br />

und Barmen auch als die beiden „Flecken“<br />

bezeichnet. Einen sprachlich „geglätteten“<br />

Text des Privilegs findet sich bei Walter Dietz:<br />

Die <strong>Wuppertal</strong>er Garnnahrung. Geschichte<br />

des Industrie und des Handels von <strong>Elberfeld</strong><br />

und Barmen 1<strong>400</strong> bis 1800 (= Bergische Forschungen<br />

IV), Neustadt an der Aisch 1957, S.<br />

23–25.<br />

21 Vgl. W. Harleß: Beiträge (wie Anm. 11), S. 244,<br />

Anm. 144: „dat wir Innen und Sybilln van Nesselroid,<br />

syne eheliche Huyßfrauw, vonn uunsern<br />

Sloß, Stadt und Ampt Eluerfelde Irer beyder<br />

leuen lanck nyt affloesen ader entsetzenn<br />

wollenn“.<br />

22 Zur Reformationsgeschichte im Bergischen<br />

Land vgl. Stefan Ehrenpreis: Wir sind mit blutigen<br />

Köpfen davon gelaufen…“. Lokale Konfessionskonflikte<br />

im Herzogtum Berg 1550–1700,<br />

Bochum 1993 und Wilhelm Janssen: „Gute<br />

Ordnung“ als Element der Kirchenpolitik in<br />

den vereinigten Herzogtümern Jülich-Kleve-<br />

Berg, in: Burkhard Dietz/Stefan Ehrenpreis<br />

(Hg.): Drei Konfessionen in einer Region. Beiträge<br />

zur Geschichte der Konfessionalisierung<br />

im Herzogtum Berg vom 16. bis zum 18. Jahrhundert<br />

(= Schriftenreihe des Vereins für Rheinische<br />

Kirchengeschichte, Bd. 136), Köln 1999,<br />

S. 33–48.<br />

23 Vgl. Volkmar Wittmütz: Auf den Spuren der<br />

Reformation, in: K. Goebel u.a.: <strong>Wuppertal</strong><br />

(wie Anm. 13), S. 42–50.<br />

24 Im Mai 2010 sind im Zuge von Bauarbeiten<br />

im Bereich des Turmhofs und der Burgstraße<br />

Mauerreste, die vermutlich zur mittelalterlichen<br />

Burg gehört haben, gefunden und durch<br />

die Firma Archbau dokumentiert worden; vgl.<br />

Westdeutsche Zeitung. General-Anzeiger v.<br />

15.5., 21.5. und 5.6.2010. Die wissenschaftliche<br />

Auswertung steht noch aus.<br />

25 Vgl. W. Harleß: Beiträge (wie Anm. 11), S. 245.<br />

26 Außer der oben geschilderten Neuregelung<br />

der Konfessionsfrage in den vereinigten Herzogtümern<br />

hatte die Niederlage Wilhelms des<br />

Reichen im Geldrischen Erbfolgestreit (1538–<br />

1543) die Konsequenz, dass der Herzog gezwungen<br />

war, den 1540 geschlossenen Ehevertrag<br />

mit Jeanne d’ Albret, der Nichte des französischen<br />

Königs Franz I. zu lösen und 1546 Maria<br />

von Habsburg, die Tochter Ferdinands I.,<br />

zu heiraten. In diesem Zusammenhang erteilte<br />

Kaiser Karl V., der Bruder Ferdinands I., dem<br />

Herzog am 19. Juli 1546 das Privileg, das das<br />

Nachfolgerecht nur dem Mannesstamm einer<br />

Erbtochter zusicherte; vgl. hier zu die ausführliche<br />

Darstellung bei B. Schönneshöfer: Geschichte<br />

(wie Anm. 12), S. 200 ff.<br />

27 In den folgenden Abschnitten, die sich mit der<br />

allgemeinen deutschen und europäischen Geschichte<br />

in dieser Zeit beschäftigen, stütze<br />

ich mich auf folgende Handbücher und Abhandlungen:<br />

Walter Platzhoff: Geschichte<br />

12


des europäischen Staatensystems 1559–1660,<br />

München/Berlin 1928, Nachdruck Darmstadt<br />

1967, S. 138 ff. – Ernst Walter Zeeden: Das Zeitalter<br />

der Glaubenskämpfe (1555–1648), in: Gebhardt:<br />

Handbuch der deutschen Geschichte, 9.<br />

Aufl., Bd. 2, Stuttgart 1970, S. 118–239, hier: S.<br />

154 ff. – Franz Petri: Im Zeitalter der Glaubenskämpfe<br />

(1500–168), in: Franz Petri/Georg<br />

Droege (Hg.): Rheinische Geschichte in drei<br />

Bänden, Bd. 2: Neuzeit, Düsseldorf 1976, S.<br />

1–199, hier: S. 83 ff. – Wilhelm Janssen: Kleine<br />

rheinische Geschichte, Düsseldorf 1997, S. 189<br />

ff. – Maximilian Lanzinner: Das konfessionelle<br />

Zeitalter 1555–1618, in: Gebhardt: Handbuch<br />

der deutschen Geschichte, 10., völlig neu bearb.<br />

Aufl., Bd. 10, Stuttgart 2001, S. 3–203, hier:<br />

S. 190 ff. – Eine andere Sicht auf die Bedeutung<br />

des Jülich-klevischen Erbfolgestreits hat<br />

Rolf-Achim Mostert: Der jülich-klevische Regiments-<br />

und Erbfolgestreit – ein „Vorspiel zum<br />

Dreißigjährigen Krieg“?, in: Stefan Ehrenpreis<br />

(Hg.): Der Dreißigjährige Krieg im Herzogtum<br />

Berg und in seinen Nachbarregionen<br />

(= Bergische Forschungen XXVIII), Neustadt<br />

an der Aisch 2002, S. 26–64.<br />

28 Vgl. Burkhard Roberg: Jacobe von Baden<br />

(1558–1597), in: Rheinische Lebensbilder 7,<br />

1977, S. 43–62 und Wilhelm Muschka: Opfergang<br />

einer Frau. Lebensbild der Herzogin<br />

Jacobe von Jülich-Kleve-Berg, geborene<br />

Markgräfin von Baden, Baden-Baden 1987.<br />

29 E. W. Zeeden: Glaubenskämpfe (wie Anm.<br />

27), S. 156.<br />

30 Karl V. hatte 1544 dem Kurfürsten Johann<br />

Friedrich von Sachsen, der seit 1526 mit<br />

Si bylle, der Schwester Wilhelms des Reichen,<br />

verheiratet war, die Nachfolge in den vereinigten<br />

Herzogtümern für den Fall, dass Wilhelm<br />

der Reiche ohne männliche Erben sterben<br />

würde, zugesichert; vgl. W. Platzhoff:<br />

Geschichte (wie Anm. 27), S. 139.<br />

31 Das Original des Lagerbuchs befindet sich im<br />

Hauptstaatsarchiv Düsseldorf. Der Bergische<br />

Geschichtsverein besaß eine Abschrift, aus<br />

der W. Harleß: Beiträge (wie Anm. 11), S. 248<br />

zitiert. Ich folge der dortigen Schreibweise.<br />

32 Ebd.<br />

33 Die folgenden Ausführungen basieren auf<br />

dem Aktenband: Jülich-Berg II, 165 im<br />

Hauptstaats archiv Düsseldorf.<br />

34 Ebd. Eingabe vom 22.8./1.9.1609: „weil die alten<br />

mauern und graben eingezogen und gefüllet<br />

werden mußen“.<br />

35 Der Bericht der Kommissare über die Entgegennahme<br />

der Huldigung ist erhalten. Vgl.<br />

HStAD: Jülich-Berg II 2806: „Die interimistische<br />

Huldigung in Berg für die possedierenden<br />

Fürsten“. Der auf <strong>Elberfeld</strong> bezogene<br />

Abschnitt lautet wie folgt:<br />

„Den 2. Augusti<br />

Ist mit negstvorgedachtem Bürgermeister,<br />

Scheffen und Rath der Freiheit Medmann,<br />

Unsere Commission zu Werck gestelt, Inhalt<br />

versiegelten recognition gezeignet. Litt[era]<br />

E.<br />

Eodem die<br />

Umb die 12te stundt wieder aufgesessen,<br />

und des abends bei dem Elverfelt angelangt,<br />

Bürgermeister und Rhat folgenden tags bei<br />

uns beschieden.<br />

Den 3. Augusti<br />

Vorgedachte Bürgermeister und Rath der Statt<br />

Elverfelt zu uns kohmen und ihre handtglübtt<br />

gethan, wie die Urkundt darvon Litt[era] F<br />

gezeignet mittpringt.<br />

Von diesen Bürgermeister und Rhat der Statt<br />

Elverfelt Mueßen Ew. F. F. G. G. [= Euer<br />

Fürstliche Gnaden]sonderlich refriren, daß sie<br />

sich zu abgemahneter und geleister handtglübdt<br />

nit allein willig finden und scheinen laßen:<br />

Sondern dabey so freudigh und Ew. F. F. G. G.<br />

gehorsam und getrew sich ereziget, das auch<br />

unvermahnet und ohn einigh beschehenes erfordern,<br />

Im fall der nott auff ihren eignen kosten<br />

zu Dienst Ew. F. F. G. G. und zu defension<br />

ihrer gueten sachen 100 Ja biß auff 150<br />

gerüste pferdt zu halten angebotten.<br />

Und obwoll solchs des abents erstlich geschehen<br />

und wir es auch in nahmen Ew. F. F. G.<br />

G. Mitt hochster dancksagungh angenohmen<br />

und des Morgents gar nüchtern solch in gehorsam<br />

willigh erpieten gantz fueglich repetirt<br />

und gerühmet, dabey dannoch p[er] discursum<br />

erinnert, was 100, auch 150 gerüstete Pferdt ein<br />

Jahr kosten wolten.<br />

Haben sie zu weniger nit vorigs erpieten vielfaltig<br />

widerholet und auff den nottfall dem<br />

also nachzusetzen erpotten. Mit angehengter<br />

Pitte, Solches Ew. F. F. G. G. referiren.<br />

Und wir abermalen an statt Ew. F. F. G. G.<br />

für Sothanige Liberal: erpietungh hochlich<br />

ge dancket und zugesagt, omni meliori modo<br />

diese getrewe und milte affection bei Ew. F.<br />

F. G. G. dem beschehenen begeren nach vorzutragen<br />

und mogten sich versichern, die<br />

würden ein solchs in allem gutten auffnehmen<br />

und in zutragenden fellen umb sy den Bürger-<br />

13


meister und Rhatt, auch gantze Bürgerschafft<br />

mit gnaden zu erkehnnen, Nitt unterlaßen, vor<br />

unsere Persohn müssen gestehn, das es Viel<br />

und Wenig zu schetzen.<br />

Viel, das Jahrlich ihren Landtsfürsten in<br />

zeit der nott ein Sechs oder acht und dreißig<br />

daußendt Reichsdaler (wie wir es ungefehrlich<br />

ausrechnen theden) gedechten beizusteuern.<br />

Wenig, wen betrachtet würde, wie löblich und<br />

rhümlich, auch wie Christlich und feligh für<br />

Gott und der welt zu achten, Ihren angebornen<br />

Landtfürsten und dem geliebten Vatterland<br />

wider feindtliche gewalt und Verderben<br />

(Welchs der Almechtigh doch barmhertziglich<br />

abwenden und verhueten und dafür einiglich<br />

angeruffen und gepetten sein wolle) dermaßen<br />

getrew und miltiglich beizuspringen. Uff Alsolche<br />

und dergleichen Unsere gethane dancksagungh<br />

und zugemeßenen lob und Thun sein<br />

sie bei ihrer meinungh bestendig verharret<br />

und gepliben“.<br />

36 Als Folge der Kalenderreform des Papstes Gregor<br />

XIII. von 1582, die die meisten protestantischen<br />

Länder erst 1700 annahmen, wurden<br />

bis dahin Daten vielfach sowohl nach dem alten<br />

Julianischen Stil als auch nach dem neuen<br />

Gregorianischen Stil angegeben. Bis 1700 betrug<br />

der Unterschied zwischen beiden Stilen<br />

zehn Tage.<br />

37 HStAD: Jülich-Berg II, 165, Bl. 17 VS: „Durchleuchtige<br />

Hochgeborne Fürsten, Gnädige<br />

Herrn etc. E. F. F. G. G. [= Eure Fürstlichen<br />

Gnaden] wünschen zu dero glücklichen<br />

eintritt in diese Landen wir endtbenante gehorsame<br />

underthanen alles glück und Heil<br />

und bitten den Allmächtigen von Hertzen, das<br />

der zu seines Göttlichen nahmens ehr, waß zu<br />

dero und der landen prosperitet ersprießlich,<br />

denselben fer ner gnediglich verleihen wolle“.<br />

38 „aufbringen „ = „in gang und blüte bringen“;<br />

vgl. Jacob und Wilhelm Grimm: Deutsches<br />

Wörterbuch, Bd. 1, 1854, Sp. 630.<br />

39 „Hauszins“ = der Zins vom Haus steht an sich<br />

dem Landesherrn zu.<br />

40 „lak, leke“ = Grenzbaum; vgl. Leopold Schütte:<br />

Wörter und Sachen aus Westfalen 800 bis<br />

1800 (= Veröffentlichungen des Landesarchivs<br />

Nordrhein-Westfalen 17), Münster 2007, S.<br />

394.<br />

41 „pal“ = Pfahl, Grenze, Gerichtszeichen; ebd.,<br />

S. 504 f.<br />

42 „cognitio“ = gerichtliches Verhör.<br />

43 „accinsen“ = Akzise, ursprünglich städtische<br />

Verbrauchssteuer (z. B. auf Getreide, Bier,<br />

Salz oder Fleisch); vgl. Walter Schomburg:<br />

Lexikon der deutschen Steuer- und Zollgeschichte.<br />

Abgaben, Dienste, Gebühren, Steuern<br />

und Zöllevon den Anfängen bis 1806,<br />

München 1992, S. 6 f. und Gerhard Köbler:<br />

Lexikon der europäischen Rechtsgeschichte,<br />

München 1997, S. 13.<br />

44 „verschleißen“ = in der Verkauf (Kleinverkauf)<br />

bringen; vgl. Grimm: Wörterbuch (wie<br />

Anm. 38), Bd. 12,1, 1956, Sp. 1098.<br />

45 „überfahren“ = in der älteren Rechtssprache:<br />

ein Gesetz übertreten; vgl. Grimm: Wörterbuch<br />

(wie Anm. 38), Bd. 11,2, 1935, Sp. 198.<br />

46 „muktieren“ = lat. mulctare = strafen, mit<br />

Geldstrafe belegen; vgl. Jacob Grimm: Deutsche<br />

Rechtsalterthümer, 4. Aufl., Bd. 2, Leipzig<br />

1899, ND 1992, S. 214 f.<br />

47 Vgl. HstAD: Jülich-Berg II, 165. – In diesem<br />

Zusammenhang ist auch ein Kostenvoranschlag<br />

für die Errichtung der Stadtmauern erstellt<br />

worden. Sehr wahrscheinlich hat zu diesem<br />

Kostenvoranschlag auch eine detaillierte<br />

Zeichnung der Mauernverläufe gehört, die ich<br />

leider nicht ermitteln konnte.<br />

48 Ich habe für diese, von mir auch an anderen<br />

Stellen geäußerte Vermutung in den Akten,<br />

die im Zusammenhang mit der Verleihung der<br />

<strong>Stadtrechte</strong> an <strong>Elberfeld</strong> erhalten sind, bisher<br />

keinen Beleg gefunden. Ich möchte an der Hypothese<br />

dennoch weiter festhalten, weil auch<br />

noch in der Frühen Neuzeit derartige Ereignisse<br />

bewusst „inszeniert“ worden sind, und<br />

dazu eignete sich der Laurentiustag, der noch<br />

bis 1770 im Bergischen Land ein gesetzlicher<br />

Feiertag war, besonders gut.<br />

49 Das Original der Urkunde befindet sich im<br />

Stadtarchiv <strong>Wuppertal</strong> (Signatur: A VII 95)<br />

im Panzerschrank. – Der Text der Urkunde ist<br />

von Wilhelm Crecelius und Woldemar Harleß<br />

ediert und kommentiert worden in Z<strong>BGV</strong> 19,<br />

1883, S. 149–156. Ein erneuter vollständiger<br />

Textabdruck findet sich bei Otto Schell: Das<br />

alte <strong>Elberfeld</strong>, in: Die Stadt <strong>Elberfeld</strong>. Festschrift<br />

zur Dreijahrhundert-Feier, <strong>Elberfeld</strong><br />

1910, S. 3–239, hier: S. 17–22. Der Inhalt des<br />

Privilegs ist kurz zusammengefasst auch bei<br />

O. Schell: <strong>Elberfeld</strong> (wie Anm. 8), S. 75 f.<br />

50 Beigeschworene Ratspersonen sind Ratsmitglieder,<br />

die einen Eid abgelegt haben, dass sie<br />

eine Handlung rechtmäßig ausführen werden.<br />

51 Der Albus (denarius albus, Weißpfennig)<br />

ist eine seit dem 14. Jahrhundert am Niederrhein<br />

weit verbreitete silberne Groschenmün-<br />

14


ze. Der Wert schwankt regional und zeitlich<br />

sehr stark; vgl. Friedrich von Schrötter: Wörterbuch<br />

der Münzkunde, 2. unveränd. Aufl.,<br />

Berlin 1970, S. 18 ff.<br />

52 „eß were dan das sie dieserhalb weithere von<br />

unseren Chur- und Furstlichen Principalen<br />

Regierendenn Hertzogen zu Bergh gnad wurden“.<br />

53 „verwandt sein“ = verbunden, verpflichtet sein.<br />

54 „auffbueren“ = hier erheben; vgl. Gebühr.<br />

Vgl. Grimm: Wörterbuch (wie Anm. 38), Bd.<br />

2, 1860, Sp. 534.<br />

55 Die folgenden Abschnitte übernehme ich weitgehend<br />

unverändert aus meinem Beitrag: 375<br />

<strong>Jahre</strong> <strong>Stadtrechte</strong> <strong>Elberfeld</strong> (wie Anm. 13), S.<br />

1–16, hier: S. 9 ff. – Vgl. auch meine Zusammenfassung:<br />

<strong>400</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Elberfeld</strong>, in: Bergische<br />

Blätter 33, 2010, Nr. 14/15 v. 17.7.2010,<br />

S. 6–9. Zu den Stadtrechtsverleihungen äußert<br />

sich auch ausführlich Edmund Strutz: Die Ahnentafeln<br />

der <strong>Elberfeld</strong>er Bürgermeister und<br />

Stadtrichter von 1708 – 1808, 2. Aufl., Neustadt<br />

an der Aisch 1963, S. 7–14.<br />

56 Die Texte dieses und der nachfolgenden Privilegien<br />

sind ebenfalls von Wilhelm Crecelius<br />

und Woldemar Harleß ediert worden, vgl.<br />

Z<strong>BGV</strong> 18, 1883, S. 156–166 (1623), S. 167<br />

(1647) und S. 168 f. (1708). Im Unterschied zur<br />

Urkunde von 1610 sind diese Urkunden gut erhalten.<br />

Sie befinden sich alle im Stadtarchiv<br />

<strong>Wuppertal</strong>: A VII 98, A VII 99 und N I 1 (Panzerschrank).<br />

Quelle: Walter Platzhoff: Geschichte des europäischen Staatensystems 1559–1660, München/Berlin<br />

1928, Nachdruck Darmstadt 1967, S. 138<br />

15

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!