Druckvorlage PDF - Kloster Olsberg
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Vorwort des Gemeindeammanns<br />
Es freut mich ganz besonders, dass ich der Gemeinde <strong>Olsberg</strong> in einem Moment vorstehen kann,<br />
wo die Jubiläumsfeier begangen wird.<br />
Jeder bedeutsame Gedenktag ist eine ausgezeichnete Gelegenheit, aus der Vergangenheit jene<br />
Lehren zu ziehen, mit denen wir die Gegenwart bereichern und die Zukunft aufbauen können. Wer<br />
sich also in unserer sogenannten hektischen Gegenwart die Zeit zum Lesen der vorliegenden Festschrift<br />
oder gar zum breiteren Geschichtsstudium nimmt, muss ehrlicherweise zum Schluss kommen,<br />
dass der heutzutage allzu oft strapazierte Begriff «der guten alten Zeit) auf gar keinen Fall ohne Vorbehalte<br />
gepriesen werden kann. Zwar standen unsere Berge immer am gleichen Ort und die Flüsse zogen<br />
mehr oder weniger unverändert ihre Schlaufen durch unsere Heimat. Aber es gab beispielsweise im<br />
letzten Jahrhundert etwa ein Fünftel weniger Wald als heute, weil die etwa 2,5 Millionen Einwohner<br />
grösstenteils mit Holz heizen mussten. Stauseen und damit elektrischen Strom gab es noch nicht und<br />
das Strassennetz zur besseren Verbindung untereinander war nur spärlich ausgebaut. Dampfgetriebene<br />
und ungeheizte Züge fuhren sporadisch durch Bahnhöfe ohne Elektrizität. Die Industrie konnte sich<br />
nur entlang von Flussläufen ansiedeln, weshalb nahezu die Hälfte aller Erwerbstätigen ihr mehr oder<br />
weniger mageres Auskommen in der von Missernten gekennzeichneten Landwirtschaft suchen musste.<br />
Die Schweiz war in dieser Epoche das Armenviertel Europas, ein Entwicklungsland wie heute viele<br />
Drittweltländer. Genau wie dort waren die Bewohner zur Umsiedlung und Auswanderung gezwungen,<br />
wenn sie der Dezimierung wegen mangelnder Hygiene oder der auftretenden Hungersnöte und der<br />
Armut entgehen wollten. Würden wir aber noch weiter zurückgehen, so könnten wir noch die Schüsse<br />
unseres letzten Bürgerkrieges krachen hören, und das Stimmrecht würde noch nach dem Vermögensstand<br />
gewährt. Fremde Heerscharen würden von allen Seiten eindringen und uns brandschatzen.<br />
Von den Menschen, die einst hier lebten und sich zur Gemeinschaft bekannten, ist keiner mehr<br />
unter uns. Aber unsere Gemeinschaft lebt weiter, setzt das vor langer Zeit begonnene Werk unserer<br />
Vorfahren fort. Die heute viel kritisierte Veränderung des Landschaftsbildes ist - von Ausnahmen abgesehen<br />
– Ausdruck der permanenten Antwort der Erwerbstätigkeit der Menschen, ihres Kampfes um<br />
die Existenz, ihres Strebens nach Selbsterhalt in Freiheit, ihres Fortschritts und Wohlstands.<br />
Es hat also einen tieferen Sinn, wenn wir in diesen Tagen den Gedenkanlass begehen. Nicht weil<br />
wir Heutigen uns nur mit den positiven Taten der Vorfahren brüsten wollen, sondern um uns in aller<br />
Bescheidenheit wieder einmal daran zu erinnern, dass unser gegenwärtiges Dasein die Folge und ein<br />
Teil einer langen Reihe von positiven und negativen Ereignissen ist. Weniger ein Verdienst als eine<br />
Verpflichtung. Die Verpflichtung, die Geschichte im Sinne des allzeit berechtigten Fortschrittglaubens<br />
unserer Vorfahren weiterzuführen, es - wo notwendig - besser zu tun ohne über die Gegenwart dauernd<br />
in zerstörerischem Pessimismus und Weltuntergangsstimmung zu machen, jeder an seinem Platz.<br />
Eine solche Jubiläumsfeier und die vorangegangene geschichtliche Entwicklung zeigen auch, dass die<br />
Zukunft vor und nicht hinter uns liegt. Nehmen wir also die Herausforderung einer lebenswerten Welt<br />
an, wie dies auch unsere Vorfahren getan haben, getreu einem Zitat von Johann Wolfgang Goethe:<br />
«Man sieht die Blumen welken und die Blätter fallen, aber man sieht auch die Früchte reifen und<br />
neue Knospen keimen. Das Leben gehört den Lebendigen an, und wer lebt, muss auf Wechsel gefasst<br />
sein.»<br />
Heinz Wittlin,<br />
Gemeindeamman<br />
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