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Ü - Perspektivwechsel

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In der Regel sprechen wir über Gedanken, Handlungen oder Ereignisse und wenig über die mit ihnen einhergehenden<br />

Emotionen. In Bezug auf Gefühle im Allgemeinen erleben wir in der Regel eine gewisse Sprachlosigkeit,<br />

bisweilen auch innere Zwiespältigkeit. „Wir sprechen … nicht über unser Gefühl von Ärger, sondern ziehen uns<br />

zurück oder reden ausführlich über eine misslungene Arbeit ... Wenn wir über Emotionen sprechen, dann fühlen<br />

wir uns eher hilflos oder sind sogar etwas peinlich berührt, da sie unser Innerstes betreffen und notorisch schwer<br />

in Worte zu fassen sind“ (Lammers, 2007, S.3).<br />

Dabei gilt es zwei Systeme zu unterscheiden, die diese Informationen verarbeiten: ein (holistisches) emotionales<br />

System und ein (analytisches) kognitives System (Epstein, 1994). Die bewusste Kommunikation findet beispielsweise<br />

überwiegend sprachlich statt, also auf der kognitiven Ebene, während das emotionale System meistens<br />

indirekt thematisiert wird. „Unser emotionales Gedächtnis speichert wesentliche Lebensereignisse als Emotion<br />

ab und übt bei relevanten gegenwärtigen Erlebnissen in Form von emotionalen Schemata einen wichtigen Einfluss<br />

auf unser Leben aus“ (Cabeza, 2006 in Lammers, 2007, S.4). Dies bedeutet, dass unsere Erinnerung nicht nur bewusst<br />

(kognitiv) abläuft, sondern auch emotional. Da die Emotionen so selten bewusst wahrgenommen werden,<br />

gestaltet sich deren explizite Thematisierung in pädagogischen Prozessen schwierig. Dennoch sollte deren Bedeutung<br />

für Motivation, Kommunikation, Kooperation, Handlungen sowie Aufnahme- und Lernfähigkeit stets im Blick<br />

behalten werden (vgl. Lammers, 2007).<br />

Im Zusammenhang mit der Anti-Bias-Arbeit kommt den sogenannten selbstreflexiven Emotionen besondere Bedeutung<br />

zu. Diese Emotionen werden im Sozialisationsprozess erworben und durch die eigenen Erfahrungen geprägt.<br />

Sie haben einen spiegelnden Charakter, d.h. sie fördern unsere Kommunikations- und Kontaktfähigkeit,<br />

liefern Informationen über unsere Selbstpräsentation und Wirkung nach außen, stimulieren sozialadaptive Handlungen<br />

im Kontakt mit anderen Menschen und vermitteln das Gefühl der Identität. Da die selbstreflexiven Emotionen<br />

die Verinnerlichung und Wiedergabe von Werten und Normen widerspiegeln, werden sie gleichwohl als „moralische<br />

Emotionen“ bezeichnet (Haid, 2001 in Lammers, 2007, S.5). Diese Emotionen geben Menschen nicht nur<br />

Auskunft über die Anderen, sie verschaffen ihnen vielmehr auch Einsichten über deren Beziehung zu sich selbst.<br />

METHODEN<br />

Die Methoden des Anti-Bias-Ansatzes im Bereich der Erwachsenenbildung zielen darauf ab, kritisches Hinterfragen<br />

der inneren Realität zu ermöglichen, um dementsprechend die äußeren Strukturen zu verändern. Sie beruhen<br />

in erster Linie auf einer kritischen Perspektive auf historische und soziokulturelle Befangenheiten sowie auf die<br />

gegenwärtigen Machtstrukturen. Sie dienen dem Beziehungsaufbau, der Anregung aktiver Reflexionen, dem Erkennen<br />

und Bearbeiten von Widerständen sowie der Planung von Interventions- und Handlungsstrategien.<br />

Die Methoden des Anti-Bias-Ansatzes sind dialogisch angelegt – sie leiten ein aktives Erzählen und Zuhören ein.<br />

Im Zentrum derartiger Interaktionen steht je nach Fragestellung und Setting die Auseinandersetzung mit eigenen<br />

soziokulturellen Normen, aber auch mit historischen Tradierungen und gesellschaftspolitischen Differenzlinien,<br />

die zur Legitimierung und Stabilisierung schiefer Machtverhältnisse beitragen (s. auch zentrale Themen im Anti-<br />

Bias-Ansatz). Der Weg des dialogischen Lernens achtet auf die Gleichwertigkeit der erzählten Geschichten, lässt<br />

jedoch zugleich deren Diversität zum Tragen kommen. Das aktive Zuhören ermöglicht die einfühlende und bewertungsfreie<br />

Teilnahme an den subjektiven Erlebenswelten der Erzählenden und setzt das empathische Verstehen<br />

der Zuhörenden voraus.<br />

Die Essenz der Anti-Bias-Arbeit ergibt sich jedoch nicht nur aus dem Austausch subjektiver Erfahrungen. Die Trainingskonzepte<br />

folgen in der Regel einer durchdachten <strong>Ü</strong>bungsstruktur. Die gezielt gewählte Vielfalt der Veranstaltungsformen<br />

und Vermittlungsstrategien bietet dafür den erforderlichen Rahmen. Ein zentrales Anliegen dieser<br />

Lernform besteht darin, den Erwerb von Wissen mit emotionaler Bedeutung zu verknüpfen und gleichzeitig die<br />

Motivation für eine mögliche Veränderung zu fördern.<br />

Die Anti-Bias-Fortbildungen setzen – je nach Setting und Bedarf – die Reflexion über individuelle Wahrnehmungsund<br />

Zuschreibungsprozesse, die Exploration von Fall- und Problemsituationen aus dem Alltag der Teilnehmenden<br />

sowie die Analyse ihrer Ressourcen und Handlungsmöglichkeiten voraus. In den verschiedenen Gruppensettings<br />

– Einzelarbeit, Kleingruppenarbeit, Plenum – lernen die Teilnehmer/-innen, die biografischen sowie die gesellschaftlichen<br />

Realitäten für sich zu erschließen und kritisch zu hinterfragen. Ferner erproben die Teilnehmenden<br />

Interventionsmöglichkeiten, die in der Praxis zur Anwendung kommen können.<br />

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