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Nr 9 / Juli 2007 / Gewalt - OS Progymatte Thun

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8<br />

Post aus Deutschland<br />

info9<br />

Das Progy, die Eliteschule<br />

(auch für Mädchen!)<br />

Der „Prögu“ hatte für uns<br />

Kinder aus den <strong>Thun</strong>er<br />

Aussenquartieren immer etwas<br />

Ehrfurchterweckendes, fast<br />

Geheimnisvolles, jedenfalls aber<br />

den Nimbus der höheren Weihen<br />

an sich, die man dann erlangen<br />

würde, wenn man dort zur Schule<br />

ging. Denn gemäss dem damals<br />

geltenden Schulgesetz war es<br />

für die Knaben und Mädchen<br />

von den Sekundarschulen<br />

ausserhalb des Einzugesgebiets<br />

des Progymnasiums erst<br />

nach der sechsten Klasse,<br />

damals also nach zwei Jahren<br />

Sekundarschule, möglich, ans<br />

Progymnasium zu wechseln.<br />

Dafür musste man einen<br />

bestimmten Notendruchschnitt<br />

erreichen, und wer das schaffte,<br />

gehörte in unseren Augen zu den<br />

Auserwählten.<br />

1972 trat ich also, damals<br />

Therese Schneeberger, von der<br />

Sekundarschule <strong>Thun</strong>-Strättligen<br />

an das Progymnasium <strong>Thun</strong> über.<br />

Natürlich war ich mächtig stolz.<br />

Zwar war mein Vater skeptisch<br />

und meinte, ein „Frauenzimmer“<br />

müsste doch eher lernen, sich<br />

um den Haushalt zu kümmern<br />

als Latein und Algebra zu lernen;<br />

aber meine Mutter schickte<br />

mich von sich aus einfach ans<br />

„Progy“, wie sie die Schule<br />

respektvoll nannte. Dieser<br />

geschlechtsspezifische Aspekt<br />

ist übrigens nicht untypisch für<br />

die Erfahrungen, die ich in dieser<br />

Zeit machte: Das Schulhaus<br />

<strong>Progymatte</strong> war damals als<br />

Sekundarschule eine reine<br />

Knabenschule, und in den zwei<br />

progymnasialen Klassen gab es<br />

ebenfalls kaum Mädchen. Ein<br />

paar hundert Meter entfernt lag<br />

ja die „Mädchenschule <strong>Thun</strong>“<br />

(MST), also die Sekundarschule<br />

für das andere Geschlecht,<br />

aus der der Übertritt ans<br />

Progymnasium erst ab der<br />

achten Klasse gestattet war. Wir<br />

Mädchen in der progymnasialen<br />

Klasse waren zeitweise nur zu<br />

zweit – meine Freundin Simone<br />

und ich –, was wir aber sehr<br />

genossen haben: Die Jungen<br />

interessierten sich mangels<br />

anderer weiblicher ,Objekte‘ sehr<br />

für uns, ja umschwärmten uns,<br />

und begannen erst nach und<br />

nach Richtung MST Ausschau<br />

zu halten nach weiteren<br />

Kandidatinnen für ihre Träume<br />

(jedenfalls haben wir Mädchen<br />

das so interpretiert).<br />

Latein<br />

Man sagte mir auch, dass die<br />

Mädchen sich eher für Sprachen<br />

interessieren würden und in<br />

Mathematik eher schwach<br />

seien, ich sollte deshalb Latein<br />

nehmen statt weiterer Lektionen<br />

Mathematik und anderer<br />

naturwissenschaftlicher Fächer.<br />

Damals gab es ja allein diese<br />

beiden Möglichkeiten, und so<br />

kam ich – wohl als erste in meiner<br />

Familie seit Generationen oder<br />

überhaupt – dazu, Latein zu<br />

lernen. In Mathematik war ich<br />

übrigens nicht schlechter als<br />

meine männlichen Mitschüler,<br />

in den Proben bisweilen sogar<br />

die Klassenbeste. Aber damals<br />

dachte ich nicht weiter darüber<br />

nach, wie stark ein Leben doch<br />

von den Anregungen oder<br />

Informationen, bisweilen auch<br />

Zwängen der Umwelt gesteuert<br />

ist. Immerhin habe ich später an<br />

der Universität Latein studiert, das<br />

Fach am Gymnasium unterrichtet<br />

und bin heute als Professorin im<br />

Fach Latinistik in Forschung und<br />

Lehre an der Universität tätig.<br />

Nicht selten denke ich daran<br />

zurück, dass ich diese Sprache<br />

nicht aus spontanem Interesse<br />

gelernt hatte.<br />

Griechisch<br />

Nach einem Jahr kam noch<br />

das Griechisch dazu, das ich<br />

zusammen mit drei anderen<br />

Schülern – darunter war meine<br />

progy-thun.ch

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