Download - Horváth & Partners Management Consultants
Download - Horváth & Partners Management Consultants
Download - Horváth & Partners Management Consultants
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Make or Buy: Shared<br />
Service Center und<br />
Outsourcing von Finanzund<br />
Controlling-<br />
Prozessen<br />
Dr. Jörg Scheffner<br />
Dr. Jörg Scheffner<br />
Erschienen in:<br />
Der Controlling-Berater<br />
Rudolf Haufe Verlag, Freiburg<br />
1/2010<br />
Seite 227-244<br />
<strong>Horváth</strong> & <strong>Partners</strong><br />
www.horvath-partners.com
Make or Buy von Controlling-Prozessen<br />
Make or Buy: Shared Service Center und<br />
Outsourcing von Finanz- und<br />
Controlling-Prozessen<br />
n<br />
n<br />
n<br />
n<br />
CFO-Bereiche stehen vor der Herausforderung, mehr Steuerungsund<br />
Beratungsunterstützung bei gleichzeitiger Effizienzsteigerung des<br />
gesamten CFO-Bereichs zu erbringen. Make or Buy für Finanz- und<br />
Controlling-Prozesse muss dazu in Betracht gezogen werden.<br />
Um die adäquate Organisationsform (Zentralisierung, Shared Service<br />
Center (SSC), externer Anbieter) zu wählen, muss jeder Controllingund<br />
Finanz-Prozess einen Eignungstest durchlaufen.<br />
Bei der Make-or-Buy-Entscheidung sind das Chancen-Risiken-Profil<br />
sowie Erfolgsfaktoren der Realisierung zu beachten.<br />
Der Beitrag beschreibt die aktuellen (Optimierungs-)Anforderungen<br />
an die CFO-Bereiche sowie die Alternativen mit ihren Vor- und<br />
Nachteilen. Danach werden der Entscheidungsprozess sowie die<br />
Erfolgsfaktoren des Outsourcings im Controlling-Bereich beschrieben.<br />
Inhalt<br />
Seite<br />
1 Die Industrialisierung des betrieblichen CFO-Bereichs ... 229<br />
2 Controlling- und Finanzleistungen – Make or Buy? ....... 230<br />
3 Status quo der Reorganisation im CFO-Bereich ............. 232<br />
4 Formen der Reorganisation: Shared Service Center vs.<br />
Business Process Outsourcing ........................................ 234<br />
4.1 Abgrenzung: Zentralisierung, SSC und BPO ...................... 234<br />
4.1.1 Organisation des CFO-Bereichs ........................................ 235<br />
4.1.2 Standort des CFO-Bereichs .............................................. 237<br />
4.2 Chancen-Risiken-Profil einzelner Reorganisationsformen .. 237<br />
4.3 Outsourcing als nächste Entwicklungsstufe des Shared<br />
Service Center? ............................................................... 238<br />
5 Entscheidungsprozess zur Reorganisation von<br />
Controlling-Prozessen: SSC oder BPO? ........................... 240<br />
6 Erfolgsfaktoren des Business Process Outsourcings im<br />
Controlling-Bereich ....................................................... 242<br />
227
Organisation & IT<br />
7 Fazit und Ausblick .......................................................... 243<br />
8 Literaturhinweise ........................................................... 244<br />
n<br />
Der Autor<br />
Dr. Jçrg Scheffner ist Senior Project Manager bei der Horvµth &<br />
<strong>Partners</strong> <strong>Management</strong> <strong>Consultants</strong> und Mitglied des Competence<br />
Centers Controlling und Finanzen. Er leitet das Competence Team<br />
Finance Excellence.<br />
228
Make or Buy von Controlling-Prozessen<br />
1 Die Industrialisierung des betrieblichen CFO-Bereichs<br />
Zahlreiche Unternehmensbereiche unterliegen einem hohen Wettbewerbs-<br />
und Kostendruck. Um die geforderten und notwendigen<br />
Effektivitäts- und Effizienzziele zu erreichen, kçnnen Prozesse und<br />
Aktivitäten harmonisiert, standardisiert und/oder automatisiert werden.<br />
Effektivitätsziele zielen auf eine Verbesserung der Serviceleistung ab,<br />
während bei Effizienzzielen Kosten und Zeit im Vordergrund stehen.<br />
Der CFO-Bereich 1 spielt bei der Rationalisierung von Geschäftsprozessen<br />
in anderen Unternehmensbereichen traditionell eine planende, steuernde<br />
und kontrollierende Rolle. Doch inzwischen steht auch der CFO-Bereich<br />
selbst im Blickpunkt der Rationalisierung. Anforderungen und Zielsetzungen,<br />
die sonst das Controlling für andere Unternehmensbereiche<br />
formulierte, werden auch an ihn gestellt 2 und die Mçglichkeiten der<br />
Rationalisierung und Reorganisation von Prozessen geprüft. Das Optimierungspotenzial<br />
ist groß: Während deutsche Unternehmen meist<br />
mehr als 2 % ihres Umsatzes für ihren CFO-Bereich ausgeben, sind es<br />
bei US-Best-Practice-Unternehmen weniger als 0,5 %. 3<br />
Das Ziel der „Finance Excellence“ kann durch eine effektive und<br />
effiziente Organisation des CFO-Bereichs erreicht werden (s. Abb. 1).<br />
Die Forderung nach einer Reorganisation wird zum einen von außen,<br />
aber auch vom CFO selbst gestellt, da die veränderte Rolle des „CFO of<br />
the Future“ weniger Belastung durch transaktionale Routinetätigkeiten<br />
und mehr Kapazitäten für Steuerungs- und Beratungstätigkeiten erfordert.<br />
4 So verbringen leitende Mitarbeiter im Finanzbereich 34 % ihrer<br />
Zeit mit operativen Accounting- und Finanzaufgaben, obwohl sie<br />
maximal 21,7 % ihrer Zeit darauf verwenden wollen. Strategieentwicklung,<br />
Beratung des Vorstands und Risikomanagement für das Gesamtunternehmen<br />
kommen dagegen zu kurz. 5<br />
Die Rationalisierung kann im CFO-Bereich durch Reorganisation in den<br />
Formen Zentralisierung bzw. Bündelung, Einführung von Shared Service<br />
Centers sowie Auslagerung von Prozessen an externe Leistungsanbieter<br />
und Standortverlagerungen ihren Ausdruck finden. Während diese<br />
Maßnahmen im Accounting bereits seit Beginn des zwanzigsten Jahr-<br />
Rationalisierung<br />
im CFO-Bereich<br />
Finance<br />
Excellence<br />
1<br />
2<br />
3<br />
4<br />
5<br />
Der Finanzbereich (Rechnungswesen- und Finanzprozesse) und der Controlling-<br />
Bereich (Controlling-Prozesse) werden hier zusammenfassend als CFO-Bereich<br />
bezeichnet.<br />
Vgl. Scheffner/Hofmann (2007), S. 21; Michel/Kirchberg (2008), S. 449.<br />
Vgl. Dressler/Hensen (2005), S. 72.<br />
Vgl. Scheffner (2008), S. 639-641.<br />
Vgl. Accenture (2008), S. 16.<br />
229
Organisation & IT<br />
hunderts erfolgreich Anwendung finden, stecken sie im Controlling noch<br />
in den Kinderschuhen. 6<br />
Finance Excellence<br />
Effizienz/Operational Excellence<br />
Erfüllung der Kosten-, Zeit- und<br />
Qualitätsziele auf Basis definierter<br />
Anforderungen<br />
Optimierung Ressourceneinsatz<br />
Effektivität/Service Excellence<br />
Erfüllung der internen und externen<br />
(Empfänger-)Anforderungen<br />
Beitrag zum Unternehmenserfolg<br />
durch ein optimales<br />
Leistungsportfolio;<br />
Value-added des CFO-Bereichs<br />
Abb. 1:<br />
Finance Excellence durch Reorganisation des CFO-Bereichs<br />
Mçglichkeiten der<br />
Beschaffungen<br />
von Finanz- und<br />
Controlling-<br />
Leistungen<br />
2 Controlling- und Finanzleistungen – Make or Buy?<br />
Das Controlling von Einkauf bzw. Beschaffung bezieht sich nicht nur auf<br />
die klassischen betrieblichen Produktionsfaktoren, die Roh-, Hilfs- und<br />
Betriebsstoffe, sondern auch auf Dienstleistungen, welche zur Erbringung<br />
der betrieblichen Leistung notwendig sind. Diese umfassen in der<br />
Konsequenz auch das Controlling selbst, was die Frage nach der<br />
Beschaffung von Finanz- und Controlling-Leistungen und deren Steuerung<br />
aufwirft.<br />
Die Maßnahmen der Industrialisierung im CFO-Bereich – Reorganisation<br />
durch Zentralisierung, Shared Service Center und Outsourcing<br />
sowie Standortverlagerung on-, near- und offshore 7 – sind mçgliche<br />
Antworten auf die Frage, wie die Dienstleistungen des CFO-Bereichs zu<br />
beschaffen sind, ob und, wenn ja, in welcher Form sie selbst zu erbringen<br />
sind oder wie sie eingekauft werden kçnnen. Um diese Frage für die<br />
Finanz- und Controlling-Prozesse zu beantworten, müssen bestimmte<br />
Kriterien erfüllt und ein Entscheidungsprozess durchlaufen werden.<br />
Für die Entscheidung für eine Reorganisationsalternative muss das<br />
jeweilige Chancen-Risiken-Profil mit der Risikoneigung des betreffenden<br />
Bereichs des Unternehmens übereinstimmen.<br />
6<br />
7<br />
Vgl. Scheffner/Hofmann (2007), S. 26.<br />
Zu einer Definition s. Kapitel 4.1.2.<br />
230
Make or Buy von Controlling-Prozessen<br />
Des Weiteren lässt das Ergebnis dieser Entscheidungsfindung ein Urteil<br />
darüber zu,<br />
1. inwieweit bereits gängige industrielle Organisationsformen des Accounting<br />
wie Shared Service Center oder Outsourcing ein sinnvolles<br />
Vorbild für die Controlling-Organisation sind und<br />
2. ob das Outsourcing nach erfolgreicher Implementierung eines Shared<br />
Service Centers der nächste sinnvolle Schritt zur Steigerung von<br />
Effektivität und Effizienz sein kann.<br />
Für die Umsetzung einer Auslagerung bei entsprechender Eignung<br />
müssen spezielle Erfolgsfaktoren (s. Kapitel 6) beachtet werden, die zu<br />
analysieren sind.<br />
Hebel (Auszug) zur Optimierung der Organisation<br />
100<br />
Optimierung<br />
15 % bis 40 % Potenzial<br />
85<br />
60<br />
Lokale<br />
Organisation/<br />
Prozesse<br />
optimieren<br />
Economies<br />
of Scale<br />
nutzen<br />
Best Practice lokal umsetzen<br />
Prozesse standardisieren<br />
Komplexität reduzieren<br />
IT-Unterstützung verbessern<br />
Dezentrale Transaktionsvolumina<br />
bündeln<br />
Schwankungen flexibel ausgleichen<br />
Leistungen vereinbaren und messen<br />
Investitionen/Kosten vermeiden<br />
Aktuelle<br />
Basis<br />
Potenzial<br />
Lokale<br />
Prozess-<br />
Optimierung<br />
Schwelle<br />
der lokalen<br />
Optimierung<br />
Potenzial<br />
SSC/<br />
Bündelung<br />
Potenzial<br />
Outsourcing<br />
Mögliche<br />
Basis<br />
Externe<br />
Kostenvorteile<br />
nutzen<br />
Faktorkostenvorteile realisieren<br />
Fixkosten variabilisieren<br />
Auf das Kerngeschäft konzentrieren<br />
Risiken aus Technologieänderungen<br />
reduzieren<br />
Abb. 2:<br />
Effizienzsteigerungspotenzial durch Reorganisation des CFO-Bereichs<br />
Wie aus Abb. 2 ersichtlich, ist vor der Zentralisierung von Prozessen<br />
bzw. der Einführung von Shared Service Centers eine (lokale) Prozessoptimierung<br />
zu empfehlen, die Qualitätsprobleme in Prozessen, beispielsweise<br />
Fehlbuchungen und -kontierungen, Korrekturen oder Nachbuchungen,<br />
analysiert und behebt. Ein qualitätsgesicherter Prozess stellt<br />
eine wesentliche Voraussetzung dar, damit eine Reorganisation erfolgreich<br />
umgesetzt werden kann. Unterbleibt dieser notwendige Schritt,<br />
werden im Ergebnis verschiedene suboptimale Prozesse in einen Zentralbereich<br />
oder ein SSC verlagert. Der Prozess der Qualitätssteigerung<br />
erfordert nach einer Reorganisation ungleich hçheren Aufwand, da das<br />
dezentrale Prozess-Know-how ggf. fehlt und neue Strukturen, Mitarbeiter<br />
und IT die Optimierung zu diesem Zeitpunkt erschweren. Aus<br />
Erfahrungen kann das Potenzial der lokalen Optimierung bis zu 15 %<br />
gegenüber der Kostenbasis vor Optimierung betragen.<br />
Von der Prozessoptimierung<br />
zum<br />
Business Process<br />
Outsourcing<br />
231
Organisation & IT<br />
Nach der qualitativen Prozessoptimierung kann dann die Bündelung<br />
von Prozessen durch Zentralisierung oder die Etablierung von Shared<br />
Service Centers angestrebt werden. In dieser Phase sind Einsparungen im<br />
Umfang von weiteren ca. 10 % bis 20 % auf die ursprüngliche<br />
Kostenbasis durch die Bündelung dezentraler Transaktionsvolumina<br />
mçglich (Economies of Scale). Erst nach erfolgter Verlagerung in SSC<br />
wird der Schritt hin zu einem Outsourcing empfohlen, wodurch<br />
nochmals bis zu 20 % Einsparungen auf die ursprüngliche Kostenbasis<br />
durch Faktorkostenvorteile mçglich sind. Diese Werte stellen Durchschnittswerte<br />
dar, die unternehmensindividuell abweichen kçnnen.<br />
Verbreitung von<br />
Zentralisierung,<br />
SSC und<br />
Outsourcing<br />
3 Status quo der Reorganisation im CFO-Bereich<br />
Eine Studie von Horvµth & <strong>Partners</strong> hat die Verbreitung von Zentralisierung,<br />
Shared Service Centers und Outsourcing für Accounting- und<br />
Controlling-Prozesse untersucht. 8 Die Studie zeigte folgende Ergebnisse:<br />
Obgleich 97 % der befragten Unternehmen eine der Organisationsformen<br />
Zentralisierung, SSC oder Outsourcing auf Finanz- und 93 %<br />
auf Controlling-Prozesse anwenden, kommen die einzelnen Maßnahmen<br />
in beiden Bereichen sehr unterschiedlich zum Tragen (s. Abb. 3).<br />
87 % der befragten Unternehmen wenden eine Zentralisierung für ihre<br />
Finanzprozesse an. Über die Hälfte nutzt die Organisationsform Shared<br />
Service Center. Eine Auslagerung an externe Leistungsanbieter nehmen<br />
23 % der Unternehmen für ausgewählte Finanzprozesse vor; dabei<br />
handelt es sich vornehmlich um transaktionale Tätigkeiten. Ein anderes<br />
Bild ergibt sich bei Controlling-Prozessen: Hier wählten zwar 96 % die<br />
Zentralisierung; Shared Service Centers werden allerdings nur von 29 %<br />
der Unternehmen genutzt. Den Schritt zum Outsourcing wagte nur 1 %<br />
der befragten Unternehmen.<br />
8<br />
Finanzprozesse (im vorliegenden Beitrag auch als Accouting-Prozesse bezeichnet):<br />
Debitoren-/Kreditorenprozesse, Entgelt-/ Reisekostenabrechnung, Anlagenbuchhaltung<br />
und Asset <strong>Management</strong>, Hauptbuchhaltung, Abschlüsse und externes Reporting,<br />
Treasury, Cash <strong>Management</strong> und Bankwesen, Risikomanagement und Versicherung.<br />
Controlling-Prozesse: Strategisches Controlling und strategische Planung, operative<br />
Planung und Budgetierung, <strong>Management</strong> Reporting, Kostenrechnung und Kalkulation,<br />
Investitions- und Projekt-Controlling, Beteiligungs-Controlling, Konzern-Controlling,<br />
Funktions- und Spezial-Controlling (vgl. Horvµth & <strong>Partners</strong> Referenzmodell).<br />
232
Make or Buy von Controlling-Prozessen<br />
100<br />
Finanz-Prozesse*<br />
100<br />
Controlling-Prozesse*<br />
80<br />
80<br />
60<br />
40<br />
87%<br />
60<br />
40<br />
96%<br />
20<br />
0<br />
Zentralisierung<br />
51%<br />
Shared<br />
Service<br />
Center<br />
23%<br />
Outsourcing<br />
20<br />
0<br />
Zentralisierung<br />
29%<br />
Shared<br />
Service<br />
Center<br />
1%<br />
Outsourcing<br />
* Angaben in %: Die Prozentangaben spiegeln den Anteil der Unternehmen wider, die Finanz- bzw. Controlling-<br />
Prozesse in der entsprechenden Form organisieren.<br />
Abb. 3:<br />
Verbreitung der Organisationsformen in Finanz- und Controlling-Prozessen (Mehrfachnennungen<br />
mçglich) 9<br />
Ein näherer Blick auf die Controlling-Aktivitäten gibt Aufschluss<br />
darüber, wie die im Rahmen der Horvµth-&-<strong>Partners</strong>-CFO-Studie<br />
befragten Unternehmen zwischen den einzelnen Controlling-Prozessen<br />
bei der Reorganisationswahl differenziert haben:<br />
• Wertsteigernde Controlling-Prozesse wie strategisches Controlling,<br />
<strong>Management</strong> Reporting, Konzern- und Beteiligungs-Controlling werden<br />
vornehmlich zentralisiert. SSCs spielen hier eine untergeordnete<br />
Rolle. Diese Prozesse sind durch geringere Standardisierung sowie<br />
durch die Nähe zur Konzern-/Unternehmensleitung und zu den<br />
Führungsfunktionen charakterisiert.<br />
• Aufgaben mit standardisierbaren Anteilen wie operative Planung,<br />
Kostenrechnung und Funktions- und Spezial-Controlling wurden zu<br />
über 50 % in Shared Service Centers zusammengefasst.<br />
In Zukunft mçchten die Unternehmen stärker auf die Organisationsformen<br />
Shared Service Center und Outsourcing setzen. So geben 41 %<br />
der Unternehmen mit SSC-Erfahrung an, weitere Controlling-Prozesse<br />
in SSCs zu organisieren. 3 % der Unternehmen, die bereits Shared<br />
Service Centers eingeführt haben, ziehen auch Outsourcing in Betracht.<br />
Unerfahrene Unternehmen, d. h. Unternehmen, in denen diese Organisationsform<br />
nicht angewendet wird, sind zurückhaltender. 8 % der<br />
Status quo für<br />
Controlling-<br />
Prozesse<br />
Organisation von<br />
Controlling-<br />
Prozessen in der<br />
Zukunft<br />
9<br />
Vgl. Horvµth & <strong>Partners</strong> (2008), S. 7.<br />
233
Organisation & IT<br />
Status quo<br />
Standortverlagerung<br />
Unternehmen ohne SSC-Erfahrung planen die Nutzung eines Shared<br />
Service Center, nur 1 % plant eine Auslagerung.<br />
Im Hinblick auf Standortverlagerungen 10 unterscheiden Unternehmen<br />
kaum zwischen Finanz- und Controlling-Prozessen. Grundsätzlich sind<br />
Controlling-Prozesse mit hoher Relevanz für die Führungskräfte in der<br />
Konzernzentrale in unmittelbarer Nähe zu den Leitungsfunktionen<br />
angesiedelt. Für die Zukunft beurteilen Unternehmen andere Standorte<br />
jedoch als zunehmend positiv. 11<br />
Dimensionen<br />
einer<br />
Reorganisation<br />
4 Formen der Reorganisation: Shared Service Center vs.<br />
Business Process Outsourcing<br />
4.1 Abgrenzung: Zentralisierung, SSC und BPO<br />
Die Reorganisation des CFO-Bereichs erfolgt in zwei Dimensionen:<br />
der Organisation und<br />
• der Standortentscheidung.<br />
Dabei geht die Entscheidung für die künftige Organisationsstruktur der<br />
Standortentscheidung zeitlich voraus. Somit werden Probleme einer<br />
Reorganisation nach bereits erfolgter räumlicher Verlagerung, etwa<br />
aufgrund von Hoheitsverlust oder räumlicher Distanz, vermieden. 12<br />
Abb. 4:<br />
Zwei Dimensionen der Neuausrichtung des CFO-Bereichs<br />
10 Siehe dazu Kapitel 4.1.2.<br />
11 Vgl. Horvµth & <strong>Partners</strong> (2008), S. 9.<br />
12 Vgl. Scheffner (2008), S. 643.<br />
234
Make or Buy von Controlling-Prozessen<br />
Wie aus Abb. 4 ersichtlich, umfasst die erste Dimension drei organisatorische<br />
Grundformen, die im Hinblick auf ihre rechtliche und wirtschaftliche<br />
Selbstständigkeit von der Unternehmensleitung differenzierbar<br />
sind: Zentralisierung, Shared Service Center und Business Process<br />
Outsourcing. 13<br />
4.1.1 Organisation des CFO-Bereichs<br />
Die Zentralisierung fasst vorher meist dezentral erbrachte Prozesse in<br />
einer Zentralabteilung zusammen. Diese erbringt die Leistungen ausschließlich<br />
für interne Leistungsempfänger. In der Regel wird dem<br />
Zentralbereich ein Budget zur eigenständigen Verwendung zugewiesen,<br />
rechtlich und wirtschaftlich bleibt er von der Unternehmensleitung<br />
abhängig. Aufgrund der engen Kooperation und Abstimmung mit der<br />
Zentrale ist die Zentralabteilung meist in räumlicher Nähe zu dieser<br />
angesiedelt. 14 Durch die Aufgabenbündelung werden Spezialisierungsvorteile<br />
und Grçßendegressionseffekte genutzt und somit die Kosten der<br />
Leistungserstellung reduziert. 15<br />
Shared Service Centers fassen Prozesse ebenfalls in einer zentralen<br />
Organisationseinheit zusammen, unterscheiden sich von der klassischen<br />
Zentralabteilung jedoch vor allem durch ihre Dienstleistungsorientierung.<br />
Diese äußert sich durch die klar definierte Kundenbeziehung<br />
zwischen Shared Service Center und internen Kunden. So erstellen SSCs<br />
Produkt- und Leistungskataloge mit klaren Verrechnungspreisen und<br />
treffen mit ihren internen Kunden über die zu erbringenden Leistungen<br />
detaillierte Verträge, sogenannte Service Level Agreements (SLA). Die<br />
Performance der internen Dienstleister kann durch Benchmarking oder<br />
mit Key Performance Indicators (KPI) gemessen und beurteilt werden.<br />
Besteht für interne Interessenten kein Kontrahierungszwang, so kçnnen<br />
sie die Leistungen auch von externen Anbietern beziehen und setzen<br />
somit das SSC direktem Wettbewerb aus. 16<br />
Im Allgemeinen werden, je nach zu erbringenden Aufgaben, zwei Typen<br />
von SSCs unterschieden: 17<br />
• Das Center of Scale für überwiegend transaktionale Tätigkeiten, die in<br />
hohem Volumina anfallen und deren Erbringung standardisierbares<br />
Fachwissen erfordert, erzielt v. a. Skaleneffekte.<br />
• Hingegen fasst das Center of Expertise (auch Center of Excellence)<br />
Aufgaben zusammen, die nicht in hohem Volumen anfallen, aber<br />
Zusammenfassung<br />
von<br />
Prozessen in einer<br />
Zentralabteilung<br />
Dienstleistungsorientierung<br />
des<br />
Shared Service<br />
Center<br />
Arten von Shared<br />
Service Centers<br />
13 Vgl. Scheffner (2008), S. 645.<br />
14 Vgl. Scheffner (2008), S. 645.<br />
15 Vgl. Bühner (1999), S. 148f.<br />
16 Vgl. Michel/Kirchberg (2008), S. 450.<br />
17 Vgl. Kagelmann (2001), S. 89; Michel/Kirchberg (2008), S. 453.<br />
235
Organisation & IT<br />
Verhältnis<br />
zwischen<br />
Unternehmen und<br />
externem<br />
Dienstleister<br />
Chancen von<br />
Business Process<br />
Outsourcing<br />
dennoch Wiederholungscharakter aufweisen und für deren Erfüllung<br />
spezielles Know-how erforderlich ist. Das Center of Expertise erzielt<br />
Spezialisierungsvorteile, z. B. als Closing Factory für Abschlussarbeiten.<br />
Business Process Outsourcing (BPO) sieht die Ausgründung ehemals<br />
interner Bereiche oder die komplette oder teilweise Übergabe der<br />
Leistungserbringung an Drittanbieter vor. Es ist somit die radikalste<br />
Form der Reorganisation. 18<br />
Beim BPO kommt dem klaren rechtlichen Rahmen des Verhältnisses<br />
zwischen Unternehmen und Outsourcing-Provider besondere Bedeutung<br />
zu. Service Level Agreements (SLA) definieren Prozess- und<br />
Compliance-Anforderungen und müssen die Verantwortlichkeiten<br />
(Lines of Accountability) der Vertragsparteien eindeutig definieren. Im<br />
Einzelnen regeln SLAs Inhalt und Umfang der auszulagernden Aufgaben,<br />
Prioritäten, Maßnahmen zur Qualitätskontrolle, Preise, Haftung und<br />
Strafen des externen Anbieters sowie Dienstleistungs- und Vertragslaufzeit<br />
und Vorleistungen, die durch das auslagernde Unternehmen zu<br />
erbringen sind. Während der laufenden Geschäftsbeziehung sind regelmäßige<br />
Berichterstattung des externen Dienstleisters an die Geschäftsführung<br />
sowie eine kontinuierliche Weiterentwicklung und Anpassung<br />
des rechtlichen Rahmens Grundlagen der Zusammenarbeit. Zur Sicherstellung<br />
der Qualität der extern erbrachten Dienstleistungen dienen<br />
zudem Performancemessung, interne Audits, die Governance-Struktur<br />
sowie jährliche Zielvereinbarungen und regelmäßige Einsicht in die<br />
Bücher des Leistungsanbieters. 19<br />
Business Process Outsourcing von Finanz- und Controlling-Prozessen ist<br />
auch im Hinblick auf Chancen und Risiken die umfassendste Reorganisationsform<br />
im CFO-Bereich (s. Kapitel 4.2). Die Neben- und Unterstützungsaktivitäten<br />
des Unternehmens bilden die Kernkompetenz des<br />
Drittanbieters, welcher die Tätigkeiten durch Spezialisierung und hohe<br />
Volumina zu geringeren Kosten und/oder hçherer Qualität erbringen<br />
kann. 20 Zudem wird der Controller von transaktionalen Tätigkeiten<br />
entlastet und hat mehr Kapazitäten für Analysen, die zusätzlichen<br />
Mehrwert stiften, Beratungs- und Führungstätigkeiten. Finanzprozesse<br />
wie Debitoren- und Kreditorenprozesse, Entgelt- und Reisekostenabrechnung<br />
werden bereits vielfach erfolgreich auslagert. Doch auch im<br />
Controlling liegt der Anteil transaktionaler Tätigkeiten bei ca. 50 % und<br />
bietet entsprechendes Outsourcing-Potenzial. 21<br />
18 Vgl. Scheffner (2008), S. 650.<br />
19 Vgl. Doroghµzi (2006), S. 8-12; Duganier (2005), S. 41.<br />
20 Vgl. Scheffner (2008), S. 651.<br />
21 Vgl. Dressler (2007), S. 310.<br />
236
Make or Buy von Controlling-Prozessen<br />
4.1.2 Standort des CFO-Bereichs<br />
Die zweite Dimension der Reorganisation des CFO-Bereichs ist eine<br />
Standortverlagerung. Dabei ist zu beobachten, dass Risiko-, aber auch<br />
Chancenerwartungen, v. a. in Bezug auf Kostensenkungen, mit zunehmender<br />
Entfernung vom Ursprungsland steigen. 22<br />
Dem Onshoring, also einer Standortverlagerung innerhalb des gleichen<br />
Staats, werden gleichermaßen die geringsten Chancen und Risiken<br />
beigemessen. 45 % der Unternehmen erhoffen sich von einem Onshoring<br />
eine weitere Fokussierung auf ihr Kerngeschäft, 44 % eine<br />
hçhere Prozessqualität und 43 % die Ausnutzung von Skaleneffekten,<br />
d. h. Steigerung der Effektivität. Effektivitätsziele stehen demnach im<br />
Vordergrund. Allerdings befürchten je 33 % der Unternehmen eine<br />
erhçhte Abhängigkeit von Dritten und einen Verlust von Know-how,<br />
30 % eine sinkende Mitarbeitermotivation.<br />
Nearshoring, die Verlagerung von Tätigkeiten in das nahe gelegene<br />
Ausland, rangiert in der Chancen-Risiken-Erwartung in der Mitte.<br />
Unternehmen verfolgen hier v. a. Effizienzziele wie Kostensenkung<br />
(60 %) und Personalabbau (44 %) sowie Fokussierung auf das Kerngeschäft<br />
(44 %) bei gleichzeitig überschaubaren Risiken. Als Hauptrisiken<br />
werden der hçhere Koordinationsaufwand, Know-how- und<br />
Qualitätsverlust angeführt.<br />
Offshoring, die Form der Standortverlagerung in andere Kontinente wie<br />
Asien, Afrika oder Lateinamerika, bietet die hçchsten Chancen, aber<br />
auch die grçßten Risiken. So erhoffen sich Unternehmen zwar die<br />
gleichen Effizienzverbesserungen wie vom Nearshoring, verbinden mit<br />
dieser Standortalternative allerdings die gleichen Risiken in stärkerem<br />
Maße. So befürchten 74 % Qualitätsverluste, 73 % einen hçheren<br />
Koordinationsaufwand und 68 % einen Know-how-Verlust. Ein für<br />
eine Offshore-Verlagerung typischer Bereich ist die Buchhaltung, da<br />
dort v. a. manuelle und repetitive Aufgaben vorliegen, kein direkter<br />
Kundenkontakt besteht und IT eine verstärkte Rolle spielt, sodass das<br />
bençtigte Skill-Set ebenso in Indien oder Osteuropa zu finden ist. 23<br />
Onshoring<br />
Nearshoring<br />
Offshoring<br />
4.2 Chancen-Risiken-Profil einzelner Reorganisationsformen<br />
Im Rahmen der Make-or-Buy-Entscheidung von Finanz- und Controlling-Leistungen<br />
sind die im Folgenden dargestellten, unterschiedlichen<br />
Chancen-Risiken-Profile zu beachten, welche die alternativen Reorganisationsformen<br />
Zentralabteilungen, SSC und BPO charakterisieren.<br />
Chancen-<br />
Risiken-<br />
Profile der<br />
Reorganisationsalternativen<br />
22 Zu den folgenden Ausführungen siehe Horvµth & <strong>Partners</strong> (2008), S. 12.<br />
23 Auch Dressler/Hensen (2005), S. 72-73.<br />
237
Organisation & IT<br />
Aus Abb. 5 wird deutlich, dass eine Make-Entscheidung im Rahmen<br />
einer Zentralabteilung im CFO-Bereich die geringsten Chancen und<br />
Risiken birgt, eine Make-Entscheidung als SSC im mittleren Bereich liegt<br />
und sowohl Chancen als auch Risiken bei einer Buy-Entscheidung im<br />
Sinne des Outsourcings am grçßten sind.<br />
Risiken Chancen<br />
Erhöhung der<br />
Informationsqualität<br />
Bessere Informationsbereitstellung<br />
Koordinationsaufwand<br />
senken<br />
Kostensenkung<br />
Skalenvorteile<br />
Erhöhung der<br />
Prozessqualität<br />
Personalabbau<br />
Fokussierung auf das<br />
Kerngeschäft<br />
Kostensteigerungen<br />
Verringerung der<br />
Flexibilität<br />
Höherer<br />
Koordinationsaufwand<br />
Sinkende<br />
Mitarbeitermotivation<br />
Fehlende<br />
Berücksichtigung von<br />
Besonderheiten<br />
Höhere Abhängigkeit<br />
von Dritten<br />
Know-how-Verluste<br />
Zentralabteilung<br />
Shared Service<br />
Center<br />
Business<br />
Process<br />
Outcourcing<br />
Abb. 5:<br />
TOP-3-Chancen-Risiken-Profile der Reorganisationsalternativen<br />
Entwicklung vom<br />
SSC zum BPO<br />
4.3 Outsourcing als nächste Entwicklungsstufe des Shared<br />
Service Center?<br />
Unternehmen, die in ihren CFO-Bereichen bereits Shared Service<br />
Centers betreiben, stehen im nächsten Schritt vor einer Make-or-Buy-<br />
Entscheidung, ob im SSC organisierte Prozesse ausgelagert werden<br />
sollen. 24 Aufgrund seiner Charakteristika (Spezialisierung, Bearbeitung<br />
von hohen Transaktionsvolumina zu geringeren Kosten und/oder<br />
hçherer Qualität) stellt das Business Process Outsourcing den nächsten<br />
24 Vgl. Michel (2007), S. 292.<br />
238
Make or Buy von Controlling-Prozessen<br />
Entwicklungsschritt nach der Etablierung eines Shared Service Center<br />
dar. Im Rahmen der Konzentration auf Kernkompetenzen und unter<br />
verstärktem Kostendruck sind Unternehmen zunehmend bereit, externe<br />
Leistungen auch im Finanz- und Rechnungswesen einzukaufen, anstatt<br />
sie selbst – etwa in einem Shared Service Center – zu erbringen. 25<br />
Der Schritt vom Shared Service Center zum Business Process Outsourcing<br />
scheint in zweierlei Hinsicht nicht groß: Zum einen kçnnen sich<br />
bereits etablierte Shared Service Centers selbst zum BPO-Anbieter<br />
entwickeln, indem sie ihre Leistungen nicht nur internen, sondern auch<br />
externen Kunden anbieten. Zum anderen unterliegen Unternehmen als<br />
interne Kunden oft keinem Kontrahierungszwang, d. h., sie kçnnen<br />
Leistungen vom konzerneigenen SSC oder von externen Anbietern<br />
nachfragen. 26<br />
Je nach Ausgestaltung der Geschäftsbeziehung eines Unternehmens zum<br />
internen SSC mit Service Level Agreements, festen Verrechnungspreisen,<br />
klaren Verantwortlichkeiten und Haftungen, ist die Inanspruchnahme<br />
von der Annahme der Leistungen eines externen Anbieters der vorigen<br />
internen Lçsung nicht unähnlich.<br />
Die Horvµth-&-<strong>Partners</strong>-CFO-Studie zeigt, dass die bevorzugte Form<br />
der Reorganisation von Controlling-Prozessen nach der Zentralisierung<br />
mit 96 % das Shared Service Center mit 29 % der Unternehmen, die<br />
diese anwenden, ist. BPO wird mit nur einem Prozent für das<br />
Controlling deutlich verneint. 27 Die aktuelle Favorisierung von SSC<br />
gegenüber BPO muss jedoch keine generelle Ablehnung des Outsourcings<br />
bedeuten. Unternehmen sammeln im Rahmen eines internen<br />
Konsolidierungsprozesses derzeit Erfahrungen mit Shared Service Centers.<br />
Wenn die ersten Schritte des SSC (Dokumentation, Standardisierung,<br />
Spezialisierung etc.) erfolgreich gemacht wurden, werden sich<br />
Unternehmen mçglicherweise den nächsten Entwicklungsschritt zum<br />
Business Process Outsourcing zutrauen. 28 Gemäß der Studie schätzen<br />
Unternehmen mit Erfahrungen mit Shared Services diese Organisationsform<br />
auch für die Zukunft besser ein als Unternehmen ohne Erfahrung.<br />
Der Anteil der Unternehmen ohne Erfahrung, die Outsourcing als eine<br />
gute oder sehr gute Reorganisationsform für Controlling-Prozesse<br />
bewerten, steigt von derzeit vier auf 14 % für die Zukunft an. 29<br />
Die deutliche Dominanz anderer Reorganisationsalternativen, wie Zentralisierung<br />
und SSC, sowie die immer noch vorsichtige Haltung<br />
SSC für<br />
Controlling-<br />
Prozesse?<br />
25 Vgl. Dressler (2007), S. 306.<br />
26 Vgl. Michel (2007), S. 274.<br />
27 Vgl. Horvµth & <strong>Partners</strong> (2008), S. 7.<br />
28 Vgl. Dressler (2007), S. 307-308.<br />
29 Vgl. Horvµth & <strong>Partners</strong> (2008), S. 17.<br />
239
Organisation & IT<br />
gegenüber BPO für die Zukunft kçnnten auch als Anzeichen gewertet<br />
werden, dass Controlling-Prozesse für eine Auslagerung ungeeignet sind.<br />
Dies gilt insbesondere für Controlling-Prozesse, die keinen transaktionalen<br />
Charakter haben. Etwa die Verlagerung des strategischen Controllings<br />
an eine externe „Controlling Factory“ scheint undenkbar.<br />
Jedoch umfasst das Controlling etwa 50 % transaktionale Tätigkeiten,<br />
für die eine Auslagerung vorstellbar ist. 30 Ein weiterer Grund für die<br />
Zurückhaltung kann eine hçhere Risikoerwartung bei BPO-Lçsungen,<br />
insbesondere vor dem Hintergrund steigender Compliance-Anforderungen,<br />
sein. Zudem wird im Zugang Dritter zu sensiblen und wettbewerbsbestimmenden<br />
Daten ein Sicherheitsrisiko gesehen. 31<br />
Die potenziellen monetären und qualitativen Kosten einer missglückten<br />
Reorganisation machen eine genaue Prüfung der Auslagerbarkeit unverzichtbar.<br />
Um zu entscheiden, inwieweit einzelne Controlling-Aufgaben<br />
die hinreichenden Bedingungen für eine Auslagerung erfüllen und somit<br />
Chancen genutzt werden kçnnen, müssen die einzelnen Controlling-<br />
Prozesse einer individuellen Prüfung unterzogen werden. Wie ein<br />
solcher Entscheidungsprozess aussehen kann, verdeutlicht das folgende<br />
Kapitel.<br />
Prozesskriterien<br />
für ein<br />
erfolgreiches<br />
Outsourcing<br />
5 Entscheidungsprozess zur Reorganisation von<br />
Controlling-Prozessen: SSC oder BPO?<br />
Der Entscheidungsprozess in Abb. 6 verdeutlicht, welche „Filter“ eine<br />
Aufgabe durchlaufen muss, um als Outsourcing-geeignet eingestuft zu<br />
werden.<br />
Aus dem oberen Teil der Abb. 6 ist ersichtlich, dass grundsätzlich nur<br />
solche Controlling-Aufgaben auslagerbar sind, die auch in einem SSC –<br />
und somit implizit in einer Zentralabteilung – reorganisiert werden<br />
kçnnten. Darüber hinaus muss ein Controlling-Prozess noch spezielle<br />
Kriterien erfüllen, um erfolgreich ausgelagert werden zu kçnnen (s.<br />
unteren Teil von Abb. 6). So sollte dieser keine Kernkompetenz sein und<br />
auch keinen direkten Kundenkontakt erfordern, da dies u. a. zu<br />
Reputationsschäden führen kçnnte. Der Datenschutz muss gewährleistet<br />
sein und die Erbringung der Leistung muss durch den externen Dienstleister<br />
zu niedrigeren Kosten bei mindestens gleicher Qualität bzw. zu<br />
maximal gleichen Kosten bei hçherer Qualität durchgeführt werden.<br />
Unter Anwendung dieses Entscheidungsprozesses kann man auslager-<br />
30 Vgl. Dressler (2007), S. 310.<br />
31 Vgl. Michel (2007), S. 292.<br />
240
Make or Buy von Controlling-Prozessen<br />
bare von nicht auslagerbaren Prozessen trennen und dies als Ausgangspunkt<br />
für die Reorganisation des Controlling-Bereichs nutzen.<br />
Geschäftsspezifischer Grund gegen<br />
Aufgabenbündelung?<br />
Ja<br />
Nein<br />
Aufgabe für mehrere<br />
Leistungsempfänger?<br />
Ja<br />
Ist die Aufgabe standardisierbar?<br />
Nein<br />
Zerlegung in Teilaufgaben möglich?<br />
Ja<br />
Nein<br />
Nein<br />
Nicht SSCoder<br />
BPOgeeignet<br />
Ja<br />
Hohe Volumina/hoher Anteil an<br />
Routinetätigkeiten?<br />
Nein<br />
Wiederholungscharakter?<br />
Nein<br />
Ja<br />
Ja<br />
Wenig Fachwissen/kurze<br />
Einarbeitungszeit erforderlich?<br />
Nein<br />
Spezifisches fachliches Know-how<br />
erforderlich?<br />
Nein<br />
Ja<br />
Ja<br />
Center of Scale Center of Excellence SSC-geeignet<br />
Aufgabe ist Kernkompetenz?<br />
Ja<br />
Nein<br />
Aufgabe erfordert Kundenkontakt?<br />
Ja<br />
Nein<br />
Aufgabe beinhaltet sensible Daten?<br />
Ja<br />
Datenschutz vom Dienstleister<br />
garantiert?<br />
Nein<br />
Nein<br />
Ja<br />
Externe Erbringung der Aufgabe<br />
günstiger und/oder hochwertiger?<br />
Nein<br />
Ja<br />
BPO-geeignet<br />
Abb. 6:<br />
Entscheidungsprozess zur Reorganisation von Controlling-Aufgaben<br />
241
Organisation & IT<br />
Kritische<br />
Erfolgsfaktoren<br />
6 Erfolgsfaktoren des Business Process Outsourcings<br />
im Controlling-Bereich<br />
Grundsätzlich sollten nur solche Controlling-Prozesse ausgelagert werden,<br />
die den in Abb. 6 dargestellten Entscheidungsprozess mit dem<br />
Ergebnis der BPO-Eignung durchlaufen haben.<br />
Des Weiteren sind bei der Realisierung einer Outsourcing-Entscheidung<br />
im Controlling-Bereich kritische Erfolgsfaktoren zu beachten, um den<br />
erwünschten Effekt zu gewährleisten. Diese lassen sich in vier Bereiche<br />
bündeln: den formal-rechtlichen, den datenverarbeitungstechnischen,<br />
den organisatorischen und den Kooperations- und <strong>Management</strong>-Bereich.<br />
BPO-Eignung<br />
formalrechtlich<br />
DVtechnisch<br />
organisatorisch<br />
Kooperation<br />
& <strong>Management</strong><br />
Abb. 7: Erfolgsfaktoren des Business Process Outsourcing 32<br />
Formal-rechtlich ist entscheidend, dass Service Level Agreements die<br />
genauen Aufgaben, Zuständigkeiten, Verantwortungen, das Preis-Leistungs-Modell<br />
und andere wichtige Faktoren definieren. Vor allem die<br />
Abgrenzung der Verantwortungsbereiche zwischen Dienstleister und<br />
Kunden („Split of Responsibility“) muss daraus klar hervorgehen.<br />
Sogenannte „Mismatch Cost“, die aus der Abweichung von Angebot<br />
und Nachfrage resultieren, sind zu minimieren. 33<br />
Im Bezug auf Datenverarbeitungssysteme müssen zum einen standardisierte,<br />
prozessoptimierte Systeme vorliegen, zum anderen muss die<br />
32 Vgl. Schmitt (2007), S. 28.<br />
33 Vgl. Scheffner (2008), S. 650.<br />
242
Make or Buy von Controlling-Prozessen<br />
notwendige technische Infrastruktur sowohl in der Implementierung der<br />
Outsourcing-Beziehung als auch in der späteren Zusammenarbeit bei<br />
Bedarf sofort verfügbar sein. Die bençtigten Daten und Informationen<br />
müssen gegenseitig reibungslos über EDV-Systeme zur Verfügung<br />
gestellt werden kçnnen.<br />
Organisatorisch müssen insbesondere die Schnittstellen zwischen internem<br />
und externem Controlling bzw. internem Empfänger der Controlling-<br />
Leistungen eindeutig, prozessorientiert und transparent gestaltet sein. 34<br />
Der Bereich Kooperation & <strong>Management</strong> umfasst die Zielsetzungen des<br />
Top-<strong>Management</strong>s des auslagernden Unternehmens an die Anbieter<br />
sowie die Definition der erforderlichen Unterstützung durch das<br />
regionale und operative <strong>Management</strong> und die leistungsempfangenden<br />
Einheiten.<br />
7 Fazit und Ausblick<br />
Die Reorganisation des CFO-Bereichs und die Entscheidung Make or<br />
Buy auch für das Controlling sind vor dem Hintergrund des veränderten<br />
Rollenverständnisses des CFO und stärkeren Wettbewerbs- und Kostendrucks<br />
in globalen Märkten unumgänglich. Wenn auch die meisten<br />
Unternehmen dem Business Process Outsourcing im Controlling-Bereich<br />
aus verschiedenen Gründen noch zurückhaltend gegenüberstehen,<br />
kann dies jedoch ein zukünftiger Weiterentwicklungsschritt nach der<br />
aktuell zunehmenden Etablierung von Shared Service Centers sein.<br />
Allerdings ist für die einzelnen Controlling-Prozesse individuell die<br />
Eignung zur Auslagerung zu prüfen und das Chancen-Risiken-Profil mit<br />
der Risikoneigung des Unternehmens abzugleichen. Bei der Umsetzung<br />
sind die erläuterten spezifischen Erfolgsfaktoren zu beachten. Die zweite<br />
Dimension der Reorganisation, die Frage nach einer Standortverlagerung,<br />
muss infolge der Wahl der Organisationsform entschieden werden.<br />
¾hnlich wie in der Organisation bieten die einzelnen Formen hier<br />
hçhere Chancen, aber auch Risiken.<br />
Es ist zu erwarten, dass mit zunehmenden Erfahrungen der Unternehmen<br />
mit den für das Controlling „neuen“ Organisationsformen und einer<br />
steigenden Zahl qualitativ guter externer Anbieter das Controlling<br />
zumindest in seinen transaktionalen Teilen dem Trend aus dem<br />
Accountingbereich folgt und zunehmend Funktionen auslagert. Allerdings<br />
ist eine vollständige Auslagerung des Controllings nicht zu erwarten, da<br />
strategische Controlling-Funktionen das <strong>Management</strong> des Unternehmens<br />
nachhaltig beeinflussen und somit nicht im Rahmen einer Auslagerung<br />
34 Vgl. Bearing Point (2004), S. 6.<br />
243
Organisation & IT<br />
Externen angedient werden kçnnen. Eine Neudefinition des Controlling-<br />
Bereichs in Form eines rein beratenden und steuernden Funktionsbereichs<br />
in der aufbauorganisatorischen und räumlichen Nähe zur Konzernleitung<br />
ist allerdings eine realistische Vision.<br />
8 Literaturhinweise<br />
Accenture (Hrsg.), Changing Role of the Finance Organization in a<br />
Multi-Polar World – Accenture High performance Finance Study, 2008.<br />
Bühner, Betriebswirtschaftliche Organisationslehre, 9. Aufl. 1999.<br />
Doroghµzi, Outsourcing of accounting activities at the largest Hungarian<br />
Company (MOL), Horvµth & <strong>Partners</strong> Fachkonferenz Finance<br />
Excellence, 23. Februar 2006.<br />
Dressler, Die Controlling-Organisation in globalen Unternehmen vor<br />
dem Hintergrund von Offshoring-Mçglichkeiten, in: Gleich/Michel<br />
(Hrsg.), Organisation des Controlling – Grundlagen, Praxisbeispiele<br />
und Perspektiven, 2007, S. 295–319.<br />
Dressler/Hensen, Offshoring im Controlling – eine deutsche Lçsung am<br />
Beispiel von SAP BW SEM, ZfCM, 49. Jg. 1/2005, S. 72–77.<br />
Duganier, Finance and Accounting Outsourcing Can Improve Control,<br />
in: Bank Accounting & Finance, June-July 2005, S. 39–42.<br />
Horvµth & Partner GmbH (Hrsg.), CFO-Studie 2007 – Reorganisation<br />
im Finanzbereich, Stuttgart 2008.<br />
Kagelmann, Shared Services als Organisationsform – Am Beispiel der<br />
Finanzfunktion im multinationalen Konzern, 2001.<br />
Michel, Shared Services als Organisationsform für das Controlling, in:<br />
Gleich/Michel (Hrsg.), Organisation des Controlling – Grundlagen,<br />
Praxisbeispiele und Perspektiven, 2007, S. 269–294.<br />
Michel/Kirchberg, Shared Service Center als Element des Dienstleistungscontrollings,<br />
Controlling, 20. Jg., 8-9/2008, S. 449–458.<br />
Scheffner, Industrialisierung des Controllings, Der Controlling-Berater,<br />
5/2008, S. 637–657.<br />
Scheffner/Hofmann, Die Controllingorganisation als Baustein zu Finance<br />
Excellence – Ansatzpunkte zur Steigerung von Effektivität und<br />
Effizienz, Controlling, 19. Jg., 1/2007, S. 21–29.<br />
Schmitt, Die Entwicklung vom internen Financial SSC zum BPO-<br />
Anbieter – Das Beispiel Bahlsen/New Source, Horvµth & <strong>Partners</strong><br />
2. Fachkonferenz Finance Excellence, 15. März 2007.<br />
244