„Gezielte Tötungen“ - Lizenz zum Mord?
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(anstatt sie gefangen zu nehmen),<br />
findet ein Großteil dieser Tötungen<br />
mindestens in einer Grauzone statt,<br />
und eine nicht unwesentliche Zahl<br />
„gezielter <strong>Tötungen“</strong> durch Streitkräfteangehörige<br />
im bewaffneten<br />
Konflikt überschreitet bereits die<br />
Grenze zur verbotenen Gewaltanwendung<br />
– selbst wenn dabei „nur“<br />
gegnerische Militärs getötet, aber<br />
keine Zivilist_innen in Mitleidenschaft<br />
gezogen werden.<br />
Komplexer gestaltet sich im Einzelfall<br />
die Einschätzung, was im<br />
nicht-internationalen bewaffneten<br />
Konflikt militärisch und völkerrechtlich<br />
zulässig ist. Nicht-internationale<br />
bewaffnete Konflikte sind vor allem<br />
die (auch) mit militärischen Mitteln<br />
ausgetragenen Auseinandersetzungen,<br />
die traditionell als Bürgerkrieg<br />
bezeichnet werden. Die USA bemühen<br />
sich zudem, den Begriff des<br />
nicht-internationalen bewaffneten<br />
Konflikts auszuweiten: Sie bewerten<br />
die Aktivitäten von Gruppen wie al-<br />
Qaida und diesen nahestehenden<br />
weiteren Gruppen als kriegerische<br />
Angriffe gegen den Staat USA, da<br />
diese Angriffe ein sogenannter<br />
„asymmetrischer bewaffneter Konflikt“<br />
mit „nichtstaatlichen bewaffneten<br />
Gruppen“ sei, der unter das<br />
Kriegsrecht falle. Darum beanspruchen<br />
die USA ein (präventives oder<br />
sogar präemptives) Selbstverteidigungsrecht.<br />
„Selbstverteidigung“ ist<br />
so <strong>zum</strong> Dauerzustand geworden.<br />
Ein Spezifikum des nicht-internationalen<br />
bewaffneten Konflikts ist, dass<br />
auf mindestens einer Seite Feindseligkeiten<br />
von Gruppen ausgehen, die<br />
nicht einem bestimmten Staat zurechenbaren<br />
Streitkräften angehören,<br />
und denen in der Regel der im humanitären<br />
Völkerrecht relevante Kombattantenstatus<br />
nicht zugeschrieben<br />
wird 45 .<br />
Wer im bewaffneten Konflikt aber<br />
nicht Kombattant_in ist, bleibt völkerrechtlich<br />
Zivilist_in und darf daher<br />
grundsätzlich nicht militärisch<br />
angegriffen werden 46 . Auch diese<br />
Regel kennt eine Ausnahme, die der<br />
gemeinsame Artikel 3 der vier Genfer<br />
Konventionen vom 12. August 1949<br />
sowie Artikel 4 Absatz 1 Satz 1 des<br />
Zusatzprotokolls I 47 und Artikel 51<br />
45 vgl. Philip Alston, Report of the Special<br />
Rapporteur on extrajudicial, summary or<br />
arbitrary executions (28.05.2010), UN A/<br />
HRC/14/24/Add. 6, Ziff. 52, 58.<br />
46 Artikel 50 Abs. 1 S. 3 ZP I (ZP I: s. Fn. 47).<br />
47 ZP I = Zusatzprotokoll vom 8.6.1977 zu<br />
den Genfer Abkommen vom 12.8.1949 über<br />
den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter<br />
Konflikte.<br />
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