Journal - Heinrich - Humboldt-Universität zu Berlin
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Der neunte Tag<br />
Dienstag, 7.8.2012<br />
23<br />
Tegel ist das größte deutsche Männergefängnis.<br />
Unser Tourguide erklärte, dass hier vor allem<br />
Wiederholungstäter hinter Gittern sitzen - oder<br />
Täter, die gleich beim ersten Mal „erhebliche<br />
Straftaten“ verbrochen haben. Die Aufgabe des<br />
Justizvoll<strong>zu</strong>gs in Tegel sei daher „keine leichte“,<br />
betont er, aber dafür ist jeder Tag abwechslungsreich,<br />
man wüsste nie was passieren würde.<br />
In Tegel will unser Tourguide uns zeigen, dass<br />
man trotz der „schwierigen Situation“ alles „gut<br />
im Griff “ habe und überall auf dem „richtigen<br />
Weg“ sei. Er nennt die aktuellen Zahlen. Die JVA<br />
Tegel ist eine Anstalt des geschlossenen Voll<strong>zu</strong>ges,<br />
sie ist die Justizvoll<strong>zu</strong>gsanstalt mit den meisten<br />
Strafgefangenen im geschlossenen Voll<strong>zu</strong>g in<br />
der Bundesrepublik Deutschland. Das Gelände<br />
der JVA umfasst rund 130.000 m², die Verwahrungsmauer<br />
ist 1.327 m lang und mit 13 Wachtürmen<br />
bestückt. Die Haftanstalt gliedert sich in<br />
sechs Teilanstalten. Es wirkt wie eine Parallelgesellschaft,<br />
vom naheliegenden U-Bahnhof oder<br />
Wohngegend bekommt man innerhalb der Einrichtung<br />
nichts mit.<br />
Man ist isoliert. Der Strafvoll<strong>zu</strong>g gestaltet sich<br />
trist und monoton.<br />
Die Insassen werden versorgt, haben ein Bett<br />
in einem geheizten Raum und oft sogar einen<br />
Fernseher. Im geschlossenen Voll<strong>zu</strong>g können<br />
die meisten Gefangenen am Tage sogar ihre Zelle<br />
verlassen und sich im Haus frei bewegen. Es<br />
gibt Küchen mit Herd und Kühlschränken; jeder<br />
Insasse hat sein Fach, das er mit einem Vorhängeschloss<br />
sichert. Das ändere aber nichts an der<br />
Situation, eingesperrt <strong>zu</strong> sein, sagt unsere Führerin.<br />
„Der Gefangene ist hier nicht eigenbestimmt<br />
und soll es auch nicht sein. Der gesamte Alltag<br />
ist streng reglementiert: Wann darf ich meinen<br />
Haftraum verlassen? Wer darf mich wann besuchen?<br />
Was darf ich mir einkaufen; wann muss<br />
ich schlafen gehen?“ Verstöße würden natürlich<br />
geahndet. „Diese Vorgaben sind für die meis-<br />
ten auch nach vielen Jahren Gefangenschaft nur<br />
schwer <strong>zu</strong> ertragen.“<br />
Neben dem alltäglichen Strafvoll<strong>zu</strong>g, stellt die<br />
Ausbildung oder ein Studium während des Voll<strong>zu</strong>gs,<br />
das Mitwirken im Theater, der Familienbesuch,<br />
das Ausüben von Sportaktivitäten oder ein<br />
Besuch der Anstaltskirche eine Abwechslung dar<br />
- ihre Gottesdienste sind gut besucht.<br />
„Das Reden über die Tat setzt eine gewisse Reflexion<br />
voraus“, sagt unsere JVA-Führerin. Der<br />
Gottesdienst könne da<strong>zu</strong> einen Anstoß geben. Es<br />
ist nicht die einzige Möglichkeit. „In Haft finden<br />
viele <strong>zu</strong>m Glauben <strong>zu</strong>rück“.<br />
Am Nachmittag halten Max und Hardijs ihren<br />
Vortrag über das Verbot verfassungsfeindlicher<br />
Parteien und danach sprechen1 Ieva und Marlene<br />
über das Gewaltmonopol des Staates.<br />
Felix Siepmann