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Kapitel 4: Bildung, Qualifizierung und Wissenschaft - Arbeitskammer ...

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4.5 Risikogruppen am Ausbildungsstellenmarkt<br />

<strong>Bildung</strong>, <strong>Qualifizierung</strong> <strong>und</strong> <strong>Wissenschaft</strong><br />

4.5 Fördern statt ausgrenzen: Zur Situation von<br />

Risikogruppen am Ausbildungsstellenmarkt<br />

Jugendliche mit schulischen Defiziten bzw. sozialen Problemen, junge Frauen<br />

<strong>und</strong> Interessenten mit Migrationshintergr<strong>und</strong> sind nach wie vor die Verlierer<br />

beim jährlichen „run“ auf die knappen Ausbildungsplätze. Angesichts<br />

der gesellschaftlichen Folgen sowie der demografischen Entwicklung<br />

ist ein „Paradigmenwechsel“ dahingehend einzuleiten, dieses <strong>Qualifizierung</strong>spotential<br />

durch eine <strong>Qualifizierung</strong>soffensive besser auszuschöpfen<br />

<strong>und</strong> zu entwickeln.<br />

Jugendliche mit schulischen Defiziten <strong>und</strong>/oder sozialen Problemen<br />

– Integration statt Selektion<br />

Jahr für Jahr gehen auch im Saarland überproportional viele Jugendliche,<br />

die auf Gr<strong>und</strong> ihrer Biographie über ungünstige Voraussetzungen verfügen,<br />

beim Rennen um die knappen Ausbildungsplätze leer aus. Sie sind die Verlierer/-innen,<br />

wenn es um eine qualifizierte, zukunftsorientierte Berufsausbildung<br />

geht. Gemeinhin pauschal <strong>und</strong> <strong>und</strong>ifferenziert als „benachteiligte<br />

Jugendliche“ abgestempelt, wird ihnen der Zugang in die duale Berufsausbildung<br />

verwehrt. Sondermaßnahmen, Warteschleifen in Form von Berufspraktika<br />

<strong>und</strong> <strong>Qualifizierung</strong>smaßnahmen in Berufen mit wenig Aussichten<br />

gelten für sie als geeignet. Von hier ausgehend ist der Schritt von der Benachteiligung<br />

in die Arbeitslosigkeit <strong>und</strong> zur weiteren gesellschaftlichen<br />

Ausgrenzung meist recht kurz.<br />

Angesichts der aktuellen Herausforderungen (stellvertretend sei die demografische<br />

Entwicklung genannt – nach der u.a. bis zum Jahr 2020 die Zahl<br />

der unter 15-Jährigen um mehr als einem Viertel auf 115.000 fallen wird)<br />

geht es aber nicht mehr um die Frage, wie Jugendliche durch irgendeine Tätigkeit<br />

oder Ausbildung mit geringen Zukunftsaussichten „versorgt“ werden<br />

können. Vielmehr muss es jetzt gr<strong>und</strong>sätzlich um den Einstieg in eine<br />

qualifizierte berufliche Tätigkeit mit Perspektiven gehen.<br />

<br />

<br />

Vor dem Hintergr<strong>und</strong> der Tatsache, dass sogenannte „Einfacharbeitsplätze“<br />

für An- <strong>und</strong> Ungelernte rapide abnehmen, gilt dies in besonderem<br />

Maße. Die Prognosen für das Ende des aktuellen Jahrzehnts sind bekannt:<br />

Für an- <strong>und</strong> ungelernte Tätigkeiten werden zukünftig nur noch<br />

ca. 10 Prozent der Arbeitsplätze zur Verfügung stehen.<br />

Auch vor dem Hintergr<strong>und</strong> der demografischen Entwicklung ist die aktuelle<br />

Situation äußerst problematisch. Bei dramatisch zurückgehenden<br />

Schulabgängerzahlen <strong>und</strong> dem damit zu erwartenden Fachkräfteman-<br />

246


4.5 Risikogruppen am Ausbildungsstellenmarkt<br />

gel leisten wir uns nach wie vor b<strong>und</strong>esweit Zehntausende von Jugendlichen<br />

in teilweise sinnlosen Warteschleifen <strong>und</strong> „Vorbereitungs-“Maßnahmen.<br />

Doch anstatt Benachteiligung abzubauen, laufen viele Vorschläge auf deren<br />

Konservierung hinaus. Mit neuen theoriegeminderten Berufen für sogenannte<br />

„praktisch Begabte“ werden zusätzliche Selektions- statt Integrationsmechanismen<br />

ausgelöst. Für einfache Tätigkeiten gilt aber, dass sie<br />

immer stärker rationalisierungsbedroht sind, in der Regel schlechter bezahlt<br />

werden <strong>und</strong> darüber hinaus deutlich geringere Entwicklungsperspektiven<br />

für die Betroffenen bieten.<br />

<br />

Das wurde jetzt auch vom B<strong>und</strong>esbildungsministerium in Übereinstimmung<br />

mit den Wirtschaftsverbänden bestätigt. In einem internen Ergebnisprotokoll<br />

zur „Umwandlung von Ausbildungsprofilen in Zeugniserläuterungen“<br />

stellen sie nämlich fest, dass die zweijährigen Berufe<br />

in Europa nur einen äußerst geringen Stellenwert haben <strong>und</strong> deshalb im<br />

Niveau nur auf niedrigster Stufe gehandelt werden können. Das bedeutet<br />

aber: Diese Berufe sind in Europa nichts wert. Darüber hinaus<br />

erklärt das Ministerium offiziell, dass diese Berufe keine unmittelbaren<br />

beruflichen Aufstiegschancen eröffnen.<br />

Eine Feststellung, die gerade für eine Grenzregion wie das Saarland, in der<br />

politisch ein einheitlicher Wirtschafts- <strong>und</strong> Lebensraum (Euroregion) angestrebt<br />

wird, nicht ohne Bedeutung ist. Dennoch zählt gerade die Landesregierung<br />

– allen voran ihr Wirtschaftsminister – zu den vehementen Befürwortern<br />

solcher Ausbildungsberufe. Seit Jahren plädiert dieser für neue Ausbildungsberufe<br />

mit niedrigeren Anforderungen, damit auch Jugendliche mit<br />

schlechtem oder ohne Schulabschluss eine Chance bekämen: Durch eine differenzierte<br />

<strong>und</strong> abgestufte Ausbildung könnten solche Jugendliche besser<br />

gefördert <strong>und</strong> qualifiziert werden.<br />

Angesichts dieser unzeitgemäßen Forderung erinnert die <strong>Arbeitskammer</strong> die<br />

Landesregierung an die Empfehlungen des „Landesausschusses für Berufsbildung“.<br />

Der Ausschuss, dessen Aufgabe die Beratung der Landesregierung<br />

in Fragen der Berufsbildung ist, hat sich in der Vergangenheit mehrfach –<br />

u.a. im Rahmen eines Hearings – mit dem Thema „theoriegeminderter Ausbildungsberufe“<br />

befasst <strong>und</strong> diese als wenig zielführend charakterisiert.<br />

Die <strong>Arbeitskammer</strong> stellte darüber hinaus bereits in früheren Stellungnahmen<br />

sowie Berichten an die Landesregierung fest, dass<br />

<br />

die Probleme <strong>und</strong> die Heterogenität der „Benachteiligten“ durch pauschale<br />

Forderungen nach „Einfachberufen“, „theoriegeminderten Be-<br />

<strong>Bildung</strong>, <strong>Qualifizierung</strong> <strong>und</strong> <strong>Wissenschaft</strong><br />

247


4.5 Risikogruppen am Ausbildungsstellenmarkt<br />

<strong>Bildung</strong>, <strong>Qualifizierung</strong> <strong>und</strong> <strong>Wissenschaft</strong><br />

<br />

<br />

rufen“, „Helferberufen“ oder „Benachteiligtenberufen“ nur teilweise<br />

gelöst werden können,<br />

das Selektionsprinzip des allgemein bildenden Schulsystems, das nicht<br />

nur im Rahmen der PISA-Studie kritisiert wurde, sich damit in die Berufsbildung<br />

hinein verlängert <strong>und</strong> die unzureichende Förderung dieser<br />

Jugendlichen weiter fortgesetzt wird,<br />

folgende Tatsache außer Acht gelassen wird: Das bestehende System der<br />

Ausbildungsberufe enthält bereits ein sehr breites Spektrum an Berufen<br />

mit sehr unterschiedlichen Anforderungen.<br />

Die <strong>Arbeitskammer</strong> empfiehlt daher folgende zielführende Lösungen:<br />

<br />

<br />

<br />

Die Landesregierung sollte alle Anstrengungen darauf konzentrieren,<br />

schlechte bzw. nicht vorhandene Schulabschlüsse sowie erschwerte <strong>und</strong><br />

sozial ausgrenzende Lebenslagen zu reduzieren, wenn möglich zu vermeiden.<br />

Damit könnte die Gruppe leistungsschwächerer Jugendlicher<br />

von Anfang an so klein wie möglich gehalten werden. Dazu gehören u.a.<br />

die Abkehr vom Vorrang der Selektion im allgemein bildenden Schulsystem,<br />

die bereits im vorschulischen Bereich beginnende Förderung von<br />

Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen, eine in qualitativer Hinsicht verbesserte schulische<br />

Ganztagsbetreuung sowie eine intensive sozialpädagogische Betreuung<br />

<strong>und</strong> Begleitung in allen Schulformen.<br />

B<strong>und</strong>esweit erfolgreiche Projekte der Integration „benachteiligter Jugendlicher“<br />

im Saarland zu praktizieren. Beispielhaft erwähnt sei hier<br />

das bereits von der <strong>Arbeitskammer</strong> im Landesausschuss für Berufsbildung<br />

angeregte Projekt „Integration benachteiligter Jugendlicher in den ersten<br />

Ausbildungsstellenmarkt (PIA)“. Hierbei handelt es sich um ein von<br />

der IG-Metall-Bezirksleitung Baden-Württemberg in Kooperation mit<br />

dem Arbeitgeberverband Südwestmetall sowie aus Mitteln der Zukunftsoffensive<br />

III des Landes Baden-Württemberg finanziertes Projekt,<br />

bei dem lernschwächeren <strong>und</strong> benachteiligten Jugendlichen die Gelegenheit<br />

gegeben wird, durch besondere Förderung die volle berufliche<br />

Handlungsfähigkeit zu erwerben.<br />

Die weitere Umsetzung des im Jahre 2001 von einer Expertengruppe<br />

im Rahmen der Arbeitsgruppe „Standortpolitischer Dialog“ der Saar-<br />

Gemeinschaftsinitiative im Konsens erarbeiteten Papiers zur „Verbesserung<br />

der Ausbildungsfähigkeit“. Das Papier enthält nach Auffassung<br />

der <strong>Arbeitskammer</strong> eine Reihe von Punkten, die es im Hinblick auf die<br />

Verbesserung der Ausbildungsfähigkeit junger Menschen umzusetzen<br />

gilt.<br />

248


4.5 Risikogruppen am Ausbildungsstellenmarkt<br />

Mädchen sind erneut die Verlierer der Ausbildungsr<strong>und</strong>e 2004<br />

Die <strong>Bildung</strong>sbeteiligung <strong>und</strong> das <strong>Bildung</strong>sniveau von Mädchen <strong>und</strong> jungen<br />

Frauen sind in den letzten Jahrzehnten deutlich gestiegen. Seit Beginn der<br />

neunziger Jahre haben junge Frauen bei den allgemeinbildenden Schulabschlüssen<br />

die männlichen Schulabsolventen überholt. Sie machen häufiger<br />

Abitur <strong>und</strong> verlassen seltener die allgemeinbildenden Schulen mit einem<br />

Hauptschulabschluss oder ohne Schulabschluss. Auch in den Schulleistungen<br />

<strong>und</strong> beim Vergleich der Erfolgsquoten in der beruflichen Ausbildung liegen<br />

Frauen vielfach vorn.<br />

<br />

<br />

<br />

Trotz dieser positiven Entwicklungen im Schulwesen gilt es aber nach wie<br />

vor, bestehende Benachteiligungen der Frauen in der Berufswelt sowie<br />

im Beschäftigungssystem abzubauen. Sowohl beim Berufsstart, als auch<br />

in der beruflichen Entwicklung können Frauen ihre hohen Qualifikationen<br />

noch immer nicht in vollem Umfang adäquat umsetzen. Bei ihrer<br />

Ausbildungs- <strong>und</strong> Berufswahlentscheidung müssen sich Mädchen <strong>und</strong><br />

Frauen weiterhin mit einem teilweise segmentierten Ausbildungs- <strong>und</strong><br />

Arbeitsmarkt (sog. „Frauen“- <strong>und</strong> „Männerberufe“) auseinandersetzen.<br />

Trotz hoher Qualifikation sind Frauen in Führungs- <strong>und</strong> Entscheidungspositionen<br />

noch immer unterrepräsentiert. Damit ist ihr Einfluss auf die<br />

Gestaltung zukünftiger Verhältnisse in Beruf, Gesellschaft <strong>und</strong> Alltagsleben<br />

erheblich eingeschränkt.<br />

Diese geschlechtsspezifische Differenzierung basiert auf tradierten, auch<br />

heute noch gepflegten Verhaltensmustern <strong>und</strong> Einstellungen. Einfluss<br />

nehmen aber auch „Signale“ des Arbeitsmarktes, der Frauen in männerdominierten<br />

Branchen im Allgemeinen geringere berufliche Chancen<br />

verspricht. Notwendige Änderungen in den Einstellungen einerseits <strong>und</strong><br />

der betrieblichen Personalpolitik andererseits bedingen sich daher wechselseitig.<br />

Beide Aspekte beeinflussen nach wie vor den gesamten Berufswahlprozess.<br />

Hinzu kommt, dass junge Frauen im Gegensatz zu Männern<br />

ihren Beruf häufig in Bezug auf die „Vereinbarkeit von Familie <strong>und</strong><br />

Beruf“ auswählen. Die damit verb<strong>und</strong>ene Einschränkung des Berufsspektrums<br />

führt häufig zu einer begrenzten Karriereplanung.<br />

Technische Berufe sowie Berufe im Bereich der Informationstechnologien<br />

bieten attraktive Karriere- <strong>und</strong> Verdienstmöglichkeiten – für beide<br />

Geschlechter. Bis heute sind diese Zukunftsberufe jedoch eine Männerdomäne.<br />

Junge Frauen sind überwiegend in kaufmännischen Berufen,<br />

medizinischen Assistenzberufen <strong>und</strong> im Dienstleistungssektor präsent.<br />

R<strong>und</strong> die Hälfte der Mädchen konzentriert sich dabei weiterhin auf<br />

nur sechs Ausbildungsberufe (Bürokauffrau, Kauffrau im Einzelhandel,<br />

Arzthelferin, Friseurin, Verkäuferin <strong>und</strong> Industriekauffrau). Eine Rang-<br />

<strong>Bildung</strong>, <strong>Qualifizierung</strong> <strong>und</strong> <strong>Wissenschaft</strong><br />

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4.5 Risikogruppen am Ausbildungsstellenmarkt<br />

<strong>Bildung</strong>, <strong>Qualifizierung</strong> <strong>und</strong> <strong>Wissenschaft</strong><br />

folge, die seit Jahren nahezu unverändert geblieben ist. Im Jahr 2002 waren<br />

von den IT-Auszubildenden nur 14 Prozent weiblich. In naturwissenschaftlichen<br />

<strong>und</strong> technischen Studiengängen sind Frauen deutlich<br />

unterrepräsentiert.<br />

Wie schwierig die Situation für die Mädchen <strong>und</strong> jungen Frauen insgesamt<br />

ist, belegen nicht zuletzt die Daten des Ausbildungsstellenmarktes. Nach<br />

teilweise geringfügigen Verbesserungen der vergangenen Jahre ist die Quote<br />

der bei der B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit, Regionaldirektion Rheinland-Pfalz-<br />

Saarland gemeldeten Bewerber/innen um eine Ausbildungsstelle zuletzt<br />

wieder rückläufig gewesen. Nachdem sie im Jahr 2003 um1,3 Prozentpunkte<br />

auf 48,2 Prozent gesunken war, blieb ihr Anteil im vergangenen Jahr mit<br />

48,3 Prozent konstant. Während sich zum 30. September der Anteil der unvermittelt<br />

gebliebenen jungen Frauen von 50,6 Prozent in 2003 auf 48,3 Prozent<br />

in 2004 verbesserte, gab es jedoch mit 48,9 Prozent zum 31.12.2004<br />

wieder eine Verschlechterung.<br />

Angesichts der Tatsache, dass die schulischen Abschlüsse bei jungen Frauen<br />

im Durchschnitt besser <strong>und</strong> höher sind als bei jungen Männern, ist eine Quote<br />

von r<strong>und</strong> 50 Prozent bei den Unvermittelten wenig verständlich <strong>und</strong> kann<br />

folglich nicht akzeptiert werden. Einer der Gründe hierfür dürfte darin liegen,<br />

dass Mädchen sich bei ihrer Berufswahl – noch mehr als Jungen – auf<br />

nur wenige ausgewählte Ausbildungsberufe beschränken.<br />

Die Qualifikationspotenziale der Mädchen <strong>und</strong> jungen Frauen sind noch<br />

nicht in voller Breite erschlossen. Insgesamt muss es darauf ankommen, das<br />

Berufsspektrum für Frauen zu erweitern, damit sie die ganze Palette beruflicher<br />

Möglichkeiten in ihre Berufswahlentscheidung einbeziehen können.<br />

Dabei hat eine anschließende Beschäftigung eine hohe Bedeutung.<br />

Für zukünftige Gestaltungsprozesse, wirtschaftliche Erfolge, gesellschaftliche<br />

Entwicklung <strong>und</strong> Innovation werden aber die Kompetenzen <strong>und</strong> Fähigkeiten<br />

aller benötigt. Beschränkungen durch einengende traditionelle<br />

Geschlechterrollen <strong>und</strong> entsprechende Einflüsse in Familie, Schule, Medien<br />

<strong>und</strong> sozialem Umfeld sind dabei zu überwinden.<br />

Um das Qualifikationspotenzial von Frauen, insbesondere für naturwissenschaftliche<br />

<strong>und</strong> technische Berufe, besser zu erschließen, sind gezielte Maßnahmen<br />

erforderlich. Wichtige Ansatzpunkte hierfür sind u.a. eine verbesserte<br />

Gestaltung des mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterrichts in<br />

der Schule <strong>und</strong> der immer stärkere Beachtung findende „Girls-Day“ (Mädchen-Zukunftstag),<br />

bei dem Unternehmen <strong>und</strong> Betriebe, Behörden <strong>und</strong> wissenschaftliche<br />

Einrichtungen ihre Labors, Büros <strong>und</strong> Werkstätten öffnen, um<br />

Mädchen für Technik, IT <strong>und</strong> Naturwissenschaften zu begeistern. Der von<br />

250


4.5 Risikogruppen am Ausbildungsstellenmarkt<br />

der B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit, Regionaldirektion Rheinland-Pfalz-Saarland<br />

bis zum Jahre 2003 durchgeführte mädchenspezifische Computerworkshop<br />

„Find’s raus mit der Maus“ wurde beendet <strong>und</strong> soll – so die Überlegungen<br />

– in anderer Form <strong>und</strong> mit anderer Konzeption fortgesetzt werden.<br />

Darüber hinaus brauchen Mädchen <strong>und</strong> junge Frauen positive Vorbilder,<br />

wenn es darum geht, traditionelle Rollen- <strong>und</strong> Karrieremuster zu überwinden.<br />

Ausbildungssituation jugendlicher Migranten/innen nach wie vor<br />

unzureichend<br />

Die Chancen junger Menschen aus Migrantenfamilien auf eine berufliche<br />

Erstausbildung <strong>und</strong> damit auch ihre Aussichten auf eine berufliche Integration<br />

haben sich auch im Saarland in den letzten Jahren nicht nachhaltig<br />

verbessert – im Gegenteil. Seit einiger Zeit entwickelt sich der Anteil junger<br />

Menschen ausländischer Herkunft in einer beruflichen Ausbildung rückläufig<br />

bzw. stagniert – obgleich Schulabgänger aus Migrantenfamilien großes<br />

Interesse an einer Ausbildung haben.<br />

Die Gründe, weshalb Jugendliche mit Migrationshintergr<strong>und</strong> beim Zugang<br />

zu einer beruflichen Qualifikation scheitern, sind vielfältig. Meist gibt es auch<br />

keine monokausale Erklärung für die Schwierigkeiten <strong>und</strong> die geringen Chancen<br />

von Jugendlichen ausländischer Herkunft beim Zugang zu einer Ausbildung,<br />

sondern mehrere Ursachen in unterschiedlichen Ausprägungen.<br />

<br />

<br />

<br />

Zunächst einmal ist die Gruppe jugendlicher Migranten äußerst heterogen.<br />

Neben Kindern ehemaliger „Gastarbeiter“ zählen hierzu Aussiedler,<br />

Ausländer aus europäischen (EU)-Ländern <strong>und</strong> außereuropäischen<br />

Ländern sowie Flüchtlinge.<br />

Neben der <strong>Bildung</strong>sferne der Eltern <strong>und</strong> den sozioökonomischen Verhältnissen<br />

beeinflussen das kulturelle Klima, das in der Familie <strong>und</strong> deren<br />

Umfeld herrscht, das deutsche Sprachverständnis, die kognitiven Fähigkeiten<br />

<strong>und</strong> die Intelligenz von Ausländerkindern deren Entwicklung.<br />

Je „ethnischer“ das Umfeld ist, desto schlechter schneiden sie in der Schule<br />

ab.<br />

Ein zentrales Ergebnis der PISA-Studie war die Feststellung, dass in keinem<br />

anderen Land schulische Leistungen <strong>und</strong> soziale Herkunft so eng<br />

aneinander gekoppelt sind wie in Deutschland. Die Chancenungleichheit<br />

trifft daher in besonderem Maße Kinder <strong>und</strong> Jugendliche aus Migrantenfamilien,<br />

da diese in ihrer Mehrheit eher in schlechter entlohnten<br />

Bereichen arbeiten.<br />

<strong>Bildung</strong>, <strong>Qualifizierung</strong> <strong>und</strong> <strong>Wissenschaft</strong><br />

251


4.5 Risikogruppen am Ausbildungsstellenmarkt<br />

<strong>Bildung</strong>, <strong>Qualifizierung</strong> <strong>und</strong> <strong>Wissenschaft</strong><br />

<br />

Der Mangel an differenzierenden Förderansätzen in der Schule bedingt<br />

zusammen mit monokulturellen Selektionsmechanismen eine ungünstige<br />

Ausgangslange für Jugendliche mit Migrationshintergr<strong>und</strong>. Eine<br />

Untersuchung der Bielefelder Schulen belegt, dass sich mangelnder<br />

Schulerfolg von Migrantenkindern überwiegend auf Benachteiligungen<br />

durch die Institution Schule zurückführen lässt. Im Zusammenhang mit<br />

den Benachteiligungen im schulischen Bereich sind auch die sprachlichen<br />

Schwierigkeiten von Jugendlichen mit Migrationshintergr<strong>und</strong> zu sehen.<br />

Der schulische <strong>Bildung</strong>s(miss)erfolg junger Migranten bietet aber ungeachtet<br />

der alarmierenden Ergebnisse von PISA keine ausreichende Erklärung für<br />

ihre Schwierigkeiten beim Zugang zu einer Berufsausbildung. Die bei einer<br />

Teilgruppe der Jugendlichen mit Migrationshintergr<strong>und</strong> tatsächlich vorhandenen<br />

Defizite in der schulischen Vorbildung sowie eventuelle sprachliche<br />

Probleme – vor allem im fachsprachlichen Bereich – erklären nicht den<br />

stagnierenden Zugang dieser Jugendlichen zu einer Berufsausbildung.<br />

<br />

Vielmehr ist es vor allem der seit Jahren auch im Saarland bestehende<br />

Mangel an Ausbildungsplätzen, der zu einem Wettbewerb um die knappen<br />

Plätze führt <strong>und</strong> damit zu einer Verdrängung jugendlicher Migranten.<br />

Gerade diese jedoch sind für eine berufliche Ausbildung aufgr<strong>und</strong><br />

ihrer schulischen Abschlüsse, des vergleichsweise geringen Zugangs zum<br />

schulischen Teil des Ausbildungssystems bzw. zu einer Hochschule verstärkt<br />

auf eine betriebliche Ausbildung im dualen System angewiesen.<br />

Hinzu kommt, dass den jungen Migranten häufig informelle Netzwerke<br />

fehlen, die den Zugang zu Betrieben erleichtern. Es sind aber z.T. auch<br />

die in Großbetrieben verwendeten angeblich „kulturneutralen“ Einstellungstests<br />

<strong>und</strong> Kompetenzfeststellungsverfahren, die ihnen den Zugang<br />

zur betrieblichen Ausbildung erschweren. Auch Vorbehalte <strong>und</strong><br />

mangelnde Interessiertheit in Betrieben <strong>und</strong> Verwaltungen sind eine der<br />

Ursachen für den schwierigen Zugang von ausländischen Jugendlichen<br />

zu einer betrieblichen Ausbildung.<br />

Das Spektrum der Ausbildungsberufe, in die Jugendliche ausländischer Herkunft<br />

einmünden, ist schmaler als bei deutschen Alterskollegen. Sie sind<br />

schwerpunktmäßig in den von deutschen Jugendlichen weniger nachgefragten<br />

sowie in Berufen mit schlechteren Arbeitsbedingungen, <strong>und</strong> oftmals<br />

geringeren Übernahme- wie Aufstiegschancen anzutreffen. Ihre berufliche<br />

Ausbildung konzentriert sich auf einige wenige Berufe. Bei jungen Frauen<br />

ist diese Konzentration noch ausgeprägter. Diese Begrenzung kann nicht<br />

nur auf eingeschränkte Berufswünsche oder mangelndes Engagement bei<br />

der Suche nach einem Ausbildungsplatz zurückgeführt werden. Sie ist offenbar<br />

auch eine Folge von Ausgrenzung <strong>und</strong> Diskriminierung bzw. von Desinteresse<br />

seitens der Betriebe <strong>und</strong> Verwaltungen.<br />

252


4.5 Risikogruppen am Ausbildungsstellenmarkt<br />

Männliche Auszubildende ausländischer Nationalität werden vor allem in<br />

Berufen des Handwerks ausgebildet (als Kraftfahrzeugmechaniker, Maler<br />

<strong>und</strong> Lackierer <strong>und</strong> Gas- <strong>und</strong> Wasserinstallateur). Junge Frauen wählen vor<br />

allem eine Ausbildung zur Friseurin, Arzt-/Zahnarzthelferin, als Verkäuferin<br />

oder Kauffrau im Einzelhandel.<br />

Nur selten werden Mehrsprachigkeit <strong>und</strong> die Kenntnis einer anderen Kultur<br />

bei Einstellungen als Vorteil gewertet. Statt muttersprachliche Kompetenzen<br />

<strong>und</strong> interkulturelle Fähigkeiten z.B. in Arbeitsfeldern mit internationalem<br />

Bezug (Beratung ausländischer K<strong>und</strong>en, Gewinnung neuer Geschäftsfelder)<br />

zu nutzen, wird dem Migrationshintergr<strong>und</strong> der Bewerber/innen<br />

in der Regel keine berufliche Bedeutung zugemessen. Offensichtlich<br />

fehlen bisher aber auch differenzierte Erkenntnisse, über welche spezifischen<br />

Kompetenzen Jugendliche <strong>und</strong> Erwachsenen mit ausländischer Herkunft<br />

verfügen <strong>und</strong> wie diese Potentiale gezielt eingesetzt werden könnten.<br />

Jugendliche ausländischer Nationalität sind in der beruflichen Ausbildung<br />

weit unter ihrem Bevölkerungsanteil vertreten. Betrug der Anteil ausländischer<br />

Jugendlicher an der Gesamtheit aller abgeschlossenen Ausbildungsverträge<br />

vor 10 Jahren (1995) im Saarland noch 6,9 Prozent (1.258 Jugendliche),<br />

so ist er zwischenzeitlich deutlich gesunken. Im vergangenen Jahr waren nur<br />

noch 4,4 Prozent (940 Jugendliche) der Ausbildungsverträge von Jugendlichen<br />

mit ausländischer Herkunft abgeschlossen. Bei einem Bevölkerungsanteil von<br />

9,9 Prozent bei den 15 bis 22-Jährigen sowie einer Schulabgängerquote von<br />

8,1 Prozent ist – nach Angaben der Regionaldirektion Rheinland-Pfalz-Saarland<br />

– der Anteil ausländischer Jugendlicher unter den Bewerber/innen mit<br />

7,7 Prozent (2003: 7,9 Prozent) erneut weiter zurückgegangen. Mit 8,5 Prozent<br />

ist ihr Anteil an den am 30. September unversorgt gebliebenen Jugendlichen<br />

gegenüber dem Vorjahr (9,0 Prozent) zwar etwas besser geworden,<br />

er liegt aber deutlich über dem Anteil der Bewerber/innen. In allen Ausbildungsbereichen<br />

werden Jugendliche ausländischer Herkunft im Vergleich<br />

zu ihrem Bevölkerungsanteil unterdurchschnittlich ausgebildet. Nach wie vor<br />

ist es jedoch der öffentliche Dienst, dessen Ausbildungsleistung am geringsten<br />

ist.<br />

Angesichts des erschreckend hohen Anteils junger Erwachsener ausländischer<br />

Herkunft ohne abgeschlossene Berufsausbildung, sowie im Blick auf<br />

die demografisch bedingte Notwendigkeit, qualifizierten Nachwuchs auszubilden,<br />

müssen „brachliegende“ <strong>Qualifizierung</strong>spotenziale besser genutzt<br />

<strong>und</strong> durch eine <strong>Qualifizierung</strong>soffensive systematisch entwickelt werden.<br />

Zur Verbesserung der Ausbildungsmöglichkeit für Jugendliche mit Migrationshintergr<strong>und</strong><br />

empfiehlt die <strong>Arbeitskammer</strong> verschiedene bildungspolitische<br />

Maßnahmen, die in <strong>Kapitel</strong> 4.4 beschrieben sind.<br />

<strong>Bildung</strong>, <strong>Qualifizierung</strong> <strong>und</strong> <strong>Wissenschaft</strong><br />

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