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Diese Arbeit Ist Unter Zugrundelegung Der Konventionellen ...

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Die Skins waren wieder da! Acht Jahre nach der großen Zeit der working class<br />

skinheads waren wieder – und nicht bloß in Großbritannien – martial aussehende<br />

Jugendliche auf den Straßen unterwegs, die zu allem Überfluß auch noch<br />

eine Glatze trugen. Seit jeher hat die Glatze Symbolkraft: 24<br />

[Sie steht] in einer alten Tradition totaler Institutionen und totalitäter Regimes.<br />

Militärs, Gefängnis, Zuchthaus sind Instanzen, die ihre Moral und die<br />

Ohnmacht ihrer Opfer mit der Schere unter Beweis stellen. Das Haaranschneiden<br />

als Strafe und Demütigung ist alt und wird schon in den Grimmschen<br />

Rechtsaltertümern als germanischer Usus aufgegriffen. Das lange und unbeschnittene<br />

Haar dient den Germanen als Zeichen der Freien. Den Knechten und<br />

Sklaven wurden die Haare geschoren zum Zeichen dafür, daß sie in der Obhut<br />

eines Höheren standen.<br />

Wehrverpflichtete, Knechte und Sklaven stehen ohne eigene Willensentscheidung<br />

in der Obhut eines Höheren. Soldaten, die ihren Dienst freiwillig<br />

leisten, Gläubige, die einer Ordensgemeinschaft beitreten und Jugendliche, die<br />

sich als Außenseiter fühlen, begeben sich mit ihrem eigenen Willen und ohne<br />

Zwang in eine Gesellschaft, in der sie höhere Güter, Werte, Ziele sehen und sich<br />

denen unterordnen. Auf allgemeinen Konsens dürfte stoßen, daß der Zwang,<br />

der zum Verlust des Individualitätskennzeichen „Haare“ der erstgenannten<br />

Gruppe führt, ethisch abzulehnen ist. Das Aussehen eines anderen Menschen<br />

gegen seinen Willen zu verändern ist Gewalt! In diesem grundsätzlichen ethischen<br />

Konflikt befand sich die Bundeswehr zu Beginn der ’70er Jahren, nachdem<br />

Wehrpflichtige gegen das Bundesverteidigungsministerium geklagt hatten<br />

und der Armeeführung Verfassungsbruch vorwarfen. Dies mag nur eine Fußnote<br />

der deutschen Militärgeschichte sein und die deswegen aus Steuergeldern<br />

angeschafften stahlhelmtauglichen Haarnetze sind inzwischen längst in den<br />

Kleiderkammern der Standortverwaltungen verstaubt – doch wirft dieses Detail<br />

ein deutliches Licht auf Akzeptanz und Respektanz der Individualität des<br />

jeweils anderen. Oder, um Rosa Luxemburg zu bemühen: „Freiheit ist immer<br />

die Freiheit des Andersdenkenden“. Wo beginnt Faschismus? Eine fürwahr<br />

„haarige“ Angelegenheit…<br />

Voller Verachtung schauten die wenigen übriggebliebenen Skins und ihre<br />

genauso wenigen Söhne im Geist von ’69, auf diejenigen, die die Symbole ihres<br />

Stolzes in den Dreck zogen: geschorener Schädel und robuste Stiefel, aber ein<br />

Attitüde, vor der jedes Mütterchen das Weite suchte und eine Totalverweigerung,<br />

deren Finanzierung den Eltern oder dem Sozialamt oblag. Die „Streetpunks“,<br />

zu denen hier eben auch die jungen Glatzen gezählt werden müssen,<br />

24<br />

Utz, Jeggle: Schere und Macht, Haare und Potenz. In: Bagus, Kim und Franz Josef Görtz (Hrsg.):<br />

Glatze, Zopf und Dauerwelle. Ein haariges Leesebuch. Leipzig, 1996, S. 147; zit. nach: Farin, Klaus:<br />

Die Skins, S. 23

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