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Ehrgeiz. Erfolg. Erfahrung. - St. Galler Tagblatt

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freitag, 19. juli 2013 lehrabschluss<br />

9<br />

in seiner dreijährigen Müllerlehre hat Diya Al Hosseini an Muskeln zugelegt: Einen 30­Kilo­Futtersack packt er inzwischen ganz locker auf die Schultern.<br />

Bilder: Christian Bauer<br />

Zwischen Landwirt und Mechaniker<br />

Diya Al Hosseini hat diesen<br />

Sommer als einziger im Kanton<br />

<strong>St</strong>.Gallen die Lehre zum Futtermüller<br />

abgeschlossen. Was ihm<br />

an diesem seltenen Beruf gefällt<br />

und was weniger, verrät er auf<br />

einem Rundgang durch seinen<br />

Lehrbetrieb.<br />

SANDRA METZGER<br />

Ein intensiver, süsslich­herber Duft<br />

von frisch verarbeitetem Getreide<br />

steigt den Besuchern schon auf dem<br />

Parkplatz in die Nase. Drinnen in<br />

der Mühle werden die Ohren strapaziert.<br />

Die Mahlwerke, Flockierungs­,<br />

Dampfpress­ und Förderanlagen<br />

rattern und dröhnen, frisch<br />

gemahlenes, zu Würfeln gepresstes<br />

oder flockiertes Getreide jagtdurch<br />

Leitungen in die Abpackung. Die<br />

Tierfutterproduktion in der Biomühle<br />

Arnegg läuft auf Hochtouren.<br />

«Wenns gut läuft, produzieren<br />

wir 120 Tonnen Futter pro Tag – für<br />

Schweine, Rinder, Pferde, Ziegen,<br />

Hühner und Hasen», sagt Diya Al<br />

Hosseini. SeinLieblingstier ist zwar<br />

die Katze. Aber er hat sich vor gut<br />

drei Jahren ja nicht wegen den Tieren,<br />

sondern wegen seiner Begeisterung<br />

für Maschinen und die Natur<br />

für eine Lehre als Müller EFZ,<br />

Fachrichtung Futtermüller, entschieden.<br />

«Es ist ein Beruf zwischen<br />

Landwirtund Mechaniker, für mich<br />

eine gute Mischung», sagt der<br />

19jährige <strong>St</strong>.<strong>Galler</strong> mit libanesischen<br />

Wurzeln.<br />

Gerade wird per Kettenförderer<br />

Hühnerfutter in einen Lastwagen<br />

gefüllt. «Es besteht aus Mais, Soja,<br />

Weizen, Sonnenblumenkuchen,<br />

Grasmehl, Kleie und aus Mineralstoffen»,<br />

sagt Diya Al Hosseini, der<br />

den Vorgang am Computer überwacht.<br />

Seine Blicke schweifen über<br />

die Diagramme auf dem Bildschirm.<br />

Diese zeigen nicht nur die<br />

Füllmenge an, sondern auch die<br />

Rezepturdes Futters und inwelcher<br />

Silozelle die verschiedenen Produkte<br />

lagern. Zu sehen ist auch der laufende<br />

Mahl­ und Mischprozess.<br />

«Seit einem Jahr läuft bei uns fast<br />

alles computergesteuert, nach<br />

eingescanntem Auftrag», sagt der<br />

junge Mann und checkt nochmals<br />

die Einfüllmenge.<br />

Kräftig anpacken können<br />

Trotz moderner Technologie:Als<br />

Futtermüller muss Diya Al Hosseini<br />

genau wissen, wie die Rohprodukte<br />

aufbereitet und gemischt<br />

werden und was ihre Eigenschaften<br />

sind. Und: Er muss auch selber<br />

Hand anlegen. So legt er für den<br />

Reinigungs­ und Mahlvorgang die<br />

passenden Siebe ein – «je nach<br />

Lehre Müllerin/Müller<br />

Dauer: Drei Jahre<br />

Fachrichtungen: Lebensmittel,<br />

Tiernahrung<br />

Schulische Bildung: Als einziger<br />

Ort inder Deutschschweiz bietet<br />

das BZ Uzwil­FlawilinFlawildie<br />

schulische Ausbildung zum Müller<br />

an. Jährlich erlernt schweizweit<br />

nur rund ein Dutzend<br />

Jugendlicher diesen Beruf.<br />

Gemäss Roger Hollenstein, Fachbereichsleiter<br />

Müllerei des BZ,<br />

seien Müller international gefragte<br />

Leute, hätten also gute<br />

Chancen auf dem Arbeitsmarkt.<br />

Auch an Ausbildungsplätzen<br />

mangelt es derzeit nicht: Gemäss<br />

Schweizerischem VereinArbeitswelt<br />

Müller/in gibt es rund 60<br />

Müllerei­Lehrbetriebe – alleinin<br />

der Deutschschweiz rund 20 Futter­<br />

und 30 Lebensmittelmühlen–,<br />

die Lehrstellen anbieten.<br />

Berufsbezogene Fächer: Waren<br />

annehmen und bewirtschaften,<br />

Getreideerzeugnisse/Tiernahrung<br />

herstellen, Qualität, Hygiene,<br />

Unterhalt, Arbeitssicherheit,<br />

Umweltschutzsicherstellen, vier<br />

Blockkurse à 2–3 Wochen/Jahr,<br />

sechs überbetriebliche Kurse<br />

Voraussetzung/Anforderungen:<br />

Abgeschlossene Volksschule,<br />

Freude an Naturprodukten, Interesse<br />

an biologischen, physikalischen<br />

und chemischen Vorgängen,<br />

Interesse am Umgang<br />

mit Maschinen, Geschicklichkeit,<br />

technisches Verständnis,<br />

gute Beobachtungsgabe, Entscheidungsfähigkeit,<br />

Hygienebewusstsein,<br />

kräftige Konstitution,<br />

gute Gesundheit (keine Allergien),<br />

guter Geruchssinn, gutes<br />

Sehvermögen, Bereitschaft zu<br />

unregelmässiger Arbeitszeit<br />

Weiterbildung: Zusatzlehre in<br />

der 2. Fachrichtung (1 Jahr), Müllereitechniker,<br />

Mischfuttertechniker,<br />

Dipl. Techniker HF oder<br />

Bachelor of Science (FH) in Lebensmitteltechnologie<br />

(seg)<br />

Kornart und gewünschtem Mahlungsgrad»<br />

– oder die Matrizen zur<br />

Würfelpressung. Er erledigtzudem<br />

kleine Reparaturen, füllt Futtersäcke<br />

ab, verlädt sie mit dem <strong>St</strong>apler.<br />

Oder er muss – was ihm jedoch keine<br />

Freude bereitet – «jeweils die<br />

ganze Mühle putzen». Doch Sauberkeit<br />

sei wichtig, um Schädlinge<br />

zu vermeiden.<br />

Handwerk ist auch in der Mischerei<br />

gefragt. Dutzende Eimer mit<br />

Futterzusätzen stehen bereit. «Hier<br />

haben wir Paprikaflocken. Hühner<br />

fressen diese sehrgerne», sagt Diya<br />

Al Hosseini. Auch Vitamin C, Bierhefe<br />

oder Kalk werden je nach Rezeptur<br />

von Hand abgewogen und<br />

beigegeben. Die Zusammensetzung<br />

und <strong>St</strong>ruktur des Futters ist<br />

für jedes Tier anders: «Schweinen<br />

zum Beispiel bekommen ganze Getreidekörner<br />

nicht, sie können diese<br />

nicht verdauen.» Kühe, Schafe<br />

und Ziegen als Wiederkäuer benötigten<br />

eher grobfaserige <strong>St</strong>rukturen.<br />

Im Labor prüfen<br />

Per Lastwagen und per Bahn<br />

wird wöchentlich Rohware wie<br />

Mais, Roggen, Gerste, Soja, Sonnenblumenkerne<br />

oder Raps aus biologischem<br />

Anbau zur Verarbeitung in<br />

die Biomühle Arnegg angeliefert.<br />

Vor der Einlagerung in die Silos<br />

muss die Ware geprüft werden. In<br />

zügigen Schritten führt Diya Al<br />

Hosseini den Besuch ein paar<br />

<strong>St</strong>ockwerke hoch. Hier im Labor<br />

steht ein Feuchtigkeitsmessgerät<br />

bereit. «Mais darf nicht mehr als 14<br />

Prozent Feuchtigkeit enthalten,<br />

sonst ist er nicht lagerfähig», erklärt<br />

der junge Mann. Hier wird aber<br />

auch während der Produktion kontrolliert,<br />

dass die Würfel für die<br />

Hühner nicht zu fein oder zu grob<br />

werden und das Futter keinen zu<br />

grossen <strong>St</strong>aubanteil enthält, sprich,<br />

dass die Qualität stimmt.<br />

Eher der Praktiker<br />

Das theoretische Wissen dazu<br />

hat sich Diya AlHosseiniamBerufsund<br />

Weiterbildungszentrum Uzwil­<br />

Flawil angeeignet. Zusammen mit<br />

nur zwölf Lernenden aus den Kantonen<br />

Bern, Obwalden, Aargau,<br />

Zürich und Thurgau drückte er<br />

während vier Blockkursen an zwei<br />

bis drei Wochen pro Jahr die Schulbank.<br />

Da er imdritten Lehrjahrmit<br />

seinen Eltern von <strong>St</strong>.Gallen nach<br />

Zürich zügelte, wohnte er ab dann<br />

während der Kurse imschuleigenen<br />

Internat. «Das Essen hat mir dort<br />

zwarnicht so geschmeckt. Aber ich<br />

musste dafür nicht wie zur Arbeit<br />

schon um fünf aufstehen», sagt er<br />

und lächelt. Die Schule selbst sei<br />

aber sehr spannend gewesen.<br />

Trotzdem sieht sich Diya AlHosseinieher<br />

als Praktiker. <strong>St</strong>olz macht<br />

ihn, dass er nun alle Maschinen<br />

selbst bedienen könne und fitter<br />

geworden sei. Und natürlich, dass<br />

sich das Lernen gelohnt hat und er<br />

diesen Sommer als einziger imKanton<br />

<strong>St</strong>.Gallen das Fähigkeitszeugnis<br />

zum Müller einsacken durfte.<br />

Futterzusätze wie salz werden von Hand abgewogen und beigemischt. Mit dem sieb kann der Feinheitsgrad der Mahlung bestimmt werden. Mit hilfe der absackmaschine wird das fertige Tierfutter verpackt.

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