"Utharion Winterbruch" (Kurzgeschichte von Michi)
"Utharion Winterbruch" (Kurzgeschichte von Michi)
"Utharion Winterbruch" (Kurzgeschichte von Michi)
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keinen traumlosen Schlaf. Und obwohl er schwer auf mir liegt sehe ich den Dampf aus<br />
Gileans Visir aufsteigen. Beobachte den Kettenkragen, der schon nach einem Wimpernschlag<br />
in seine Plattenrüstung eingeschmolzen ist.<br />
MARBONIAN!!!??<br />
Schweißgebadet schrecke ich hoch und blicke unvermittelt in die Augen Schwingenführerin<br />
Alissas. Habe ich geschrieen? Während der heiligen Stunden des Schweigen? Dies war nicht<br />
das erste mal gewesen ...<br />
Der Ruf nach Marbonian erstickt in meinem Hals als sich Alissa wortlos zum Gehen wendet.<br />
Hatte ich Mitleid ... oder gar Verachtung in ihren Augen gesehen?<br />
Wenige Zeit später<br />
Burg Twergentrutz, Koschgebirge - 1024 BF /31 Hal<br />
Person: <strong>Utharion</strong> Winterbruch, Diener des Raben und Ritter vom Orden des Heiligen<br />
Golgari?<br />
Ohne mich umzudrehen verließ ich wenige Tage später die sichere Burg der Golgariten.<br />
Ich fühlte Yanns Augen, als er mir – und seinem Seesack, den er mir zum Abschied geschenkt<br />
hatte, hinterher blickte. Ob die Trauer den Gefährten oder seinen Pferden galt, ohne deren<br />
Begleitung ich in erbärmlichen Zustand <strong>von</strong> Burg Koschwacht zurückgekehrt war, vermochte<br />
ich nicht zu sagen. Borons süße Gnade des Vergessens hatte ich abgelehnt – ist doch meine<br />
Erinnerung alles was mir blieb und ich behüte es wie einen Schatz. So entschied die<br />
Schwingenführerin über mich ...<br />
So hatte der Orden mich entsendet meine Berufung zu finden. Besinnung möge mich leiten<br />
auf dem Weg die göttliche Ruhe zu finden und nur den Schmerz zu vergessen - dem Dunklen<br />
Gott in Schlaf und Stille wieder gefasst begegnen zu können, war meine Hoffnung. Doch<br />
zuvor galt es zurückzugeben, was mir nicht gehörte.<br />
Gileans Bruder, Boronian <strong>von</strong> Kwent war ein Diener des Rabens im Tempel zu Gareth.<br />
So zog ich hinaus und die weite Kapuze meines Umhangs tief ins Gesicht.<br />
Es hatte geregnet und die Praiosscheibe sollte nicht mehr lange am Himmel stehen.<br />
Kein guter Zeitpunkt um das Kloster zu verlassen ... hatte ich eine Wahl gehabt?<br />
Das Abendbrot hatte ich noch schweigend im Einklang mit den wenigen verbliebenen<br />
Brüdern und Schwestern der Schwinge „Rabentreu“ eingenommen, aber der Geruch <strong>von</strong><br />
verbranntem Fleisch wollte nicht aus meinen Sinnen weichen – und so hatte ich Brot und<br />
Käse lediglich an seiner Gestalt erkannt. Ja – es war an der Zeit gewesen zu gehen.<br />
Der Weg bis zur Siedlung Paßweiser sollte nicht mehr weit sein – dort würde man mir gewiss<br />
in Travias Namen bis zum nächsten morgen Unterschlupf gewähren. Die Kapuze war nass<br />
vom Regen und mir tief ins Gesicht gerutscht – der Weg voller Nebel.<br />
Stille. Mein Leben in stummer Verbundenheit zu dem Herrn. War es wirklich an der Zeit<br />
gewesen Golgari auszusenden um zu holen, was mir lieb und teuer gewesen?<br />
Herr – ich zweifle nicht an dir.<br />
Dein Sein nicht zu hinterfragen ist meine Profession. Dein Handeln zu akzeptieren mein<br />
Leben, meine ganze Existenz auf Dere. Und doch kann mich das Vergessen nicht ereilen ...<br />
Aus dem tristen Grau des Nebels dringt Gelächter an mein Ohr ... wenige Augenblicke später<br />
rollten mehrere Kastenwägen vorsichtig über den breiten Pass. Meine Augen empfingen sie,<br />
hatte ich sie doch erst spät bemerkt. Der Kutscher beachtete mich kaum – nicht jedoch der<br />
blonde Krieger, der neben ihm saß.<br />
Sein Kopf war blitzschnell in meine Richtung gezuckt als er mich wahrnahm, seine laute<br />
Stimme noch an seinen Nachbarn gerichtet, der die Zügel schwingt – des Kriegers Hand noch<br />
fest um einen Krug geschlungen.