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"Utharion Winterbruch" (Kurzgeschichte von Michi)

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seelischen Beistand den Lebenden gewährt. Als ich mich seiner Mission vor einigen Monden<br />

anschloss, hatte ich bereits in seinem Blick lesen können, dass er sein baldiges Ende geahnt<br />

hatte. Vor vielen Jahren hatte Bruder Aurelian ein Schweigegelübde zu Ehren des dunklen<br />

Herren abgelegt, doch in seinen Augen konnte ich mehr lesen als seine Stimme mir jemals<br />

hätte sagen können.<br />

Er hatte mich den „Ruf in Borons Arme“ gelehrt, wie er ihn sooft zum Gefallen unseres Herrn<br />

angewendet hatte, doch meinen Beistand abgelehnt als er die Augen zum letzten Traum<br />

schloss. Dieselben Augen, welche noch vor wenigen Stunden einen ärgerlichen Blick zum<br />

Himmel gesendet hatten, als dieser sich anschickte eine Regenwolke über unsere Häupter zu<br />

zaubern. In seinem ewigen Schlafgemach wird es keine Wolken geben.<br />

„Bruder Aurelian – dein Rad ist zerbrochen. Boron, Herr des Todes, meinen Bruder will ich<br />

dir anempfehlen, sein Wirken auf unserer Welt als dein Diener ist beendet – er verließ Dere,<br />

wie er es als Deuter des Heiligen Bishdariel erhofft hatte, im Schlaf. Möge sein letzter Traum<br />

der erfüllendste gewesen sein – möge seine Seele in deinem Schlafgemach Einzug halten und<br />

sich zur Ruhe betten. Gütiger Golgari – geleite meinen Bruder Aurelian sicher über das<br />

Nirgendmeer, so bitte ich dich. Was zu dir gehört, Herr, darf nicht länger auf Dere gehalten<br />

werden. Schenke ihm den ewigen Frieden.“<br />

<strong>Utharion</strong>s Blick fällt auf Aurelians Grab .. gleitet hinab zu seinen eigenen Stiefeln .. und<br />

verharrt einen Augenblick auf dem schwarzen Rabenschnabel an seiner Seite, bevor er sich<br />

sicheren Schritts nach Osten, Richtung Gareth wendet. Dies ist keine Zeit der Toten.<br />

Gareth - 1024 BF /31 Hal<br />

Person: Boronian (<strong>von</strong> Kwent), Diener des Raben im Tempel zu Gareth<br />

Der Rest ist Schweigen – Schweigen der Rest<br />

Er hatte seinen weissen Waffenrock nicht getragen, seine Plattenrüstung war verbeult<br />

gewesen und selbst das heilige Wappen Golgaris war achtlos herausgefeilt worden – gänzlich<br />

bis zur Unkenntlichkeit zerkratzt. Der Schild hatte seine Bespannung eingebüßt und an seinen<br />

Armkleidern konnte man sehen, dass hier einst militärische Einheitsinsignien geprankt haben<br />

mussten. Sogar der überzeugte Blick war gewichen ... seine Augen sprachen <strong>von</strong> Rastlosigkeit<br />

– und dahinter: <strong>von</strong> Angst. Seine Hand lag schwer auf dem Rabenschnabel, den er an seiner<br />

Seite trug, als müsse er sich an etwas festhalten, den kläglichen Rest den man ihm noch nicht<br />

genommen hatte. Er war seit seiner Rückkehr nur selten in den Tempel zu Gareth gekommen<br />

– fast hätte ich ihn nicht erkannt. Doch erst die zahlreichen Worte, die aus ihm<br />

heraussprudelten, sollten ihn wirklich offenbaren ...<br />

„Ich bin gekommen um die Ruhe zu finden, Bruder.“ sprach er mit gesenktem Blick. „Meine<br />

Gebete, dass unser Herr mir meinen Weg zeigen möge, wurden nicht erhört. Und doch fühle<br />

ich die schützende Hand des Unbeugsamen über mir, wie ich es niemals zuvor tat. Jedoch<br />

seine Führung erreicht mich nicht – weist mir nicht die Richtung meiner wahren Bestimmung.<br />

Möge der Bote des Todes mir verzeihen für den Frevel, den ich begehen werde. Den Pfad<br />

meines tiefen Glaubens muss ich verlassen, meinen heiligen Orden und mit ihm meine<br />

Profession verheimlichen, mein Bruder ... – auch, wenn es für die Zwölfe – für das Reich<br />

geschieht. Doch wie kann mich mein Glauben erfüllen, wenn ich ihn verleumde? Wie kann<br />

ich siegreich zurückkehren zum Stolze des Ordens, wenn mich die Ideale nicht stützen<br />

können? Wie aufsteigen in den inneren Kreis, wenn mich Golgari im dunklen Osten nicht zu<br />

finden vermag? Wie könnte er auch ... trage ich doch die Gewandung eines Ungläubigen! Ich<br />

übergebe Euch meinen Waffenrock, den weißen Ordensmantel und meine Werkzeuge des<br />

Glaubens. Schließt mich in Eure Gebete ein, Bruder – und so der Herr über mich wacht,

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