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PDF-Datei - Kirchentag 2005

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Fingern an. Die Frage: Was bringt's? ist ihm nicht geheuer. Recht so, wenn es um die<br />

Gerechtigkeit geht, die vor Gott gilt. Aber dort, wo es um innerweltliche Folgen des<br />

menschlichen Verhaltens geht, tun wir uns keinen Gefallen, wenn wir diese Frage schlecht<br />

machen.<br />

2. Man kann allerdings kein Plädoyer halten für die lebenspraktische Bedeutung des<br />

Zusammenhangs von Tun und Ergehen, ohne im nächsten Atemzug hinzuzufügen: Die<br />

Rechnungen gehen nicht glatt auf. Die Geschichten von Oliver Held und Oliver Neuville<br />

lösen Genugtuung aus. So wünscht man sich die Welt. Aber man weiß zugleich: So<br />

funktioniert sie nicht immer, ja, so funktioniert sie, gerade im Fußball, eher selten. Das<br />

menschliche Leben und das Weltgeschehen sind kein Mechanismus, den wir berechnen<br />

könnten. Wir können aus der Fülle der Erfahrungen gewisse Vermutungen und Erwartungen<br />

ableiten. Das ist auch eine große Hilfe, sich im Leben und in der Welt zu orientieren. Aber<br />

wer die Erfahrungssätze für Gesetzmäßigkeiten hält, wird leicht am Leben und an Gott irre<br />

und produziert bei anderen Enttäuschung und Verzweiflung. Es geht – Gott sei's geklagt –<br />

nicht immer gerecht zu in der Welt. Das wird mir bei Jeremias Gotthelf zu wenig spürbar.<br />

Was er in der „schwarzen Spinne“ schreibt, klingt mir zu sicher, zu ungebrochen, fast<br />

triumphalistisch. Die dunklen, undurchdringlichen Seiten des Menschenlebens, der Welt,<br />

aber gerade auch Gottes lassen sich nicht bewältigen, wenn wir die störenden<br />

Gegenerfahrungen wegerklären oder mit Gewalt in das System unserer erworbenen<br />

Überzeugungen einpassen. Wir können nur versuchen, ihnen im Maß der menschlichen<br />

Kräfte selbst standzuhalten und denen, die davon umgetrieben und angefochten werden,<br />

beizustehen.<br />

Wie sensibel wir mit der Einsicht umgehen müssen, daß ein Zusammenhang besteht<br />

zwischen Tun und Ergehen, will ich noch in einer besonderen Hinsicht entfalten. Es ist, auch<br />

medizinisch, durchaus vernünftig, eine Krankheit unter dem Gesichtspunkt eines möglichen<br />

Zusammenhangs zwischen Tun und Ergehen zu betrachten. Es gibt nicht wenige<br />

Krankheitszustände, die hervorgerufen oder jedenfalls befördert werden durch ein<br />

gesundheitsschädliches Verhalten. Insofern gehört es zu einer vernünftigen Gesundheitserziehung<br />

und allgemeinen Gesundheitsprophylaxe, auf die Gefahren hinzuweisen, die sich<br />

mit bestimmten Verhaltensweisen oder Lebensumständen verbinden. Es kann auch seinen<br />

guten Sinn haben, wenn jemand, der krank geworden ist, sich darauf besinnt, ob und wie er<br />

vielleicht selbst zum Ausbruch der Krankheit beigetragen haben könnte. Aber man bewegt<br />

sich hier in einer sehr gefährlichen Zone. Denn unversehens verstehen kranke Menschen<br />

diesen Gedankengang so, als seien sie in jedem Fall selbst schuld an ihrer Krankheit. Dann<br />

kann es passieren, daß sie nicht nur mit ihrer Krankheit, sondern mit quälenden<br />

Selbstvorwürfen zu kämpfen haben. Dabei gilt gerade auch im Blick auf Krankheit und<br />

Gesundheit: Unsere Rechnungen gehen nicht glatt auf.<br />

3. „Gerecht muß es zugehn“, sagt Astrid Lindgrens Karlsson. Es ist derselbe Karlsson, der<br />

bei der Verteilung nie genug bekommen kann. Das macht in erzählerischer Übertreibung<br />

aufmerksam auf eine charakteristische Differenz zwischen Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung.<br />

Was gerecht ist und was sie verdient haben, beurteilen die Handelnden und<br />

Redenden selbst oft auffällig anders als ein Beobachter. Nachdem ich lange genug die<br />

Dialogpartner vor dem Urteil Maleachis in Schutz genommen habe, muß ich dies doch<br />

einräumen: Besonders selbstkritisch sind sie nicht. Auf jede Vorhaltung reagieren sie erst<br />

einmal in einer Mischung von Unschuldsmiene und Gegenangriff: 'Was haben wir denn<br />

Falsches gesagt und getan?' Darum hat es auch sein Recht, wenn Maleachi die Frage, wo<br />

denn Gott sei und wann er Recht schaffe, gegen die Fragesteller selbst kehrt: Gott schafft<br />

Recht, indem er Anklage erhebt gegen alle, die finstere Machenschaften treiben.<br />

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