06.11.2013 Aufrufe

festivalzeitung ausgabe 4 vom 28. juni 2013 - 17. Internationale ...

festivalzeitung ausgabe 4 vom 28. juni 2013 - 17. Internationale ...

festivalzeitung ausgabe 4 vom 28. juni 2013 - 17. Internationale ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

schilleRs magenmeDizin<br />

MaNNheiM iSt verdaMMt Stolz auf ihN. daS theater richtet ihM eiN feStival auS uNd BedrucKt<br />

Zu SeiNeN ehreN ZahlloSe t-ShirtS Mit FragWÜrDigen Fragen. will MaN aBer die wahre<br />

geSchichte ÜBer Schiller uNd MaNNheiM erfahreN, MuSS MaN weit geN weSteN fahreN<br />

Nach, ja genau, Ludwigshafen. In den rheinfernen<br />

Ortsteil Oggersheim, genauer gesagt. Eine gute<br />

halbe Stunde Fahrt auf einem weiß auf schwarz<br />

bedruckten Schillerrad. Auf dem brachialen Betonkonstrukt<br />

der Konrad-Adenauer-Brücke über den<br />

Mannheimer Hafen und den Rhein hinweg und<br />

dann durch die Ludwigshafener Innenstadt. Über<br />

aufgeplatzten Asphalt, vorbei an Schrottplätzen und<br />

krautumwucherten Plattenbauten.<br />

Bis in den Oggersheimer Ortskern. Dort steht ein<br />

Schillerhaus, in dem Schiller wirklich gewohnt hat.<br />

Was in Mannheim „Schillerhaus“ heißt, ist nämlich<br />

nur ein ehemaliges Nachbarhaus. In Oggersheim<br />

trägt den Namen ein zweistöckiges ehemaliges Gasthaus,<br />

das heute auch die Bücherei beherbergt, die<br />

„Bischerei“, wie die Einheimischen den Weg weisen.<br />

Im kleinen Museum empfangen Senioren <strong>vom</strong> Heimatkundlichen<br />

Arbeitskreis Oggersheim den Besucher.<br />

„Sie kennen die Geschichte von Schiller, nehme<br />

ich an?“, sagt Klaudia Göbel.<br />

Dann legt sie doch los. Schiller, so in etwa lautet die<br />

Geschichte, war 1782 auf der Flucht vor dem Herzog<br />

von Württemberg und hoffte auf Geschäfte mit dem<br />

Mannheimer Nationaltheater. Der vielgepriesene<br />

Intendant Dalberg aber dachte gar nicht daran, den<br />

verarmten Dichter generös zu unterstützen. Also<br />

tauchte der enttäuschte Schiller zusammen mit seinem<br />

Freund Streicher sieben Wochen im Oggersheimer<br />

„Viehhof“ unter. Wirklich verbunden fühlte er<br />

sich dem Schauspielhaus damals nicht: „Mannheim<br />

ist schlechterdings keine Atmosphäre für mich“ und<br />

„beim Theater Dienst zu nehmen ist nicht nur unter<br />

meinem Plan, sondern auch wirklich schwer, weil es<br />

sehr erschöpft ist, verarmt und sinkt“, schrieb Schiller<br />

an einen Freund.<br />

Schillers Stube im Viehhof gibt es heute noch zu sehen.<br />

Knapp zwölf Quadratmeter, mittlerweile allerdings<br />

mit Schaukästen und Neonlicht ausgestattet.<br />

„Die originalen Möbel sind weggegeben worden,<br />

aber das Zimmer ist das gleiche“, berichtet Göbel.<br />

„In einem blauen Bett haben Schiller und Streicher<br />

gemeinsam geschlafen. Wenn ich das erzähle, lachen<br />

die Schulklassen. Aber so war das eben damals.“<br />

Von FremDen leuten<br />

nicht VergeSSen<br />

Schiller hat Spuren in Oggersheim hinterlassen. An<br />

„Fiesco“ und „Kabale und Liebe“ hat er hier gearbeitet.<br />

Und das kleine Schillerhaus besitzt „mindestens<br />

genauso viele Erst<strong>ausgabe</strong>n wie Marbach und Weimar“,<br />

betont Göbels Kollege Manfred Wendel. Der<br />

lokale Sammler Karl Schenkel habe sie 1949 erstanden.<br />

Einen handgeschriebenen Brief Schillers gibt es<br />

zu bestaunen, und, man höre und staune, ein Originalrezept<br />

für die Magenmedizin des Dichters. Alles<br />

fein säuberlich in Vitrinen verwahrt. Nach ein paar<br />

Wochen reiste Schiller ins Thüringische Bauerbach<br />

ab. Oggersheim behielt er in guter Erinnerung: „In<br />

dem Wirtshaus, wo ich im vorigen Jahr 7 Wochen gewohnt<br />

habe, bin ich auf eine Art empfangen worden,<br />

die mich recht sehr gerührt hat. Es ist etwas freudiges<br />

von fremden Leuten nicht vergessen zu werden“,<br />

schreibt er 1783 an Henriette von Wolzogen.<br />

Den Brief hat Bayerns König Ludwig I. in eine Gedenktafel<br />

am Haus meißeln lassen. Eine andere<br />

Straße zwischen Oggersheim und Mannheim ist<br />

die Mannheimer Allee. „Das war schon damals eine<br />

Allee, da ist Schiller im Schutz der Dunkelheit zum<br />

Nationaltheater marschiert“, berichtet Göbel. Erfolg<br />

habe ihm der Fußmarsch allerdings nicht gebracht:<br />

„Die Schauspieler haben bei Schillers Präsentation<br />

reihenweise den Saal verlassen. Und warum? Weil<br />

er schwäbisch geschwätzt und ihn keiner verstanden<br />

hat.“<br />

Die Oggersheimer aber verstehen die Bedürfnisse<br />

von Besuchern aus fernen Landesteilen. „Wenn Sie<br />

eine Führung durch Oggersheim wollen, melden Sie<br />

sich einfach“, sagt Wendel. „Und jetzt gehen Sie am<br />

besten ein Bier trinken.“ Nebenan steht eine Brauerei.<br />

Die habe es zwar zu Schillers Zeiten noch nicht<br />

gegeben, braue aber gutes Bier.<br />

florian naumann<br />

Mein<br />

beDÜrFniS<br />

und stReben ist, Aus<br />

weniGeM<br />

Viel<br />

zu machen<br />

SCHILLER, „ÜBER DAS ERHABENE“<br />

14 maSSenmeDium # 04/ <strong>28.</strong> <strong>juni</strong> <strong>2013</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!