festivalzeitung ausgabe 4 vom 28. juni 2013 - 17. Internationale ...
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schilleRs magenmeDizin<br />
MaNNheiM iSt verdaMMt Stolz auf ihN. daS theater richtet ihM eiN feStival auS uNd BedrucKt<br />
Zu SeiNeN ehreN ZahlloSe t-ShirtS Mit FragWÜrDigen Fragen. will MaN aBer die wahre<br />
geSchichte ÜBer Schiller uNd MaNNheiM erfahreN, MuSS MaN weit geN weSteN fahreN<br />
Nach, ja genau, Ludwigshafen. In den rheinfernen<br />
Ortsteil Oggersheim, genauer gesagt. Eine gute<br />
halbe Stunde Fahrt auf einem weiß auf schwarz<br />
bedruckten Schillerrad. Auf dem brachialen Betonkonstrukt<br />
der Konrad-Adenauer-Brücke über den<br />
Mannheimer Hafen und den Rhein hinweg und<br />
dann durch die Ludwigshafener Innenstadt. Über<br />
aufgeplatzten Asphalt, vorbei an Schrottplätzen und<br />
krautumwucherten Plattenbauten.<br />
Bis in den Oggersheimer Ortskern. Dort steht ein<br />
Schillerhaus, in dem Schiller wirklich gewohnt hat.<br />
Was in Mannheim „Schillerhaus“ heißt, ist nämlich<br />
nur ein ehemaliges Nachbarhaus. In Oggersheim<br />
trägt den Namen ein zweistöckiges ehemaliges Gasthaus,<br />
das heute auch die Bücherei beherbergt, die<br />
„Bischerei“, wie die Einheimischen den Weg weisen.<br />
Im kleinen Museum empfangen Senioren <strong>vom</strong> Heimatkundlichen<br />
Arbeitskreis Oggersheim den Besucher.<br />
„Sie kennen die Geschichte von Schiller, nehme<br />
ich an?“, sagt Klaudia Göbel.<br />
Dann legt sie doch los. Schiller, so in etwa lautet die<br />
Geschichte, war 1782 auf der Flucht vor dem Herzog<br />
von Württemberg und hoffte auf Geschäfte mit dem<br />
Mannheimer Nationaltheater. Der vielgepriesene<br />
Intendant Dalberg aber dachte gar nicht daran, den<br />
verarmten Dichter generös zu unterstützen. Also<br />
tauchte der enttäuschte Schiller zusammen mit seinem<br />
Freund Streicher sieben Wochen im Oggersheimer<br />
„Viehhof“ unter. Wirklich verbunden fühlte er<br />
sich dem Schauspielhaus damals nicht: „Mannheim<br />
ist schlechterdings keine Atmosphäre für mich“ und<br />
„beim Theater Dienst zu nehmen ist nicht nur unter<br />
meinem Plan, sondern auch wirklich schwer, weil es<br />
sehr erschöpft ist, verarmt und sinkt“, schrieb Schiller<br />
an einen Freund.<br />
Schillers Stube im Viehhof gibt es heute noch zu sehen.<br />
Knapp zwölf Quadratmeter, mittlerweile allerdings<br />
mit Schaukästen und Neonlicht ausgestattet.<br />
„Die originalen Möbel sind weggegeben worden,<br />
aber das Zimmer ist das gleiche“, berichtet Göbel.<br />
„In einem blauen Bett haben Schiller und Streicher<br />
gemeinsam geschlafen. Wenn ich das erzähle, lachen<br />
die Schulklassen. Aber so war das eben damals.“<br />
Von FremDen leuten<br />
nicht VergeSSen<br />
Schiller hat Spuren in Oggersheim hinterlassen. An<br />
„Fiesco“ und „Kabale und Liebe“ hat er hier gearbeitet.<br />
Und das kleine Schillerhaus besitzt „mindestens<br />
genauso viele Erst<strong>ausgabe</strong>n wie Marbach und Weimar“,<br />
betont Göbels Kollege Manfred Wendel. Der<br />
lokale Sammler Karl Schenkel habe sie 1949 erstanden.<br />
Einen handgeschriebenen Brief Schillers gibt es<br />
zu bestaunen, und, man höre und staune, ein Originalrezept<br />
für die Magenmedizin des Dichters. Alles<br />
fein säuberlich in Vitrinen verwahrt. Nach ein paar<br />
Wochen reiste Schiller ins Thüringische Bauerbach<br />
ab. Oggersheim behielt er in guter Erinnerung: „In<br />
dem Wirtshaus, wo ich im vorigen Jahr 7 Wochen gewohnt<br />
habe, bin ich auf eine Art empfangen worden,<br />
die mich recht sehr gerührt hat. Es ist etwas freudiges<br />
von fremden Leuten nicht vergessen zu werden“,<br />
schreibt er 1783 an Henriette von Wolzogen.<br />
Den Brief hat Bayerns König Ludwig I. in eine Gedenktafel<br />
am Haus meißeln lassen. Eine andere<br />
Straße zwischen Oggersheim und Mannheim ist<br />
die Mannheimer Allee. „Das war schon damals eine<br />
Allee, da ist Schiller im Schutz der Dunkelheit zum<br />
Nationaltheater marschiert“, berichtet Göbel. Erfolg<br />
habe ihm der Fußmarsch allerdings nicht gebracht:<br />
„Die Schauspieler haben bei Schillers Präsentation<br />
reihenweise den Saal verlassen. Und warum? Weil<br />
er schwäbisch geschwätzt und ihn keiner verstanden<br />
hat.“<br />
Die Oggersheimer aber verstehen die Bedürfnisse<br />
von Besuchern aus fernen Landesteilen. „Wenn Sie<br />
eine Führung durch Oggersheim wollen, melden Sie<br />
sich einfach“, sagt Wendel. „Und jetzt gehen Sie am<br />
besten ein Bier trinken.“ Nebenan steht eine Brauerei.<br />
Die habe es zwar zu Schillers Zeiten noch nicht<br />
gegeben, braue aber gutes Bier.<br />
florian naumann<br />
Mein<br />
beDÜrFniS<br />
und stReben ist, Aus<br />
weniGeM<br />
Viel<br />
zu machen<br />
SCHILLER, „ÜBER DAS ERHABENE“<br />
14 maSSenmeDium # 04/ <strong>28.</strong> <strong>juni</strong> <strong>2013</strong>