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festivalzeitung ausgabe 4 vom 28. juni 2013 - 17. Internationale ...

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Rumspinnen<br />

und Ideen sammeln<br />

Schauspielintendant Burkhard C. Kosminski über sein Verständnis von<br />

Theater, das Feuer der Schillertage und die Produktivkraft Erschöpfung<br />

Warum braucht man eine unabhängige Zeitung bei den Schillertagen?<br />

Für mich sind die Seminare ein Kernpunkt des Festivals.<br />

Beziehungsweise diese sechzig Menschen, die<br />

da in allen Bereichen eine Fortbildung machen. Die<br />

aus dem Festival heraus als kreative Teams eigene<br />

Dinge machen, die Theater infrage stellen, aber auch<br />

Antworten geben oder uns einfach mal sagen, was<br />

wir besser machen sollen.<br />

Wie wichtig ist die Print<strong>ausgabe</strong> in Zeiten des Internets?<br />

Ich bin da sehr traditionell. Ich bin gelernter Buchhändler<br />

und habe einfach gern Bücher und Zeitungen<br />

in der Hand. Ich glaube aber auch, dass es für die<br />

Stadt wichtig ist, dass ein Festivalheft ausliegt, mit<br />

dem die Leute in den Liegestühlen liegen und lesen.<br />

Die Diskussion wird es sicher geben, ob man irgendwann<br />

auch noch einen Blog machen muss. Wir müssen<br />

überlegen, wie wir das angehen. Aber indem ihr<br />

Print macht, kriegt ihr echte Redaktionsarbeit mit,<br />

bei der es ja nicht nur ums Schreiben geht, sondern<br />

auch ums Layout und um pünktliche Abgabe. Ihr erlebt<br />

den Druck, der da entsteht.<br />

Man hört heraus, dass Ihnen die Nachwuchsförderung sehr<br />

wichtig ist. Wichtiger als das Produkt?<br />

Naja, es ist doch immer beides. Das eine ist der kreative<br />

Weg, den ihr als Gruppe mit zwei betreuenden<br />

Profis geht, und das andere ist, wie immer, wie auch<br />

im Theater: das Endprodukt. Im Theater ist die Probenarbeit<br />

eigentlich auch wichtiger. Natürlich freut<br />

man sich über ein hochklassiges Endprodukt, aber<br />

der Weg dahin ist ja vielleicht viel entscheidender.<br />

Für Journalisten, für Künstler, für alle.<br />

Wie ist Ihr Verhältnis zur Theaterkritik?<br />

Ich lese sie, und manchmal bin ich verblüfft, weil die<br />

was gesehen haben, worüber ich gar nicht nachgedacht<br />

habe. Manchmal ärgert man sich. Manchmal<br />

freut man sich. Ich finde Journalismus für die Arbeit<br />

extrem wichtig, weil es ein Spiegel ist. Es ist nicht<br />

entscheidend, ob es eine gute oder eine schlechte<br />

Kritik ist, sondern dass es eine inhaltliche Kritik ist.<br />

Wo ist sie, die kritische Masse?<br />

Theater ist der älteste Ort, an dem sich Kunst und<br />

Publikum treffen. Ohne Publikum gibt’s kein Theater.<br />

Im besten Fall ist das Publikum eine kritische<br />

Masse. Das bedeutet ja nicht nur den Wutbürger. Es<br />

bedeutet, eine Meinung zu haben, die jubelnd, vernichtend,<br />

gleichgültig oder verärgert sein kann. Wo<br />

Meinung ist, beginnt die kritische Masse.<br />

Wie kritisch oder politisch ist Theater denn heute?<br />

Ich würde sagen: extrem. Zum Beispiel die „Räuber“<br />

<strong>vom</strong> Gorki Theater, die wir jetzt gerade hier<br />

gesehen haben. Das finde ich einen sehr politischen,<br />

auch sehr mutigen Abend, der sehr viele Reaktionen<br />

auslöst. Da war eine kritische Masse, die total zugestimmt<br />

oder es abgelehnt und auf die Bühne hinunter<br />

geschrien hat. Das geht nicht mit jedem Stoff,<br />

aber wenn man Lust hat, am Zünder zu ziehen, kann<br />

Theater oder Oper sehr viel.<br />

Was würden Sie beim nächsten Mal anders machen?<br />

Das kann ich noch gar nicht sagen, wir stecken ja<br />

noch mittendrin. Man bereitet zwei Jahre was vor,<br />

und es gibt Konzeptionen, die sich ändern. Ursprünglich<br />

waren die Schillertage so geplant, dass<br />

das ganze Festival nur auf öffentlichen Plätzen stattfindet.<br />

Das war der Ausgangspunkt der „kritischen<br />

Masse“. Dann stellt man aber fest, dass man eigentlich<br />

gar nicht die Produktionen hat. Das heißt, man<br />

hätte alles eigenproduzieren müssen. Das konnten<br />

wir logistisch gar nicht leisten. Und dann fängt man<br />

an: Was produzieren wir, was sind die Eigenanteile,<br />

was ist uns wichtig? Welche Regisseure interessieren<br />

uns? Wir wollen viele verschiedene Regiehandschriften<br />

zeigen. Die Schillertage gibt es seit 78, und<br />

alle bedeutenden Regisseure, die Schiller gemacht<br />

haben, waren hier: Stemann, Castorf, Thalheimer,<br />

jetzt Bachmann. Es gibt die Gastspiele und Eigenproduktionen,<br />

wie Machina eX oder „Der Parasit“ oder<br />

der Wengenroth-Abend. So fügt es sich langsam<br />

zusammen, und dann kommt dazu, was im Ausland<br />

passiert. Dann geht die Umsetzung los, und jetzt<br />

machen wir jeden Abend eine andere Erfahrung.<br />

Wie funktioniert die Übertragung nach Mannheim?<br />

Von einer kleinen auf eine große Bühne wie bei den<br />

„Räubern“ <strong>vom</strong> Maxim Gorki Theater? Man fiebert<br />

mit, und am Ende des Festivals sind wir erschöpft.<br />

Erst vier Wochen später sehen wir uns dann erstmals<br />

in die Augen und fragen: Wie war’s denn? Unabhängig<br />

davon, wie viele Zuschauer wir hatten oder wie<br />

viele Einnahmen. Und dann beginnen wir, rumzuspinnen<br />

und Ideen zu sammeln. Und so bahnen sich<br />

dann in einer der letzten Leitungssitzungen vor der<br />

Sommerpause schon die Schillertage 2015 an.<br />

Welche Vorstellung haben Sie verpasst, obwohl Sie sie gerne<br />

gesehen hätten?<br />

Im Prinzip versuche ich, die ganze Strecke zu gehen.<br />

Aber es ist einfach so, dass ich mir nur etwa<br />

zwei Drittel ansehen kann. Wir teilen uns das im<br />

Team auf, zu dem Christine Klotmann und Holger<br />

Schulze gehören, die Fulminantes leisten. Die machen<br />

die ganze Logistik, schauen, dass alles läuft.<br />

Und natürlich die Dramaturgie. Das Verständnis<br />

im Haus ist ja mittlerweile, dass wir nicht mehr ’ne<br />

Generalintendanz haben, sondern ein Leitungsteam<br />

sind. Mein Verständnis von Theater ist, dass man als<br />

gleichberechtigtes Team arbeitet, und natürlich gibt<br />

es viele Fälle, wo ein Einzelner eine Entscheidung<br />

treffen muss, aber die meisten Entscheidungen fallen<br />

in der Diskussion. Die Schillertage machen wir ja<br />

neben unserem normalen Job. Das ist immer on top<br />

und kostet sehr viel Zeit. Das ganze Haus arbeitet<br />

Nachtschichten und lebt und bebt für das Festival.<br />

Wir können nicht alle alles sehen, aber das ist ja auch<br />

egal. Dann erzählt ihr uns, wie’s war.<br />

Was machen Sie, wenn die Schillertage vorbei sind?<br />

Am Dienstag fange ich mit Proben an. Felicitas Zeller<br />

hat ein neues Stück geschrieben, dafür beginnen<br />

am Dienstag die Vorproben. Das kann sehr produktiv<br />

sein, in so einem Erschöpfungszustand zu arbeiten,<br />

mit dieser leichten Müdigkeit. Da entsteht so eine<br />

Anarchie, ein Wahnsinn, den man komplett ausgeruht<br />

nicht hat. Diese Vorproben sind von daher ganz<br />

wichtig. Wenn man dann zurück kommt und sich<br />

anguckt, was man erarbeitet hat, dann wundert man<br />

sich manchmal schon, aber auch im positiven Sinne:<br />

Das ist ja echt geil, dass uns das eingefallen ist. Wie<br />

kamen wir denn da drauf?<br />

Das Gespräch führten Carolin Meyer, Kristina Petzold und<br />

Franziska Weber<br />

4 massenmedium # 04/ <strong>28.</strong> Juni <strong>2013</strong>

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