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3. Funktionsprinzip von DSC, DMA und DEA

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<strong>3.</strong> <strong>Funktionsprinzip</strong> <strong>von</strong> <strong>DSC</strong>, <strong>DMA</strong> <strong>und</strong> <strong>DEA</strong><br />

Untersuchung der Reaktionskinetik <strong>von</strong><br />

6 Photopolymeren im Dentalbereich<br />

Thermische Analyseverfahren bilden eines der wichtigsten Standbeine der Charakteri-<br />

sierung <strong>und</strong> Prüfung <strong>von</strong> Kunststoffen. Die wichtigsten Verfahren sind mit einer kurzen<br />

Funktionsbeschreibung im Folgenden aufgelistet:<br />

- Dynamische Differenzkalorimetrie (DDK), auch Differential Scanning Calo-<br />

rimetry (<strong>DSC</strong>) genannt:<br />

Messung <strong>von</strong> Schmelz-, Umwandlungs-, Zersetzungs- <strong>und</strong> Vernetzungsenthal-<br />

pien <strong>und</strong> deren genaue Temperaturlage [1], [2]<br />

- Thermogravimetrische Analyse (TGA):<br />

Messung der Massenänderung in Abhängigkeit der Temperatur, bzw. Zeit. Er-<br />

kenntnisse über Ausgasungen, Zersetzungen, oxidative Prozesse <strong>und</strong> anorga-<br />

nischen Füllstoffgehalt [3]<br />

- Thermomechanische Analyse (TMA):<br />

Messung der thermischen Ausdehnung eines Festkörpers in Abhängigkeit <strong>von</strong><br />

der Temperatur mittels Dilatometer [4]<br />

- Dynamisch Mechanische Analyse (<strong>DMA</strong>):<br />

Messung des mechanischen Antwortverhaltens (Speichermodul E‘ <strong>und</strong> Verlust-<br />

faktor tan δ) eines Materials unter geringfügiger, schwingender Belastung.<br />

Messwerte werden zeit-, temperatur- <strong>und</strong>/oder frequenzabhängig erfaßt.<br />

- Dielektrische Analyse (<strong>DEA</strong>):<br />

Messung des elektrischen Antwortverhaltens (Ionenviskosität µi <strong>und</strong> Verlustfak-<br />

tor tan δ) eines dielektrischen Materials unter Wechselstrom. Messwerte wer-<br />

den zeit-, temperatur- <strong>und</strong>/oder frequenzabhängig erfaßt.<br />

Diese Prüfverfahren bieten die Möglichkeit sich mit relativ einfachen Methoden ein<br />

umfassendes Bild der Materialeigenschaften zu machen. Die technische Umsetzung<br />

dieser Messverfahren ist vereinzelt zwar sehr aufwendig, durch die langjährige An-<br />

wendung jedoch äußerst zuverlässig. Da sich manche thermischen Analysemethoden<br />

auch in der Charakterisierung <strong>von</strong> Reaktivharzen etabliert haben, werden jene auch in<br />

dieser Diplomarbeit zur Erforschung des Vernetzungs-, bzw. Nachvernetzungsverhal-


Untersuchung der Reaktionskinetik <strong>von</strong><br />

7 Photopolymeren im Dentalbereich<br />

tens der Zahnfüllungskompositen eingesetzt. Im folgenden werden die in dieser Arbeit<br />

angewandten Untersuchungsmethoden <strong>DSC</strong>, <strong>DMA</strong> <strong>und</strong> <strong>DEA</strong> genauer erläutert.<br />

<strong>3.</strong>1 Dynamische Differenzkalorimetrie DDK/<br />

Differential Scanning Calorimetry <strong>DSC</strong><br />

<strong>3.</strong>1.1 Messprinzip [5], [6]<br />

Bei der Dynamischen Differenzkalorimetrie DDK werden kalorimetrisch Enthalpieände-<br />

rungen gemessen. Hierbei unterscheidet man zwischen der Dynamischen Wärme-<br />

strom-Differenzkalorimetrie DWDK <strong>und</strong> der Dynamischen Leistungs-<br />

Differenzkalorimetrie DLDK. Diese Untersuchungsmethoden unterscheiden sich<br />

gr<strong>und</strong>legend sowohl im Aufbau der Messkammer, als auch in der Vorgehensweise<br />

während der Messung.<br />

Bild <strong>3.</strong>1:<br />

Schematischer Aufbau DWDK,<br />

TR = Temperatur der Referenz, TP = Temperatur<br />

der Probe, dQOR/dt = Wärmestrom vom Ofen zum<br />

Referenztiegel, dQOP/dt = Wärmestrom vom Ofen<br />

zum Probentiegel<br />

Bild <strong>3.</strong>2:<br />

Schematischer Aufbau DLDK,<br />

TR = Temperatur der Referenz, TP = Temperatur<br />

der Probe, PR = Heizleistung des Referenzofens,<br />

PP = Heizleistung des Probenofens<br />

In der Messzelle der DWDK-Methode befinden sich sowohl der Probentiegel, als auch<br />

der Referenztiegel innerhalb eines Ofens (Bild <strong>3.</strong>1). Die Probentiegel bestehen bei der<br />

DDK zugunsten der Wärmeleitfähigkeit generell aus Aluminium. Während der Mes-<br />

sung, ob Isotherm oder mit konstanter Heizrate, wird mit Thermoelementen, die unter<br />

den Tiegeln angebracht sind, die Temperaturdifferenz zwischen Probe <strong>und</strong> Referenz<br />

erfasst. Aus dieser Differenz wird die Wärmestromänderung ∆ dQ/dt (auch: differen-<br />

tieller Wärmestrom) ermittelt. Der Referenztiegel ist bei der Untersuchung vom Ther-<br />

moplasten <strong>und</strong> Metallen üblicherweise leer, so dass sich dieser entsprechend der


Untersuchung der Reaktionskinetik <strong>von</strong><br />

8 Photopolymeren im Dentalbereich<br />

Heizrate konstant erhitzen kann. Hieraus ergibt sich die sog. Basislinie. Dieser Basisli-<br />

nie folgt auch weitgehend der Probentiegel. Sobald das Probenmaterial eine Enthal-<br />

pieänderung vollzieht, beispielsweise<br />

durch erreichen der Glasumwand-<br />

lungs-, Rekristallisations-, Schmelz-<br />

oder Zersetzungstemperatur, weicht<br />

der Wärmestrom des Probentiegels<br />

signifikant <strong>von</strong> der Basislinie ab. Dies<br />

führt je nach Energieauf-, bzw. –<br />

abnahme zur Ausbildung eines Knicks<br />

oder Peaks im differentiellen Wärme-<br />

strom (Bild <strong>3.</strong>3). Die <strong>DSC</strong>-Messkurve gibt somit Auskunft über die Temperaturlage der<br />

jeweiligen Enthalpieänderung des Werkstoffs. Außerdem erhält man über die Ermitt-<br />

lung der Peakfläche (markierte Flächen in Bild <strong>3.</strong>3), welche durch die Basislinie be-<br />

grenzt wird, die Energie, die durch Kristallisieren, Vernetzen oder Schmelzen freige-<br />

setzt, bzw. benötigt wurde. Dies gilt allerdings nur bei einer zeitabhängigen Auftragung<br />

des Wärmestroms.<br />

���� Energie = Leistung * Zeit<br />

Die Dynamische Leistungs-Differenzkaloriemetrie DLDK funktioniert mit einem ande-<br />

ren apparativen Aufbau. Hierbei setzt sich die Messzelle aus zwei getrennten Öfen<br />

zusammen (Bild <strong>3.</strong>2). Die Referenz- <strong>und</strong> Probentiegel befinden sich in jeweils einem<br />

der Öfen. Der gr<strong>und</strong>sätzliche Unterschied zur DWDK besteht darin, dass Temperatur-<br />

Differenzen zwischen den beiden Öfen durch unterschiedliche Heizleistungen im Ide-<br />

alfall zu Null ausgeglichen werden. Über die Differenz der beiden Heizleistungen wird<br />

dann die zeitliche Änderung des Wärmestroms ∆ dQ/dt ermittelt. Diese kann dann i-<br />

dentisch zur DWDK-Methode ausgewertet werden (s.o.).<br />

Bild <strong>3.</strong>3:<br />

<strong>DSC</strong>-Messkurve mit charakteristischen Effekten<br />

Für die Untersuchungen im Rahmen dieser Diplomarbeit wurde allerdings ausschließ-<br />

lich ein <strong>DSC</strong>-Gerät verwendet, das mit der DWDK-Methode arbeitet.


Untersuchung der Reaktionskinetik <strong>von</strong><br />

9 Photopolymeren im Dentalbereich<br />

<strong>3.</strong>1.2 Besonderheiten bei der Untersuchung <strong>von</strong> Reaktivharzen [7]<br />

In der Regel steht bei<br />

der Untersuchung <strong>von</strong><br />

Reaktivharzen <strong>und</strong> da-<br />

mit auch bei dieser Dip-<br />

lomarbeit die Charakte-<br />

risierung des Vernet-<br />

zungsverhaltens im Mit-<br />

telpunkt. Hierbei wer-<br />

den mit jeder Probe<br />

mindestens zwei auf-<br />

einanderfolgendeVer- suchsläufe durchgeführt<br />

(Bild <strong>3.</strong>4). Der erste Durchlauf zeigt den Glasübergang des noch kaum vernetzten Har-<br />

zes bei sehr niedrigen Temperaturen, sowie einen Vernetzungspeak ab Erreichen des<br />

Aushärt-Temperaturbereich. Ist der Werkstoff während des ersten Versuchslaufs voll-<br />

kommen ausgehärtet, so zeigt sich bei dem zweiten Versuchslauf kein Vernet-<br />

zungspeak mehr, sondern lediglich der Glasübergang des entstandenen Duromers<br />

(vgl. Bild <strong>3.</strong>4). Die <strong>DSC</strong>-Kurven in Bild <strong>3.</strong>4 sind allerdings idealisiert, da ein Harz, bzw.<br />

Duromer selten in rein<br />

unvernetzter, bzw. ver-<br />

netzter Form auftritt.<br />

Das bedeutet, dass<br />

man sogar eine Erhö-<br />

hung der Steifigkeit<br />

(auch E-Modul) durch<br />

Nachvernetzung, ge-<br />

nauso, wie unvollstän-<br />

dige Aushärtung bei<br />

wiederholten <strong>DSC</strong>-Mes-<br />

sungen feststellen kann<br />

(vgl. Bild <strong>3.</strong>5). Nachver-<br />

Bild <strong>3.</strong>4:<br />

<strong>DSC</strong>-Messkurve: 1. <strong>und</strong> 2. Aufheizen <strong>von</strong> kalt- <strong>und</strong> warmhärtenden<br />

EP-Harzsystemen<br />

kalthärtendes Harzsystem<br />

Bild <strong>3.</strong>5:<br />

<strong>DSC</strong>-Messkurve: Nachvernetzung <strong>und</strong> unvollständige Aushärtung


Untersuchung der Reaktionskinetik <strong>von</strong><br />

10 Photopolymeren im Dentalbereich<br />

netzen resultiert in einer Verschiebung des Glasübergangs zu höheren Temperaturen<br />

<strong>und</strong> nach unvollständiger Aushärtung zeigt sich während der erneuten Messung im-<br />

mer noch ein kleiner Reaktionspeak.<br />

<strong>3.</strong>1.3 Isotherme Untersuchung <strong>von</strong> Reaktivharzen<br />

Bei der <strong>DSC</strong>-gestützten Analyse <strong>von</strong> Reaktionsharzen besteht auch die Möglichkeit<br />

der isothermen Versuchsdurchführung, z.B. bei Raumtemperatur. Hierbei bleibt die<br />

Messzellentemperatur konstant. Dennoch<br />

wird durch die freigesetzte Reaktionswärme<br />

ein differentieller Wärmestrom ∆ dQ/dt ge-<br />

messen. Dieser ergibt sich aus der Tempe-<br />

raturdifferenz ∆T die sich zwischen Proben-<br />

<strong>und</strong> Referenztiegel durch die Reaktions-<br />

wärme einstellt. Für die <strong>DSC</strong>-Messkurve<br />

wird der Wärmestrom bei der isothermen<br />

Erfassung allerdings über die Zeit aufgetra-<br />

gen (vgl. Bild <strong>3.</strong>6). Da jeder einzelne molekulare Vernetzungsvorgang die gleiche E-<br />

nergiemenge freisetzt, ist die gemessene Reaktionswärme direkt proportional zu der<br />

Anzahl der geknüpften Vernetzungspunkte. D. h., je höher der jeweilig gemessene<br />

Wärmestrom ist, desto höher ist die Vernetzungsrate, bzw. Aushärtgeschwindigkeit.<br />

Die Fläche unter der <strong>DSC</strong>-Messkurve in Bild <strong>3.</strong>6 enspricht der freigesetzten Reak-<br />

tionsenergie.<br />

<strong>3.</strong>2 Dynamisch Mechanische Analyse <strong>DMA</strong><br />

<strong>3.</strong>2.1 Gr<strong>und</strong>lagen [8], [9] <strong>und</strong> [10]<br />

Die mechanischen Eigenschaften <strong>von</strong> Kunststoffen sind in besonderem Maße <strong>von</strong><br />

Temperatur <strong>und</strong> Belastungsgeschwindigkeit abhängig. Das Werkstoffverhalten <strong>von</strong><br />

Kunststoffen variiert <strong>von</strong> nahezu elastisch <strong>und</strong> spröde weit unterhalb der Glastempe-<br />

ratur TG über viskoelastisch 1 <strong>und</strong> zäh oberhalb der Glastemperatur bis hin zu fast<br />

rein viskosem Verhalten bei hohen Temperaturen. Tatsächlich sind die Werkstoffei-<br />

1 viskoelastisch: Beschreibung eines Werkstoffverhaltens, das teils plastisch, bzw. viskos <strong>und</strong> teils<br />

elastisch ist.<br />

exo <strong>DSC</strong>/(mW/mg)<br />

0,5<br />

0,0<br />

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90<br />

-0,5<br />

-1,0<br />

-1,5<br />

-2,0<br />

time/sec<br />

Reaktionswärme Q<br />

Bild <strong>3.</strong>6:<br />

<strong>DSC</strong>-Messkurve eines Photopolymers


Untersuchung der Reaktionskinetik <strong>von</strong><br />

11 Photopolymeren im Dentalbereich<br />

genschaften <strong>von</strong> Polymeren zu jeder Zeit als viskoelastisch zu bezeichnen, da ein rein<br />

elastisch-, bzw. plastisches Verhalten nur in der Theorie existiert. Mit Hilfe der Dyna-<br />

misch Mechanischen Analyse <strong>DMA</strong> ist es möglich diese mechanischen Eigen-<br />

schaftsänderungen online nachzuverfolgen. Um allerdings ein solch komplexes Mate-<br />

rialverhalten verstehen <strong>und</strong> messen zu können, bedarf es einer erweiterten Anschau-<br />

ung des E-Moduls 2 eines Kunststoffes. In einem Material, in dem sich zwei unter-<br />

schiedliche Werkstoffverhalten vermischen, nämlich sowohl plastisches, als auch elas-<br />

tisches Verhalten, kann auch die Steifigkeit, bzw. das E-Modul als eine Folge der<br />

Kombination dieser zwei Materialverhalten gesehen werden. D. h. das E-Modul besitzt<br />

sowohl einen elastischen Anteil, das Speichermodul E', als auch einen viskosen Anteil,<br />

der Speichermodul E'' genannt wird. E' <strong>und</strong> E'' werden zusammenfassend dargestellt<br />

als komplexes Elastizitätsmodul E* (Bild <strong>3.</strong>7).<br />

Das Speichermodul E' stellt den Anteil der Steifigkeit dar, der dazu führt, daß die E-<br />

nergie einer mechanischen Belastung vom Werkstoff durch elastische Verformung<br />

gespeichert <strong>und</strong> anschließend wieder abgegeben werden kann.<br />

Das Verlustmodul E'' stellt den Anteil der Steifigkeit dar, der dazu führt, dass die E-<br />

nergie einer mechanischen Belastung vom Werkstoff durch plastische Verformung in<br />

Reibungswärme umgewandelt wird.<br />

Der Betrag IE*I, also die Länge des Zeigers aus Bild <strong>3.</strong>7, ist die Größe, die z.B. in ei-<br />

nem herkömmlichen Zugversuch ermittelt wird <strong>und</strong> gemeinhin als E-Modul bezeichnet<br />

wird.<br />

Re<br />

E''<br />

δ<br />

E*<br />

E'<br />

Bild <strong>3.</strong>7:<br />

Komplexe Darstellungsweise des E-Moduls<br />

E* = E' + i E'' (komplexes E-Modul)<br />

IE*I (Betrag: Herkömmlich gemessenes<br />

E-Modul, z.B. durch Zugversuch)<br />

tan δ (Verlustfaktor)<br />

2 E-Modul: Elastizitätsmodul [Mpa oder N/mm²], Maß für die Steifigkeit eines Werkstoffes<br />

Im


Untersuchung der Reaktionskinetik <strong>von</strong><br />

12 Photopolymeren im Dentalbereich<br />

Der Verlustfaktor tan δ beziffert das Verhältnis zwischen elastischem <strong>und</strong> plasti-<br />

schem Materialverhalten. Man spricht in diesem Zusammenhang auch <strong>von</strong> einer Pha-<br />

senverschiebung, welche sich aus dem Winkel δ ergibt <strong>und</strong> sich zwischen 0-90° be-<br />

läuft. Hierauf wird allerdings erst in Abschnitt <strong>3.</strong>2.2 genauer eingegangen. Gr<strong>und</strong>sätz-<br />

lich gilt aber bei rein plastischem Verhalten: E* = E'', E' = 0 <strong>und</strong> δ = 90 °. Bei rein elas-<br />

tischem Verhalten ist E* = E', E'' = 0 <strong>und</strong> δ = 0 °.<br />

Insgesamt ist diese komplexe Darstellung der Steifigkeit in der Lage das viskoelasti-<br />

sche Materialverhalten eines Kunststoffes ganzheitlich zu beschreiben. Einflüsse<br />

durch Temperatur <strong>und</strong> Belastungsgeschwindigkeit auf das Werkstoffverhalten können<br />

somit über die bloße Feststellung des Betrags der Steifigkeit hinaus noch Aussagen<br />

über die Veränderung der Viskoelastizität treffen.<br />

<strong>3.</strong>2.2 Messprinzip [10]<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich werden bei der <strong>DMA</strong> Probenkörper unterschiedlicher Geometrien einer<br />

schwingenden Belastung (Erregersignal) ausgesetzt <strong>und</strong> das sich darauf einstellende<br />

Materialverhalten (Antwortsignal) erfasst. Zwei Messmethoden werden dabei unter-<br />

schieden, die kraft- <strong>und</strong> dehnungsgesteuerte Messung<br />

Bei der kraftgesteuerten Messung wird eine zyklisch angreifende Kraft vorgegeben,<br />

aus der sich ebenso die Belas-<br />

tungsspannung ergibt. Als Folge<br />

der Belastung gibt der Proben-<br />

körper nach <strong>und</strong> verformt sich<br />

ebenfalls zyklisch. Hieraus wird<br />

die Dehnung bestimmt.<br />

Bei der dehnungsgesteuerten<br />

Messung verfährt man genau<br />

umgekehrt. Die Probe wird um<br />

einen definierten Betrag verformt<br />

<strong>und</strong> es baut sich eine Spannung<br />

auf. Diese leitet sich <strong>von</strong> der<br />

gemessenen Lagerkraft unter<br />

Berücksichtigung der Probenge-<br />

ometrie ab.<br />

Spannung σ / Dehnung ε<br />

Phasenverschiebung<br />

∆t = = δ δ / ω<br />

(zeitlich)<br />

σ 0<br />

ε0<br />

Periodendauer<br />

T = 2π / ω<br />

Zeit<br />

Bild <strong>3.</strong>8:<br />

Schematische Darstellung der Signale eines kraftgesteuerten<br />

Schwingversuchs:<br />

σ0: max. Spannungsbelastung, ε0: max. resultierende<br />

Dehnung, δ: Phasenverschiebungswinkel


Untersuchung der Reaktionskinetik <strong>von</strong><br />

13 Photopolymeren im Dentalbereich<br />

Ziel dieser beiden Methoden ist es, sowohl die Änderung des komplexen E-Moduls E*,<br />

als auch die zeitliche Verschiebung ∆t zwischen der Belastung <strong>und</strong> der Systemantwort<br />

zu ermitteln. Der Zusammenhang <strong>von</strong> Spannung σ <strong>und</strong> Dehnung ε ist am Beispiel ei-<br />

nes kraftgesteuerten Schwingversuchs in Bild <strong>3.</strong>8 schematisch dargestellt. Aus der<br />

zeitlichen Verschiebung ∆t errechnet sich Phasenwinkel δ folgendermaßen [10]:<br />

δ δ = = ∆∆t<br />

∆∆<br />

∗ ∗ ω (Gl. <strong>3.</strong>1)<br />

mit: ∆t : zeitliche Phasenverschiebung<br />

δ : Phasenwinkel (vgl. komplexes E-Modul, Bild <strong>3.</strong>7)<br />

ω = 2π/T = 2πf : Kreisfrequenz<br />

(T : Schwingungsdauer, f : Belastungsfrequenz)<br />

Mit dem Phasenwinkel können die bereits in Abschnitt <strong>3.</strong>2.1 aufgeführten Größen<br />

komplexer E-Modul E*, sowie Verlustfaktor tan δ bestimmt werden (vgl. auch Bild <strong>3.</strong>7).<br />

Diese hängen wie folgt zusammen [10]:<br />

Komplexer E-Modul:<br />

E* = E' + i . E'' (Gl. <strong>3.</strong>2)<br />

mit: E’ : Speichermodul (elastischer Anteil)<br />

Betrag <strong>von</strong> E*:<br />

E’’ : Verlustmodul (plastischer Anteil)<br />

IE*I = (E' 2 + E'' 2 ) 0,5 = E' / cos δ (Gl. <strong>3.</strong>3)<br />

Verlustfaktor:<br />

tan δ<br />

Über den in Gleichung <strong>3.</strong>1 errechneten Phasenwinkel δ kann der komplexe E-Modul<br />

E* über Gleichung <strong>3.</strong>2. <strong>und</strong> <strong>3.</strong>3 in seine elastischen <strong>und</strong> plastischen Bestandteile E’<br />

<strong>und</strong> E’’ zerlegt werden.


Untersuchung der Reaktionskinetik <strong>von</strong><br />

14 Photopolymeren im Dentalbereich<br />

<strong>3.</strong>2.3 Darstellung der Messergebnisse <strong>und</strong> deren Auswertung [10], [11]<br />

Messergebnisse einer <strong>DMA</strong> sind typischerweise komplexes E-Modul E*, Speicher-<br />

<strong>und</strong> Verlustmodul E' <strong>und</strong> E'', sowie der Verlustfaktor tan δ. Eine häufige Darstellungs-<br />

weise dieser Daten ist in Bild <strong>3.</strong>9 zu sehen. Hier werden alle erfassten Größen aufge-<br />

tragen.<br />

Bild <strong>3.</strong>9:<br />

Schematische Darstellung typischer <strong>DMA</strong>-Kurven eines amorphen<br />

Kunststoffes<br />

Unterhalb der Glasübergangstemperatur Tg sind komplexes <strong>und</strong> Speichermodul recht<br />

hoch <strong>und</strong> nahezu identisch. Dies erklärt sich durch die sehr kleinen Belastungsampli-<br />

tuden, wodurch das Materialverhalten nahezu elastisch <strong>und</strong> der Verlustmodul daher<br />

sehr gering ist. Der Verlustfaktor ist somit ebenfalls klein. Ab dem Erreichen <strong>von</strong> Tg<br />

werden die intermolekularen Anziehungskräfte so schwach, dass eine signifikante Zu-<br />

nahme der Polymerkettenbeweglichkeit besonders an Knotenpunkten eintritt, was eine<br />

erhebliche Materialerweichung zur Folge hat. Dies bewirkt einen starken Abfall <strong>von</strong> E*<br />

<strong>und</strong> E' <strong>und</strong> gleichsam einen immensen Anstieg <strong>von</strong> E'' <strong>und</strong> tan δ, wobei der Verlustfak-<br />

tor aber bei etwas höheren Temperaturen ansteigt. Bei weiter steigender Temperatur<br />

fallen jedoch alle Werte extrem ab, da die fortschreitende Erweichung schließlich zu<br />

einer kaum nennenswerten Steifigkeit führt. Die Abweichung <strong>von</strong> E* zu E' während<br />

des Glasübergangs ist durch den erhöhten plastischen Anteil E'' zu erklären.<br />

Neben der Darstellung des temperatur- <strong>und</strong> zeitabhängigen Verlaufs der Messwerte<br />

dienen <strong>DMA</strong>-Diagramme zur genauen Bestimmung <strong>von</strong> Tg (Bild <strong>3.</strong>10). Hierzu existie-<br />

ren drei verschiedene Auswertungsmethoden:<br />

1. Bestimmung der Temperaturlage des Wendepunktes der E'-Kurve � Tg(G'WP)<br />

2. Bestimmung der Temperaturlage des Maximums der E''-Kurve � Tg(G''max)<br />

<strong>3.</strong> Bestimmung der Temperaturlage des Maximums der tan δ -Kurve � Tg(tanδmax)


Untersuchung der Reaktionskinetik <strong>von</strong><br />

15 Photopolymeren im Dentalbereich<br />

Diese drei charakteristischen Punkte sind in Bild <strong>3.</strong>10 deutlich zu erkennen. Allerdings<br />

wird dort anstelle des komplexen E-Moduls das komplexe G-Modul ausgewertet, da<br />

die Gr<strong>und</strong>lage dieses Diagramms eine <strong>DMA</strong> mit Kompressions-Aufbau ist (vgl. Ab-<br />

schnitt <strong>3.</strong>2.5). D. h. es wird das Schubmodul G gemessen, welches sich aus Druck-<br />

<strong>und</strong> nicht aus Zugspannungen ergibt. Da das mit der <strong>3.</strong> Methode berechnete<br />

Tg(tanδmax) etwas höher ausfällt, werden nur die Kenngrößen der anderen beiden Me-<br />

thoden zur Bauteilauslegung herangezogen.<br />

Bild <strong>3.</strong>10:<br />

Beispiele zur Ermittlung der Glasübergangstemperatur Tg (<strong>DMA</strong>):<br />

1. Wendepunkt des Speichermoduls (Stufenmethode) � Tg(G'WP)<br />

2. Maximum des Verlustmoduls � Tg(G''max)<br />

<strong>3.</strong> Maximum des Verlustfaktors � Tg(tanδmax)<br />

<strong>3.</strong>2.4 Isotherme Untersuchung <strong>von</strong> Reaktivharzen<br />

Wie schon bei der <strong>DSC</strong>-Analyse gibt es bei der <strong>DMA</strong> die Möglichkeit, den Versuch<br />

isotherm z. B. bei Körpertemperatur durchzuführen. Allerdings ist die <strong>von</strong> der Fre-<br />

quenz abhängige, durchweg geringe Messrate <strong>von</strong> max. 5 min -1 für die Online-<br />

Untersuchung <strong>von</strong> schnellen Aushärtungsvorgängen ungeeignet. So ergäben sich z.<br />

B. für die Aufzeichnung eines Lichthärtungsprozesses <strong>von</strong> ca. 40-60 s, wie er in dieser<br />

Diplomarbeit untersucht wird nur jeweils 1-5 Datenpunkte.<br />

Aus diesem Gr<strong>und</strong> eignet sich die <strong>DMA</strong> eher für die langfristige Aufzeichnung des<br />

Steifigkeitszuwachses durch Nachvernetzung. Dieser kann über Tage hinweg minu-<br />

tengenau überwacht werden.<br />

1.<br />

2.<br />

<strong>3.</strong>


<strong>3.</strong>2.5 Typische Probengeometrien <strong>und</strong> -halterungen [11]<br />

Untersuchung der Reaktionskinetik <strong>von</strong><br />

16 Photopolymeren im Dentalbereich<br />

Bei der <strong>DMA</strong> unterscheidet man die folgenden Versuchsanordnungen (vgl. Bild <strong>3.</strong>11):<br />

- Zug <strong>von</strong> länglichen, festen Probekörpern (a)<br />

- Biegung <strong>von</strong> streifenförmigen, festen Probekörpern (b)<br />

- 3-Punkt (b.1)<br />

- eingespannt (b.2)<br />

- Kompression <strong>von</strong> weichen bis pastösen Proben (c)<br />

- Scherung <strong>von</strong> weichen Probenkörpern (d)<br />

Eine weitere Messvariante ist die Indentationsanordnung, bei der ein spitzer, längli-<br />

cher Prüfkopf in das Probenmaterial eindringt. Diese Methode hat allerdings eine<br />

Mischbelastung zwischen Scherung <strong>und</strong> Kompression zur Folge <strong>und</strong> ist daher kompli-<br />

zierter auszuwerten. Sie kommt bei Prüfkörpern zum Einsatz, bei denen die anderen<br />

Methoden aufgr<strong>und</strong> Ihrer größeren Krafteinleitungsflächen zu hohe Prüfkräfte erfor-<br />

dern.<br />

b1<br />

Bild <strong>3.</strong>11:<br />

Schematischer Aufbau einer vertikalen <strong>DMA</strong>-Prüfvorrichtung mit den möglichen<br />

Probengeometrien <strong>und</strong> -halterungen<br />

Abgesehen <strong>von</strong> der Probenhalterung bestehen <strong>DMA</strong>-Geräte größtenteils aus einem<br />

vergleichbaren Aufbau. In einem Generator wird eine mechanische Schwingung er-<br />

zeugt, die über eine vertikale Halterung die Probe linear belastet. Weitere Bestandteile<br />

sind Kraftmessdose zur Lagerkraftermittlung, sowie eine meist optische Einrichtung<br />

zur Erfassung der Probenverformung.<br />

a<br />

b2 d<br />

c


<strong>3.</strong>3 Dielektrische Analyse <strong>DEA</strong><br />

<strong>3.</strong><strong>3.</strong>1 Gr<strong>und</strong>lagen [12]<br />

Untersuchung der Reaktionskinetik <strong>von</strong><br />

17 Photopolymeren im Dentalbereich<br />

Die Dielektrische Analyse <strong>DEA</strong> liefert Daten über das Verhalten eines Dielektrikums in<br />

einem elektrischen Wechselfeld. Hierzu bedient man sich meist einer kondensa-<br />

torähnlichen Anordnung, wobei sich das zu untersuchende Material zwischen den je-<br />

weiligen Elektroden befindet.<br />

Obwohl dielektrische Werkstoffe im Gegensatz zu Metallen keine freien Elektronen<br />

besitzen, kann bei der <strong>DEA</strong> trotz allem ein Strom festgestellt werden, der durch die<br />

Wanderung <strong>von</strong> Ionen innerhalb des Probenmaterials zustande kommt. Dies ist einer<br />

der Gründe, warum die <strong>DEA</strong> zur Charakterisierung <strong>von</strong> Vernetzungsvorgängen be-<br />

nutzt werden kann. Im Verlauf der Aushärtung eines Reaktivharzes fällt natürlich in-<br />

nerhalb des Materials die Ionenbeweglichkeit u rapide ab. Dieser Prozess kann mit-<br />

tels der <strong>DEA</strong> sehr genau untersucht werden. Man spricht hierbei auch häufig <strong>von</strong> Io-<br />

nenviskosität (ion viscosity), wobei diese bei fallender Ionenbeweglichkeit natür-<br />

lich zunimmt. Die Ionenviskosität µi setzt sich wie folgt zusammen [13]:<br />

µi = ( u[C] . q ) -1 (Gl. <strong>3.</strong>4)<br />

mit: u : Ionenbeweglichkeit<br />

[C] : Konzentration der beweglichen Ionen<br />

q : Ladung der Ionen<br />

Außerdem bietet diese Methode die Möglichkeit, in einem der <strong>DMA</strong> sehr ähnlichen<br />

Auswertungsansatz, die durch die Molekülschwingungen dissipierte Energie durch<br />

eine Phasenverschiebung zwischen Erreger- <strong>und</strong> Antwortsignal zu bestimmen. Bei<br />

steigendem Aushärtungsgrad sinkt demnach die Molekülbeweglichkeit <strong>und</strong> damit der<br />

Energieverlust durch inelastische Schwingungsbewegung. Die Schwingungen folgen<br />

dem Erregersignal direkter, <strong>und</strong> als Folge dessen fällt die Phasenverschiebung rapide<br />

ab.


Untersuchung der Reaktionskinetik <strong>von</strong><br />

18 Photopolymeren im Dentalbereich<br />

Wie auch schon bei der <strong>DMA</strong> spricht man in diesem Zusammenhang <strong>von</strong> einem Ver-<br />

lustfaktor tan δ (dissipation factor). Aus ihm ergibt sich die Verlustzahl εr'' (auch<br />

loss index oder früher loss factor) über die folgende Gleichung [14]:<br />

εr'' = εr . tan δ (Gl. <strong>3.</strong>5)<br />

mit: εr : relative Dielektrizitätszahl (Materialabhängige<br />

Konstante)<br />

Ein weiterer wichtiger Kennwert bei der <strong>DEA</strong> ist die Dielektrizitätskonstante ε (per-<br />

mittivity):<br />

ε = εr . ε0 (Gl. <strong>3.</strong>6)<br />

mit: ε0 : Dielektrizitätskonstante im luftleeren Raum<br />

<strong>3.</strong><strong>3.</strong>2 Messprinzip<br />

ε0 = 0,08854 pF/cm<br />

Die Methode der <strong>DEA</strong>-Messung ist prinzipiell zwar sehr einfach aufgebaut <strong>und</strong> leicht<br />

nachzuvollziehen, jedoch ist die tatsächliche Messung recht anfällig für äußere Ein-<br />

flüsse. Besonders die Kontaktflächen zwischen Probe <strong>und</strong> Elektroden, sowie die Pro-<br />

benvorbereitung gestalten sich aufwendig. So können z.B. Relaxationsprozesse oder<br />

Verunreinigungen innerhalb des Probenmaterials zu erheblichen Unregelmäßigkeiten<br />

in den Messwerten führen.<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich werden zur dielektrischen Untersuchung Sensoren benutzt, die nach<br />

einem einheitlichen Prinzip funktionieren. Hierbei befindet sich das zu analysierende<br />

Dielektrikum zwischen zwei Elektroden an denen eine elektrische Wechselspannung<br />

angelegt ist. Dadurch baut sich ein elektrisches Wechselfeld auf, dessen Feldlinien in<br />

das zu untersuchende Material eindringen. Entlang dieser Feldlinien finden sowohl<br />

Ionenwanderungen (� Ionenviskosität), als auch Dipolschwingungen (� Verlustzahl)<br />

statt. Der Durchmesser der Zone, in die die Feldlinien eindringen, liegt in der Regel in<br />

der gleichen Größenordnung, wie der Elektrodenabstand.<br />

Man unterscheidet bei den <strong>DEA</strong>-Sensoren im wesentlichen zwei Anordnungen:<br />

Die Plattenkondensator-Anordnung, bei der sich das Dielektrikum genau zwischen<br />

den beiden Elektroden befindet.


Untersuchung der Reaktionskinetik <strong>von</strong><br />

19 Photopolymeren im Dentalbereich<br />

Und die Kammanordnung, bei der sich das Dielektrikum auf einer Sensoroberfläche<br />

befindet, welche aus zwei kammförmig ineinandergreifenden Elektroden besteht, die<br />

in einer Isolationsmatrix fixiert sind. Solch ein Sensor ist in Bild <strong>3.</strong>12 schematisch im<br />

Querschnitt zu sehen. Bei dieser Ansicht befindet sich die Sensoroberfläche entlang<br />

der Blickrichtung <strong>und</strong> ist somit nur als Linie erkennbar.<br />

Bild <strong>3.</strong>12:<br />

Schematische Darstellung eines <strong>DEA</strong>-Sensors mit Reaktivharz-Probe<br />

Natürlich stellt bei diesem Sensor die Isolationsmatrix ebenfalls ein Dielektrikum dar,<br />

jedoch ist die daraus resultierende Beeinflussung der dielektrischen Kennwerte kon-<br />

stant <strong>und</strong> somit können die Ergebnisse durch eine Messoftware korrigiert werden.<br />

In Bild <strong>3.</strong>12 sind die el. Wechselfeldlinien zwischen den Elektroden schematisch dar-<br />

gestellt. Es ist deutlich zu erkennen, dass die Eindringtiefe des E-Feldes, also die<br />

Messtiefe des Sensors in einem klaren Verhältnis zum Elektrodenabstand d steht.<br />

Diese Messtiefe beträgt ca. das 0,5-1-fache des Elektrodenabstandes <strong>und</strong> stellt ein<br />

wichtiges Anwendungskriterium für einen Sensor dar.<br />

Ein großer Vorteil der Kammanordnung bei <strong>DEA</strong>-Sensoren ist die breit gefächerte Ein-<br />

satzmöglichkeit. Da es im Gegensatz zu der Plattenanordnung nicht erforderlich ist,<br />

den zu untersuchenden Gegenstand exakt zwischen die Elektroden zu bringen, kön-<br />

nen solche Sensoren an beliebige Stellen <strong>von</strong> Bauteilen während <strong>und</strong> nach ihrer Ver-<br />

arbeitung angebracht werden [15].<br />

Kammförmig ineinandergreifende<br />

Elektroden<br />

Probe<br />

~U<br />

d Isolationsmatrix<br />

Sensorgehäuse<br />

elektrisches Wechselfeld


<strong>3.</strong><strong>3.</strong>3 Darstellung der Messergebnisse <strong>und</strong> deren Auswertung<br />

Untersuchung der Reaktionskinetik <strong>von</strong><br />

20 Photopolymeren im Dentalbereich<br />

Bei der dielektrischen Charakterisierung eines Kunststoffes, insbesondere eines Reak-<br />

tivharzes ist die Erfassung der relativen Dielektrizitätszahl (permittivity) εr eine ver-<br />

gleichsweise einfache <strong>und</strong> häufig Angewendete Prozedur. Lediglich die Veränderung<br />

<strong>von</strong> εr bei Reaktivharzen bei zunehmender Vernetzung wäre für diese Diplomarbeit<br />

interessant.<br />

Typischerweise werden allerdings bei <strong>DEA</strong>-Untersuchungen <strong>von</strong> Vernetzungsvorgän-<br />

gen der zeitliche Verlauf <strong>von</strong> Ionenviskosität µi <strong>und</strong> Verlustzahl εr'' analysiert. Diese<br />

Messkurven besitzen bei ordnungsgemäßer Versuchsdurchführung einen charakteris-<br />

tischen Verlauf, wie er in Bild <strong>3.</strong>13 zu sehen ist. Da die Werte vor <strong>und</strong> nach der Belich-<br />

Start der Belichtung<br />

zunehmende<br />

Messfrequenz<br />

10 20 30<br />

Lg (Ionenviskosität µi)<br />

Lg (Verlustzahl εr'')<br />

Zeit [s]<br />

Bild <strong>3.</strong>13:<br />

Schematische Darstellung eines <strong>DEA</strong>-Messdiagramms am Beispiel<br />

der Aushärtung eines Zahnfüllungskompositen<br />

tung meist um mehrere Dekaden schwanken, werden sie logarithmisch aufgetragen.<br />

Die Kurvenverläufe lassen sich im Gr<strong>und</strong>e sehr einfach erklären. Beginnt die Vernet-<br />

zung eines Reaktivharzes, so werden Ionen durch die neuen Verknüpfungsstellen in<br />

ihrer Bewegung extrem behindert. Die Ionenviskosität nimmt also zu. Gleichermaßen<br />

sinkt die durch Ionenbewegung, bzw. Moelkülschwingungen dissipierte Reibungs-<br />

energie signifikant ab. Die Zu- oder Abnahme dieser Messwerte erfolgt bis zu einem<br />

gewissen Grad der Vernetzung, ab dem die Ionenwanderung weitgehend zum Erlie-<br />

gen kommt. Diese Veränderung der el. Eigenschaften als Folge des Übergangs <strong>von</strong>


Untersuchung der Reaktionskinetik <strong>von</strong><br />

21 Photopolymeren im Dentalbereich<br />

plastischem zu elastischem Materialverhalten bestätigt die Beobachtungen während<br />

einer dynamisch-mechanischen Analyse (siehe Kap. <strong>3.</strong>2) <strong>und</strong> lässt eine analoge Deu-<br />

tung der Ergebnisse zu.<br />

Die Anregungsfrequenz ist für den Verlauf solcher <strong>DEA</strong>-Messkurven zwar weniger<br />

ausschlaggebend, jedoch verschieben sich jeweils Anfangs- <strong>und</strong> Endwert der Ionen-<br />

viskositätskurven um einen gewissen Offset (vgl. Bild <strong>3.</strong>13), der sich durch folgenden<br />

Zusammenhang erklären lässt [16]:<br />

1/µi ~ u = ε''r . ω . ε0 = ε''r . 2πf . ε0 (Gl. <strong>3.</strong>7)<br />

mit: µi : Ionenviskosität<br />

u : Ionenbeweglichkeit<br />

εr'' : Verlustzahl<br />

ω : Kreisfrequenz<br />

ε0 : Dielektrizitätskonstante im luftleeren Raum<br />

f : Anregungsfrequenz<br />

In Gleichung <strong>3.</strong>7 wird deutlich, dass mit steigender Messfrequenz f eine höhere Ionen-<br />

beweglichkeit u bei dielektrischen Messungen auftritt. Da die Ionenviskosität µi umge-<br />

kehrt proportional zu der Ionenbeweglichkeit ist, erklärt diese Gleichung, warum sich<br />

die Ionenviskositäts-Kurven bei steigender Messfrequenz zu niedrigeren Werten ver-<br />

schieben (vgl. Bild <strong>3.</strong>13).<br />

<strong>3.</strong><strong>3.</strong>4 Besonderheiten bei der Untersuchung <strong>von</strong> Reaktivharzen<br />

Die <strong>DEA</strong> bietet über die Messung elektrischer Eigenschaften eine sehr sensitive Me-<br />

thode zur Charakterisierung des Aushärteverlaufs <strong>von</strong> Reaktivharzen. Die Empfind-<br />

lichkeit dieser Analyse ermöglicht darüber hinaus eine äußerst hohe Messrate <strong>von</strong> ca.<br />

20 s -1 <strong>und</strong> ist deshalb besonders für die Untersuchung <strong>von</strong> extrem kurzen Aushär-<br />

tungsprozessen <strong>von</strong> max. 2 Minuten geeignet. Allerdings wird <strong>von</strong> der <strong>DEA</strong> ab einer<br />

gewissen Annäherung des Vernetzungsgrades an den Endzustand keine Mess-<br />

wertänderung mehr wahrgenommen. D.h. diese Methode eignet sich nur für die ge-<br />

naue Untersuchung der anfänglichen Vernetzung. Bei den im Rahmen dieser Diplom-<br />

arbeit durchgeführten Analysen <strong>von</strong> Zahnfüllungs-Kompositen brachten etwa die ers-<br />

ten 20 s differenzierte Messwerte.


Quellenverzeichnis<br />

Untersuchung der Reaktionskinetik <strong>von</strong><br />

22 Photopolymeren im Dentalbereich<br />

[1] Hellerich, W.; Harsch, G.; Haenle, S.: Werkstoff-Führer Kunststoffe - Eigenschaften,<br />

Prüfungen, Kennwerte; Carl Hanser Verlag München Wien, 7. Auflage,<br />

© 1996; ISBN 3-446-17617-9; Seite 203-206<br />

[2] Ehrenstein, G.W.; Bittmann, E.: Duroplaste - Aushärtung, Prüfung, Eigenschaften;<br />

Carl Hanser Verlag München Wien, © 1997; ISBN 3-446-18917-3; Seite<br />

23-24<br />

[3] Ehrenstein, G.W.; Riedel, G.; Trawiel, P.: Praxis der Thermischen Analyse <strong>von</strong><br />

Kunststoffen; Carl Hanser Verlag München Wien, © 1998; ISBN 3-446-21001-6;<br />

Seite 111<br />

[4] Ehrenstein, G.W.; Riedel, G.; Trawiel, P.: Praxis der Thermischen Analyse <strong>von</strong><br />

Kunststoffen; Carl Hanser Verlag München Wien, © 1998; ISBN 3-446-21001-6;<br />

Seite 137<br />

[5] Ehrenstein, G.W.; Riedel, G.; Trawiel, P.: Praxis der Thermischen Analyse <strong>von</strong><br />

Kunststoffen; Carl Hanser Verlag München Wien, © 1998; ISBN 3-446-21001-6;<br />

Seite 1-3<br />

[6] Ehrenstein, G.W.; Bittmann, E.: Duroplaste - Aushärtung, Prüfung, Eigenschaften;<br />

Carl Hanser Verlag München Wien, © 1997; ISBN 3-446-18917-3; Seite<br />

23-24<br />

[7] Ehrenstein, G.W.; Riedel, G.; Trawiel, P.: Praxis der Thermischen Analyse <strong>von</strong><br />

Kunststoffen; Carl Hanser Verlag München Wien, © 1998; ISBN 3-446-21001-6;<br />

Seite 76-83<br />

[8] Ehrenstein, G.W.; Bittmann, E.: Duroplaste - Aushärtung, Prüfung, Eigenschaften;<br />

Carl Hanser Verlag München Wien, © 1997; ISBN 3-446-18917-3; Seite<br />

42-58<br />

[9] Ehrenstein, G.W.; Riedel, G.; Trawiel, P.: Praxis der Thermischen Analyse <strong>von</strong><br />

Kunststoffen; Carl Hanser Verlag München Wien, © 1998; ISBN 3-446-21001-6;<br />

Seite 163-170<br />

[10] Praktikumsvorschrift: Dynamisch Mechanische Analyse (<strong>DMA</strong>), Werkstoffprüfung<br />

(SS 2002), Prof. Dr.-Ing. B. Möginger, FH-Bonn-Rhein-Sieg, FB 05<br />

[11] Ehrenstein, G.W.; Riedel, G.; Trawiel, P.: Praxis der Thermischen Analyse <strong>von</strong><br />

Kunststoffen; Carl Hanser Verlag München Wien, © 1998; ISBN 3-446-21001-6;<br />

Seite 166-173<br />

[12] Brown, R.P.: Taschenbuch Kunststoff-Prüftechnik; Carl Hanser Verlag München<br />

Wien, © 1984; ISBN 3-446-14052-2; Seite 271-274


Untersuchung der Reaktionskinetik <strong>von</strong><br />

23 Photopolymeren im Dentalbereich<br />

[13] Perkin Elmer, Thermal Analysis Newsletter,<br />

www.thermal-instruments.com/Applications/petan05<strong>3.</strong>pdf<br />

[14] Brown, R.P.: Taschenbuch Kunststoff-Prüftechnik; Carl Hanser Verlag München<br />

Wien, © 1984; ISBN 3-446-14052-2; Seite 272<br />

[15] Elsner, P.: Dielektrische Charakterisierung des Aushärteverlaufs polymerer<br />

Harze; Doktorarbeit an der Fakultät Verfahrenstechnik der Universität Stuttgart<br />

1992; Seite 23<br />

[16] Werkstoffe der Elektrotechnik; Skript zur Vorlesung 11,<br />

Herr Prof.Dr.-Ing. Andreas Neyer,<br />

http://www.mst.e-technik.uni-dortm<strong>und</strong>.de/<br />

Abbildungsverzeichnis<br />

Bild <strong>3.</strong>1: Schematischer Aufbau DWDK<br />

Ehrenstein, G.W.; Riedel, G.; Trawiel, P.: Praxis der Thermischen Analyse <strong>von</strong> Kunststoffen;<br />

Carl Hanser Verlag München Wien, © 1998; ISBN 3-446-21001-6; Seite 2<br />

Bild <strong>3.</strong>2: Schematischer Aufbau DLDK<br />

Ehrenstein, G.W.; Riedel, G.; Trawiel, P.: Praxis der Thermischen Analyse <strong>von</strong> Kunststoffen;<br />

Carl Hanser Verlag München Wien, © 1998; ISBN 3-446-21001-6; Seite 3<br />

Bild <strong>3.</strong>3: <strong>DSC</strong>-Messkurve mit charakteristischen Effekten<br />

Ehrenstein, G.W.; Riedel, G.; Trawiel, P.: Praxis der Thermischen Analyse <strong>von</strong> Kunststoffen;<br />

Carl Hanser Verlag München Wien, © 1998; ISBN 3-446-21001-6; Seite 1<br />

Bild <strong>3.</strong>4: <strong>DSC</strong>-Messkurve: 1. <strong>und</strong> 2. Aufheizen <strong>von</strong> kalt- <strong>und</strong> warmhärtenden EP-<br />

Harzsystemen<br />

Ehrenstein, G.W.; Riedel, G.; Trawiel, P.: Praxis der Thermischen Analyse <strong>von</strong> Kunststoffen;<br />

Carl Hanser Verlag München Wien, © 1998; ISBN 3-446-21001-6; Seite 76<br />

Bild <strong>3.</strong>5: <strong>DSC</strong>-Messkurve: Nachvernetzung <strong>und</strong> unvollständige Aushärtung<br />

Bild <strong>3.</strong>6: <strong>DSC</strong>-Messkurve eines Photopolymers<br />

Bild <strong>3.</strong>7: Komplexe Darstellungsweise des E-Moduls<br />

Bild <strong>3.</strong>8: Schematische Darstellung der Signale eines kraftgesteuerten<br />

Schwingversuchs<br />

Bild <strong>3.</strong>9: Schematische Darstellung typischer <strong>DMA</strong>-Kurven eines amorphen<br />

Kunststoffes<br />

Ehrenstein, G.W.; Riedel, G.; Trawiel, P.: Praxis der Thermischen Analyse <strong>von</strong> Kunststoffen;<br />

Carl Hanser Verlag München Wien, © 1998; ISBN 3-446-21001-6; Seite 166


Untersuchung der Reaktionskinetik <strong>von</strong><br />

24 Photopolymeren im Dentalbereich<br />

Bild <strong>3.</strong>10: Beispiele zur Ermittlung der Glasübergangstemperatur Tg (<strong>DMA</strong>)<br />

Ehrenstein, G.W.; Riedel, G.; Trawiel, P.: Praxis der Thermischen Analyse <strong>von</strong> Kunststoffen;<br />

Carl Hanser Verlag München Wien, © 1998; ISBN 3-446-21001-6; Seite 173<br />

Bild <strong>3.</strong>11: Schematischer Aufbau einer vertikalen <strong>DMA</strong>-Prüfvorrichtung mit den<br />

möglichen Probengeometrien <strong>und</strong> -halterungen<br />

Ehrenstein, G.W.; Riedel, G.; Trawiel, P.: Praxis der Thermischen Analyse <strong>von</strong> Kunststoffen;<br />

Carl Hanser Verlag München Wien, © 1998; ISBN 3-446-21001-6; Seite 168

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