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Skript zur Vorlesung Physik Teil 1 (Sommersemester) und Teil 2 ...

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Prof. Dr. P. Kaul<br />

Tel: 02241/865-515<br />

Fax: 02241/865-795<br />

Fachhochschule<br />

Bonn-Rhein-Sieg<br />

University<br />

of Applied Sciences<br />

<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong><br />

<strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong><br />

<strong>Teil</strong> 1 (<strong>Sommersemester</strong>)<br />

<strong>und</strong><br />

Fachbereich Biologie<br />

Chemie <strong>und</strong><br />

Werkstofftechnik<br />

<strong>Teil</strong> 2 (Wintersemester)<br />

Email: peter.kaul@fh-rhein-sieg.de Stand: 03/00


Inhaltsverzeichnis<br />

<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 2<br />

Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />

Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />

1 EINFÜHRUNG ...................................................................................................................................5<br />

1.1 Allgemeines .......................................................................................................................................5<br />

1.2 Literaturangaben zu Standardwerken der <strong>Physik</strong> ................................................................................5<br />

1.3 Das griechische Alphabet ...................................................................................................................6<br />

1.4 Begriffsklärung: Was ist <strong>Physik</strong> ..........................................................................................................6<br />

1.5 Historischer Abriss..............................................................................................................................7<br />

1.6 Die Messung physikalischer Größen...................................................................................................8<br />

1.6.1 SI-Einheitensystem .........................................................................................................................8<br />

1.6.2 Umrechnung von Einheiten.............................................................................................................9<br />

1.6.3 Dezimale Vielfache <strong>und</strong> <strong>Teil</strong>e <strong>und</strong> deren Kurzbezeichnungen .........................................................9<br />

1.6.4 Abgeleitete Einheiten (SI-System) ................................................................................................10<br />

1.7 Masse, Dichte, Stoffmenge ..............................................................................................................11<br />

1.7.1 Masse...........................................................................................................................................11<br />

1.7.2 Dichte ...........................................................................................................................................11<br />

1.7.3 Stoffmenge...................................................................................................................................11<br />

2 MECHANIK......................................................................................................................................13<br />

2.1 Der Begriff des Massenpunktes........................................................................................................13<br />

2.2 Geradlinige Bewegung .....................................................................................................................14<br />

2.2.1 Geradlinig gleichförmige Bewegung..............................................................................................14<br />

2.2.2 Ungleichförmige Bewegung ..........................................................................................................14<br />

2.2.3 Zusammenhang zwischen Weg <strong>und</strong> Beschleunigung: ...................................................................15<br />

2.2.4 Der freie Fall.................................................................................................................................17<br />

2.2.5 Zusammensetzung <strong>und</strong> Zerlegung von Bewegungen ....................................................................17<br />

2.2.6 Die Bewegung auf der schiefen Ebene..........................................................................................18<br />

2.2.7 Wurfbewegung..............................................................................................................................19<br />

2.3 Rotationsbewegungen ......................................................................................................................20<br />

2.3.1 Gleichförmige Drehbewegung.......................................................................................................20<br />

2.3.2 Ungleichförmige Drehbewegung ...................................................................................................22<br />

2.3.3 Gleichmäßig beschleunigte Kreisbewegung. .................................................................................23<br />

2.4 Vergleich zwischen geradliniger Bewegung <strong>und</strong> Kreisbewegung.......................................................23<br />

2.5 Dynamik der geradlinigen Bewegung: Newtonsche Axiome..............................................................24<br />

2.5.1 Newtonsche Axiome .....................................................................................................................24<br />

2.5.2 Lineares Kraftgesetz .....................................................................................................................25<br />

2.5.3 Reibungskräfte..............................................................................................................................25<br />

2.6 Gravitation .......................................................................................................................................27<br />

2.7 Arbeit, Leistung, Energie ..................................................................................................................28<br />

2.7.1 Arbeit............................................................................................................................................28<br />

2.7.2 Leistung........................................................................................................................................30<br />

2.7.3 Energie, Energieerhaltung.............................................................................................................30<br />

2.7.4 Impuls, Impulserhaltung................................................................................................................32<br />

2.8 Dynamik der Drehbewegungen.........................................................................................................36<br />

2.8.1 Zentripetal- <strong>und</strong> Zentrifugalkraft....................................................................................................36<br />

2.8.2 Kreispendel...................................................................................................................................36<br />

2.8.3 Starrer Körper...............................................................................................................................37<br />

2.8.4 Schwerpunkt .................................................................................................................................37<br />

2.8.5 Trägheitsmoment..........................................................................................................................38<br />

2.8.6 Drehmoment.................................................................................................................................40<br />

2.8.7 Drehimpuls ...................................................................................................................................41<br />

2.8.8 Vergleich zwischen geradliniger Bewegung <strong>und</strong> Kreisbewegung ...................................................43<br />

3 MECHANIK DER FLÜSSIGKEITEN UND GASE .............................................................................45<br />

3.1 Ruhende Flüssigkeiten <strong>und</strong> Gase .....................................................................................................45<br />

3.1.1 Ruhende Flüssigkeiten..................................................................................................................45<br />

3.1.2 Ruhende Gase..............................................................................................................................51<br />

4 THERMODYNAMIK .........................................................................................................................53<br />

4.1 Temperatur ......................................................................................................................................53<br />

4.1.1 Temperaturskalen.........................................................................................................................53<br />

4.1.2 Thermometer................................................................................................................................54


<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 3<br />

Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />

Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />

4.2 Verhalten von Körpern bei Temperaturänderungen ..........................................................................54<br />

4.2.1 Feste Körper.................................................................................................................................54<br />

4.2.2 Flüssigkeiten.................................................................................................................................55<br />

4.2.3 Gase.............................................................................................................................................56<br />

4.2.4 Die allgemeine Zustandsgleichung idealer Gase: ..........................................................................57<br />

4.3 Kinetische Gastheorie ......................................................................................................................58<br />

4.3.1 Gasgleichungen............................................................................................................................58<br />

4.3.2 Mittlere kinetische Energie der Moleküle, Gleichverteilungssatz....................................................60<br />

4.3.3 Boltzmannfaktor:...........................................................................................................................61<br />

4.4 Die Hauptsätze der Thermodynamik.................................................................................................63<br />

4.4.1 Wärme <strong>und</strong> Innere Energie...........................................................................................................63<br />

4.4.2 Zustandsänderungen idealer Gase................................................................................................69<br />

4.4.3 Kreisprozesse ...............................................................................................................................72<br />

4.5 Zustandsgleichung realer Gase <strong>und</strong> Dämpfe ....................................................................................77<br />

4.5.1 Van-der-Waalsche Gasgleichung..................................................................................................77<br />

4.5.2 Phasenumwandlungen..................................................................................................................78<br />

4.5.3 Gleichgewicht zwischen den Phasen.............................................................................................79<br />

5 SCHWINGUNGEN UND WELLEN...................................................................................................82<br />

5.1 Wiederholung aus der Mechanik ......................................................................................................82<br />

5.2 Schwingungen..................................................................................................................................83<br />

5.2.1 Freie ungedämpfte Schwingung:...................................................................................................83<br />

5.2.2 Freie gedämpfte Schwingung:.......................................................................................................83<br />

5.2.3 Erzwungene Schwingung: .............................................................................................................83<br />

5.3 Mathematische Beschreibung von Schwingungen ............................................................................84<br />

5.3.1 Harmonische Schwingungen:........................................................................................................84<br />

5.3.2 Differentialgleichung der freien ungedämpften Schwingung: .........................................................85<br />

5.3.3 Differentialgleichung der freien gedämpften Schwingung: .............................................................89<br />

5.3.4 Differentialgleichung der erzwungenen Schwingung......................................................................92<br />

5.4 Überlagerung von Schwingungen .....................................................................................................94<br />

5.4.1 Schwingungen gleicher Raumrichtungen <strong>und</strong> gleicher Frequenz...................................................95<br />

5.4.2 Schwingungen gleicher Raumrichtungen <strong>und</strong> verschiedener Frequenz .........................................96<br />

5.4.3 Schwingungen verschiedener Raumrichtungen <strong>und</strong> Frequenzen...................................................98<br />

5.5 Wellen..............................................................................................................................................98<br />

5.5.1 Allgemeines..................................................................................................................................98<br />

5.5.2 Harmonische Wellen.....................................................................................................................99<br />

5.5.3 Energietransport: ........................................................................................................................100<br />

5.5.4 Interferenz von Wellen................................................................................................................101<br />

5.5.5 Stehende Wellen ........................................................................................................................103<br />

6 OPTIK............................................................................................................................................106<br />

6.1 Dualismus <strong>Teil</strong>chen Welle..............................................................................................................106<br />

6.2 Huygenssches Prinzip ....................................................................................................................107<br />

6.2.1 Reflexion <strong>und</strong> Brechung..............................................................................................................108<br />

6.3 Geometrische Optik........................................................................................................................110<br />

6.3.1 Ebener Spiegel ...........................................................................................................................111<br />

6.3.2 Gekrümmte Spiegel ....................................................................................................................111<br />

6.3.3 Linsen.........................................................................................................................................114<br />

6.3.4 Optische Instrumente..................................................................................................................117<br />

6.4 Wellenerscheinungen von Licht......................................................................................................119<br />

6.4.1 Beugung .....................................................................................................................................119<br />

6.4.2 Kohärenz ....................................................................................................................................120<br />

6.4.3 Interferenz an dünnen Schichten.................................................................................................121<br />

6.4.4 Michelson Interferometer ............................................................................................................124<br />

6.4.5 Doppelspalt <strong>und</strong> Mehrfachspalt ...................................................................................................125<br />

6.4.6 Einzelspalt ..................................................................................................................................127<br />

6.4.7 Gitter ..........................................................................................................................................128<br />

6.4.8 Auflösungsvermögen ..................................................................................................................130<br />

6.4.9 Prisma ........................................................................................................................................131<br />

6.4.10 Polarisation.................................................................................................................................132<br />

7 ELEKTRIZITÄT .............................................................................................................................134<br />

7.1 Das elektrische Feld.......................................................................................................................134


<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 4<br />

Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />

Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />

7.1.1 Definitionen ................................................................................................................................134<br />

7.1.2 Elektrisches Feld von Punktladungen..........................................................................................135<br />

7.1.3 Bewegung von Ladungen in E-Feldern........................................................................................137<br />

7.1.4 Kontinuierliche Ladungsverteilungen...........................................................................................138<br />

7.1.5 Ladung <strong>und</strong> Feld auf leitenden Oberflächen................................................................................140<br />

7.2 Elektrisches Potential .....................................................................................................................141<br />

7.2.1 Definitionen ................................................................................................................................141<br />

7.2.2 Potential von Punktladungen ......................................................................................................142<br />

7.2.3 Feld <strong>und</strong> Potential, Poissongleichung..........................................................................................144<br />

7.3 Elektrischer Strom:.........................................................................................................................146<br />

7.3.1 Definitionen: ...............................................................................................................................146<br />

7.3.2 Elektronenleitung in Leitern.........................................................................................................147<br />

7.3.3 Elektrischer Widerstand <strong>und</strong> Ohmsches Gesetz..........................................................................149<br />

7.3.4 Energie des elektrischen Stromes...............................................................................................151<br />

7.4 Gleichstromkreise...........................................................................................................................151<br />

7.4.1 Spannungsquellen ......................................................................................................................151<br />

7.4.2 Kirchhoffsche Regeln..................................................................................................................152<br />

7.4.3 RC-Kreise ...................................................................................................................................156<br />

8 MAGNETISMUS ............................................................................................................................161<br />

8.1 Das magnetische Feld....................................................................................................................161<br />

8.1.1 Allgemeines................................................................................................................................161<br />

8.1.2 Lorentzkraft.................................................................................................................................161<br />

8.1.3 Bewegung einer Punktladung im Magnetfeld...............................................................................162<br />

8.1.4 Energiefilter <strong>und</strong> Massenspektrometer ........................................................................................163<br />

8.2 Die Quellen des magnetischen Feldes............................................................................................164<br />

8.2.1 Bewegte Ladungen .....................................................................................................................164<br />

8.2.2 Magnetische Induktion ................................................................................................................166<br />

8.2.3 (Selbst)induktivität ......................................................................................................................167<br />

8.3 LR-Kreise .......................................................................................................................................168<br />

8.4 Magnetismus in Materie .................................................................................................................170<br />

8.4.1 Magnetische Momente................................................................................................................170<br />

8.4.2 Magnetisierung <strong>und</strong> magnetische Suszeptibilität .........................................................................171<br />

8.4.3 Paramagnetismus.......................................................................................................................172<br />

8.4.4 Diamagnetismus.........................................................................................................................173<br />

8.4.5 Ferromagnetismus......................................................................................................................173<br />

8.5 Wechselstromkreise .......................................................................................................................174<br />

8.5.1 Wechselspannung an einem Widerstand ....................................................................................174<br />

8.5.2 Wechselströme in Spulen ...........................................................................................................175<br />

8.5.3 Wechselströme in Kondensatoren...............................................................................................176<br />

8.5.4 LC-Kreise....................................................................................................................................178<br />

8.5.5 Transformator .............................................................................................................................179<br />

8.6 Elektromagnetische Wellen............................................................................................................180<br />

8.6.1 Die Maxwellschen Gleichungen ..................................................................................................180<br />

8.6.2 Elektromagnetische Wellen ........................................................................................................182


1 EINFÜHRUNG<br />

1.1 Allgemeines<br />

<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 5<br />

Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />

Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />

Das vorliegende <strong>Skript</strong> „<strong>Physik</strong>, <strong>Teil</strong> 1“ soll den Studierenden der Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik als Hilfsmit-<br />

tel <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> dienen. Das <strong>Skript</strong> erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, d.h. die Verwen-<br />

dung weiterer Fachliteratur <strong>zur</strong> Vorbereitung der Übungsaufgaben, Klausuren <strong>und</strong> Praktika wird dringend<br />

empfohlen! Das <strong>Skript</strong> dient lediglich <strong>zur</strong> Information über die in der <strong>Vorlesung</strong> vermittelten Inhalte.<br />

1.2 Literaturangaben zu Standardwerken der <strong>Physik</strong><br />

• Experimentalphysik I - IV, (sehr ausführliche Darstellungen)<br />

Bergmann-Schaefer,<br />

Walter de Gruyter-Verlag<br />

• <strong>Physik</strong> für Ingenieure<br />

Dobrinski, Krakau, Vogel<br />

Teubner-Verlag<br />

• Einführung in die <strong>Physik</strong><br />

Fleischmann<br />

<strong>Physik</strong>-Verlag<br />

• <strong>Physik</strong><br />

Gerthsen, Vogel<br />

Springer<br />

• <strong>Physik</strong> (Empfehlung)<br />

Tipler<br />

Spektrum Akademischer Verlag<br />

• <strong>Physik</strong> für Ingenieure (Empfehlung)<br />

Hering, Martin, Stohrer<br />

Springer<br />

• <strong>Physik</strong><br />

Gerlach, Grosse<br />

Teubner


• <strong>Physik</strong> für Mediziner<br />

Harten<br />

Springer<br />

<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 6<br />

Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />

Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />

1.3 Das griechische Alphabet<br />

Alpha α Α<br />

Beta β Β<br />

Gamma γ Γ<br />

Delta δ Δ<br />

Epsilon ε Ε<br />

Zeta ζ Ζ<br />

Eta η Η<br />

Theta ϑ (θ) Θ<br />

Jota ι Ι<br />

Kappa κ Κ<br />

Lambda λ Λ<br />

My μ Μ<br />

Ny ν Ν<br />

Xi ξ Ξ<br />

Omikron ο Ο<br />

Pi π Π<br />

Rho ρ Ρ<br />

Sigma σ Σ<br />

Tau τ Τ<br />

Ypsilon υ Υ<br />

Phi ϕ (φ) Φ<br />

Chi χ Χ<br />

Psi ψ Ψ<br />

Omega ω Ω<br />

1.4 Begriffsklärung: Was ist <strong>Physik</strong><br />

1. Alle Naturwissenschaften (Chemie, Astrophysik, Biologie, Geologie) sind historisch gesehen ein <strong>Teil</strong>ge-<br />

biet der <strong>Physik</strong>. Heute werden sie als eigenständige Wissenschaften betrachtet. Eine klare Trennung ist<br />

in den meisten Fällen nicht möglich. Die <strong>Physik</strong> beinhaltet viele wichtige Gr<strong>und</strong>begriffe, die in anderen<br />

Natur- <strong>und</strong> Ingenieurwissenschaften Verwendung finden.<br />

2. Historisch gewachsen ist die Unterteilung in: Mechanik, Akustik, Wärme, Elektrizität, Magnetismus, Op-<br />

tik, Atom- <strong>und</strong> Kernphysik. Diese "Klassische <strong>Physik</strong>" existiert in der Forschung in dieser Form nicht


<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 7<br />

Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />

Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />

mehr. Die willkürliche Aufspaltung unterteilt sich heutzutage in die Bereiche Quantenphysik <strong>und</strong> Elemen-<br />

tarteilchenphysik (Mikrophysik: Erforschung des Kleinen), Astrophysik (Makrophysik, Erforschung des<br />

Großen), Festkörperphysik (kondensierte Materie, Werkstofftechnik), Oberflächenphysik (Erforschung<br />

von Phasengrenzen), Theoretische <strong>Physik</strong> (streng mathematische Beschreibung.<br />

3. Sämtliche <strong>Teil</strong>bereiche sowohl der klassischen <strong>Physik</strong> als auch der modernen <strong>Physik</strong> gehen ineinander<br />

über (Optik/Elektromagnetismus, Wärmestrahlung/Licht, Festkörperphysik/Quantentheorie aber auch<br />

Marko-/Mikrophysik z.B. bei der Beschreibung des Urknalls).<br />

Begriffsbestimmung (Folie):<br />

<strong>Physik</strong> ist die Naturwissenschaft, die sich mit der Erforschung aller experimentell <strong>und</strong> messend erfassbaren<br />

sowie mathematisch beschreibbaren Erscheinungen <strong>und</strong> Vorgängen der unbelebten Natur befasst.<br />

Sie beschreibt Vorgänge, Zustände, Zustandsänderungen, Wechselwirkungen <strong>und</strong> Zusammensetzungen<br />

von Materie<br />

Die <strong>Physik</strong> hat große Auswirkungen auf die Technik <strong>und</strong> Wirtschaft sowie auf andere naturwissenschaftliche<br />

Zweige (Beispiele: Mikroelektronik, neue Materialien, Werkstofftechnik, chemische Verfahrenstechnik etc.)<br />

1.5 Historischer Abriss<br />

1. Erste Beschreibungen physikalische Phänomene finden sich bei Archimedes: um 285 v. Chr.: Integral-<br />

rechnung, Berechnung von π, Hebelgesetze <strong>und</strong> Auftrieb.<br />

2. Anfänge der klassischen <strong>Physik</strong> finden sich Anfang des 17. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

3. Tycho de Brahes (1546-1601) <strong>und</strong> Kepler (1571-1630): Beschreibung der Planetenbewegung, Kepler-<br />

sche Gesetze.<br />

Klassische <strong>Physik</strong>:<br />

Galilei 1564-1642 Pendel- <strong>und</strong> Fallgesetze<br />

Newton 1643-1727 Theoretische Mechanik, Gravitation<br />

Huygens 1629-1695 Wellentheorie des Lichts<br />

Faraday 1791-1867 Elektrolyse, Induktion<br />

Maxwell 1831-1879 Elektromagn. Lichttheorie, kinetische Gastheorie<br />

Helmholtz 1821-1894 Energieprinzip (Erhaltung)<br />

Hertz 1857-1894 elektrische Wellen<br />

Moderne <strong>Physik</strong>:<br />

Planck 1858-1947 Quantentheorie<br />

Einstein 1879-1955 Relativitätstheorie<br />

Bohr 1885-1962 Atomtheorie<br />

Heisenberg 1901-1976 Quantenmechanik


<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 8<br />

Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />

Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />

Schrödinger 1887-1961 Wellenmechanik<br />

1.6 Die Messung physikalischer Größen<br />

Definition:<br />

Eine physikalische Größe setzt sich zusammen aus einem Zahlenwert <strong>und</strong> einer Einheit:<br />

physikalische Größe = Zahlenwert * Einheit<br />

G = {G} * [G]<br />

Beispiel: Die Länge ist eine physikalische Größe<br />

In der Französischen Revolution (1790) wurde vereinbart, die lange Zeit gültigen Maße, die sich auf Kör-<br />

pergrößen bezogen (Schritt, Elle, Fuß, Daumenbreite = Zoll) auf Einheiten der unbelebten Natur zu<br />

beziehen:<br />

• 1790: 1 Längeneinheit entspricht dem 1/40000000 <strong>Teil</strong> des durch Paris gehenden Erdmeridians (Län-<br />

genkreises) --> schwierig nachzuvollziehen<br />

• 1875: Schaffung des Urmeters: Pt/Ir-Stab (beständige Legierung) mit Einkerbungen als Ur-Meter in Paris<br />

--> im kleinen Maßstab zu ungenau<br />

• Seit 1983: 1 Meter ist die Entfernung, die Licht im Vakuum während des Intervalls von 1/299792468<br />

Sek<strong>und</strong>en durchläuft: Sehr genaue Messung der Lichtgeschwindigkeit <strong>und</strong> der Zeit möglich!<br />

Es existiert eine internationale Einigung auf bestimmte Basisgrößen, mit denen alle anderen physikalischen<br />

Größen (abgeleitete Größen) festgelegt werden können:<br />

1.6.1 SI-Einheitensystem<br />

Definition: SI-System: Système International d'Unités<br />

Basisgröße Zeichen SI-Einheit Zeichen<br />

Länge s Meter m<br />

Masse m Kilogramm kg<br />

Zeit t Sek<strong>und</strong>e s<br />

elektrische Stromstärke I Ampere A<br />

thermodynamische Temperatur T Kelvin K<br />

Lichtstärke I Candela cd<br />

Stoffmenge n Mol mol<br />

Beispiel:<br />

Abgeleitete Größe Geschwindigkeit


<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 9<br />

Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />

Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />

(gleichförmige) Geschwindigkeit: v = s / t, Einheit: [v] = [l] / [t] = m/s<br />

elektrischer Widerstand R = U / I, Einheit [R] = [U] / [I] = V / A = Ohm<br />

Es existieren auch dimensionslose Größen, z.B.<br />

• Mach: Verhältnis von tatsächlicher Geschwindigkeit <strong>zur</strong> Schallgeschwindigkeit in Luft<br />

• Brechungsindex: Verhältnis der Lichtgeschwindigkeiten in verschiedenen angrenzenden Materialien<br />

1.6.2 Umrechnung von Einheiten<br />

Beispiel:<br />

Längeneinheiten<br />

Basiseinheit Länge 1 m<br />

geographische Entfernungen 1 km = 1000 m = 10 3 m<br />

Atomdurchmesser 1 A = 0,000 000 000 1 m = 10 -10 m<br />

Einheit Geschwindigkeit 1 1 10<br />

−3<br />

m km<br />

= = 3, 6<br />

s 1<br />

h<br />

3600<br />

km<br />

h<br />

1 1 10<br />

3<br />

km m 1 m<br />

= = ≈ 0, 277<br />

h 3600 s 3, 6 s<br />

1.6.3 Dezimale Vielfache <strong>und</strong> <strong>Teil</strong>e <strong>und</strong> deren Kurzbezeichnungen<br />

Zehner-Potenz Bezeichnung Kurzzeichen<br />

10 18 Exa E<br />

10 15 Peta P<br />

10 12 Tera T<br />

10 9 Giga G<br />

10 6 Mega M<br />

10 3 Kilo k<br />

10 2 Hekto h<br />

10 0 --- ---<br />

10 -1 Dezi d<br />

10 -2 Zenti c<br />

10 -3 Milli m<br />

10 -6 Mikro µ<br />

10 -9 Nano n<br />

m<br />

s


<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 10<br />

Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />

Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />

1.6.4 Abgeleitete Einheiten (SI-System)<br />

Größe Formelzeichen<br />

10 -12 Piko p<br />

10 -15 Femto f<br />

10 -18 Atto a<br />

Definitionsgleichung Dimension Einheit<br />

Länge s Basisgröße L m Meter<br />

Masse m Basisgröße M kg Kilogramm<br />

Zeit t Basisgröße Z s Sek<strong>und</strong>e<br />

elektr. Strom I Basisgröße I A Ampere<br />

Temperatur T Basisgröße T K Kelvin<br />

Lichtstärke I Basisgröße S cd Candela<br />

Stoffmenge ν Basisgröße N mol Mol<br />

Fläche A A=s 2 L 2 m 2<br />

Volumen V V=s 3 L 3 m 3<br />

Geschwindigkeit v v=ds/dt LZ -1 m/s<br />

Beschleunigung a a=dv/dt=d 2 s/dt 2 LZ -2 m/s 2<br />

Kraft F F=m a MLZ -2 N=kg m/s 2 Newton<br />

Impuls p p=m v LZ -1 kg m/s<br />

Arbeit, Energie W W=F s ML 2 Z -2 J=N m Joule<br />

Leistung P P=dW/dt ML 2 Z -3 W=N m/s Watt<br />

Frequenz f f=1/t Z -1 Hz=1/s Hertz<br />

Brechkraft D D=1/Brennweite L -1 dpt=1/m Dioptrie<br />

Winkel ϕ ϕ=Bogenlänge/Radius L/L=1 rad Radiant<br />

Winkelgeschwindigkeit ω ω=dϕ/dt Z -1 rad/s=1/s (nicht Hertz)<br />

elektr. Ladung Q Q=I t IZ C=A s Coulomb<br />

elektr. Spannung U U=W/Q ML 2 Z -3 I -1 V=J/s Volt<br />

elektr. Feldstärke E E=F/Q MLZ -3 I -1 V/m=N/C<br />

elektr. Widerstand R R=U/I ML 2 Z -3 I -2 �=V/A Ohm<br />

elektr. Kapazität C C=Q/U M -1 L -2 Z 4 I 2 F=C/V Farad<br />

magn. Fluß Φ Φ=U t ML 2 Z -2 I -1 Wb=V s Weber<br />

magn. Induktion B B=E/v MZ -2 I -1 T=Wb/m 2 Tesla<br />

magn. Erregung H H=N I/l L -1 I A/m<br />

Wärme Q Q=Energie ML 2 Z -2 J Joule<br />

Wärmekapazität C C=dQ/dT ML 2 Z -2 T -1 J/K<br />

Entropie S S=Q/T ML 2 Z -2 T -1 J/K


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Aktivität A A=Anzahl/t Z -1 Bq=1/s Bequerel<br />

Energiedosis D D=W/m L 2 Z -2 Gy=J/kg Gray<br />

Ionendosis J J=dQ/dm IZM -1 C/kg<br />

Äquivalentdosis D q D q =qD L 2 Z -2 Sv=J/kg Sievert<br />

1.7 Masse, Dichte, Stoffmenge<br />

1.7.1 Masse<br />

• Die Masse ist eine der wichtigsten Eigenschaften von Materie.<br />

• Die Einheit der Masse ist Kilogramm (kg): Ein Pt/Ir-Zylinder der Masse 1 kg wird in Paris als internatio-<br />

nal gültiges "Massennormal" aufbewahrt.<br />

• Oft wird 1 dm 3 reines Wasser bei 4 °C als alternative Masseneinheit von 1 kg verwendet (Unterschied:<br />

Merke:<br />

Pt/Ir-Zylinder ist 0,028 g zu groß).<br />

Die Bestimmung (Messung) von Massen erfolgt durch Gewichtsvergleich<br />

Verwendung von Waagen, um über die Gewichtsmessung auf die Masse <strong>zur</strong>ückzuschließen:<br />

• Balkenwaage<br />

• Federwaage<br />

• Ultramikrowaagen mit elektromagnetischer Kraftkompensation<br />

Bei sehr genauen Wägungen muss der Auftrieb der Masse im Umgebungsmedium berücksichtigt werden!<br />

1.7.2 Dichte<br />

Definition:<br />

Achtung, nicht verwechseln:<br />

ρ = m<br />

V<br />

Dichte = Masse/Volumen: [ kg m ] /<br />

3<br />

Die Dichte ist eine Stoffkonstante<br />

Dichte = Masse/Volumen, Wichte oder spezifisches Gewicht = Gewicht/Volumen<br />

1.7.3 Stoffmenge<br />

Definitionen:<br />

relative Atommasse A r : Sie gibt das Vielfache der Masse eines Atoms zu 1/12 der Masse des Koh-<br />

lenstoffnuklids 12 C an:


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A<br />

r<br />

m<br />

=<br />

1<br />

m<br />

12<br />

Atom<br />

12<br />

C<br />

relative Molekülmasse M r : Sie gibt das Vielfache der Masse eines Moleküls zu 1/12 der Masse des<br />

Kohlenstoffnuklids 12 C an. Die Masse eines Moleküls ist die Summe der<br />

Massen der Molekülatome<br />

M m m<br />

Molekül<br />

r = =<br />

m m<br />

C<br />

∑<br />

1 1<br />

12 12<br />

Molekülatome<br />

12 12<br />

Jede Stoffmenge, deren Masse in g der relativen Atommasse entspricht, enthält die gleiche Anzahl an Ato-<br />

men:<br />

1 Mol entspricht der relativen Atommasse bzw. der relativen Molekülmasse in Gramm<br />

Die Zahl der <strong>Teil</strong>chen in einem Mol ist gegeben durch die Avogadrokonstante<br />

23<br />

Avogadrokonstante: N A = 6 * 10<br />

C


2 MECHANIK<br />

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2.1 Der Begriff des Massenpunktes<br />

Bewegungen können unterteilt werden in<br />

• gleichförmig<br />

• ungleichförmig<br />

• ruhend<br />

Bei einer Bewegung bewegt sich ein Körper relativ zu einem Bezugssystem, z.B. eine sitzende Person in<br />

einem fahrenden Zug bewegt sich nicht relativ zum Zug, aber sie bewegt sich relativ zum Erdboden.<br />

Bewegungen werden stets auf ein Bezugssystem bezogen!<br />

Ein Körper mit einer geometrischen Ausdehnung kann sich auf zwei Arten bewegen:<br />

• translatorisch<br />

• rotatorisch<br />

Im allgemeines ist die Bewegung des Körpers eine Überlagerung von translatorischen <strong>und</strong> rotatorischen<br />

Bewegungen (relativ zum Bezugssystem)<br />

Festlegung von Koordinatensystemen:<br />

Im Allgemeinen werden Koordinatensysteme <strong>zur</strong> Beschreibung der Lage von Körpern in einem Bezugssys-<br />

tem als kartesische (d.h. rechtwinklige <strong>und</strong> rechtshändige) Koordinatensysteme aufgebaut.<br />

Ein Körper nimmt ein Volumen innerhalb dieses Koordinatensystems ein. Es lässt sich unterteilen in eine<br />

Anzahl von Massenpunkten, die hinreichend klein sind, um ihre Lage durch einen Punkt auszudrücken.<br />

⎛x<br />

⎞ 1<br />

⎜ ⎟<br />

Vektoren: r1<br />

= ⎜y<br />

1⎟<br />

⎜ ⎟<br />

⎝z<br />

⎠<br />

1<br />

,<br />

r<br />

2<br />

⎛x<br />

⎞ 2<br />

⎜ ⎟<br />

= ⎜y<br />

2 ⎟<br />

⎜ ⎟<br />

⎝z<br />

⎠<br />

2 2 2<br />

2 2<br />

Längen: r = x + y + z , r = x + y + z<br />

1 1<br />

(skalare Größen)<br />

1<br />

1<br />

2<br />

2 2<br />

2<br />

2<br />

Abstand: d= [ x1 − x2 ] + [ y1 − y 2 ] + [ z1 − z2<br />

]<br />

Es lässt sich zeigen. dass es in jedem ausgedehnten<br />

Körper einen Punkt, den Schwerpunkt, gibt, der sich<br />

genau nach den Gesetzen eines Massenpunktes bewegt.<br />

Es ist zweckmäßig, zunächst die Beschreibung von Be-<br />

wegungen auf einen Punkt zu reduzieren. Die Bewegungen können dann nur rein translatorisch sein, da die<br />

Rotation eines Punktes dann keinen Sinn mehr macht.<br />

2<br />

2<br />

2<br />

2


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2.2 Geradlinige Bewegung<br />

2.2.1 Geradlinig gleichförmige Bewegung<br />

Definition:<br />

Ein Körper bewegt sich geradlinig gleichförmig, wenn er auf gerader Bahn in gleichen Zeiten gleiche Wege<br />

<strong>zur</strong>ücklegt.<br />

Anders ausgedrückt bedeutet dies, dass das Verhältnis aus Weg <strong>und</strong> Zeit konstant ist: (der Graph im s-t-<br />

Diagramm ist eine Gerade).<br />

Definition:<br />

Die Geschwindigkeit v ist der Quotient aus <strong>zur</strong>ückgelegtem Weg <strong>und</strong> der dafür benötigten Zeit. Im Fall der<br />

geradlinig gleichförmigen Bewegung gilt<br />

Δs<br />

s − s<br />

v = =<br />

Δt<br />

t − t<br />

1 0<br />

1 0<br />

⎡<br />

⎢<br />

⎣<br />

m<br />

s<br />

⎤<br />

⎥ const<br />

⎦<br />

= .<br />

Falls die Proportionalität zwischen s <strong>und</strong> t nur auf einem <strong>Teil</strong> des Weg-Zeit Diagramms gegeben ist, so be-<br />

findet sich der Körper nur in diesem <strong>Teil</strong> in einer gleichförmig geradlinigen Bewegung<br />

Beispiel:<br />

2.2.2 Ungleichförmige Bewegung<br />

Im Zeitintervall [t 1 ,t 2 ] <strong>und</strong> [s 1 ,s 2 ] ist die Bewegung geradlinig<br />

<strong>und</strong> gleichförmig. Nur in diesem Intervall ist die Geschwindig-<br />

keit konstant, also<br />

Δs<br />

s − s<br />

v = =<br />

Δt<br />

t − t<br />

2 1<br />

2 1<br />

= const.<br />

Die Geschwindigkeit ist die Steigung der Geraden im s-t-<br />

Diagramm!<br />

Je kürzer die Intervalle werden, in denen das Verhältnis aus Weg <strong>und</strong> Zeit konstant ist, desto ungleichför-<br />

miger wird die Geschwindigkeit während der gesamten Bewegung des Massenpunktes. Die Geschwindigkeit<br />

ist keine Konstante mehr. Die konstante Geschwindigkeit wird ersetzt durch den Begriff der Momentange-<br />

schwindigkeit.<br />

Δs<br />

s( t + Δt)<br />

− s( t)<br />

Definition Mometangeschwindigkeit: v = lim = lim =<br />

Δt→0 Δt<br />

Δt→0<br />

Δt<br />

v ds<br />

= : = s&<br />

erste Ableitung (Differentialquotient) des Weges nach der Zeit<br />

dt<br />

ds<br />

dt


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Δs<br />

ges gesamter Weg<br />

Definition Durchschnittsgeschwindigkeit: v = =<br />

Δt<br />

gesamtebenötigte Zeit<br />

Definition:<br />

ges<br />

Eine Bewegung heißt ungleichförmig geradlinig, wenn sich der Betrag der Momentangeschwindigkeit än-<br />

dert:<br />

Δv<br />

v − v<br />

a=<br />

=<br />

Δt<br />

t − t<br />

1 0<br />

1 0<br />

Analog <strong>zur</strong> Geschwindigkeit gilt<br />

⎡ m ⎤<br />

≠ 0 ⎢ 2<br />

⎣s<br />

⎥ Die Größe a heißt Beschleunigung<br />

⎦<br />

Δv<br />

a=<br />

= const.<br />

konstante Beschleunigung<br />

Δt<br />

a=<br />

lim<br />

Δt→0<br />

v<br />

a =<br />

t<br />

Δ<br />

Δ<br />

ges<br />

ges<br />

v( t + Δt)<br />

− v( t)<br />

=<br />

Δt<br />

dv<br />

dt<br />

momentane Beschleunigung<br />

mittlere Beschleunigung<br />

2.2.3 Zusammenhang zwischen Weg <strong>und</strong> Beschleunigung:<br />

Es war v ds<br />

= : = s&<br />

(1) <strong>und</strong> a<br />

dt<br />

dv<br />

= = v&<br />

(2).<br />

dt<br />

Wenn (1) eingesetzt wird in (2) dann gilt:<br />

a dv<br />

2<br />

d ⎛ ds⎞<br />

d s<br />

= = ⎜ ⎟ = = s&&<br />

2<br />

dt dt ⎝ dt ⎠ dt<br />

Die Beschleunigung einer geradlinigen Bewegung ist die zweite Ableitung des Weges nach der Zeit<br />

Berechnung des Weges bei bekannten Geschwindigkeiten <strong>und</strong> Beschleunigungen (Sonderfälle):<br />

1. Es sei v = const.<br />

Dann folgt a = dv/dt = 0<br />

Mit v = ds/dt = const. folgt die Proportionalität von s <strong>und</strong> t, die Proportionalitätskonstante ist die Geschwin-<br />

digkeit v. Mathematisch gibt das Differential ds/dt die Steigung der Tangenten in einem bestimmten Punkt<br />

an.<br />

s = v ⋅ t + s0<br />

, wobei s0 konstant ist.<br />

Die Berechnung des Weges aus der Geschwindigkeit kann auch ausgedrückt werden durch das Zeitintegral<br />

über der Geschwindigkeit. Die Integration ist die Umkehrfunktion der Differentiation:


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aus v ds<br />

ds<br />

= folgt durch Integration v dt<br />

dt<br />

∫ = ∫ dt = s<br />

dt<br />

wobei mit v = const. gilt: s = ∫ vdt = v ⋅ ∫ dt = v ⋅ t + s0<br />

(s0 ist die Integrationskonstante)<br />

2. Es sei a = const.<br />

Dann folgt aus a dv<br />

= = const.<br />

unmittelbar v = a⋅ t (1) entsprechend den Ausführungen unter Sonderfall<br />

dt<br />

1 durch Integration der Differentialgleichung<br />

Der Zusammenhang zwischen Weg <strong>und</strong> Beschleunigung lässt sich folgendermaßen ermitteln:<br />

1. Das Integral einer Funktion f(t) in den Grenzen [a,b] liefert die Fläche zwischen der Abszisse <strong>und</strong> der<br />

Funktion innerhalb der Grenzen (Riemannsches Integral).<br />

2. Der Zusammenhang zwischen Weg <strong>und</strong> Geschwindigkeit wird durch Integration der Differentialgleichung<br />

v ds<br />

= erhalten, wobei v hier keine Konstante ist!<br />

dt<br />

3. Aus dem Diagramm (links) folgt aus dem linearen Zusammenhang zwischen Geschwindigkeit <strong>und</strong> Zeit,<br />

dass sich die Fläche (Dreieck) unterhalb der Kurve berechnen lässt aus<br />

F = t v<br />

1<br />

⋅( ⋅ ) , (2)<br />

2<br />

wobei hier die Fläche dem <strong>zur</strong>ückgelegten Weg s entspricht.<br />

4. Die Gleichungen (1) <strong>und</strong> (2) dieses Beispiels ergeben zusammen: s = 1<br />

2<br />

Verallgemeinerung:<br />

Mit a dv<br />

2<br />

d s<br />

= = 2 folgt durch einfache Integration<br />

dt dt<br />

∫ 0 , v 0<br />

v ds<br />

= = adt + v<br />

dt<br />

2<br />

⋅ a ⋅ t<br />

ds<br />

= const. Falls a = const: v = = a ⋅ t + v 0<br />

dt


∫ ∫<br />

<strong>und</strong> s = v dt = dt adt + s<br />

2.2.4 Der freie Fall<br />

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∫ 0 , s 0<br />

1 2<br />

= const. Falls a = const: s = a ⋅ t + v ⋅ t + s<br />

2<br />

0 0<br />

Als Beispiel einer geradlinigen beschleunigten Bewegung dient der freie Fall. Aus Erfahrungswerten ist be-<br />

kannt, dass ein Körper, der aus einer Höhe h losgelassen wird, in seiner Geschwindigkeit zunimmt. Das<br />

bedeutet, dass der Körper während des Fallens beschleunigt wird. In diesem Fall sei die Luftreibung ver-<br />

nachlässigt. Die Beschleunigung errechnet sich zu<br />

g = 9,81 m/s 2 Erdbeschleunigung<br />

Für eine gleichmäßig beschleunigte Bewegung gilt dann entsprechend<br />

1 2<br />

h= gt ⇒ t =<br />

2<br />

v = g⋅ t = 2 ⋅ g⋅ h<br />

2h<br />

g<br />

wobei h die Strecke ist, die der Körper senkrecht nach unten fällt.<br />

2.2.5 Zusammensetzung <strong>und</strong> Zerlegung von Bewegungen<br />

Bisher wurden Bewegungen betrachtet, bei denen sich ein Körper nur in einer Richtung fortbewegt. In einer<br />

Verallgemeinerung muss jedoch stets die Richtung der Bewegung mit betrachtet werden. Mathematisch<br />

bedeutet dies, dass die Größen <strong>zur</strong> Beschreibung von Bewegungen Vektoren sind, d.h. es gilt:<br />

⎛s<br />

⎞ x<br />

⎜ ⎟<br />

s = ⎜s<br />

y ⎟<br />

⎜ ⎟<br />

⎝s<br />

⎠<br />

z<br />

⎛v<br />

⎞ x<br />

⎜ ⎟<br />

v = ⎜v<br />

y ⎟<br />

⎜ ⎟<br />

⎝v<br />

⎠<br />

z<br />

⎛a<br />

⎞ x<br />

⎜ ⎟<br />

a = ⎜a<br />

y ⎟<br />

⎜ ⎟<br />

⎝a<br />

⎠<br />

z<br />

Wegvektor imkartesischenKoordinatensystem<br />

GeschwindigkeitsvektorimkartesischenKoordinatensystem<br />

Beschleunigungsvektor imkartesischenKoordinatensystem<br />

Eine Bewegung im dreidimensionalen Raum kann beschrieben werden durch die Überlagerung der Bewe-<br />

gungen in den drei Raumrichtungen. Für die mathematische Beschreibung gelten die Gesetze der Vektor-<br />

analysis.<br />

• Es können nur gleiche physikalische Größen vektoriell überlagert werden (z.B. Wege s 3 = s1 + s 2<br />

oder Geschwindigkeiten v 3 = v1 + v 2 ).<br />

• Die Reihenfolge der Überlagerung von Vektoren ist beliebig:<br />

v = v + v + v = v + v + v<br />

ges<br />

1 2 3 3 1 2


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• Die Zerlegung von Vektoren ist beliebig, z.B. in rechtwinklige Anteile entsprechend den kartesischen<br />

Koordinaten<br />

• Multiplikation mit einem Skalar:<br />

b = c ⋅a mitc ∈ℜ istgleichbedeutendmit: b = c ⋅ a , b = c ⋅ a , b = c ⋅a<br />

x x y y z z<br />

⎛s<br />

⎞ x v x t<br />

⎜ ⎟<br />

Beispiel: geradlinig gleichförmige Bewegung: s = v⋅ t ↔ ⎜s<br />

y ⎟ vy t<br />

⎜ ⎟<br />

⎝s<br />

⎠ v t<br />

=<br />

⎛ ⋅ ⎞<br />

⎜ ⎟<br />

⎜ ⋅ ⎟<br />

⎜ ⎟<br />

⎝ ⋅ ⎠<br />

• Differential <strong>und</strong> Integral-Operationen werden komponentenweise durchgeführt, z.B.<br />

v ds<br />

ds<br />

d s<br />

x<br />

x<br />

⎛ v ⎞ dt<br />

a<br />

dt<br />

x<br />

x<br />

⎜ ⎟ ds y<br />

d s<br />

d s y<br />

= ↔ ⎜ v y⎟<br />

oder a ay<br />

dt ⎜ ⎟ dt<br />

dt<br />

dt<br />

⎝ v z⎠<br />

ds<br />

a<br />

z<br />

z d s z<br />

dt<br />

dt<br />

=<br />

⎛ ⎞<br />

⎜ ⎟<br />

⎜ ⎟<br />

⎛ ⎞<br />

⎜ ⎟<br />

⎜ ⎟<br />

= ↔<br />

⎜ ⎟<br />

⎜ ⎟<br />

⎜ ⎟<br />

⎜ ⎟<br />

⎝ ⎠<br />

⎜ ⎟<br />

⎝ ⎠<br />

=<br />

2 ⎛ ⎞<br />

⎜ ⎟ 2<br />

⎜ ⎟<br />

2<br />

2<br />

⎜ ⎟<br />

2<br />

⎜ 2 ⎟<br />

⎜ 2 ⎟<br />

⎜ ⎟<br />

⎜ 2 ⎟<br />

⎝ ⎠<br />

2.2.6 Die Bewegung auf der schiefen Ebene<br />

Die Resultate aus den Messwerten des freien Falls haben gezeigt, dass auf einen Körper auf der Erde eine<br />

konstante Beschleunigung wirkt, die ihn senkrecht nach unten fallen lässt.<br />

Welche Beschleunigung erfährt nun z.B. ein Wagen, der auf einer schiefen Ebene herunter rollt?<br />

Bekannt ist:<br />

• Die Beschleunigung senkrecht nach unten ist konstant.<br />

• Der Wagen kann sich nur in Richtung der schiefen Ebene bewegen.<br />

z<br />

z


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Der Beschleunigungsvektor g kann zerlegt werden<br />

in einen <strong>Teil</strong>, der parallel <strong>zur</strong> schiefen Ebene ver-<br />

läuft <strong>und</strong> einen <strong>Teil</strong>, der senkrecht <strong>zur</strong> schiefen<br />

Eben verläuft.<br />

g = g⋅ sin α , g = g⋅<br />

cosα<br />

p s<br />

Die Beiträge g p <strong>und</strong> g s sind über den gesamten<br />

Weg s hin konstant, d.h. der Wagen erfährt eine geradlinig gleichmäßig beschleunigte Bewegung. Die in der<br />

möglichen Bewegungsrichtung wirksame Beschleunigung ist (g sinα).<br />

Wenn sich der Wagen zu Anfang der Messung in Ruhe befindet, so gilt für die Zeit, die der Wagen zum<br />

Durchlaufen der Strecke s benötigt<br />

1<br />

2<br />

s = ( g⋅ sin α ) t bzw. t =<br />

2<br />

2s<br />

g⋅<br />

sinα<br />

<strong>und</strong> für die Geschwindigkeit, die der Wagen nach Durchlaufen der Strecke s besitzt<br />

v = ( g⋅ sin α ) t bzw. v = 2 s ⋅ g⋅<br />

sinα<br />

Wegen h = s ⋅ sinα ist dann auch v = 2 ⋅ g⋅ h , d.h. die Geschwindigkeit des Wagens ist dieselbe, die er<br />

erreichen würde, wenn er die Höhe h frei durchfällt.<br />

2.2.7 Wurfbewegung<br />

Eine Kugel werde zum Zeitpunkt t 0 mit einer Anfangsgeschwindigkeit v 0 mit dem Winkel α gegen die Hori-<br />

zontale in x-Richtung losgeworfen. Zu bestimmen sind nun die Flugkurve <strong>und</strong> die Bewegungsgleichungen<br />

aus dem Prinzip der ungestörten Überlagerung. Die Schwerkraft (siehe freier Fall) wirke in z-Richtung nach<br />

unten.<br />

1. Zum Zeitpunkt t 0 besitzt die Kugel nur die Ge-<br />

schwindigkeit v 0 , d.h. die Flugbahn hat in t 0 einen<br />

Winkel α gegenüber der Horizontalen.<br />

2. Die Anfangsgeschwindigkeit der Kugel lässt sich<br />

zerlegen in zwei Komponenten in x-Richtung <strong>und</strong> z-<br />

Richtung:<br />

v = v ⋅ cos α<br />

0, x 0<br />

v = v ⋅ sinα<br />

0, y 0<br />

3. In z-Richtung wird die Kugel wegen der Schwerkraft<br />

gleichmäßig nach unten beschleunigt. Zum Zeitpunkt t 0 ist die Größe der Geschwindigkeitskomponente<br />

Null, zum Zeitpunkt


t : v = −g⋅ t<br />

1 z,<br />

1 1<br />

t : v = −g⋅ t<br />

2 z,<br />

2 2<br />

t : v = −g⋅ t<br />

3 z,<br />

3 3<br />

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Die Geschwindigkeiten in x-Richtung <strong>und</strong> z-Richtung überlagern sich, d.h. es gilt für jeden Zeitpunkt t i der<br />

Bahnkurve:<br />

v = v ; v = v − g⋅ t<br />

v<br />

x 0, x z 0,<br />

z i<br />

i<br />

⎛ v ⎞<br />

0,<br />

x ⎜ ⎟<br />

= ⎜ 0 ⎟<br />

⎜<br />

⎝ v − g⋅ t<br />

⎟<br />

⎠<br />

0,<br />

z i<br />

Die Bewegung setzt sich demnach zusammen aus einer gleichförmigen geradlinigen Bewegung in x-<br />

Richtung <strong>und</strong> einer gleichförmig beschleunigten Bewegung in z-Richtung. Wegen der Anfangsgeschwindig-<br />

keitskomponenten v 0,z wird die Kugel sich zunächst nach oben bewegen, solange die durch die Beschleu-<br />

nigung hervorgerufene Geschwindigkeit nach unten noch kleiner ist. im Scheitelpunkt sind beide Geschwin-<br />

digkeiten gleich groß <strong>und</strong> die resultierende z-Komponente der Geschwindigkeit ist Null.<br />

Berechnung der Flugbahn:<br />

v = v ⇒ s = v ⋅ t<br />

x 0, x x 0,<br />

x<br />

1<br />

v z = v 0, z − g⋅ ti ⇒ s z = v0, z ⋅ t − g⋅ t<br />

2<br />

2<br />

Aus der ersten Gleichung lässt sich nach t auflösen <strong>und</strong> der entsprechende Ausdruck in der zweiten Glei-<br />

chung einsetzen:<br />

s v<br />

x<br />

0,<br />

z g<br />

t = ⇒ s z = ⋅ s x −<br />

v v 2 ⋅ v<br />

0,<br />

x<br />

2<br />

0, x<br />

0,<br />

x<br />

s<br />

2<br />

x<br />

Da alle Terme bis auf s x konstant sind, entspricht die obige Gleichung einer Parabelgleichung <strong>und</strong> kann<br />

durch entsprechende Umformungen in die Normalenform überführt werden, aus der sofort die Lage des<br />

Scheitelpunktes <strong>und</strong> der x-Achsen-Durchstoßpunkte errechnet werden können.<br />

2.3 Rotationsbewegungen<br />

2.3.1 Gleichförmige Drehbewegung<br />

Im Gegensatz zu einer geradlinigen Bewegung, bei der eine Beschleunigung auftritt, wenn sich der Betrag<br />

der Geschwindigkeit mit der Zeit ändert, muss bei einer dreidimensionalen Bewegung neben dem Betrag<br />

auch die Richtung der Geschwindigkeit beachtet werden.<br />

Fazit: wenn der Betrag der Geschwindigkeit konstant ist, die Richtung auf der <strong>zur</strong>ückgelegten Bahn sich<br />

ändert, so ist die Beschleunigung ungleich Null.<br />

Definition:


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Bei der gleichförmigen Kreisbewegung ist der Betrag des Momentanwertes der Bahngeschwindigkeit<br />

2 2<br />

konstant: v = v + v = const.<br />

Die Bahngeschwindigkeit ist der Quotient aus <strong>zur</strong>ückgelegter Kreisbahn<br />

x y<br />

<strong>und</strong> der dazu benötigten Zeit.<br />

Die Richtung der Geschwindigkeit ändert sich jedoch laufend. Aus der allgemeinen Definition der Beschleu-<br />

nigung folgt dann:<br />

a dv d ⎛ v x⎞<br />

= = ⎜ ⎟ . Da sich v<br />

dt dt ⎝ v<br />

x <strong>und</strong> vy mit der Zeit ständig ändern, gilt a ≠ 0 !<br />

⎠<br />

y<br />

Berechnung der Radialbeschleunigung:<br />

Die gesamte Geschwindigkeitsänderung kann unterteilt werden in eine Änderung der Bahngeschwindigkeit<br />

<strong>und</strong> eine Komponente, die nicht in der Bahnrichtung liegt:<br />

Da die Bahngeschwindigkeit des Körpers konstant ist (gleichförmige Drehbewegung) ist entsprechend die<br />

Bahnbeschleunigung Null. Unter der Bahnbeschleunigung wird die Beschleunigung in Richtung der Ge-<br />

schwindigkeit bezeichnet.<br />

Wie aus der Abbildung ersichtlich wird ist der Betrag der<br />

Geschwindigkeit konstant, es ändert sich jedoch die Rich-<br />

tung. Dies bewirkt, dass eine Geschwindigkeitskomponente<br />

zwischen den beiden Geschwindigkeitsvektoren entsteht. Deren zeitliche Änderung entspricht gerade der<br />

Beschleunigung, die ein Körper erfahren muss, damit er sich mit gleichmäßiger Bahngeschwindigkeit auf<br />

der Kreisbahn bewegt. Diese Beschleunigung wird Radialbeschleunigung genannt, da sie immer in Richtung<br />

des Kreismittelpunktes wirkt.<br />

Berechnung der Radialbeschleunigung:<br />

Annahme: Der Körper bewege sich in einem genügend kleinen Zeitintervall dt auf der Kreisbahn um die<br />

Strecke ds <strong>und</strong> schließe dabei den Winkel dϕ ein. Aus geometrischen Überlegungen (Strahlensatz der Ma-<br />

thematik) ergibt sich dann<br />

ds<br />

r<br />

dv<br />

dv v<br />

v<br />

ds<br />

≈ ⇒ = ⋅<br />

r<br />

Die Differentiation nach der Zeit <strong>zur</strong> Berechnung der Beschleunigung ergibt:<br />

dv<br />

dt<br />

v ds<br />

≈ =<br />

r dt<br />

2<br />

v<br />

r<br />

Andererseits benötigt der Körper wegen seiner konstanten Bahngeschwindigkeit stets dieselbe Umlaufzeit T.<br />

Der Umfang des Kreises berechnet sich durch U=2πr. Das bedeutet<br />

2πr<br />

v = = ω ⋅ r [ 1rad / s = 1/<br />

s]<br />

,<br />

T


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wobei ω als Winkelgeschwindigkeit bezeichnet wird. Auch hier gilt die allgemeine Definition der Winkelge-<br />

schwindigkeit durch:<br />

dϕ<br />

ω = [ 1rad / s = 1/<br />

s]<br />

(momentane Winkelgeschwindigkeit)<br />

dt<br />

Damit ergibt sich für die Radialbeschleunigung: a<br />

r<br />

2<br />

v<br />

2<br />

= = ω ⋅ v = ω ⋅r<br />

r<br />

Die Richtung der Radialbeschleunigung zeigt zum Kreismittelpunkt.<br />

Vektorielle Herleitung<br />

Es wird ein rechtwinkliges Koordinatensystem in den Ursprung des Kreises gelegt. Zum Zeitpunkt Null liege<br />

der Richtungsvektor zum Massenpunkt auf de x-Achse. Der Massenpunkt rotiert gleichförmig um den Mit-<br />

telpunkt, d.h. seine Winkelgeschwindigkeit ist konstant.<br />

senpunktes<br />

dr ⎛ sinω<br />

⋅ t ⎞<br />

v = = r ⋅ ω⎜<br />

⎟<br />

dt ⎝−<br />

cos ω ⋅ t⎠<br />

<strong>und</strong> für die Beschleunigung<br />

Wegen der konstanten Drehbewegung wird der Winkel gleichmäßig größer<br />

wobei<br />

α = ω ⋅ t gilt<br />

Der Vektor r kann beschrieben werden durch:<br />

( ω )<br />

( )<br />

( ω ⋅ t)<br />

( )<br />

⎛r<br />

⋅cosα⎞<br />

⎛r<br />

⋅cos ⋅ t ⎞ ⎛cos<br />

⎞<br />

r = ⎜ ⎟ = ⎜ ⎟ = r⎜<br />

⎟<br />

⎝ r ⋅sinα<br />

⎠ ⎝ r ⋅sin ω ⋅ t ⎠ ⎝ sin ω ⋅ t ⎠<br />

Wenn r = const <strong>und</strong> ω = const dann gilt für die Geschwindigkeit des Mas-<br />

<strong>und</strong> v = v = r ⋅ ω = const<br />

dv ⎛−<br />

cos ω ⋅ t⎞<br />

2<br />

v<br />

a = = r ⋅ ω ⎜ ⎟ <strong>und</strong> a = ar = r ⋅ ω = = const<br />

dt ⎝ − sinω<br />

⋅ t ⎠<br />

r<br />

2<br />

2<br />

Werden die Richtungen der Vektoren v <strong>und</strong> a betrachtet, so zeigt sich, dass a entgegengesetzt zu r gerich-<br />

tet ist <strong>und</strong> dass v senkrecht auf r <strong>und</strong> a steht, wie durch Bildung des Skalarproduktes leicht zu zeigen ist<br />

(r ⋅ v = 0 ).<br />

y<br />

α<br />

r<br />

v<br />

2.3.2 Ungleichförmige Drehbewegung<br />

x<br />

Wenn ein Körper aus dem Stillstand auf eine bestimmte Enddrehzahl gebracht wird, so bedeutet dies, dass<br />

sich seine Drehzahl bzw. seine Winkelgeschwindigkeit ändert. Analog <strong>zur</strong> geradlinigen Bewegung handelt<br />

es sich hierbei um eine ungleichförmige Drehbewegung. Mit der Änderung der Winkelgeschwindigkeit än-<br />

dern sich damit auch die Bahngeschwindigkeit <strong>und</strong> die Radialbeschleunigung:


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2<br />

v = ω ⋅r ≠ const.<br />

a = ω ⋅r ≠ const.<br />

r<br />

Analog <strong>zur</strong> geradlinigen Bewegung können dann die folgenden Größen definiert werden:<br />

Definitionen:<br />

mittlere Bahnbeschleunigung: a<br />

momentane Bahnbeschleunigung: a<br />

t<br />

Δv<br />

=<br />

Δ t<br />

mittlere Winkelbeschleunigung: α = Δω<br />

Δt<br />

dv<br />

= = v& ,wobeistets a ⊥a<br />

dt<br />

t t r<br />

dω<br />

ω<br />

dt<br />

2 2<br />

momentane Winkelbeschleunigung: α = = & = [ 1rad / s = 1/<br />

s ]<br />

Der Zusammenhang zwischen Tangential- bzw. Bahnbeschleunigung ergibt sich aus:<br />

a<br />

t<br />

v&<br />

r<br />

dv d<br />

( r) r<br />

dt dt<br />

d<br />

= = ⋅ = ⋅ = ⋅r<br />

dt<br />

ω<br />

ω<br />

α<br />

2.3.3 Gleichmäßig beschleunigte Kreisbewegung.<br />

Die gleichmäßig beschleunigte Kreisbewegung ist ein Sonderfall der ungleichförmigen Kreisbewegung. Für<br />

sie gilt:<br />

a = const. = const.<br />

α<br />

t<br />

Analog zu den Betrachtungen für gleichmäßig beschleunigte geradlinige Bewegungen gilt:<br />

v = v + a ⋅ t ω = ω + α ⋅ t<br />

0 t<br />

0<br />

1 2<br />

1<br />

s = v0 ⋅ t + at ⋅ t ϕ = ω 0 ⋅ t + α ⋅ t<br />

2<br />

2<br />

wobei s der auf der Kreisbahn <strong>zur</strong>ückgelegte Weg <strong>und</strong> ϕ der überstrichene Winkel sind.<br />

2.4 Vergleich zwischen geradliniger Bewegung <strong>und</strong> Kreisbewegung<br />

2<br />

,<br />

Geradlinige Bewegung Kreisbewegung


s<br />

v ds<br />

s<br />

dt<br />

a dv<br />

= = &<br />

= = v& = && s<br />

dt<br />

v = const.<br />

s = v ⋅ t<br />

a= const.<br />

v = v + a ⋅ t<br />

0<br />

1<br />

s = s0 + v0 ⋅ t + ⋅ a ⋅ t<br />

2<br />

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2<br />

ϕ<br />

dϕ<br />

ω = = ϕ&<br />

dt<br />

dω<br />

α = = ω& = ϕ&&<br />

dt<br />

Bei gleichförmiger Bewegung<br />

ω = const.<br />

ϕ = ω ⋅ t<br />

Bei gleichmäßig beschleunigter Bewegung<br />

α = const.<br />

ω = ω + α ⋅ t<br />

0<br />

1<br />

ϕ = ϕ0 + ω0 ⋅ t + ⋅ α ⋅ t<br />

2<br />

2.5 Dynamik der geradlinigen Bewegung: Newtonsche Axiome<br />

Die Dynamik ist die Lehre von Kräften. Kräfte sind in der Mechanik die Ursachen von Bewegungen, sie<br />

bilden jedoch auch die Gr<strong>und</strong>lage für das Verständnis bei elektrischen, magnetischen <strong>und</strong> atomaren Vor-<br />

gängen.<br />

Für die Mechanik wurden von Isaac Newton Lehrsätze über Bewegungen von Körpern aufgestellt. Diese<br />

Lehrsätze (Axiome) sind nicht beweisbar, sie bilden jedoch die Gr<strong>und</strong>lage des Verständnisses mechanischer<br />

Bewegungen.<br />

2.5.1 Newtonsche Axiome<br />

Erstes Newtonsches Axiom:<br />

Ein Körper verharrt im Zustand der Ruhe oder geradlinig gleichförmigen Bewegung, solange er nicht durch<br />

äußere Kräfte beeinflusst wird.<br />

Auf diese Weise wird der Kraftbegriff eingeführt: Ursachen für Änderungen des Bewegungszustandes eines<br />

Körpers werden Kräfte genannt.<br />

Träge Masse:<br />

• Jeder Körper widersetzt sich einer Änderung des Bewegungszustandes. Diese Eigenschaft wird Behar-<br />

rungsvermögen, Trägheit oder träge Masse genannt.<br />

• Je träger eine Masse ist, desto größer ist die Kraft, um diesen Körper auf einen konstanten Wert zu be-<br />

schleunigen.<br />

2


Zweites Newtonsches Axiom:<br />

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2<br />

[ 1 1 / ]<br />

F = m ⋅ a N= kg⋅ m s Newton<br />

• Greift eine Kraft an einem Körper an, so wird dieser beschleunigt.<br />

• Die Größe der Kraft ist proportional <strong>zur</strong> Beschleunigung.<br />

• Die Richtung der Kraft wirkt in Richtung der Beschleunigung.<br />

• Kräfte sind Vektoren: Greifen an einem Körper gleichzeitig mehrere Kräfte an, so ergibt sich die resultie-<br />

rende Kraft aus der Überlagerung der Einzelkräfte.<br />

Drittes Newtonsches Axiom:<br />

actio = reactio oder Kraft gleich Gegenkraft<br />

Jede Kraft besitzt eine gleich große entgegengesetzt gerichtete Gegenkraft oder Reaktionskraft.<br />

Das bedeutet:<br />

Die Gesamtsumme aller Kräfte in einem freien System ist gleich Null. D.h. wirken auf ein System keine<br />

äußeren Kräfte ein, so heben sich alle Kräfte innerhalb des Systems paarweise auf.<br />

2.5.2 Lineares Kraftgesetz<br />

2.5.3 Reibungskräfte<br />

Wenn eine Kraft an einem Körper angreift <strong>und</strong> der Körper innerhalb des<br />

Bezugssystems eine gleich große Gegenkraft ausübt, so ist die Summe der<br />

Kräfte Null <strong>und</strong> der Körper wird nicht beschleunigt. Die Krafteinwirkung auf<br />

diesen Körper kann jedoch zu einer Verformung des Körpers führen. Diese<br />

Verformung wird elastisch genannt, wenn der Körper stets dieselbe Form<br />

wieder annimmt, wenn die Krafteinwirkung aufhört.<br />

Die Feder als Kraftmesser.<br />

Die Auslenkung der Feder ist proportional <strong>zur</strong> Kraft die auf sie in Längsrich-<br />

tung wirkt.<br />

F ∝s<br />

F = D ⋅ s<br />

2<br />

[ ]<br />

D: Federkonstante N / m=kg / s<br />

s: Auslenkung der Feder


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Bei jeder Bewegung eines Körpers in der Luft oder auf einer Fläche treten stets Reibungskräfte auf, die die<br />

Bewegung eines Körpers hemmen. Die Reibungskräfte sind stets der angreifenden Kraft entgegengesetzt,<br />

d.h. die angreifende Kraft wird durch die Reibungskraft stets gemindert.<br />

Reibungskräfte werden unterteilt in<br />

• Haftreibung<br />

• Gleitreibung<br />

• Rollreibung<br />

Eigenschaften von Haftreibung<br />

• Ab einer maximalen Kraft FH setzt sich ein Körper ruckartig in Bewegung.<br />

• Die Kraft ist unabhängig von der Größe der aufliegenden Fläche.<br />

• Die Kraft ist proportional <strong>zur</strong> Normalenkraft (Kraft senkrecht <strong>zur</strong> Auflagefläche).<br />

Haftreibung: F = μ ⋅F<br />

, der Haftreibungskoeffizient μH ist von der Beschaffenheit der Oberflächen ab-<br />

hängig<br />

H H N<br />

Eigenschaften von Gleitreibung<br />

• Die Gleitreibungskraft ist unabhängig von der Auflagefläche <strong>und</strong> der Geschwindigkeit.<br />

• Die Gleitreibungskraft ist proportional <strong>zur</strong> Normalenkraft<br />

Gleitreibung: F = μ ⋅F<br />

, der Haftreibungskoeffizient μ G ist von der Beschaffenheit der Oberflächen<br />

G G N<br />

abhängig <strong>und</strong> es gilt meist μ G < μH<br />

.<br />

Eigenschaften von Rollreibung<br />

Rollreibung tritt auf, wenn ein starres Rad auf einer deformierbaren Unterlage abrollt oder ein deformierba-<br />

res Rad auf starrer Unterlage abrollt bzw. wenn Rad <strong>und</strong> Unterlage deformierbar sind.<br />

Auch hier gilt die Proportionalität <strong>zur</strong> Normalenkraft:<br />

f<br />

Rollreibung: F F<br />

r F<br />

R = μ R ⋅ N = ⋅ N , der Haftreibungskoeffizient μ R ist von der Beschaffenheit der Oberflä-<br />

chen abhängig, f wird Rollreibungslänge genannt. Der Koeffizient f/r trägt der Tatsache Rechnung, dass<br />

Räder mit größerem Radius eine geringere Deformation hervorrufen, wodurch die Rollreibungskraft sinkt.


Beispiele:<br />

2.6 Gravitation<br />

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Stoffpaar μ H μ G<br />

Stahl auf Stahl 0,15 0,1 - 0,05<br />

Stahl auf Messing 0,18 - 0,29<br />

Stahl auf Eis 0,027 0,014<br />

Leder auf Metall 0,6 0,4<br />

Messing auf Holz 0,62 0,6<br />

Bremsbelag auf Stahl 0,45<br />

Blockierter Autoreifen bei 50 km/h<br />

auf<br />

• Gussasphalt trocken<br />

• Gussasphalt nass<br />

• Glatteis<br />

0,8<br />

0,5<br />

0,05<br />

Eine der wichtigsten Kräfte, der wir uns täglich ausgesetzt sind, ist die Gravitationskraft oder Schwerkraft.<br />

Sie beruht auf einer Eigenschaft von Materie, der sogenannten Gravitation. Diese Eigenschaft bewirkt, dass<br />

sich zwei Körper mit jeweils einer eigenen schweren Masse gegenseitig anziehen. Die schwere Masse ist<br />

nicht gr<strong>und</strong>sätzlich der trägen Masse gleichzusetzen.<br />

Eigenschaften:<br />

• Zwei Körper mit jeweils einer schweren Masse ziehen sich stets gegenseitig an bzw. üben eine Kraft<br />

aufeinander aus.<br />

• Für die schweren Massen gelten die Newtonschen Axiome.<br />

• Die Erfahrung zeigt, dass die schwere Masse der trägen Masse proportional ist. Der Proportionalitätsfak-<br />

tor ist Eins! Dies zeigen Fallversuche: Verschiedene schwere Massen erfahren im Gravitationsfeld der<br />

Erde die gleiche Beschleunigung ihrer trägen Massen.<br />

Gravitationsgesetz:<br />

Zwei Massen m 1 <strong>und</strong> m 2 im Abstand r 12 üben eine Anzie-<br />

hungskraft<br />

F<br />

12<br />

3<br />

m1 ⋅m<br />

2<br />

−11<br />

m<br />

= γ ⋅ 2 , γ = 6, 67 ⋅10<br />

2 aufeinan-<br />

r<br />

kg ⋅ s<br />

der aus.<br />

Mit Hilfe des Gravitationsgesetztes können die Planetenbewegungen in unserem Universum berechnet wer-<br />

den. Durch die Rotationsbewegungen der Planeten um die Sonne würden die Planten bei fehlender Anzie-<br />

hung <strong>zur</strong> Sonne hin ihre Umlaufbahn verlassen. Durch die Gravitationswirkung der Sonne werden sie je-<br />

doch auf elliptische Umlaufbahnen gezogen.<br />

Dieses Gravitationsgesetz gilt natürlich auch für die Erde. Sei M die Masse der Erde <strong>und</strong> R ihr Radius, dann<br />

lässt sich die Kraft auf einen Körper der Masse m, der sich auf der Erdoberfläche befindet, näherungsweise<br />

nach obiger Formel berechnen:<br />

12


F<br />

G<br />

M<br />

= ⋅ ⋅ m = g⋅ m<br />

R γ 2<br />

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G wird die Gewichtskraft oder das Gewicht des Körpers der Masse m bezeichnet. Entsprechend dem zwei-<br />

ten Newtonschen Axiom ist g eine Beschleunigung, die sogenannte Erdbeschleunigung. Die Richtung der<br />

Erdbeschleunigung ist zum Erdmittelpunkt gerichtet, wenn die Erde als ideale Kugel angenommen wird.<br />

Eigenschaften:<br />

• Je weiter der Körper sich von der Erdoberfläche entfernt, desto geringer wird sein Gewicht.<br />

• Aufgr<strong>und</strong> von Unsymmetrien der Erdkugel (Elipsoid, Bergmassive etc.) ist die Erdbeschleunigung an<br />

verschieden Punkten der Erdoberfläche unterschiedlich.<br />

2.7 Arbeit, Leistung, Energie<br />

2.7.1 Arbeit<br />

Der Begriff der Arbeit besitzt im umgangssprachlichen Gebrauch eine vielfältige Bedeutung. Es ist daher<br />

notwendig, den physikalischen Begriff der Arbeit eindeutig zu definieren:<br />

Arbeit ist die Wirkung einer Kraft entlang eines Weges<br />

Arbeit W = F ⋅s [ N⋅ m = J]<br />

• Wichtig an dieser Definition ist, dass durch das Skalarprodukt nur der Anteil der Kraft berücksichtigt<br />

wird, der in Richtung des Weges s wirkt!<br />

• Die Arbeit ist kein Vektor sondern eine skalare Größe.<br />

Wenn sich der Weg nicht geradlinig ändert, so errechnet sich die Arbeit aus der Summe aller Produkte aus<br />

geraden Wegstücken <strong>und</strong> den zugehörigen Kraftanteilen. Ändert sich der Weg kontinuierlich, so kann die<br />

Arbeit als Wegintegral der Kraft dargestellt werden:<br />

lim ∑ ∫<br />

W = F ⋅ Δs<br />

= Fds<br />

Δs<br />

→0<br />

i<br />

s<br />

i i<br />

i s<br />

2<br />

1<br />

• Die geleistete Arbeit, die aufgebracht werden muss, um einen Körper von Punkt 1 nach Punkt 2 zu be-<br />

wegen, ist unabhängig vom Weg, der dabei <strong>zur</strong>ückgelegt wird.<br />

• Wird mit beliebigem Kraftaufwand ein Körper an seinen ursprünglichen Ort <strong>zur</strong>ück bewegt, so ist die<br />

geleistete Arbeit Null!<br />

Hubarbeit:<br />

Wird ein Körper angehoben, so wirkt seine Gewichtskraft auf ihn. Die geleistete Arbeit beim Heben des<br />

Körpers auf eine Höhe h ist demnach (g=const.):<br />

WH = FG ⋅ h = m ⋅ g⋅ h


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Hubarbeit im Schwerefeld der Erde<br />

Die oben gemachte Annahme, dass die Erdbeschleunigung konstant ist, gilt nur als Näherung. Korrekter ist<br />

der Ansatz über die Gravitationskraft.<br />

F<br />

G<br />

m ⋅m<br />

= γ ⋅ 2<br />

r<br />

1 2<br />

Wird ein Körper auf der Erde gegen die Schwerkraft angehoben, so ändert sich der relative Abstand. Die<br />

Hubarbeit berechnet sich dann aus:<br />

W = F dr =<br />

H<br />

r<br />

r<br />

2<br />

r<br />

∫ ∫<br />

1<br />

Dehnungsarbeit:<br />

r<br />

2<br />

1<br />

m1 ⋅m<br />

2<br />

⎛ 1 1 ⎞<br />

γ 2 dr = γ ⋅m1 ⋅m 2 ⎜ − ⎟<br />

r<br />

⎝r<br />

r ⎠<br />

1 2<br />

Ein Beispiel eines linearen Kraftgesetzes ist die elastische Verformung einer Feder. Welche Arbeit wird<br />

geleistet, um die Feder in eine Richtung um einen Betrag s auszulenken?<br />

Es galt: Für die Auslenkung einer Feder muss eine Kraft F = D s aufgewendet werden. Die Arbeit berechnet<br />

sich demnach auf einem kleinen Wegstück ds, auf dem die Kraft als konstant angenommen wird, zu dW E =<br />

F ds. Das Problem besteht darin, dass die Kraft bei weiterer Ausdehnung der Feder nicht konstant bleibt! Es<br />

muss also über alle Arbeitsanteile der kleinen Wegstücke ds aufsummiert werden. Mathematisch bedeutet<br />

dies<br />

∑ ∑<br />

W = dW = D ⋅ s ⋅ ds<br />

E i<br />

i<br />

oder mit ds → 0<br />

s<br />

1<br />

1<br />

WE = ∫D<br />

⋅ sds = ⋅D ⋅s<br />

2<br />

0<br />

Beschleunigungsarbeit:<br />

i<br />

i<br />

i<br />

2<br />

i<br />

Wenn ein Körper aus der Ruhe heraus gleichmäßig geradlinig beschleunigt wird, so wirkt auf ihn eine Kraft<br />

m⋅ a in Richtung des Weges s. Für die Beschleunigungsarbeit gilt dann<br />

m ⋅ v<br />

WB = m ⋅ a ⋅ s ⎯⎯ ⎯ → WB =<br />

a=<br />

1<br />

2<br />

2<br />

Reibungsarbeit:<br />

2<br />

v<br />

s<br />

2<br />

Wird ein Körper gegen eine Reibungsarbeit gleichförmig bewegt, so ist dazu eine Zugkraft notwendig, die<br />

gleich groß aber entgegengesetzt wirkend wir die Reibkraft ist. Dann ist<br />

W = F ⋅ s = μ<br />

⋅F ⋅ s<br />

R R N


Wirkungsgrad:<br />

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Unter dem Wirkungsgrad wird das Verhältnis aus Nutzarbeit <strong>und</strong> Gesamtarbeit verstanden<br />

Nutzarbeit<br />

Wirkungsgrad =<br />

Gesamtarbeit<br />

WN<br />

ηW<br />

=<br />

W<br />

Ges<br />

2.7.2 Leistung<br />

Unter Leistung wird der Quotient aus Arbeit <strong>und</strong> Zeit verstanden, d.h. die Leistung gibt an, in welcher Zeit<br />

die Arbeit verrichtet wird.<br />

mittlere Leistung: P W<br />

W<br />

t<br />

J<br />

Δ ⎡ ⎤<br />

= ⎢1<br />

= 1<br />

Δ ⎣ s⎥<br />

⎦<br />

Momentanleistung: P dW<br />

dt W = = &<br />

2.7.3 Energie, Energieerhaltung<br />

Die Arbeit, die in einen Körper gesteckt wird, ist nicht verloren. Ein Körper an dem Hubarbeit verrichtet wur-<br />

de, würde beim Loslassen wieder herunterfallen <strong>und</strong> wäre imstande, die Hubarbeit als Beschleunigungsar-<br />

beit zu leisten. Die geleistete Beschleunigungsarbeit könnte wiederum in Hubarbeit umgewandelt werden,<br />

indem der herunterfallende Körper einen gleichen Körper über ein Katapult in dieselbe Höhe schleudern<br />

könnte.<br />

Die Fähigkeit einer Masse, Arbeit zu leisten, wird in der <strong>Physik</strong> als Energie bezeichnet.<br />

Es wird in der Mechanik unterschieden nach<br />

• potentieller Energie E pot<br />

• <strong>und</strong> kinetischer Energie Ekin, Erot<br />

Unter potentieller Energie wird die Energieform verstanden, die der Körper aufgr<strong>und</strong> seiner Masse <strong>und</strong> sei-<br />

ner Lage hat (z.B. er befindet sich 3 m über dem Erdboden), unter kinetischer Energie wird der Anteil an<br />

leistbarer Arbeit verstanden, die der Körper aus seiner Bewegung herausziehen kann.<br />

Wird eine Feder gespannt, so wird an ihr eine Dehnungsarbeit geleistet. Wird diese Feder losgelassen, so<br />

entspannt sie sich, wobei sie in der Lage ist, eine an ihr hängende Masse zu beschleunigen. Auch hier wird<br />

die gesamte potentielle Energie in Form der Spannung der Feder in kinetische Energie umgewandelt.<br />

Achtung: Bei Angabe eines Energiewertes muss das Bezugsniveau bekannt sein!<br />

Gravitationspotential:<br />

Die potentielle Energie im Schwerefeld einer Masse m 1 (z.B. der Erde) ist entsprechend des Gravitations-<br />

gesetzes gegeben durch


⎛ 1 1 ⎞<br />

Epot = γ ⋅m 1 ⋅m 2 ⎜ − ⎟<br />

⎝ r r ⎠<br />

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1 2<br />

<strong>und</strong> damit abhängig von beiden Massen <strong>und</strong> deren Abstand. Wird der Bezugspunkt ins Unendliche gelegt,<br />

so lässt sich diese Energie schreiben als<br />

1<br />

Epot = −γ ⋅m1 ⋅m 2 für r1<br />

→ ∞<br />

r<br />

2<br />

Dies ist die Arbeit, die notwendig ist, um einen Körper von der Masse m 1 im Abstand r 2 unendlich weit weg<br />

zu bewegen.<br />

in diesem Fall:<br />

Die Linien, auf denen die potentielle Energie konstant ist,<br />

werden Äquipotentiallinien genannt. Bei einer Kugel sind<br />

die Kugelschalen um den Mittelpunkt der Kugel herum, die<br />

gleichen Abstand <strong>zur</strong> Oberfläche der Kugel haben.<br />

Die Wirkung, die eine Masse erfährt, wenn sie aus dem Un-<br />

endlichen in Richtung einer anderen Masse gebracht wird,<br />

kann beschrieben werden durch das Gravitationspotential<br />

E = Φ ⋅m<br />

pot Grav<br />

⎛ 1 1⎞ 1<br />

Φ Grav = γ ⋅M⎜ − ⎟ bzw. ΦGrav<br />

= −γ ⋅M für r1<br />

→ ∞<br />

⎝ r r ⎠<br />

r<br />

1 2<br />

Energieerhaltungssatz:<br />

Die sich bewegende Masse m erfährt das Potential, welches<br />

von der ruhenden Masse ausgeht. Der Potentialbegriff spielt<br />

in der <strong>Physik</strong> eine große Rolle. Das Gravitationspotential ist<br />

Beim freien Fall wurde die gesamte potentielle Energie in kinetische Energie umgewandelt, d.h. die Energie<br />

ging nicht verloren. Es lässt sich sogar zeigen, dass an jedem Punkt der Fallkurve die Summe aus poten-<br />

tieller Energie <strong>und</strong> kinetischer Energie konstant ist. Hieraus folgt ein f<strong>und</strong>amentaler Satz in der <strong>Physik</strong>:<br />

Energieerhaltungssatz:<br />

In einem abgeschlossenen System bleibt die Summe aus potentieller <strong>und</strong> kinetischer Energie konstant.<br />

Ekin + Epot = Eges = const.<br />

Neben den mechanischen Energieformen gibt es noch andere Energieformen.


• elektrische Energie<br />

• magnetische Energie<br />

• Kernenergie<br />

• chemische Energie<br />

• Wärmeenergie<br />

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Auch hier bleibt der Energiesatz bestehen. Die gesamte Energie bleibt konstant, es können nur Umwand-<br />

lungen von einer Energieform in die andere auftreten. In der Technik bestehen viele Anwendungen darin,<br />

Energiespeicher <strong>zur</strong> Verrichtung von Arbeit bereitzustellen.<br />

2.7.4 Impuls, Impulserhaltung<br />

Definition des Impulses, Kraftstoß:<br />

Um einen Körper zu beschleunigen, muss eine Kraft auf ihn ausgeübt werden. Wenn die Krafteinwirkung<br />

aufhört bewegt sich der Körper geradlinig gleichförmig weiter. Der Zeitraum der Krafteinwirkung kann dabei<br />

sehr kurz sein. Ein solcher Vorgang wird als Kraftstoß bezeichnet.<br />

F ⋅ τ = m ⋅ a ⋅ τ<br />

τ : Zeitdauer desKraftstosses<br />

Die obige Formel gilt nur dann, wenn die Kraft innerhalb der Zeitdauer � konstant ist. Dann ist die Be-<br />

schleunigung a die Geschwindigkeitsänderung im Zeitintervall �, d.h. es gilt:<br />

a ⋅ τ = v − v<br />

<strong>und</strong>somit<br />

2 1<br />

F ⋅ τ = m ⋅( v − v )<br />

2 1<br />

Die Bewegungsgröße m⋅ v wird Impuls genannt<br />

Im allgemeinen ist die Krafteinwirkung zeitlich nicht konstant. Das Produkt F<br />

� muss dann ersetzt werden durch das Integral über den zeitlichen Verlauf<br />

der Kraft:<br />

Verallgemeinerter Kraftstoß:<br />

t<br />

t<br />

2<br />

1<br />

t<br />

( ( ) ( ) )<br />

F dt = m ⋅ adt = m ⋅ v t − v t = p − p<br />

t<br />

2<br />

∫ ∫<br />

1<br />

2 1 2 1<br />

Wenn die Anfangsgeschwindigkeit des Körpers zum Zeitpunkt t 1 Null ist,<br />

dann gilt:<br />

t<br />

2<br />

∫<br />

t1<br />

p = F dt = m ⋅ v


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Der Impuls ist derjenige Kraftstoß, der eine Masse m aus der Ruhe heraus auf die Geschwindigkeit v bringt.<br />

Aus der obigen Integralgleichung folgt durch Differenzieren nach der Zeit:<br />

d<br />

dt p<br />

t<br />

d<br />

dt Fdt<br />

2<br />

d<br />

= = ⋅<br />

dt<br />

∫<br />

t1<br />

( m v)<br />

Die Differentiation des Produktes wird nach der Produktregel durchgeführt. Daraus ergibt sich dann:<br />

d<br />

F<br />

( )<br />

dt p<br />

d d d<br />

m v m v v<br />

dt dt dt m<br />

= = ⋅ = +<br />

Der zweite Term in obiger Gleichung verschwindet nur dann, wenn die Masse zeitlich konstant bleibt. Ein<br />

Beispiel dafür, wo die Masse nicht konstant bleibt ist die Rakete!<br />

Impulserhaltungssatz<br />

Zu untersuchen ist nun, wie sich die Impulse bei einer Wechselwirkung zweier Körper verhalten.<br />

Beispiel:<br />

Zwei Massenpunkte der Massen m 1 <strong>und</strong> m 2 bewegen sich in derselben Richtung mit zwei unterschiedlichen<br />

Geschwindigkeiten v 1 <strong>und</strong> v 2 aufeinander zu. Die Es gelte: v 2 > v 1 . Dies führt dazu, dass sich die beiden<br />

Massenpunkte zu einem Zeitpunkt t 0 treffen <strong>und</strong> aufeinander einen Kraftstoß ausüben.<br />

Gesamtimpuls vor dem Stoß:<br />

p = p + p = m ⋅ v + m ⋅ v<br />

ges<br />

Stoßvorgang<br />

1 2 1 1 2 2<br />

Im Zeitintervall Δt findet ein Kraftstoß statt, der zu einer Beschleunigung beider Massen führt. Da keine<br />

weitere äußere Kraft auftritt, gilt das 3. Newtonsche Axiom "actio = reactio", d.h. es gilt<br />

F12 = −F21 ⇔ m1 ⋅ a1 = −m 2 ⋅ a2<br />

Die Kraft F 12 , die Masse 1 auf Masse 2 während des Stoßvorganges ausübt, bewirkt eine gleich große,<br />

aber entgegengesetzt wirkende Kraft F 21 , die Masse 2 auf Masse 1 ausübt (Die Gesamtsumme alle inneren<br />

Kräfte ist Null).<br />

Annahme: Die Beschleunigung während des Stoßvorganges sei konstant (die mittlere Beschleunigung sei<br />

konstant). Dann gilt mit<br />

1.


v<br />

a<br />

t<br />

m<br />

v<br />

Δ i<br />

i =<br />

Δ<br />

Δ 1 Δv<br />

⇒ 1 ⋅ = −m2 ⋅<br />

Δt<br />

Δt<br />

⇒ m ⋅ Δv = −m ⋅ Δv<br />

1 1 2 2<br />

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2<br />

,wobei Δv 1 <strong>und</strong> Δv 2 die Geschwindigkeitsänderungen beider Massen sind, die durch den Kraftstoß verur-<br />

sacht wurden. Die Geschwindigkeiten beider Massen nach dem Kraftstoß sind demnach<br />

Geschw. nach dem Stoß: v + Δv bzw. v + Δ v<br />

1 1 2 2<br />

Daraus folgt für den gesamten Impuls nach dem Stoß<br />

( Δ ) ( Δ )<br />

1 ( 1 1) 2<br />

⎛<br />

⎜ 2<br />

m ⋅ v + v + m ⋅ v + v<br />

1 1 1 2 2 2<br />

m v v m v m<br />

m v m v m v p 1 ⎞<br />

= ⋅ + Δ + ⋅ − Δ 1⎟ = 1 ⋅ 1 + 2 ⋅ 2 = ges<br />

⎝<br />

⎠<br />

Das bedeutet, dass der Gesamtimpuls beim Stoß konstant bleibt.<br />

Impulserhaltungssatz:<br />

2<br />

In einem abgeschlossenen System (keine Einwirkung von äußeren Kräften) bleibt der Gesamtimpuls (vekto-<br />

rielle Summe aller Einzelimpulse) konstant.<br />

Impulserhaltungssatz:<br />

p<br />

i<br />

pges = ∑ pi = const.<br />

: Impulse innerhalb des abgeschlossenen Systems<br />

i<br />

Impuls <strong>und</strong> Energieerhaltungssätze sind f<strong>und</strong>amentale Sätze in der <strong>Physik</strong>. Sie haben nicht nur eine Bedeu-<br />

tung in der Mechanik, sondern gelten auch für andere Bereiche der <strong>Physik</strong> <strong>und</strong> anderer Naturwissenschaf-<br />

ten. Viele Probleme in der <strong>Physik</strong> lassen sich durch Aufstellen der Impuls- <strong>und</strong> Energieerhaltungssätze lö-<br />

sen.<br />

Der zentrale elastische Stoß:<br />

Der zentrale elastische Stoß zeichnet sich dadurch aus, dass beim Stoßvorgang keine kinetische Energie<br />

durch Umwandlung in potentielle Energie bzw. Rotationsenergie verloren geht. Der Stoß erfolgt weiterhin<br />

zentral, d.h. die Stoßrichtung liegt auf einer Geraden. Damit gelten für zwei Körper die folgenden Erhal-<br />

tungssätze:<br />

Impulserhaltungssatz: m1 ⋅ v1 + m2 ⋅ v 2 = m1 ⋅ u1 + m2 ⋅ u2<br />

(I)<br />

Energieerhaltungssatz: 1 2 1 2 1 2 1 2<br />

m1 ⋅ v1 + m2 ⋅ v2 = m1 ⋅ u1 + m2 ⋅ u2<br />

(II)<br />

2 2 2 2<br />

wobei


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v1 , v 2 Geschwindigkeiten vor dem Stoß<br />

u1 , u 2 Geschwindigkeiten nach dem Stoß<br />

aus (I): m1 ( v1 u1) m 2 ( u 2 v 2 )<br />

1<br />

2<br />

⋅ − = ⋅ − (III)<br />

1<br />

⋅ − 1 = 2 ⋅ 2 − 2<br />

(IV)<br />

2<br />

2 2<br />

2 2<br />

aus (II): m ( v u ) m ( u v )<br />

1 1<br />

Aus dem 3. binomischen Lehrsatz folgt dann aus (III)<br />

1<br />

( ) ( ) ( ) ( )<br />

1<br />

m1 ⋅ v1 − u1 ⋅ v1 + u1 = m2 ⋅ u2 − v 2 ⋅ u2 + v 2 (V)<br />

2<br />

2<br />

(III) in (V): v1 + u1 = v 2 − u 2<br />

Die Auflösung nach u i <strong>und</strong> einsetzen in (I) liefert dann<br />

u<br />

1<br />

bzw.<br />

u<br />

2<br />

2 ⋅ m2<br />

=<br />

m + m<br />

1 2<br />

2 ⋅ m1<br />

=<br />

m + m<br />

Spezialfälle:<br />

2 1<br />

m m<br />

v<br />

m m v<br />

1 − 2<br />

2 +<br />

+<br />

1 2<br />

m m<br />

v<br />

m m v<br />

2 − 1<br />

1 +<br />

+<br />

2 1<br />

1. m1 = m 2<br />

: u1 = v 2 <strong>und</strong>u 2 = v1<br />

1<br />

2<br />

Beide Körper tauschen Ihre Geschwindigkeiten. Ist insbesondere einer der Körper vorher in Ruhe, so bleibt<br />

der erste stehen <strong>und</strong> der zweite bewegt sich mit der Geschwindigkeit des ersten weiter<br />

2. m<br />

m − m<br />

m + m<br />

2<br />

>> m 1<br />

: dann wird<br />

1 2<br />

<strong>und</strong><br />

1 2<br />

≈ − 1 u = − v<br />

1 1<br />

Dieser Fall tritt z.B. auf, wenn eine Kugel senkrecht auf eine Wand trifft. Die Kugel fliegt mit entgegenge-<br />

setzt gleicher Geschwindigkeit wieder <strong>zur</strong>ück. Aus der Impulserhaltung folgt:<br />

' '<br />

'<br />

p + p = p + p ⎯⎯⎯⎯⎯ ' →p<br />

= 2⋅ p = 2 ⋅m ⋅ v<br />

1 2 1 2 p = 0, p =−p<br />

2 1 1 1<br />

2 1 1<br />

d.h. die Wand nimmt einen Kraftstoß 2 m 1 v 1 auf, jedoch keine Energie, da ihre Geschwindigkeit Null<br />

bleibt.<br />

Nichtelastische Stöße:<br />

Bei den nichtelastischen Stößen wird ein <strong>Teil</strong> der kinetischen Energie in andere Energieformen (Wärme,<br />

Deformation etc.) überführt. Der Ansatz (im Zweikörperproblem) lautet dann:


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Impulserhaltungssatz: m1 ⋅ v1 + m2 ⋅ v 2 = m1 ⋅ u1 + m2 ⋅ u2<br />

Energieerhaltungssatz: 1 2 1 2 1 2 1 2<br />

m1 ⋅ v1 + m2 ⋅ v2 = m1 ⋅ u1 + m2 ⋅ u2 + Δ Ekin 2 2 2 2<br />

Wobei ΔE kin der Anteil der umgewandelten kinetischen Energie ist. Wenn ΔE kin unbekannt ist, lassen sich<br />

u 1 <strong>und</strong> u 2 nicht mehr berechnen. Als Spezialfall gilt für den vollständig unelastischen Stoß, bei dem beide<br />

Stoßpartner nach dem Stoß zusammenhängen <strong>und</strong> sich mit gleicher Geschwindigkeit weiterbewegen:<br />

u = u = u ⇒<br />

1 2<br />

m<br />

u<br />

m m v<br />

m<br />

m m v<br />

1<br />

2<br />

= ⋅ 1 + ⋅<br />

+<br />

+<br />

1 2<br />

1 2<br />

2<br />

Aus der Bestimmung von u lässt sich dann der Verlust an kinetischer Energie bestimmen (Anwendung z.B.<br />

im ballistischen Pendel).<br />

2.8 Dynamik der Drehbewegungen<br />

2.8.1 Zentripetal- <strong>und</strong> Zentrifugalkraft<br />

Bei der Herleitung der Gesetze der Drehbewegungen wurde gezeigt, dass<br />

ein Körper der Masse m, der sich auf einer Kreisbahn bewegt, in Richtung<br />

des Kreismittelpunktes beschleunigt wird. Nach dem 2. Newtonschen Axi-<br />

om muss demnach auch eine Kraft auf ihn wirken. Diese Kraft ist notwen-<br />

dig, um den Körper auf eine Kreisbahn zu zwingen, da er sich sonst ge-<br />

radlinig, gleichförmig bewegen würde (erstes Newtonsches Axiom).<br />

Die Kraft die auf den Körper wirkt wird Zentripetalkraft genannt.<br />

Die Richtung der Kraft weist zum Kreismittelpunkt, die Größe lässt sich<br />

errechnen aus:<br />

Zentripetalkraft: Fzp = m ⋅ ar = m ⋅ ω ⋅r<br />

2<br />

Nach dem dritten Newtonschen Axiom muss eine Gegenkraft <strong>zur</strong> Zentripetalkraft vorhanden sein. Diese<br />

Kraft wird Zentrifugalkraft genannt<br />

Zentrifugalkraft: Fzf = − Fzp<br />

2.8.2 Kreispendel


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Eine Kugel hängt an einem Faden <strong>und</strong> führt eine Kreisbewegung aus. Die<br />

hierzu notwendige Zentripetalkraft wird durch das Gewicht der Kugel erzeugt.<br />

Zentripetalkraft: F = m ⋅ g⋅<br />

tan( α )<br />

r<br />

Da die Kugel auf der Kreisbahn umläuft, wirkt an ihr zusätzlich die Zentrifu-<br />

2<br />

galkraft: F = m ⋅ ω ⋅r<br />

z<br />

mit ω π<br />

= 2 T <strong>und</strong> r l ( )<br />

( )<br />

l ⋅cos<br />

α<br />

T = 2π ≈ 2π<br />

g<br />

= ⋅sin α lässt sich der Ausdruck umformen zu<br />

l<br />

g<br />

für kleine Winkel. Die Umlaufzeit des Pendels<br />

hängt bei kleinen Winkeln somit nur von der Länge des Fadens <strong>und</strong> der Erdbeschleunigung ab.<br />

2.8.3 Starrer Körper<br />

Bisher wurde bei den durchgeführten Betrachtungen die Beschreibung der Bewegung eines Körpers nur auf<br />

einen Punkt, den Schwerpunkt reduziert. Ein realer Körper besitzt dagegen eine endliche Ausdehnung in<br />

drei Dimensionen. Die verwendeten Modelle müssen daher erweitert werden. Zunächst werden Eigenschaf-<br />

ten eines starren Körpers untersucht. Im Gegensatz dazu stehen Untersuchungen an Flüssigkeiten <strong>und</strong> Ga-<br />

sen.<br />

Starrer Körper:<br />

Ein starrer Körper ist zusammengesetzt aus einer Anzahl von Mas-<br />

senpunkten, deren relative Lage zueinander unverändert bleibt.<br />

Masse des Körpers: m = ∑ Δ mi i<br />

Translatorische Bewegung: Alle Massenpunkte bewegen sich mit<br />

derselben Geschwindigkeit v. Dann berechnet sich die kinetische<br />

1<br />

Energie eines Massenpunktes zu: Ei, kin = Δ mi ⋅ v<br />

2<br />

1 1<br />

1<br />

Kinetische Energie des Körpers: Ekin = ∑Ei, kin = ∑ Δmi ⋅ v = ⋅ v ∑ Δ mi = m ⋅ v<br />

2 2<br />

2<br />

∑ i ∑ Δ<br />

i i<br />

Impuls des starren Körpers: p = p = m ⋅ v = m ⋅ v<br />

i<br />

i<br />

i<br />

2 2 2<br />

Die Gesetze der translatorischen Bewegung eines starren Körpers lassen sich auf die Gesetze des Massen-<br />

punktes <strong>zur</strong>ückführen. Ohne Beweis: Der Massenpunkt ist der Schwerpunkt des Körpers.<br />

2.8.4 Schwerpunkt<br />

i<br />

2


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Die Schwerpunktkoordinate eines starren Körpers kann berechnet werden durch<br />

r<br />

s<br />

∑r ⋅ Δm<br />

=<br />

i<br />

m<br />

i i<br />

ges<br />

bzw. bei kontinuierlicher Verteilung der Masse durch<br />

r<br />

s<br />

=<br />

m<br />

∫<br />

ges<br />

m<br />

r dm<br />

ges<br />

Die Schwerpunktkoordinaten (nicht jedoch der Schwerpunkt des Körpers) hängen nach obiger Definition von<br />

der Wahl des Bezugsystems ab.<br />

• Wenn eine Drehachse durch den Schwerpunkt verläuft, so heben sich alle inneren Drehmomente ge-<br />

genseitig auf. Ein ruhender Körper befindet sich somit in jeder Stellung im Gleichgewicht.<br />

• Bei beliebigen Aufhängungspunkten dreht sich der Körper solange um die Drehachse, bis sich der<br />

Schwerpunkt senkrecht unter den Aufhängungspunkt gedreht hat.<br />

2.8.5 Trägheitsmoment<br />

Bei der Berechnung der Energie eines rotierenden Körpers müssen zusätzlich die Abstände der Massen-<br />

punkte vom Drehpunkt berücksichtigt werden. Für das obige Beispiel gilt daher:<br />

1 1<br />

, = ⋅ = ⋅ ⋅<br />

2 2<br />

2<br />

Kinetische Energie eines Massenpunktes um den Drehpunkt: E Δm v Δm ( ω r )<br />

i kin i i i i<br />

Jeder Massenpunkt beschreibt eine Kreisbahn um den Rotationsmittelpunkt. Die Geschwindigkeit der ein-<br />

zelnen Massenpunkte ist nicht mehr konstant!<br />

Die gesamte Bewegungsenergie errechnet sich somit aus:<br />

1 2 1<br />

Ekin = ∑Ei, kin = ∑ Δmi ⋅ vi = ∑ Δmi ⋅ ω ⋅ri<br />

2<br />

2<br />

i<br />

1<br />

bzw. Ekin = ω ∑ Δ mi ⋅ri<br />

2<br />

i<br />

2 2<br />

i<br />

i<br />

( )<br />

Die Summe ist eine charakteristische Konstante des starren Körpers <strong>und</strong> bestimmt den Energieinhalt des<br />

Körpers bei seiner Rotation um eine Achse. Diese Konstante ist das sogenannte Trägheitsmoment des<br />

Körpers:<br />

∑ Δ<br />

2 2<br />

Trägheitsmoment: J = mi ⋅ri [ kg⋅ m ]<br />

i<br />

2 2<br />

2<br />

Kontinuierliche Massenverteilung: J = Δm<br />

⋅ r = r dm = ρ<br />

r dV<br />

2<br />

m V<br />

lim∑<br />

Δmi<br />

→o<br />

i<br />

i i ∫<br />

0<br />

∫<br />

0<br />

ges ges<br />

2


1<br />

Rotationsenergie: Erot = Jω<br />

2<br />

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2<br />

Die Berechnung des Trägheitsmomentes für starre Körper ist i.a. sehr schwierig <strong>und</strong> oft analytisch nicht<br />

mehr durchführbar. (Zur Berechnung des Trägheitsmomentes einfacher Körper siehe z.B. Berg-<br />

mann/Schäfer) Es lassen sich jedoch gr<strong>und</strong>sätzliche Aussagen treffen:<br />

• Je weiter die Massenpunkte von der Drehachse entfernt sind, desto größer ist ihre Geschwindigkeit <strong>und</strong><br />

desto größer ihre Rotationsernergie.<br />

• Das Trägheitsmoment eines Körpers ist von der Lage der Drehachse abhängig.<br />

Hauptträgheitsachsen, Hauptträgheitsmomente<br />

Jeder Körper besitzt eine Drehachse durch den Schwerpunkt mit einem größten <strong>und</strong> einem kleinsten Träg-<br />

heitsmoment. Diese beiden Achsen stehen immer senkrecht aufeinander. Es lässt sich dann stets eine dritte<br />

Achse mit einem mittleren Trägheitsmoment finden, die senkrecht auf den beiden anderen steht. Diese<br />

Achsen heißen Hauptträgheitsachsen, die zugehörigen Trägheitsmomente Hauptträgheitsmomente.<br />

Jede Rotation eines Körpers um eine Schwerpunktachse lässt sich zerlegen in drei voneinander unabhängi-<br />

ge Rotationen um die drei Hauptachsen.<br />

Beispiele für Trägheitsmomente um die Hauptträgheitsachse:<br />

2<br />

Hohlzylinder mit Wanddicke D >> Radius R: J = mR<br />

Vollzylinder: J = mR<br />

1 2<br />

2<br />

Kugel: J = mR<br />

2 2<br />

5<br />

Stab mit Durchmesser D


2.8.6 Drehmoment<br />

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Bei der translatorischen Bewegung war eine Kraft notwendig, um einen Körper aus der Ruhe heraus in ei-<br />

nen Bewegungszustand zu setzen. Nach den Newtonschen Axiomen muss der gleiche Sachverhalt für die<br />

Erzeugung einer Drehbewegung gelten.<br />

um so stärker, je mehr sich der Winkel an 90° annähert.<br />

Drehmoment:<br />

Ein Körper sei um einen Drehpunkt D herum<br />

gelagert <strong>und</strong> eine Kraft F greife im Punkt A an.<br />

1) Wenn F in Richtung der Verbindungslinie<br />

zwischen D <strong>und</strong> A wirkt, kann der Körper<br />

nicht gedreht werden.<br />

2) Wenn die Kraft im Punkt A in einem Winkel<br />

ϕ gemessen <strong>zur</strong> Verbindungslinie wirkt, wird<br />

der Körper in Rotation versetzt. Diese ist<br />

Das Produkt aus Abstand zum Drehpunkt <strong>und</strong> dem dazu senkrechten Anteil F M einer angreifenden Kraft<br />

wird Drehmoment M genannt.<br />

Zur Beschreibung der Drehrichtung hat M einen vektoriellen Charakter. Die Richtung ist parallel <strong>zur</strong> Dreh-<br />

achse. Sie wird festgelegt durch das rechtshändige System. (Schraubenrichtung, wenn r in Richtung der<br />

Kraft gedreht wird). Die Drehrichtung entspricht derselben Vereinbarung wie bei der Festlegung Winkelge-<br />

schwindigkeitsvektors ω .<br />

Größe des Drehmomentes: M = r ⋅F ⋅sin ( r, F)<br />

Verallgemeinerung: Das Vektorprodukt aus r <strong>und</strong> F liefert Richtung <strong>und</strong> Größe des Drehmomentes:<br />

M = rxF ⎡kg⋅<br />

m<br />

⎢ 2<br />

⎣ s<br />

2<br />

⎤<br />

⎥<br />

⎦<br />

• Analog <strong>zur</strong> Translation, bei der die Gesamtkraft die vektorielle Summe der Einzelkräfte war, ist da Ge-<br />

samtdrehmoment die vektorielle Summe der Einzeldrehmomente.<br />

• Analog <strong>zur</strong> Translation, bei der eine Kraft eine Beschleunigung des Körpers verursacht hat, führt ein<br />

Drehmoment zu einer beschleunigten Rotation:<br />

Es gelte: verschiedene Kräfte greifen in der Drehebene an einem starren Körper an. Dann gilt für das ge-<br />

samte Drehmoment:<br />

∑<br />

M = r ⋅F<br />

i<br />

i i<br />

wobei F i senkrecht auf den Radiusvektoren stehen. Daraus folgt:


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∑ ∑ ∑<br />

2<br />

M = ri ⋅ Fi = ri ⋅ Δmi ⋅ ai = { ri ⋅ Δmi<br />

⋅α<br />

i<br />

i<br />

a= α⋅r<br />

i<br />

Mit der Definition des Trägheitsmomentes <strong>und</strong> mit der Tatsache, dass die Winkelbeschleunigung � diesel-<br />

be Richtung hat wie die Winkelgeschwindigkeit <strong>und</strong> damit des Drehmomentes lässt sich obige Gleichung<br />

ausdrücken durch:<br />

M = J ⋅α<br />

Arbeit bei Drehbewegungen:<br />

Es wirke ein konstantes Drehmoment M. Damit wird auch die Winkelbeschleunigung � konstant. Die Arbeit<br />

wurde definiert als Produkt aus Weg <strong>und</strong> dazu in Richtung des Weges aufgewendete Kraft. W = F ⋅ s . Bei<br />

der Drehbewegung ist der <strong>zur</strong>ückgelegte Weg die Kreisbahn, somit s = r ⋅ ϕ . Wegen M = r ⋅ F folgt insge-<br />

samt<br />

W = M⋅ϕ<br />

, M=const bzw. W = ∫Mdϕ , M≠const<br />

Leistung bei Drehbewegungen:<br />

Aus P dW<br />

P M<br />

dt<br />

d<br />

dt M<br />

ϕ<br />

= ⇒ = ⋅ = ⋅ ω<br />

2.8.7 Drehimpuls<br />

ϕ<br />

ϕ<br />

2<br />

1<br />

Aus den Betrachtungen der Translation ist bekannt, dass jedem<br />

Körper, der sich mit einer Geschwindigkeit v bewegt ein Bahnim-<br />

puls p = m ⋅ v zugeordnet werden kann. Von einem festen<br />

Standpunkt aus führt i.a. ein sich geradlinig bewegender Körper<br />

relativ zum Beobachter auch eine Drehbewegung aus:<br />

Vom Standpunkt des Beobachters setzt sich die Geschwindigkeit<br />

zusammen aus einem Anteil, der den Körper in der Verbindungs-<br />

linie von ihm fortbewegt <strong>und</strong> einem Anteil v s , der senkrecht auf<br />

der Verbindungslinie steht <strong>und</strong> den Körper in diesem Punkt auf<br />

eine Kreisbahn zwingt.<br />

Für den momentanen Impuls des Massenpunktes gilt:


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p m v m r m r<br />

r r J<br />

1 2 1<br />

= ⋅ = ⋅ω ⋅ = ⋅ ⋅ ω ⋅ = ⋅ ⋅ ω<br />

Wie bei der Definition des Drehmomentes hängt auch hier der momentane Impuls eines Massenpunktes<br />

vom Abstand zum Drehmittelpunkt ab. Durch Multiplikation der Gleichung mit r folgt wird die Größe p⋅ r als<br />

Drehimpuls bezeichnet.<br />

Definition des momentanen Drehimpulses: L = r ⋅ p = J⋅ω<br />

Diese Definitionen gelten jedoch nur für einen bestimmten Punkt während der Bewegung von m <strong>und</strong> bezie-<br />

hen sich auf einen festen Bezugspunkt.<br />

Verallgemeinerung:<br />

Wie bei der Herleitung des Drehmomentes ist derjenige <strong>Teil</strong> des Bahnimpulses wirksam, der senkrecht auf<br />

dem Radius zum Massenpunkt steht. Ausgedrückt werden kann dies durch die verallgemeinerte Definition<br />

des Drehimpulses::<br />

Drehimpuls L = rxp ⎡kg⋅<br />

m<br />

⎢<br />

⎣ s<br />

2<br />

⎤<br />

⎥<br />

⎦<br />

Aus der translatorischen Bewegung ist bekannt, dass sich die Kraft auf einen Körper aus der zeitlichen Ab-<br />

leitung des Impulses errechnet, d.h. F dp<br />

=<br />

dt<br />

Die analoge Betrachtung beim Drehimpuls liefert in obigem Beispiel:<br />

dL<br />

dt<br />

r m dv<br />

= ⋅ ⋅ = r ⋅m ⋅ a = r ⋅ F = M<br />

dt<br />

Diese Beziehung lässt sich Verallgemeinern <strong>und</strong> gilt analog zum Bahnimpuls: M ( )<br />

dL d<br />

= = rx p<br />

Mathematischer Beweis:<br />

M ( r F) r dp<br />

= =<br />

dt<br />

⎛ ⎞<br />

x ⎜ x ⎟<br />

⎝ ⎠<br />

Produktregel:<br />

( r p)<br />

d dr dp<br />

p r<br />

dt dt dt<br />

Wegen dr<br />

parallel zup ist<br />

dt<br />

dr<br />

dt p<br />

x = x + x<br />

x = 0<br />

dt<br />

dt


Aus M ( )<br />

dL d<br />

r p<br />

<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 43<br />

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= = x = 0 folgt unmittelbar, dass der Drehimpuls konstant sein muss. Dies ist der Fall,<br />

dt dt<br />

wenn sich der Körper kräftefrei bewegt oder wenn die Kraft nur in radialer Richtung wirkt (Zentripetalkraft).<br />

Die bisherigen Betrachtungen eines Massenpunktes lassen sich auf ein System bestehend aus vielen Mas-<br />

senpunkten, bzw. einem starren Körper verallgemeinern. Formal gilt dabei: Der Gesamtdrehimpuls ist die<br />

Summe der vektoriellen Einzel-Drehimpulse: L = ∑ Li i<br />

Satz von der Erhaltung des Drehimpulses: (ohne Beweis)<br />

Wenn auf ein System von N Körpern keine äußeren, sondern nur innere Kräfte wirken, so bleibt der<br />

Gesamtdrehimpuls erhalten: L = ∑ Li = const.<br />

i<br />

Wenn an dem System zusätzlich äußere Kräfte wirken, so ändern sich die Drehimpulse. Das Gesamtdreh-<br />

moment berechnet sich dann aus der vektoriellen Summe der Einzeldrehmomente:<br />

M M d<br />

= ∑ i = ∑ Li<br />

=<br />

dt<br />

i<br />

i<br />

dL<br />

dt<br />

1. Rotation um Schwerpunktachse: Bei der Rotation um eine Schwerpunktachse gilt stets, dass Dreh-<br />

achse <strong>und</strong> Drehimpulsachse parallel liegen, L = J⋅ω<br />

. Stabile Rotationsachsen sind dabei insbesonde-<br />

re die Schwerpunktachsen mit größtem <strong>und</strong> kleinsten Trägheistmoment (z.B. Rotation eines Quaders,<br />

Auswuchten der Räder <strong>zur</strong> Kompensation der Fliehkraft).<br />

2. Drehimpulsvektor <strong>und</strong> Drehmomentvektor liegen parallel: Erhöhung bzw. Erniedrigung der Winkel-<br />

geschwindigkeit<br />

3. Es wirkt kein äußeres Drehmoment: Ein rotierender Körper ist bestrebt, sein Drehmoment zu erhal-<br />

ten. Anwendungen z.B. beim Kreiselkompass.<br />

4. Drehmoment <strong>und</strong> Drehimpuls stehen senkrecht aufeinander: Z.B. frei aufgehängter Kreisel mit nur<br />

einem Aufhängepunkt. Gewichtskraft bewirkt Drehmoment am Kreisel, wodurch sich der Drehimpuls<br />

ändert. Der Kreisel weicht zu einer Seite aus (Präzession). Anwendung z.B. beim Fahrrad fahren.<br />

2.8.8 Vergleich zwischen geradliniger Bewegung <strong>und</strong> Kreisbewegung<br />

Translation Rotation<br />

Weg s Winkel ϕ<br />

Geschwindigkeit v Winkelgeschwindigkeit ω<br />

Beschleunigung a Winkelbeschleunigung α<br />

Träge Masse m Massenträgheitsmoment J<br />

Kraft F = m ⋅ a Drehmoment M = rxFJ ⋅α


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Arbeit (F=const) W = F ⋅ s Arbeit (M=const) W = M⋅<br />

ϕ<br />

Leistung (F=const) P = F ⋅ v Leistung (M=const) P = M ⋅ ω<br />

Translationsenergie<br />

1<br />

Ekin = m ⋅ v<br />

2<br />

2<br />

Rotationsenergie<br />

1<br />

Erot = J⋅<br />

ω<br />

2<br />

Bahnimpuls p = m ⋅ v Drehimpuls L = rx p<br />

2


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3 MECHANIK DER FLÜSSIGKEITEN UND GASE<br />

Bei den bisherigen Betrachtungen der Mechanik wurden starre Körper betrachtet. Jeder Massenpunkt eines<br />

starren Körpers behält relativ zum Körpers stets dieselben Koordinaten, unabhängig davon, welche Kräfte<br />

auf ihn wirken. Bei Flüssigkeiten <strong>und</strong> Gasen sind die einzelnen Massenpunkte gegeneinander verschiebbar,<br />

d.h. ihre relative Lage ändert sich bei Einwirken verschiedener Kräfte.<br />

Unterscheidung von Flüssigkeiten <strong>und</strong> Gasen:<br />

• Bei Flüssigkeiten <strong>und</strong> Gasen üben die Moleküle aufeinander anziehende Kräfte aus. Die Kräfte bei Gas-<br />

molekülen sind um einige Größenordnungen kleiner.<br />

• Gase haben das Bestreben, den Raum vollständig auszufüllen (Diffusion, Strömung). Wegen der größe-<br />

ren Anziehung von Flüssigkeitsmolekülen bleiben Flüssigkeiten ohne äußere Kräfte als Gesamtheit vor-<br />

handen (Oberflächenspannung).<br />

• Die Moleküle von Flüssigkeiten <strong>und</strong> Gasen führen die sogenannte Brownsche Molekularbewegung aus.<br />

Gase stärker als Flüssigkeiten<br />

• Flüssigkeiten weisen in Abhängigkeit äußerer Bedingungen <strong>und</strong> der Art der Moleküle verschiedene Zä-<br />

higkeiten auf. Flüssigkeiten besitzen eine innere Reibung . Dagegen werden ideale Flüssigkeiten nähe-<br />

rungsweise ohne innerer Reibung <strong>und</strong> inkompressibel beschrieben.<br />

3.1 Ruhende Flüssigkeiten <strong>und</strong> Gase<br />

Eine wichtige Größe bei der Behandlung von Flüssigkeiten <strong>und</strong> Gasen ist der Druckbegriff:<br />

Druck p F ⎡ N ⎤<br />

= = Pa<br />

A ⎢1<br />

2 1<br />

⎣ m<br />

⎥<br />

⎦<br />

F: Kraft, die senkrecht auf die Fläche wirkt<br />

A: Fläche<br />

Umrechnung:<br />

1 bar = 10 5 Pa = 10 3 hPa oder 1 hPa = 10 -3 bar = 1 mbar<br />

Normaldruck: 1013 mbar = 1013 hPa<br />

• p wird hydrostatischer Druck genannt.<br />

• Der Druck verteilt sich gleichmäßig über die gesamte Flüssigkeit (bei Vernachlässigung der Schwer-<br />

kraft, die ihrerseits auch eine Kraft ausübt!).<br />

3.1.1 Ruhende Flüssigkeiten


Kompressibilität:<br />

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Flüssigkeiten passen sich den Gefäßformen an, in denen sie aufbewahrt werden. Sie besitzen keine Form-<br />

oder Volumenelastizität. Wird innerhalb eines Gefäßes ein Druck auf sie ausgeübt, so lassen sich Flüssig-<br />

keiten zusammendrücken. Wenn der Druck wieder auf Null sinkt, stellt sich auch wieder das Ausgangsvo-<br />

lumen ein.<br />

Es gilt: Eine Druckerhöhung dp bewirkt eine Volumenverkleinerung dV<br />

dp K dV<br />

= −<br />

V<br />

1 1<br />

χ = = −<br />

K V<br />

dV<br />

dp<br />

K: Kompressionsmodul, χ: Kompressibilität, Minuszeichen wegen negativem Quotienten dV<br />

dp<br />

Die Kompressibilität von Flüssigkeiten ist um den Faktor 10 ... 100 größer als bei Festkörpern, jedoch im-<br />

mer noch sehr klein, so dass nur sehr große Drücke merkbare Volumenänderungen bewirken.<br />

Anwendungen:<br />

Wenn ein Stempel der Fläche A 1 mit der Kraft F 1 in einen flüssigkeitsgefüllten Kolben (Kompressibilität sei<br />

vernachlässigbar) gedrückt wird <strong>und</strong> dabei den Weg s 1 <strong>zur</strong>ücklegt, so wird die Arbeit F 1 s 1 verrichtet. Ein<br />

zweiter beweglicher Stempel am gleichen Kolben wird soweit herausgedrückt, dass die Volumina durch die<br />

Stempelbewegungen sich ausgleichen. Die Bewegung des zweiten Stempels mit der Fläche A 2 um den<br />

Weg s 2 kann dabei eine Kraft ausüben, sodass die an der Flüssigkeit geleistete Arbeit wieder frei wird.<br />

F1<br />

Druck:<br />

A1<br />

F<br />

= p =<br />

A<br />

Arbeit: F1 ⋅ s1 = F2 ⋅s<br />

2<br />

Volumen: A ⋅ s = A ⋅s<br />

1 1 2 2<br />

2<br />

2<br />

< 0<br />

Mit einer kleinen Kraft, die auf einen kleinen Stempel wirkt,<br />

kann demnach eine große Kraft erzeugt werden, die von einem<br />

großen Stempel aufgebracht wird. Dafür ist der Weg, den<br />

Stempel 1 <strong>zur</strong>ücklegen muss, entsprechend größer.<br />

Dieses Prinzip wird bei hydraulischen Pressen, Wagenhebern, Bremsanlagen im Kfz, Druckmessern etc.<br />

angewandt.<br />

Schweredruck


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Auf jede Flüssigkeit wirk auf der Oberfläche die Schwerkraft, d.h. die oberen Flüssig-<br />

keitsschichten einer Flüssigkeitssäule üben auf die unteren Schichten eine zusätzliche<br />

Kraft aus.<br />

Kraft auf A: F = m⋅ g = A ⋅h ⋅ρ ⋅g<br />

Berechnung des Schwerdruckes:<br />

Die Flüssigkeit habe die Dichte ρ, die Dichte sei überall gleich!<br />

Volumen über der Fläche A: V = A ⋅ h<br />

Schweredruck in der Tiefe h: p = ⋅g ⋅h<br />

ρ<br />

s<br />

Der Schweredruck addiert sich zu dem Druck, der auf die Flüssigkeitsoberfläche wirkt.<br />

Eigenschaften:<br />

• Der Schweredruck hängt nur von der Tiefe h ab <strong>und</strong> nicht von der Gefäßform<br />

• Der Schweredruck wirkt in alle Richtungen gleich, auch nach oben<br />

• Der Schweredruck erzeugt auf Gefäße Boden- <strong>und</strong> Seitenkräfte. Bei der Konstruktion von Gefäßen sind<br />

diese zu beachten. Beispiel Staudamm: Durch die Höhe der Dämme wirken auf die Staumauern enorme<br />

Seitenkräfte durch den Schweredruck des Wassers<br />

Archimedisches Prinzip:<br />

Ein in einer Flüssigkeit schwimmender Körper erfährt durch den Schweredruck eine nach oben gerichtete<br />

Auftriebskraft. Durch die dreidimensionale Ausdehnung des Körpers erfährt der untere <strong>Teil</strong> des Körpers<br />

größere nach oben gerichtete Kräfte als der obere <strong>Teil</strong>, bei dem kleinere Kräfte nach unten wirken. Horizon-<br />

tal angreifende Kräfte heben sich auf. Die resultierende Gesamtkraft ist nach oben gerichtet <strong>und</strong> der<br />

Schwerkraft entgegengesetzt.<br />

Die Gr<strong>und</strong>fläche des Körpers sei A, die Dichte der Flüssigkeit sei ρ<br />

Schweredrücke: p = ρ⋅ g⋅ h , p = ρ⋅<br />

g⋅ h<br />

s1 1 s2<br />

2<br />

Auftriebskräfte: F = p ⋅ A , F = p ⋅ A<br />

resultierende Gesamtkraft:<br />

Nun ist aber ( )<br />

1 s1 2 s2<br />

A ⋅ h2 − h1 = V das Volumen des Körpers <strong>und</strong> ρ ⋅ g⋅ V die Ge-<br />

wichtskraft, die auf die Flüssigkeit mit dem Volumen V wirkt. Die Auftriebskraft wirkt der Gewichtskraft auf<br />

den Körper entgegen, d.h. der Körper besitzt in der Flüssigkeit Gewicht, welches um den Betrag des Ge-<br />

wichtes der verdrängten Flüssigkeit vermindert ist. Ohne Beschränkung der Allgemeinheit, lässt sich dieses<br />

Prinzip auf beliebige Körper übertragen. Es wird das Archimedische Prinzip genannt:<br />

Gesetz des Archimedes (220 v. Chr.)


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Ein Körper, der in einer Flüssigkeit eintaucht, erfährt eine nach oben gerichtete Auftriebskraft, deren<br />

Betrag gleich demjenigen der Gewichtskraft ist, die auf das verdrängte Flüssigkeitsvolumen wirkt.<br />

Fallunterscheidung:<br />

• F A > F G : Der Körper steigt solange nach oben, bis er weit genug aus der Oberfläche herausragt, dass<br />

gerade Gleichheit der Kräfte herrscht.<br />

• F A = F G : Der Körper schwebt<br />

• F A < F G : Der Körper sinkt<br />

Anwendungen <strong>und</strong> Beispiele:<br />

• Schiffe schwimmen, da das verdrängte Wasservolumen schwerer ist als das Gewicht des Schiffes<br />

• Eisberge ragen aus dem Wasser heraus, da die Dichte des Eises kleiner ist als die Dichte von Wasser<br />

• U-Boote regulieren ihre Schwimmhöhe dadurch, dass Wasser in die Schwimmtanks eingelassen bzw.<br />

ausgeblasen wird. Dadurch ändert sich das Gewicht des Bootes, während die Menge des verdrängten<br />

Wassers konstant bleibt.<br />

• Aräometer: In der Chemie wird dieses Gerät <strong>zur</strong> Bestimmung der Dichte von Flüssigkeiten verwendet.<br />

Das Aräometer taucht soweit in die Flüssigkeit ein, bis das verdrängte Volumen der Flüssigkeit gerade<br />

das Gewicht des Aräometers kompensiert.<br />

Oberflächenspannung <strong>und</strong> Oberflächenenergiedichte<br />

In einer Flüssigkeit übt ein Molekül auf das andere innerhalb einer gewissen Reichweite Kräfte aus (Moleku-<br />

larkräfte), die sich im Innern der Flüssigkeit gegenseitig aufheben. Je näher ein Molekül an die Oberfläche<br />

gelangt, desto weniger wird die Kraft auf der Seite der Oberfläche kompensiert. Ein Molekül, welches sich<br />

direkt an der Oberfläche befindet, erfährt nur noch Kräfte aus dem Innern der Flüssigkeit. Diese Moleküle<br />

haben demnach eine resultierende Kraftkomponente zum Inneren der Flüssigkeit.<br />

Um ein Molekül aus dem Innern der Flüssigkeit an die Oberfläche zu bringen, ist demnach eine Arbeit zu<br />

verrichten, da das Molekül einen Weg gegen eine wirkende Kraft <strong>zur</strong>ücklegen muss. Umgekehrt erfährt ein<br />

Molekül einen Gewinn an Energie, wenn es sich von der Oberfläche weg in das Innere der Flüssigkeit be-<br />

wegt. Die Moleküle wandeln dabei potentielle Energie in Bewegungsenergie um. Diese potentielle Energie<br />

wird Oberflächenenergie genannt.<br />

Je mehr Moleküle an der Oberfläche sind, desto größer wird sie. Ein stabiles Gleichgewicht zwischen Mole-<br />

külen die sich <strong>zur</strong> Oberfläche bewegen <strong>und</strong> Molekülen, die in das Innere wandern bedeutet eine minimale<br />

potentielle Energie (ähnlich wie ein Stein immer nach unten fallen wird).<br />

Wenn die Oberfläche eine Flüssigkeit vergrößert werden soll, so ist dazu Arbeit notwendig. Das Leisten von<br />

Arbeit an der Flüssigkeit bedeutet aber eine Erhöhung der potentiellen Energie bzw. Oberflächeenergie. Das<br />

Verhältnis aus der Änderung der Oberflächenenergie <strong>und</strong> Vergrößerung der Oberfläche wird Oberflächen-<br />

energiedichte oder Oberflächenspannung genannt.


Oberflächenenergiedichte:<br />

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Änderungder Oberflächenernergie dW ⎡ J<br />

σ = = =<br />

Änderungder Oberfläche dA ⎢ 2<br />

⎣m<br />

Wegen dem Drang der Flüssigkeit, ihre Oberfläche möglichst klein zu halten, bilden Flüssigkeiten ohne<br />

Wirkung äußerer Kräfte Kugeln aus, da diese das größte Volumen bei kleinster Oberfläche besitzen (z.B.<br />

bei Regentropfen). Da aber meist äußere Kräfte wirken (Schwerkraft, Reibungskräfte bei Regen), tritt meist<br />

eine Verformung der Kugelgestalt auf.<br />

Überdruck in einer Flüssigkeitskugel:<br />

Ein Flüssigkeitstropfen habe die Gestalt einer Kugel mit dem Radius r. Die Arbeit, die notwendig ist, den<br />

Radius der Kugel um dr zu erhöhen berechnet sich durch<br />

2<br />

dW = F ⋅ dr = p⋅ A ⋅ dr = p⋅ 4π<br />

⋅r ⋅dr<br />

Andererseits gilt auch<br />

dW = σ ⋅ dA = σ ⋅8 ⋅ π ⋅r ⋅dr<br />

( )<br />

2<br />

A = 4 ⋅ π ⋅ r , A + dA = 4 ⋅ π ⋅ r + dr<br />

⇒ dA ≈ 8 ⋅ π ⋅r ⋅ dr<br />

Daraus folgt für den Überdruck in einer Flüssigkeitskugel: p =<br />

r<br />

⋅ 2 σ<br />

Je größer die Kugel, desto kleiner der Überdruck innerhalb der Kugel<br />

Grenzflächenspannung, Kapillarität<br />

2<br />

An Gefäßwänden wirken auf Flüssigkeitsmoleküle zusätzliche Adhäsionskräfte, die durch die Moleküle der<br />

Gefäßwand aufgebracht werden.<br />

Ist die Adhäsionskraft größer als die Köhäsionskraft der Flüssigkeitsmoleküle, so schmiegt sich die Flüssig-<br />

keit an die Wände an (Benetzung).<br />

Sind beide Kräfte miteinander vergleichbar, so können folgende Fälle auftreten:<br />

N ⎤<br />

m⎥<br />


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F<br />

F A<br />

α<br />

Randwinkel<br />

α<br />

Randwinkel<br />

F K<br />

F A F K<br />

F<br />

Flüssigkeit<br />

Adhäsion größer als Kohäsion<br />

2R<br />

α<br />

Randwinkel<br />

Adhäsion kleiner als Kohäsion<br />

Flüssigkeit<br />

2R<br />

h<br />

h<br />

2 σ cos( α)<br />

h =<br />

ρ g R<br />

2 σ cos( α)<br />

h =<br />

ρ g R<br />

Durch die Bestimmung des Kontakt- oder Randwinkels <strong>und</strong> der Steighöhe einer Kapillare kann die Oberflä-<br />

chenspannung gemessen werden.<br />

Beispiele für Oberflächenspannungen:<br />

• Quecksilber (18°C): 50 10 -2 N/m<br />

• Wasser (20°C): 7,25 10 -2 N/m<br />

• Äthyläther (18°C): 1,7 10 -2 N/m<br />

Beispiele für Einflüsse von Oberflächenspannungen:<br />

• Tropfenbildung bei Auslaufen einer Küvette: Bei Verwendung von Wasser läuft die Küvette niemals leer.<br />

Der letzte sich bildende Tropfen kompensiert sein Gewicht <strong>und</strong> den Schweredruck durch die noch vor-<br />

handene Wassersäule durch die Kohäsionskräfte. Die Hinzugabe von z.B. Äther vermindert die Oberflä-<br />

chenspannung, wodurch der restliche <strong>Teil</strong> des Wassers ausläuft.<br />

• Verminderung der Oberflächenspannung durch Lösungsmittel. Je nach Wechselwirkung der Moleküle<br />

untereinander bleiben diejenigen Moleküle an der Oberfläche, die die geringere Oberflächenspannung<br />

ausüben (Minimierung der potentiellen Energie).<br />

• Wichtig ist stets die Wechselwirkung der Randschichten untereinander. Z.B. hat eine ölbedeckte Ober-<br />

fläche eine geringere Oberflächenspannung gegenüber Luft als Wasser. Das Durchbrechen dieser<br />

Oberfläche würde daher einen Arbeitsaufwand bedeuten, da die Oberflächenspannung steigt. Eine<br />

Grenzschicht mit einer Monolage des Öls reicht dabei aus!<br />

Fahrwasserspur hinter Motorschiffen durch den Ölfilm auf der Wasseroberfläche, der eine geringere<br />

Wellenbewegung aufweist. Die Energie wird aus der kinetischen Energie Wellenbewegung gebildet, um<br />

den Ölfilm auf<strong>zur</strong>eißen. Dadurch wird die Wellenbewegung gemindert.<br />

Herabsetzung der Oberflächenspannung des Wassers durch Seifen <strong>zur</strong> besseren Benetzung des Ge-<br />

schirrs.


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• Kavitation: Bildung von Hohlräumen in Flüssigkeiten bei schnell rotierenden Schrauben (Schiffen) oder<br />

in Ultraschallbädern oder in kochenden Flüssigkeiten. Die Blasen besitzen die potentielle Energie durch<br />

die Oberfläche <strong>und</strong> Oberflächenspannung, welche durch den Energieeintrag durch die Bewegung bzw.<br />

den Ultraschall erzeugt wird. Durch das erneute Zusammendrücken der Bläschen wird diese Energie<br />

wieder frei, wobei die frei werdende Energie an nur wenige Moleküle abgegeben werden kann. Die führt<br />

zu lokalen Erhitzungen, zu Leuchterscheinungen, chemischen Reaktionen oder Materialabtrag bei den<br />

Schiffsschrauben (Korrosion).<br />

3.1.2 Ruhende Gase<br />

Gase nehmen im Gegensatz zu Flüssigkeiten den ihnen <strong>zur</strong> Verfügung stehenden Raum vollständig ein.<br />

Die Wechselwirkung der Moleküle untereinander ist um einige Größenordnungen geringer als bei Flüssig-<br />

keiten. Sie besitzen z.B. keine Oberflächenspannung.<br />

Gase üben in einem abgeschlossenen Volumen einen Druck auf die Gefäßwände aus, der gerade den<br />

Druck, der durch die Gefäßwände erzeugt wird, kompensiert.<br />

Dieser Zusammenhang wird im Boyle- Mariottschen Gesetz (ca. 1660) wiedergegeben:<br />

p const m<br />

= . ⋅ , T = const.<br />

V<br />

Die Konstante hängt von der jeweiligen Temperatur <strong>und</strong> von der Gasart ab. Wenn ein Gas dieses Gesetz<br />

streng erfüllt, wir es ideales Gas genannt.<br />

Es ist m V = ρ die Dichte des Gases, d.h. es gilt auch<br />

p = const. ⋅ ρ,<br />

T = const.<br />

p ⋅ V = const.<br />

s<br />

wobei 1 ρ = V s das spezifische Volumen genannt wird.<br />

Kompressibilität eines idealen Gases bei konstanter Temperatur:<br />

Mit der Definitionsgleichung für die Kompressibilität folgt:<br />

1 1 dV 1<br />

χ = = − =<br />

K V dp p<br />

dV<br />

dp<br />

d ⎛ m⎞<br />

= ⎜c<br />

⋅ ⎟ = −c ⋅ 2 = −<br />

dp ⎝ p ⎠<br />

m V<br />

p p<br />

Die Kompressibilität eines idealen Gases bei konstanter Temperatur hängt nur vom Druck <strong>und</strong> nicht von der<br />

Gasart ab!<br />

Luftdruck<br />

Analog zum Schweredruck bei Flüssigkeiten übt die Gashülle der Erde durch das Gewicht der Moleküle<br />

einen Druck auf die unteren Schichten aus. Im Gegensatz zu Flüssigkeiten ist die Dichte der Luft jedoch


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vom Druck abhängig. Daher nimmt die Luftdichte mit zunehmender Höhe ab, was bei der Berechnung des<br />

Luftdruckes berücksichtigt werden muss.<br />

Annahmen<br />

• Die Temperatur bleibe konstant.<br />

• Die Lufthülle verhält sich wie ein ideales Gas, dann gilt:<br />

In der Höhe h 0 herrsche der Druck p 0 mit der Dichte ρ 0 .<br />

In der Höhe h herrsche der Druck p mit der Dichte ρ.<br />

Dann gilt: ρ ρ0 = p p 0<br />

• In einer kleinen Luftschicht dh herrsche eine konstante Dichte ρ<br />

Die Druckabnahme in der Luftschicht lässt sich berechnen<br />

als:<br />

p<br />

dp = −ρ ⋅ g⋅ dh = −ρ0 ⋅ ⋅ g⋅ dh<br />

p<br />

p0<br />

⇒ dh = −<br />

ρ ⋅ g<br />

0<br />

dp<br />

p<br />

Die Summation über alle Luftschichten liefert dann:<br />

h<br />

h<br />

p0<br />

1 p0<br />

p<br />

h = ∫ dh = −<br />

= − ⋅<br />

⋅ g ∫ dp ln<br />

ρ p ρ ⋅g<br />

p<br />

Die Auflösung der Gleichung nach p h liefert dann die barometrische Höhenformel:<br />

Barometrische Höhenformel: p = p ⋅e<br />

h<br />

ρ0<br />

⋅g⋅h −<br />

p<br />

• Der Luftdruck beträgt in Meereshöhe 1013 hPa (Normaldruck)<br />

0<br />

0<br />

0<br />

0<br />

p<br />

p<br />

0<br />

0<br />

h<br />

0 0<br />

• Die Formel liefert einen Schätzwert, da weder Temperatur noch Erdbeschleunigung konstant über der<br />

Höhe sind


4 THERMODYNAMIK<br />

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Die Thermodynamik beschäftigt sich mit Eigenschaften von festen Körpern, Flüssigkeiten <strong>und</strong> Gasen, de-<br />

nen Energie zugeführt bzw. abgeführt wird. Die Hintergründe dieser Eigenschaften finden sich in der atomis-<br />

tischen Deutung der Thermodynamik, in der die Eigenschaften der einzelnen Bausteine der Materien (Ato-<br />

me <strong>und</strong> Moleküle) sowie deren Wechselwirkungen untereinander eine Rolle spielt. Hierzu werden oft statis-<br />

tische Methoden <strong>zur</strong> Ableitung von Gesetzmäßigkeiten verwandt.<br />

4.1 Temperatur<br />

Der menschliche Körper besitzt in seiner Haut Zellen, die bei Berührung von Körpern ein Kälte- oder Wär-<br />

meempfinden erzeugen. Als Begriff für dieses Empfinden wird die Temperatur verwendet.<br />

Die Temperatur ist eine Basisgröße<br />

Die Definition der Temperatur ist bisher noch nicht festgelegt. Eine Möglichkeit, eine Temperaturskala fest-<br />

zulegen besteht in der Eigenschaft von Körpern, ihr Volumen bei Zufuhr von Wärme zu vergrößern. Wird<br />

die gleiche Wärme wieder abgeführt, so nehmen die Körper wieder das ursprüngliche Volumen ein. (Alle<br />

anderen Umgebungsparameter bleiben konstant!) Dieser Prozess ist reversibel!<br />

4.1.1 Temperaturskalen<br />

Zur quantitativen Festlegung der Temperatur bedarf es der Festlegung von Fixpunkten <strong>und</strong> einer willkürli-<br />

chen Einteilung der Skala zwischen diesen Fixpunkten:<br />

thermodynamische<br />

Temperaturskala<br />

373,2<br />

273,2<br />

Kelvin-<br />

Skala<br />

0<br />

Celsius-<br />

Skala<br />

0 °C<br />

37,7 °C<br />

-17,8 °C<br />

Fahrenheit-<br />

Skala<br />

100 °C 212 °F<br />

100 °F<br />

0 °F<br />

-273,2 °C -459 °F<br />

32 °F<br />

Kelvin Skala: unterer Fixpunkt: niedrigste erreichbare Temperatur 0K, Unterteilung 1K = 1/100<br />

der T-Differenz zwischen Siedepunkt des Wassers <strong>und</strong> Schmelzpunkt des Eises<br />

Celsius-Skala: 0°C Schmelzpunkt des Eises, 100 °C Siedepunkt des Wassers bei 1013 hPa<br />

Fahrenheit-Skala: 0°F niedrigste erreichbare Temperatur aus Wasser <strong>und</strong> Salz<br />

100 °F Temperatur des menschlichen Blutes<br />

Die heute in der Wissenschaft gebräuchliche Temperaturskala ist die Kelvin-Skala oder thermodynamische<br />

Temperaturskala. Ihr Nullpunkt - 0K - ist der kleinste, theoretisch erreichbare Temperaturwert. Der theoreti-<br />

sche Wert leitet sich aus der statistischen <strong>Physik</strong> bzw. der idealen Gasgleichung ab. Die thermodynamische<br />

Temperaturskala wird heute allgemein als Gr<strong>und</strong>lage aller Temperaturmessungen verwendet.<br />

Die Messung der Fixpunkte der Celsiusskala hat gewisse Unsicherheiten. Die Unsicherheit bei der Messung<br />

des Schmelzpunktes liegt heute bei ca. ±0,002K. Dagegen lässt sich die Temperaturmessung bei der Be-


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stimmung des Tripelpunktes von Wasser auf 0,0098±0,00005K genau bestimmen, weswegen dieser heute<br />

als Fixpunkt verwendet wird.<br />

4.1.2 Thermometer<br />

Es existieren verschiedene Möglichkeiten, Temperaturen zu messen. Ausgenutzt werden bei allen Verfah-<br />

ren die thermischen Eigenschaften der Körper, Flüssigkeiten <strong>und</strong> Gase.<br />

Beispielhaft seien hier die folgenden Thermometerarten aufgeführt:<br />

Ausdehnungsthermometer Hier wird die Volumenausdehnung verschiedener gasförmiger, flüssiger oder<br />

fester Körper ausgenutzt. Gebräuchlich sind hier Alkohol- <strong>und</strong> Quecksilberthermometer.<br />

Thermoelemente Werden zwei verschiedene Metalle miteinander in Kontakt gebracht, so entsteht an der<br />

Berührungsstelle eine temperaturabhängige Kontaktspannung.<br />

Widerstandsthermometer Die Abhängigkeit des elektrischen Widerstandes kann <strong>zur</strong> Messung von Tempe-<br />

raturen genutzt werden.<br />

Dampfdruckthermometer Der Dampfdruck ist von der Temperatur abhängig. Diese Verfahren wird oft bei<br />

niedrigen Temperaturen angewandt (flüssig Stickstoff, Flüssig Helium)<br />

Strahlungsthermometer Die Intensität der Strahlung (IR oder Licht) sowie das Emissionsspektrum des<br />

Körpers ist von der Temperatur abhängig. Dieses verfahren wird meist bei höheren Temperaturen einge-<br />

setzt.<br />

Farbumschlag chemischer Stoffe Einige chemische Stoffe (Thermocolore) weisen bei Temperaturände-<br />

rung einen reversiblen Farbumschlag auf.<br />

4.2 Verhalten von Körpern bei Temperaturänderungen<br />

4.2.1 Feste Körper<br />

Feste Körper dehnen sich - bis auf wenige Ausnahmen - bei Temperaturerhöhungen aus.<br />

Die Ausdehnung der Körper ist von der Art des Stoffes abhängig.<br />

In erster Näherung ist die Ausdehnung eines festen Körpers linear von der Temperatur abhängig.<br />

Linearer Ausdehnungskoeffizient:<br />

Die relative Längenausdehnung eines Stabes mit der Länge l ist proportional <strong>zur</strong> Temperaturerhöhung, d.h.<br />

α ( )<br />

( 1 α Δ )<br />

Δl<br />

= l − l = ⋅ l ⋅ T − T<br />

2 1 1 1 2 1<br />

⇒ l = l ⋅ + ⋅ T<br />

2 1 1<br />

α wird linearer Längenausdehnungskoeffizient genannt. Die obige Beziehung gilt relativ genau in gewissen<br />

Temperaturbereichen.


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Bei genaueren Messungen können statt des linearen Zusammenhangs zusätzlich noch quadratische Terme<br />

berücksichtigt werden. Diese Gesetzmäßigkeit ist genauer, wenn ein Temperaturbereich von mehreren hun-<br />

dert Grad Celsius abgedeckt werden soll.<br />

2<br />

( )<br />

l = l 1+ α ⋅ T + β ⋅ T + ... , T = 0°<br />

C<br />

0<br />

0<br />

β ist gegenüber α sehr klein, z.B. gilt für Platin: α = 9 10 -6 1/K, β = 4,9 10 -9 1/K 2 .<br />

Volumenausdehnungskoeffizient:<br />

Unter der Annahme, dass sich der Körper in allen drei Raumrichtungen in gleicher Weise bei Temperaturer-<br />

höhung ausdehnt, kann für die drei Raumrichtungen angesetzt werden:<br />

( 1 α Δ ) , ( 1 α Δ ) , ( 1 α Δ )<br />

X = X + ⋅ T Y = Y + ⋅ T Z = Z + ⋅ T<br />

0 0 0<br />

Dann berechnet sich das Volumen des Körpers zu<br />

( ) ( ) ( )<br />

V = X ⋅ Y ⋅ Z = X 1+ α ⋅ ΔT ⋅ Y 1+ α ⋅ ΔT ⋅ Z 1+<br />

α ⋅ ΔT<br />

0 0 0<br />

3<br />

( ) ( )<br />

= V 1+ α ⋅ ΔT ≈ V 1+ 3α<br />

⋅ ΔT<br />

0<br />

0<br />

wenn die höheren Terme in α vernachlässigt werden.<br />

Die Ausdehnung fester Körper bei Temperaturerhöhung muss bei der Konstruktion technischer Anlagen<br />

berücksichtigt werden, z.B.<br />

• Lücken in den Betonplatten bei Autobahnbelägen<br />

• Ausgleichskurven bei Rohranlagen chemische Anlagen oder bei der Erdölproduktion<br />

• Maßnahmen bei der Verlegung von Eisenbahnschienen<br />

• Lösen von ineinander gesteckten Verbindungen durch Erwärmen der einen Verbindung<br />

Bimetallstreifen:<br />

Zwei Metallstreifen mit unterschiedlichen Ausdehnungskoeffizienten werden aufeinandergewalzt. Eine Tem-<br />

peraturänderung führt dazu, dass die Streifen sich unterschiedlich ausdehnen, wodurch sich der Streifen<br />

krümmt. Anwendungen z.B. als elektrische Temperaturschalter bzw. Temperaturregler.<br />

4.2.2 Flüssigkeiten<br />

Bei Flüssigkeiten tritt bei Erwärmung stets eine Volumenänderung auf, da Flüssigkeiten keine Vorzugsrich-<br />

tung besitzen. Es gilt daher:<br />

( 1 γ Δ )<br />

V = V + ⋅ T<br />

0<br />

wobei γ der Volumenausdehnungskoeffizient ist.<br />

Temperaturabhängigkeit der Dichte<br />

Wegen der Volumenausdehnung bei Temperaturerhöhung ändert sich auch die Dicht der Flüssigkeit:


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m m<br />

ρ0<br />

ρ = =<br />

=<br />

V V T T<br />

0<br />

( 1+ γ ⋅ Δ ) ( 1+<br />

γ ⋅ Δ )<br />

• Eine Ausnahme dieses Verhaltens bildet Wasser. Nur bei Temperaturen über 8°C entspricht die Dichte-<br />

änderung dem obigen Gesetz. Dagegen zeigt Wasser bei 4°C die größte Dichte von ca. 1 g/cm 3 , die zu<br />

kleineren Temperaturen hin wieder abnimmt. Aus diesem Gr<strong>und</strong>e schwimmt Eis auf dem Wasser <strong>und</strong><br />

Gewässer frieren nicht bis zum Gr<strong>und</strong> des Bodens durch.<br />

• Da der Volumenausdehnungskoeffizient von Flüssigkeiten um einige Größenordnungen größer ist als<br />

von Festkörpern ist bei der Lagerung von Flüssigkeiten darauf zu achten, dass bei Temperaturerhöhung<br />

das Gefäß nicht platzt. Bei der Lagerung von Wasser gilt dies auch beim Abkühlen!<br />

4.2.3 Gase<br />

Bereits bekannt ist das Gesetz von Boyle <strong>und</strong> Mariotte, welches die Proportionalität zwischen Druck <strong>und</strong><br />

dem Kehrwert des Volumens beinhaltet<br />

Boyle-Mariotte: p m<br />

∝ , T = const.<br />

V<br />

Die Abhängigkeit des Volumens von der Temperatur wird ausgedrückt durch das Gesetz von<br />

Gay-Lussac: V( ϑ) = V ( + γ ⋅ ϑ)<br />

0 1<br />

wobei hier ϑ die Temperatur in °C darstellt. Dieses Gesetz besitzt in einem weiten Temperaturbereich sei-<br />

ne Gültigkeit. Die Proportionalitätskonstante γ ist für die meisten Gase nahezu identisch. Die Konstante<br />

berechnet sich aus der Steigung der Geraden im (V,ϑ )-Diagramm.<br />

Substitution: absolute Temperatur: T = 27315 , ° C + ϑ<br />

V 0 ist das Volumen des Gases bei ϑ = 0°C. Die Gerade<br />

kann extrapoliert werden bis zu dem Punkt, an dem sie<br />

die ϑ -Achse schneidet. Der Schnittpunkt ist die Tempe-<br />

ratur, bei der theoretisch das Volumen zu Null wird. Die-<br />

ser Schnittpunkt errechnet sich zu ϑ = -273,15 °C.<br />

Umformung:<br />

Dann lässt sich das Gesetz von Gay-Lussac auch schreiben als :<br />

T T<br />

V( T) = V0<br />

= V0 wennp = const.<br />

27315 , K T<br />

mit T = 27315 ,<br />

K<br />

0<br />

0<br />

⎛ 1 ⎞ ⎛ 273, 15°<br />

C + ϑ⎞<br />

V( ϑ) = V0<br />

⎜1+<br />

⋅ ϑ⎟<br />

= V0<br />

⎜<br />

⎟<br />

⎝ 27315 , ° C ⎠ ⎝ 273, 15°<br />

C ⎠


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Weitere Untersuchungen bezüglich der Abhängigkeit von Druck <strong>und</strong> Temperatur werden ebenso durch das<br />

Gesetz von Gay-Lussac ausgedrückt:<br />

p( T) p T<br />

= 0 wenn V = const.<br />

T<br />

0<br />

4.2.4 Die allgemeine Zustandsgleichung idealer Gase:<br />

1. Ein Gas mit konstanter Menge werde bei konstantem Druck von T 0 auf T erwärmt:<br />

Gay-Lussac liefert V V T<br />

1 = 0 , p0 = const.<br />

T<br />

0<br />

2. Anschließend wird es bei konstanter Temperatur komprimiert:<br />

Boyle-Mariotte: V ⋅ p = V ⋅ p , T = const.<br />

1 0<br />

V0 ⋅ T ⋅p 0 V ⋅ p V0 ⋅p 0 p⋅ V<br />

⇒ V ⋅ p = ⇒ = ⇒ = const., m = const.<br />

T T T T<br />

0<br />

0<br />

Verschiedene Gase nehmen bei gleichem Druck <strong>und</strong> gleicher Temperatur entsprechend ihrer Dichte ver-<br />

schiedene Volumina ein, d.h. das Volumen ist der Masse proportional. Es gilt demnach:<br />

p ⋅ V<br />

= Rs ⋅m oder p⋅ V = Rs ⋅m ⋅ T<br />

T<br />

Dies ist die allgemeine Zustandsgleichung idealer Gase. R s ist eine charakteristische Gasgröße <strong>und</strong> kann<br />

folgendermaßen ermittelt werden:<br />

p ⋅ V p ⋅ V<br />

=<br />

T T<br />

0 0<br />

0<br />

p ⋅ V<br />

=<br />

T<br />

m p V<br />

m T m m<br />

0 ⋅ 0<br />

⋅ = ⋅<br />

⋅<br />

p0 ⋅ V0<br />

⇒ p ⋅ V = ⋅m ⋅ T = RS ⋅ T<br />

T ⋅m<br />

p0 ⋅ V0<br />

⇒ RS<br />

=<br />

T ⋅m<br />

0<br />

0<br />

0 0<br />

0<br />

0<br />

Eine gebräuchlichere Form der allgemeinen Zustandsgleichung ergibt sich, wenn die Masse m des Gases<br />

durch die Anzahl der Atome bzw. Moleküle ausgedrückt wird. Dann gilt:<br />

p ⋅ V = N⋅ mM ⋅R S ⋅ T<br />

N: Anzahl der Moleküle, m M : Masse eines einzelnen Moleküls<br />

Gesetz des Avogadro:<br />

( 1)<br />

( )<br />

N M<br />

N M<br />

2<br />

( )<br />

( )<br />

V M<br />

=<br />

V M<br />

0 1<br />

0 2


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Gleiche Volumina verschiedener Gase enthalten bei gleichem Druck <strong>und</strong> gleicher Temperatur eine<br />

gleiche Anzahl von Molekülen.<br />

Zurück <strong>zur</strong> allgemeinen Gasgleichung: p ⋅ V = N⋅ mM ⋅R S ⋅ T<br />

R<br />

p0 ⋅ V0<br />

p0 ⋅ V0<br />

p0 ⋅ V0<br />

= ⇒ m ⋅ R = m ⋅ =<br />

T ⋅m T ⋅m<br />

T ⋅N<br />

S M S M<br />

0<br />

0<br />

Da der Ausdruck V0<br />

nicht mehr von der Gasart abhängig ist, ist mM ⋅ RS<br />

konstant.<br />

N<br />

Boltzmannkonstante: k = m ⋅ R = 138065 ⋅10<br />

23<br />

,<br />

M S<br />

Zustandsgleichung: p ⋅ V = N ⋅ k ⋅ T<br />

0<br />

Bezogen auf molare Größen lässt sich die Anzahl der <strong>Teil</strong>chen durch die Stoffmenge <strong>und</strong> die Avogadro-<br />

konstante ausdrücken:<br />

N<br />

ν = = ⋅<br />

N N , A 6, 022 10<br />

A<br />

23<br />

1<br />

mol<br />

Dann ergibt sich durch Einsetzen in die Gasgleichung:<br />

Zustandsgleichung: p⋅ V = ν ⋅N ⋅k ⋅ T = ν ⋅R ⋅ T<br />

Nm<br />

allgemeine Gaskonstante: R = NA ⋅ k = 8, 314<br />

molK<br />

4.3 Kinetische Gastheorie<br />

A<br />

Bisher wurden die thermodynamischen Größen wie Druck <strong>und</strong> Temperatur als phänomenologische Größen<br />

bzw. Eigenschaften von Flüssigkeiten <strong>und</strong> Gasen betrachtet. Über Ihren Ursprung ist bisher jedoch noch<br />

nichts bekannt.<br />

Brownsche Molekularbewegung:<br />

Nm<br />

K<br />

Erste Hinweise über die Herkunft der Eigenschaften von Gasen <strong>und</strong> Flüssigkeiten kamen von dem Biologen<br />

Brown (1827) mit der Entdeckung, dass sich in Flüssigkeiten befindliche größere Stoffe in Zick-Zack-<br />

Bewegungen durch die Flüssigkeit bewegen. Daraus ist zu folgern, dass diese <strong>Teil</strong>chen von anderen <strong>Teil</strong>-<br />

chen angestoßen werden. Diese Zitterbewegung verstärkt sich, je höher die Temperatur ist.<br />

4.3.1 Gasgleichungen<br />

Die Herleitung der Gasgleichungen kann mit Hilfe der kinetischen Gastheorie geschehen. Hier wird die fol-<br />

genden Annahmen gemacht<br />

• das Gas oder Flüssigkeit besteht aus einer Anzahl von gleichartigen Atomen oder Molekülen


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• Die räumliche Ausdehnung der Moleküle ist klein gegenüber dem Gefäßvolumen, d.h. sie können wie<br />

Massenpunkte behandelt werden<br />

• Die einzigen Wechselwirkungen zwischen den Molekülen sind elastische Stöße<br />

Jedes Molekül, das auf eine Wand stößt, übt entsprechend dem Impulserhaltungssatz einen Kraftstoß auf<br />

diese Wand aus. Der Kraftstoß ist um so größer je größer die Geschwindigkeit des Moleküls senkrecht <strong>zur</strong><br />

Wand ist.<br />

Δt<br />

a<br />

=<br />

v1<br />

Annahme: es befindet sich ein Molekül der Masse m M im Würfel mit<br />

der Kantenlänge a. Das Molekül fliege parallel zu einer Seite mit der<br />

Geschwindigkeit v 1 <strong>und</strong> treffe auf eine Wand. Der Impulsübertrag<br />

auf die Wand ist gemäß den Stoßgesetzen:<br />

Δp = 2 ⋅m ⋅ v<br />

1 M 1<br />

Nach dem Stoß gegen die Wand bewegt sich das Molekül in entge-<br />

gengesetzte Richtung <strong>und</strong> stößt auf die gegenüberliegende Wand.<br />

Die Zeit zum durchqueren des Würfels beträgt<br />

An dieser Wand wird das Molekül wieder reflektiert. Die Anzahl der Stöße pro Zeit an einer Wand ist dem-<br />

nach:<br />

1 v1<br />

=<br />

2 ⋅ Δt 2 ⋅ a<br />

Die von diesem Molekül auf die Wand ausgeübte Kraft ist somit<br />

F<br />

1<br />

p 2 m v v<br />

= =<br />

2⋅<br />

t 2 a<br />

⋅ ⋅ ⋅<br />

Δ<br />

Δ ⋅<br />

m ⋅ v<br />

=<br />

a<br />

M 1 1 M<br />

2<br />

1<br />

Wenn sich nun N Moleküle im Würfel befinden so bedeutet dies, dass alle N Moleküle unterschiedliche<br />

Geschwindigkeiten haben. Ferner bewegen sich im Mittel nur 1/3 der Moleküle in der gleichen Richtung wie<br />

das erste Molekül. Somit berechnet sich die Gesamtkraft auf eine Wand:<br />

1 mM<br />

F = 1 + 2 + +<br />

3 a<br />

2 2 2<br />

( v v ... v )<br />

N<br />

Mit der Definition des mittleren Geschwindigkeitsquadrates<br />

v<br />

2<br />

wird<br />

=<br />

2 2 2<br />

( v + v + ... + v )<br />

1<br />

1 N ⋅ m<br />

F =<br />

3 a<br />

M<br />

2<br />

N<br />

v<br />

2<br />

N


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Der Druck berechnet sich aus der Kraft F, die auf eine Fläche wirkt. Der Druck ist auf alle Flächen gleich<br />

F 1 N⋅ m<br />

p = 2 = 3<br />

a 3 a<br />

v<br />

N m<br />

V v<br />

1 ⋅<br />

=<br />

3<br />

M 2 M 2<br />

N m M ist gerade die Gesamtmasse des Gases. Die Gleichung lässt sich somit umformen zu<br />

1<br />

1<br />

p⋅ V = m⋅ v ⇔ p = ρ ⋅ v<br />

3<br />

3<br />

2 2<br />

Dies ist aber nichts anderes als das Boyle-Mariottsche Gesetz.<br />

Dieser Zusammenhang ermöglicht die Berechnung mikroskopischer Größen aus makroskopischen Größen.<br />

Die mittlere Geschwindigkeit von identischen Molekülen in einem Volumen lässt sich errechnen aus:<br />

2<br />

vm = v =<br />

Beispiel:<br />

3 ⋅p<br />

ρ<br />

Im Normalzustand (1013 hPa, T=0°C) hat Stickstoff die Dichte ρ = 1,25 kg/m 3 . Dann ist die mittlere Ge-<br />

schwindigkeit der Stickstoffmoleküle:<br />

v<br />

m =<br />

3 ⋅1013 , ⋅10<br />

125 ,<br />

5<br />

N<br />

m<br />

2<br />

3<br />

m<br />

kg<br />

= 493<br />

m<br />

s<br />

4.3.2 Mittlere kinetische Energie der Moleküle, Gleichverteilungssatz<br />

Aus der obigen Beziehung<br />

1<br />

p⋅ V = m⋅ v<br />

3<br />

2<br />

folgt durch Einsetzen in die allgemeine Gasgleichung:<br />

1 2<br />

p⋅ V = m ⋅ v = N⋅ k ⋅ T<br />

3<br />

Die Gleichung lässt sich umformen zu<br />

1 2 2 m⋅ v 2 N⋅m M ⋅ v<br />

m⋅ v = =<br />

3 3 2 3 2<br />

2 2<br />

= N⋅ k ⋅ T<br />

Hieraus folgt für die kinetische Energie eines Moleküls:<br />

E<br />

kinM , =<br />

mM ⋅ v<br />

2<br />

2<br />

3<br />

= k ⋅ T<br />

2<br />

Die kinetische Energie der Moleküle ist der absoluten Temperatur proportional. Die Energie hängt nicht von<br />

der Molekülart ab.


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Verallgemeinerung: Die Bewegung der Moleküle setzt sich aus drei Koordinaten zusammen. Im Mittel trägt<br />

also jede Raumrichtung einen Energieanteil von 1<br />

2<br />

namik:<br />

1<br />

Pro Freiheitsgrad erhält ein Molekül eine Energie von Wf = k ⋅ T<br />

2<br />

f: Anzahl der Freiheitsgrade.<br />

k ⋅ T.<br />

Dies ist eine allgemeine Regel in der Thermody-<br />

Besteht ein Gas aus einatomigen Molekülen, so besitzt ein Molekül drei Freiheitsgrade, nämlich die drei<br />

Raumrichtungen. Bei mehratomigen Molekülen kommen noch weitere Freiheitsgrade hinzu.<br />

Beispiel: Wasserstoffmolekül:<br />

Ein Wasserstoffmolekül kann sich zusätzlich um die Achsen 1 <strong>und</strong> 2 dre-<br />

hen. Diese Drehung kann beim Stoßvorgang angeregt werden. Eine Dre-<br />

hung um Achse 3 kann durch reine elastische Stöße nicht angeregt werden.<br />

Hierzu ist weitere kinetische Energie notwendig. Das Molekül erhält hier-<br />

durch zwei weitere Freiheitsgrade.<br />

mit mehr als zwei Atomen haben i.a. auch mehr Freiheitsgrade.<br />

4.3.3 Boltzmannfaktor:<br />

Eine Funktion der Art<br />

e<br />

ΔE<br />

−<br />

k T<br />

pot ⎛ ΔEpot<br />

⎞<br />

⋅ = exp ⎜−<br />

⎟<br />

⎝ k ⋅ T ⎠<br />

5<br />

Die Gesamtenergie des Moleküls ist demnach Eges = k ⋅ T . Moleküle<br />

2<br />

Gleichverteilungssatz:<br />

Die thermische Energie verteilt sich gleichmäßig auf alle Freiheitsgrade.<br />

ist als Boltzmannfaktor bekannt <strong>und</strong> spielt in der <strong>Physik</strong> eine große Rolle bei temperaturabhängigen Er-<br />

scheinungen, z.B. bei<br />

• Leitfähigkeit von Halbleitern<br />

• Diodenkennlinien<br />

• Glühemission<br />

• Verdampfung von Flüssigkeiten<br />

In der statistischen <strong>Physik</strong> gibt der Boltzmannfaktor die Wahrscheinlichkeit an, mit der Zustände, die ein<br />

Potential bzw. eine Energie E besitzen, besetzt sind.


23<br />

dN/dv [s/m] , N = 6 10<br />

N( v)<br />

dv<br />

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2<br />

⎛ mM<br />

⎞ 2 ⎛ mM ⋅ v ⎞<br />

2<br />

= 4 ⋅ π ⋅N⋅ ⎜ ⎟ ⋅ v ⋅ exp ⎜−<br />

⎟<br />

⎝ 2⋅ π ⋅k ⋅ T⎠<br />

⎝ 2⋅<br />

k ⋅ T ⎠<br />

3<br />

Mit Hilfe dieser Berechnungen lässt sich in<br />

einem Gas die Geschwindigkeitsverteilung der<br />

Moleküle berechnen. Auch hier spielt der Boltz-<br />

mannfaktor eine Rolle. Er gibt die Wahrschein-<br />

lichkeit an, dass ein Molekül die kinetische<br />

Energie 1/2mv 2 besitzt.<br />

Es gilt (ohne Herleitung) für die Anzahl der<br />

Moleküle die im Geschwindigkeitsintervall<br />

[ v, v + dv]<br />

liegen:<br />

Das Integral über die gesamte Kurve liefert gerade die Gesamtteilchenzahl N<br />

Aus der obigen Beziehung lassen sich einige Größen ableiten:<br />

1. Die wahrscheinlichste Geschwindigkeit aller <strong>Teil</strong>chen ergibt sich aus dem Maximum der Kurve:<br />

v<br />

w<br />

=<br />

2⋅<br />

k ⋅ T<br />

m<br />

M<br />

2. Im Mittel gibt es jedoch mehr Moleküle mit größeren Geschwindigkeiten als v w . Das arithmetische Mit-<br />

tel über die Geschwindigkeiten ist<br />

4<br />

v = ⋅ v ≈ 113 , ⋅ v<br />

π<br />

w w<br />

3. Das in der kinetischen Gastheorie eingeführte mittlere Geschwindigkeitsquadrat hat den Wert:<br />

2 3<br />

v = v = ⋅ v ≈ 122 , ⋅ v<br />

2<br />

m w w<br />

4. Mittlere freie Weglänge: Aus den Betrachtungen der Stoßwahrscheinlichkeit in Abhängigkeit der mittle-<br />

ren Geschwindigkeit der Moleküle <strong>und</strong> ihrem Durchmesser lässt sich die mittlere freie Weglänge berechnen.<br />

Sie gibt den Weg an, den ein Molekül im Mittel frei, d.h. ohne Stoßvorgang fliegen kann.<br />

l =<br />

1,20E+021<br />

1,00E+021<br />

8,00E+020<br />

6,00E+020<br />

4,00E+020<br />

2,00E+020<br />

0,00E+000<br />

1 1<br />

=<br />

2 ⋅n ⋅ π ⋅d<br />

2 ⋅ π ⋅d<br />

n N p<br />

= = N<br />

V N⋅ k ⋅ T<br />

2 2<br />

M M<br />

k ⋅ T<br />

p<br />

d M ist der Durchmesser des Moleküls.<br />

Beispiel:<br />

T=300K<br />

v w<br />

v<br />

v 2<br />

2<br />

N( v)<br />

m 2<br />

M 2 m M v<br />

= 4 π N<br />

v exp<br />

-<br />

dv<br />

2 π k T<br />

2 k T<br />

Geschwindigkeitsverteilung von<br />

Stickstoffmolekülen bei versch. Temperaturen<br />

v w<br />

v<br />

v 2<br />

0 500 1000 1500 2000<br />

Geschwindigkeit [m/s]<br />

3<br />

T=900K<br />

Die wahrscheinlichste Geschwindigkeit von Stickstoff ist unter Normalbedingungen (1013 hPa, T=0°C):


v<br />

w<br />

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kT<br />

Nm<br />

m<br />

K K −23<br />

2 2⋅ 138 , ⋅10 ⋅273<br />

1<br />

= =<br />

−27<br />

⋅ ⋅ = 403<br />

28 ⋅166 , ⋅10<br />

kg<br />

M<br />

m<br />

⇒ v = 113 , ⋅ vw<br />

= 455<br />

s<br />

m<br />

⇒ vm = 122 , ⋅ vw<br />

= 491<br />

s<br />

Die mittlere freie Weglänge berechnet sich mit einem Moleküldurchmesser von etwa 2*10 -10 m dann zu:<br />

l =<br />

−<br />

1 k ⋅ T 1 138 ⋅10 ⋅ 273 1<br />

=<br />

2<br />

2 ⋅ ⋅ d p 10<br />

2 ⋅ ⋅ 2⋅10 1013 ⋅10<br />

m<br />

2<br />

23<br />

,<br />

π π<br />

,<br />

M<br />

Die mittlere Stoßzeit beträgt dann<br />

l 209 ⋅10<br />

Δt = =<br />

v 491<br />

m<br />

−9<br />

m s<br />

m<br />

− ( )<br />

−12<br />

= 426 ⋅ 10 s = 426ps<br />

m<br />

s<br />

5 2<br />

2<br />

N⋅ m m<br />

K<br />

K N<br />

1<br />

Oder die Zahl der Stöße eines Moleküls pro Sek<strong>und</strong>e: Z = = 2 35 ⋅10<br />

t s<br />

1 9<br />

,<br />

Δ<br />

4.4 Die Hauptsätze der Thermodynamik<br />

4.4.1 Wärme <strong>und</strong> Innere Energie<br />

−9<br />

= 209 ⋅ 10 m = 209nm<br />

Aus der kinetische Gastheorie folgt, dass die Temperatur ein Maß für die mittlere kinetische Energie der<br />

Moleküle darstellt. Werden zwei Körper miteinander in Kontakt gebracht, so lässt sich empirisch feststellen,<br />

dass sich ihre Temperatur angleicht. Ein <strong>Teil</strong> der kinetischen Energie wird von Körper 1 (Abkühlung) auf<br />

Körper 2 (Erwärmung) übertragen. Diese Energieübertragung wird als Wärme bezeichnet.<br />

Wärme:<br />

• Maß für die Übertragung von Energie<br />

• Der Wärmeübergang geschieht stets irreversibel in Richtung der geringeren Temperatur.<br />

• Bei Phasenumwandlungen wird die Energie dazu benutzt, einen anderen Aggregatzustand einzunehmen<br />

(latente Wärmen)<br />

• Eine Zufuhr von Wärme führt stets zu einer Temperaturerhöhung<br />

In kleinen Temperaturintervallen ist die Zufuhr von Wärme proportional <strong>zur</strong> Temperaturerhöhung des Kör-<br />

pers, d.h. es gilt:<br />

dQ = C ⋅ dT<br />

Da Wärme eine Energieform ist, hat Q die Einheit J. Die Proportionalitätskonstante C [J/K] ist die Wärme-<br />

kapazität eines Stoffes. C hängt von der Stoffart <strong>und</strong> der Masse des Stoffes ab.<br />

Es gelten die folgenden Definitionen:


<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 64<br />

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spezifische Wärmekapazität: c C<br />

=<br />

m<br />

molare Wärmekapazität: C<br />

m =<br />

⎡ J ⎤<br />

⎢<br />

⎣K<br />

⋅kg<br />

⎥<br />

⎦<br />

C ⎡ J ⎤<br />

ν ⎢<br />

⎣K<br />

⋅mol⎥<br />

⎦<br />

Die Wärmekapazität ist nur in kleineren Temperaturintervallen eine Konstante. I.a. hängt sie auch von der<br />

Temperatur ab. Die obige Gleichung lässt sich mit den Definitionen umformen zu:<br />

( ) ν ( )<br />

Q = m ⋅c ⋅ T − T = ⋅ C ⋅ T − T<br />

21 2 1 m 2 1<br />

Beispiel:<br />

Die mittlere Spezifische Wärmekapazität von Eisen beträgt: c<br />

Fe =<br />

J<br />

540<br />

K ⋅kg<br />

Für die Erwärmung von 0,8 kg Eisen von 20°C auf 400°C wird eine Wärme von<br />

J<br />

Q21 = m ⋅c ⋅( T2 − T1) = 0, 8kg⋅ 540 ⋅ 380K = 164kJ<br />

kg⋅K benötigt. Mit der gleichen Energie könnte das Eisenstück von 0 auf 640 m/s beschleunigt werden!<br />

Die Bestimmung von Wärmekapazitäten von Festkörper erfolgt i.a. mittels der Kalorimetrie. Hierzu wird ein<br />

Festkörper in ein mit einer Flüssigkeit gefülltes Dewar-Gefäß getaucht. Wenn sich Flüssigkeit <strong>und</strong> Körper zu<br />

Anfang nicht auf der gleichen Temperatur bef<strong>und</strong>en haben, Stellt sich nach einiger Zeit in der Flüssigkeit<br />

eine Gleichgewichtstemperatur ein. Für die Wärmebilanz gilt:<br />

( ) ( ) ( )<br />

m ⋅ c ⋅ T − T + C ⋅ T − T = m ⋅ c ⋅ T − T<br />

Fl Fl m Fl K m Fl x x x m<br />

m , c , T : Masse, spez. Wärmekapazität <strong>und</strong> Anfangstemperatur der Flüssigkeit<br />

Fl Fl Fl<br />

m , c , T : Masse, spez. Wärmekapazität <strong>und</strong> Anfangstemperatur des Körpers<br />

x x x<br />

T : Mischungstemperatur<br />

m<br />

C : Wärmekapazität des Kalorimeters<br />

K<br />

⇒ C =<br />

x<br />

( mFl ⋅ cFl + CK ) ⋅( Tm − TFl<br />

)<br />

m ⋅( T − T )<br />

x x m<br />

Die Bestimmung der Wärmekapazität von Gasen ist i.a. schwieriger, da die Wärmekapazität um ein Vielfa-<br />

ches geringer ist als bei Festkörpern. Bei der Kalorimetrie würde demnach die Wärmemenge, die ein Gas-<br />

volumen abgeben kann, nur zu einer sehr geringen Temperaturerhöhung im Kalorimeter führen.<br />

Innere Energie<br />

Die gesamte thermische Energie, die in einem Körper steckt, wird als Innerer Energie U bezeichnet. Diese<br />

Energie lässt sich nur ändern, wenn<br />

• dem Körper Wärme zu- oder abgeführt wird (Erwärmen, Abkühlen),


<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 65<br />

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• wenn mechanische Arbeit an dem Körper geleistet wird (Umwandlung von Bewegungsenergie in Wär-<br />

me),<br />

• oder andere Energieformen (chemische, elektrische usw.) umgewandelt werden.<br />

Im folgenden seien nur Wärme <strong>und</strong> mechanische Energien betrachtet. Dann lautet der Energiesatz:<br />

dU = δQ + δ W<br />

Die innere Energie ändert sich mit der Änderung der Wärme oder durch die Änderung mechanischer Ener-<br />

gie:<br />

δQ > 0, δW<br />

> 0 : Dem System wird Wärme bzw. mech. Energie zugeführt.<br />

δQ < 0, δW<br />

< 0 : Das System gibt Energie in Form von Wärme oder mechanische Arbeit ab.<br />

Die Innere Energie ist eine Zustandsgröße, d.h. nur von dem momentanen Zustand des Stoffes abhängig.<br />

Wie diese Größe erreicht wird ist dabei gleichgültig. Dagegen sind die Wärme Q <strong>und</strong> die Arbeit W Prozess-<br />

größen, d.h. ihre Größen richten sich nach der Art <strong>und</strong> Weise der Zustandsänderung.<br />

Ideale Gase:<br />

Bei idealen Gasen war die mittlere kinetische Energie proportional <strong>zur</strong> Temperatur. Unter Vernachlässigung<br />

der potentiellen Energie der Gasmoleküle ist dies die einzige Energieform, die in einem idealen Gas auftritt.<br />

Ferner galt:<br />

E<br />

kin<br />

f<br />

= k ⋅ T<br />

2<br />

wobei f die Anzahl der Freiheitsgrade ist (f=3 bei einatomigen Gasen, f=5 bei hantelförmigen Gasmolekü-<br />

len)<br />

Die gesamte innere Energie ist demnach:<br />

U N E N f f<br />

= ⋅ kin = k ⋅ T = ν R⋅ T<br />

2 2<br />

Zustandsänderungen können gemäß der obigen Zustandsgleichung vorgenommen werden durch Wärme-<br />

abgabe (=Temperaturerniedrigung) oder mechanische Arbeit (Volumenänderung)<br />

Mechanische Arbeit:<br />

Gegeben sei ein beweglicher Stempel, der eine Kompression eines<br />

Gases in einem Volumen ermöglicht. Eine Druckänderung würde z.B.<br />

eine Volumenänderung bei konstanter Temperatur hervorrufen.<br />

dW = F⋅ ds = p⋅ A ⋅ ds = p⋅ dV = 0, wennV = const.


Isochore Zustandsänderung:<br />

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Die gesamte Arbeit errechnet sich somit aus<br />

V<br />

( )<br />

W = p V ⋅dV<br />

12<br />

V<br />

2<br />

∫<br />

1<br />

Die mechanische Arbeit ist eine Prozessgröße <strong>und</strong> davon ab-<br />

hängig, auf welche Art die Volumenänderung vorgenommen<br />

wurde. Die Integration über den Weg b liefert ein anderes Er-<br />

gebnis als die Integration über Weg a!<br />

Bei der isochoren Zustandsänderung bleibt das Volumen konstant:<br />

V = const. ⇒ δW = 0<br />

Dann wird die Zustandsgleichung zu<br />

dU Q N f f<br />

= δ V= const.<br />

= k ⋅ dT = ν R⋅ dT<br />

2 2<br />

Aus dieser Gleichung lassen sich sofort die Wärmekapazitäten bestimmen. Mit dU<br />

dT<br />

dU N⋅ k m⋅R C V = = f = f<br />

dT 2 2<br />

1 dU RS<br />

cv = = f<br />

m dT 2<br />

1 dU R<br />

Cv,<br />

m = = f<br />

ν dT 2<br />

Isobare Zustandsänderung:<br />

S<br />

δ QV<br />

= const.<br />

=<br />

dT<br />

Bei einer isobaren Zustandsänderung bleibt der Druck konstant. Wegen der Ausdehnung des Gases muss<br />

die zugeführte Energie neben der Erhöhung der inneren Energie noch einen Anteil <strong>zur</strong> Vergrößerung des<br />

Volumens aufbringen, d.h.<br />

δQp= const.<br />

= dU + δW<br />

= dU + p⋅ dV<br />

Für die Wärmekapazitäten gilt demnach:<br />

C<br />

c<br />

d<br />

dT<br />

dW<br />

dT<br />

( )<br />

C<br />

d<br />

= U + W = c<br />

m⋅ dT<br />

p dV<br />

+<br />

m dT<br />

⋅<br />

⋅<br />

= ( U + W) = C + = + ⋅<br />

p v v<br />

p v<br />

p dV<br />

dT<br />

Aus der allgemeinen Zustandsgleichung folgt durch differenzieren nach T <strong>und</strong> p=const.:<br />

folgt


d d<br />

dT dT<br />

p dV<br />

⋅ = N⋅ k<br />

dT<br />

( p⋅ V)<br />

= ( N⋅k ⋅ T)<br />

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Eingesetzt in obige Gleichung liefert dies<br />

C = C + N⋅ k<br />

p v<br />

c = c + R<br />

p v S<br />

Definitionen:<br />

Adiabatenkoeffizient:<br />

cp<br />

χ = =<br />

c<br />

Enthalpie: H = U + p⋅ V ⇒ C =<br />

v<br />

p<br />

( )<br />

f + 2<br />

f<br />

dH<br />

dT<br />

spezifische Enthalpie: h H<br />

m c = ⇒ p =<br />

dh<br />

dT<br />

Die Enthalpie spielt bei der Reaktionskinetik in der Chemie eine große Rolle. In der Enthalpie sind bei Zu-<br />

standsänderungen die Volumenänderungen mit enthalten. In der Chemie verlaufen Prozesse so, dass die<br />

(freie) Enthalpie einen minimalen Wert erreicht. Nähere Ausführungen werden in der physikalischen Chemie<br />

behandelt.<br />

Wärmekapazitäten von Festkörpern<br />

Festkörper dehnen sich im Vergleich zu Gasen bei der Erwärmung kaum aus. Das bedeutet, dass ihre spe-<br />

zifischen Wärmekapazitäten bei konstantem Druck bzw. Volumen annähernd gleich sind.<br />

c<br />

c<br />

v<br />

p<br />

≈ 1<br />

Festkörper bestehen aus Atomen, deren Lage zueinander fest ist. Die Atome können bei Zufuhr von Wärme<br />

(T0K) jedoch Schwingungen gegeneinander ausführen. Diese Gitterschwingungen werden in der Quan-<br />

tentheorie Phononen genannt. Im Mittel ist die kinetische Energie der Schwingungsbewegung <strong>und</strong> die po-<br />

tentielle Energie, die durch die Umwandlung der kinetischen Energie beim Bremsvorgang aufgebaut wird,<br />

gleich. Jeder Anteil wird mit einem Freiheitsgrad belegt. Ferner kann das Atom noch in drei Raumrichtun-<br />

gen schwingen. Die Innerer Energie berechnet sich somit als mit f = 2 ⋅ 3 = 6<br />

N⋅ k ⋅ T<br />

U = ( 2⋅ 3)<br />

⋅ = 3 ⋅N ⋅k ⋅ T<br />

2<br />

Da bei der Erwärmung praktisch keine mechanische Arbeit geleistet wird, gilt:<br />

dU<br />

c =<br />

m⋅ dT<br />

= 3<br />

⋅<br />

R S


molare Wärmekapazität Cm [kJ/(kmol K)]<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 68<br />

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Für die molare Wärmekapazität gilt entsprechend:<br />

dU<br />

J<br />

Cm<br />

= = 3 ⋅ R = 2 5 ⋅10<br />

ν ⋅dT<br />

kmol⋅K 4<br />

,<br />

Diese Beziehung gilt für Festkörper, die pro Gitterplatz nur ein<br />

Atom haben. Ferner muss die Temperatur genügend hoch sein.<br />

Ein ähnliches Verhalten zeigt sich bei Gasen. Auch hier ist eine ausgeprägte Temperaturabhängigkeit zu<br />

beobachten.<br />

isochore molare<br />

Wärmekapazität<br />

[J/(mol K)]<br />

Molekülform Freiheitsgrade<br />

Transl. Rot. Oszil. ges.<br />

Punktförmig<br />

starre Hantel<br />

schwingende Hantel<br />

mehratomig, starr<br />

30<br />

20<br />

10<br />

3<br />

3<br />

3<br />

3<br />

-<br />

2<br />

2<br />

3<br />

Raumtemperatur<br />

20 50 100 200 500 1000 2000 5000 10000<br />

Temperatur [K]<br />

Wenn die Temperaturen sinken, werden auch die Wärmekapazitäten kleiner, d.h. der Stoff ist nicht mehr in<br />

der Lage, die Menge an thermischer Energie aufzunehmen, wie bei höheren Temperaturen. Dieses Verhal-<br />

ten führte Anfang dieses Jahrh<strong>und</strong>erts zu großen Verwirrungen in der <strong>Physik</strong>, da es keine Theorie gab, die<br />

dieses Verhalten klären konnte. Erst die quantenmechanische Betrachtung lieferte eine Erklärung für dieses<br />

Phänomen.<br />

Blei<br />

Kupfer<br />

Eisen<br />

Beryllium<br />

100 200 300 400 500<br />

Temperatur [K]<br />

Kohlenstoff<br />

(Diamant)<br />

Durch die Quantisierung von Energiezuständen muss eine Mindestenergie aufgebracht werden um einen<br />

Rotations- bzw. Schwingungszustand an<strong>zur</strong>egen. Das bedeutet, dass sich Gase bei tiefen Temperaturen<br />

-<br />

-<br />

2<br />

-<br />

3<br />

5<br />

7<br />

6<br />

C m,V<br />

J<br />

mol K<br />

12,47<br />

20,79<br />

29,10<br />

24,94<br />

C m,p<br />

J<br />

mol K<br />

20,79<br />

29,10<br />

37,41<br />

33,26<br />

7/2 R<br />

5/2 R<br />

3/2 R<br />

χ<br />

1,67<br />

1,4<br />

1,29<br />

1,33


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wie einatomige Gase verhalten. Bei Temperaturanstieg wird dann genug thermische Energie in das System<br />

geführt, um Rotationen der Moleküle an<strong>zur</strong>egen. Die quantenmechanische Betrachtung liefert dabei<br />

E<br />

rot,min<br />

1 h<br />

=<br />

2 J<br />

wobei J das Trägheitsmoment des Moleküls <strong>und</strong> h das Plancksche Wirkungsquantum darstellen. Zu noch<br />

höheren Temperaturen hin werden dann auch Schwingungszustände des Moleküls angeregt, wodurch die<br />

Wärmekapazität des Gases weiter steigt.<br />

4.4.2 Zustandsänderungen idealer Gase<br />

Erster Hauptsatz der Thermodynamik<br />

Jedes thermodynamische System hat ein Innerer Energie U. Bei irgendeiner Zustandsänderung des Sys-<br />

tems ist die Änderung der Inneren Energie gleich der Summe der zugeführten Wärmen <strong>und</strong> zugeführten<br />

Arbeit vermindert um die vom System verrichtete Arbeit <strong>und</strong> der abgeführten Wärme.<br />

dU = dQ + dW − dQ − dW<br />

zu A, zu ab A, ab<br />

Andere Formulierung:<br />

Es gibt kein pertuum mobile erster Art<br />

Es gibt keine Maschine die Arbeit abgibt, ohne die entsprechende Ener-<br />

gie aus einer äußeren Energiequelle zu schöpfen.<br />

Der erste Hauptsatz der Thermodynamik wird oft auch als Energiesatz bezeichnet: Er besagt, dass keine<br />

Energie verloren geht. Über die Art der Energieumwandlung gibt er jedoch keine Auskunft.<br />

Isotherme Zustandsänderung:<br />

p ⋅ V<br />

= const. bei T = const.<br />

m<br />

Es gilt:<br />

W pdV<br />

A<br />

V<br />

2<br />

= −∫<br />

V1<br />

Q’<br />

W<br />

Thermodynamisches<br />

System<br />

S<br />

W’<br />

Q<br />

Im PV-Diagramm (Arbeitsdiagramm) stellen die Isothermen<br />

Hyperbeln dar. Der Übergang von Zustand 1 auf 2 heißt iso-<br />

therme Ausdehnung<br />

Bei der isothermen Ausdehnung muss nach außen Arbeit ver-<br />

richtet werden. Die Ausdehnung des Volumens geschieht gegen<br />

den äußeren Druck. Daher wird dem System Energie entzogen.


<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 70<br />

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Da bei konstanter Temperatur die Innere Energie gleich bleibt, muss der gleiche Energieinhalt in Form von<br />

Wärme zugeführt werden:<br />

A 0 12 A,<br />

12<br />

dU = dQ + dW = ⇒ ΔQ<br />

= −W<br />

V<br />

Q pdV mit p N k T<br />

2<br />

1<br />

Δ = ∫<br />

= ⋅ ⋅<br />

V<br />

V<br />

1<br />

V<br />

Q N k T<br />

2<br />

⎛ V ⎞<br />

1<br />

2<br />

⇒ Δ = ∫ ⋅ ⋅ dV = N⋅k ⋅ T1<br />

⋅ln⎜<br />

⎟<br />

V ⎝ V ⎠<br />

V<br />

1<br />

1<br />

Verläuft die Zustandsänderung in umgekehrte Richtung, so wird dieser Vorgang isotherme Kompression<br />

genannt. Der gleiche Energiebetrag wird dabei in Form von Wärme abgeführt.<br />

Isochore Zustandsänderung:<br />

T<br />

p<br />

= const. bei V = const.<br />

Im pV-Diagramm ist eine Isochore durch den Übergang von Zustand 2 zu Zustand 3 gegeben. Bei der iso-<br />

choren Zustandsänderung wird keine Arbeit geleistet. Die Erhöhung bzw. Erniedrigung der Inneren Energie<br />

wird nur durch zu- bzw. abgeführte Energie erreicht. Für den Übergang 2 --> 3 (isochore Duckerhöhung) gilt<br />

dU = dQ mit U = C ⋅ T<br />

T<br />

∫<br />

( )<br />

⇒ ΔQ = dU = C ⋅ T − T = C ⋅ ΔT<br />

T<br />

2<br />

1<br />

v<br />

v 2 1 v<br />

Isobare Zustandsänderung:<br />

T<br />

V<br />

= const. bei p = const.<br />

Eine isobare Expansion ist im Diagramm dargestellt durch den Übergang des Zustandes 1 zum Zustand 4.<br />

Die isobare Kompression erfolgt durch den umgekehrten Übergang.<br />

Es gilt für die isobare Zustandsänderung:<br />

dU = dQ + p ⋅dV<br />

U<br />

( ) ( )<br />

⇒ ΔQ<br />

= dU + p ⋅ dV = C ⋅ T − T + p⋅ V − V<br />

U<br />

2<br />

V<br />

∫ ∫<br />

1<br />

V<br />

2<br />

1<br />

V<br />

2 1 2 1<br />

Bei der Erwärmung eines solchen Systems wird sowohl die innere Energie erhöht <strong>und</strong> damit die Temperatur<br />

als auch Arbeit nach außen verrichtet. Die Arbeit entspricht der Volumenänderung bei konstantem Druck.<br />

Bei der Ausdehnung wird die Arbeit<br />

( ) ( )<br />

WA = −p V − V = −N⋅ k ⋅ T − T<br />

2 1 2 1<br />

nach außen verrichtet.


Vergleich:<br />

<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 71<br />

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Bei der isochoren Zustandsänderung wurde die zugeführte Wärme nur dazu benutzt, die innere Energie<br />

bzw. Temperatur zu erhöhen. Bei der isobaren Zustandsänderung muss die Zugeführte Wärme dazu be-<br />

nutzt werden, sowohl die Temperatur als auch das Volumen zu Vergrößern. Daher gilt stets:<br />

cp > c V<br />

Adiabatische Zustandsänderung:<br />

Bei der adiabatischen Zustandsänderung wird im System keine Wärme zu- bzw. abgeführt.<br />

dU = −p ⋅ dV bei Q = const. bzw. dQ = 0<br />

⇒ C ⋅ dT + p⋅ dV = 0<br />

V<br />

1<br />

⇒ C ⋅ dT + N⋅ k ⋅ T ⋅ ⋅ dV = 0<br />

V<br />

V<br />

C dT dV<br />

⇒ V ⋅ + N⋅ k ⋅ = 0<br />

T V<br />

Aus der Integration ergibt sich:<br />

T<br />

( Cp C V )<br />

C dT<br />

2<br />

V = − −<br />

T<br />

T1<br />

1<br />

V2<br />

∫ ∫<br />

V1<br />

dV<br />

V<br />

( C C )<br />

⎛ T2<br />

⎞<br />

⎛ V2<br />

⎞<br />

⇒ CV<br />

⋅ln⎜<br />

⎟ = − p − V ⋅ln⎜<br />

⎟<br />

⎝ T ⎠<br />

⎝ V ⎠<br />

Durch Umformen entsprechend den Logarithmusregeln folgt:<br />

( )<br />

⇒<br />

( )<br />

⎛ ⎛ ⎞ ⎞<br />

⎜⎜<br />

⎟ ⎟<br />

⎜<br />

⎝⎝<br />

⎠ ⎟<br />

⎠<br />

=<br />

⎛<br />

⎛ ⎞<br />

⎞<br />

⎜<br />

⎜ ⎟<br />

⎟<br />

⎜<br />

⎝<br />

⎝ ⎠ ⎟<br />

⎠<br />

⇒ ⎛ ⎞<br />

⎜ ⎟ =<br />

⎝ ⎠<br />

⎛<br />

CV − Cp −C<br />

V<br />

T2<br />

V2<br />

ln ln<br />

T1<br />

V1<br />

CV − Cp −CV<br />

T V ⎞<br />

2<br />

2<br />

⎜ ⎟<br />

T ⎝ V ⎠<br />

1<br />

Somit ergibt sich schließlich:<br />

1<br />

1<br />

χ−1 χ−1 χ−1<br />

T ⋅ V = T ⋅ V oder T ⋅ V = const.<br />

1 1<br />

2 2<br />

χ χ χ<br />

p ⋅ V = p ⋅ V oder p⋅ V = const.<br />

1 1 2 2<br />

χ 1−χ<br />

χ 1−χ χ 1−χ<br />

T ⋅ p = T ⋅p oder T ⋅ p = const.<br />

1 1<br />

2 2


Polytrope Zustandsänderung:<br />

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Berechnung der verrichteten Arbeit:<br />

V2<br />

W = p⋅ dV =<br />

12<br />

V1<br />

V2<br />

∫ ∫<br />

V1<br />

p ⋅ V<br />

χ<br />

χ−1<br />

p ⋅ V ⎡⎛<br />

V ⎞ ⎤<br />

⋅ dV = ⎢⎜<br />

⎟ −1⎥<br />

χ −1<br />

⎝ V<br />

⎣⎢<br />

⎠<br />

⎦⎥<br />

1<br />

χ<br />

1 1 1 1<br />

χ<br />

V<br />

2<br />

Andererseits ist wegen dQ=0 die verrichtete Arbeit gleich der<br />

Änderung der inneren Energie, also gilt auch<br />

( )<br />

W = m ⋅c T − T<br />

12 V 2 1<br />

Die isotherme <strong>und</strong> die adiabatische Zustandsänderungen sind Grenzfälle. Isotherme Zustandsänderungen<br />

müssen entweder unendlich langsam durchgeführt werden, um dem System genügend Zeit zum Energie-<br />

austausch zu geben. Bei adiabatischen Änderungen muss der Wärmeaustausch mit der Umgebung voll-<br />

ständig ausgeschlossen werden. Eine reale Zustandsänderung liegt meist zwischen der isothermen <strong>und</strong><br />

adiabatischen Zustandsänderung <strong>und</strong> wird bezeichnet als<br />

n<br />

Polytrope Zustandsänderung: p⋅ V = const. wobei χ > n > 1<br />

4.4.3 Kreisprozesse<br />

Ein Prozess, der aus einer Reihe von Zustandsänderungen zusammengesetzt ist <strong>und</strong> wieder im Anfangszu-<br />

stand des Systems endet, wird Kreisprozess genannt. Thermodynamische Kreisprozesse sind irreversible<br />

Prozesse, d.h. es muss stets Energie zugeführt werden, um den Ausgangszustand wieder zu erreichen.<br />

Arbeit abgegeben als hineingesteckt wurde.<br />

Beispiel:<br />

Beim Durchlaufen der Zustandsänderung im Uhrzeigersinn gelangt<br />

das System von 1 über 2 wieder nach 1. Die Innere Energie ist<br />

demnach wieder dieselbe, da wieder derselbe Zustand erreicht ist.<br />

Die verrichtete Arbeit <strong>zur</strong> Kompression des Gases über den unte-<br />

ren Weg von 1 nach 2 ist jedoch kleiner als die Arbeit, die das Sys-<br />

tem von 2 nach 1 wieder abgibt. Das System hat demnach mehr<br />

∫ ∫ ∫ ∫ ∫ 0<br />

Für den Kreisprozess gilt demnach dU = dQ + dW = dQ − p⋅ dV =<br />

T 1<br />

Thermodynamische<br />

Maschine<br />

T 2<br />

Q 1<br />

Q 2<br />

W<br />

Kraftmaschinenprozess:<br />

• Umlauf im Uhrzeigersinn<br />

• Es wird mechanische Nutzarbeit abgegeben.<br />

• Wärme wird bei hoher Temperatur aufgenommen <strong>und</strong> bei tiefer abgegeben<br />

• Verbrennungsmotor, Wärmekraftmaschine


T 1<br />

Thermodynamische<br />

Maschine<br />

T 2<br />

Carnotscher Kreisprozess<br />

<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 73<br />

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Arbeitsmaschinenprozess<br />

• Umlauf gegen den Uhrzeigersinn<br />

• Differenz der ab- <strong>und</strong> zugeführten Wärme wird als mechanische Arbeit zugeführt<br />

• Wärme wird bei tiefer Temperatur aufgenommen <strong>und</strong> bei hoher abgegeben<br />

• Kältemaschine, Wärmepumpe<br />

Mit diesem Prozess kann bei einer periodisch arbeitenden Maschine Wärme aufgenommen <strong>und</strong> Arbeit ab-<br />

gegeben werden. Der Prozess verläuft zwischen zwei Isothermen <strong>und</strong> zwei Adiabaten. Der Prozess wird im<br />

Uhrzeigersinn durchlaufen, die verwendete Gasmenge bleibe konstant:<br />

Zustand 3 --> Zustand 4<br />

isotherme Expansion:<br />

⎛ V4<br />

⎞<br />

Abgeführte Arbeit: W34 = −ν ⋅R ⋅ T2<br />

ln ⎜ ⎟ < 0<br />

⎝ V ⎠<br />

zugeführte Wärme: Q34 = − W34<br />

> 0<br />

Zustand 4 --> Zustand 1<br />

adiabatische Expansion<br />

W = − ⋅C ⋅ T − T = − W <<br />

41 ν m, V 1 2 23 0<br />

Abgeführte Arbeit: ( )<br />

3<br />

Zustand 1 --> Zustand 2<br />

isotherme Kompression:<br />

⎛ V1<br />

⎞<br />

Zugeführte Arbeit: W12 = ν ⋅R ⋅ T1<br />

ln ⎜ ⎟ > 0<br />

⎝ V ⎠<br />

abgegebene Wärme: Q12 = − W12<br />

< 0<br />

Zustand 2 --> Zustand 3<br />

adiabatische Kompression:<br />

Zugeführte Arbeit: W C ( T T )<br />

23 = ν ⋅ m, V ⋅ 2 − 1 > 0<br />

Die Nutzarbeit pro Zyklus errechnet sich aus dem Flächeninhalt des umkreisten Gebietes im pV-Diagramm.<br />

Es gilt:<br />

Q 1<br />

Q 2<br />

W<br />

2


<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 74<br />

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∫ 12 23 34 41<br />

WNutz = dW = W + W + W + W<br />

= W + W<br />

12 34<br />

⎛ ⎛ V ⎞ ⎛ V ⎞⎞<br />

4<br />

1<br />

= −ν ⋅R ⋅⎜ T ⋅ ⎜ ⎟ − T ⋅ ⎜ ⎟⎟<br />

2 ln 1 ln<br />

⎝ ⎝ V ⎠ ⎝ V ⎠⎠<br />

für die beiden Adiabatengleichungen gilt:<br />

1<br />

T ⋅ V = T ⋅ V<br />

χ− χ−1<br />

2 3 1 2<br />

1<br />

T ⋅ V = T ⋅ V<br />

χ− χ−1<br />

2 4 1 1<br />

V4<br />

V<br />

⇒ =<br />

V V<br />

3<br />

1<br />

2<br />

Somit gilt für die Nutzarbeit:<br />

⎛ V4<br />

⎞<br />

WNutz = −ν ⋅R ⋅ln⎜<br />

⎟ ⋅ −<br />

⎝ V ⎠<br />

3<br />

3<br />

( T T )<br />

2 1<br />

2<br />

Das negative Vorzeichen gilt, da das System diese Nutzarbeit abgibt. Von der zugeführten Wärme kann nur<br />

ein <strong>Teil</strong> als mechanische Arbeit abgegeben werden (entspricht meist dem kleineren <strong>Teil</strong>). Der Rest muss<br />

vom System an eine Wärmesenke abgegeben werden. Das Verhältnis aus zugeführter Wärme <strong>und</strong> erhalte-<br />

ner mechanischer Arbeit wird als Wirkungsgrad der Wärmemaschine bezeichnet.<br />

Definition:<br />

thermischer Wirkungsgrad η therm<br />

Carnotscher Wirkungsgrad:<br />

η<br />

therm<br />

=<br />

W<br />

Q<br />

Nutz<br />

zu<br />

⎛ V4<br />

⎞<br />

ν ⋅R ⋅ln⎜<br />

⎟ ⋅ −<br />

WNutz<br />

⎝ V3<br />

⎠<br />

= =<br />

Q34<br />

⎛ V ⎞ 4<br />

ν ⋅R ⋅ T2<br />

ln⎜<br />

⎟<br />

⎝ V ⎠<br />

( T T )<br />

2 1<br />

3<br />

T<br />

= 1−<br />

T<br />

Eine Wärmemaschine, die aus einem Wärmereservoir Wärme abzieht <strong>und</strong> diese unter Abgabe von Wär-<br />

men eine Wärmesenke zum <strong>Teil</strong> in mechanisch nutzbare Energie wandelt, arbeitet um so günstiger, je hö-<br />

her die Temperaturunterschiede zwischen Wärmereservoir <strong>und</strong> Wärmesenke sind.<br />

Kältemaschine:<br />

Wird die Carnot-Maschine linksläufig betrieben, so wird bei einer Temperatur T 1 die Wärme Q zu entzogen<br />

<strong>und</strong> an eine Umgebung höherer Temperatur abgegeben. Die hierzu notwendige Arbeit wird durch eine äu-<br />

ßeres mechanisches System, z.B. einem Kompressor, zugeführt. Bei der Kältemaschine ist<br />

• der Nutzen die der Maschine zugeführte Wärme Q zu <strong>und</strong><br />

• der Aufwand die Arbeit W.<br />

1<br />

2


Leistungszahl: ε K<br />

<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 75<br />

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Q zu dQ zu dt T1<br />

= = =<br />

W P T − T<br />

2 1<br />

Die Leistungszahl ist um so besser, je kleiner die Temperaturunterschiede sind.<br />

Wärmepumpe:<br />

• Bei der Wärmepumpe wird bei tiefer Temperatur Wärme entzogen <strong>und</strong> einem System höherer Tempera-<br />

tur zugeführt (z.B. der Heizung eines Hauses).<br />

• Der Nutzen ist die an das System abgegebene Wärmemenge Q ab ,<br />

• der Aufwand ist die zugeführte mechanische Arbeit W<br />

Leistungszahl: ε<br />

K<br />

Q ab dQab dt T2<br />

= = =<br />

W P T − T<br />

Zweiter Hauptsatz der Thermodynamik:<br />

2 1<br />

1<br />

=<br />

η<br />

• Es gibt keine periodisch arbeitende Maschine, die Wärme aus einer Wärmequelle entnimmt <strong>und</strong> voll-<br />

ständig in mechanische Arbeit umwandelt.<br />

• Es gibt kein perpetuum mobile zweiter Art.<br />

• Wärme geht nicht von selbst von einem kalten auf einen warmen Körper über.<br />

Der zweite Hauptsatz findet seine Begründung darin, dass alle ablaufenden technischen Prozesse irrever-<br />

sible Prozesse sind, d.h. Prozesse, die nur durch äußere Energiezufuhr wieder in ihren Ausgangszustand<br />

gebracht werden können. Thermodynamische Prozesse laufen stets in eine Richtung <strong>und</strong> streben einem<br />

Minimum an Energie zu.<br />

Mathematisch lässt sich dieses Verhalten mit Hilfe der Entropie aufschreiben.<br />

Im ideal geführten reversiblen Carnot-Prozess gilt für die umgesetzten Wärmemengen<br />

Q<br />

T<br />

12<br />

1<br />

Q34<br />

+ = 0<br />

T<br />

2<br />

Für einen kompletten Umlauf eines reversiblen Prozesses gilt daher verallgemeinert:<br />

∫<br />

dQ<br />

T<br />

rev<br />

= 0<br />

Die Änderung dieser beiden Zustandsgrößen kann durch eine Änderung einer anderen Zustandsgröße, der<br />

Entropie ausgedrückt werden mit folgender Definition:<br />

dS dQ<br />

=<br />

T<br />

rev<br />

Δ 2 1<br />

S = S − S =<br />

2<br />

∫<br />

1<br />

dQ<br />

T<br />

rev<br />

⎡ J ⎤<br />

⎢<br />

⎣K<br />

⎥<br />

⎦<br />

C


<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 76<br />

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S wird als Entropie bezeichnet. Für reversible Kreisprozesse ist die Entropieänderung Null. Bei einem irre-<br />

versiblen Kreisprozess ist die abgeführte Arbeit bzw. die zugeführte Wärme größer als theoretisch im rever-<br />

sibeln Kreisprozess. für solche Prozesse nimmt die Entropie stets zu <strong>und</strong> der Wirkungsgrad des irreversib-<br />

len Prozesses ist kleiner als der des reversiblen Prozesses.<br />

Für irreversible Prozesse gilt daher<br />

Q<br />

T<br />

12<br />

1<br />

Q34<br />

dQirr<br />

+ < 0 bzw.<br />

< 0<br />

T ∫ T<br />

2<br />

Für die Entropie gilt in diesem Falle, dass der Endzustand der Entropie größer ist als der Anfangszustand.<br />

Es können folgende Fälle unterschieden werden:<br />

Ein abgeschlossener Prozess ist ohne äußere Energiezufuhr<br />

• unmöglich, wenn ΔS < 0<br />

• reversibel, wenn ΔS = 0<br />

• irreversibel, wenn ΔS > 0<br />

Das Entropieprinzip bestimmt somit die Richtung der Vorgänge. Dies ist ebenso eine Formulierung<br />

des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik.<br />

Der erste Hauptsatz gibt die Energiebilanz bei thermodynamischen Prozessen an. Er sagt nichts darüber<br />

aus, in welcher Weise diese Prozesse ablaufen.<br />

Der zweite Hauptsatz gibt zusätzlich die Richtung dieser Prozesse an. Prozesse innerhalb eines abge-<br />

schlossenen Systems können nur in eine Weise ablaufen, dass die Entropie stets zunimmt (oder maximal<br />

gleich bleibt).<br />

Beispiele:<br />

• Ein Stein, der herunterfällt, wandelt seine Energie beim Aufprall in Wärme um. Es geschieht aber nicht,<br />

dass der Stein von Selbst durch Aufnahme von Wärme nach oben springt.<br />

• Zwei Gase, die ineinander diff<strong>und</strong>ieren, trennen sich nicht wieder von selbst.<br />

• Nach dem ersten Hauptsatz könnte ein Schiff durch Entzug von Wärme aus dem Ozean, diese Wärme<br />

in Bewegungsenergie wandeln. Nach dem zweiten Hauptsatz ist dies jedoch nicht möglich.<br />

• Formulierung von Clausius: Die Energie im Weltall bleibt konstant, die Entropie strebt einem Maximum<br />

zu.<br />

• Die Entropie ist ein Maß der Unordnung. Jedes abgeschlossene System strebt einem Maximum an Un-<br />

ordnung zu.<br />

Die Größen Entropie sowie andere thermodynamischen Potentiale (Enthalpie, freie Energie) sind in der<br />

Chemie von großer Bedeutung, da sie bei Reaktionen die Richtung <strong>und</strong> den Ablauf sowie das Ende der<br />

Reaktion beschreiben. Aus diesen Betrachtungen folgen z.B. das Massenwirkungsgesetz <strong>und</strong> das<br />

Nernst'sche Wärmetheorem. Näheres hierzu findet sich in der <strong>Vorlesung</strong> der <strong>Physik</strong>alischen Chemie.


<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 77<br />

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4.5 Zustandsgleichung realer Gase <strong>und</strong> Dämpfe<br />

4.5.1 Van-der-Waalsche Gasgleichung<br />

Die Annahme eines idealen Gases ist eine Vereinfachung, die bei hohen Temperaturen <strong>und</strong> kleinen Drü-<br />

cken mit den experimentellen Ergebnissen gut übereinstimmt. Die Zustandsgleichung eines idealen Gases<br />

besagt jedoch, dass das Volumen eines Gases zu Null wird, wenn die Temperatur gegen Null strebt.<br />

Da reale Gase aus Molekülen bestehen, die ein gewisses Eigenvolumen haben, kann diese Annahme je-<br />

doch nicht richtig sein. Als Korrekturterm wird daher das Volumen V der allgemeinen Gasgleichung ersetzt<br />

durch<br />

V → ( V − b)<br />

, b: van der Waalsches Kovolumen, entspricht etwa dem vierfachen Eigenvolumen des Mo-<br />

leküls<br />

Weiterhin wurde bei idealen Gasen angenommen, dass die einzige Wechselwirkung untereinander elasti-<br />

sche Stöße sind. Reale Gase üben jedoch aufeinander eine Anziehungskraft aus. Diese Anziehungskraft<br />

wird umso stärker, je kleiner der Abstand der Moleküle ist. Bei Festkörpern führt diese Wechselwirkung oft<br />

zu Bindungen, bei Flüssigkeiten z.B. <strong>zur</strong> Oberflächenspannung.<br />

Auch bei Gasen führt die gegenseitige Anziehung zu einer Erhöhung des Druckes am Rand des Volumens<br />

durch die Kraftwirkung in Richtung des Innern des Volumens. Dadurch erhöht sich der Druck im Innern.<br />

Dieser Druck wird Binnendruck genannt. Der Binnendruck ist proportional <strong>zur</strong> Dichte der anziehenden <strong>Teil</strong>-<br />

chen <strong>und</strong> <strong>zur</strong> Dichte der stoßenden Umgebungsteilchen.<br />

p<br />

Bi<br />

⎛ a ⎞<br />

∝ ρ ∝ ⇒ p → ⎜p<br />

+ ⎟<br />

V ⎝ V ⎠<br />

2 1<br />

2 2<br />

m m<br />

Erhöhung des Druckes durch den Binnendruck<br />

Die ideale Gasgleichung geht somit in die van-der-Waalsche Zustandsgleichung über, hier bezogen auf die<br />

molaren Größen<br />

⎛ a ⎞<br />

p⋅ Vm = R⋅ T → ⎜p<br />

+ ⎟ 2<br />

⋅ ( Vm − b) = R⋅ T<br />

⎝ V ⎠<br />

m


6<br />

Druck p [10 Pa]<br />

8<br />

p = 73 bar<br />

K<br />

6<br />

p=43 bar<br />

4<br />

2<br />

Waagerechten entlang ECA.<br />

<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 78<br />

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a, b sind Gaskonstanten, V m ist das<br />

Mol-Volumen. Die nachfolgende<br />

Folie zeigt das Verhalten von Koh-<br />

lendioxid bei verschiedenen Tempe-<br />

raturen im pV-Diagramm.<br />

Unterhalb des kritischen Punktes K<br />

weisen die Isothermen ein Maxi-<br />

mum <strong>und</strong> Minimum auf. Der Verlauf<br />

entlang der Kurve EDCBA wird ex-<br />

perimentell jedoch nicht beobachtet<br />

sondern der Verlauf entspricht der<br />

Dies liegt daran, dass bei der Kompression des Gases ab dem Punkt E eine Verflüssigung eintritt., die am<br />

Punkt A abgeschlossen ist. Der starke Druckanstieg bei weiterer Komprimierung kommt dadurch zustande,<br />

dass Flüssigkeiten schwerer komprimierbar sind als Gase.<br />

• Der Druck, bei dem die Verflüssigung einsetzt ist der Dampfdruck.<br />

• Der Bereich der gestrichelten Kurve heißt Koexistenzgebiet. Bei Komprimierung setzt am rechten<br />

Schnittpunkt des Koexistenzgebietes die Verflüssigung ein. Sie ist am linken Schnittpunkt abgeschlos-<br />

sen. In diesem Bereich sind Flüssigkeit <strong>und</strong> Gas bzw. Dampf gleichzeitig vorhanden<br />

• Oberhalb einer kritischen Temperatur kann durch alleinige Komprimierung des Gases keine Verflüssi-<br />

gung mehr einsetzen. Dieser Punkt wird kritischer Punkt genannt, der zugehörige Druck <strong>und</strong> das zugehö-<br />

rige Volumen heißen kritischer Druck <strong>und</strong> kritisches Volumen.<br />

a<br />

V b p<br />

b T<br />

= 3 , = ,<br />

27 ⋅<br />

mK K K<br />

K<br />

Gasverflüssigung:<br />

8 ⋅a<br />

=<br />

27 ⋅b ⋅R<br />

• Ein ideales Gas behält seine Temperatur bei, wenn es adiabat <strong>und</strong> ohne zusätzliche Arbeitsverrichtung<br />

entspannt wird.<br />

Koexistenzgebiet<br />

3<br />

V mK = 0,12 m /kmol<br />

0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7<br />

• Im Gegensatz hierzu müssen reale Gase bei der adiabatischen Entspannung die zwischenmolekularen<br />

Anziehungskräfte überwinden. Die hierzu notwendige Energie wird der inneren Energie entzogen, wo-<br />

durch sich das Gas abkühlt (Joule-Thomson-Effekt). Auf diese Weise kann einem Gas immer mehr in-<br />

nere Energie entzogen werden, bis es sich verflüssigt. (Linde-Verfahren)<br />

• Das gleiche Prinzip wird bei sehr tiefen Temperaturen verwendet. Hier werden statt Gasen paramagneti-<br />

sche Salze verwendet, die nach erfolgter Magnetisierung durch ein äußeres Magnetfeld ihre Vorzugs-<br />

richtung wieder ändern <strong>und</strong> somit dem System Energie entziehen.<br />

4.5.2 Phasenumwandlungen<br />

3<br />

molares Volumen [m /kmol]<br />

Gebiet des idealen Gases<br />

373 K<br />

304 K<br />

313 K<br />

293 K<br />

283 K 273 K


<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 79<br />

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Unter der Phase eines Stoffes wird ein räumlich abgetrenntes Gebiet verstanden, das gleiche physikalische<br />

Eigenschaften aufweist.<br />

Phasen sind<br />

• Aggregatzustände fest, flüssig oder gasförmig<br />

• Modifikationen desselben Stoffes (z.B. α- oder β Eisen)<br />

von<br />

fest<br />

flüssig<br />

nach<br />

gasförmig<br />

Modifikationsänderung<br />

(Modifikationsenthalpie<br />

ΔH M )<br />

Erstarren<br />

(Erstarrungsenthalpie<br />

-ΔH S )<br />

Desublimieren<br />

fest flüssig gasförmig<br />

(Desublimationsenthalpie<br />

-ΔH Sub =-ΔH S - ΔHV )<br />

Schmelzen<br />

(Schmelzenthalpie ΔH S )<br />

Kondensieren<br />

(Kondensationsenthalpie<br />

- ΔHV )<br />

Sublimieren<br />

(Sublimationsenthalpie<br />

ΔH Sub =ΔH S + ΔHV )<br />

Sieden<br />

(Verdampfungsenthalpie<br />

ΔH V )<br />

Bei der Änderung des Aggregatzustandes nimmt ein Stoff Wärme auf bzw. gibt Wärme ab, ohne dass sich<br />

seine Temperatur erhöht bzw. erniedrigt. Diese Wärmemengen werden als latente (verborgene) Wärmen<br />

bezeichnet. Beim Phasenübergang von fest nach flüssig wird Wärme benötigt, um das Gitter im Festkörper<br />

aufzubrechen. Beim Übergang von flüssig nach gasförmig müssen die Anziehungskräfte der Moleküle un-<br />

tereinander überw<strong>und</strong>en werden.<br />

4.5.3 Gleichgewicht zwischen den Phasen<br />

Die einzelnen Phasen liegen niemals allein vor. Ähnlich wie bei der Geschwindigkeitsverteilung in einem<br />

Gas haben die Moleküle in einer Phase unterschiedliche Energieverteilungen. Einige der Moleküle haben<br />

dabei genügend Energie, um von der einen Phase in die andere Phase überzutreten.<br />

Ein Gleichgewicht liegt vor, wenn die Zahl der Moleküle, die von Phase 1 nach Phase 2 überwechseln,<br />

gleich ist der Anzahl der Moleküle, die von 2 nach 1 wechseln.<br />

Flüssig - Gasförmig


<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 80<br />

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Wenn ein Gleichgewicht zwischen Verdampfungs- <strong>und</strong> Kondensationsrate vorliegt, herrscht über der Flüs-<br />

sigkeitsoberfläche der Sättigungsdampfdruck der Flüssigkeit. Diese ist unabhängig vom Volumen, da sich<br />

mit wechselndem Volumen entsprecht die Dampfmenge einstellt.<br />

Der Sättigungsdampfdruck stellt sich in einem abgeschlossenen System ein, da sonst der gebildete Dampf<br />

abtransportiert wird (Verdunstung). Der Sättigungsdampfdruck ist nur von der Temperatur abhängig. Eine<br />

Erhöhung der Temperatur bewirkt eine Erhöhung der Geschwindigkeit der Moleküle <strong>und</strong> damit eine höhere<br />

Anzahl von Molekülen, die die Flüssigkeit verlassen können. Der Sättigungsdruck steigt mit wachsender<br />

Temperatur.<br />

Dieses Verhalten wird durch die Dampfdruckkurve beschrieben.<br />

Die Abhängigkeit der Dampfdruckkurve von der Temperatur kann mittels der Clausius-Clapeyronschel For-<br />

mel beschrieben werden:<br />

dpS<br />

=<br />

dT<br />

p<br />

S<br />

ΔH<br />

m, V<br />

D<br />

V , V<br />

m<br />

Fl<br />

m<br />

ΔH<br />

m, V<br />

D Fl ( )<br />

V − V ⋅ T<br />

m<br />

m<br />

Sättigungsdampfdruck<br />

molare Enthalpie der Verdampfungswärme<br />

molare Volumina der flüssigen - <strong>und</strong> Dampf - Phase<br />

Der Dampfdruck erhöht den Druck, der auf die Oberfläche einwirkt. Es gilt näherungsweise das<br />

Gesetz von Dalton: p = ∑ p<br />

ges i<br />

i<br />

Der Gesamtdruck ist die Summe der Partialdrücke.<br />

Ist der Dampfdruck einer Flüssigkeit gleich dem Druck, der auf die Oberfläche der Flüssigkeit einwirkt, so<br />

bilden sich bereits innerhalb der Flüssigkeit Dampfbläschen: Die Flüssigkeit siedet.<br />

Eine Druckerhöhung auf die Oberfläche führt dazu, dass der Siedepunkt steigt (Dampfkochtopf)<br />

In größeren Höhen sinkt der Atmosphärendruck <strong>und</strong> Wasser siedet deutlich unterhalb 100 °C.<br />

Fest-Flüssig<br />

Hier gelten dieselben Gesetzmäßigkeiten wie bei der Dampfdruckkurve. Auch hier gilt die Clausius-<br />

Clapeyronschel Formel:<br />

dpf<br />

=<br />

dT<br />

p<br />

f<br />

ΔH<br />

m, V<br />

Fl<br />

V , V<br />

m<br />

ΔH<br />

m, S<br />

Fl Fest ( )<br />

Fest<br />

m<br />

V − V ⋅ T<br />

m<br />

m<br />

Schmelzdruck<br />

molare Enthalpie der Schmelzwärme<br />

molare Volumina der festen <strong>und</strong> flüssigen Phase<br />

Da sich die Volumina der festen <strong>und</strong> flüssigen Phase kaum unterscheiden, ist der Anstieg der Kurve sehr<br />

viel steiler.


<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 81<br />

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Anomalie des Wassers: Da die feste Phase ein größeres Volumen hat als die flüssige Phase, ist die Stei-<br />

gung der Kurve negativ! Dies hat <strong>zur</strong> Folge, das Wasser bei gleichbleibender Temperatur <strong>und</strong> Druckerhö-<br />

hung schmilzt. Ausnutzung beim Schlittschuhlaufen.<br />

Fest-Gasförmig<br />

Ein direkter Übergang von fester Phase zu gasförmiger Phase findet meist bei niedrigeren Temperaturen<br />

statt. Direkt beobachtbar ist der Übergang bei der Sublimation von Kohlendioxid. Daher hat festes Kohlen-<br />

dioxid den Namen Trockeneis.<br />

Luftfeuchtigkeit:<br />

Wasser ist einer der am häufigsten vorkommenden Stoffe. Da wasser ebenfalls einen nicht zu vernachläs-<br />

sigenden Dampfdruck hat, ist somit immer ein Anteil Wasser in der Umgebungsluft vorhanden.<br />

Nach dem Daltonschen Gesetz gilt für den Gesamtdruck, den feuchte Luft besitzt:<br />

pfeuchteLuft = ptrockeneLuft + pS<br />

Da sich in den meisten Fällen über einer Wasseroberfläche kein abgeschlossenes System ausbilden kann,<br />

da der entstehende Wasserdampf abtransportiert wird, ist der Anteil an Wasserdampf in der Luft variabel.<br />

Es gilt daher<br />

absolute Luftfeuchtigkeit: ϕ a<br />

=<br />

mD<br />

V<br />

D<br />

relative Luftfeuchtigkeit: [ % ]<br />

ϕ = p<br />

p<br />

S<br />

⎡ kg ⎤<br />

⎢ 3<br />

⎣m<br />

⎥<br />

⎦<br />

wobei m D die Masse des Dampfes im Volumen V <strong>und</strong> p D der Partialdruck des Wassers <strong>und</strong> p S der Sätti-<br />

gungsdampfdruck des Wassers bei der entsprechenden Temperatur sind.


<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 82<br />

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5 SCHWINGUNGEN UND WELLEN<br />

5.1 Wiederholung aus der Mechanik<br />

Oszillationen <strong>und</strong> Wellen spielen in den Natur- <strong>und</strong> Ingenieurwissenschaften eine große Rolle z.B.<br />

• mech. Schwingungen in Pendeln, z.B. bei Uhren oder Quarzen<br />

• Wechselströme, Lichterscheinungen, Radio <strong>und</strong> Fernsehen, Wärme (Gitterschwingungen)<br />

• Beschreibung von Vorgängen in Atomen <strong>und</strong> Molekülen<br />

• Pulsschlag beim Menschen, Ebbe <strong>und</strong> Flut<br />

Oszillator:<br />

schwingungsfähiges System, welches ständig seinen energetischen Zustand ändert.<br />

Beispiel Federpendel:<br />

m<br />

Beim Federpendel wird ständig kinetische in potentielle Energie <strong>und</strong> umgekehrt<br />

umgewandelt:<br />

Umwandlung von Hubenergie in kinetische Energie <strong>und</strong> umgekehrt (heben <strong>und</strong><br />

senken)<br />

Umwandlung von Dehnungsenergie in kinetische Energie <strong>und</strong> umgekehrt (dehnen<br />

<strong>und</strong> strecken)<br />

Unterscheidung zwischen Schwingungen <strong>und</strong> Wellen:<br />

Schwingung: ein schwingungsfähiges System (Einzeloszillator), ortsfestes Sys-<br />

tem, Energieumwandlung ist nur zeitabhängig.<br />

Welle: Kopplung mehrerer Oszillatoren. Energieübertragung von einem Oszillator auf den nächsten Oszilla-<br />

tor. Energieumwandlung ist zeit- <strong>und</strong> ortsabhängig. Räumliche Fortpflanzung der Oszillation.<br />

In der Mechanik wurden bereits Bewegungen behandelt, die ein oszillierendes Verhalten aufwiesen. Hierzu<br />

gehören z.B. die Kreisbewegungen. Als Charakteristische Größe einer Kreisbewegung wurde die Winkelge-<br />

schwindigkeit ω verwendet. Im Zusammenhang mit Schwingungen <strong>und</strong> Wellen wird meist die Frequenz als<br />

beschreibender Parameter verwendet:<br />

1<br />

Definition: f = [ Hz]<br />

Frequenz der Schwingung<br />

T<br />

2π<br />

Wegen ω = = 2πf<br />

wird ω oftmals auch als Kreisfrequenz bezeichnet. Nur im Sonderfall der Kreisbe-<br />

T<br />

wegung stellt ω die Winkelgeschwindigkeit dar.


5.2 Schwingungen<br />

<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 83<br />

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5.2.1 Freie ungedämpfte Schwingung:<br />

m<br />

• Darstellung der Periodizität: z ( t)<br />

= z(<br />

t + T )<br />

5.2.2 Freie gedämpfte Schwingung:<br />

m<br />

5.2.3 Erzwungene Schwingung:<br />

m<br />

z = zm i n<br />

z = 0<br />

z = zm i n<br />

z = zm i n<br />

z = 0<br />

f<br />

z = zm i n<br />

fE<br />

• ständige Energiezufuhr von außen<br />

0<br />

• einmalige Anregung des Systems, danach keine<br />

äußere Erregung<br />

• Oszillator schwingt periodisch mit konstanter<br />

Eigenfrequenz f0 zwischen zwei Maximalwerten<br />

innerhalb Periodendauer<br />

T<br />

f<br />

z<br />

0<br />

0<br />

− Periodendauer<br />

1<br />

= − Frequenz<br />

T<br />

max<br />

, z<br />

0<br />

min<br />

− Scheitelwerte<br />

• einmalige Anregung des Systems, danach<br />

keine äußere Erregung<br />

• Energieentzug durch z.B. Reibung<br />

• Scheitelwert wir mit wachsender Zeit kleiner<br />

• Periodendauer Td wird größer, verglichen mit<br />

einem freien ungedämpften System gleicher<br />

Art.<br />

• periodische Erregung: Oszillatorsystem wird von außen mit der Erregerfrequenz fE<br />

<strong>und</strong> der Amplitude ZE angeregt<br />

• Eigenfrequenz des Systems:<br />

•<br />

Auslenkung z<br />

Resonatorfrequenz fr ist diejenige Frequenz, mit der das System ohne äußere Er-<br />

regung schwingen würde<br />

f<br />

f<br />

f<br />

E<br />

E<br />

E<br />

T0<br />

Auslenkung z<br />

Td<br />

T> T0<br />

d<br />


<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 84<br />

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5.3 Mathematische Beschreibung von Schwingungen<br />

Die mathematische Beschreibung von Schwingungen ist i.a. sehr komplex <strong>und</strong> schwierig, z.B. wenn folgen-<br />

de Schwingung betrachtet wird:<br />

Die gezeigte Schwingung ist zwar periodisch, jedoch ist ihre mathematische Beschreibung äußerst kompli-<br />

ziert.<br />

5.3.1 Harmonische Schwingungen:<br />

Der mathematische Formalismus vereinfacht sich erheblich, wenn sich die Schwingungen durch einfache<br />

Sinus- uns Kosinusfunktionen ausdrücken lässt. Solche Schwingungen werden harmonische Schwingungen<br />

genannt.<br />

Beispiel Kreispendel:<br />

Bestimmung der Bahngleichungen:<br />

Es war<br />

T0<br />

g<br />

ω 0 = 2π<br />

T = 2π<br />

= const.<br />

gleichförmige Drehbewegung<br />

l<br />

Dann gilt: ϕ( t ) = ω0<br />

⋅ t + ϕ0<br />

<strong>und</strong> x ( t)<br />

= r ⋅cos(<br />

ω ⋅ t + ϕ ) , y(<br />

t)<br />

= r ⋅ sin(<br />

ω ⋅ t + ϕ )<br />

Verallgemeinerung von ω 0 :<br />

0<br />

0<br />

y<br />

φ( t)<br />

x<br />

φ0<br />

0<br />

0


<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 85<br />

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ω 0 beschreibt die Zeitabhängigkeit von Winkelgrößen. Statt der Bedeutung der Winkelgeschwindigkeit bei<br />

Kreisbewegungen wird ω 0 verallgemeinert <strong>und</strong> bei der Beschreibung von Schwingungen <strong>und</strong> Wellen als<br />

Kreisfrequenz bezeichnet<br />

ω<br />

2π<br />

= = 2π<br />

⋅ f<br />

Kreisfrequenz 0<br />

0<br />

T0<br />

5.3.2 Differentialgleichung der freien ungedämpften Schwingung:<br />

Die treibende Kraft für die Masse ist die Federkraft. Potentielle<br />

Energie kommt nur in Form von Federdehnungen vor.<br />

bei x=0 sei die Feder entspannt, bei x>0 gedehnt, bei x


dx<br />

= −x<br />

0 ⋅ω<br />

0 ⋅ sin<br />

dt<br />

2<br />

d x<br />

2<br />

= −x<br />

2 0 ⋅⋅ω<br />

0 ⋅cos<br />

dt<br />

<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 86<br />

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( ω ⋅ t + ϕ )<br />

0<br />

( ω ⋅ t + ϕ )<br />

0<br />

2<br />

D<br />

⇒ −x<br />

0 ⋅⋅ω<br />

0 ⋅<br />

t<br />

m<br />

0<br />

0<br />

( ω ⋅ t + ϕ ) + ⋅ x ⋅cos(<br />

ω ⋅ + ϕ ) = 0<br />

cos 0 0<br />

0<br />

0 0<br />

Die Gleichung hat eine allgemeine Lösung für beliebige Zeiten t, wenn<br />

2 D D<br />

ω0 = ⇒ ω0<br />

= <strong>und</strong> f0<br />

= 2π<br />

⋅<br />

m m<br />

D<br />

m<br />

Das bedeutet, dass die Eigenfrequenz des Systems nur von den charakteristischen Größen m <strong>und</strong> D des<br />

Oszillators abhängen.<br />

Die Größen x0 <strong>und</strong> ϕ0 sind bei dieser Berechnung noch unbestimmt geblieben. Sie können jedoch durch die<br />

sogenannten Anfangsbedingungen festgelegt werden. Diese können z.B. gegeben sein durch:<br />

x<br />

( t = 0)<br />

= x ⋅cos(<br />

ϕ )<br />

dx<br />

dt<br />

0<br />

( t = 0)<br />

= −x<br />

⋅ ω ⋅sin(<br />

ϕ )<br />

Eulersche Formel:<br />

0<br />

0<br />

0<br />

0<br />

Wie leicht zu prüfen ist, kann auch die Sinusfunktion als Lösung der Dgl. angesetzt werden. Ein allgemeine-<br />

rer Ansatz kann über die Verwendung der Eulerschen Formel geschehen:<br />

j(<br />

ωt+<br />

ϕ ) ( t)<br />

= x ⋅e<br />

= x ( cos(<br />

ωt<br />

+ ϕ ) + j⋅<br />

sin(<br />

ωt<br />

+ ) )<br />

x 0 ϕ<br />

0<br />

0<br />

0<br />

Der Ansatz kann in die Dgl eingesetzt werden <strong>und</strong> getrennt nach Real- <strong>und</strong> Imaginärteil gelöst werden.<br />

Mathematisches Pendel:<br />

Energiesatz:<br />

Eges =<br />

Ekin<br />

+ Epot<br />

=<br />

const.<br />

l<br />

α<br />

0<br />

h<br />

α<br />

m mg


1<br />

m ⋅g<br />

⋅h<br />

+ ⋅m<br />

⋅ v<br />

2<br />

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2<br />

= const ⇒ m ⋅g<br />

⋅l<br />

⋅<br />

⇒ m⋅<br />

g⋅<br />

l⋅<br />

( 1−<br />

cosα<br />

)<br />

Differentiation der zweiten Gleichung nach der Zeit liefert<br />

d ⎛<br />

⎜m<br />

⋅g<br />

⋅l<br />

⋅<br />

dt ⎜<br />

⎝<br />

( 1−<br />

cosα<br />

)<br />

dα<br />

m ⋅g<br />

⋅l<br />

⋅sinα<br />

⋅ + m⋅<br />

l<br />

dt<br />

2<br />

1 ⎛ dα<br />

⎞ ⎞<br />

+ ⋅m<br />

⋅l<br />

⋅⎜<br />

⎟ ⎟ = 0<br />

2 ⎝ dt ⎠ ⎟<br />

⎠<br />

2<br />

2<br />

dα<br />

d α<br />

⋅ ⋅ = 0 2<br />

dt dt<br />

1 ⎛ ds ⎞<br />

+ ⋅m<br />

⋅⎜<br />

⎟<br />

2 ⎝ dt ⎠<br />

1<br />

2<br />

⎛ dα<br />

⎞<br />

⎜ ⎟<br />

⎝ dt ⎠<br />

= const<br />

2<br />

( 1−<br />

cosα<br />

) + ⋅m<br />

⋅l<br />

⋅ = const<br />

Diese Gleichung kann wiederum auf eine Normalenform gebracht werden:<br />

2<br />

d α g<br />

+ ⋅sinα<br />

= 0<br />

2<br />

dt l<br />

Die obige Gleichung stellt eine Differentialgleichung für α dar, die jedoch nicht analytisch lösbar ist. Um die<br />

Gleichung in eine Lineare Dgl. umwandeln zu können, wird die Sinusfunktion in eine Reihenentwicklung<br />

zerlegt. es gilt:<br />

3 5 7<br />

x x x<br />

sinx = x + + + ⎯⎯<br />

⎯ →sinx<br />

≈ x<br />

α


<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 88<br />

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Diese Kraft beschleunigt die Masse in Bahnrichtung. Da es sich um ein abgeschlossenes System handelt,<br />

muss die Summe aller Kräfte Null werden, d.h. entsprechend dem dritten Newtonschen Axiom muss noch<br />

eine Gegenkraft wirksam sein. Diese Gegenkraft ist die Trägheitskraft<br />

F<br />

T<br />

2<br />

2<br />

d s d α<br />

= m ⋅a<br />

= m ⋅ = m ⋅l<br />

⋅<br />

2<br />

2<br />

dt dt<br />

Da dies in dem System die einzigen, in Bahnrichtung wirkenden Kräfte sind gilt entsprechend dem 3. New-<br />

tonschen Axiom<br />

2<br />

d α<br />

= −FB<br />

⇒ m ⋅l<br />

⋅ = −m<br />

⋅ g⋅<br />

sinα<br />

dt<br />

FT 2<br />

Für die weitere Behandlung dieser Gleichung kann wie oben verfahren werden.<br />

Gesamtenergie der freien ungedämpften Schwingung:<br />

Betrachtet werde wieder das Feder-Masse System<br />

folgt für den Energiesatz:<br />

E<br />

ges<br />

= E<br />

kin<br />

+ E<br />

1<br />

= ⋅m<br />

⋅ x<br />

2<br />

1<br />

= ⋅m<br />

⋅ x<br />

2<br />

1<br />

= ⋅m<br />

⋅ x<br />

2<br />

1<br />

= ⋅m<br />

⋅ x<br />

2<br />

pot<br />

2<br />

0<br />

2<br />

0<br />

2<br />

0<br />

2<br />

0<br />

f0<br />

x=0<br />

x<br />

Es gilt der Energiesatz<br />

Eges = Ekin<br />

+ Epot<br />

=<br />

mit<br />

x = x<br />

dx<br />

dt<br />

ω<br />

0<br />

0<br />

= −x<br />

=<br />

⋅cos<br />

0<br />

D<br />

m<br />

const.<br />

( ω ⋅ t + ϕ )<br />

⋅ ω<br />

0<br />

0<br />

⋅ sin<br />

1 ⎛ dx ⎞<br />

= ⋅m⎜<br />

⎟<br />

2 ⎝ dt ⎠<br />

1 2<br />

+ D ⋅ x<br />

2<br />

2 2<br />

⋅ω<br />

0 ⋅ sin 0 0<br />

1<br />

2<br />

0<br />

2 2<br />

⋅ω<br />

0 ⋅ sin 0 0<br />

1<br />

2<br />

0 0<br />

⎛<br />

⎞<br />

2 2<br />

2<br />

⋅ω<br />

⎜<br />

0 sin ( ω0<br />

⋅ t + ϕ0<br />

) + cos ( ω0<br />

⋅ t + ϕ0<br />

) ⎟<br />

⎜144444<br />

424<br />

444443<br />

⎟<br />

⎝<br />

= 1<br />

⎠<br />

2 1 2<br />

⋅ω<br />

0 = ⋅D<br />

⋅ x0<br />

= const.<br />

2<br />

( ω ⋅ t + ϕ )<br />

2 2<br />

( ω ⋅ t + ϕ ) + ⋅D<br />

⋅ x ⋅cos<br />

( ω ⋅ t + ϕ )<br />

2 2 2<br />

( ω ⋅ t + ϕ ) + ⋅m<br />

⋅ ω ⋅ x ⋅cos<br />

( ω ⋅ t + ϕ )<br />

0<br />

0<br />

0<br />

0<br />

0<br />

0<br />

0


<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 89<br />

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2<br />

1/2*D*x0 E kin,<br />

E pot, E kin, Epot, E ges,<br />

0,0*T0 0,5*T 0 1,0*T0 1,5*T0 2,0*T0<br />

x=0<br />

x=0 x=0 x=0<br />

x=0<br />

x=0 x=0 x=0 x=0<br />

5.3.3 Differentialgleichung der freien gedämpften Schwingung:<br />

Bei der freien gedämpften Schwingung wird dem oszillierenden System ständig Energie entzogen, z.B.<br />

durch Reibung. Es werden verschiedene Fälle unterschieden:<br />

1. geschwindigkeitstunabhängig FR = μ ⋅FN<br />

2. viskose Reibung = b ⋅ v,<br />

b = const<br />

2<br />

3. Strömungsreibung F = d⋅<br />

v , d = const.<br />

F R<br />

R<br />

Allgemein gilt, dass die Reibungskraft stets entgegengesetzt der Bewegungsrichtung wirkt. Am Beispiel des<br />

Feder-Masse-Systems gilt demnach:<br />

1. in Richtung +x: m ⋅& x&<br />

= −μ<br />

⋅FN<br />

−D<br />

⋅ x<br />

in Richtung –x: m ⋅& x&<br />

= + μ ⋅FN<br />

−D<br />

⋅ x<br />

insgesamt: m ⋅& x&<br />

± μ ⋅FN<br />

+ D ⋅ x = 0<br />

2. m ⋅ & x&<br />

= −b<br />

⋅ v − D⋅<br />

x ⇒ m ⋅ &x<br />

& + b ⋅ x&<br />

+ D ⋅ x = 0<br />

2<br />

2<br />

3. m ⋅&<br />

x&<br />

= −d⋅<br />

v − D ⋅ x ⇒ m⋅<br />

&x<br />

& + d⋅<br />

x&<br />

+ D ⋅ x = 0<br />

Gesucht sind nun die Lösungen <strong>zur</strong> Beschreibung der Zeitabhängigkeit der Bewegung, d.h. die Lösungen<br />

der Dgl’n für die drei Fälle.<br />

Eine analytische Lösung der Dgl’n ist bis auf die Dgl. der Strömungsreibung angebbar. Im Falle der Strö-<br />

mungsreibung handelt es sich nicht mehr um eine lineare Differentialgleichung. Deren Behandlung soll hier<br />

nicht mehr erfolgen, d.h. für die Strömungsreibung kann keine analytische Lösung angegeben werden. Auf<br />

eine Herleitung der Lösungen wird im Rahmen der Lösungen verzichtet.<br />

Lösung für Fall 1:<br />

es gilt das Gleichungssystem


μ ⋅F<br />

& x&<br />

±<br />

m<br />

N<br />

<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 90<br />

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D<br />

+ ⋅ x = 0<br />

m<br />

μ ⋅FN<br />

Substitution: s : = x ± ⇒ & s&<br />

= &x<br />

&<br />

D<br />

Dann wird aus der Gleichung<br />

μ ⋅F<br />

&x<br />

& ±<br />

m<br />

&s<br />

& + ω<br />

2<br />

0<br />

N<br />

⋅s<br />

=<br />

D ⎛ μ ⋅FN<br />

⎞<br />

+ ⋅⎜<br />

s m ⎟ = 0<br />

m ⎝ D ⎠<br />

0,<br />

ω<br />

2<br />

0<br />

=<br />

D<br />

m<br />

Dies ist die Differentialgleichung wie im ungedämpften Fall. Die substituierte Gleichung hat die Lösung<br />

0<br />

( ω ⋅ t + )<br />

s = s ⋅cos<br />

ϕ<br />

0<br />

0<br />

Nach Rücksubstitution von s ergibt sich für die Bewegung:<br />

μ ⋅F<br />

m<br />

⎛ μ ⋅F<br />

x<br />

⎝ m<br />

cos<br />

( ω ⋅ t + )<br />

N<br />

N<br />

x ± = ⎜ 0 ± ⎟ ⋅ 0 ϕ0<br />

Mit<br />

μ ⋅F<br />

xˆ =<br />

m<br />

Es ergibt sich schließlich<br />

N<br />

( x ± xˆ ) ⋅cos(<br />

ω ⋅ t + ϕ ) m xˆ<br />

x 0<br />

0 0<br />

= , mit<br />

⎞<br />

⎠<br />

μ ⋅F<br />

xˆ =<br />

m<br />

N<br />

Beachtet werden müssen hier die Vorzeichen! Ein Vorzeichenwechsel findet statt, wenn das System die<br />

Bewegungsrichtung umkehrt, d.h. wenn ω0 ⋅ t + ϕ0<br />

ein Vielfaches von π überschreitet.<br />

Lösung für Fall 2:<br />

Die Dgl für den zweiten Fall lässt sich schreiben als<br />

m ⋅ & x&<br />

+ d⋅<br />

x&<br />

Auch hier ist<br />

2<br />

d⋅<br />

+ D ⋅ x = 0 ⇔ &x<br />

& + x&<br />

m<br />

2<br />

D<br />

+ ⋅ x = 0<br />

m<br />

D<br />

ω 0 = die Kreisfrequenz der ungedämpften Schwingung<br />

m<br />

Ferner wird definiert der Abklingkoeffizient<br />

b<br />

δ =<br />

2m<br />

Üblich ist auch die Verwendung folgender Größen


Dämpfungsgrad<br />

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D ~<br />

=<br />

δ<br />

ω<br />

Verlustfaktor D ~<br />

d = 2⋅<br />

Güte<br />

Damit folgt aus der Dgl:<br />

D x<br />

~<br />

& x&<br />

+ 2⋅<br />

⋅ &<br />

2<br />

+ ω<br />

2<br />

0<br />

⋅ x = 0<br />

Q =<br />

0<br />

D ~<br />

1 1<br />

=<br />

d 2⋅<br />

Bei der Lösung dieser Dgl muss unterschieden werden in 3 Fälle:<br />

a) Schwingfall: D 1<br />

~<br />

ω > δ,<br />

<<br />

0<br />

−δ⋅t<br />

Lösung der Dgl: x( t)<br />

= x ⋅e<br />

⋅cos(<br />

ω ⋅ t + ϕ )<br />

ω<br />

d<br />

=<br />

0<br />

ω<br />

2<br />

0<br />

− δ<br />

b) Kriechfall: D 1<br />

~<br />

ω < δ,<br />

><br />

Lösung der Dgl: x(<br />

t)<br />

0<br />

= x<br />

1<br />

⋅e<br />

c) Aperiodischer Grenzfall: D 1<br />

~<br />

ω = δ,<br />

=<br />

0<br />

x t<br />

2<br />

=<br />

2 2<br />

⎜<br />

⎛ −δ+<br />

δ −ω0<br />

⎟<br />

⎞⋅t<br />

⎝<br />

⎠<br />

−δ⋅t<br />

Lösung der Dgl: ( ) ( )<br />

=<br />

x<br />

1<br />

+ c<br />

2<br />

⋅ t ⋅e<br />

d<br />

2<br />

D b<br />

−<br />

m 4 ⋅m<br />

+ x<br />

2<br />

0<br />

2<br />

⋅e<br />

= ω<br />

0<br />

⋅<br />

2 2<br />

⎜<br />

⎛ −δ−<br />

δ −ω0<br />

⎟<br />

⎞⋅t<br />

⎝<br />

⎠<br />

D ~<br />

1−<br />

Der aperiodische Grenzfall hat in der Technik eine besondere Bedeutung, da er den Grenzfall darstellt, bei<br />

dem ein gedämpftes System gerade nicht mehr schwingt <strong>und</strong> sehr schnell den Endwert erreicht.<br />

2


<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 92<br />

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Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />

x/x 0<br />

x/x 0<br />

1,0<br />

0,5<br />

0,0<br />

-0,5<br />

-1,0<br />

1,0<br />

0,5<br />

0,0<br />

aperiodischer<br />

Grenzfall<br />

- t<br />

e δ�<br />

Schwingfall<br />

5 10 15 20<br />

Kriechfall<br />

0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0<br />

Die Schwingungen sind in der Excel-Tabelle „schwingungen.xls“ dargestellt. In dieser Tabelle ist es<br />

möglich die Parameter der Schwingung zu variieren <strong>und</strong> das Verhalten der Schwingung zu studie-<br />

ren. Bitte machen Sie von dieser Möglichkeit regen Gebrauch!<br />

5.3.4 Differentialgleichung der erzwungenen Schwingung<br />

Wird einem schwingungsfähigen System eine äußere (periodische) Kraft zugeführt, so ergibt sich eine er-<br />

zwungene Schwingung.<br />

f E<br />

ω� t<br />

ω� t<br />

Ansatz über Newtonsche Bewegungsgleichung:<br />

FFeder + FReibung<br />

+ FErreger<br />

= m⋅<br />

a<br />

Der Erreger schwinge mit der Kreisfrequenz ω E . Dann ist<br />

m ⋅&x<br />

& = −D<br />

⋅ x − b ⋅ x&<br />

+ F<br />

⇔ &x<br />

& +<br />

b<br />

m<br />

E,<br />

0<br />

cos<br />

D FE,<br />

0<br />

⋅ x&<br />

+ ⋅ x = cos<br />

m m<br />

( ω ⋅ t)<br />

E<br />

( ω ⋅ t)<br />

Bei dieser Differentialgleichung handelt es sich um eine inhomogene lineare Dgl. Der Lösungsansatz für<br />

eine inhomogene Dgl lautet:<br />

f 0<br />

x=0<br />

x<br />

E


x = x + x<br />

inh<br />

hom<br />

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part<br />

wobei die homogen Lösung der Lösung der freien gedämpften Schwingung entspricht. Das bedeutet, dass<br />

in diesem Fall nur die partikuläre Lösung gesucht werden muss:<br />

Ansatz:<br />

j(<br />

ωE<br />

⋅t−γ<br />

)<br />

= xˆ ⋅ ( cos(<br />

ω ⋅ t − γ)<br />

+ j ⋅sin(<br />

ω ⋅ t − γ)<br />

)<br />

xpart = xˆ p ⋅e<br />

p<br />

E<br />

E<br />

Da xinh eine Lösung für den Resonator darstellt, hat γ die Bedeutung des Winkels, um den der Oszillator<br />

dem Erreger hinterher eilt.<br />

Ohne weiteren mathematischen Beweis können aus den Lösungen die Phasenverschiebung γ <strong>und</strong> der Amp-<br />

litudenverlauf $x p bestimmt werden. Hier wird zweckmäßigerweise das Verhältnis<br />

η ω<br />

ω<br />

= E<br />

0<br />

<strong>zur</strong> weiteren Berechnung eingeführt:<br />

Amplitudenresonanzfunktion:<br />

x$<br />

p<br />

=<br />

FE,<br />

0<br />

m⋅ ω − η + ⋅D ⋅ η<br />

0<br />

~<br />

( 1 ) ( 2 )<br />

Phasenresonanzfunktion<br />

( ω − ω )<br />

2 2 2<br />

~ ~<br />

ω ω η<br />

tanγ<br />

=<br />

η<br />

⋅ ⋅ ⋅<br />

= ⋅ ⋅<br />

2 D E 0 2 D<br />

2 2 2<br />

1−<br />

0<br />

E<br />

Aus den gef<strong>und</strong>enen Beziehungen lassen sich folgende Fälle ableiten:<br />

Quasistatische Erregung: η


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• Einsturz von Häusern bei Erdbeben<br />

• Schwingungen von hohen Fernsehtürmen<br />

• „im Gleichschritt über Brücken marschieren“<br />

Bei vorhandener Dämpfung tritt die Resonanz immer dann ein, wenn die Amplitude des Oszillators maximal<br />

wird. Aus der Gleichung für die Amplitude<br />

x$<br />

p<br />

=<br />

FE,<br />

0<br />

m⋅ ω − η + ⋅D ⋅ η<br />

0<br />

~<br />

( 1 ) ( 2 )<br />

2 2 2<br />

lässt sich ablesen, dass die Amplitude maximal wird, wenn der Nenner auf der rechten Seite minimal wird:<br />

~<br />

( 1 ) ( 2 )<br />

m⋅ ω − η + ⋅D ⋅ η → Minimum<br />

oder<br />

0<br />

2 2 2<br />

d ⎛<br />

2 ⎞<br />

⎜m<br />

⋅ω 0 − η + ⋅D ⋅ η ⎟ =<br />

dη ⎝<br />

⎠<br />

2 2<br />

1 2 0<br />

~<br />

( ) ( )<br />

Hieraus folgt die Lösung für η:<br />

~ 2<br />

~<br />

η = 1− D , ω = ω ⋅ 1−<br />

D<br />

<strong>und</strong><br />

x$<br />

res E<br />

p, res<br />

FE,<br />

0<br />

=<br />

~ ~<br />

2⋅D ⋅m ⋅ω 1−<br />

D<br />

0<br />

0<br />

2<br />

2<br />

Eine Überhöhung der Amplitude tritt nur bis zu einer bestimmten Dämpfung auf<br />

Hochfrequente Erregung: η >> 1<br />

Bei der hochfrequenten Erregung geht die Amplitude der erzwungenen Schwingung gegen Null<br />

x$ p res → 0, γ → π<br />

,<br />

In der Praxis wird dieser Grenzfall z.B. bei der Schalldämmung verwendet. Eine Schallwelle, deren Fre-<br />

quenz sehr viel höher liegt als die Eigenfrequenz der Schallmauer, ist nicht in der Lage, die Mauer zum<br />

Schwingen an<strong>zur</strong>egen, wodurch sie gedämpft wird.<br />

Die Schwingungen sind in der Excel-Tabelle „schwingungen.xls“ dargestellt. In dieser Tabelle ist es<br />

möglich die Parameter der Schwingung zu variieren <strong>und</strong> das Verhalten der Schwingung zu studie-<br />

ren. Bitte machen Sie von dieser Möglichkeit regen Gebrauch!<br />

5.4 Überlagerung von Schwingungen


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Bei der Überlagerung von Schwingungen wird das Superpositionsprinzip angewendet, d.h. verschiedene<br />

Schwingungen überlagern sich ungestört, d.h. die eine Schwingung hängt nicht von dem momentanen Zu-<br />

stand der anderen Schwingung ab. Mathematisch entspricht dies der Addition der Schwingungsgleichungen.<br />

5.4.1 Schwingungen gleicher Raumrichtungen <strong>und</strong> gleicher Frequenz<br />

Für die beiden Schwingungen gilt:<br />

( ω ϕ )<br />

( ω ϕ )<br />

x = x ⋅ cos ⋅ t +<br />

1 1, 0 1<br />

x = x ⋅ cos ⋅ t +<br />

2 2, 0 2<br />

Bei der Überlagerung der Schwingungen ergibt sich<br />

( ω ϕ ) ( ω ϕ ) ( ω ϕ )<br />

x = x ⋅cos ⋅ t + + x ⋅cos ⋅ t + = x ⋅ cos ⋅ t +<br />

n 1, 0 1 2, 0 2 n, 0<br />

n<br />

Aus den Additionstheoremen der Kosinusfunktionen ergibt sich:<br />

( ϕ ϕ )<br />

2 2<br />

x = x + x + 2⋅<br />

x ⋅ x ⋅ −<br />

n, 0 1, 0 10 , 1, 0 2, 0 cos 1 2<br />

<strong>und</strong><br />

tanϕ<br />

n<br />

x10 , ⋅ sinϕ 1 + x2,<br />

0 ⋅sinϕ<br />

2<br />

=<br />

x ⋅ cosϕ + x ⋅cosϕ<br />

10 , 1 2, 0 2<br />

Die Schwingungen sind in der Excel-Tabelle „schwingungen.xls“ dargestellt. In dieser Tabelle ist es<br />

möglich die Parameter der Schwingung zu variieren <strong>und</strong> das Verhalten der Schwingung zu studie-<br />

ren. Bitte machen Sie von dieser Möglichkeit regen Gebrauch!<br />

Sonderfälle:<br />

gleichphasige Überlagerung:<br />

x = x Δϕ =<br />

10 , 2, 0, 0<br />

⇒ x = 2⋅<br />

x<br />

n<br />

⇒ ϕ = 0<br />

n<br />

1, 0<br />

maximale Verstärkung<br />

gegenphasige Überlagerung<br />

( )<br />

x10 , = x2, 0, Δϕ = 2⋅ n + 1 ⋅ π<br />

⇒ xn = 0<br />

gegenseitige Auslöschung<br />

⇒ ϕ = 0<br />

n


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5.4.2 Schwingungen gleicher Raumrichtungen <strong>und</strong> verschiedener Frequenz<br />

Für die beiden Schwingungen gilt allgemein:<br />

( ω ϕ )<br />

( ω ϕ )<br />

x = x ⋅ cos ⋅ t +<br />

1 1, 0 1 1<br />

x = x ⋅ cos ⋅ t +<br />

2 2, 0 2 2<br />

Das bedeutet, dass der eine Oszillator schneller schwingt, als der andere. Dieser Oszillator „überholt“ den<br />

anderen Oszillator. Anders ausgedrückt: Der Gangunterschied, d.h. die Phasendifferenz beider Oszillatoren,<br />

ändert sich in Abhängigkeit der Zeit.<br />

Schwebung:<br />

Hier existiert ein Sonderfall, wenn die Schwingungen gleiche Amplituden haben<br />

x = x = x<br />

10 , 2, 0 0<br />

ϕ = ϕ =<br />

1 2 0<br />

In diesem Fall lassen sich Additionstheoreme anwenden:<br />

( cos( ω ) cos(<br />

ω ) )<br />

xn = x0 ⋅ 1 ⋅ t + 2 ⋅ t<br />

⎛ ω1 + ω 2 ⎞ ⎛ ω1 − ω 2 ⎞<br />

= 2x0<br />

⋅cos⎜<br />

⋅ t⎟ ⋅ cos⎜<br />

⋅ t⎟<br />

⎝ 2 ⎠ ⎝ 2 ⎠<br />

Wenn nun noch<br />

ω ≈ ω<br />

1 2<br />

ω ω<br />

⇒<br />

+<br />

1 2<br />

2<br />

Damit wird<br />

≈ ω<br />

( ω ) ( π )<br />

x = 2x0 ⋅cos ⋅ t ⋅cos ⋅f ⋅ t<br />

n S<br />

wobei fS die Schwebungsfrequenz ist.<br />

Die Schwingungen sind in der Excel-Tabelle „schwingungen.xls“ dargestellt. In dieser Tabelle ist es<br />

möglich die Parameter der Schwingung zu variieren <strong>und</strong> das Verhalten der Schwingung zu studie-<br />

ren. Bitte machen Sie von dieser Möglichkeit regen Gebrauch!<br />

Über Schwebungsvergleiche können sehr feine Frequenzabstimmungen durchgeführt werden. Eine Anwen-<br />

dung ist z.B. das Stimmen von Musikinstrumenten.<br />

Die Überlagerung von mehreren Schwingungen kann nach demselben Verfahren durchgeführt werden. Je<br />

nach Verhältnis der Amplituden, Phasenlagen <strong>und</strong> Kreisfrequenzen lassen sich beliebige Gesamtschwin-<br />

gungsformen zusammensetzen.<br />

Eine Gesamtschwingung lässt sich beschreiben als


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Seite 97<br />

ges<br />

n<br />

∑<br />

m=<br />

0<br />

m, 0 cos(<br />

ωm ϕ m )<br />

x = x ⋅ ⋅ t +<br />

Fourier-Analyse:<br />

Es lässt sich zeigen, dass sich jede periodisch wiederholende Schwingung durch die Fourier-Reihe<br />

( ω ϕ )<br />

ges<br />

∞<br />

∑<br />

m=<br />

0<br />

m, 0 cos 0 m<br />

x = x ⋅ m⋅ ⋅ t +<br />

darstellen lässt.<br />

f0 = ω 0 2π<br />

wird dabei als Gr<strong>und</strong>frequenz bzw. Gr<strong>und</strong>schwingung bezeichnet,<br />

f 2f<br />

= als erste Oberfrequenz bzw. Oberschwingung,<br />

1 0<br />

f 3f<br />

= als zweite Oberfrequenz bzw. Oberschwingung usw.<br />

1 0<br />

Die Amplituden <strong>und</strong> Phasen der Einzelschwingungen bestimmen dabei eindeutig das Aussehen der Ge-<br />

samtschwingung.<br />

Der oben angegebene Phasenfaktor lässt sich darüber hinaus noch mit in die Koeffizienten integrieren:<br />

cos α + β = cosα ⋅cosβ − sinα ⋅ sinβ<br />

Es gilt: ( )<br />

Damit lässt sich die obige Summation auch schreiben als:<br />

( ) = 0, 0 ⋅ cos( ϕ 0 ) + ∑ , 0 ⋅ cos( ϕ ) cos( ⋅ ω 0 ⋅ ) + ∑ m, 0 ⋅ sin( − ϕ m ) sin(<br />

⋅ ω 0 ⋅ )<br />

x t x x m t x m t<br />

ges m m<br />

m=<br />

1<br />

∞<br />

∞<br />

a 0<br />

= + ⋅ ⋅ ⋅ + ⋅ ⋅ ⋅<br />

2<br />

∑ a m cos( m ω 0 t) ∑ b m sin(<br />

m ω 0 t)<br />

m=<br />

1<br />

∞<br />

m=<br />

1<br />

Dies ist eine übliche Darstellung der Fourier-Reihe.<br />

Die Fourier-Koeffizienten lassen sich wiederum bei bekannter Gesamtschwingungen berechnen nach:<br />

T<br />

∫<br />

( ) cos ( ω ) , ( 0, 1, 2,...<br />

)<br />

a = x t ⋅ m ⋅ ⋅ t m =<br />

m ges<br />

0<br />

T<br />

∫<br />

( ) sin ( ω ) , ( 1, 2,...<br />

)<br />

b = x t ⋅ m ⋅ ⋅ t m =<br />

m ges<br />

0<br />

0<br />

0<br />

Die Zerlegung in die einzelnen Frequenzanteile liefert somit das charakteristische Frequenzspektrum einer<br />

Schwingung.<br />

Eine Rechteckschwingung lässt sich z.B. darstellen durch:<br />

x t<br />

ges<br />

4 ⋅ x ⎛ 1<br />

1<br />

⎞<br />

⎜ sin ⋅ + sin ⋅ + sin ⋅ + .....<br />

⎟<br />

π ⎝ 3<br />

5<br />

⎠<br />

0 ( ) = ( ω t) ( 3ω<br />

t) ( 5ω<br />

t)<br />

∞<br />

m=<br />

1


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Rechteckschwingungen sind in der Excel-Tabelle „schwingungen.xls“ dargestellt. In dieser Tabelle<br />

ist es möglich die Parameter der Schwingung zu variieren <strong>und</strong> das Verhalten der Schwingung zu<br />

studieren. Bitte machen Sie von dieser Möglichkeit regen Gebrauch!<br />

Die Fourier-Analyse hat in der Praxis eine große Bedeutung <strong>und</strong> wird oft angewendet. Neben den periodisch<br />

ablaufenden Vorgängen, ist es auch möglich, diskrete Vorgänge, die entweder nicht periodisch sind oder nur<br />

eine begrenzte Zeitdauer anhalten, mit der Fourier-Analyse zu bearbeiten. Das Frequenzspektrum ist dann<br />

jedoch nicht mehr diskret, sondern kontinuierlich aufgebaut. Die beiden Gleichungssysteme der Zeit- <strong>und</strong><br />

Frequenzfunktion lassen sich dann wie folgt darstellen:<br />

∞<br />

1<br />

f( t) = ∫ a( ω) ⋅ exp(<br />

j⋅ ω ⋅ t) dω<br />

2π<br />

−∞<br />

∞<br />

1<br />

a( ω)<br />

= ∫ f( t) ⋅ exp(<br />

− j⋅ ω ⋅ t) dt<br />

2π<br />

−∞<br />

5.4.3 Schwingungen verschiedener Raumrichtungen <strong>und</strong> Frequenzen<br />

Diese Form der Überlagerung führt meist zu einer sehr ungeordneten Bewegung, deren Beschreibung meist<br />

sehr schwierig ist. Allgemein gelten aber auch hier die gleichen Gesetzmäßigkeiten wie vorher beschrieben.<br />

Bestimmte Kombinationen aus Frequenzverhältnissen <strong>und</strong> Phasenlage liefern die Lissajous-Figuren. An<br />

dieser Stelle sei auf das Praktikum verwiesen.<br />

5.5 Wellen<br />

5.5.1 Allgemeines<br />

• Die räumliche Kopplung von Oszillatoren führt zu einer räumlichen Ausbreitung des Schwingungszu-<br />

standes<br />

• Die Fortpflanzungsgeschwindigkeit ist endlich<br />

• Eine <strong>zur</strong> Ausbreitungsrichtung senkrechte Schwingung wird transversale Welle genannt<br />

• Eine <strong>zur</strong> Ausbreitungsrichtung parallele Schwingung wird longitudinale Welle genannt<br />

• Bei einer Wellenbewegung wird keine Materie transportiert sondern nur Energie<br />

Wellenlänge l:<br />

Unter der Wellenlänge wird die Strecke verstanden, die ein Schwingungszustand innerhalb der Schwin-<br />

gungsperiode mit der Ausbreitungsgeschwindigkeit c <strong>zur</strong>ücklegt.<br />

λ<br />

Ausbreitungsgeschwindigkeit: c = = λ<br />

⋅f<br />

T


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• Eine Wellenausbreitung findet auch im Kontinuum statt, d.h. es bedarf keiner einzelner an Fäden oder<br />

Federn aufgehängter Oszillatoren:<br />

• Schallwellen in Flüssigkeiten <strong>und</strong> Gasen (nur longitudinal)<br />

• transversale Oberflächenwellen in Grenzschichten von Flüssigkeiten<br />

• Festkörper: T- <strong>und</strong> L- Wellen<br />

• elektromagnetische Wellen können sich auch ohne Übertragungsmedium ausbreiten.<br />

Wellenfront: Ausbreitung eines gleichartigen Schwingungszustandes:<br />

5.5.2 Harmonische Wellen<br />

y<br />

Kugelwelle ebene Welle<br />

Die mathematische Beschreibung harmonischer<br />

Wellen kann über Sinus- <strong>und</strong> Kosinusfunktionen<br />

geschehen.<br />

Die harmonische Anregung eines Oszillators<br />

führt ebenso zu einer harmonischen Anregung<br />

der Nachbaroszillatoren. Diese werden dann<br />

ebenfalls harmonische Schwingungen durchfüh-<br />

ren, die jedoch gegenüber dem ersten Oszillator<br />

zeitlich verschoben sind.<br />

Der Oszillator 1 befinde sich am Ort x=0 <strong>und</strong> schwinge nach y( t) = y ⋅ ( ⋅ t + )<br />

cos ω ϕ am Ort x=0<br />

0 0<br />

Die Ausbreitungsgeschwindigkeit sei c. Die Welle erreicht eine beliebige Stelle x demnach nach einer Zeit<br />

von<br />

Δt<br />

x<br />

=<br />

c<br />

x<br />

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10<br />

Dieser Oszillator an der Stelle x schwingt somit verzögert um die Zeit Δt:<br />

( ω Δ ϕ )<br />

( ) ( )<br />

y' t = y' ⋅cos ⋅ t − t +<br />

0 0<br />

y t<br />

c x<br />

⎛ ω<br />

= ' ⋅cos⎜ω ⋅ − + ϕ<br />

⎝<br />

0 0<br />

⎞<br />

⎟<br />

⎠<br />

ω 2π ⋅ f 2π<br />

Die Größe = = = k wird Wellenzahlvektor genannt (in drei Raumrichtungen ist k ein Vektor!)<br />

c c λ


<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 100<br />

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Die Beschreibung der Welle lässt sich somit durch die Wellengleichung durchführen:<br />

Wellengleichung: y( t) = y ⋅cos( ω ⋅ t − k ⋅ x + ϕ )<br />

0 0<br />

Welle, die in positive x-Richtung läuft.<br />

5.5.3 Energietransport:<br />

Beim Oszillator war die Gesamtenergie berechnet zu<br />

1 2 2 1<br />

Eges = m⋅ x0 ⋅ ω 0 = m ⋅ v<br />

2<br />

2<br />

v0 ist die Geschwindigkeitsamplitude.<br />

2<br />

0<br />

Der gleiche Ansatz kann für ein Massenelement dm (einzelner Oszillator der Welle) der Welle gewählt wer-<br />

den:<br />

1 2 2<br />

dEges = dm⋅ y0<br />

⋅ω<br />

0<br />

2<br />

1<br />

2<br />

= ρ ⋅dV ⋅ y0<br />

⋅ω<br />

2<br />

2<br />

0<br />

in diesem Zusammenhang wird die Energiedichte definiert, d.h. die gesamte Energie pro Volumeneinheit:<br />

Energiedichte w dE 1 2<br />

= = ρ⋅ y0<br />

⋅ ω<br />

dV 2<br />

2<br />

0<br />

Die Energie , die pro Zeiteinheit eine Fläche dA senkrecht durchsetzt wird Intensität oder Energiestrom-<br />

dichte genannt.<br />

dE dE dV dE dx<br />

S<br />

w c<br />

dA dt dV dA dt dV dt = = ⋅ = ⋅ = ⋅<br />

⋅<br />

⋅<br />

Somit wird<br />

dE 1 2 2<br />

S = w ⋅ c = = c ⋅ρ ⋅ y0<br />

⋅ ω 0 Intensität mechanischer Wellen<br />

dV 2<br />

Beispiele:<br />

ebene Wellen: Die Intensität der Wellen bleibt gleich, da sich die Amplitude <strong>und</strong> die Größe der schwingen-<br />

den Fläche nicht ändern. Die Anzahl der Massenpunkt bleibt gleich. Die Schwingungsamplitude bleibt dem-<br />

nach gleich:<br />

( ) ∝ cos( ω<br />

− )<br />

y t t kx


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Kugelwellen. Die Kugelwelle breitet sich von einem Zentrum ausgehend aus. Die Fläche, auf der sich die<br />

Gesamtenergie verteilt, wächst mit dem Quadrat des Radius. Aus diesem Gr<strong>und</strong> muss die Amplitude der<br />

Schwingung mit 1/r kleiner werden, d.h. es gilt:<br />

( ) ∝ ( t − kr)<br />

y t<br />

1<br />

cos ω<br />

r<br />

Wellengleichung:<br />

Analog zu den reinen Schwingungen kann auch für sich räumlich ausbreitende Wellen eine Dgl. aufgestellt<br />

werden. Diese Dgl. wird Wellengleichung genannt. Sie wurde erstmals von Euler berechnet.<br />

Allgemeine Form der Wellengleichung:<br />

2<br />

δ y<br />

2 = c<br />

δt<br />

2<br />

2<br />

δ y<br />

2<br />

δx<br />

wobei c die Phasengeschwindigkeit darstellt. C gibt also an, wie schnell sich ein Schwingungszustand mit<br />

konstanter Phase (z.B. Berg, Tal, Nulldurchgang) ändert.<br />

Ebene Wellen:<br />

Der Zustand konstanter Phase ist definiert durch:<br />

ωt − kx + ϕ = const.<br />

0<br />

ω ϕ<br />

x<br />

k<br />

ω<br />

t<br />

0 − const<br />

⇒ = +<br />

k<br />

dx<br />

⇒ vPh<br />

= =<br />

dt k<br />

Andererseits gilt:<br />

( ) = ⋅cos( ω − + ϕ )<br />

y t y t kx<br />

0 0<br />

Eingesetzt in die Wellengleichung liefert dies:<br />

( )<br />

2<br />

δ y t<br />

2<br />

δt<br />

2<br />

δ y t<br />

2<br />

δx<br />

( )<br />

( )<br />

2<br />

= −ω ⋅ y ⋅ cos ωt − kx + ϕ<br />

0 0<br />

( ω ϕ )<br />

= − ⋅ ⋅ − +<br />

2<br />

k y0 cos t kx 0<br />

Daraus folgt insgesamt für die Ausbreitungs- oder Fortpflanzungsgeschwindigkeit:<br />

c<br />

=<br />

k<br />

ω<br />

Bei dieser Wellenart sind Fortpflanzungsgeschwindigkeit <strong>und</strong> Phasengeschwindigkeit identisch.<br />

5.5.4 Interferenz von Wellen


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Wie bei den Schwingungen gilt auch bei der Überlagerung von Wellen das Superpositionsprinzip. Hierbei ist<br />

jedoch zu beachten, dass sowohl die zeitliche als auch die räumliche Überlagerung der Wellen beachtet<br />

werden muss.<br />

Die Überlagerung von Wellen an bestimmten Raumpunkten wir Interferenz genannt.<br />

Überlagerung von Wellen gleicher Frequenz:<br />

Betrachtet werden sollen zwei Wellen, die in x-Richtung laufen:<br />

( ω )<br />

y = y ⋅cos t − kx<br />

1 0<br />

( ω ϕ )<br />

y = y ⋅cos t − kx +<br />

2 0<br />

Die Phasenverschiebung ϕ kann ausgedrückt werden als Vielfaches der Wellenlänge λ:<br />

Gangunterschied: Δ = ϕ<br />

π λ<br />

2<br />

Somit wird<br />

⎛ 2πΔ⎞<br />

y2 = y0 ⋅ cos⎜ωt − kx + ⎟<br />

⎝ λ ⎠<br />

Die resultierende Welle ergibt sich dann aus<br />

⎛ ϕ⎞<br />

⎛ ϕ⎞<br />

yges = y1 + y2 = 2y<br />

0 ⋅cos⎜<br />

⎟ ⋅cos⎜ωt − kx + ⎟<br />

⎝ 2⎠ ⎝ 2⎠<br />

⎛ πΔ⎞<br />

⎛<br />

= 2y<br />

0 ⋅cos⎜<br />

⎟ ⋅ cos⎜ωt<br />

− kx +<br />

⎝ λ ⎠ ⎝<br />

Fallunterscheidung:<br />

( )<br />

Δ = 0 ϕ = 0 : y = 2y<br />

ges,0 0<br />

πΔ⎞<br />

⎟<br />

λ ⎠<br />

λ<br />

Δ = ( ϕ = π)<br />

: yges = 0 Auslöschung beider Wellen<br />

2<br />

Verallgemeinerung:<br />

konstruktive Interferenz: Δ = m⋅ λ, m = 0, 12 , ,.... maximale Verstärkung<br />

destruktive Interferenz: ( )<br />

λ<br />

Δ = 2m + 1 ⋅ , m = 012 , , ,.... gegenseitige Auslöschung<br />

2<br />

Die Interferenz von Wellen spielt in vielen technischen Geräten eine große Rolle, wobei jedoch meist Licht-<br />

wellen verwendet werden (Spektrometer)<br />

Hinweis zum Praktikum:<br />

Ein Versuch <strong>zur</strong> Bestimmung des Brechungsindexes verwendet ein Michelson-Interferometer, in dem der<br />

Gangunterschied von zwei sich überlagernden Lichtwellen gemessen werden kann. Wenn der Gangunter-


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schied beider Lichtwellen gerade ein Vielfaches der halben Wellenlänge beträgt, löschen sich beide Licht-<br />

wellen gegenseitig aus. Änderungen des optischen Weges können so in der Größenordnung der verwende-<br />

ten Lichtwellenlänge bestimmt werden.<br />

5.5.5 Stehende Wellen<br />

Stehende Wellen entstehen, wenn zwei Wellen gleicher Frequenz aber entgegengesetzter Laufrichtung sich<br />

gegenseitig überlagern:<br />

( ω )<br />

y = y ⋅cos t − kx<br />

1 0<br />

( ω ϕ )<br />

y = y ⋅ cos t + kx +<br />

2 0<br />

Für die resultierende Welle ergibt sich dann:<br />

⎛ ϕ⎞ ⎛ ϕ ⎞<br />

yges = y1 + y2 = 2y<br />

0 ⋅ cos⎜ωt + ⎟ cos⎜kx<br />

+ ⎟<br />

⎝ 2⎠ ⎝ 2⎠<br />

Wenn das Argument der zweiten Kosinusfunktion ein Vielfaches von π/2 wird, ist die resultierende Schwin-<br />

gung Null. Das bedeutet, dass es ortsfeste Punkte in der Ausbreitungsrichtung der Welle gibt, die die<br />

Schwingungsamplitude Null haben <strong>und</strong> die einen Abstand λ/2 voneinander aufweisen.<br />

y<br />

λ/2<br />

Stehende Wellen können erzeugt werden, indem eine fortlaufende Welle an einem Hindernis reflektiert<br />

wird. Hierbei gilt allgemein:<br />

festes<br />

Ende<br />

loses<br />

Ende<br />

Reflexion am festen Ende: Phasensprung um π<br />

Reflexion am losen Ende: kein Phasensprung<br />

Anwendungen Musikinstrumente:<br />

Ausbreitung von Schallwellen in offenen <strong>und</strong> gedackten Orgelpfeifen<br />

Wenn die Pfeife offen ist, bilden sich an beiden Enden Schwingungsbäuche<br />

aus. Wenn die Pfeife auf der einen Seite geschlossen ist, bildet sich am ge-<br />

schlossenen Ende ein Schwingungsknoten, am offenen Ende dagegen ein<br />

Schwingungsbauch aus. Die Länge der Orgelpfeife ist verantwortlich für die Tonhöhe.<br />

offene Pfeife gedackte Pfeife<br />

x


Gr<strong>und</strong>schwingung<br />

1. Oberschwingung<br />

2. Oberschwingung<br />

<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 104<br />

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λ c<br />

λ c<br />

l = ⇒ f0<br />

= l = ⇒ f0<br />

=<br />

2 2⋅<br />

l<br />

4 4 ⋅l<br />

l = f f<br />

⋅ 2 λ<br />

⇒ = 2⋅<br />

2<br />

1 0<br />

l = f f<br />

⋅ 3 λ<br />

⇒ = 3 ⋅<br />

2<br />

2 0<br />

n-te Oberschwingung ( n + ) ⋅ λ<br />

l = ⇒ = ( + ) ⋅<br />

Schwingende Saite:<br />

Kaul, 6.10.98, orgel.cdr<br />

Amplitude der<br />

Longitudinalschwingung<br />

Schwingungsknoten<br />

1<br />

2<br />

f n f<br />

n<br />

1 0<br />

l = f f<br />

⋅ 3 λ<br />

⇒ = 3 ⋅<br />

4<br />

1 0<br />

l = f f<br />

⋅ 5 λ<br />

⇒ = 5 ⋅<br />

4<br />

l =<br />

offene Orgelpfeifen<br />

gedackte Orgelpfeifen<br />

2 0<br />

( 2n + 1)<br />

⋅ λ<br />

⇒ = ( + ) ⋅<br />

Gr<strong>und</strong>schwingung 1. Oberschwingung 2. Oberschwingung<br />

Gr<strong>und</strong>schwingung 1. Oberschwingung 2. Oberschwingung<br />

4<br />

fn 2n 1 f0<br />

Länge l der Pfeife


<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 105<br />

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Länge l<br />

Bei der schwingenden Seite sind beide Enden fest ein-<br />

gespannt. Die Gr<strong>und</strong>schwingung besitzt demnach auf<br />

beiden Enden einen Schwingungsbauch. Die Länge der<br />

Seite entspricht demnach der halben Wellenlänge, ähn-<br />

lich wie bei der offenen Pfeife. Als erste Oberschwin-<br />

gung tritt ein weiterer Knoten in der Mitte der Seite auf,<br />

es bildet sich genau eine Wellenlänge auf der Seite aus.<br />

Die sich einstellende Frequenz der Schwingung ist ab-<br />

hängig von der Ausbreitungsgeschwindigkeit der Welle. Diese wiederum hängt von der Vorspannung der<br />

Saite ab. Daher kann ein Saiteninstrument durch Verändern der Vorspannung gestimmt werden.


6 OPTIK<br />

<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 106<br />

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6.1 Dualismus <strong>Teil</strong>chen Welle<br />

Welleneigenschaften des Lichtes:<br />

• Interferenz, Beugung<br />

• Reflexion, Brechung<br />

• Huygenssches Prinzip<br />

• geradlinige Ausbreitung des sichtbaren Lichtes<br />

<strong>Teil</strong>cheneigenschaften des Lichtes (Photonen)<br />

• Wechselwirkung mit Materie, z.B. Photoeffekt<br />

• Emission <strong>und</strong> Absorption von Lichtquanten (Laser, Leuchtdioden, Spektrallinien)<br />

Allgemeine Eigenschaften<br />

10 -16<br />

10 -14<br />

10 -12<br />

10 -10<br />

10 -8<br />

10 -6<br />

10 -4<br />

10 -2<br />

10 0<br />

10 2<br />

10 4<br />

10 6<br />

10 8<br />

Elektromagnetisches Spektrum<br />

Wellenlänge<br />

Frequenz<br />

λ [m] f [Hz]<br />

10 24<br />

10 22<br />

10 20<br />

10 18<br />

10 16<br />

10 14<br />

10 12<br />

10 10<br />

10 8<br />

10 6<br />

10 4<br />

10 2<br />

Röntgenstrahlung<br />

Mikrowellen<br />

UKW<br />

KW<br />

MW<br />

LW<br />

γ-Strahlung<br />

sek<strong>und</strong>äre<br />

Höhenstrahlung<br />

UV<br />

(Ultraviolett)<br />

sichtbares<br />

Licht<br />

IR<br />

(Infrarot)<br />

Fernsehen<br />

Hörfunk<br />

Photonenenergie<br />

E [eV]<br />

10 10<br />

10 8<br />

10 6<br />

10 4<br />

10 2<br />

10 0<br />

10 -2<br />

10 -4<br />

10 -6<br />

10 -8<br />

10 -10<br />

10 -12<br />

10 0 10 -14<br />

technischer<br />

Wechselstrom<br />

8<br />

Lichtgeschwindigkeit im Vakuum: c = 299792458m<br />

s ≈ 3 ⋅10<br />

m s<br />

Licht kann als elektromagnetische Welle dargestellt werden.<br />

Vak<br />

390<br />

400<br />

450<br />

500<br />

550<br />

600<br />

650<br />

700<br />

750<br />

790<br />

Wellenlänge λ [nm]


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elektrische<br />

Feldkomponente<br />

6.2 Huygenssches Prinzip<br />

magnetische<br />

Feldkomponente<br />

Die elektrische <strong>und</strong> magnetische<br />

Feldkomponenten stehen aufeinander<br />

senkrecht<br />

Ausbreitungsrichtung<br />

Mit Hilfe des Huygensschen Prinzips lässt sich die Ausbreitung von Lichtwellen berechnen, auch dann,<br />

wenn das Licht auf ein Hindernis stößt bzw. durch ein Hindernis hindurchtritt.<br />

Das Huygenssche Prinzip besagt:<br />

Ausbreitung einer Elementarwelle<br />

Wellenzentrum<br />

Δr = c Δt<br />

Ausbreitung einer geraden <strong>und</strong><br />

kugelförmigen Wellenfront<br />

Jeder Punkt einer Wellenfront ist Ausgangspunkt einer<br />

neuen Elementarwelle, die die gleiche Ausbreitungsge-<br />

schwindigkeit <strong>und</strong> Frequenz wie die ursprüngliche Welle<br />

hat. Die Einhüllende aller Elementarwellen ergibt die Wel-<br />

lenfront zu einem späteren Zeitpunkt.<br />

Die Konstruktion von Wellenfronten ist nur dann möglich, wenn<br />

die Ausbreitung in die Rückwärtsrichtung vernachlässigt wird.<br />

Dieses Prinzip wurde später von Fresnel modifiziert. Die prinzi-<br />

pielle Vorgehensweise wurde dabei beibehalten, jedoch wurden<br />

die Intensitäten <strong>und</strong> Phasen der Wellen mit berücksichtigt. Fres-<br />

nel konnte somit zeigen,<br />

• dass die Intensität der Welle von der Phase abhängt <strong>und</strong><br />

• dass die Intensität der rücklaufenden Welle gleich Null ist.<br />

Lichtstrahlen: Unter Lichtstrahlen werden die Linien bezeichnet, die senkrecht auf den Wellenfronten<br />

stehen <strong>und</strong> in die Richtung der Wellenausbreitung zeigen.


<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 108<br />

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Das Huygenssche Prinzip kann genutzt werden, um Phänomene wie Reflexion, Brechung <strong>und</strong> Beugung zu<br />

erklären.<br />

6.2.1 Reflexion <strong>und</strong> Brechung<br />

An dieser Stelle seien die empirischen Bef<strong>und</strong>e der Reflexion <strong>und</strong> Brechung genannt, die mit Hilfe des Huy-<br />

gensschen Prinzips erklärt werden können.<br />

Trifft ein Lichtstrahl auf eine ebene Fläche, so wird er reflektiert <strong>und</strong> gebrochen, d.h. ein <strong>Teil</strong> des Strahles<br />

wird in die andere Richtung gelenkt <strong>und</strong> ein anderer <strong>Teil</strong> tritt in das Medium ein.<br />

Für die Reflexion gilt:<br />

Beweis:<br />

Einfallswinkel = Ausfallswinkel: 1 2 α = α<br />

Gegeben sei ein Lichtbündel, welches unter einem Winkel α <strong>zur</strong> Normalen auf eine spiegelnde Fläche fällt.<br />

1. Wenn der Lichtstrahl bei A auf die Fläche fällt bildet sich in A eine Elementarwelle. Zu diesem Zeitpunkt<br />

liegt die Wellenfront in A-A'<br />

2. Der zweite Lichtstrahl fällt einen Zeitpunkt später auf die Fläche, der dritte noch später usw. Alle Ele-<br />

mentarwellen bilden wiederum eine Wellenfront.<br />

3. Wenn der letzte Lichtstrahl im Punkt auftrifft <strong>und</strong> dort eine Elementarwelle aussendet, liegt die neu ge-<br />

bildete Wellenfront in der Verbindung B-B'.<br />

4. Da die Fortpflanzungsgeschwindigkeiten der Wellen gleich bleiben, ist der Radius der Welle in A gerade<br />

gleich groß dem Weg A'-B, d.h. es gilt A-B'=A'-B


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5. Die beiden Dreiecke A'-A-B <strong>und</strong> A-B-B' sind kongruent, da sie eine gleiche Gr<strong>und</strong>seite <strong>und</strong> die Seiten A-<br />

B' <strong>und</strong> A'-B gleich lang sind. Daher sind auch die Winkel γ 1 <strong>und</strong> γ 2 gleich groß.<br />

6. Aus geometrischen Überlegungen folgt aber auch, dass γ 1 = α <strong>und</strong> γ 2 = α <strong>und</strong> somit insgesamt α = β<br />

Wenn die Oberfläche glatt ist, kann sie <strong>zur</strong> Abbildung von Oberflächen verwendet werden (reguläre Refle-<br />

xion), z.B.<br />

• beim Spiegel, Strahlengänge in Spektrometern, Autoscheinwerfer etc.<br />

Im Gegensatz dazu bewirken raue Oberflächen, dass das Lichtbündel in viele verschiedene Richtungen<br />

gestreut wird (diffuse Reflexion oder Streuung). Eine Abbildung ist dann nicht mehr möglich.<br />

Beispiele:<br />

• Mattscheibe, weiße Gardinen, Straßenbelag im Scheinwerferlicht<br />

Für die Brechung gilt:<br />

Die Ausbreitungsgeschwindigkeit eines Lichtstrahls ist vom Medium bzw. der Brechzahl des Mediums ab-<br />

hängig:<br />

c<br />

Brechzahl n: n Medium =<br />

c<br />

Hieraus folgt unmittelbar das Brechungsgesetz von Snellius:<br />

Beweis:<br />

dien sind c 1 = c Vak /n 1 <strong>und</strong> c 2 = c Vak /n 2 .<br />

Vakuum<br />

Medium<br />

Brechungsgesetz: ⋅ sinα<br />

= n ⋅ sinβ<br />

n1 2<br />

Gegeben sei ein Strahl, der auf ein Medium<br />

trifft <strong>und</strong> dort gebrochen wird. Oberhalb der<br />

Trennlinie sei der Brechungsindex n 1 , un-<br />

terhalb n 2 .<br />

1. Wenn der Strahl in A auftrifft, sendet<br />

er eine Elementarwelle aus, die sich in<br />

das Medium hinein fortpflanzt. In A'<br />

wird zeitgleich eine Elementarwelle<br />

ausgesandt, die sich jedoch noch im<br />

Medium 1 ausbreitet.<br />

2. Die Geschwindigkeiten in beiden Me-<br />

3. In der Zeit, die der Strahl zum Durchlaufen der Strecke A'-B in Medium 1 benötigt, breitet sich die<br />

Elementarwelle von A bis zum Punkt B' aus. Die neue Wellenfront verläuft somit in der Verbindung<br />

zwischen B-B'.


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4. Die gesuchten Zeiten errechnen sich aus den Ausbreitungsgeschwindigkeiten:<br />

Δ t<br />

1<br />

= Δt<br />

Fallunterscheidung:<br />

2<br />

A'−B<br />

A −B'<br />

A − B ⋅ sinα<br />

A −B<br />

⋅sinβ<br />

⇒ = ⇒<br />

=<br />

c<br />

c<br />

1 c 2<br />

Vak c Vak<br />

n n<br />

n n ⇒ β < α : Übergang vom optisch dünnen ins optisch dichte Medium<br />

1<br />

< 2<br />

n n ⇒ β > α : Übergang vom optisch dichten ins optisch dünne Medium<br />

1<br />

> 2<br />

Totalreflexion:<br />

1<br />

im 2. Fall beim Übertritt vom optisch dichten in das optisch dünnen Medium kann es <strong>zur</strong> sogenannten Total-<br />

reflexion kommen. Da mit wachsendem α auch β größer wird, ist ein Grenzwert erreicht, wenn β = 90° wird.<br />

Bei größer werdenden α tritt folglich an der Grenzschicht nur noch Reflexion, jedoch keine Brechung mehr<br />

auf.<br />

Aus dem Brechungsgesetz lässt sich somit für den Winkel, bei dem Totalreflexion einsetzt ableiten:<br />

n<br />

n<br />

n ⎯ →sinα<br />

T =<br />

n<br />

2<br />

1 > n2<br />

: sinα<br />

= ⋅ sinβ<br />

⎯ ⎯ β→90°<br />

n1<br />

wobei α T der Winkel ist, bei dem Totalreflexion einsetzt.<br />

Beispiel Prisma:<br />

Anwendung: Verlustfreie Strahlablenkung durch Verwendung eines Prismas.<br />

Beispiel Glasfaser:<br />

Dieses Verhalten der Totalreflexion findet Anwendung bei der optischen Datenübertragung, z.B. im Glasfa-<br />

serkabel. Im Kabel wird Licht derart eingekoppelt, dass die Lichtstrahlen beim Auftreffen auf die Kabelwän-<br />

de stets einen größeren Winkel <strong>zur</strong> Senkrechten der Wand aufweisen, als den Winkel, der für die Totalre-<br />

flexion notwendig ist.<br />

6.3 Geometrische Optik<br />

2<br />

2<br />

1


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Mit Hilfe der Reflexion <strong>und</strong> Brechung können Gegenstände abgebildet werden. Zur Konstruktion solcher<br />

Abbildungen werden die vom Gegenstand ausgehenden Lichtstrahlen verwendet. Voraussetzung hierfür ist,<br />

dass sowohl Gegenstände als auch abbildende Systeme so groß sind, dass Effekte der Beugung vernach-<br />

lässigt werden können. Beugungen können dann nicht mehr vernachlässigt werden, wenn die Wellenlänge<br />

des Lichtes in der Größenordnung der geometrischen Abmessungen der Gegenstände liegen.<br />

6.3.1 Ebener Spiegel<br />

Gegeben sei ein Spiegel <strong>und</strong> ein Gegenstand, der durch den Spiegel abgebildet wird.<br />

Gegenstand P<br />

Bild P'<br />

Gegenstand<br />

Abbildungen in einem ebenen Spiegel<br />

Auge<br />

Spiegel<br />

virtuelles<br />

Bild<br />

Die von P ausgehenden Strahlen werden im<br />

Spiegel reflektiert. Die Verlängerungen der reflek-<br />

tierten Strahlen treffen sich auf der Rückseite des<br />

Spiegels im Punkt P'. Das Auge sieht das Bild<br />

des Punktes P. Das Bild ist ein virtuelles Bild.<br />

Virtuell bedeutet, dass keine wirklichen Licht-<br />

strahlen vom Bild ausgehen. Der Beobachter<br />

kann ferner nicht unterscheiden, ob das Bild<br />

durch den Spiegel erzeugt wird oder ob sich das<br />

Bild tatsächlich an der Stelle P' befindet.<br />

Die Abbildung eines ausgedehnten Gegenstandes liefert stets ein gleich großes virtuelles Bild. Zur Kon-<br />

struktion werden meist Strahlen verwendet, die eine einfache Abbildungseigenschaft haben, z.B. Strahlen,<br />

die in sich selbst reflektiert werden oder die die Mittelsenkrechte schneiden.<br />

Durch den Spiegeleffekt werden die Seiten rechts <strong>und</strong> links nicht vertauscht sondern nur die Komponente,<br />

die in Richtung des Spiegels zeigt. auf diese Weise erscheint das Spiegelbild seitenverkehrt. Aus einem<br />

rechtshändigen Koordinatensystem wird ein linkshändiges.<br />

6.3.2 Gekrümmte Spiegel<br />

x<br />

Wenn die spiegelnde Fläche nicht gerade ist, sondern die Form einer Kugelschale aufweist, wird diese Spie-<br />

gelart Hohlspiegel genannt. Auch hier gelten die Gesetze der Reflexion. Betrachtet werden sollen zunächst<br />

Strahlen, die parallel <strong>zur</strong> Mittelachse auf den Spiegel treffen.<br />

y<br />

z<br />

Spiegel<br />

Nur die z-Komponente wird vertauscht, die Richtungen<br />

x <strong>und</strong> y bleiben bei der Abbildung erhalten!<br />

Abbildungen in einem gekrümmten Spiegel<br />

M<br />

Strahlen, die weit von der Mittelachse entfernt sind,<br />

verlaufen nicht durch den Brennpunkt.<br />

Z<br />

ε<br />

Achsennahe Strahlen (Praaxialstrahlen)<br />

verlaufen (näherungsweise) durch den Brennpunkt.<br />

r<br />

F<br />

ε<br />

ε<br />

f<br />

x<br />

z<br />

y<br />

A<br />

S<br />

Strahlen, die nah an der Mittelachse verlaufen,<br />

werden in einem Punkt abgebildet. Dieser<br />

Punkt wird Brennpunkt bezeichnet. Je weiter<br />

die Strahlen von der Mittelachse entfernt sind,<br />

desto weiter ist ihr Schnittpunkt mit der Mit-<br />

telachse vom Brennpunkt entfernt.<br />

Brennpunkt:<br />

Zur Berechnung des Brennpunktes seien im<br />

folgenden nur achsnahe Strahlen betrachtet.


<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 112<br />

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1. Ein Lichtstrahl falle im Punkt A auf den Hohlspiegel mit dem Radius r. In A wird der Strahl am Spiegel<br />

reflektiert, wobei der Winkel zwischen Radius <strong>und</strong> Strahl ε sei.<br />

2. Der reflektierte Strahl trifft die Mittelachse im Punkt F. Der Abstand zum Scheitelpunkt s ist<br />

f = r − ZF<br />

3. Der Winkel ε findet sich als Winkel AZS wieder. Wegen der gleichen Winkel gilt ZF = FA <strong>und</strong> es gilt<br />

der Kosinussatz<br />

2 2<br />

2<br />

( FA)<br />

= ( ZF)<br />

+ r − 2 ⋅ ( ZF)<br />

⋅r<br />

⋅ cosε<br />

⇒ ( ZF)<br />

⎛ 1 ⎞<br />

4. Und daraus: f = r − ZF = r⎜1−<br />

⎟<br />

⎝ 2 ⋅ cosε<br />

⎠<br />

r<br />

=<br />

2 ⋅cosε<br />

5. Werden nur achsnahe Strahle betrachtet, so ist cos ε ≈ 1⇒<br />

f =<br />

Abbildungen mit Hohlspiegeln:<br />

sinε sin φ<br />

=<br />

PZ PA<br />

Brennpunkt für achsnahe Strahlen: f<br />

( 180°<br />

− )<br />

für Dreieck PAZ <strong>und</strong> sin ( 180°<br />

− φ)<br />

= sinφ<br />

( )<br />

sinε sin φ<br />

=<br />

ZP'<br />

P'A<br />

Daraus folgt:<br />

Abbildungen in einem gekrümmten Spiegel,<br />

Abbildungsgleichung<br />

P Z φ P'<br />

für Dreieck ZAP'<br />

sinε PZ ZP'<br />

g − r r − b<br />

= = ⇒ =<br />

sin<br />

( φ)<br />

PA P'<br />

A PA P'<br />

A<br />

b<br />

g<br />

F<br />

r<br />

2<br />

r<br />

= 2<br />

Betrachtet Wird ein Punkt P, der durch einen<br />

Hohlspiegel mit dem Radius r abgebildet wird.<br />

Der Punkt befinde sich im Abstand g vom<br />

Scheitelpunkt des Spiegels. Der Bildpunkt des<br />

Punktes P ergibt sich durch den Schnittpunkt<br />

des Strahles in A <strong>und</strong> der Mittelachse (die in<br />

sich selbst abgebildet wird).<br />

Betrachtet werden die Dreiecke PAZ <strong>und</strong><br />

ZAP'. Hier gilt nach dem Sinussatz:<br />

Für achsnahe Strahlen gilt weiterhin die Näherung PA ≈ g<strong>und</strong>P'A<br />

≈ b . Mit r = 2 f folgt:<br />

f<br />

ε<br />

ε<br />

A<br />

S


<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 113<br />

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g − 2f<br />

=<br />

g<br />

2f<br />

− b<br />

⇒<br />

b<br />

Die Abbildungen von Gegenständen können somit leicht konstruiert werden, wenn die Voraussetzungen<br />

achsnaher Strahlen gültig bleibt:<br />

Abbildungsgleichung:<br />

1<br />

g<br />

+<br />

1<br />

b<br />

=<br />

1<br />

f<br />

1 1 1<br />

+ = ,<br />

g b f<br />

wobei g der Abstand eines Gegenstandes zum Scheitelpunkt des Spiegels <strong>und</strong> b der Abstand des Bildes<br />

zum Scheitelpunkt des Spiegels sind<br />

Merkregeln:<br />

• Parallele Strahlen laufen durch den Brennpunkt<br />

• Brennpunktstrahlen werden zu Parallelstrahlen<br />

• radiale Strahlen (Strahlen, die durch den Kreismittelpunkt 2f laufen) werden in sich selbst reflektiert.<br />

Für die Bildkonstruktion eines Gegenstandes werden die folgenden Vorzeichenkonventionen verwendet:<br />

Vorzeichenkonvention für die Spiegelung<br />

Gegenstandsweite<br />

g<br />

Bildweite<br />

b<br />

Brennweite<br />

bzw. Radius<br />

f bzw. r<br />

+<br />

-<br />

+<br />

-<br />

+<br />

-<br />

Gegenstand vor dem Spiegel<br />

(realer Gegenstand)<br />

Gegenstand hinter dem Spiegel<br />

(virtueller Gegenstand)<br />

Bild vor dem Spiegel<br />

(reelles Bild)<br />

Bild hinter dem Spiegel<br />

(virtuelles Bild)<br />

Krümmungsmittelpunkt vor dem Spiegel<br />

(Konkavspiegel)<br />

Krümmungsmittelpunkt hinter dem Spiegel<br />

(Konvexspiegel)<br />

Mit dieser Konvention , der Abbildungsgleichung <strong>und</strong> den Merkregeln wird die Konstruktion einer Abbildung<br />

leicht möglich:


6.3.3 Linsen<br />

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Abbildungen in gekrümmten Spiegeln<br />

Z F<br />

Z F<br />

g<br />

g>2f: bg>f: b>g<br />

Vergrößerte reale Abbildung<br />

b<br />

b<br />

g<br />

f<br />

f<br />

S<br />

S<br />

F<br />

F<br />

f<br />

f<br />

g<br />

gg<br />

Vergößerte virtuelle Abbildung<br />

g negativ<br />

Verkleinerte virtuelle Abbildung<br />

Die Brechung von Licht kann auch <strong>zur</strong> Abbildung von Gegenständen mit Hilfe optisch transparenter Medien<br />

durchgeführt werden. Ähnlich wie bei Spiegelsystemen wird hier die Brechung an gekrümmten (Glas-) Flä-<br />

chen ausgenutzt.<br />

Brechungsindex n 1<br />

P M P’<br />

Dünne Linsen:<br />

g<br />

α<br />

β<br />

S<br />

b<br />

S<br />

g<br />

b<br />

Unter Berücksichtigung des Brechungs-<br />

gesetzes von Snellius<br />

sinα = n ⋅sinβ<br />

<strong>und</strong> geometrischer Überlegungen lässt<br />

sich die folgende Abbildungsgleichung<br />

finden:<br />

Vergrößerung: V B n1 ⋅b<br />

= =<br />

G n ⋅ g<br />

2<br />

Abbildungsgleichung:<br />

n n n − n<br />

+ =<br />

g b r<br />

1 2 2 1<br />

Zur optischen Abbildung werden meist Linsen verwendet, die beidseitig von Luft umgeben sind <strong>und</strong> die ge-<br />

genüber den Abmessungen von g <strong>und</strong> b eine geringe Dicke haben:<br />

r<br />

Brechungsindex n 2<br />

Radius r<br />

b


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M 2<br />

In diesem Fall werden die Abbildungsgleichungen zu:<br />

P P’<br />

r 2<br />

Abbildungsgleichung:<br />

g<br />

n<br />

r 1<br />

M 1<br />

1 1 ⎛ 1 1⎞<br />

+ = ( n − 1)<br />

⋅ ⎜ − ⎟<br />

g b ⎝ r r ⎠<br />

Vergrößerung: V B b<br />

= =<br />

G g<br />

−<br />

Die Abbildungsgleichung vereinfacht sich mit der Definition der<br />

Brennweite f: 1 ⎛ 1 1 ⎞<br />

= ( n −1) ⋅ ⎜ − ⎟ zu<br />

f ⎝ r r ⎠<br />

1 2<br />

1 1 1<br />

+ =<br />

g b f<br />

b<br />

1 2<br />

Bei optischen Linsen wie z.B. Brillen wird der Kehrwert der Brennweite Brechkraft genannt:<br />

Brechkraft: D =<br />

f<br />

1<br />

Die Einheit der Brechkraft ist Dioptrie 1 dp = 1/m<br />

Vorzeichenkonvention für die Brechung:<br />

Beispiel:<br />

Vorzeichenkonvention für die Brechung<br />

Gegenstandsweite<br />

g<br />

Bildweite<br />

b<br />

Brennweite<br />

bzw. Radius<br />

f bzw. r<br />

+<br />

-<br />

+<br />

-<br />

+<br />

-<br />

reeller Gegenstand vor der brechenden<br />

Fläche (Einfallsseite)<br />

virtueller Gegenstand hinter der brechenden<br />

Fläche (Transmissionsseite)<br />

reelles Bild hinter der brechenden<br />

Fläche ( Transmissionsseite)<br />

virtuelles Bild vor der brechenden<br />

Fläche (Einfallsseite)<br />

Krümmungsmittelpunkt auf der<br />

Transmissionsseite<br />

Krümmungsmittelpunkt auf der<br />

Einfallsseite<br />

Entsprechend dem oberen Bild sei eine Linse gegeben mit n = 1,5, r1 = 10 cm <strong>und</strong> r2 = 15 cm.


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M 2<br />

Lichteinfall<br />

r 2<br />

n=1,5<br />

Das Licht trifft zuerst auf die Seite, die dem Kugelsegment mit r1 zugeordnet ist Die Berechnung der Brenn-<br />

weite ist somit:<br />

1 ⎛ 1 1⎞<br />

⎛ 1 1 ⎞ 5<br />

= ( n − 1)<br />

⋅ ⎜ − ⎟ = 0 5 ⋅ ⎜ − ⎟ = 0 5 ⋅ f 12 cm<br />

f ⎝ r r ⎠ ⎝10<br />

cm − 15 cm⎠ 30 cm<br />

⎛ ⎞<br />

, , ⎜ ⎟ ⇒ =<br />

⎝ ⎠<br />

1 2<br />

Die Umkehrung der Lichtrichtung liefert:<br />

M 2<br />

r 2<br />

n=1,5<br />

r 1<br />

r 1<br />

M 1<br />

M 1<br />

Lichteinfall<br />

Das Licht trifft zuerst auf die Seite, die dem Kugelsegment mit r2 zugeordnet ist Die Berechnung der Brenn-<br />

weite ist somit:<br />

1 ⎛ 1 1⎞<br />

⎛ 1 1 ⎞ 5<br />

= ( n − 1)<br />

⋅ ⎜ − ⎟ = 0 5 ⋅ ⎜ − ⎟ = 0 5 ⋅ f 12 cm<br />

f ⎝ r r ⎠ ⎝15<br />

cm − 10 cm⎠ 30 cm<br />

⎛ ⎞<br />

, , ⎜ ⎟ ⇒ =<br />

⎝ ⎠<br />

2 1<br />

Die Mitte von dünnen Linsen wird als Hauptebene bezeichnet.<br />

brochen<br />

Hauptebene<br />

F F<br />

Merkregeln:<br />

• parallel einfallende Strahlen verlaufen bei konve-<br />

xen Linsen auf der Transmissionsseite durch den<br />

Brennpunkt<br />

• parallel einfallende Strahlen werden bei konka-<br />

ven Linsen auf der Transmissionsseite so gebro-<br />

chen, dass die Verlängerung der Strahlen durch<br />

den Brennpunkt der Einfallsseite verlaufen<br />

• Strahlen durch den Mittelpunkt werden nicht ge


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Diese Eigenschaften machen sehr einfach eine Bildkonstruktion von Gegenständen möglich.<br />

Linsenfehler:<br />

1<br />

2<br />

Abbildungskonstruktion an dünnen konvexen Linsen<br />

3<br />

5’<br />

F<br />

4<br />

5<br />

Aufgr<strong>und</strong> der optischen Eigenschaften der verwendeten Linsenmaterialien treten Abbildungsfehler auf. Die<br />

wichtigsten dieser Fehler sind:<br />

sphärische Abberation: Parallel einfallende achsferne Strahlen werden nicht im Brennpunkt ab-<br />

gebildet.<br />

Chromatische Abberation: Aufgr<strong>und</strong> von Dispersion (Abhängigkeit des Brechungsindex von der<br />

F<br />

Wellenlänge der einfallenden Strahlung) haben Lichtstrahlen verschie-<br />

dener Wellenlängen unterschiedliche Brennpunkte<br />

Astigmatismus: Parallel einfallende Lichtbündel, die unter einem großen Winkel auf die<br />

6.3.4 Optische Instrumente<br />

F<br />

Linse treffen, werden nicht in der Brennebene abgebildet<br />

F<br />

F<br />

Linsenfehler<br />

spärische Aberration chromatische Aberration<br />

F<br />

Brennebene<br />

F<br />

1’<br />

Astigmatismus<br />

2’<br />

F<br />

3’


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Aufgr<strong>und</strong> der abbildenden Eigenschaften von gekrümmten Glasflächen lassen sich optische Instrumente<br />

entwickeln, mit denen es möglich wird, Messinstrumente oder Geräte für den täglichen Gebrauch herzustel-<br />

len.<br />

Auge<br />

Eines der wichtigsten optischen Instrumente ist das Auge, welches die Abbildung eines Gegenstandes auf<br />

die Netzhaut ermöglicht.<br />

Linse: Die Veränderung der Linsenkrümmung verändert die Lage des Brennpunktes, wodurch<br />

Gegenstände im Bereich von unendlich bis wenige cm vor dem Auge (Nahpunkt etwa<br />

bei 10 cm, mit dem Alter zunehmend) scharf abgebildet werden können. (ein entspann-<br />

ter Ziliarmuskel bedeutet eine maximale Brennweite von 2,5 cm)<br />

Zäpfchen: Nervenzellen, die auf verschiedene Wellenlängen reagieren (Farbsehen)<br />

Stäbchen: Nervenzellen, die auf hell <strong>und</strong> dunkel reagieren. Die Empfindlichkeit der Stäbchen ist<br />

sehr hoch, daher kann der Mensch auch bei geringen Helligkeiten noch etwas erken-<br />

nen, jedoch ist der Eindruck nicht mehr farbig.<br />

Weitsichtigkeit: Nur weiter entfernte Gegenstände können scharf erkannt werden. Tritt oft mit zuneh-<br />

mendem Alter auf, da die Linse sich nicht mehr so stark krümmen kann. Kann unter<br />

ständiger Akkomodation der Augen ausgeglichen werden, was jedoch <strong>zur</strong> Ermüdung<br />

der Augen führt.<br />

Nahsichtigkeit: Nur nah entfernte Gegenstände können scharf erkannt werden. Ein Augenfehler be-<br />

Optische Instrumente:<br />

wirkt eine zu starke Brechkraft der Linse.<br />

Je näher der Gegenstand am Auge ist, desto detaillierter kann der Gegenstand vom Auge aufgelöst werden.<br />

Der Winkel zwischen Auge <strong>und</strong> Gegenstand wird somit größer. Ab einer gewissen Entfernung kann das<br />

Auge nicht mehr stark genug akkomodieren <strong>und</strong> das Bild des Gegenstandes auf der Netzhaut wird unscharf.<br />

Das Ziel optischer Instrumente ist es, Gegenstände näher an das Auge heranzubringen <strong>und</strong> den Sehwinkel<br />

weiter zu vergrößern, wobei aber die Akkomodationsfähigkeit des Auges weiter gegeben bleibt.


Gegenstandes befindet sich im<br />

Brennpunkt der Lupe:<br />

durch die Lupe treffen die Strahlen<br />

parallel auf das Auge,<br />

das Auge kann auf unendlich<br />

akkomodieren<br />

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Bild im Brennpunkt des Okulars steht.<br />

6.4 Wellenerscheinungen von Licht<br />

Lupe:<br />

• Gegenstand steht in der Brennebene<br />

der Lupe<br />

• Strahlenbündel trifft parallel auf das<br />

Auge<br />

• Vergrößerung des Sehwinkels<br />

Mikroskop:<br />

Gegenstand befindet sich kurz vor der<br />

Brennweite des Objektivs<br />

Erzeugung eines realen vergrößerten<br />

Bildes im Tubus<br />

Einstellung des Okulars so, dass das<br />

Bild im Brennpunkt des Okulars steht.<br />

Fernrohr:<br />

Gegenstand befindet sich weit weg (im<br />

unendlichen)<br />

Mit dem Objektiv wird ein Bild des Ge-<br />

genstandes im Brennpunkt des Objek-<br />

tivs erzeugt. Der Gegenstand wird auf<br />

diese Weise näher an das Auge heran-<br />

gebracht.<br />

Einstellung des Okulars so, dass das<br />

Bei den bisherigen Betrachtungen wurde nur die geradlinige Ausbreitung von Licht berücksichtigt. Wellener-<br />

scheinungen spielen keine Rolle, solange die Abmessungen der Objekte, an denen Licht gebrochen bzw.<br />

reflektiert wird, groß gegenüber der Wellenlänge sind.<br />

6.4.1 Beugung<br />

Trifft eine Welle auf ein Hindernis, so dürfte bei geradliniger Lichtausbreitung hinter dem Hindernis kein<br />

Licht mehr auftreffen.<br />

Die Wirkungsweise einer Lupe<br />

Gegenstandes befindet vor dem<br />

Brennpunkt der Lupe:<br />

das Auge muß auf das virtuelle Bild<br />

des Gegenstandes akkomodieren,<br />

der Gegenstand erscheint vergrößert<br />

Abbildung eines Gegenstandes<br />

ohne optisch Hilfsmittel<br />

Bei geringen Entfernungen<br />

muß das Auge stark akkomodieren<br />

Brennpunkt<br />

der Lupe<br />

Brennpunkt<br />

der Lupe<br />

Augenlinse<br />

Beobachtet wird jedoch ein Schatten, der halb ausgeleuchtet wird:<br />

F Auge<br />

Lupe<br />

Lupe<br />

F Auge<br />

Augenlinse<br />

Augenlinse<br />

Bild auf der<br />

Netzhaut<br />

F Auge<br />

F Auge


6.4.2 Kohärenz<br />

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Die einlaufenden ebenen Wellen haben eine konstante Intensität<br />

Beim Auftreffen auf ein Hindernis wird die Welle gebeugt, d.h. die Elemen-<br />

tarwelle an der Hinderniskante strahlt eine Kugelwelle aus, die sich jedoch<br />

nicht mehr mit den Nachbarelementarwellen zu einer ebenen Welle zu-<br />

sammensetzten kann.<br />

Es tritt eine Abweichung vom geometrischen Strahlengang auf, wobei die<br />

Intensität des gebeugten Stahls abnimmt, d.h. der Schattenraum wird nicht<br />

vollständig ausgeleuchtet.<br />

Gedankenexperiment:<br />

Zwei Lichtquellen stehen in einem gewissen Abstand<br />

<strong>und</strong> senden Kugelwellen aus.<br />

Beobachtung:<br />

Es gibt bestimmte Punkte im Raum, an denen sich<br />

die Wellen auslöschen bzw. konstruktiv überlagern.<br />

Wiederholung:<br />

Konstruktive Überlagerung: Gangunterschied<br />

Δ = m ⋅ λ , Verdopplung der Amplitude, Vervierfa-<br />

chung der Intensität.<br />

Destruktive Interferenz: : Gangunterschied<br />

( )<br />

Δ = 2m + 1 ⋅ λ 2,<br />

Auslöschung beider Wellen<br />

Wird dieses Experiment mit zwei punktförmigen Lichtquellen durchgeführt, so ist die Beobachtung, dass<br />

entgegen dem obigen Gedankenexperiment keine Raumpunkte existieren, die stets dunkel oder hell sind.<br />

Der Gr<strong>und</strong> ist darin zu suchen, dass die Wellen sind nicht unendlich ausgedehnt sind. Es werden von der<br />

Lichtquelle vielmehr durch die Anregung von Atomen kurze Lichtpulse emittiert, die zueinander keine feste<br />

Phasenbeziehung haben. Es entstehen durch Überlagerung örtlich zwar zeitlich begrenzte Interferenzen, die<br />

jedoch aufgr<strong>und</strong> ihrer Geschwindigkeit vom menschlichen Auge (<strong>und</strong> auch von Messgeräten) nicht aufge-<br />

löst werden können.


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Erzeugung von kohärentem Licht:<br />

konstruktive<br />

Interferenz<br />

geometrische<br />

Wegdifferenz<br />

zu groß<br />

Medium mit<br />

Brechungsindex<br />

n<br />

optische<br />

Wegdifferen<br />

zu groß<br />

• erzwungene, zeitlich nicht abbrechende Emission von Licht im LASER oder bei Synchrotronstrahlung<br />

• Aufteilung eines Lichtstrahls in mehrere <strong>Teil</strong>strahlen, deren <strong>zur</strong>ückgelegter Wegunterschied so klein wird,<br />

dass sie sich in einem Punkt noch überlagern können.<br />

6.4.3 Interferenz an dünnen Schichten<br />

Eine einfache Möglichkeit, kohärentes Licht zu erzeugen, ist die Reflexion an dünnen Schichten.<br />

Zur Erklärung der Phänomene sei zunächst ein einfaches System betrachtet:<br />

Reflexion an dünnen parallelen Schichten:<br />

d<br />

α α<br />

A<br />

β<br />

B<br />

C<br />

a’<br />

D<br />

a b c<br />

1. Der einfallende Strahl wird im Punkt A an der Grenzfläche der Schicht reflektiert <strong>und</strong> gebrochen:<br />

Reflexion: Einfallswinkel = Ausfallswinkel: Erzeugung von Strahl a<br />

Brechung: sinα= n sinβ<br />

P<br />

E<br />

b’<br />

n=1<br />

n>1


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2. Der reflektierte Strahl verläuft weiter im Medium <strong>und</strong> wir in B reflektiert <strong>und</strong> gebrochen. Der reflektierte<br />

Strahl wird in C reflektiert <strong>und</strong> gebrochen. Erzeugung von <strong>Teil</strong>strahl b. Das ganze wiederholt sich mehr-<br />

fach: Erzeugung von <strong>Teil</strong>strahl c usw.<br />

3. Wenn die Strahlen a <strong>und</strong> b miteinander interferieren könnten, ist es wichtig zu wissen, wie groß der<br />

Gangunterschied in den Punkten C <strong>und</strong> P beider Strahlen ist.<br />

4. Alle reflektierten <strong>und</strong> gebrochenen Strahlen stammen aus dem Ursprungsstrahl <strong>und</strong> sind somit zueinan-<br />

der kohärent.<br />

5. geometrische Wegdifferenz: AB + BC − AP<br />

6. Da das Medium jedoch einen Brechungsindex n hat gilt: C<br />

med<br />

Cluft<br />

λ<br />

= ⇒ λ med =<br />

n n<br />

luft<br />

, d.h. die optische<br />

Weglängendifferenz ist. Das bedeutet, dass im Medium mehr Wellenzüge pro Wegeinheit verlaufen als<br />

außerhalb. So würden bei n=2 innerhalb des Mediums doppelt so viele Wellenzüge verlaufen wie außer-<br />

halb. Die optische Weglängendifferenz lautet somit:<br />

optische Wegdifferenz: n⋅ ( AB + BC) − AP<br />

7. Bei der Reflexion im Punkt a findet ein Phasensprung der Welle a um π bzw. λ/2 statt (Reflexion am<br />

optisch dichteren Medium)<br />

Für die reflektierten Strahlen lässt sich unter Berücksichtigung der geometrischen Verhältnisse ableiten:<br />

2 2<br />

Gangunterschied der Wellen a <strong>und</strong> b: Δ = 2⋅<br />

d⋅ n − sin α −<br />

2<br />

λ<br />

reflektierte Strahlen a <strong>und</strong> b:<br />

Die Wellen b <strong>und</strong> c haben aufgr<strong>und</strong> der gleichen geometrischen Verhältnisse den gleichen Gangunterschied<br />

Δ.<br />

Für die gebrochenen Strahlen kann anlog der Gangunterschied abgeleitet werden. Da hier der einfallende<br />

Strahl nicht am optisch dichten Medium reflektiert wird, tritt auch kein Phasensprung auf. Demnach gilt für<br />

die gebrochenen Strahlen:<br />

2 2<br />

gebrochene Strahlen a’ <strong>und</strong> b’: Δ = 2 ⋅d ⋅ n − sin α<br />

Die beiden Strahlen a <strong>und</strong> b können mittels einer Linse, z.B. der Augenlinse, abgebildet werden, wodurch<br />

sie interferieren.<br />

2 2<br />

Verstärkung der Strahlen, wenn 2⋅<br />

d⋅ n − sin α + = 2⋅ m⋅ , m = 1, 2, 3,<br />

..<br />

2<br />

λ<br />

λ<br />

λ λ<br />

⋅d ⋅ n − sin + = 2⋅ m + 1 ⋅ , m = 1, 2, 3,<br />

..<br />

2<br />

2<br />

2 2<br />

Auslöschung der Strahlen, wenn 2<br />

α ( )


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Die Bedingungen für Auslöschung <strong>und</strong> Verstärkung werden nur für ganz bestimmte Winkel α eingehalten.<br />

Auf der Netzhaut ergeben sich somit Interferenzstreifen. Werden die reflektierten Strahlen nicht durch eine<br />

Linse abgebildet, so können Strahlen mit unterschiedlichem Einfallswinkel auf einem Schirm interferieren.<br />

Wegen der Symmetrie bilden sich Ringe aus (Haidingersche Ringe).<br />

Beispiele<br />

1. Newtonsche Ringe<br />

unterschiedliche<br />

optische Weglänge<br />

Beispiel: Netwonsche Ringe in verglasten Dias.<br />

Bei Transmission erscheint in der Mitte stets ein heller Fleck, bei Reflexionen ist der Fleck in der Mitte we-<br />

gen des Phasensprunges um π dunkel.<br />

2. Entspiegelung von optischen Geräten, wie z.B. Brillen<br />

n 3<br />

n 2<br />

n=1<br />

1<br />

Einfallende Lichtwellen werden an n2 <strong>und</strong> n2 reflektiert <strong>und</strong> erfahren beide einen Phasensprung um π. Die<br />

beiden Strahlen haben bei senkrechtem Einfall dann einen Gangunterschied von Δ = 2⋅ d⋅ n 2<br />

λ<br />

2 2 2 1<br />

2<br />

Destruktive Interferenz findet statt, wenn Δ = ⋅d ⋅ n = ( m + )<br />

λ<br />

Die kleinste Schichtdicke ist demnach für m = 0 gegeben zu d =<br />

⋅n<br />

tig auslöschen.<br />

4 2<br />

, bei der sich die Strahlen gegensei-<br />

Die Reflexminderung funktioniert strenggenommen nur bei einer Wellenlänge <strong>und</strong> senkrechtem Einfall.<br />

Bei Brillen wird oft eine Schicht Kryolith (Na2AlF6) mit n=1,33 oder Magnesiumfluorid MgF2 aufgebracht.<br />

Wenn λ in der Mitte des sichtbaren Spektrums liegt (λ = 550 nm grünes Licht) muss die Mindestdicke der<br />

reflexmindernden Schicht mindestens d = 100 nm betragen. Die Strahlauslöschung ist in den Randberei-<br />

chen des Spektrums (blau <strong>und</strong> rot) jedoch schwächer, wodurch vergütete optische Instrumente oft in diesen<br />

Farben schimmern.


3. Seifenblasen<br />

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Dünne Seifenblasen zeigen im reflektierten <strong>und</strong> im transmittierten Licht eine Aufspaltung des weißen Lichts<br />

in die regenbogenfarben.<br />

4. Oberflächenprüfung, Farben dünner Schichten<br />

1. Bei Reflexionen an sehr ebenen Oberflächen (siehe Versuch mit Linse oder Keil) treten als Interferenz-<br />

muster als regelmäßige Kreiserscheinungen auf. Unregelmäßigkeiten der Oberfläche stören die Ausbil-<br />

dung der Kreise. Rauhigkeiten im Bruchteil der Wellenlänge können so erkannt werden. Wichtig für die<br />

Werkstoffprüfung !!<br />

2. Waferherstellung: Farben der beschichteten Si-Wafer geben Aufschluss über die Schichtdicke.<br />

6.4.4 Michelson Interferometer<br />

Eine wichtige Anwendung von Interferenzen ist das Michelson-Interferometer, mit dem sich durch Interfe-<br />

renzeffekte Größen wie Länge, Brechzahl Winkel <strong>und</strong> Wellenlänge bestimmen lassen.<br />

Dies wird im Praktikum anhand der Bestimmung des Brechungsindex in Abhängigkeit des Druckes von<br />

Gasen durchgeführt.<br />

Aufbau des Michelson-Interferometers:<br />

L<br />

Sp1<br />

halbdurchlässiger<br />

Spiegel<br />

Schirm<br />

Das Licht von der Lichtquelle (die nicht kohärent strahlen muss) trifft auf einen Strahlteiler (z.B. einen halb<br />

versilberten Spiegel) <strong>und</strong> wird in zwei <strong>Teil</strong>strahlen aufgeteilt.<br />

An den Spiegeln Sp1 <strong>und</strong> Sp2 wird das Licht reflektiert <strong>und</strong> als gemeinsamer Strahl auf dem Schirm abge-<br />

bildet.<br />

Jeder <strong>Teil</strong>strahl durchläuft zweimal den Weg zwischen Spiegel <strong>und</strong> Strahlteiler.<br />

Die Wegdifferenz unter Vernachlässigung der optischen Differenz innerhalb des Spiegels ist demnach die<br />

Differenz der <strong>zur</strong>ückgelegten Wege.<br />

2 l − l = 2m + 1 ⋅ λ 2<br />

Destruktive Interferenz der Strahlen für ( ) ( )<br />

1 2<br />

2 1 2<br />

Konstruktive Interferenz der Strahlen für ( )<br />

l − l = m ⋅λ<br />

Sp2<br />

dx


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Sind die Spiegel versetzt zueinander angebracht, so entstehen je nach relativer Lage auf dem Schirm Inter-<br />

ferenzstreifen. Der Wechsel zwischen hell <strong>und</strong> dunkel entspricht somit einem Weglängenunterschied von<br />

λ/4, also etwa 100 nm bei Verwendung von blauem Licht. Der Wechsel von Interferenzstreifen ist auch be-<br />

obachtbar, wenn in den Strahlengang ein Hindernis mit dem Brechungsindex n eingebracht wird.<br />

6.4.5 Doppelspalt <strong>und</strong> Mehrfachspalt<br />

Interferenzerscheinungen spielen auch in vielen Spektrometern ein Rolle, bei denen eine Separation der<br />

Wellenlängen vorgenommen werden soll. Die Aufteilung von Licht in seine spektralen Bestandteile kann mit<br />

Hilfe eines Doppelspaltes bzw. Gitter erfolgen.<br />

Mit Hilfe des Doppelspaltes wurde von Thomas Young erstmalig die Wellennatur des Lichtes bewiesen:<br />

d<br />

Ein paralleles monochromatisches Lichtbündel treffe auf ei-<br />

nen Doppelspalt mit dem Spaltabstand d. Die Spaltbreiten<br />

können als Quellen zweier neuer Elementarwellen angesehen<br />

werden. Zwei der Strahlen interferieren im Punkt P<br />

Es entstehen Richtungen, in denen sich die Wellen auslö-<br />

schen bzw. verstärken. Je weiter die Spalte auseinander lie-<br />

gen, desto näher rutschen die Abstände der Maxima <strong>und</strong><br />

Minima zusammen.<br />

Wenn der Abstand zwischen Schirm <strong>und</strong> Spalt genügend<br />

groß ist, können die beiden betrachteten Stahlen als parallel betrachtet werden (Alternativ können die paral-<br />

lelen Strahlen auch durch eine Linse abgebildet werden). Der Weglängenunterschied beider Strahlen ist<br />

dann d⋅ sinθ .<br />

konstruktive Interferenz: d⋅ sinθ = m ⋅ λ<br />

destruktive Interferenz: d ( m )<br />

⋅ sinθ = 2 + 1 ⋅λ<br />

2<br />

y<br />

Für die Abstände auf dem Schirm gilt wegen tanθ = ≈ sinθ<br />

l<br />

Abstände der Maxima y<br />

Intensitätsverteilungen:<br />

Max<br />

l<br />

d m<br />

Für die beiden interferierenden Wellen gilt:<br />

( ω )<br />

y = y cos t − kl<br />

1 0<br />

( ω ϕ )<br />

y = y cos t − kl +<br />

2 0<br />

d<br />

2π 2π<br />

wobei ϕ = d⋅ θ ≈ d<br />

λ λ<br />

y<br />

sin<br />

l<br />

θ<br />

d sinθ<br />

θ<br />

l<br />

θ<br />

P<br />

y<br />

l<br />

d m = + ⋅ 2 1 λ<br />

2<br />

= ⋅ λ , Abstände der Minima ( )<br />

y<br />

Min


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Für die Überlagerung beider Wellen im Punkt P gilt dann:<br />

y + y = 2y<br />

1 2 0<br />

⎛ ϕ⎞ ⎛ ωt<br />

− kl⎞<br />

cos⎜ ⎟ cos⎜<br />

⎟<br />

⎝ 2⎠ ⎝ 2 ⎠<br />

Die Intensität der Wellen ist proportional <strong>zur</strong> Amplitude, d.h.<br />

2<br />

⎛ ⎛ ϕ⎞ ⎞<br />

2 ⎛ ϕ⎞<br />

I ∝ ⎜2y<br />

0 cos⎜ ⎟⎟<br />

= 4 ⋅I0 ⋅cos<br />

⎜ ⎟ = 4 ⋅I0 ⋅ cos<br />

⎝ ⎝ 2⎠<br />

⎠<br />

⎝ 2⎠<br />

⎛ d⋅ y⎞<br />

λ<br />

I = 4 ⋅I0<br />

für ⎜π<br />

⎟ = m⋅ π ⇒ yMax = m⋅ ⋅l<br />

⎝ λ ⋅l<br />

⎠<br />

d<br />

2<br />

⎛ d⋅ y⎞<br />

⎜π<br />

⎟<br />

⎝ λ ⋅l<br />

⎠<br />

d y<br />

I für<br />

( m ) y ( m )<br />

l<br />

d l<br />

⎛ ⋅ ⎞<br />

λ<br />

= 0 ⎜π<br />

⎟ = 2 + 1 ⋅ π ⇒ Max = 2 + 1 ⋅ ⋅<br />

⎝ λ ⋅ ⎠<br />

Je kleiner der Abstand der beiden Einzelspalte wird, desto weiter liegen die Minima <strong>und</strong> Maxima der Intensi-<br />

tätsverteilung auseinander.<br />

Mehrfachspalt<br />

Intensität<br />

4 I 0<br />

λ/d 2λ/d<br />

Wenn mehrere Einzelspalte im gleichen Abstand verwendet werden ergibt sich ein ähnliches Bild. Die Ma-<br />

xima liegen an gleicher Stelle wie beim Doppelspalt. Die Intensitäten sind höher <strong>und</strong> die Maxima sind<br />

schmaler ausgeprägt.<br />

Beispiel: 3 Einzelspalte<br />

sin θ=y/l


1<br />

gern.<br />

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( ) ( )<br />

Δ1 3 = 2⋅ d⋅ sin θ = m ⋅ 2λ<br />

−<br />

1. Im Punkt P herrscht konstruktive Interferenz,<br />

wenn der Gangunterschied zwischen Strahl 1<br />

<strong>und</strong> 2 sowie zwischen 2 <strong>und</strong> 3 gerade ein Viel-<br />

faches von λ beträgt:<br />

( )<br />

Δ = Δ = d⋅ sin θ = m⋅<br />

λ<br />

1−2 2−3 2. Dann liegt der Gangunterschied zwischen Strahl<br />

1 <strong>und</strong> 3 bei einem Vielfachen von 2λ, wodurch<br />

sich die Strahlen ebenfalls konstruktiv überla-<br />

3. Unter der Annahme, dass in Punkt P gerade das erste Maximum liegt, gibt es zwischen den Strahlen 1<br />

<strong>und</strong> 3 noch eine Bedingung für konstruktive Interferenz.<br />

Δ 1 3<br />

( )<br />

− = d⋅ sin θ = m⋅<br />

λ<br />

In diesem Fall liegt der Interferenzpunkt auf der halben Strecke auf dem Schirm. In diesem Punkt inter-<br />

ferieren jedoch die Strahlen 1<strong>und</strong> 2 sowie 2 <strong>und</strong> 3 destruktiv, d.h. das Maximum der Amplitude wird ge-<br />

schwächt (zwei gleichsinnige Überlagerungen werden durch eine gegensinnige Überlagerung ge-<br />

schwächt). Die Intensität des Punktes ist daher gegenüber dem Hauptmaximum geringer.<br />

Bei 4 <strong>und</strong> mehr Spalten gelten analoge Betrachtungen:<br />

• je mehr Spalte, desto ausgeprägter (heller <strong>und</strong> schmaler) werden die Intensitätsmaxima<br />

• Bei n Spalten entstehen zwischen zwei Maxima (n-2) Nebenmaxima <strong>und</strong> (n-1) Nebenminima<br />

6.4.6 Einzelspalt<br />

Entgegen der Berechnung, dass alle Hauptmaxima höherer Ordnung dieselbe Intensität aufweisen, wird in<br />

der Realität beobachtet, dass die Intensität mit zunehmender Ordnung schwächer wird. Bei der obigen Be-<br />

trachtungsweise wurde angenommen, dass pro Spalt nur eine Elementarwelle entsteht, die zu den Interfe-<br />

renzerscheinungen führt.<br />

Genauer betrachtet hat jeder Spalt selbst eine endliche Ausdehnung, die ebenfalls einen Beitrag zum<br />

Spektrum liefert.<br />

b<br />

2<br />

3<br />

θ<br />

1<br />

9<br />

l<br />

θ<br />

Der Strahl 1 hat gegenüber dem Strahl 9 einen Gangunterschied<br />

von<br />

Δ1− 9 = b⋅ sinθ<br />

<strong>und</strong> gegenüber dem mittleren Strahl einen Gangunterschied von<br />

b<br />

− = ⋅sinθ<br />

2<br />

Δ1 Mittel<br />

P<br />

y<br />

Wenn sich die beiden Strahlen konstruktiv überlagern würden,


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dann gibt es stets einen Mittelpunktstrahl, der aufgr<strong>und</strong> des halben Gangunterschiedes der Welle mit dem<br />

Randstrahl destruktiv interferieren würde. Dies ergibt folglich<br />

destruktive Interferenz: Δ 1 9<br />

− = b⋅ sinθ = m⋅<br />

λ<br />

Alle anderen Strahlen löschen sich nicht vollständig aus <strong>und</strong> es existieren Stellen mit maximaler Helligkeit,<br />

die zu den Rändern hin abnehmen.<br />

Für die exakte mathematische Behandlung müssen für einen Punkt des Schirmes alle Strahlen, die vom<br />

Einzelspalt ausgehen, überlagert werden. Unter der Voraussetzung, dass sich parallele Strahlen überlagern,<br />

lässt sich die Gangdifferenz der benachbarten Strahlen einfach berechnen durch Δ = a⋅ sinθ , wobei a der<br />

Abstand benachbarter Wellen ist. Es gilt demnach für die<br />

2π Phasendifferenz benachbarter Wellenzügeϕ = a⋅ sin θ<br />

λ<br />

Die Welle, die durch die Überlagerung der vom Spalt ausgehenden Kreiswellen entsteht, wird berechnet<br />

durch<br />

⎛ 2π<br />

⎞<br />

yges = ∑ y0 cos⎜ωt − kl + j⋅ y ⋅sinθ⎟<br />

⎝ λ ⎠<br />

j= 1..<br />

N<br />

Aus dieser Gleichung lässt sich die Amplitude der neuen Welle im Punkt P berechnen. Das Quadrat der<br />

Amplitude ist proportional <strong>zur</strong> Intensität der Welle, die vom Auge als Helligkeit wahrgenommen wird.<br />

I θ = I<br />

Die Intensität berechnet sich zu: ( )<br />

6.4.7 Gitter<br />

Intensität<br />

0<br />

2 ⎛ π ⋅b<br />

⎞<br />

sin ⎜ ⋅sinθ⎟<br />

⎝ λ ⎠<br />

⎛ π ⋅b<br />

⎞<br />

⎜ ⋅sinθ⎟<br />

⎝ λ ⎠<br />

Beugung am Einzelspalt<br />

1<br />

0,9<br />

0,8<br />

0,7<br />

0,6<br />

0,5<br />

0,4<br />

0,3<br />

0,2<br />

0,1<br />

0<br />

-1 -0,8 -0,6 -0,4 -0,2 0 0,2 0,4 0,6 0,8 1<br />

sin teta<br />

2


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Ein optisches Gitter ist ähnlich aufgebaut wie ein Mehrfachspalt. Die sich einstellende Intensitätsverteilung<br />

wird wie vorher beschrieben bestimmt durch den Abstand d der Spalte. Dem Beugungsmuster überlagert ist<br />

die Intensitätsverteilung des Einzelspaltes, die durch die Breite b der Spalte gegeben ist.<br />

d<br />

b<br />

d sinθ<br />

Die Anzahl der ausgeleuchteten Spalte sei p. Zu jedem Austritts-<br />

winkel θ muss nun die Überlagerung der p Einzelwellen betrachtet<br />

werden. Hierbei ergibt sich für die<br />

Amplitude x x<br />

neu =<br />

0<br />

⎛ π ⋅ d ⎞<br />

sin⎜p sinθ⎟<br />

⎝ λ ⎠<br />

⎛ π ⋅d<br />

⎞<br />

sin⎜ sinθ⎟<br />

⎝ λ ⎠<br />

2 ⎛ π ⋅d<br />

⎞<br />

sin ⎜p<br />

sinθ⎟<br />

⎝ λ ⎠<br />

2 ⎛ π ⋅d<br />

⎞<br />

sin ⎜ sinθ⎟<br />

⎝ λ ⎠<br />

Intensität I = I<br />

∝ ( )<br />

Der Intensitätsverteilung überlagert ist die Intensitätsverteilung der Einzelspalte, d.h. das feine Muster<br />

des Gitters liegt innerhalb der Verteilung des Einzelspaltes<br />

Somit ergibt sich insgesamt für die Intensität:<br />

θ<br />

( θ)<br />

I<br />

I<br />

0<br />

2 ⎛ π ⋅b<br />

⎞ 2⎛<br />

π ⋅d<br />

⎞<br />

sin ⎜ sinθ⎟<br />

sin ⎜p<br />

sinθ⎟<br />

⎝ λ ⎠ ⎝ λ ⎠<br />

=<br />

2 ⋅<br />

⎛ π ⋅b<br />

⎞<br />

2 ⎛ π ⋅d<br />

⎞<br />

⎜ sinθ⎟<br />

sin ⎜ sinθ⎟<br />

⎝ λ ⎠ ⎝ λ ⎠<br />

Beugung Beugung<br />

durch Einzelspalt durch Gitter<br />

0<br />

x neu<br />

2


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Amplitude I/I0<br />

Beugung am Gitter<br />

1<br />

0,9<br />

0,8<br />

0,7<br />

0,6<br />

0,5<br />

0,4<br />

0,3<br />

0,2<br />

0,1<br />

-0,0100 -0,0080 -0,0060 -0,0040 -0,0020<br />

0<br />

0,0000 0,0020 0,0040 0,0060 0,0080 0,0100<br />

sin teta<br />

Die Bedingungen für konstruktive Interferenz sind entsprechend der oberen Gleichung immer dann erfüllt,<br />

wenn der Nenner des Gitterbeugungsterms minimal wird:<br />

π ⋅d<br />

y λ<br />

θ = m⋅<br />

π ⇒ θ = = ⋅<br />

λ<br />

l m sin sin<br />

d<br />

In diesem Fall werden Zähler <strong>und</strong> Nenner des Bruches gleichzeitig Null. Je kleiner der Abstand der Spalte<br />

ist, desto weiter liegen die Hauptmaxima auf dem Schirm auseinander.<br />

Die Bedingungen für die Nebenminima sind gegeben, wenn der Zählerterm der Gitterfunktion zu Null wird:<br />

d<br />

y<br />

p m<br />

l m π ⋅<br />

λ<br />

⋅ sinθ = '⋅π ⇒ sinθ = = '<br />

λ<br />

d⋅ p<br />

Die Minima sind demnach in gleichen Abständen über dem Schirm verteilt. Wenn der Bruch m’/p ganzzah-<br />

lig wird, ist gerade die Bedingung für ein Hauptmaximum erreicht.<br />

6.4.8 Auflösungsvermögen<br />

Optische Instrumente<br />

Infolge der Beugung des Lichtes an Kanten wird das Auflösungsvermögen optischer Instrumente (Fernrohr,<br />

Mikroskop, menschliches Auge) bestimmt. So wird z.B. das Bild eines Punktes beim menschlichen Auge<br />

theoretisch als Punkt auf der Netzhaut abgebildet. Infolge der Beugung an den Rändern der Augenlinse<br />

entsteht jedoch ein Fleck, der von dunkleren Ringen umgeben ist.<br />

Zwei benachbarte Punkte werden vom Auge demnach nur dann getrennt, wenn ihre Beugungsmuster im<br />

Bild örtlich weit genug getrennt sind.


<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 131<br />

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Auflösungsvermögen des Gitters:<br />

Rayleigh-Kriterium<br />

Zwei Objekte können mit einem opti-<br />

schen Instrument getrennt werden,<br />

wenn im Beugungsmuster das Maxi-<br />

mum des einen gerade im Minimum<br />

des anderen liegt.<br />

Das Auflösungsvermögen eines optischen<br />

Instrumentes ist um so größer, je größer<br />

der Objektivdurchmesser <strong>und</strong> je kleiner<br />

die Wellenlänge des Lichts ist.<br />

Eine Trennung von zwei Wellenlängen λ1 <strong>und</strong> λ2 ist nach dem Rayleighkriterium nur dann möglich, wenn<br />

das Maximum der einen Welle gerade in das Minimum der anderen Welle fällt.<br />

Es sei λ 2 = λ1 + d λ<br />

Zwischen zwei Hauptmaxima befinden sich (p-1) Minima in gleichen Abständen<br />

Auf dem Schirm sind die Abstände zweier benachbarter Hauptmaxima gegeben durch:<br />

λ<br />

y( m + 1) − y( m) = l( sin θ( m + 1)<br />

− sin θ(<br />

m) ) = l⋅ d<br />

λ<br />

die Abstände zweier Minima ist somit s = l⋅ p⋅ d<br />

Wird nun das m-te Hauptmaximum von λ1 betrachtet, so ist der Ort des Minimums neben dem Hauptmaxi-<br />

mum gegeben durch<br />

λ λ λ ⎛ 1⎞<br />

y( m) − s = l⋅ m⋅ − l⋅ = l⋅ ⎜m<br />

− ⎟<br />

d p⋅ d d ⎝ p⎠<br />

Dies ist aber auch die Lage des m-ten Hauptmaximums der zweiten Wellenlänge entsprechend des Ray-<br />

leigh-Kriteriums<br />

⎛ ⎞ d<br />

y m + s = l⋅ ⎜m<br />

+ ⎟ = l⋅ m⋅<br />

m m d<br />

d ⎝ p⎠<br />

d p + λ 1 λ λ ⎛ 1⎞<br />

⇒ λ⎜ + ⎟ = ⋅ λ + λ<br />

⎝ ⎠<br />

( ) ( )<br />

Auflösungsvermögen des Gitters: λ<br />

dλ<br />

⇒ p⋅ m<br />

Je mehr Gitterstriche ausgeleuchtet werden <strong>und</strong> je höher die Beugungsordnung ist, desto größer ist das<br />

Auflösungsvermögen des Gitters.<br />

6.4.9 Prisma<br />

Auflösungsvermögen optischer Elemente<br />

δ<br />

Abblidendes<br />

Element, z.B.<br />

Objektiv,<br />

Durchmesser d<br />

δ>1,22 λ/d<br />

Beugungsmuster<br />

durch die Objektivbegrenzung


<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 132<br />

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Eine weitere Erscheinung, die von der Wellenlänge des Lichtes abhängt, ist die Dispersion. Unter Dispersi-<br />

on wird die Abhängigkeit des Brechungsindex von der Wellenlänge des Lichtes verstanden. Licht kleinerer<br />

Wellenlänge (violett) wird meist stärker gebrochen als Licht größerer Wellenlänge (rot).<br />

Dies bietet ebenfalls die Möglichkeit, Licht in seine Bestandteile zu zerlegen. Verwendet wird hierzu ein<br />

Prisma. Aufgr<strong>und</strong> der verschiedenen Brechzahlen werden die Strahlen mit unterschiedlicher Wellenlänge<br />

an den Kanten des Prismas unterschiedlich stark gebrochen, wodurch sie divergieren <strong>und</strong> spektral zerlegt<br />

auf der anderen Seite wieder austreten.<br />

Auflösungsvermögen des Prismas bei voller Ausleuchtung der Prismenseiten:<br />

6.4.10 Polarisation<br />

B<br />

λ<br />

B<br />

dλ<br />

λ<br />

dn<br />

=<br />

d<br />

Licht ist eine transversale elektromagnetische Welle, d.h. sie kann dargestellt werden durch eine Schwin-<br />

gung eines elektrischen Feldes, welche senkrecht <strong>zur</strong> Ausbreitungsrichtung stattfindet. Senkrecht zum elekt-<br />

rischen Feld bildet sich zeitgleich ein magnetisches Feld aus. Wenn die Ausbreitungsrichtung x ist, kann die<br />

Welle folglich in y- <strong>und</strong> in z-Richtung schwingen. Diese Ebenen werden Polarisationsebenen genannt.<br />

Bei Lichtwellen existiert keine ausgezeichnete Schwingungsrichtung, d.h. die Schwingung des elektrischen<br />

Feldes erfolgt gleichberechtigt in beiden Polarisationsebenen.<br />

Polarisator


elliptisch polarisierte<br />

Lichtwelle<br />

<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 133<br />

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Polarisator 1<br />

linear polarisierte<br />

Lichtwelle<br />

Unter einem Polarisator wird ein Gerät verstanden<br />

welches eine Schwingungsrichtung aussondert.<br />

Wenn die beiden Polarisatoren senkrecht zuein-<br />

ander stehen, kann kein Licht mehr durch den<br />

Polarisator gelangen.<br />

Linear polarisiertes Licht: die Welle hat nur eine ausgezeichnete Schwingungsrichtung der<br />

Amplitude<br />

Zirkular polarisiertes Licht: Überlagerung von zwei senkrecht zueinander stehenden Wellen mit<br />

gleicher Amplitude <strong>und</strong> einem Phasenwinkel von λ/4. Der resultieren-<br />

de Amplitudenvektor rotiert auf einer Kreisbahn um die Ausbreitungs-<br />

richtung herum.<br />

Elliptisch polarisiertes Licht: Überlagerung von zwei senkrecht zueinander stehenden Wellen un-<br />

linear polarisiertes Licht<br />

zirkular polarisiertes Licht<br />

Polarisator 2<br />

elliptisch polarisiertes Licht<br />

Ausbreitungsrichtung<br />

Auslöschung der Welle<br />

gleicher Amplitude oder mit einem Phasenwinkel ungleich λ/4.<br />

Ausbreitungsrichtung<br />

Ausbreitungsrichtung<br />

Ausbreitungsrichtung


7 ELEKTRIZITÄT<br />

<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 134<br />

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Bei der Behandlung von elektrischen <strong>und</strong> magnetischen Phänomenen wird im unterschieden in<br />

Elektrostatik: ruhende Ladungen <strong>und</strong> deren Eigenschaften<br />

Magnetostatik: sich konstant bewegende Ladungen (Gleichströme), zeitlich konstante magnetische<br />

Felder<br />

Elektrodynamik: beschleunigte Ladungen, elektromagnetische Wellen<br />

7.1 Das elektrische Feld<br />

7.1.1 Definitionen<br />

elektrische Ladung: In der Natur sind zwei Arten elektrischer Ladungen bekannt: positive <strong>und</strong> negative.<br />

Die Nomenklatur ist historisch gewachsen <strong>und</strong> willkürlich gewählt.<br />

Ladungen treten in Vielfachen der Elementarladung auf. Ladungsgrößen ungleich<br />

einem Vielfachen der Elementarladung existieren nicht. Die Elementarladung ist<br />

eine Naturkonstante.<br />

−19<br />

Elementarladung: e = 1,<br />

602 ⋅10<br />

C (Bestimmung durch Milikan Versuch)<br />

Die Einheit C wird Coulomb genannt.<br />

positive Elementarladung: Wasserstoffproton, Positron, +Myon, +Pion<br />

negative Elementarladung: Elektron, Antiproton, -Myon, -Pion<br />

neutrale Ladung: Neutron, Neutrino, Photon, 0Pion<br />

Ladungserhaltungssatz: In einem abgeschlossenen System bleibt die Gesamtladung konstant, d.h. La-<br />

dung vernichtet sich nicht selbständig. Makroskopisch bedeutet eine negative Gesamtladung einen Elektro-<br />

nenüberschuss <strong>und</strong> eine positive Gesamtladung einen Elektronenmangel.<br />

Coulombkraft<br />

Die Wirkungen von Ladungen aufeinander sind Kräfte, die abstoßend bei gleichem Ladungsvorzeichen <strong>und</strong><br />

anziehend bei ungleichen Vorzeichen der Ladungen sind. Dieses Verhalten wird durch die Coulombkraft<br />

beschrieben:<br />

Q 1<br />

r 12<br />

Q 2<br />

F<br />

12<br />

1<br />

=<br />

4πε<br />

0<br />

Q<br />

⋅Q<br />

1<br />

2<br />

r12<br />

2<br />

Die Größe ε0 wird Dielektrizitätskonstante<br />

ε<br />

0<br />

= 8,<br />

854 ⋅10<br />

−12<br />

r<br />

r<br />

12<br />

12<br />

2<br />

C<br />

N⋅<br />

m<br />

2<br />

genannt.


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Q1 <strong>und</strong> Q2 sind die beiden (Punkt)-Ladungen, die im Abstand r12 voneinander entfernt sind. Wie Richtung<br />

der Kraftwirkung liegt auf der Verbindungslinie r12 zwischen beiden Ladungen <strong>und</strong> ist von den Vorzeichen<br />

beider Ladungen abhängig.<br />

Vergleich zwischen Coulombkraft <strong>und</strong> Gravitationskraft<br />

Ursache<br />

Kraftrichtung<br />

Stärke<br />

Abschirmbarkeit<br />

Bedeutung<br />

Coulombkraft<br />

1 Q Q r<br />

1 ⋅Q<br />

r<br />

1 ⋅ 2 12<br />

F = 12<br />

2<br />

πε r r<br />

4 4πε 0 12<br />

12<br />

zwei Ladungen<br />

Anziehung <strong>und</strong><br />

Abstoßung<br />

groß<br />

ja<br />

Zusammenhalt<br />

der Atome<br />

Gravitationskraft<br />

m m r<br />

1 ⋅m<br />

r<br />

1 ⋅ 2<br />

F 12 = γ 2<br />

r<br />

r<br />

12<br />

12<br />

12<br />

zwei Massen<br />

Anziehung<br />

klein<br />

nein<br />

Zusammenhalt<br />

des Universums<br />

Influenz: Durch die elektrostatische Kraftwirkung werden freie Ladungen entsprechend ihrem Vorzeichen<br />

verschoben. Auf diese Weise ist eine Ladungstrennung möglich.<br />

7.1.2 Elektrisches Feld von Punktladungen<br />

Betrachtet wird eine Punktladung (Probeladung), die sich räumlich entfernt von anderen Punktladungen<br />

befindet. Je nach Ort der Probeladung erfährt diese eine resultierende Kraft, die durch die anderen Ladun-<br />

gen ausgeübt wird.<br />

F ges,0<br />

• Die resultierende Kraft ist abhängig vom Ort der Probeladung<br />

• Die Wirkung auf die Probeladung ist abhängig von dem elektrischen<br />

Feld, welches durch die drei anderen Ladungen erzeugt wird.<br />

F<br />

E =<br />

ortsabhängiges elektrisches Feld: ( x,<br />

y,<br />

z)<br />

( x,<br />

y,<br />

z)<br />

In der <strong>Physik</strong> wird meist der Feldbegriff verwendet, um verschiedene<br />

Wechselwirkungen zu beschreiben. Das Feld breitet sich im gesamten Raum aus <strong>und</strong> die Stärke der Wech-<br />

selwirkung ist abhängig von der Größe des Feldes. Ferner kann ein Feld eine zeitliche Abhängigkeit aufwei-<br />

sen.<br />

F 20<br />

F 30<br />

F 10<br />

Q 0<br />

Q 3<br />

Q 1<br />

Q 2<br />

Beispiel: Gravitationsfeld, Wirkung der Gravitationskraft auf eine Probemasse in Anwesenheit anderer<br />

Massen, die dieses Feld erzeugen.<br />

Gewichtskraft: G = m⋅ g , g ist das Gravitationsfeld, das durch die Erde erzeugt wird.<br />

Q<br />

0


Begriffsbestimmungen:<br />

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Richtung Ort Zeit<br />

Abhängig Vektorfelder inhomogene Felder Instationäre Felder<br />

Unabhängig Skalare Felder homogene Felder Stationäre Felder<br />

Das elektrische Feld, das von Punktladungen erzeugt wird lässt sich über die Coulombkraft berechnen:<br />

Die Kraft von einer Ladung Qi auf die Probeladung Q0 ist<br />

F<br />

i0<br />

1<br />

=<br />

4πε<br />

0<br />

Q ⋅Q<br />

i<br />

2<br />

ri0<br />

0<br />

r<br />

i0<br />

r<br />

Das von der Ladung i erzeugte Feld ist somit<br />

E<br />

i0<br />

1 Q r<br />

i i<br />

= 2<br />

4πε<br />

0 ri,<br />

0 ri<br />

0<br />

0<br />

i0<br />

Die resultierende Kraft auf die Probeladung im Aufpunkt bzw. das resultierende Feld im Aufpunkt, das durch<br />

die Ladungen i erzeugt wird lässt sich somit schreiben als:<br />

F = F =<br />

0 i0<br />

i<br />

i<br />

1 Q Q r<br />

i ⋅ 0 i0<br />

1<br />

2 E0 = Ei0<br />

=<br />

4πε<br />

r r<br />

4πε<br />

∑ ∑ ∑ ∑<br />

Elektrischer Dipol<br />

0<br />

i0<br />

i0<br />

i<br />

i<br />

Q<br />

i<br />

2<br />

0 ri0<br />

Zwei Ladungen gleicher Größe mit verschiedenen Vorzeichen seien in der folgenden Anordnung gegeben:<br />

y<br />

-Q +Q<br />

-a a<br />

Das elektrische Feld in x-Richtung lässt sich wie folgt berechnen:<br />

1 Q 1 − Q Q ⎛ 1 1 ⎞ Q 4 ⋅a<br />

⋅ x<br />

E =<br />

e +<br />

e = ⎜ − ⎟ ⋅ e =<br />

⋅ e 2<br />

4πε<br />

0<br />

2 x<br />

2 x<br />

2<br />

2 x<br />

2 2<br />

( x − a)<br />

4πε0<br />

( x + a)<br />

4πε<br />

⎜<br />

0 ( x a)<br />

( x a)<br />

⎟<br />

⎝ − + ⎠ 4πε0<br />

( x − a )<br />

e x ist der Einheitsvektor in x-Richtung.<br />

Für große Entfernungen x ist x>>a <strong>und</strong> der zweite Term kann angenähert werden durch:<br />

4 ⋅a<br />

⋅ x 4 ⋅a<br />

≈<br />

2 ( x − a )<br />

2 2 3<br />

x<br />

r<br />

i0<br />

r<br />

i0<br />

x<br />

x


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1 4 ⋅a<br />

⋅Q<br />

Somit lautet das elektrische Feld im Fernbereich der Ladungen E =<br />

⋅ e 3 x<br />

4πε<br />

x<br />

Definition des elektrischen Dipolmomentes: p = 2⋅<br />

a ⋅Q<br />

⋅e<br />

x<br />

Das Dipolmoment zeigt von der negativen <strong>zur</strong> positiven Ladung <strong>und</strong> hat den Betrag des Produktes aus La-<br />

dung <strong>und</strong> Abstand der Ladungen. Für die Felder auf der y-Achse können analoge Berechnungen durchge-<br />

führt werden. Die Größe der Felder nimmt mit der dritten Potenz des Abstandes vom Dipolmoment ab. Die<br />

Näherungen gelten für den Fernbereich, im Nahbereich des Dipols ist die Beschreibung des Feldes i.a.<br />

komplizierter.<br />

y<br />

-Q +Q<br />

Elektrische Feldlinien<br />

+<br />

7.1.3 Bewegung von Ladungen in E-Feldern<br />

Q,m<br />

0<br />

-a a<br />

+<br />

Richtung <strong>und</strong> Größe<br />

des Dipolfeldes auf der y-Achse<br />

Richtung <strong>und</strong> Größe<br />

des Dipolfeldes auf<br />

der x-Achse<br />

Feldlinienbilder von ruhenden Ladungen<br />

- - +<br />

-<br />

E<br />

+ - + +<br />

+<br />

0<br />

Dipolfernfelder eines Dipolmomentes in p in x-Richtung<br />

1 2⋅<br />

p<br />

E = ⋅ e<br />

x-Richtung<br />

3 x<br />

4πε0<br />

x<br />

1 p<br />

E = ⋅ e<br />

y-Richtung<br />

3 x<br />

4πε0<br />

x<br />

Zur Visualisierung des elektrischen Feldes<br />

werden elektrische Feldlinien verwendet. Die<br />

Feldlinien zeigen in jedem Punkt des Rau-<br />

mes in Richtung des elektrischen Feldes <strong>und</strong><br />

damit in Richtung der Kraftwirkung auf eine<br />

positive Probeladung. Entsprechend dem<br />

Coulombgesetz verlaufen die Feldlinien von<br />

der positiven Ladung <strong>zur</strong> negativen Ladung.<br />

Die Dichte der Feldlinien repräsentiert die<br />

Größe des elektrischen Feldes<br />

Eine Probeladung Q befinde sich in einem elektrischen Feld. Wegen der Ladung<br />

wirkt somit die Coulombkraft <strong>und</strong> die Probeladung wird beschleunigt.<br />

m ⋅ a = Q ⋅E<br />

x<br />

-<br />

-<br />

-<br />

+<br />

+<br />

+<br />

wobei m die Masse der Probeladung ist. Diese Gleichung verknüpft die Newton-<br />

sche Mechanik mit der Elektrostatik. Sie ist gültig, solange die Bewegung der


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<strong>Teil</strong>chen mit kleiner Geschwindigkeit erfolgt.<br />

Die Beschreibung der Bewegung einer einzelnen Punktladung ist somit vergleichsweise einfach. In den<br />

meisten Fällen bestehen Probeladungen jedoch nicht nur aus einer Ladung:<br />

Polarisierbarkeit: Durch die Wirkung eines elektrischen Feldes werden positive <strong>und</strong> negativen Ladungsträ-<br />

ger z.B. eines Atoms gegeneinander verschoben. Es bildet sich somit ein induziertes Dipolmoment aus<br />

+ -<br />

polare Moleküle: Polare Moleküle, wie z.B. Wasser oder NO, weisen eine bereits bestehendes festes Di-<br />

polmoment auf, d.h. das Molekül hat eine unsymmetrische Ladungsverteilung. Die Wirkung eines elektri-<br />

schen Feldes ist nun aber auf beide Ladungen unterschiedlich.<br />

F<br />

-<br />

+<br />

α<br />

p<br />

Die Kräfte auf die Einzelladungen bewirken ein Drehmoment auf das Molekül <strong>und</strong> eine Ausrichtung in Feld-<br />

richtung.<br />

Das Drehmoment auf das Molekül ist gegeben durch<br />

M = l⋅<br />

F ⋅ sinα<br />

= l⋅<br />

Q ⋅E<br />

⋅sinα<br />

= p ⋅E<br />

⋅sinα<br />

oder allgemeiner M = p × E<br />

7.1.4 Kontinuierliche Ladungsverteilungen<br />

In der Praxis tritt häufig der Fall auf, dass in einem Volumenelement eine große Anzahl von Ladungen vor-<br />

handen sind, d.h. die Berücksichtigung jeder einzelnen Elementarladung <strong>zur</strong> Berechnung des elektrischen<br />

Feldes ist sehr mühselig. Es wird die Betrachtung daher auf Volumenelemente <strong>und</strong> deren räumliche Lage<br />

zueinander eingeschränkt. Es gelten die folgenden Definitionen:<br />

Gesamtladung: Q = ∫ dq<br />

Gesamtvolumen: V = ∫ dV<br />

V<br />

V<br />

Die Integration erstreckt sich über das gesamte Volumen.<br />

-<br />

F<br />

+<br />

elktrisches Feld<br />

elktrisches Feld


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In diesem Zusammenhang wird eine Größe eingeführt, die die Dichte der Ladungen pro Volumeneinheit<br />

beschreibt: Raumladungsdichte:<br />

dQ<br />

ρ =<br />

dV<br />

Das elektrische Feld berechnet sich dann durch Überlagerung der Felder,<br />

die durch die Ladungselemente dQ hervorgerufen werden.<br />

d E<br />

1<br />

=<br />

4πε<br />

0<br />

dQ<br />

2<br />

r<br />

r<br />

r<br />

1<br />

⇒ E = ∫ 4πε<br />

V<br />

0<br />

dQ<br />

2<br />

r<br />

r ist der Verbindungsvektor zwischen Aufpunkt des elektrischen Feldes<br />

<strong>und</strong> der Ladung dQ<br />

Auf diese Art ist es möglich, bei gegebenen beliebigen Raumladungsverteilungen das ortsabhängige elektri-<br />

sche Feld zu berechnen.<br />

Beispiele:<br />

Plattenkondensator:<br />

σ=const<br />

dE<br />

+<br />

+<br />

+<br />

+<br />

+<br />

+<br />

+<br />

+<br />

r<br />

r<br />

Elektrisches Feld einer unendlich ausgedehnten gelade-<br />

nen Fläche mit der Flächenladungsdichte<br />

Q<br />

σ = ,<br />

A<br />

die sich im Ursprung in der y,z-Ebene ausdehnt ist gege-<br />

ben durch:<br />

E<br />

x<br />

1<br />

=<br />

2ε<br />

0<br />

σ x > 0<br />

Das Feld besitzt nur Komponenten in x-Richtung <strong>und</strong> ist überall gleich groß. Näherungsweise beschreibt<br />

dieses Modell das Verhalten eines Plattenkondensators.<br />

Punktladung:<br />

E r<br />

Q<br />

Geladene Kugeln:<br />

r<br />

E x<br />

dQ<br />

Das Feld einer Punktladung verläuft radial nach außen <strong>und</strong> hat den Wert<br />

E<br />

r<br />

1 Q<br />

= , wobei r der Abstand vom Mittelpunkt der Kugel ist.<br />

2<br />

4πε<br />

r<br />

0<br />

x


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E r<br />

+ + R<br />

+<br />

+ +<br />

+<br />

+<br />

+<br />

+ + +<br />

+<br />

+ + +<br />

+<br />

+<br />

+ + +<br />

+<br />

r<br />

E r<br />

+ +<br />

+<br />

+<br />

+<br />

+<br />

+<br />

+<br />

+<br />

+ +<br />

+ + R<br />

+<br />

+<br />

+<br />

+<br />

+<br />

+<br />

+<br />

+<br />

+ + +<br />

homogen geladene Homogen geladene<br />

Kugel Kugelschale<br />

1 Q<br />

Feld innerhalb Er = rr<br />

< R E 3<br />

r = 0r<br />

< R<br />

4πε<br />

R<br />

0<br />

1 Q<br />

1 Q<br />

Feld außerhalb Er = r > R E r R<br />

2<br />

r = > 2<br />

4πε<br />

r<br />

4πε<br />

r<br />

0<br />

7.1.5 Ladung <strong>und</strong> Feld auf leitenden Oberflächen<br />

E 0<br />

-<br />

-<br />

-<br />

-<br />

-<br />

-<br />

-<br />

-<br />

-<br />

-<br />

0<br />

Leitende Oberflächen zeichnen sich dadurch aus, dass sie frei beweg-<br />

liche Ladungsträger innerhalb des leitenden Materials besitzen. Wird<br />

ein leitendes Material einem elektrischen Feld ausgesetzt, so bewegen<br />

sich die Ladungsträger durch die Wirkung der Coulombkraft zum bzw.<br />

entgegengesetzt dem elektrischen Feld, bis das äußere Feld durch die<br />

Ladungsträgerverschiebung aufgehoben wird. das Innere des leitenden<br />

Materials ist dann feldfrei.<br />

• Die durch Influenz erzeugten Oberflächenladungen des leitenden Materials ist gerade so groß, dass<br />

das externe elektrische Feld E0 gerade aufgehoben wird.<br />

• Ein elektrisches Feld steht stets senkrecht auf der Leiteroberfläche <strong>und</strong> hat die Größe<br />

(doppelter Beitrag einer einzigen unendlich ausgedehnten Platte)<br />

• Auf diesem Effekt beruht die Abschirmwirkung von geschlossenen Metallkäfigen:<br />

Feldemission:<br />

E innen<br />

E 0<br />

+<br />

+<br />

+<br />

+<br />

+<br />

+<br />

+<br />

+<br />

+<br />

+<br />

E 0<br />

Faraday-Käfig: z.B. Blitzschutz im Auto<br />

Abschirmende Wirkung durch vergittertes Fenster in der Mikrowelle<br />

leitende Kunststoffe für EMV bei elektronischen Geräten<br />

r<br />

En<br />

σ<br />

= .<br />

ε<br />

0


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Durch die Kraftwirkung des äußeren elektrischen Feldes können Ladungsträger aus dem Inneren des leiten-<br />

den Materials herausgezogen werden. Dieser Effekt wird Feldemission genannt.<br />

Beispiele:<br />

• Aufladung an trockenen Tagen <strong>und</strong> Schlagwirkung bei Berühren von geerdeten Gegenständen.<br />

• Funkensprühen beim Kämmen, Knistern beim Aus- <strong>und</strong> Anziehen synthetischer Pullover.<br />

7.2 Elektrisches Potential<br />

7.2.1 Definitionen<br />

In der Mechanik wurde die potentielle Energie eingeführt, um Bezugspunkte festzulegen. Die Differenz zwi-<br />

schen zwei potentiellen Energien war dabei ein Maß für die Arbeit, die z.B. in eine Masse hineingesteckt<br />

werden musste, um diese im Schwerefeld der Erde um eine gewisse Höhe anzuheben: Δ E = m⋅<br />

g ⋅h<br />

.<br />

Wird eine Ladung durch ein elektrisches Feld bzw. die Coulombkraft verschoben, so wird an der Ladung<br />

durch das Feld Arbeit verrichtet <strong>und</strong> die verrichtete Arbeit entspricht auch in diesem Falle einer Änderung<br />

der potentiellen Energie:<br />

dEpot = −FCoulomb<br />

⋅ds<br />

⇒ dEpot<br />

= −Q<br />

⋅E<br />

⋅ ds<br />

Auch hier ist die Bewegung relevant, die parallel <strong>zur</strong> Kraftwirkung ausgeführt wird. die Änderung der poten-<br />

tiellen Energie ergibt sich dann zu<br />

ΔE<br />

pot<br />

=<br />

2<br />

∫<br />

1<br />

− Q ⋅E<br />

⋅ds<br />

In der Elektrostatik wird meist nicht die potentielle Energie eine Ladung betrachtet, sondern die Energie<br />

bezogen auf die Ladung. Es wird definiert die<br />

2<br />

dEpot<br />

ΔEpot<br />

Potentialdifferenz: d Φ = = −E<br />

⋅ds<br />

⇒ ΔΦ = Φ2<br />

− Φ1<br />

= = ∫ −E<br />

⋅ds<br />

Q<br />

Q<br />

Die Potentialdifferenz ist die durch ein elektrisches Feld verrichtete Arbeit pro Ladungseinheit,<br />

wenn die Probeladung sich vom Punkt 1 zum Punkt 2 bewegt. Potentialdifferenz <strong>und</strong> Arbeit haben<br />

entgegengesetzte Vorzeichen.<br />

Im technischen Sprachgebrauch wird die Potentialdifferenz als elektrische Spannung bezeichnet. Allgemein<br />

kann analog <strong>zur</strong> potentiellen Energie z.B. im Schwerefeld der Erde die ein Bezugspunkt des Potentials zu<br />

Null gesetzt werden.<br />

Spannung: U Φ − Φ = ΔΦ , 1 V = 1 J/C<br />

12 = 2 1<br />

Spannung <strong>und</strong> Potential haben die Einheit von Energie/Ladung.<br />

1


<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 142<br />

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Beispiel: In einer Autobatterie ist das Potential des positiven Pols gegenüber dem negativen Pol um 12 V<br />

höher. Wird ein Verbraucher an die Batterie angeschlossen, nimmt die potentielle Energie einer Ladung von<br />

1 C um Δ = Q ⋅ ΔΦ = 1C<br />

⋅12V<br />

= 12J<br />

ab. Diese Energieabnahme wird in Form von elektrischer Ener-<br />

E pot<br />

gie dem Verbraucher zugeführt.<br />

Einheitenumrechnung, Analogie zwischen elektrischen <strong>und</strong> mechanischen Größen:<br />

Aus obiger Gleichung folgt:<br />

1 J = 1 Nm = 1 VC, daraus: 1 V/m = 1 V/C<br />

Eine positive Probeladung wird in einem elektrischen Feld beschleunigt.<br />

Die Zunahme der kinetischen Energie entspricht gerade der Abnahme der<br />

potentiellen Energie. Die Probeladung bewegt sich somit von einem hohen<br />

Potential in Richtung des niedrigeren Potentials. Elektrische Feldlinien zei-<br />

gen somit in Richtung des niedrigeren Potentials.<br />

Analogie: Im Schwerefeld der Erde bewegt sich eine Masse in Richtung des<br />

Erdmittelpunktes. Die potentielle Energie wird dabei kleine, während die kinetische Energie um den gleichen<br />

Betrag anwächst.<br />

7.2.2 Potential von Punktladungen<br />

Das elektrische Feld einer Punktladung war:<br />

1<br />

=<br />

4πε<br />

Q<br />

r<br />

Er 2<br />

0<br />

Das Feld zeigt bei einer positiven Punktladung radial nach außen.<br />

Eine Änderung der potentiellen Energie wird demnach nur erreicht, wenn eine Probeladung im Feld dieser<br />

Punktladung parallel zu den Feldlinien bewegt wird. Eine Verschiebung einer Probeladung Q0 um ds, die<br />

eine Änderung des Potentials bewirkt, entspricht daher genau einer Erhöhung des Abstandes um dr, d.h.<br />

dE<br />

Φ =<br />

q<br />

1<br />

= −E<br />

⋅ds<br />

= −<br />

4πε<br />

d<br />

pot<br />

2<br />

0<br />

Q<br />

dr<br />

r<br />

(Minuszeichen: Eine Verringerung des Abstandes bewirkt eine Erhöhung des Potentials)<br />

1 Q 1 Q<br />

oder nach Integration: ΔΦ = ∫ − dr = + Φ<br />

2<br />

0<br />

4πε<br />

r 4πε<br />

r<br />

0<br />

0<br />

Üblicherweise wird das Potential im Unendlichen zu Null gesetzt, wodurch der Term Φ 0 ebenfalls zu Null<br />

gesetzt werden kann.<br />

Φ = 0 für Φ = 0 bei r → ∞<br />

0<br />

Wird demnach eine positive Probeladung im Feld einer anderen positiven Ladung im Abstand r losgelassen,<br />

so wird die positive Ladung ins Unendliche bewegt. Die Arbeit die das Feld an der Probeladung verrichtet<br />

ergibt sich dann zu:<br />

r<br />

r


∞<br />

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1<br />

W = ∫Q<br />

0 ⋅E<br />

⋅ds<br />

= Q0<br />

⋅ ∫E<br />

⋅ds<br />

= Q0<br />

⋅∫<br />

4πε<br />

r<br />

∞<br />

r<br />

∞<br />

r<br />

0<br />

Q 1<br />

⋅ ⋅ dr = 2<br />

r 4πε<br />

0<br />

Q0<br />

⋅Q<br />

⋅ ⋅<br />

r<br />

Die potentielle Energie ist demnach am Punkt P im Abstand r gegeben durch das<br />

Potential an dieser Stelle multipliziert mit der Probeladung Q0.<br />

1<br />

=<br />

4πε<br />

Q0<br />

⋅Q<br />

⋅ = Q<br />

r<br />

Epot 0<br />

0<br />

⋅Φ<br />

( r)<br />

Potential eines Systems von Punktladungen:<br />

Das elektrische Feld eines Systems von Punktladungen bestimmt sich aus der Überlagerung der Felder der<br />

Einzelladungen:<br />

E = E + E + .... + E<br />

ges<br />

1<br />

2<br />

n<br />

Mit der Definition der Potentialdifferenz folgt hieraus sofort<br />

d Φ = −E<br />

ges<br />

1<br />

⋅ds<br />

⇒ Φ(<br />

r0<br />

) = ∑ 4πε<br />

Q<br />

r<br />

i 0 0i<br />

Potential einer kontinuierlichen Ladungsverteilungen:<br />

i<br />

Die gleichen Überlegungen gelten für kontinuierliche Ladungsverteilungen, nur dass wiederum die Summa-<br />

tion durch die Integration über infinitesimal kleine Ladungseinheiten ersetzt wird<br />

1<br />

Φ(<br />

r0<br />

) = ∫ 4πε<br />

Beispiele:<br />

Q<br />

Q 0<br />

0<br />

dQ<br />

r<br />

Plattenkondensator:<br />

1<br />

Das elektrische Feld einer unendlich ausgedehnten geladenen Fläche war E x = σ x > 0<br />

2ε<br />

Das Potential lässt sich hieraus errechnen aus der Bedingung:<br />

x<br />

1<br />

Φ<br />

2ε<br />

∫<br />

1<br />

2ε<br />

( x)<br />

− Φ(<br />

0)<br />

= ∫ Ex<br />

⋅dx′<br />

= − σ dx′<br />

= Φ0<br />

− σ⋅<br />

x für x > 0<br />

0<br />

0<br />

x<br />

0<br />

wobei Φ 0 das Potential auf der Platte ist. Das Potential ist auf der Platte am größten <strong>und</strong> nimmt stetig mit<br />

zunehmendem Abstand ab. Allerdings wird das Potential in diesem Falle im Unendlichen nicht zu Null.<br />

Im Feld eines Plattenkondensators würde die potentielle Energie einer Ladung demnach linear mit dem<br />

Abstand von der Platte abnehmen:<br />

Potentialdifferenz: ΔΦ = U = E ( x − x )<br />

12<br />

x<br />

2<br />

1<br />

0<br />

0


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Die Spannung, die zwischen den Platten eines Kondensators abfällt, ist proportional dem Abstand der Plat-<br />

ten.<br />

7.2.3 Feld <strong>und</strong> Potential, Poissongleichung<br />

Äquipotentiallinien:<br />

Aus der Definitionsgleichung des Potentials dΦ = −E<br />

⋅ ds folgt, dass die Änderung des Potentials Null ist,<br />

wenn die Verschiebung senkrecht zum elektrischen Feld erfolgt. Andererseits ist sie am größten, wenn sie<br />

in Richtung des elektrischen Feldes erfolgt. Das Potential weist dort den größten Gradienten auf.<br />

Beispiel Punktladung:<br />

Gardienten des Potentials beschreiben:<br />

E = −gradΦ<br />

= −∇Φ<br />

Entlang den Äquipotentiallinien ist das elektrische Feld vom<br />

Betrage her gleich groß. Im Falle der Punktladung ist dies<br />

gegeben in gleichen Abständen vom Mittelpunkt der Punktla-<br />

dungen. Da in diesem Falle zum Verschieben einer Probela-<br />

dung keine Arbeit benötigt wird, steht wegen<br />

d Φ = E ⋅ ds<br />

= 0 das elektrische Feld stets senkrecht auf<br />

den Potentiallinien.<br />

In vektorieller Schreibweise lässt sich die Gleichung wie folgt darstellen:<br />

⎛E<br />

⎜<br />

E = ⎜E<br />

⎜<br />

⎝E<br />

x<br />

y<br />

z<br />

Q<br />

Äquipotentiallinien<br />

⎛ δΦ<br />

⎞ ⎛ d ⎞<br />

⎜ ⎟ ⎜ ⎟<br />

⎞<br />

⎜ ⎟ ⎜ dx ⎟<br />

⎟<br />

⎜ dΦ ⎟<br />

=<br />

⎜ d ⎟<br />

⎟ = − Φ =<br />

⎜ ⎟ ⎜ ⎟<br />

Φ = −∇Φ<br />

⎟<br />

dy dy<br />

⎠<br />

⎜ ⎟ ⎜ ⎟<br />

⎜<br />

dΦ<br />

⎟ ⎜<br />

d<br />

⎟<br />

⎝ dz ⎠ ⎝ dz ⎠<br />

dx<br />

grad<br />

⎛ δ ⎞<br />

⎜ ⎟<br />

⎜ δx<br />

⎟<br />

⎜ δ ⎟<br />

Hierbei wird ∇ = der Nabla-Operator genannt<br />

⎜ δy<br />

⎟<br />

⎜ ⎟<br />

⎜<br />

δ<br />

⎟<br />

⎝ δz<br />

⎠<br />

Diese Eigenschaften lassen sich mathematisch durch den<br />

Durch die Gradientenoperation wird aus dem skalaren Potential Φ einen Vektor erzeugt, der in die Richtung<br />

der Abnahme von Φ zeigt. Aus Symmetriegründen kann auch eine Operation eingeführt werden, die eine<br />

vektorielle Größe zu einer skalaren Größe umwandelt. Diese Rechenoperation wird Divergenz genannt. Es<br />

kann gezeigt werden, dass im Falle kontinuierlicher Landungsverteilungen gilt:


<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 145<br />

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dQ<br />

Mit der Raumladungsdichte: ρ = kann gezeigt werden, dass<br />

dV<br />

⎛ δ ⎞<br />

⎜ ⎟<br />

⎜ δx<br />

⎟ ⎛E<br />

x ⎞<br />

⎜ δ ⎟ ⎜ ⎟ δ δ δ 1<br />

div E = ∇ ⋅E<br />

=<br />

⎜ ⎟<br />

⋅⎜E<br />

y ⎟ = E x + E y + Ez<br />

= ρ Poissongleichung<br />

δy<br />

⎜ ⎟ δx<br />

δy<br />

δz<br />

ε0<br />

⎜ ⎟ ⎝ ⎠<br />

⎜<br />

δ<br />

Ez<br />

⎟<br />

⎝ δz<br />

⎠<br />

Wird hier der funktionale Zusammenhang zwischen E <strong>und</strong> Φ eingesetzt, so ergibt sich:<br />

div E<br />

⎛ δ ⎞ ⎛⎛<br />

δ ⎞ ⎞<br />

⎜ ⎟ ⎜⎜<br />

⎟ ⎟<br />

⎜ δx<br />

⎟ ⎜⎜<br />

δx<br />

⎟ ⎟<br />

2<br />

2<br />

2<br />

⎜ δ ⎜⎜<br />

δ ⎟ ⎟ δ δ δ<br />

= −divgradΦ<br />

= ∇ ⋅<br />

⎟<br />

⎜ ⎟ ⎜⎜<br />

δ ⎟ ⎟ 2<br />

2 2<br />

δy<br />

y δx<br />

δy<br />

δz<br />

⎜ ⎟ ⎜⎜<br />

⎟ ⎟<br />

⎜<br />

δ<br />

⎟ ⎜<br />

⎜⎜<br />

δ<br />

⎟ ⎟<br />

⎝ δz<br />

⎠ ⎝⎝<br />

δz<br />

⎠ ⎠<br />

Der Operator<br />

( ∇ ⋅ Φ)<br />

= ⋅ ⋅Φ<br />

= Φ + Φ + Φ = ΔΦ<br />

2 2 2<br />

⎛ δ δ δ ⎞<br />

= div grad = ⎜ + + ⎟ wird Laplace-Operator genannt.<br />

2 2<br />

⎝ δx<br />

δy<br />

δz<br />

⎠<br />

Δ 2<br />

Hieraus ergibt sich die Laplacegleichung<br />

1<br />

ΔΦ = −<br />

ε ρ<br />

0<br />

Anschauliche Deutung: Die Divergenz eines Feldes ist die Quelle, von der das elektrische Feld ausgeht, ist<br />

die Raumladungsdichte<br />

• positiv: Das Feld beginnt an dieser Raumladungsdichte, die Feldlinien verlaufen aus dem Volumen<br />

von der Raumladungsdichte weg.<br />

• negativ: Das Feld endet in der Raumladungsdichte, die Feldlinien laufen in das Volumen mit<br />

der Raumladungsdichte hinein.<br />

• Null: Das Feld besitzt keine Quelle. Bezogen auf ein festes Volumen enden keine Feldlinien in<br />

diesem Volumen, vielmehr laufen genauso viele Feldlinien hinein wie heraus.<br />

Wird die Poissongleichung über das Volumen, welches die gesamte Ladung der Raumladungsdichte ent-<br />

hält, integriert, so folgt<br />

∫<br />

V<br />

1 1<br />

divE<br />

dV = ρ dV = Q<br />

ε ∫ ε<br />

0<br />

V<br />

0<br />

innen<br />

Andererseits gilt aber auch der Gaußsche Integralsatz, wonach<br />

∫<br />

V<br />

div<br />

E dV =<br />

∫<br />

S<br />

EdA<br />

=<br />

∫<br />

S<br />

E<br />

n<br />

dA


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Hieraus lässt sich allgemein das Durchflutungsgesetz ableiten, welches<br />

eine bessere anschauliche Bedeutung hat, als die Schreibweise mit<br />

Differentialoperatoren<br />

1<br />

∫ EdA<br />

= ∫divE<br />

dV = Qinnen<br />

Gaußscher Satz<br />

ε<br />

S<br />

V<br />

0<br />

Anschaulich: Der gesamte Fluss der elektrischen Feldlinien senk-<br />

recht zu einer geschlossenen Oberfläche ist einzig abhängig von<br />

der gesamten Ladung, die sich innerhalb der geschlossenen Ober-<br />

fläche befindet.<br />

Dieses Durchflutungsgesetz hat in der Elektrostatik <strong>und</strong> Elektrodynamik eine große Bedeutung (1. Maxwell-<br />

sche Gleichung). Allerdings ist die mathematische Behandlung (Integration bzw. Differentiation) i.a. sehr<br />

schwierig.<br />

7.3 Elektrischer Strom:<br />

7.3.1 Definitionen:<br />

Strom<br />

dQ<br />

I = [A=Ampere]<br />

dt<br />

Unter Strom wird die pro Zeiteinheit transportierte Ladung Q verstanden, die durch die Querschnittsfläche<br />

z.B. eines Leiters fließt.<br />

Daraus folgt, dass die transportierte Ladung berechnet werden kann aus: Q = ∫Idt<br />

Wenn die Stromstärke konstant ist, vereinfacht sich die obige Gleichung zu Q = I⋅<br />

t<br />

Stromdichte<br />

I<br />

j = , Strom pro Querschnittsfläche in einem Leiter<br />

A<br />

Spannung : Unter der elektrischen Spannung wird nach den Ausführungen im vorigen Kapitel ein Maß <strong>zur</strong><br />

Trennung von Ladungsträgern verstanden. Eine Spannung tritt immer dann auf, wenn positive <strong>und</strong> negative<br />

Ladungsträger voneinander getrennt werden. Werden diese Pole miteinander verb<strong>und</strong>en, so findet ein La-<br />

dungsträgeraustausch statt, d.h. es fließt ein Strom. Die Spannung ist gleich der Potentialdifferenz wischen<br />

zwei Punkten, die gerade den Unterschied in der potentiellen Energie von Ladungen beschreibt.<br />

ΔEpot<br />

U = ΔΦ = 1 V = 1 J/C<br />

Q<br />

Die Ladung von 1 C ändert demnach die potentielle Energie um 1 J, wenn sie eine Spannung von 1 V<br />

durchläuft.<br />

Q<br />

En<br />

dA<br />

Energieeinheit Elektronenvolt:<br />

t<br />

t<br />

2<br />

1


<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 147<br />

Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />

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Bei atomistischen Vorgängen werden oftmals Ladungsträger betrachtet, die gerade die Elementarladung<br />

tragen. Bei diesen Betrachtungen wird eine Umrechnung der Energie dieser Ladungsträger in eine günstige-<br />

re Einheit vorgenommen: Durchläuft ein Elektron eine Spannungsdifferenz von einem Volt, so erhöht (oder<br />

erniedrigt) es seine potentielle Energie gerade um 1 Elektronenvolt:<br />

Mit U = 1 V, Q = 1,602 10 -19 C wird<br />

ΔE<br />

pot<br />

⇒ 1 eV =<br />

= U⋅<br />

Q =<br />

1,<br />

602 ⋅10<br />

⇒ 1 J = 6,<br />

242⋅10<br />

1,<br />

602 ⋅10<br />

18<br />

−19<br />

J<br />

eV<br />

−19<br />

VC =<br />

7.3.2 Elektronenleitung in Leitern<br />

1,<br />

602 ⋅10<br />

−19<br />

J = 1 eV<br />

Ein elektrischer Strom in einem Leiter entsteht durch die Bewegung von freien Ladungsträgern des Leiters.<br />

Hierzu ist eine Spannung notwendig, die über dem Leiter eine Potentialdifferenz aufrecht erhält. Diese<br />

Spannung wird von einer Spannungsquelle erzeugt. Die Energie, die <strong>zur</strong> Aufrechterhaltung der Spannung<br />

notwendig ist, wird durch Umwandlung anderer Energieformen erreicht:<br />

Chemisch: Galvanische Elemente<br />

Mechanisch: Generatoren<br />

Lichtenergie: Solarzellen<br />

Q vd<br />

Eine Stromstärke von 1A wird erreicht, wenn durch<br />

den Leiterquerschnitt pro Sek<strong>und</strong>e eine Ladung von<br />

C<br />

1 C fließt: 1 A = 1<br />

s<br />

Technische Stromrichtung: von positiver Span-<br />

nung zu negativer Spannung. Die Ladungsträger<br />

werden dabei als positiv geladen angenommen. Elektronen in einem metallischen Draht bewegen sich da-<br />

her in der entgegengesetzten Richtung.<br />

Elektronenbewegung:<br />

A<br />

Der Strom berechnet sich aus der Anzahl der Ladungen, die pro Zeiteinheit durch die Querschnittsfläche A<br />

hindurchdriften. Die Dichte der beweglichen Ladungsträger im Leiter betrage n.<br />

Ladungsträger in Metallen vollziehen eine sehr hohe thermische Bewegung, die durch Stöße der Elektronen<br />

mit dem Kristallgitter jedoch ständig gebremst wird. Die thermische Bewegung ist völlig ungeordnet, d.h. es<br />

gibt keine Vorzugsrichtung der Bewegung. Wird eine äußere Spannung angelegt, so werden die Ladungs-<br />

träger zusätzlich entgegen der Spannungsdifferenz beschleunigt (entgegen, da negativ geladen). Im Mittel<br />

bewegen sich die Elektronen demnach mit einer kleineren Driftgeschwindigkeit vd, da sie nach jedem Stoß<br />

mit dem Gitter erneut beschleunigt werden müssen.<br />

In einer Zeit Δ t legt eine Ladung somit eine Strecke s v d t Δ ⋅ = Δ <strong>zur</strong>ück.


<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 148<br />

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Ein Volumenelement A ⋅ Δs<br />

enthält N = n⋅<br />

A ⋅ Δs<br />

Ladungen<br />

Der Strom als Anzahl der Ladungen pro Zeiteinheit ist somit<br />

Beispiel:<br />

N⋅<br />

Q n⋅<br />

A ⋅ Δs<br />

⋅Q<br />

n ⋅ A ⋅ v d ⋅ Δt<br />

⋅Q<br />

= =<br />

=<br />

= n ⋅ A ⋅ v<br />

Δt<br />

Δt<br />

Δt<br />

I d<br />

Driftgeschwindigkeit von Elektronen in einem Kupferdraht<br />

Radius r = 0,815 mm<br />

Strom I = 1 A<br />

Dichte von Kupfer ρ = 8,93 g/cm 3<br />

molare Masse M = 63,5 g/mol<br />

Cu ist i.a. einwertig, d.h. im Kristall stellt jedes Cu-Atom ein freies Elektron <strong>zur</strong> Verfügung.<br />

Berechnung der Atomdichte: 1 Mol enthält NA = 6,02 10 23 Atome (Avogadrozahl)<br />

Anzahl der Atome pro cm 3 :<br />

ρ ⋅N<br />

8,<br />

47<br />

A<br />

nA = = ⋅<br />

M<br />

10<br />

22<br />

Atome pro cm<br />

3<br />

Wenn jedes Atom gerade ein freies Elektron <strong>zur</strong> Verfügung stellt, ist die Dichte der Elektronen ebenfalls<br />

n = 8,47 10 22 Elektronen pro cm 3<br />

.<br />

Mit obiger Gleichung folgt für die Driftgeschwindigkeit vd:<br />

I I<br />

= =<br />

n⋅<br />

A ⋅Q<br />

n⋅<br />

π ⋅r<br />

=<br />

⋅e<br />

8,<br />

47 ⋅10<br />

1<br />

A ⋅cm<br />

v d<br />

2<br />

22<br />

2<br />

Insgesamt ergibt sich<br />

Vd = 3,54 10 -2 mm/s = 3,54 10 -5 m/s<br />

⋅ π ⋅<br />

2<br />

−19<br />

( 0,<br />

815)<br />

⋅1,<br />

6 ⋅10<br />

mm ⋅C<br />

Die Driftgeschwindigkeiten der Elektronen liegen in der Größenordnung 0,01 m/s <strong>und</strong> sind somit sehr klein.<br />

Die Wirkung eines Stromes bzw. einer Spannung ist hingegen sofort nach dem Einschalten spürbar. Die<br />

Ausbreitungsgeschwindigkeit des elektrischen Feldes beträgt hier die Lichtgeschwindigkeit.<br />

Analogie: Wird auf einen gefüllten Wasserschlauch auf einer Seite Druck erzeugt, so beginnt das Wasser<br />

sofort zu fließen. Das Wassermolekül, auf das der Druck ausgeübt wurde, erreicht da Ende des Schlauches<br />

jedoch erst viel später. Die Druckwelle breitet sich mit Schallgeschwindigkeit aus, die Molekülbewegung ist<br />

viel langsamer.<br />

Elektronenbewegung in der Vakuumröhre<br />

Es werden durch Glühemission aus der Kathode freie Elektronen ins Vakuum emittiert <strong>und</strong> durch eine ange-<br />

legte Spannung in Richtung einer Anode beschleunigt. Zwischen Kathode <strong>und</strong> Anode liegt eine Spannung<br />

3<br />

⋅Q


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von 100 V, d.h. durch das elektrische Feld zwischen Kathode <strong>und</strong> Anode wird an den Elektronen eine Be-<br />

schleunigungsarbeit verrichtet.<br />

Größe der Beschleunigungsarbeit: W = e ⋅ ΔΦ<br />

Diese Arbeit wird in kinetische Energie der Elektronen umgewandelt, d.h. kurz vor Erreichen der Anode<br />

1 2<br />

−17<br />

haben die Elektronen die Energie Ekin<br />

= m ⋅ v = e ⋅ ΔΦ = 100eV<br />

= 1,<br />

602⋅10<br />

J<br />

2<br />

Hieraus lässt sich die Geschwindigkeit der Elektronen (m = 9,12 10 -31 kg) sofort bestimmen zu<br />

v =<br />

2 ⋅e<br />

⋅ ΔΦ<br />

6<br />

= 5,<br />

93 ⋅10<br />

m / s<br />

m<br />

Die Ausbreitungsgeschwindigkeit freier Elektronen ist im Vakuum um ein Vielfaches höher als im Festkör-<br />

per.<br />

7.3.3 Elektrischer Widerstand <strong>und</strong> Ohmsches Gesetz<br />

Wenn in einem Leiter ein Strom fließt, so ist sein Inneres nicht feldfrei, d.h. es herrscht kein elektrostati-<br />

sches Gleichgewicht im Innern des Leiters. Wird demnach eine äußere Spannung an einen Leiter angelegt,<br />

so bewegen sich die Ladungsträger im Innern des Leiters aufgr<strong>und</strong> der elektrostatischen Kraftwirkung.<br />

• Positive Ladungsträger von + nach - � technische Stromrichtung<br />

• Negative Ladungsträger von - nach + � Richtung der Elektronenbewegung<br />

Wird eine elektrische Spannung an einen Leiter gelegt, so fällt die gesamte Spannung über diesem Leiter<br />

ab. In einem kleinen Leiterstück kann das elektrische Feld als konstant angenommen werden. Über diesem<br />

Leiterstück liegt die Potentialdifferenz<br />

ΦA<br />

Leitwert G: I = G⋅<br />

U<br />

elektrischer Widerstand R: U = R⋅ I<br />

Ohmsches Gesetz:<br />

Δl<br />

E<br />

ΦB<br />

U A B<br />

= Φ − Φ = E ⋅ Δl<br />

Die sich einstellende Stromstärke in diesem Leiter-<br />

stück ist der anliegenden Spannung proportional.<br />

Die Proportionalitätskonstante wird Leitwert ge-<br />

nannt:<br />

G = 1 R G in S (Siemens), R in Ω (Ohm)<br />

Ist der sich einstellende Strom durch einen Leiter (oder durch ein Bauteil) proportional der angelegten Span-<br />

nung, so gilt das Ohmsche Gesetz: U = R ⋅I


<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 150<br />

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Materialien, die dem ohmschen Gesetz gehorchen, werden ohmsche Widerstände bezeichnet. Die Größe<br />

des ohmschen Widerstandes ist von der Geometrie des Leiters abhängig. Für ohmsche Widerstände gilt:<br />

l<br />

= ρ , wobei l die Länge des Leiters, A die Querschnittsfläche <strong>und</strong> ρel, Einheit [Ωm], der spezifische<br />

A<br />

R el<br />

Widerstand des Leitermaterials sind. ρel ist eine temperaturabhängige Materialkonstante.<br />

( )<br />

Temperaturabhängigkeit: ρ = ρ 1+ α(<br />

− 20°<br />

)<br />

20<br />

t C , t Temperatur in °C<br />

Der lineare Zusammenhang gilt meist nur näherungsweise für kleinere Temperaturbereiche (20°C - 60°C).<br />

Oftmals werden auch anderen Kenngrößen bzw. Formulierungen <strong>zur</strong> Beschreibung des Ohmschen Geset-<br />

zes verwendet.<br />

Spezifische Leitfähigkeit<br />

1<br />

σ = ⇒ G = σ<br />

ρ<br />

A<br />

l<br />

Wenn das elektrische Feld im Innern eines Leiters nicht konstant ist, so gilt das Ohmsche Gesetz nur noch<br />

für kleinere Bereiche, in denen das Feld als konstant angenommen werden kann.<br />

A I U<br />

Aus I = G⋅U ⇔ I = σ U ⇒ = σ<br />

l A l<br />

I U<br />

Der Quotient = j wird als Stromdichte bezeichnet, der Quotient = E ist gerade das (konstante) elekt-<br />

A<br />

l<br />

rische Feld, welches im Leiter anliegt. Hieraus folgt die allgemeine Formulierung des Ohmschen Gesetzes,<br />

welches die Richtung der Stromausbreitung in Abhängigkeit des elektrischen Feldes beschreibt: j = σ ⋅E<br />

Der Strom durch eine Querschnittsfläche A berechnet sich dann nach ∫ ⋅ = I j dA<br />

Leitfähigkeitsmodell:<br />

• Freie Elektronen verhalten sich wie ein Gas im Ionengitter.<br />

• Durch thermische Bewegung werden ständig Energie <strong>und</strong> Impuls mit dem Gitter ausgetauscht.<br />

• Durch Übertragung der kinetischen Gastheorie kann den Elektronen eine Geschwindigkeit aufgr<strong>und</strong><br />

ihrer thermischen Energie zugeordnet werden:<br />

v<br />

eff<br />

3 ⋅k<br />

⋅ T<br />

m<br />

= (ungefähr 1,2 10 5 m/s)<br />

e<br />

• Ein zusätzliches elektrisches Feld überlagert der thermischen Bewegung eine Driftbewegung vd der<br />

Elektronen entgegen dem Feld.<br />

• Durch die ständigen Stoßvorgänge wird die Bewegung der Elektronen gebremst, wodurch sich ein<br />

stationärer Zustand einstellt: Der Strom nimmt aufgr<strong>und</strong> der Materialeigenschaften nur einen endli-<br />

chen Wert an.<br />

A


<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 151<br />

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• Eine Erhöhung des Feldes bewirkt somit nur eine endliche Erhöhung der Driftgeschwindigkeit.<br />

Diese Verhalten wird oftmals ausgedrückt durch die Beweglichkeit von Ladungsträgern in Festkörpern:<br />

Beweglichkeit: = μ ⋅E<br />

v d<br />

1<br />

Zusammenhang zwischen Leitfähigkeit <strong>und</strong> Beweglichkeit: σ = = n ⋅e<br />

⋅μ<br />

ρ<br />

7.3.4 Energie des elektrischen Stromes<br />

sich somit aus:<br />

Δ W = ΔQ<br />

2 1<br />

( Φ − Φ ) = ΔQ(<br />

− U)<br />

Es fließe ein Strom durch einen Draht mit dem<br />

Querschnitt A. Betrachtet werde eine Länge Δ l des<br />

Drahtes, in dem das elektrische Feld konstant sei.<br />

Die Ladung Δ Q durchquere innerhalb des Draht-<br />

stückes die Potentialdifferenz 1 2 Φ − Φ<br />

Die Änderung der potentiellen Energie berechnet<br />

Der Verlust an potentieller Energie beim Durchqueren der Potentialdifferenz wird zunächst als kinetische<br />

Energie in die Ladung gesteckt. Durch die Gitterstöße wird diese kinetische Energie jedoch wieder abgege-<br />

ben, wodurch sich das Gitter aufheizt. Bezogen auf die Zeit Δt, die die Ladung zum Durchqueren des Lei-<br />

tungsstückes benötigt gilt<br />

ΔW<br />

ΔQ<br />

− = U<br />

Δt<br />

Δt<br />

oder<br />

P = U⋅I<br />

Die Energie wird an das Gitter abgegeben, daher das Minuszeichen.<br />

Eine Energieabgabe pro Zeit (bzw. Arbeit pro Zeit) ist definiert als Leistung P. Die Leistung P, die in einem<br />

Leiter (Bauteil) verbleibt ist demnach gegeben aus dem Produkt von Strom <strong>und</strong> Spannung. Bei Gültigkeit<br />

des Ohmschen Gesetzes kann auch geschrieben werden:<br />

P = U⋅I<br />

= I<br />

2<br />

Φ1<br />

2<br />

U<br />

⋅R<br />

=<br />

R<br />

Δl<br />

ΔQ<br />

Die Leistung, die im Leiter (Bauteil) verbleibt wird als Joulsche Wärme bezeichnet.<br />

7.4 Gleichstromkreise<br />

E<br />

7.4.1 Spannungsquellen<br />

Φ2


<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 152<br />

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In Spannungsquellen wird an Ladungsträgern eine Arbeit verrichtet, wodurch sie auf ein höheres Potential<br />

gehoben werden. Diese Arbeit kann z.B. eine chemische Arbeit in Batterien oder Akkus, mechanische Ar-<br />

beit z.B. in Generatoren oder Arbeit aufgr<strong>und</strong> von Lichteinwirkung z.B. in der Solarzelle sein.<br />

Die Spannung, die sich ohne Stromfluss einstellt wird Quellenspannung bezeichnet<br />

Symbole:<br />

Ideale Spannungsquelle:<br />

Widerstand:<br />

Reale Spannungsquellen:<br />

Φa<br />

-<br />

R<br />

UQ<br />

+<br />

-<br />

U0<br />

R<br />

- +<br />

R<br />

Die Verbindungslinien bedeuten eine widerstandslose Verbindung.<br />

Wird ein Verbraucher an eine Spannungsquelle angeschlossen, so liegt über dem<br />

Verbraucher die Spannung der Spannungsquelle, im Idealfall also die Quellenspan-<br />

nung. Falls der Verbraucher ein Ohmscher Widerstand ist, stellt sich ein elektrischer<br />

Strom ein, der von der Spannungsquelle geliefert wird <strong>und</strong> der durch den Widerstand<br />

fließt. Im Idealfall bleibt die Quellenspannung erhalten <strong>und</strong> es kann beliebig viel<br />

Strom aus der Spannungsquelle entnommen werden.<br />

Bei realen Spannungsquellen wird eine Abhängigkeit der Ausgangsspan-<br />

nung vom Strom beobachtet: Je höher der Strom, desto geringer wird die<br />

Ausgangsspannung der Spannungsquelle. Der Gr<strong>und</strong> ist in dem Innenwi-<br />

derstand der Spannungsquelle zu sehen:<br />

Der sich einstellende Strom wird begrenzt durch den Innenwiderstand <strong>und</strong><br />

durch den Lastwiderstand. Die Potentialdifferenz, die durch die Quellen-<br />

spannung UQ erzeugt wird, wird gemindert durch<br />

Φ<br />

a<br />

⇒ U<br />

= Φ<br />

0<br />

b<br />

= Φ<br />

+ U<br />

a<br />

Q<br />

− Φ<br />

−I<br />

⋅R<br />

b<br />

i<br />

= U<br />

Q<br />

−I<br />

⋅R<br />

U0 wird als Klemmspannung der Batterie bezeichnet. Sie ist um den Betrag kleiner als die Quellenspan-<br />

nung, der aufgr<strong>und</strong> des Innenwiderstandes das Potential durch Umwandlung von Energie in Joulsche Wär-<br />

me erniedrigt.<br />

UQ<br />

+<br />

7.4.2 Kirchhoffsche Regeln<br />

I<br />

Φb<br />

I<br />

Ri<br />

i


<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 153<br />

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Die Kirchhoffschen Regeln beschreiben die Aufteilung von Strömen <strong>und</strong> Spannungen in Stromkreisen. Es<br />

existieren zwei Regeln<br />

Kirchhofscher Knotensatz:<br />

Ig e s<br />

daher unmittelbar einsichtig.<br />

Kirchhoffscher Maschensatz:<br />

In einem Stromknoten ist die Summe aller Ströme Null: I 0<br />

Wenn Iges in den Knoten A hineinfließt (positive Notation) so müssen die<br />

Ströme I1 <strong>und</strong> I2 sich so zusammensetzen, dass Ihre Summe gerade –Iges<br />

ergibt: Iges + I1 + I2 = 0<br />

Das erste Kirchhoffsche Gesetz beschreibt die Ladungserhaltung <strong>und</strong> ist<br />

In einer Masche (geschlossener Stromkreis) ist die Summe aller Spannungen<br />

∑<br />

gleich Null: U 0<br />

i<br />

i =<br />

Die Spannungen werden stets von + nach – positiv angegeben. Im obigen<br />

Beispiel muss demnach bei Umdrehungsrichtung im Uhrzeigersinn gelten:<br />

U<br />

0<br />

+<br />

⇒ U<br />

( −U<br />

) + ( −U<br />

)<br />

0<br />

1<br />

= U<br />

1<br />

+ U<br />

2<br />

2<br />

= 0<br />

Die Begründung für die Maschenregel liegt in der Energieerhaltung. Beim<br />

Transport von elektrischer Ladung in einem geschlossenen Stromkreis müssen zugeführte <strong>und</strong> abgeführte<br />

elektrische Arbeit gleich groß sein (keine zusätzliche Energiequelle).<br />

Zuführung von Energie geschieht durch Spannungsquellen, Energieabfuhr in Form von Joulscher Wärme<br />

durch die Widerstände (Verbraucher)<br />

Reihen- <strong>und</strong> Parallelschaltung von Widerständen<br />

Mit Hilfe der Kirchhoffschen Regeln, lassen sich leicht die Gesetzte für Reihen- <strong>und</strong> Parallelschaltung von<br />

Widerständen aufstellen:<br />

Reihenschaltung:<br />

R 3<br />

U3<br />

I1<br />

I2<br />

A<br />

R1<br />

U1<br />

U2<br />

R2<br />

R 1<br />

R 2<br />

R 2<br />

U2<br />

+<br />

- U0<br />

R 1<br />

U1<br />

+<br />

- U0<br />

Gegeben seien drei Widerstände R1, R2 <strong>und</strong> R3 in Reihe ge-<br />

schaltet<br />

Die Spannungsabfälle können dann berechnet werden durch:<br />

U = U + U + U<br />

Maschenregel: 0 1 2 3<br />

Der Strom I muss durch alle drei Widerstände fließen, da kein<br />

Knoten vorhanden ist, in dem Strom sonst abfließen könnte.<br />

∑<br />

i<br />

i =


U<br />

U<br />

U<br />

1<br />

2<br />

3<br />

= R<br />

1<br />

= R<br />

= R<br />

2<br />

3<br />

⋅I<br />

⋅I<br />

⋅I<br />

<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 154<br />

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Somit lässt sich die Maschenregel schreiben als<br />

( R + R + R ) ⋅I<br />

U0 = R1<br />

⋅I<br />

+ R2<br />

⋅I<br />

+ R3<br />

⋅I<br />

= 1 2 3<br />

Die drei Widerstände lassen sich zu einem Gesamtwiderstand R ( R + R + R )<br />

Verallgemeinerung: Reihenschaltung: R ges ∑R<br />

= i<br />

Bei der Parallelschaltung seien wiederum drei Widerstände gegeben:<br />

I = I + I + I<br />

Insgesamt: ges 1 2 3<br />

Anwendung des Ohmschen Gesetzes<br />

I<br />

M3<br />

U1<br />

ges<br />

U<br />

⇒<br />

R<br />

⇒<br />

I1<br />

R 1<br />

= I<br />

0<br />

1<br />

ges<br />

1<br />

R<br />

ges<br />

+ I<br />

2<br />

U<br />

=<br />

R<br />

=<br />

+ I<br />

1<br />

1<br />

1<br />

R<br />

1<br />

3<br />

U<br />

+<br />

R<br />

+<br />

2<br />

2<br />

1<br />

R<br />

2<br />

U<br />

+<br />

R<br />

+<br />

3<br />

3<br />

1<br />

R<br />

3<br />

U<br />

=<br />

R<br />

0<br />

1<br />

U<br />

+<br />

R<br />

0<br />

2<br />

U<br />

+<br />

R<br />

0<br />

3<br />

⎛<br />

= U0<br />

⎜<br />

⎝<br />

i<br />

ges<br />

Maschenregel:<br />

M1: + ( −U<br />

) = 0<br />

U0 3<br />

U3 + −U<br />

2<br />

U2 + −U1<br />

M2: ( ) = 0<br />

M3: ( ) = 0<br />

U = U = U = U<br />

Insgesamt: 1 2 3 0<br />

Knotenregel:<br />

= zusammenfassen:<br />

Strom von D nach C: I12 = Iges<br />

−I3<br />

1<br />

I12 teilt sich im Punkt C weiter auf: I 12 = I1<br />

+ I2<br />

1 1<br />

Verallgemeinerung: Parallelschaltung von Widerständen: ∑ R R<br />

1<br />

R<br />

1<br />

+<br />

1<br />

R<br />

2<br />

+<br />

ges<br />

1<br />

R<br />

3<br />

⎞<br />

⎟<br />

⎠<br />

= i i<br />

Die Anwendung von Knoten <strong>und</strong> Maschenregel gilt auch, wenn mehrere Spannungsquellen im Stromkreis<br />

vorhanden sind:<br />

Beispiel:<br />

U2<br />

I2<br />

R 2<br />

B<br />

M2<br />

C D<br />

U3<br />

R 3<br />

I3<br />

A<br />

Ig e s<br />

M1<br />

+<br />

- U0<br />

2<br />

3


R1<br />

a b<br />

g<br />

+<br />

-<br />

f<br />

Ri1<br />

U1<br />

<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 155<br />

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Es wird zunächst eine willkürliche Umlaufrichtung gewählt, die gleichzeitig<br />

auch die Stromrichtung festlegt. Falls dies nicht die richtige Stromrichtung<br />

ist, wird als Ergebnis ein negativer Strom herauskommen, was eine Um-<br />

kehrung der Stromrichtung bedeutet. Die Festlegung der Stromrichtung<br />

liefert dann auch die Vorzeichen der Spannungen, die über den Wider-<br />

ständen abfallen. Die Anwendung der Maschenregel liefert dann, begin-<br />

nend in Punkt a:<br />

U + U + U + U + U − U + U =<br />

1 2 Q2 i2 3 Q1 i1<br />

0<br />

Durch die Masche fließt ein Strom, der überall gleich groß ist, d.h. die obige Gleichung kann auch geschrie-<br />

ben werden als<br />

I⋅ R + I⋅ R + U + I⋅ R + I⋅R − U + I⋅ R = 0<br />

1 2 Q2 i2 3 Q1 i1<br />

UQ2 − UQ1<br />

⇒ I =<br />

R + R + R + R + R<br />

1 2 i2 3 i1<br />

Die Beträge von UQ1 <strong>und</strong> UQ2 geben somit die Richtung des Stromflusses vor, unabhängig davon, in welcher<br />

Richtung die Maschenregel angewendet wurde bzw. in welche Richtung die ursprüngliche Stromrichtung<br />

festgelegt wurde.<br />

Spannungsmessung:<br />

Die Spannung ist für den Stromfluss verantwortlich. Da der Strom überall in einem Widerstand vorhanden<br />

ist (durch ihn hindurchfließt) muss im Widerstand selbst überall eine Spannung vorhanden sein. Bei linearen<br />

Widerständen nimmt die Spannung, die über dem Widerstand abfällt, linear ab. Es gibt somit keine Stelle<br />

innerhalb des Widerstandes, die spannungslos ist. Eine Spannung wird somit immer über einem Bauteil<br />

gemessen.<br />

R3<br />

Strommessung:<br />

Ein Strom fließt stets durch ein Bauteil (z.B. Widerstand). Ein Strommessgerät muss somit so geschaltet<br />

werden, dass es im Stromkreis liegt <strong>und</strong> der Strom durch das Messgerät fließt. (auch wenn das eigentliche<br />

Messgerät meist nur ein kleiner Widerstand ist, über dem wieder eine Spannung abfällt, die dem fließenden<br />

Strom proportional ist.<br />

c<br />

+<br />

-<br />

d<br />

Potentiometerschaltung:<br />

e<br />

R2<br />

Ri2<br />

U2<br />

Ein Potentiometer besteht aus einem Widerstand über den ein Schleifkontakt geführt werden kann. Dieser<br />

Schleifkontakt teilt das Potentiometer somit kontinuierlich in zwei variable Widerstände.<br />

Rges<br />

A A<br />

R1<br />

R2


Beispiel:<br />

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Potentiometer mit <strong>und</strong> ohne zusätzlichen Widerstand im Schleifenkreis. Ohne zusätzlichen Widerstand<br />

kann der Gesamtwiderstand zu Null werden (Kurzschluss).<br />

7.4.3 RC-Kreise<br />

Kapazität eine Kondensators<br />

R1 R1<br />

U U<br />

A A<br />

R2 R2<br />

R3<br />

Ein Kondensator besteht aus zwei parallelen Platten, einen Abstand d voneinander aufweisen. Wird auf eine<br />

Platte eine Ladung Q aufgebracht (z.B. durch Anlegen einer elektrischen Spannung) so wird auf der ande-<br />

ren Platte durch Influenz eine Gegenladung -Q erzeugt (vorausgesetzt die notwendige Ladung kann zu-<br />

bzw. abfließen)<br />

Unter der Kapazität eines Kondensators wird das Vermögen der beiden Platten, Ladung aufzunehmen, ver-<br />

standen:<br />

Kapazität C Q<br />

= [1F = 1 C/V]<br />

U<br />

Je höher die angelegte Spannung ist, desto mehr Ladung befindet sich auf den Platten des Kondensators.<br />

Unter Vernachlässigung der Randeffekte ist das elektrische Feld zwischen beiden Platten konstant <strong>und</strong> es<br />

gilt die Beziehung<br />

E = − − σ σ σ<br />

= =<br />

2ε 2ε<br />

ε<br />

0 0 0<br />

σ Q ⋅ d<br />

⇒ U = d =<br />

ε A ⋅ ε<br />

0 0<br />

U<br />

d<br />

Somit berechnet sich die Kapazität eines Plattenkondensators durch<br />

C Q A ⋅ ε 0<br />

= =<br />

U d<br />

Dielektrika<br />

Wird ein Isolator (Dielektrikum) in ein elektrisches Feld eines (nicht geerdeten) Kondensators gesteckt, so<br />

wird das elektrische Feld kleiner <strong>und</strong> seine Kapazität größer, da die Ladungen auf den Platten gleich blei-


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ben. Durch Polarisation wird in einem Kondensator ein entgegengesetztes Feld erzeugt, welches das äuße-<br />

re Feld schwächt.<br />

Die Stärke der Polarisation (entweder durch Orientierung polarer Moleküle oder durch Erzeugung von Di-<br />

polmomenten) hängt von der Stärke des externen elektrischen Feldes ab.<br />

p = α ⋅E<br />

, p: Dipolmoment, α: Polarisierbarkeit<br />

-<br />

-<br />

-<br />

-<br />

+<br />

-<br />

+<br />

-<br />

+<br />

-<br />

+<br />

-<br />

-<br />

+<br />

-<br />

+<br />

-<br />

+<br />

-<br />

+<br />

+<br />

-<br />

+<br />

-<br />

+<br />

-<br />

+<br />

-<br />

-<br />

+<br />

-<br />

+<br />

-<br />

+<br />

-<br />

+<br />

+<br />

-<br />

+<br />

-<br />

+<br />

-<br />

+<br />

-<br />

-<br />

+<br />

-<br />

+<br />

-<br />

+<br />

-<br />

+<br />

+<br />

+<br />

+<br />

+<br />

- +<br />

- +<br />

- +<br />

- +<br />

Die erzeugten Ladungen innerhalb des Dieelektrikums werden kompensiert, die erzeugten Ladungen am<br />

Rand des Dieelektrikums werden nicht kompensiert <strong>und</strong> erzeugen ein Gegenfeld, welches das externe Feld<br />

schwächt.<br />

E E<br />

=<br />

r<br />

0<br />

ε , εr Somit gilt auch<br />

C Q Q Q<br />

= = =<br />

U d⋅ E d⋅E ε<br />

wird relative Dielektrizitätskonstante genannt.<br />

Q<br />

= εr = ε r ⋅C<br />

U<br />

0 r 0<br />

wobei C die Kapazität mit Dielektrikum <strong>und</strong> C0 die Kapazität ohne Dielektrikum sind.<br />

Der Faktor ε = ε0 ⋅ εr<br />

0<br />

wird Dielektrizitätskonstante der Materie oder Permittivität genannt.


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Material<br />

Bakelit<br />

Glas<br />

Glimmer<br />

Luft<br />

Neopren<br />

Papier<br />

Paraffin<br />

Plexiglas<br />

Polystyrol<br />

Porzellan<br />

Transformatorenöl<br />

Wasser (20°C)<br />

Parallelschaltung von Kondensatoren<br />

Dielektrizitätszahl<br />

4,9<br />

5,6<br />

5,4<br />

1,00059<br />

6,9<br />

3,7<br />

2,1-2,5<br />

3,4<br />

2,55<br />

7<br />

2,24<br />

80<br />

Durchschlagfestigkeit<br />

[kV/mm]<br />

24<br />

14<br />

10-100<br />

3<br />

12<br />

16<br />

10<br />

40<br />

24<br />

5,7<br />

12<br />

(leitfähig)<br />

Bei parallelen Kondensatoren liegt an jedem Kondensator die Spannung U an. Die gesamte gespeicherte<br />

Ladung ist die Summe aller Ladungen auf allen Kondensatoren:<br />

( )<br />

Qges = Q + Q = U⋅ C + U⋅ C = U⋅ C + C<br />

Und hieraus<br />

Q = ∑ C<br />

ges i<br />

i<br />

1 2 1 2 1 2<br />

Reihenschaltung von Kondensatoren<br />

U<br />

+Q1 +Q2<br />

-Q1 -Q2<br />

Durch Induktion wird in den Kondensatoren auf den jeweils gegenüberliegenden Platten eine gleich große<br />

aber entgegengesetzte Ladung erzeugt.<br />

Q C U C U<br />

= ⋅ = ⋅<br />

1 1 2 2


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U<br />

+Q -Q +Q -Q<br />

Die Gesamtspannung ist nach der Maschenregel gerade die Summe der Einzelspannungen über den Kon-<br />

densatoren.<br />

Q Q<br />

U = U1 + U2<br />

= +<br />

C C<br />

Entladevorgang<br />

1 2<br />

<strong>und</strong> hieraus<br />

1 1<br />

= ∑ Cges i Ci<br />

Ein geladener Kondensator befinde sich in einem RC-Kreis mit geöffnetem Schalter, so dass keine Ladung<br />

vom Kondensator abfließen kann<br />

Wird der Schalter geschlossen, so entlädt sich der Kondensator über dem Widerstand. Entsprechend der<br />

Mascheregel ist dabei die Spannung über dem Widerstand gleich der Spannung über dem Kondensator<br />

oder<br />

U − U = 0<br />

C R<br />

Q<br />

I R<br />

C<br />

Q dQ<br />

C dt R<br />

Q R C dQ<br />

⇒ − ⋅ = 0<br />

⇒ − ⋅ = 0<br />

⇒ − ⋅ = 0<br />

dt<br />

Die letzte Gleichung stellt eine Differentialgleichung für die Ladung Q dar.<br />

Lösung: ( )<br />

Q t = Q ⋅ e<br />

0<br />

−t<br />

RC<br />

Durch Integration dieser Gleichung kann auf den fließenden Strom <strong>zur</strong>ückgerechnet werden:<br />

I( t)<br />

dQ<br />

dt Q RC e<br />

U<br />

R e<br />

1<br />

0<br />

= − = 0 =<br />

−t RC −t<br />

RC<br />

wobei U0 die Spannung am Kondensator zum Zeitpunkt t = 0 ist. Das negative Vorzeichen muss aufgr<strong>und</strong><br />

der Stromrichtung beim Entladevorgang gewählt werden, da der Strom entgegen der Spannungsrichtung<br />

des Kondensators fließt.<br />

Ladevorgang eines Kondensators:<br />

Wird zu einem Zeitpunkt t =0 eine Spannungsquelle in einen RC-Kreis geschaltet, so fließt ein Ladestrom,<br />

der Ladungen auf die Kondensatorplatten treibt. Es gilt auch hier zu jedem Zeitpunkt die Maschenregel:<br />

UQ −UR − UC<br />

= 0<br />

oder


U I R Q<br />

Q − ⋅ − = 0<br />

C<br />

dQ Q<br />

UQ<br />

− ⋅R − = 0<br />

dt C<br />

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Dies ist wiederum eine Dgl für Q mit der Lösung<br />

U I R Q<br />

Q − ⋅ − = 0<br />

C<br />

t RC<br />

( ) = ⋅ ( − ) −<br />

1<br />

Q t C U e<br />

Q<br />

<strong>und</strong> hieraus durch Differentiation<br />

( )<br />

I t<br />

( )<br />

dQ t<br />

U<br />

= = −C ⋅UQ ⋅ e − e I e<br />

dt<br />

RC R ⎛ 1 ⎞<br />

⎜ ⎟ = ⋅ = 0 ⋅<br />

⎝ ⎠<br />

−t RC Q −t RC −t<br />

RC<br />

Hier muss der positive Differentialquotient gewählt werden, da der Strom in Richtung der Spannungsquelle<br />

getrieben wird.


8 MAGNETISMUS<br />

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8.1 Das magnetische Feld<br />

8.1.1 Allgemeines<br />

• Magnetismus wurde durch den „natürlichen“ Magnetismus entdeckt, da sich magnetisches Gestein nach<br />

dem Magnetfeld der Erde ausgerichtet hat.<br />

• Es existieren magnetische Pole, an denen das Magnetfeld ein- bzw. austritt.<br />

• Die Pole werden mit Nord <strong>und</strong> Süd bezeichnet.<br />

• Gleichnamige Pole stoßen sich ab, ungleichnamige Pole ziehen sich an.<br />

• Die Ausrichtung von Magneten im Erdmagnetfeld geschieht derart, dass sich der Nordpol des Magneten<br />

nach Norden ausrichtet. Demnach muss am Nordpol der Erde der magnetische Südpol sein.<br />

• Ein elektrischer Strom übt eine Kraft auf eine Magnetnadel aus.<br />

• Elektrische Ströme üben aufeinander magnetische Kräfte aus.<br />

• Es existieren keine magnetischen Monopole.<br />

Allgemeine Aussage:<br />

Elektrische Ströme sind die alleinige Quelle der magnetischen Kräfte<br />

Diese Aussage trifft auch für Permanentmagneten zu. Hierbei werden zwar keine äußeren Ströme in das<br />

Material eingespeist, jedoch können die Elektronenbewegungen um den Atomkern herum als elektrischer<br />

Strom interpretiert werden (quantenmechanische Größen: Bahndrehimpuls oder magnetische Quantenzahl<br />

<strong>und</strong> Elektronenspin oder Spinquantenzahl).<br />

Die magnetische Wechselwirkung kann somit als Wechselwirkung bewegter Ladungsträger aufein-<br />

ander beschrieben werden (Mikroskopisch: Para-, Dia- <strong>und</strong> Ferromagnetismus, Makroskopisch:<br />

Magnetfelder von Spulen etc.)<br />

Definitionen:<br />

B: Magnetfeld, magnetischer Flussdichte, magnetische Induktion<br />

H: magnetische Feldstärke<br />

Zusammenhang: B = μ ⋅ H = μ ⋅μ ⋅H<br />

r<br />

0<br />

−7<br />

Hierbei sind μ = 4π ⋅10<br />

Vs / Am magnetische Feldkonstante oder Permeabilität des Vakuums, µ<br />

0<br />

magnetische Permeabilität, µr Permeabilitätszahl als materialabhängige Größe.<br />

8.1.2 Lorentzkraft


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Eine Ladung, die sich in einem Magnetfeld bewegt, erfährt eine Kraft, wenn die Bewegung nicht parallel<br />

zum Feld erfolgt. Diese Kraft wird Lorentzkraft genannt.<br />

Lorentzkraft: F = q⋅ vxB<br />

Betrag von F: F = q⋅ v ⋅B ⋅sin ( p ( v, B)<br />

)<br />

Es ist nur derjenige <strong>Teil</strong> des Feldes wirksam, der senkrecht auf der Bewegungsrichtung der Ladung steht<br />

(rechte Hand Regel).<br />

NC N<br />

Einheit von B: 1 T = 1 = 1<br />

m / s Am<br />

Tesla<br />

Weit verbreitet ist noch die früher benutzte Einheit Gauß: 1 T = 10 4 G. Die Einheit Gauß ist historisch ge-<br />

wachsen, da 1 G gerade die mittlere Stärke des Erdmagnetfeldes angibt.<br />

Kraft auf einen stromdurchflossenen Leiter:<br />

A<br />

( d )<br />

dF = q⋅ v xB ⋅n ⋅dl ⋅ A<br />

Gegeben sei ein Leiterstück der Länge dl . Innerhalb des<br />

Drahtes bewegen sich die Elektronen im Mittel mit der Drift-<br />

geschwindigkeit vd entgegen der anliegenden Spannung. Die<br />

Gesamtkraft ist dann gegeben durch die Summe der Einzel-<br />

kräfte auf die Elektronen:<br />

Nun ist aber I = q⋅n ⋅ vd ⋅ A der Strom, der durch den Leiter mit dem Querschnitt A fließt, d.h. die obige<br />

Gleichung kann geschrieben werden als: dF = I⋅ ( dl xB)<br />

2<br />

Die Kraft auf ein ausgedehntes Leiterstück lässt sich dann durch Integration berechnen: F = ∫I ⋅(<br />

dlxB) S<br />

v d<br />

dl<br />

N<br />

Magnetische Feldlinien:<br />

Analog zum elektrischen Feld lassen sich auch für das magnetische Feld<br />

Feldlinien zeichnen, die die Richtung des Feldes <strong>und</strong> deren Dichte die<br />

Stärke des Feldes repräsentieren. Vereinbarungsgemäß werden die Feld-<br />

linien stets geschlossen gezeichnet, da es keine Pole gibt, an denen Feld-<br />

linien beginnen bzw. enden.<br />

Beispiel Stabmagnet:<br />

8.1.3 Bewegung einer Punktladung im Magnetfeld<br />

Die Richtung des Feldes wird so festgelegt, dass die Feldlinien beim<br />

Stabmagneten am Nordpol austreten <strong>und</strong> am Südpol wieder eintreten.<br />

l<br />

l<br />

1


B<br />

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Wenn eine Ladung genau senkrecht in ein konstantes magneti-<br />

sches Feld eingeschossen wird, so wirkt senkrecht <strong>zur</strong> Bewe-<br />

gungsrichtung <strong>und</strong> zum Magnetfeld eine Kraft, welche die La-<br />

dung auf eine Kreisbahn zwingt.<br />

Auf dieser Kreisbahn stehen stets Geschwindigkeit, Magnetfeld<br />

<strong>und</strong> Kraft senkrecht aufeinander. Es kann daher das Kreuzpro-<br />

dukt durch die Multiplikation mit den Betragsgrößen ersetzt<br />

werden.<br />

Die Kreisbahn ergibt sich aus der Bedingung, dass die Zentrifugalkraft gerade durch die Lorentzkraft kom-<br />

pensiert wird:<br />

Es gilt:<br />

q v B m v<br />

⋅ ⋅ =<br />

r<br />

m ⋅ v<br />

⇒ r =<br />

q⋅B 2<br />

Da die Geschwindigkeit des <strong>Teil</strong>chens ohne äußere Einflüsse konstant ist, kann die Umlaufzeit der Ladung<br />

2π ⋅r<br />

bestimmt werden durch: T =<br />

v<br />

v q B<br />

Hieraus folgt für die Umlauffrequenz: f = =<br />

T ⋅ r m<br />

=<br />

1<br />

⋅<br />

2π 2π<br />

⋅<br />

Diese Frequenz wird als Zyklotronfrequenz bezeichnet.<br />

8.1.4 Energiefilter <strong>und</strong> Massenspektrometer<br />

Unter Verwendung magnetischer <strong>und</strong> elektrischer Felder können geschwindigkeits- <strong>und</strong> massenselektive<br />

Filter aufgebaut werden.<br />

r<br />

F<br />

v<br />

Geschwindigkeitsfilter bzw. Energiefilter:<br />

Zwei sich senkrecht kreuzende elektrische <strong>und</strong> magnetische Felder können <strong>zur</strong> Separation von energetisch<br />

unterschiedlichen <strong>Teil</strong>chen gleicher Ladung verwendet werden.


<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 164<br />

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q<br />

qvB<br />

v<br />

qE<br />

B<br />

Wenn Lorentzkraft <strong>und</strong> Coulombkraft entgegengesetzt gleich sind werden die geladenen <strong>Teil</strong>chen bei einer<br />

bestimmten Geschwindigkeit nicht abgelenkt <strong>und</strong> passieren den Austrittsspalt.<br />

Durch Variation mindestens einer der beiden Felder kann somit die Geschwindigkeit von Elektronen bzw.<br />

deren kinetische Energie bestimmt werden. (Photoemissionsspektren, Augerelektronen etc.)<br />

Massenfilter:<br />

B<br />

nen Massen vorgenommen werden.<br />

E<br />

Wird nur eines der Sektorfelder Verwendet, so kann eine massense-<br />

lektive Trennung verschiedener <strong>Teil</strong>chen, z.B. verschiedener gela-<br />

Austrittsspalt<br />

dener Atome oder Isotope, vorgenommen werden.<br />

In dem oben gezeigten Beispiel ist der Radius, der den Strahl gela-<br />

dener <strong>Teil</strong>chen auf den Austrittspalt lenkt, abhängig von der Eintritts-<br />

geschwindigkeit der geladenen <strong>Teil</strong>chen <strong>und</strong> dem Verhältnis aus<br />

Ladung <strong>und</strong> Masse.<br />

8.2 Die Quellen des magnetischen Feldes<br />

8.2.1 Bewegte Ladungen<br />

Durch Kombination aus beiden Verfahren kann zunächst aus einer<br />

beliebigen Verteilung zunächst ein Bereich konstanter Geschwindig-<br />

keit separiert werden <strong>und</strong> danach eine Separation nach verschiede-<br />

Wie bereits in der Einleitung erwähnt entstehen magnetische Felder durch die Bewegung von Ladungsträ-<br />

gern.<br />

q<br />

v<br />

q/m 1<br />

q/m 2<br />

Austrittsspalt<br />

Das Magnetfeld, welches durch eine bewegte Punktladung q erzeugt wird, lässt sich beschreiben als:<br />

q<br />

q vxr r<br />

B =<br />

r<br />

μ ⋅ 0<br />

2<br />

4π<br />

v<br />

r<br />

B<br />

P


<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 165<br />

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Eine Ladung q, die sich mit v bewegt, erzeugt im Aufpunkt P das Magnetfeld B.<br />

I dl<br />

P2<br />

Wenn die Ladung innerhalb einer Leiterschleife fließt, so lässt<br />

sich das Magnetfeld durch den in der Schleife fließenden<br />

Strom berechnen. Der Zusammenhang zwischen Magnetfeld<br />

<strong>und</strong> Strom wird dann beschrieben durch das Gesetz von<br />

I d xr r<br />

Biot-Savart: dB =<br />

r<br />

μ ⋅ 0 l<br />

2<br />

4π<br />

Im Aufpunkt P1 wird durch den Leiterschleifenstrom in dl ein<br />

Magnetfeld erzeugt. Punkte, die in der Verbindungslinie des<br />

Vektors dl liegen, weisen dagegen kein Magnetfeld auf, welches durch den Strom in dl erzeugt wird.<br />

Durch die Anwendung des Biot-Savartschen Gesetzes können prinzipiell alle magnetischen Felder berech-<br />

net werden, die durch stromdurchflossene Leiterschleifen erzeugt werden. Die allgemeine Berechnung ist<br />

mathematisch jedoch sehr aufwendig. An dieser Stelle seien daher nur einige Beispiele genannt:<br />

Magnetfeld eines langen geraden Drahtes:<br />

R<br />

P<br />

r1<br />

r2<br />

I dl1 I dl2 B2<br />

B1<br />

Durch Aufsummation über alle Leiterstücke kann das Feld im Punkt P, der sich im Abstand R vom Draht<br />

I<br />

befindet berechnet werden durch B =<br />

R<br />

μ ⋅ 0 2<br />

4π<br />

Das Magnetfeld gleicher Größe verläuft in Form konzentrischer Kreise um den Mittelpunkt des Drahtes. Die<br />

Richtung des Feldes kann durch die „rechte Hand Regel“ bestimmt werden.<br />

Magnetfeld im Innern einer langen geraden Spule<br />

Eine Spule besteht aus einer Anzahl von Leiterschleifen, die in einer Helix gewickelt sind. In dieser Spule<br />

fließt ein Strom I, der ein Magnetfeld B erzeugt.<br />

r<br />

B<br />

P1<br />

R2<br />

R1


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B<br />

I<br />

n Windungen<br />

Das Magnetfeld im Innern der Spule ist konstant <strong>und</strong> kann berechnet werden durch: B = μ 0 ⋅n ⋅I<br />

wobei n = N/l die Windungszahldichte <strong>und</strong> N die Anzahl der Windungen der Spule sind.<br />

Die Annahme eines homogenen Feldes im Innern der Spule ist bei langen Spulen mit großen Windungszah-<br />

len gut erfüllt.<br />

8.2.2 Magnetische Induktion<br />

Verallgemeinerung: Ψ m<br />

zen.<br />

B<br />

α<br />

dA<br />

B ⋅ dA = B ⋅dA ⋅cosα<br />

δA<br />

E<br />

B<br />

A<br />

Ähnlich wie in der Elektrostatik wird auch hier ein magnetischer Fluss defi-<br />

niert. Der magnetische Fluss ist ein Maß für die Anzahl an Feldlinien, die<br />

eine geschlossene Fläche durchsetzen.<br />

Konstantes Magnetfeld:<br />

magnetischer Fluss: Ψ m<br />

wobei B senkrecht auf der Fläche steht.<br />

= B ⋅ A [1 Wb = 1 Weber = 1 Tm 2 ]<br />

= ∫ B ⋅ dA für beliebige Magnetfelder, die eine geschlossene Fläche A durchset-<br />

Magnetische Induktion:<br />

Sich zeitlich verändernde Magnetfelder induzieren in elektrischen Leitern<br />

Spannungen bzw. Ströme (Versuche von Faraday <strong>und</strong> Henry).<br />

Befindet sich eine geschlossenen Leiterschleife in einem sich zeitlich verän-<br />

dernden Magnetfeld, so wird innerhalb der Schleife eine Spannung induziert,<br />

die sich über die gesamte Schleife erstreckt:<br />

Induktionsspannung: U = E⋅ ds<br />

∫<br />

δA


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Die Größe der induzierten Spannung hängt ab von der zeitlichen Änderung des magnetischen Feldes <strong>und</strong><br />

kann beschrieben werden durch das<br />

dΨ<br />

Faradaysche Gesetz: U = ∫E<br />

⋅ ds = −<br />

dt<br />

δA<br />

m<br />

Je größer die Zeitliche Änderung des magnetischen Flusses, desto größer die in einer Leiterschleife indu-<br />

zierte Spannung.<br />

Lenzsche Regel:<br />

U<br />

1<br />

R1<br />

dΨ<br />

dt<br />

S<br />

Das Minuszeichen im Faradayschen<br />

Gesetz bedeutet, dass die Spannung<br />

(bzw. der Strom, den die Induktions-<br />

spannung hervorruft) stets der Ursa-<br />

che entgegenwirkt.<br />

Beispiel:<br />

Wird ein Stabmagnet auf einen Lei-<br />

terring zu bewegt, so wird aufgr<strong>und</strong><br />

der Änderung des Magnetischen<br />

Flusses im Leiter eine Spannung<br />

induziert, die wiederum einen Strom erzeugt. Dieser Strom erzeugt seinerseits ein Magnetfeld, welches dem<br />

äußeren Magnetfeld entgegengerichtet ist.<br />

Die Änderung des äußeren Magnetfeldes induziert somit ein magnetisches Moment innerhalb der Leiter-<br />

schleife, welches die Kraftwirkung des äußeren Feldes gerade aufhebt.<br />

<strong>Physik</strong>alische Begründung durch Energieerhaltung: Würde das äußere Feld ein magnetisches Moment in-<br />

duzieren, welches gleichgerichtet zum äußeren Feld wäre, so würde der Magnet von der Leiterschleife<br />

angezogen werden <strong>und</strong> in Richtung der Schleife beschleunigt werden. Diese Beschleunigung bewirkt jedoch<br />

wiederum eine Änderung des magnetischen Flusses, wodurch das magnetische Moment der Schleife ver-<br />

stärkt würde. Ohne Zufuhr von äußerer Energie würde somit immer mehr Bewegungsenergie <strong>und</strong> Joulsche<br />

Wärme in der Leiterschleife entstehen, was eine Verletzung des Energiesatzes bedeuten würde.<br />

8.2.3 (Selbst)induktivität<br />

Wird ein Strom durch eine Spule geleitet, so wird in der Spule ein Magnetfeld erzeugt, das dem Strom pro-<br />

portional ist. Das bedeutet, dass auch der magnetische Fluss dem Spulenstrom proportional ist. Die Propor-<br />

tionalitätskonstante wird Selbstinduktivität L der Spule genannt.<br />

Selbstinduktivität L: Ψ m<br />

= L ⋅ I , [L] = H (1 Henry), 1 H = 1 Wb/A = 1 Tm 2 /A<br />

Im Falle einer langen geraden Spule war das Magnetfeld im Innern der Spule konstant <strong>und</strong> es gilt:<br />

B = μ 0 ⋅n ⋅I<br />

= 0<br />

2<br />

R2<br />

U<br />

Lenzsche Regel<br />

1<br />

dΨ<br />

dt<br />

S<br />

> 0<br />

B zunehmend B abnehmend<br />

R2<br />

R1<br />

R1<br />

I1 zunehmend I1 abnehmend<br />

2<br />

U<br />

1<br />

dΨ<br />

dt<br />

S<br />

< 0<br />

2<br />

R2<br />

I2 induziert I2 induziert


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2<br />

somit Ψm = L ⋅ I = N⋅B ⋅ A = n⋅ l ⋅B ⋅ A = μ ⋅n ⋅ A ⋅l ⋅I<br />

(nicht verständlich!)<br />

Somit ist die Selbstinduktivität der Zylinderspule gegeben durch<br />

2<br />

L = μ ⋅n ⋅ A ⋅ l<br />

0<br />

0<br />

Wenn sich der Strom durch die Spule zeitlich ändert, so ändert sich auch das magnetische Feld <strong>und</strong> der<br />

magnetische Fluss. Die Selbstinduktivität der Spule hängt nur von den geometrischen Gegebenheiten ab.<br />

Somit gilt:<br />

dΨ<br />

m<br />

=<br />

dt<br />

( ) ( )<br />

d L ⋅ I<br />

=<br />

dt<br />

L<br />

d I<br />

dt<br />

<strong>und</strong> unter Anwendung des Faradayschen Gesetzes folgt für die Spannung, die in der Spule durch Selbstin-<br />

duktion erzeugt wird:<br />

dΨm<br />

U = − = −L<br />

dt<br />

( )<br />

d I<br />

dt<br />

In einer Spule wird durch Selbstinduktion eine Spannung <strong>und</strong> somit auch ein Strom erzeugt, der dem außen<br />

angelegten Strom entgegengesetzt gerichtet ist. D.h. wird eine Gleichspannung auf eine Spule geschaltet,<br />

so fließt im Moment des Einschaltens zunächst kein Strom, da dieser durch die Induktionsspannung kom-<br />

pensiert wird. Erst wenn das Magnetfeld aufgebaut <strong>und</strong> zeitlich konstant ist, beginnt ein Strom durch die<br />

Spule zu fließen.<br />

8.3 LR-Kreise<br />

Die Spannung eilt dem Strom in der Spule voraus<br />

Durch die Selbstinduktion wird verhindert, dass in einem Stromkreis sich der Strom sprunghaft ändern kann,<br />

da jedes Leiterstück, durch das ein Strom fließt, eine (geringe) Selbstinduktivität aufweist. In Schaltungen<br />

muss daher stets geprüft werden, wie stark der Einfluss der Selbstinduktivität ist.<br />

Schaltungstechnisch kann eine Selbstinduktivität durch Einbringen einer Spule berücksichtigt werden. Die<br />

Verbindungen zwischen Bauteilen weisen dann keine Induktivität mehr auf.<br />

Schaltzeichen:<br />

Reale Spulen weisen jedoch auch stets einen ohmschen Widerstand auf, d.h. im Ersatzschaltbild kann prin-<br />

zipiell immer eine Kombination aus Induktivität <strong>und</strong> ohmschen Widerstand angesetzt werden. Es sei hier<br />

noch darauf hingewiesen, dass prinzipiell jedes Bauteil <strong>und</strong> jeder Verbindungsleiter einen ohmschen Wider-<br />

stand, eine Kapazität <strong>und</strong> eine Induktivität besitzen. Insbesondere bei Hochfrequenzanwendungen machen<br />

sich diese Eigenschaften stärker bemerkbar.<br />

Die Kombination aus Induktivität L <strong>und</strong> ohmschen Widerstand R wird LR-Kreis genannt. LR-Kreise weisen<br />

ähnlich wie RC-Kreise in Schaltkreisen einige Eigenschaften bei Spannungs- bzw. Stromänderungen auf,<br />

die hier näher untersucht werden sollen.


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Gegeben sei die folgende Schaltung:<br />

U 0<br />

Nach Schließen des Schalters ergibt die Anwendung der<br />

Maschenregel:<br />

U I R L dI<br />

0 − ⋅ − = 0<br />

dt<br />

Nach Einschalten ist die zeitliche Änderung des Stromes<br />

zunächst sehr groß, wodurch in der Spule eine Spannung<br />

induziert wird, die der Batteriespannung gerade entgegenwirkt. Der resultierende Strom ist somit zu Anfang<br />

Null<br />

Diese Gleichung ist eine Differentialgleichung für I. Sie hat die Lösung:<br />

wobei τ = L<br />

R<br />

U 0<br />

I t U ⎛<br />

R ⎝<br />

⎛<br />

⎝<br />

R<br />

L t<br />

⎞⎞<br />

⎠⎠<br />

U<br />

R<br />

( )<br />

0 0<br />

( ) = ⎜1−<br />

exp⎜ − ⎟⎟<br />

= 1−<br />

exp( − t τ )<br />

die Zeitkonstante des LR-Kreises ist<br />

liefert die Anwendung der Maschenregel:<br />

I R L dI<br />

⋅ + = 0<br />

dt<br />

Der umgekehrte Fall tritt auf, wenn der Strom ausge-<br />

schaltet wird, was mit der folgenden Schaltung erreicht<br />

werden kann.<br />

mit der Lösung für I: I( t) = I ⋅exp⎜ − t⎟ = I ⋅exp( − t τ )<br />

wobei I<br />

0<br />

Allgemein<br />

S 1<br />

S 2<br />

I R<br />

I R<br />

⎛<br />

⎝<br />

R ⎞<br />

L ⎠<br />

L dI<br />

dt<br />

L dI<br />

dt<br />

0 0<br />

Durch gleichzeitiges Betätigen der Schalter wird die<br />

Spannungsquelle abgekoppelt <strong>und</strong> die Spule über den<br />

Widerstand kurzgeschlossen. Unter der Annahme, dass<br />

sich nach langer Zeit bereits der Endstrom eingestellt hat,<br />

U0<br />

= der maximale Strom ist, der durch den Widerstand R begrenzt wird.<br />

R<br />

• Im Einschaltvorgang wird der Strom durch die Selbstinduktion verzögert.<br />

• Im Ausschaltvorgang treibt das Magnetfeld der Spule durch Induktionsvorgänge den Strom weiter.<br />

• Die Zeitkonstante bei diesen Vorgängen ist gegeben durch τ = L<br />

R


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8.4 Magnetismus in Materie<br />

• Ähnlich wie bei elektrischen Feldern haben auch magnetische Felder Einflüsse auf die Eigenschaf-<br />

ten von Materie.<br />

• Durch die Bewegung der Elektronen um den Kern sowie durch den Spin von Elektronen besitzen<br />

die Atome magnetische Momente, die in Wechselwirkung mit äußeren Magnetfeldern treten kön-<br />

nen.<br />

• Durch fließende Ströme werden in Spulen oder Atomen magnetische Momente erzeugt, die in Rich-<br />

tung des magnetischen Feldes zeigen (! Elektrische Dipole zeigen entgegen der Richtung des elekt-<br />

rischen Feldes)<br />

• vorhandene magnetische Momente richten sich entsprechend dem magnetischen Feld aus <strong>und</strong> ver-<br />

stärken dieses (Para- <strong>und</strong> Ferromagnetismus). Induzierte magnetische Momente zeigen entgegen<br />

dem äußeren Feld (Diamagnetismus).<br />

8.4.1 Magnetische Momente<br />

Leiterschleife:<br />

In einem Magnetfeld erfährt eine stromdurchflossene Leiterschleife ein Drehmoment, wobei das Feld der<br />

Leiterschleife nach dem äußeren Feld ausgerichtet wird. Dieses Drehmoment lässt sich durch das magneti-<br />

sche Moment beschreiben:<br />

Drehmoment auf ein magnetisches Moment: M = mxB<br />

Bei einer Leiterschleife lässt sich das magnetische Moment schreiben als:<br />

m = N⋅I ⋅ A<br />

wobei N die Anzahl der Windungen, I der Strom <strong>und</strong> A der Normalenvektor mit dem Flächeninhalt A sind.<br />

Atomare magnetische Momente:<br />

Als Modell sei eine Ladung q gegeben, die sich mit einer Geschwindigkeit v kreisförmig um einen Atomkern<br />

bewegt. Dann gilt<br />

Drehimpuls L = mel ⋅ v ⋅ r<br />

magnetisches Moment: m = I⋅ A = I⋅ π ⋅r<br />

2<br />

Für den Strom I kann auch geschrieben werden: I =<br />

2π ⋅r<br />

Für die Periodendauer gilt: T =<br />

v<br />

Somit ergibt sich:<br />

q<br />

T


q v r<br />

m =<br />

r<br />

⋅ ⋅ ⋅ π<br />

2π<br />

⋅<br />

2<br />

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q<br />

q v r<br />

m L<br />

1<br />

= ⋅ ⋅ =<br />

2 2 ⋅ el<br />

Das magnetische Moment eines Atoms ist bei klassischer Betrachtungsweise gegeben durch den Drehim-<br />

puls, den das Elektron besitzt:<br />

m<br />

q<br />

m L =<br />

2 ⋅ el<br />

Diese Beziehung gilt auch für die Quantentheorie, nur wird dort der Drehimpuls mit quantentheoretischen<br />

Verfahren berechnet. Darüber hinaus besitzt ein Elektron zusätzlich einen Spin, dessen magnetisches Mo-<br />

ment gerade doppelt so groß ist wie das Moment des Bahndrehimpulses (Nur quantentheoretisch erklärbar).<br />

In der Quantentheorie ist der Drehimpuls eines Elektrons quantisiert. Das magnetische Moment lässt sich<br />

schreiben als:<br />

e⋅<br />

h<br />

m = −<br />

2⋅<br />

m<br />

el<br />

L L<br />

= −μB<br />

h h<br />

−24<br />

2<br />

wobei μ B = 9, 27 ⋅10 A ⋅m<br />

das Bohrsche Magneton, h = h<br />

2π<br />

sche Wirkungsquantum sind.<br />

−<br />

<strong>und</strong> h = 6 63 ⋅10<br />

Js<br />

34<br />

, das Planck-<br />

Wenn alle magnetischen Momente im Material durch das äußere Feld ausgerichtet sind, so weist das Mate-<br />

rial eine Sättigungsmagnetisierung MS auf.<br />

8.4.2 Magnetisierung <strong>und</strong> magnetische Suszeptibilität<br />

Wird ein Material in ein Magnetfeld gebracht, so werden die magnetischen Momente (sowohl die induzierten<br />

als auch die permanenten) ausgerichtet. Das Material ist magnetisch. Die Magnetisierung des Materials<br />

wird durch das resultierende magnetische Moment pro Volumeneinheit definiert.<br />

Magnetisierung: M dm<br />

=<br />

dV<br />

Je nach Art der Magnetisierung ist die Magnetisierung dem äußeren Feld gleichgerichtet <strong>und</strong> verstärkt die-<br />

ses (Ausrichtung vorhandenen magnetischer Momente) oder dem äußeren Feld entgegengerichtet <strong>und</strong><br />

schwächt dieses (induzierte magnetische Momente).<br />

Das resultierende Feld ergibt sich somit zu B = B0 + μ 0 ⋅M<br />

wobei B0 das äußere originäre Magnetfeld ist.<br />

In diesem Zusammenhang wird eine weitere magnetische Größe eingeführt, die<br />

magnetische Feldstärke H: B = μ ⋅ ( H+ M)<br />

Unterscheidung von B <strong>und</strong> H<br />

0


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• H wird allein durch freie Ströme, z.B. in Spulen, erzeugt <strong>und</strong> ist nicht von vorhandenen oder indu-<br />

zierten Strömen innerhalb der Materie abhängig.<br />

• B enthält dagegen sowohl Beiträge aus freien (äußeren) Strömen <strong>und</strong> magnetischen Momenten, die<br />

Beispiel:<br />

durch Materialeigenschaften resultieren.<br />

Zylinderspule: B = μ0 ⋅n ⋅I ⇒ H = n⋅I Das von außen eingespeiste Feld ist H, welches nur vom Spulen-<br />

strom abhängt. H ist unabhängig von dem Material, welches sich innerhalb der Spule befindet. Die Magneti-<br />

sierung des Materials ist somit abhängig von dem äußeren Feld H. Bei paramagnetischen <strong>und</strong> diamagneti-<br />

schen Materialien gilt ein linearer Zusammenhang zwischen H <strong>und</strong> M:<br />

Suszeptibilität χm : M = χ m ⋅H<br />

paramagnetisch: χ m >0<br />

diamagnetisch χ m >0<br />

Mit dem obigen Zusammenhang gilt:<br />

( ) ( )<br />

B = B0 + μ 0 ⋅ M = μ 0 H + M = μ 0 1+ χ m ⋅H<br />

oder<br />

B = μ ⋅ μ ⋅ H = μ ⋅H<br />

0<br />

r<br />

Die materialabhängige Konstante µr wird Permeabilität genannt.<br />

8.4.3 Paramagnetismus<br />

Paramagnetische Materialien besitzen eine kleine positive magnetische Suszeptibilität χ m .<br />

Beispiele: Al, Mg, Ti, W, Sauerstoff<br />

Die potentielle Energie magnetischer Momente in einem Magnetfeld B lässt sich berechnen durch<br />

E m B<br />

pot = − ⋅ , d.h. die Momente besitzen die niedrigste potentielle Energie, wenn sie sich parallel zum<br />

Feld ausrichten.<br />

Paramagnetismus ist meist nur schwach ausgeprägt, da die thermische Bewegung der Atome die Ausrich-<br />

tung durch das Magnetfeld wieder zerstört. Der Zusammenhang zwischen Magnetisierung des Materials <strong>und</strong><br />

dem äußeren Feld wird durch das Curiesche Gesetz beschrieben.


M<br />

M S<br />

8.4.4 Diamagnetismus<br />

<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 173<br />

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Curiesches Gesetz: χ m<br />

C<br />

= ,<br />

T<br />

C ist die materialabhängige Curiekonstante<br />

Diamagnetische Materialien besitzen eine kleine negative magnetische Suszeptibilität χ m . Durch Induktion<br />

werden in den Elektronenschalen magnetische Momente erzeugt, die aufgr<strong>und</strong> der Lenzschen Regel dem<br />

äußeren Feld entgegengesetzt sind.<br />

Diamagnetismus tritt bei allen Materialien auf, jedoch ist er meist um mehrere Größenordnungen kleiner<br />

<strong>und</strong> wird durch den Paramagnetismus überdeckt. Diamagnetische Materialien haben abgeschlossene Elekt-<br />

ronenschalen, in denen sich die magnetischen Momente aufgr<strong>und</strong> von Drehimpuls <strong>und</strong> Spin aufheben.<br />

8.4.5 Ferromagnetismus<br />

Bei ferromagnetischen Materialien nimmt die magnetische Suszeptibilität χ m große positive Werte an.<br />

Es lässt sich bereits durch schwache Magnetfelder eine hohe Ausrichtung der magnetischen Momente er-<br />

reichen.<br />

M = 1/3 m B M<br />

0 S<br />

kT<br />

Beispiele: Fe, Co, Ni, Legierungen, Gadolinium, Dysprosium, Erbium<br />

Die Ausrichtung der magnetischen Momente bleibt auch nach Abschalten des äußeren Feldes H erhalten.<br />

Die Wechselwirkung benachbarter Momente ist sehr stark, wodurch sich innerhalb des Materials bereits<br />

eine räumlich begrenzte Ausrichtung ergibt. Diese Raumbereiche werden Weißsche Bezirke, Weißsche<br />

Bereiche oder magnetische Domänen genannt. Die Ausrichtung aller Domänen geschieht normalerweise<br />

derart, dass das resultierende Magnetfeld zu Null wird.<br />

Oberhalb einer kritischen Temperatur, der Curie-Temperatur, geht die Ausrichtung der Momente in den<br />

Weißschen Bezirken aufgr<strong>und</strong> der thermischen Bewegung verloren.<br />

Wird ein ferromagnetisches Material durch ein äußeres Magnetfeld magnetisiert, so klappen die Weißen<br />

Bezirke in Magnetfeldrichtung um <strong>und</strong> es kommt zu einer permanenten Magnetisierung in einer Richtung,<br />

die auch nach Abschalten des äußeren Feldes erhalten bleibt.<br />

B 0<br />

Die Magnetisierung durch ein äußeres Magnetfeld verläuft typischerweise in Form einer Hysteresekurve.


H k<br />

Koerzitivfeld<br />

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Hysteresekurve magnetisch<br />

harter Materialien<br />

Remanenzfeld<br />

B B<br />

B r<br />

8.5 Wechselstromkreise<br />

Neukurve<br />

Hysteresekurve magnetisch<br />

weicher Materialien<br />

H k<br />

H H<br />

Für die Versorgung von Haushalten <strong>und</strong> Industrieanlagen wird meist Wechselstrom verwendet. Der Vorteil<br />

liegt darin, dass dieser durch Transformatoren erhöht bzw. erniedrigt werden kann. Um über ein Stromkabel<br />

Leistung zu transportieren, werden hohe Spannungen erzeugt, wodurch der Strom <strong>und</strong> somit die Joulschen<br />

Verluste im Stromkabel niedriger werden.<br />

Typische Wechselspannungen:<br />

• 50 Hz oder 60 Hz: Netzfrequenz in Haushalten<br />

• 20 Hz bis 20 kHz: Musikwidergabe, Ansteuerung von Lautsprechern<br />

• 16 2/3 Hz: Spannungsversorgung der Bahn<br />

• bis zu 400 MHz bei Rechnern<br />

Eine sinusförmige Wechselspannung lässt sich einfach durch Induktion in einem Generator erzeugen.<br />

Wechselspannung: U = U( t) = U ⋅sin( ωt − δ )<br />

0<br />

Wenn in einem Stromkreis Wechselspannungen anliegen, wird auch der Strom durch die zeitliche Änderung<br />

beeinflusst.<br />

8.5.1 Wechselspannung an einem Widerstand<br />

U(t) R<br />

An dem Widerstand R liege die Spannung<br />

( ) = ⋅ cos( ω )<br />

U t U t<br />

0<br />

Zu jedem Zeitpunkt t treibt die Spannung einen Strom durch den Wider-<br />

stand R: I =<br />

Ferner gilt zu jedem Zeitpunkt die Maschenregel<br />

( )<br />

U t<br />

R<br />

B r


( )<br />

U t −I ⋅ R = 0<br />

⇒ U ⋅cosωt −I ⋅ R = 0<br />

0<br />

I( t) U<br />

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0<br />

⇒ = ⋅ cosωt = I0 ⋅cosωt<br />

R<br />

Der durch den Widerstand fließende Strom ist in Phase mit der anliegenden Spannung!<br />

Hierbei sind U0 <strong>und</strong> I0 die Scheitelwerte von Spannung <strong>und</strong> Strom.<br />

Mittlere Leistung:<br />

Im Widerstand wird zu jedem Zeitpunkt die Leistung P=UI in Wärme umgesetzt. Es ist jedoch wichtig zu<br />

wissen, welche Leistung im Mittel, d.h. innerhalb einer Periode insgesamt umgesetzt wird.<br />

T<br />

1<br />

1<br />

2 1 1<br />

P = U cos t I cos tdt<br />

U I cos tdt<br />

U I T<br />

T ∫ 0 ⋅ ω ⋅ 0 ⋅ ω = 0 ⋅ 0 ω = 0 ⋅ 0 ⋅ ⋅<br />

T ∫ T 2<br />

0<br />

T<br />

0<br />

Der zeitliche Mittelwert der Leistung ist somit nur die Hälfte des Maximalwertes der Leistung. Der Faktor ½<br />

kann somit auf die mittleren Spannungen bzw. Ströme verteilt werden, d.h. die Werte von Strom <strong>und</strong> Span-<br />

nung, die effektiv <strong>zur</strong> Leistung beitragen.<br />

Auf diese Weise werden die Effektivwerte von Strom <strong>und</strong> Spannung definiert:<br />

I<br />

eff<br />

<strong>und</strong><br />

I<br />

eff<br />

2 1 2<br />

= I = I dt =<br />

T ∫<br />

T<br />

2 1 2 U0<br />

= U = U dt =<br />

T ∫ 2<br />

T<br />

0<br />

0<br />

I<br />

0<br />

2<br />

Diese Zusammenhänge gelten jedoch nur für sinusförmige Wechselspannungen!<br />

8.5.2 Wechselströme in Spulen<br />

U(t)<br />

L<br />

An der Spule liege die Spannung U( t) = U ⋅ ( t)<br />

Die Anwendung der Maschenregel ergibt<br />

U( t) U U ( t) L dI<br />

− L = 0 ⇒ 0 ⋅ cos ω =<br />

dt<br />

0<br />

cos ω .<br />

Durch Integration lässt sich diese Gleichung umformen zu


∫<br />

U<br />

0<br />

⇒ L ⋅I<br />

= U<br />

⇒ I<br />

⋅ cos<br />

( ωt)<br />

0<br />

U<br />

ω ⋅L<br />

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dt =<br />

cos<br />

∫L<br />

( ωt)<br />

0 ( t)<br />

= sin(<br />

ωt)<br />

Hierbei ist I<br />

0<br />

⋅<br />

∫<br />

dI<br />

dt<br />

dt<br />

dt<br />

U0<br />

= der Scheitelwert des Spulenstromes. Verglichen mit einem ohmschen Widerstand<br />

ω⋅<br />

L<br />

⎛ U0<br />

⎞<br />

⎜I0<br />

= ⎟ kann der Term XL = ⋅L<br />

⎝ R ⎠<br />

induktiver Widerstand oder Blindwiderstand. X = ⋅L<br />

ω<br />

Es gilt: Ueff = XL ⋅ Ieff<br />

ω formal als Widerstand bezeichnet werden. Die Größe XL heißt<br />

L<br />

Der Begriff Blindwiderstand wird verwendet, da in einer Spule keine Leistung in Joulsche Wärme umgesetzt<br />

wird. Zu jedem Zeitpunkt gilt: P( t) = U( t) ⋅ I( t) = U ⋅cos( ωt) ⋅I ⋅sin(<br />

ω t)<br />

0 0<br />

Der zeitliche Mittelwert der Leistung wird wiederum durch Integration über eine Periode bestimmt. Diese<br />

ergibt: P( t) U I cos( ωt) sin(<br />

ω t)<br />

= ⋅ ⋅ ⋅ =<br />

0 0 0<br />

Die Integration des Produktes aus sin <strong>und</strong> cos über eine Periode liefert den Mittelwert Null, da das Produkt<br />

eine ungerade Funktion ist.<br />

Die Leistung, die sich zu jedem Zeitpunkt aus Strom <strong>und</strong> Spannung ergibt wird zum Aufbau des magneti-<br />

schen Feldes innerhalb der Spule verwendet.<br />

8.5.3 Wechselströme in Kondensatoren<br />

1<br />

0,8<br />

0,6<br />

0,4<br />

0,2<br />

0<br />

0<br />

-0,2<br />

0,5 1 1,5 2<br />

Am Kondensator liege die Spannung U( t) = U ⋅ ( t)<br />

y<br />

-0,4<br />

-0,6<br />

-0,8<br />

Die Anwendung der Maschenregel ergibt<br />

-1<br />

0<br />

x<br />

cos ω .


1<br />

U ( t)<br />

I( t) 0 ⋅ cos ω = dt<br />

C ∫<br />

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( ) ( )<br />

U t − U = ⇒ U ⋅ cos ω t =<br />

C<br />

0 0<br />

( )<br />

Q t<br />

C<br />

Der Strom, der beim Lade-/ Entladevorgang durch den Kondensator<br />

I t<br />

fließt, lässt sich berechnen durch: ( )<br />

Damit wird die obige Gleichung zu<br />

Die formale Differentiation der Gleichung liefert dann einen Ausdruck für den Strom I:<br />

1<br />

U ( ( t)<br />

) I( t)<br />

0 ⋅ω ⋅ − sin ω =<br />

C<br />

⇒ I t = −ω ⋅C ⋅U ⋅ sin ωt<br />

( ) ( )<br />

⇒ I t = −<br />

U<br />

1<br />

ω ⋅C<br />

⋅sin<br />

ωt<br />

0 ( ) ( )<br />

Formal ist der Ausdruck 1<br />

ω ⋅C<br />

X<br />

C =<br />

U(t) C<br />

0<br />

1<br />

genannt.<br />

ω ⋅C<br />

Es gilt: Ueff = X C ⋅ Ieff<br />

Aus I( t) = −ω ⋅C ⋅U ⋅ ( ωt) = −I ⋅ ( ωt)<br />

⎛ ⎞<br />

− sin( ω ) = cos⎜ω<br />

+ ⎟<br />

⎝ ⎠<br />

π<br />

t t<br />

2<br />

⎛ ⎞<br />

I( t) = I0 ⋅ cos⎜ωt + ⎟<br />

⎝ 2⎠<br />

π<br />

0 0<br />

( )<br />

dQ t<br />

= ⇒ Q( t) = I( t) dt<br />

dt ∫<br />

wieder ein Widerstand. Dieser Ausdruck wird kapazitiver Widerstand<br />

sin sin folgt durch Umformung der Sinusfunktion nach<br />

y<br />

1<br />

0,8<br />

0,6<br />

0,4<br />

0,2<br />

0<br />

-0,2<br />

0 0,5 1 1,5 2<br />

-0,4<br />

-0,6<br />

-0,8<br />

-1<br />

Beim Kondensator eilt der Strom der Spannung um 90° voraus<br />

x


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Ähnlich wie bei der Spule ist die mittlere Leistung der Wechselspannung beim Kondensator Null. Die Leis-<br />

tung wird vielmehr dazu verwendet, das elektrische Feld im Kondensator aufzubauen.<br />

8.5.4 LC-Kreise<br />

Die Eigenschaften von Kondensatoren <strong>und</strong> Spulen, elektrische Energie in Form von elektrischen <strong>und</strong> mag-<br />

netischen Feldern zu speichern, kann dazu genutzt werden, Schwingungen zu erzeugen.<br />

Mechanische Analogie: Die potentielle Energie einer Feder kann in kinetische Energie gewandelt werden<br />

<strong>und</strong> umgekehrt. Das Federsystem führt Schwingungen aus.<br />

Gegeben sei der folgende Schwingkreis:<br />

• Der Kondensator sei zum Zeitpunkt t=0 gerade voll geladen.<br />

• Nach Schließen des Schalters S fließt ein Entladestrom des Kondensa-<br />

tors.<br />

• Durch den Strom wird in der Spule eine Spannung induziert <strong>und</strong> ein<br />

Magnetfeld aufgebaut.<br />

• Wenn sich das Magnetfeld wieder abbaut, wird erneut ein Strom indu-<br />

ziert, der den Kondensator wieder auflädt <strong>und</strong> der Vorgang setzt sich weiter fort.<br />

Die Anwendung der Mascheregel gibt diesen Zusammenhang ebenfalls wieder:<br />

L dI Q<br />

mit I<br />

dt C<br />

d Q Q<br />

L<br />

dt C<br />

d Q<br />

dt L C Q<br />

+ = 0 =<br />

2<br />

⇒ 2 + = 0<br />

2<br />

1<br />

⇒ 2 + = 0<br />

⋅<br />

dQ<br />

dT<br />

Dies ist eine Dgl., die das zeitabhängige Verhalten der durch Kondensator <strong>und</strong> Spule fließenden Ladung<br />

beschreibt.<br />

Die Lösung der Dgl. lautet: Q( t) = Q ⋅cos( ωt − δ )<br />

wobei ω =<br />

1<br />

L ⋅ C ist.<br />

0<br />

Die Ladung oszilliert somit periodisch zwischen Spule <strong>und</strong> Kondensator hin <strong>und</strong> her. Der im Schwingkreis<br />

fließende Strom lässt sich somit leicht berechnen zu<br />

( )<br />

I t<br />

C<br />

( )<br />

S<br />

L<br />

dQ t<br />

= = −Q 0 ⋅ω ⋅ sin ωt − δ = −I0 ⋅sin ωt − δ<br />

dt<br />

( ) ( )<br />

Dieses Verhalten beschreibt eine ungedämpfte harmonische elektrische Schwingung.


<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 179<br />

Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />

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Analog zum mechanischen Schwinger, bei dem die Oszillation gedämpft wird bei Auftreten von Reibung,<br />

wird auch die elektrische Oszillation gedämpft bei Vorhandensein von elektrischen Widerständen. In den<br />

Widerständen wird ein <strong>Teil</strong> der Schwingungsenergie in Joulsche Wärme gewandelt, die dem Schwingungs-<br />

system dann nicht mehr <strong>zur</strong> Verfügung steht.<br />

Auf die gleiche Weise können auch von außen erregte Schwingkreise mit verschiedenen Kombinationen<br />

aus Spule, Kondensator <strong>und</strong> Widerstand behandelt werden. Auch hier treten Phänomene wie Resonanzen<br />

in Abhängigkeit der Dämpfung auf. Für eine genauere Behandlung dieser Phänomene sein an dieser Stelle<br />

jedoch auf die Literatur verwiesen.<br />

8.5.5 Transformator<br />

Wechselspannungen können nahezu verlustfrei in ihrer Größe geändert werden. Hierzu werden meist<br />

Transformatoren verwendet. Die zu ändernde Spannung wird über einer Spule angelegt, die mit einer zwei-<br />

ten Spule über einen Ringkern verb<strong>und</strong>en ist.<br />

U(t)<br />

Primärspannung: U N d m<br />

L1<br />

= 1 ⋅<br />

dt<br />

Ψ ,<br />

Die Spannung U1(t) induziert in der Primärspule mit<br />

der Windungszahl N1 aufgr<strong>und</strong> des Magnetisie-<br />

rungsstromes einen magnetischen Fluss Ψ m,ges ,<br />

der durch den Ringkern gebündelt wird <strong>und</strong> entspre-<br />

chend in gleicher Größe die Spule mit der Win-<br />

dungszahl N2 durchsetzt. Verluste durch Wirbel-<br />

ströme etc. Seien an dieser Stelle vernachlässigt.<br />

Induzierte Spannung in der ersten Spule:<br />

wobei Ψ m der magnetische Fluss ist, der durch eine Leiterschleife erzeugt wird.<br />

Aufgr<strong>und</strong> der Maschenregel ist die induzierte Spannung UL1 gerade gleich der äußeren anliegenden Span-<br />

nung.<br />

N1<br />

In der zweiten Spule wird aufgr<strong>und</strong> des magnetischen Flusses ebenfalls eine Spannung entsprechend dem<br />

Induktionsgesetz induziert:<br />

Sek<strong>und</strong>ärspannung: U N d<br />

L2<br />

= − 2 ⋅<br />

dt<br />

Ψ<br />

m<br />

Diese Spannung erleidet auf der Sek<strong>und</strong>ärseite aufgr<strong>und</strong> der Lenzschen Regel (gleicher Wicklungssinn der<br />

Spulen vorausgesetzt) einen Phasensprung um 180°.<br />

Zusammengefasst lassen sich die beiden Gleichungen schreiben als U<br />

Der Quotient aus N2 <strong>und</strong> N1 wird Übersetzungsfaktor genannt.<br />

N2<br />

2<br />

N<br />

N U<br />

2<br />

= −<br />

1<br />

1


<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 180<br />

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Weiterhin kann gezeigt werden, dass für einen belasteten Transformator gilt:<br />

N1 ⋅ I1 = N2 ⋅ I2<br />

(die Ströme verhalten sich wie die Windungszahlen)<br />

U ⋅ I = U ⋅ I (die Leistung wird übertragen)<br />

1, eff 1, eff 2, eff 2,<br />

eff<br />

8.6 Elektromagnetische Wellen<br />

Wie in den letzten Kapiteln gezeigt wurde haben elektrische Felder ihre Quellen in elektrischen Ladungen<br />

<strong>und</strong> magnetische Felder werden durch bewegte Ladungen erzeugt. Darüber hinaus werden durch zeitlich<br />

veränderliche magnetische Felder in Leiterschleifen elektrische Felder erzeugt <strong>und</strong> umgekehrt.<br />

Dies legt den Schluss nahe, dass elektrische Felder aus magnetischen Feldern entstehen können <strong>und</strong> um-<br />

gekehrt. Die funktionalen Zusammenhänge wurden erstmals von Maxwell in den Maxwellschen Gleichun-<br />

gen zusammengefasst.<br />

8.6.1 Die Maxwellschen Gleichungen<br />

Zusammengefasst lauten die Maxwellschen Gleichungen in Integralschreibweise:<br />

( )<br />

1<br />

( )<br />

( )<br />

( )<br />

1<br />

En ⋅ dA = Q<br />

ε<br />

2 B ⋅ dA = 0<br />

3<br />

4<br />

∫∫<br />

δV<br />

∫∫<br />

δV<br />

δA<br />

n<br />

d<br />

E⋅ ds = − Bn ⋅dA<br />

dt<br />

∫B ds 0 I 0 ε0<br />

dt ∫<br />

δA<br />

A<br />

0<br />

∫ ∫<br />

A<br />

innen<br />

d<br />

⋅ = μ ⋅ + μ ⋅ E ⋅dA<br />

Anschaulich bedeuten hier die Integrale die folgenden Vorschriften:<br />

∫∫<br />

δV<br />

∫<br />

δA<br />

E ⋅dA<br />

n<br />

E⋅ ds<br />

n<br />

Integration über die geschlossene Oberfläche eines Volumens derjenigen Komponente des<br />

elektrischen Feldes, welches senkrecht auf der Oberfläche steht.<br />

Integration über eine geschlossene Linie einer Fläche A derjenigen Komponente des elektri-<br />

schen Feldes, welches parallel <strong>zur</strong> Tangenten der Begrenzungslinie liegt.<br />

∫ En ⋅dA<br />

Integration über eine offene Fläche A derjenigen Komponente des elektrischen Feldes, welches<br />

A<br />

Gleichung (1):<br />

senkrecht auf der Oberfläche steht.<br />

Diese Gleichung entspricht dem Coulombschen Gesetz der Elektrostatik. Sie besagt, dass das elektrische<br />

Feld seine Quellen bzw. Senken in elektrischen Ladungen hat. Das Feld, welches aus einem Volumen „her-


<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 181<br />

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ausfließt“ (bzw. in ein Volumen hineinfließt), wird durch die Ladung erzeugt, die sich innerhalb des Volu-<br />

mens befindet. Das elektrische Feld entsteht durch elektrische Monopole.<br />

Gleichung (2):<br />

Diese Gleichung sagt aus, dass ein magnetisches Feld keine Monopole besitzt. Feldlinien sind stets in sich<br />

geschlossen, d.h. diejenigen Feldlinien, die durch eine geschlossene Oberfläche eines Volumens hineinflie-<br />

ßen, müssen auch wieder aus diesem Volumen herausfließen.<br />

Gleichung (3):<br />

Diese Gleichung besagt, dass durch ein zeitlich sich änderndes Magnetfeld, welches eine Fläche A durch-<br />

setzt, auf dem Rand δA der Fläche eine Spannung induziert wird. Das Minuszeichen in dieser Gleichung<br />

beschreibt die Lenzsche Regel, d.h. die induzierte Spannung wirkt ihrer Ursache entgegen.<br />

Gleichung (4)<br />

Diese Gleichung besagt ohne Berücksichtigung der zeitlichen Änderung des elektrischen Feldes zunächst,<br />

dass Magnetfelder, gemessen auf dem Rand einer Fläche, durch diejenigen Ströme erzeugt werden, die<br />

durch diese Fläche hindurchfließen. Das Amperesche Gesetz gilt in dieser Form nur für durchgehende Strö-<br />

me. Unterbrochene Ströme, wie z.B. in Kondensatoren, werden nicht berücksichtigt. Zusätzlich werden aber<br />

auch magnetische Felder dadurch erzeugt, dass zeitlich veränderliche elektrische Felder einen Verschie-<br />

bungsstrom bewirken.<br />

Maxwellscher Verschiebungsstrom:<br />

Der von Maxwell eingeführte Verschiebungsstrom kann anschaulich gemacht werden z.B. an einem Kon-<br />

densator. Wird ein Kondensator aufgeladen, so fließt in dem Zuleitungsdraht der Ladestrom, In gleicher<br />

Größe fließt dieser Ladestrom am anderen Anschluss des Kondensators wieder ab. Zwischen den Konden-<br />

satorplatten ließt aber kein „echter“ Strom, da dort kein leitendes Material vorhanden ist.<br />

Da der Strom, der in den Kondensator hinein fließt jedoch auch wieder herausfließt, kann formal zwischen<br />

beiden Platten ebenfalls ein Strom eingeführt werden, der sogenannte Verschiebungsstrom. Da der Strom-<br />

fluss auf beiden Platten durch die Influenz der Ladungen auf den Kondensatorplatten , d.h. durch das elekt-<br />

rische Feld zwischen ihnen, zustande kommt, <strong>und</strong> sich ein Strom nur bei sich ändernder Ladungsdichte<br />

fließt, kann formal die Änderung des elektrischen Flusses als Strom bezeichnet werden:<br />

Verschiebungsstrom: I<br />

V<br />

= ε 0 ⋅<br />

dΨ<br />

dt<br />

e<br />

wobei Ψ e der elektrische Fluss zwischen beiden Kondensatorplatten ist.<br />

Eine weiter Notwendigkeit <strong>zur</strong> Einführung des Verschiebungsstromes lässt sich folgendermaßen verdeutli-<br />

chen:


<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 182<br />

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8.6.2 Elektromagnetische Wellen<br />

Das reine Amperesche Gesetz sagt aus, dass ein magne-<br />

tisches Feld auf dem Rand einer Fläche entsteht, wenn<br />

ein Strom durch diese Fläche fließt. Beim Kondensator<br />

ist dies bei der Fläche S1 der Fall, wenn ein Ladestrom in<br />

den Kondensator fließt.<br />

Es kann jedoch auch die Fläche S2 <strong>zur</strong> Berechnung he-<br />

rangezogen werden, da S2 den gleichen Rand wie S1<br />

aufweist. Durch S2 fließt aber kein „echter“ Strom, wes-<br />

wegen das Feld auf dem Rand der Fläche Null sein<br />

müsste. Dies ist aber ein Widerspruch, da zwei verschie-<br />

dene Ergebnisse auftreten. Die Einführung des Verschie-<br />

bungsstromes bereinigt diesen Sachverhalt wieder.<br />

Die Maxwellschen Gleichungen ohne Vorhandensein von Materie lauten wie folgt:<br />

( )<br />

1 E ⋅ dA = 0<br />

( )<br />

2 B ⋅ dA = 0<br />

( 3)<br />

( )<br />

∫∫<br />

δV<br />

∫∫<br />

δV<br />

δA<br />

n<br />

n<br />

d<br />

E⋅ ds = − Bn ⋅dA<br />

dt<br />

∫ ∫<br />

d<br />

⋅ = μ ⋅ En ⋅dA<br />

dt<br />

∫ ∫<br />

4 B ds<br />

δA<br />

0 ε 0<br />

A<br />

A<br />

Die Gleichungen (3) <strong>und</strong> (4) zeigen, dass auch ohne Vorhandensein von Ladungen oder Strömen in Materie<br />

elektrische <strong>und</strong> magnetische Felder sich gegenseitig erzeugen können, wenn sie sich zeitlich ändern. Durch<br />

die Maxwellschen Gleichungen war es erstmals möglich, das Wesen <strong>und</strong> die Ausbreitung elektromagneti-<br />

scher Wellen zu beschreiben. Auf eine detaillierte Ausführung der Herleitung von em-Wellen sei an dieser<br />

Stelle verzichtet.<br />

dE/dt 0 aber konstant dB/dt 0 aber konstant dB/dt 0 <strong>und</strong> nicht konstant<br />

B E B<br />

E<br />

dE/dt 0<br />

<strong>und</strong> nicht konstant


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Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />

Über die Lösung der Maxwellschen Gleichungen lassen sich alle klassischen elektromagnetischen Phäno-<br />

mene beschreiben. Unter anderem folgt für den materiefreien Raum eine Beschreibung der elektromagneti-<br />

schen Wellen, z.B. die Wellengleichungen harmonischer elektromagnetischer Wellen.

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