Skript zur Vorlesung Physik Teil 1 (Sommersemester) und Teil 2 ...
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Prof. Dr. P. Kaul<br />
Tel: 02241/865-515<br />
Fax: 02241/865-795<br />
Fachhochschule<br />
Bonn-Rhein-Sieg<br />
University<br />
of Applied Sciences<br />
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong><br />
<strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong><br />
<strong>Teil</strong> 1 (<strong>Sommersemester</strong>)<br />
<strong>und</strong><br />
Fachbereich Biologie<br />
Chemie <strong>und</strong><br />
Werkstofftechnik<br />
<strong>Teil</strong> 2 (Wintersemester)<br />
Email: peter.kaul@fh-rhein-sieg.de Stand: 03/00
Inhaltsverzeichnis<br />
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 2<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />
1 EINFÜHRUNG ...................................................................................................................................5<br />
1.1 Allgemeines .......................................................................................................................................5<br />
1.2 Literaturangaben zu Standardwerken der <strong>Physik</strong> ................................................................................5<br />
1.3 Das griechische Alphabet ...................................................................................................................6<br />
1.4 Begriffsklärung: Was ist <strong>Physik</strong> ..........................................................................................................6<br />
1.5 Historischer Abriss..............................................................................................................................7<br />
1.6 Die Messung physikalischer Größen...................................................................................................8<br />
1.6.1 SI-Einheitensystem .........................................................................................................................8<br />
1.6.2 Umrechnung von Einheiten.............................................................................................................9<br />
1.6.3 Dezimale Vielfache <strong>und</strong> <strong>Teil</strong>e <strong>und</strong> deren Kurzbezeichnungen .........................................................9<br />
1.6.4 Abgeleitete Einheiten (SI-System) ................................................................................................10<br />
1.7 Masse, Dichte, Stoffmenge ..............................................................................................................11<br />
1.7.1 Masse...........................................................................................................................................11<br />
1.7.2 Dichte ...........................................................................................................................................11<br />
1.7.3 Stoffmenge...................................................................................................................................11<br />
2 MECHANIK......................................................................................................................................13<br />
2.1 Der Begriff des Massenpunktes........................................................................................................13<br />
2.2 Geradlinige Bewegung .....................................................................................................................14<br />
2.2.1 Geradlinig gleichförmige Bewegung..............................................................................................14<br />
2.2.2 Ungleichförmige Bewegung ..........................................................................................................14<br />
2.2.3 Zusammenhang zwischen Weg <strong>und</strong> Beschleunigung: ...................................................................15<br />
2.2.4 Der freie Fall.................................................................................................................................17<br />
2.2.5 Zusammensetzung <strong>und</strong> Zerlegung von Bewegungen ....................................................................17<br />
2.2.6 Die Bewegung auf der schiefen Ebene..........................................................................................18<br />
2.2.7 Wurfbewegung..............................................................................................................................19<br />
2.3 Rotationsbewegungen ......................................................................................................................20<br />
2.3.1 Gleichförmige Drehbewegung.......................................................................................................20<br />
2.3.2 Ungleichförmige Drehbewegung ...................................................................................................22<br />
2.3.3 Gleichmäßig beschleunigte Kreisbewegung. .................................................................................23<br />
2.4 Vergleich zwischen geradliniger Bewegung <strong>und</strong> Kreisbewegung.......................................................23<br />
2.5 Dynamik der geradlinigen Bewegung: Newtonsche Axiome..............................................................24<br />
2.5.1 Newtonsche Axiome .....................................................................................................................24<br />
2.5.2 Lineares Kraftgesetz .....................................................................................................................25<br />
2.5.3 Reibungskräfte..............................................................................................................................25<br />
2.6 Gravitation .......................................................................................................................................27<br />
2.7 Arbeit, Leistung, Energie ..................................................................................................................28<br />
2.7.1 Arbeit............................................................................................................................................28<br />
2.7.2 Leistung........................................................................................................................................30<br />
2.7.3 Energie, Energieerhaltung.............................................................................................................30<br />
2.7.4 Impuls, Impulserhaltung................................................................................................................32<br />
2.8 Dynamik der Drehbewegungen.........................................................................................................36<br />
2.8.1 Zentripetal- <strong>und</strong> Zentrifugalkraft....................................................................................................36<br />
2.8.2 Kreispendel...................................................................................................................................36<br />
2.8.3 Starrer Körper...............................................................................................................................37<br />
2.8.4 Schwerpunkt .................................................................................................................................37<br />
2.8.5 Trägheitsmoment..........................................................................................................................38<br />
2.8.6 Drehmoment.................................................................................................................................40<br />
2.8.7 Drehimpuls ...................................................................................................................................41<br />
2.8.8 Vergleich zwischen geradliniger Bewegung <strong>und</strong> Kreisbewegung ...................................................43<br />
3 MECHANIK DER FLÜSSIGKEITEN UND GASE .............................................................................45<br />
3.1 Ruhende Flüssigkeiten <strong>und</strong> Gase .....................................................................................................45<br />
3.1.1 Ruhende Flüssigkeiten..................................................................................................................45<br />
3.1.2 Ruhende Gase..............................................................................................................................51<br />
4 THERMODYNAMIK .........................................................................................................................53<br />
4.1 Temperatur ......................................................................................................................................53<br />
4.1.1 Temperaturskalen.........................................................................................................................53<br />
4.1.2 Thermometer................................................................................................................................54
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 3<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />
4.2 Verhalten von Körpern bei Temperaturänderungen ..........................................................................54<br />
4.2.1 Feste Körper.................................................................................................................................54<br />
4.2.2 Flüssigkeiten.................................................................................................................................55<br />
4.2.3 Gase.............................................................................................................................................56<br />
4.2.4 Die allgemeine Zustandsgleichung idealer Gase: ..........................................................................57<br />
4.3 Kinetische Gastheorie ......................................................................................................................58<br />
4.3.1 Gasgleichungen............................................................................................................................58<br />
4.3.2 Mittlere kinetische Energie der Moleküle, Gleichverteilungssatz....................................................60<br />
4.3.3 Boltzmannfaktor:...........................................................................................................................61<br />
4.4 Die Hauptsätze der Thermodynamik.................................................................................................63<br />
4.4.1 Wärme <strong>und</strong> Innere Energie...........................................................................................................63<br />
4.4.2 Zustandsänderungen idealer Gase................................................................................................69<br />
4.4.3 Kreisprozesse ...............................................................................................................................72<br />
4.5 Zustandsgleichung realer Gase <strong>und</strong> Dämpfe ....................................................................................77<br />
4.5.1 Van-der-Waalsche Gasgleichung..................................................................................................77<br />
4.5.2 Phasenumwandlungen..................................................................................................................78<br />
4.5.3 Gleichgewicht zwischen den Phasen.............................................................................................79<br />
5 SCHWINGUNGEN UND WELLEN...................................................................................................82<br />
5.1 Wiederholung aus der Mechanik ......................................................................................................82<br />
5.2 Schwingungen..................................................................................................................................83<br />
5.2.1 Freie ungedämpfte Schwingung:...................................................................................................83<br />
5.2.2 Freie gedämpfte Schwingung:.......................................................................................................83<br />
5.2.3 Erzwungene Schwingung: .............................................................................................................83<br />
5.3 Mathematische Beschreibung von Schwingungen ............................................................................84<br />
5.3.1 Harmonische Schwingungen:........................................................................................................84<br />
5.3.2 Differentialgleichung der freien ungedämpften Schwingung: .........................................................85<br />
5.3.3 Differentialgleichung der freien gedämpften Schwingung: .............................................................89<br />
5.3.4 Differentialgleichung der erzwungenen Schwingung......................................................................92<br />
5.4 Überlagerung von Schwingungen .....................................................................................................94<br />
5.4.1 Schwingungen gleicher Raumrichtungen <strong>und</strong> gleicher Frequenz...................................................95<br />
5.4.2 Schwingungen gleicher Raumrichtungen <strong>und</strong> verschiedener Frequenz .........................................96<br />
5.4.3 Schwingungen verschiedener Raumrichtungen <strong>und</strong> Frequenzen...................................................98<br />
5.5 Wellen..............................................................................................................................................98<br />
5.5.1 Allgemeines..................................................................................................................................98<br />
5.5.2 Harmonische Wellen.....................................................................................................................99<br />
5.5.3 Energietransport: ........................................................................................................................100<br />
5.5.4 Interferenz von Wellen................................................................................................................101<br />
5.5.5 Stehende Wellen ........................................................................................................................103<br />
6 OPTIK............................................................................................................................................106<br />
6.1 Dualismus <strong>Teil</strong>chen Welle..............................................................................................................106<br />
6.2 Huygenssches Prinzip ....................................................................................................................107<br />
6.2.1 Reflexion <strong>und</strong> Brechung..............................................................................................................108<br />
6.3 Geometrische Optik........................................................................................................................110<br />
6.3.1 Ebener Spiegel ...........................................................................................................................111<br />
6.3.2 Gekrümmte Spiegel ....................................................................................................................111<br />
6.3.3 Linsen.........................................................................................................................................114<br />
6.3.4 Optische Instrumente..................................................................................................................117<br />
6.4 Wellenerscheinungen von Licht......................................................................................................119<br />
6.4.1 Beugung .....................................................................................................................................119<br />
6.4.2 Kohärenz ....................................................................................................................................120<br />
6.4.3 Interferenz an dünnen Schichten.................................................................................................121<br />
6.4.4 Michelson Interferometer ............................................................................................................124<br />
6.4.5 Doppelspalt <strong>und</strong> Mehrfachspalt ...................................................................................................125<br />
6.4.6 Einzelspalt ..................................................................................................................................127<br />
6.4.7 Gitter ..........................................................................................................................................128<br />
6.4.8 Auflösungsvermögen ..................................................................................................................130<br />
6.4.9 Prisma ........................................................................................................................................131<br />
6.4.10 Polarisation.................................................................................................................................132<br />
7 ELEKTRIZITÄT .............................................................................................................................134<br />
7.1 Das elektrische Feld.......................................................................................................................134
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 4<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />
7.1.1 Definitionen ................................................................................................................................134<br />
7.1.2 Elektrisches Feld von Punktladungen..........................................................................................135<br />
7.1.3 Bewegung von Ladungen in E-Feldern........................................................................................137<br />
7.1.4 Kontinuierliche Ladungsverteilungen...........................................................................................138<br />
7.1.5 Ladung <strong>und</strong> Feld auf leitenden Oberflächen................................................................................140<br />
7.2 Elektrisches Potential .....................................................................................................................141<br />
7.2.1 Definitionen ................................................................................................................................141<br />
7.2.2 Potential von Punktladungen ......................................................................................................142<br />
7.2.3 Feld <strong>und</strong> Potential, Poissongleichung..........................................................................................144<br />
7.3 Elektrischer Strom:.........................................................................................................................146<br />
7.3.1 Definitionen: ...............................................................................................................................146<br />
7.3.2 Elektronenleitung in Leitern.........................................................................................................147<br />
7.3.3 Elektrischer Widerstand <strong>und</strong> Ohmsches Gesetz..........................................................................149<br />
7.3.4 Energie des elektrischen Stromes...............................................................................................151<br />
7.4 Gleichstromkreise...........................................................................................................................151<br />
7.4.1 Spannungsquellen ......................................................................................................................151<br />
7.4.2 Kirchhoffsche Regeln..................................................................................................................152<br />
7.4.3 RC-Kreise ...................................................................................................................................156<br />
8 MAGNETISMUS ............................................................................................................................161<br />
8.1 Das magnetische Feld....................................................................................................................161<br />
8.1.1 Allgemeines................................................................................................................................161<br />
8.1.2 Lorentzkraft.................................................................................................................................161<br />
8.1.3 Bewegung einer Punktladung im Magnetfeld...............................................................................162<br />
8.1.4 Energiefilter <strong>und</strong> Massenspektrometer ........................................................................................163<br />
8.2 Die Quellen des magnetischen Feldes............................................................................................164<br />
8.2.1 Bewegte Ladungen .....................................................................................................................164<br />
8.2.2 Magnetische Induktion ................................................................................................................166<br />
8.2.3 (Selbst)induktivität ......................................................................................................................167<br />
8.3 LR-Kreise .......................................................................................................................................168<br />
8.4 Magnetismus in Materie .................................................................................................................170<br />
8.4.1 Magnetische Momente................................................................................................................170<br />
8.4.2 Magnetisierung <strong>und</strong> magnetische Suszeptibilität .........................................................................171<br />
8.4.3 Paramagnetismus.......................................................................................................................172<br />
8.4.4 Diamagnetismus.........................................................................................................................173<br />
8.4.5 Ferromagnetismus......................................................................................................................173<br />
8.5 Wechselstromkreise .......................................................................................................................174<br />
8.5.1 Wechselspannung an einem Widerstand ....................................................................................174<br />
8.5.2 Wechselströme in Spulen ...........................................................................................................175<br />
8.5.3 Wechselströme in Kondensatoren...............................................................................................176<br />
8.5.4 LC-Kreise....................................................................................................................................178<br />
8.5.5 Transformator .............................................................................................................................179<br />
8.6 Elektromagnetische Wellen............................................................................................................180<br />
8.6.1 Die Maxwellschen Gleichungen ..................................................................................................180<br />
8.6.2 Elektromagnetische Wellen ........................................................................................................182
1 EINFÜHRUNG<br />
1.1 Allgemeines<br />
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 5<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />
Das vorliegende <strong>Skript</strong> „<strong>Physik</strong>, <strong>Teil</strong> 1“ soll den Studierenden der Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik als Hilfsmit-<br />
tel <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> dienen. Das <strong>Skript</strong> erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, d.h. die Verwen-<br />
dung weiterer Fachliteratur <strong>zur</strong> Vorbereitung der Übungsaufgaben, Klausuren <strong>und</strong> Praktika wird dringend<br />
empfohlen! Das <strong>Skript</strong> dient lediglich <strong>zur</strong> Information über die in der <strong>Vorlesung</strong> vermittelten Inhalte.<br />
1.2 Literaturangaben zu Standardwerken der <strong>Physik</strong><br />
• Experimentalphysik I - IV, (sehr ausführliche Darstellungen)<br />
Bergmann-Schaefer,<br />
Walter de Gruyter-Verlag<br />
• <strong>Physik</strong> für Ingenieure<br />
Dobrinski, Krakau, Vogel<br />
Teubner-Verlag<br />
• Einführung in die <strong>Physik</strong><br />
Fleischmann<br />
<strong>Physik</strong>-Verlag<br />
• <strong>Physik</strong><br />
Gerthsen, Vogel<br />
Springer<br />
• <strong>Physik</strong> (Empfehlung)<br />
Tipler<br />
Spektrum Akademischer Verlag<br />
• <strong>Physik</strong> für Ingenieure (Empfehlung)<br />
Hering, Martin, Stohrer<br />
Springer<br />
• <strong>Physik</strong><br />
Gerlach, Grosse<br />
Teubner
• <strong>Physik</strong> für Mediziner<br />
Harten<br />
Springer<br />
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 6<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />
1.3 Das griechische Alphabet<br />
Alpha α Α<br />
Beta β Β<br />
Gamma γ Γ<br />
Delta δ Δ<br />
Epsilon ε Ε<br />
Zeta ζ Ζ<br />
Eta η Η<br />
Theta ϑ (θ) Θ<br />
Jota ι Ι<br />
Kappa κ Κ<br />
Lambda λ Λ<br />
My μ Μ<br />
Ny ν Ν<br />
Xi ξ Ξ<br />
Omikron ο Ο<br />
Pi π Π<br />
Rho ρ Ρ<br />
Sigma σ Σ<br />
Tau τ Τ<br />
Ypsilon υ Υ<br />
Phi ϕ (φ) Φ<br />
Chi χ Χ<br />
Psi ψ Ψ<br />
Omega ω Ω<br />
1.4 Begriffsklärung: Was ist <strong>Physik</strong><br />
1. Alle Naturwissenschaften (Chemie, Astrophysik, Biologie, Geologie) sind historisch gesehen ein <strong>Teil</strong>ge-<br />
biet der <strong>Physik</strong>. Heute werden sie als eigenständige Wissenschaften betrachtet. Eine klare Trennung ist<br />
in den meisten Fällen nicht möglich. Die <strong>Physik</strong> beinhaltet viele wichtige Gr<strong>und</strong>begriffe, die in anderen<br />
Natur- <strong>und</strong> Ingenieurwissenschaften Verwendung finden.<br />
2. Historisch gewachsen ist die Unterteilung in: Mechanik, Akustik, Wärme, Elektrizität, Magnetismus, Op-<br />
tik, Atom- <strong>und</strong> Kernphysik. Diese "Klassische <strong>Physik</strong>" existiert in der Forschung in dieser Form nicht
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 7<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />
mehr. Die willkürliche Aufspaltung unterteilt sich heutzutage in die Bereiche Quantenphysik <strong>und</strong> Elemen-<br />
tarteilchenphysik (Mikrophysik: Erforschung des Kleinen), Astrophysik (Makrophysik, Erforschung des<br />
Großen), Festkörperphysik (kondensierte Materie, Werkstofftechnik), Oberflächenphysik (Erforschung<br />
von Phasengrenzen), Theoretische <strong>Physik</strong> (streng mathematische Beschreibung.<br />
3. Sämtliche <strong>Teil</strong>bereiche sowohl der klassischen <strong>Physik</strong> als auch der modernen <strong>Physik</strong> gehen ineinander<br />
über (Optik/Elektromagnetismus, Wärmestrahlung/Licht, Festkörperphysik/Quantentheorie aber auch<br />
Marko-/Mikrophysik z.B. bei der Beschreibung des Urknalls).<br />
Begriffsbestimmung (Folie):<br />
<strong>Physik</strong> ist die Naturwissenschaft, die sich mit der Erforschung aller experimentell <strong>und</strong> messend erfassbaren<br />
sowie mathematisch beschreibbaren Erscheinungen <strong>und</strong> Vorgängen der unbelebten Natur befasst.<br />
Sie beschreibt Vorgänge, Zustände, Zustandsänderungen, Wechselwirkungen <strong>und</strong> Zusammensetzungen<br />
von Materie<br />
Die <strong>Physik</strong> hat große Auswirkungen auf die Technik <strong>und</strong> Wirtschaft sowie auf andere naturwissenschaftliche<br />
Zweige (Beispiele: Mikroelektronik, neue Materialien, Werkstofftechnik, chemische Verfahrenstechnik etc.)<br />
1.5 Historischer Abriss<br />
1. Erste Beschreibungen physikalische Phänomene finden sich bei Archimedes: um 285 v. Chr.: Integral-<br />
rechnung, Berechnung von π, Hebelgesetze <strong>und</strong> Auftrieb.<br />
2. Anfänge der klassischen <strong>Physik</strong> finden sich Anfang des 17. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
3. Tycho de Brahes (1546-1601) <strong>und</strong> Kepler (1571-1630): Beschreibung der Planetenbewegung, Kepler-<br />
sche Gesetze.<br />
Klassische <strong>Physik</strong>:<br />
Galilei 1564-1642 Pendel- <strong>und</strong> Fallgesetze<br />
Newton 1643-1727 Theoretische Mechanik, Gravitation<br />
Huygens 1629-1695 Wellentheorie des Lichts<br />
Faraday 1791-1867 Elektrolyse, Induktion<br />
Maxwell 1831-1879 Elektromagn. Lichttheorie, kinetische Gastheorie<br />
Helmholtz 1821-1894 Energieprinzip (Erhaltung)<br />
Hertz 1857-1894 elektrische Wellen<br />
Moderne <strong>Physik</strong>:<br />
Planck 1858-1947 Quantentheorie<br />
Einstein 1879-1955 Relativitätstheorie<br />
Bohr 1885-1962 Atomtheorie<br />
Heisenberg 1901-1976 Quantenmechanik
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 8<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />
Schrödinger 1887-1961 Wellenmechanik<br />
1.6 Die Messung physikalischer Größen<br />
Definition:<br />
Eine physikalische Größe setzt sich zusammen aus einem Zahlenwert <strong>und</strong> einer Einheit:<br />
physikalische Größe = Zahlenwert * Einheit<br />
G = {G} * [G]<br />
Beispiel: Die Länge ist eine physikalische Größe<br />
In der Französischen Revolution (1790) wurde vereinbart, die lange Zeit gültigen Maße, die sich auf Kör-<br />
pergrößen bezogen (Schritt, Elle, Fuß, Daumenbreite = Zoll) auf Einheiten der unbelebten Natur zu<br />
beziehen:<br />
• 1790: 1 Längeneinheit entspricht dem 1/40000000 <strong>Teil</strong> des durch Paris gehenden Erdmeridians (Län-<br />
genkreises) --> schwierig nachzuvollziehen<br />
• 1875: Schaffung des Urmeters: Pt/Ir-Stab (beständige Legierung) mit Einkerbungen als Ur-Meter in Paris<br />
--> im kleinen Maßstab zu ungenau<br />
• Seit 1983: 1 Meter ist die Entfernung, die Licht im Vakuum während des Intervalls von 1/299792468<br />
Sek<strong>und</strong>en durchläuft: Sehr genaue Messung der Lichtgeschwindigkeit <strong>und</strong> der Zeit möglich!<br />
Es existiert eine internationale Einigung auf bestimmte Basisgrößen, mit denen alle anderen physikalischen<br />
Größen (abgeleitete Größen) festgelegt werden können:<br />
1.6.1 SI-Einheitensystem<br />
Definition: SI-System: Système International d'Unités<br />
Basisgröße Zeichen SI-Einheit Zeichen<br />
Länge s Meter m<br />
Masse m Kilogramm kg<br />
Zeit t Sek<strong>und</strong>e s<br />
elektrische Stromstärke I Ampere A<br />
thermodynamische Temperatur T Kelvin K<br />
Lichtstärke I Candela cd<br />
Stoffmenge n Mol mol<br />
Beispiel:<br />
Abgeleitete Größe Geschwindigkeit
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 9<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />
(gleichförmige) Geschwindigkeit: v = s / t, Einheit: [v] = [l] / [t] = m/s<br />
elektrischer Widerstand R = U / I, Einheit [R] = [U] / [I] = V / A = Ohm<br />
Es existieren auch dimensionslose Größen, z.B.<br />
• Mach: Verhältnis von tatsächlicher Geschwindigkeit <strong>zur</strong> Schallgeschwindigkeit in Luft<br />
• Brechungsindex: Verhältnis der Lichtgeschwindigkeiten in verschiedenen angrenzenden Materialien<br />
1.6.2 Umrechnung von Einheiten<br />
Beispiel:<br />
Längeneinheiten<br />
Basiseinheit Länge 1 m<br />
geographische Entfernungen 1 km = 1000 m = 10 3 m<br />
Atomdurchmesser 1 A = 0,000 000 000 1 m = 10 -10 m<br />
Einheit Geschwindigkeit 1 1 10<br />
−3<br />
m km<br />
= = 3, 6<br />
s 1<br />
h<br />
3600<br />
km<br />
h<br />
1 1 10<br />
3<br />
km m 1 m<br />
= = ≈ 0, 277<br />
h 3600 s 3, 6 s<br />
1.6.3 Dezimale Vielfache <strong>und</strong> <strong>Teil</strong>e <strong>und</strong> deren Kurzbezeichnungen<br />
Zehner-Potenz Bezeichnung Kurzzeichen<br />
10 18 Exa E<br />
10 15 Peta P<br />
10 12 Tera T<br />
10 9 Giga G<br />
10 6 Mega M<br />
10 3 Kilo k<br />
10 2 Hekto h<br />
10 0 --- ---<br />
10 -1 Dezi d<br />
10 -2 Zenti c<br />
10 -3 Milli m<br />
10 -6 Mikro µ<br />
10 -9 Nano n<br />
m<br />
s
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 10<br />
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Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />
1.6.4 Abgeleitete Einheiten (SI-System)<br />
Größe Formelzeichen<br />
10 -12 Piko p<br />
10 -15 Femto f<br />
10 -18 Atto a<br />
Definitionsgleichung Dimension Einheit<br />
Länge s Basisgröße L m Meter<br />
Masse m Basisgröße M kg Kilogramm<br />
Zeit t Basisgröße Z s Sek<strong>und</strong>e<br />
elektr. Strom I Basisgröße I A Ampere<br />
Temperatur T Basisgröße T K Kelvin<br />
Lichtstärke I Basisgröße S cd Candela<br />
Stoffmenge ν Basisgröße N mol Mol<br />
Fläche A A=s 2 L 2 m 2<br />
Volumen V V=s 3 L 3 m 3<br />
Geschwindigkeit v v=ds/dt LZ -1 m/s<br />
Beschleunigung a a=dv/dt=d 2 s/dt 2 LZ -2 m/s 2<br />
Kraft F F=m a MLZ -2 N=kg m/s 2 Newton<br />
Impuls p p=m v LZ -1 kg m/s<br />
Arbeit, Energie W W=F s ML 2 Z -2 J=N m Joule<br />
Leistung P P=dW/dt ML 2 Z -3 W=N m/s Watt<br />
Frequenz f f=1/t Z -1 Hz=1/s Hertz<br />
Brechkraft D D=1/Brennweite L -1 dpt=1/m Dioptrie<br />
Winkel ϕ ϕ=Bogenlänge/Radius L/L=1 rad Radiant<br />
Winkelgeschwindigkeit ω ω=dϕ/dt Z -1 rad/s=1/s (nicht Hertz)<br />
elektr. Ladung Q Q=I t IZ C=A s Coulomb<br />
elektr. Spannung U U=W/Q ML 2 Z -3 I -1 V=J/s Volt<br />
elektr. Feldstärke E E=F/Q MLZ -3 I -1 V/m=N/C<br />
elektr. Widerstand R R=U/I ML 2 Z -3 I -2 �=V/A Ohm<br />
elektr. Kapazität C C=Q/U M -1 L -2 Z 4 I 2 F=C/V Farad<br />
magn. Fluß Φ Φ=U t ML 2 Z -2 I -1 Wb=V s Weber<br />
magn. Induktion B B=E/v MZ -2 I -1 T=Wb/m 2 Tesla<br />
magn. Erregung H H=N I/l L -1 I A/m<br />
Wärme Q Q=Energie ML 2 Z -2 J Joule<br />
Wärmekapazität C C=dQ/dT ML 2 Z -2 T -1 J/K<br />
Entropie S S=Q/T ML 2 Z -2 T -1 J/K
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 11<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />
Aktivität A A=Anzahl/t Z -1 Bq=1/s Bequerel<br />
Energiedosis D D=W/m L 2 Z -2 Gy=J/kg Gray<br />
Ionendosis J J=dQ/dm IZM -1 C/kg<br />
Äquivalentdosis D q D q =qD L 2 Z -2 Sv=J/kg Sievert<br />
1.7 Masse, Dichte, Stoffmenge<br />
1.7.1 Masse<br />
• Die Masse ist eine der wichtigsten Eigenschaften von Materie.<br />
• Die Einheit der Masse ist Kilogramm (kg): Ein Pt/Ir-Zylinder der Masse 1 kg wird in Paris als internatio-<br />
nal gültiges "Massennormal" aufbewahrt.<br />
• Oft wird 1 dm 3 reines Wasser bei 4 °C als alternative Masseneinheit von 1 kg verwendet (Unterschied:<br />
Merke:<br />
Pt/Ir-Zylinder ist 0,028 g zu groß).<br />
Die Bestimmung (Messung) von Massen erfolgt durch Gewichtsvergleich<br />
Verwendung von Waagen, um über die Gewichtsmessung auf die Masse <strong>zur</strong>ückzuschließen:<br />
• Balkenwaage<br />
• Federwaage<br />
• Ultramikrowaagen mit elektromagnetischer Kraftkompensation<br />
Bei sehr genauen Wägungen muss der Auftrieb der Masse im Umgebungsmedium berücksichtigt werden!<br />
1.7.2 Dichte<br />
Definition:<br />
Achtung, nicht verwechseln:<br />
ρ = m<br />
V<br />
Dichte = Masse/Volumen: [ kg m ] /<br />
3<br />
Die Dichte ist eine Stoffkonstante<br />
Dichte = Masse/Volumen, Wichte oder spezifisches Gewicht = Gewicht/Volumen<br />
1.7.3 Stoffmenge<br />
Definitionen:<br />
relative Atommasse A r : Sie gibt das Vielfache der Masse eines Atoms zu 1/12 der Masse des Koh-<br />
lenstoffnuklids 12 C an:
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 12<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />
A<br />
r<br />
m<br />
=<br />
1<br />
m<br />
12<br />
Atom<br />
12<br />
C<br />
relative Molekülmasse M r : Sie gibt das Vielfache der Masse eines Moleküls zu 1/12 der Masse des<br />
Kohlenstoffnuklids 12 C an. Die Masse eines Moleküls ist die Summe der<br />
Massen der Molekülatome<br />
M m m<br />
Molekül<br />
r = =<br />
m m<br />
C<br />
∑<br />
1 1<br />
12 12<br />
Molekülatome<br />
12 12<br />
Jede Stoffmenge, deren Masse in g der relativen Atommasse entspricht, enthält die gleiche Anzahl an Ato-<br />
men:<br />
1 Mol entspricht der relativen Atommasse bzw. der relativen Molekülmasse in Gramm<br />
Die Zahl der <strong>Teil</strong>chen in einem Mol ist gegeben durch die Avogadrokonstante<br />
23<br />
Avogadrokonstante: N A = 6 * 10<br />
C
2 MECHANIK<br />
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 13<br />
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2.1 Der Begriff des Massenpunktes<br />
Bewegungen können unterteilt werden in<br />
• gleichförmig<br />
• ungleichförmig<br />
• ruhend<br />
Bei einer Bewegung bewegt sich ein Körper relativ zu einem Bezugssystem, z.B. eine sitzende Person in<br />
einem fahrenden Zug bewegt sich nicht relativ zum Zug, aber sie bewegt sich relativ zum Erdboden.<br />
Bewegungen werden stets auf ein Bezugssystem bezogen!<br />
Ein Körper mit einer geometrischen Ausdehnung kann sich auf zwei Arten bewegen:<br />
• translatorisch<br />
• rotatorisch<br />
Im allgemeines ist die Bewegung des Körpers eine Überlagerung von translatorischen <strong>und</strong> rotatorischen<br />
Bewegungen (relativ zum Bezugssystem)<br />
Festlegung von Koordinatensystemen:<br />
Im Allgemeinen werden Koordinatensysteme <strong>zur</strong> Beschreibung der Lage von Körpern in einem Bezugssys-<br />
tem als kartesische (d.h. rechtwinklige <strong>und</strong> rechtshändige) Koordinatensysteme aufgebaut.<br />
Ein Körper nimmt ein Volumen innerhalb dieses Koordinatensystems ein. Es lässt sich unterteilen in eine<br />
Anzahl von Massenpunkten, die hinreichend klein sind, um ihre Lage durch einen Punkt auszudrücken.<br />
⎛x<br />
⎞ 1<br />
⎜ ⎟<br />
Vektoren: r1<br />
= ⎜y<br />
1⎟<br />
⎜ ⎟<br />
⎝z<br />
⎠<br />
1<br />
,<br />
r<br />
2<br />
⎛x<br />
⎞ 2<br />
⎜ ⎟<br />
= ⎜y<br />
2 ⎟<br />
⎜ ⎟<br />
⎝z<br />
⎠<br />
2 2 2<br />
2 2<br />
Längen: r = x + y + z , r = x + y + z<br />
1 1<br />
(skalare Größen)<br />
1<br />
1<br />
2<br />
2 2<br />
2<br />
2<br />
Abstand: d= [ x1 − x2 ] + [ y1 − y 2 ] + [ z1 − z2<br />
]<br />
Es lässt sich zeigen. dass es in jedem ausgedehnten<br />
Körper einen Punkt, den Schwerpunkt, gibt, der sich<br />
genau nach den Gesetzen eines Massenpunktes bewegt.<br />
Es ist zweckmäßig, zunächst die Beschreibung von Be-<br />
wegungen auf einen Punkt zu reduzieren. Die Bewegungen können dann nur rein translatorisch sein, da die<br />
Rotation eines Punktes dann keinen Sinn mehr macht.<br />
2<br />
2<br />
2<br />
2
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2.2 Geradlinige Bewegung<br />
2.2.1 Geradlinig gleichförmige Bewegung<br />
Definition:<br />
Ein Körper bewegt sich geradlinig gleichförmig, wenn er auf gerader Bahn in gleichen Zeiten gleiche Wege<br />
<strong>zur</strong>ücklegt.<br />
Anders ausgedrückt bedeutet dies, dass das Verhältnis aus Weg <strong>und</strong> Zeit konstant ist: (der Graph im s-t-<br />
Diagramm ist eine Gerade).<br />
Definition:<br />
Die Geschwindigkeit v ist der Quotient aus <strong>zur</strong>ückgelegtem Weg <strong>und</strong> der dafür benötigten Zeit. Im Fall der<br />
geradlinig gleichförmigen Bewegung gilt<br />
Δs<br />
s − s<br />
v = =<br />
Δt<br />
t − t<br />
1 0<br />
1 0<br />
⎡<br />
⎢<br />
⎣<br />
m<br />
s<br />
⎤<br />
⎥ const<br />
⎦<br />
= .<br />
Falls die Proportionalität zwischen s <strong>und</strong> t nur auf einem <strong>Teil</strong> des Weg-Zeit Diagramms gegeben ist, so be-<br />
findet sich der Körper nur in diesem <strong>Teil</strong> in einer gleichförmig geradlinigen Bewegung<br />
Beispiel:<br />
2.2.2 Ungleichförmige Bewegung<br />
Im Zeitintervall [t 1 ,t 2 ] <strong>und</strong> [s 1 ,s 2 ] ist die Bewegung geradlinig<br />
<strong>und</strong> gleichförmig. Nur in diesem Intervall ist die Geschwindig-<br />
keit konstant, also<br />
Δs<br />
s − s<br />
v = =<br />
Δt<br />
t − t<br />
2 1<br />
2 1<br />
= const.<br />
Die Geschwindigkeit ist die Steigung der Geraden im s-t-<br />
Diagramm!<br />
Je kürzer die Intervalle werden, in denen das Verhältnis aus Weg <strong>und</strong> Zeit konstant ist, desto ungleichför-<br />
miger wird die Geschwindigkeit während der gesamten Bewegung des Massenpunktes. Die Geschwindigkeit<br />
ist keine Konstante mehr. Die konstante Geschwindigkeit wird ersetzt durch den Begriff der Momentange-<br />
schwindigkeit.<br />
Δs<br />
s( t + Δt)<br />
− s( t)<br />
Definition Mometangeschwindigkeit: v = lim = lim =<br />
Δt→0 Δt<br />
Δt→0<br />
Δt<br />
v ds<br />
= : = s&<br />
erste Ableitung (Differentialquotient) des Weges nach der Zeit<br />
dt<br />
ds<br />
dt
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Δs<br />
ges gesamter Weg<br />
Definition Durchschnittsgeschwindigkeit: v = =<br />
Δt<br />
gesamtebenötigte Zeit<br />
Definition:<br />
ges<br />
Eine Bewegung heißt ungleichförmig geradlinig, wenn sich der Betrag der Momentangeschwindigkeit än-<br />
dert:<br />
Δv<br />
v − v<br />
a=<br />
=<br />
Δt<br />
t − t<br />
1 0<br />
1 0<br />
Analog <strong>zur</strong> Geschwindigkeit gilt<br />
⎡ m ⎤<br />
≠ 0 ⎢ 2<br />
⎣s<br />
⎥ Die Größe a heißt Beschleunigung<br />
⎦<br />
Δv<br />
a=<br />
= const.<br />
konstante Beschleunigung<br />
Δt<br />
a=<br />
lim<br />
Δt→0<br />
v<br />
a =<br />
t<br />
Δ<br />
Δ<br />
ges<br />
ges<br />
v( t + Δt)<br />
− v( t)<br />
=<br />
Δt<br />
dv<br />
dt<br />
momentane Beschleunigung<br />
mittlere Beschleunigung<br />
2.2.3 Zusammenhang zwischen Weg <strong>und</strong> Beschleunigung:<br />
Es war v ds<br />
= : = s&<br />
(1) <strong>und</strong> a<br />
dt<br />
dv<br />
= = v&<br />
(2).<br />
dt<br />
Wenn (1) eingesetzt wird in (2) dann gilt:<br />
a dv<br />
2<br />
d ⎛ ds⎞<br />
d s<br />
= = ⎜ ⎟ = = s&&<br />
2<br />
dt dt ⎝ dt ⎠ dt<br />
Die Beschleunigung einer geradlinigen Bewegung ist die zweite Ableitung des Weges nach der Zeit<br />
Berechnung des Weges bei bekannten Geschwindigkeiten <strong>und</strong> Beschleunigungen (Sonderfälle):<br />
1. Es sei v = const.<br />
Dann folgt a = dv/dt = 0<br />
Mit v = ds/dt = const. folgt die Proportionalität von s <strong>und</strong> t, die Proportionalitätskonstante ist die Geschwin-<br />
digkeit v. Mathematisch gibt das Differential ds/dt die Steigung der Tangenten in einem bestimmten Punkt<br />
an.<br />
s = v ⋅ t + s0<br />
, wobei s0 konstant ist.<br />
Die Berechnung des Weges aus der Geschwindigkeit kann auch ausgedrückt werden durch das Zeitintegral<br />
über der Geschwindigkeit. Die Integration ist die Umkehrfunktion der Differentiation:
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 16<br />
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aus v ds<br />
ds<br />
= folgt durch Integration v dt<br />
dt<br />
∫ = ∫ dt = s<br />
dt<br />
wobei mit v = const. gilt: s = ∫ vdt = v ⋅ ∫ dt = v ⋅ t + s0<br />
(s0 ist die Integrationskonstante)<br />
2. Es sei a = const.<br />
Dann folgt aus a dv<br />
= = const.<br />
unmittelbar v = a⋅ t (1) entsprechend den Ausführungen unter Sonderfall<br />
dt<br />
1 durch Integration der Differentialgleichung<br />
Der Zusammenhang zwischen Weg <strong>und</strong> Beschleunigung lässt sich folgendermaßen ermitteln:<br />
1. Das Integral einer Funktion f(t) in den Grenzen [a,b] liefert die Fläche zwischen der Abszisse <strong>und</strong> der<br />
Funktion innerhalb der Grenzen (Riemannsches Integral).<br />
2. Der Zusammenhang zwischen Weg <strong>und</strong> Geschwindigkeit wird durch Integration der Differentialgleichung<br />
v ds<br />
= erhalten, wobei v hier keine Konstante ist!<br />
dt<br />
3. Aus dem Diagramm (links) folgt aus dem linearen Zusammenhang zwischen Geschwindigkeit <strong>und</strong> Zeit,<br />
dass sich die Fläche (Dreieck) unterhalb der Kurve berechnen lässt aus<br />
F = t v<br />
1<br />
⋅( ⋅ ) , (2)<br />
2<br />
wobei hier die Fläche dem <strong>zur</strong>ückgelegten Weg s entspricht.<br />
4. Die Gleichungen (1) <strong>und</strong> (2) dieses Beispiels ergeben zusammen: s = 1<br />
2<br />
Verallgemeinerung:<br />
Mit a dv<br />
2<br />
d s<br />
= = 2 folgt durch einfache Integration<br />
dt dt<br />
∫ 0 , v 0<br />
v ds<br />
= = adt + v<br />
dt<br />
2<br />
⋅ a ⋅ t<br />
ds<br />
= const. Falls a = const: v = = a ⋅ t + v 0<br />
dt
∫ ∫<br />
<strong>und</strong> s = v dt = dt adt + s<br />
2.2.4 Der freie Fall<br />
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 17<br />
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∫ 0 , s 0<br />
1 2<br />
= const. Falls a = const: s = a ⋅ t + v ⋅ t + s<br />
2<br />
0 0<br />
Als Beispiel einer geradlinigen beschleunigten Bewegung dient der freie Fall. Aus Erfahrungswerten ist be-<br />
kannt, dass ein Körper, der aus einer Höhe h losgelassen wird, in seiner Geschwindigkeit zunimmt. Das<br />
bedeutet, dass der Körper während des Fallens beschleunigt wird. In diesem Fall sei die Luftreibung ver-<br />
nachlässigt. Die Beschleunigung errechnet sich zu<br />
g = 9,81 m/s 2 Erdbeschleunigung<br />
Für eine gleichmäßig beschleunigte Bewegung gilt dann entsprechend<br />
1 2<br />
h= gt ⇒ t =<br />
2<br />
v = g⋅ t = 2 ⋅ g⋅ h<br />
2h<br />
g<br />
wobei h die Strecke ist, die der Körper senkrecht nach unten fällt.<br />
2.2.5 Zusammensetzung <strong>und</strong> Zerlegung von Bewegungen<br />
Bisher wurden Bewegungen betrachtet, bei denen sich ein Körper nur in einer Richtung fortbewegt. In einer<br />
Verallgemeinerung muss jedoch stets die Richtung der Bewegung mit betrachtet werden. Mathematisch<br />
bedeutet dies, dass die Größen <strong>zur</strong> Beschreibung von Bewegungen Vektoren sind, d.h. es gilt:<br />
⎛s<br />
⎞ x<br />
⎜ ⎟<br />
s = ⎜s<br />
y ⎟<br />
⎜ ⎟<br />
⎝s<br />
⎠<br />
z<br />
⎛v<br />
⎞ x<br />
⎜ ⎟<br />
v = ⎜v<br />
y ⎟<br />
⎜ ⎟<br />
⎝v<br />
⎠<br />
z<br />
⎛a<br />
⎞ x<br />
⎜ ⎟<br />
a = ⎜a<br />
y ⎟<br />
⎜ ⎟<br />
⎝a<br />
⎠<br />
z<br />
Wegvektor imkartesischenKoordinatensystem<br />
GeschwindigkeitsvektorimkartesischenKoordinatensystem<br />
Beschleunigungsvektor imkartesischenKoordinatensystem<br />
Eine Bewegung im dreidimensionalen Raum kann beschrieben werden durch die Überlagerung der Bewe-<br />
gungen in den drei Raumrichtungen. Für die mathematische Beschreibung gelten die Gesetze der Vektor-<br />
analysis.<br />
• Es können nur gleiche physikalische Größen vektoriell überlagert werden (z.B. Wege s 3 = s1 + s 2<br />
oder Geschwindigkeiten v 3 = v1 + v 2 ).<br />
• Die Reihenfolge der Überlagerung von Vektoren ist beliebig:<br />
v = v + v + v = v + v + v<br />
ges<br />
1 2 3 3 1 2
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• Die Zerlegung von Vektoren ist beliebig, z.B. in rechtwinklige Anteile entsprechend den kartesischen<br />
Koordinaten<br />
• Multiplikation mit einem Skalar:<br />
b = c ⋅a mitc ∈ℜ istgleichbedeutendmit: b = c ⋅ a , b = c ⋅ a , b = c ⋅a<br />
x x y y z z<br />
⎛s<br />
⎞ x v x t<br />
⎜ ⎟<br />
Beispiel: geradlinig gleichförmige Bewegung: s = v⋅ t ↔ ⎜s<br />
y ⎟ vy t<br />
⎜ ⎟<br />
⎝s<br />
⎠ v t<br />
=<br />
⎛ ⋅ ⎞<br />
⎜ ⎟<br />
⎜ ⋅ ⎟<br />
⎜ ⎟<br />
⎝ ⋅ ⎠<br />
• Differential <strong>und</strong> Integral-Operationen werden komponentenweise durchgeführt, z.B.<br />
v ds<br />
ds<br />
d s<br />
x<br />
x<br />
⎛ v ⎞ dt<br />
a<br />
dt<br />
x<br />
x<br />
⎜ ⎟ ds y<br />
d s<br />
d s y<br />
= ↔ ⎜ v y⎟<br />
oder a ay<br />
dt ⎜ ⎟ dt<br />
dt<br />
dt<br />
⎝ v z⎠<br />
ds<br />
a<br />
z<br />
z d s z<br />
dt<br />
dt<br />
=<br />
⎛ ⎞<br />
⎜ ⎟<br />
⎜ ⎟<br />
⎛ ⎞<br />
⎜ ⎟<br />
⎜ ⎟<br />
= ↔<br />
⎜ ⎟<br />
⎜ ⎟<br />
⎜ ⎟<br />
⎜ ⎟<br />
⎝ ⎠<br />
⎜ ⎟<br />
⎝ ⎠<br />
=<br />
2 ⎛ ⎞<br />
⎜ ⎟ 2<br />
⎜ ⎟<br />
2<br />
2<br />
⎜ ⎟<br />
2<br />
⎜ 2 ⎟<br />
⎜ 2 ⎟<br />
⎜ ⎟<br />
⎜ 2 ⎟<br />
⎝ ⎠<br />
2.2.6 Die Bewegung auf der schiefen Ebene<br />
Die Resultate aus den Messwerten des freien Falls haben gezeigt, dass auf einen Körper auf der Erde eine<br />
konstante Beschleunigung wirkt, die ihn senkrecht nach unten fallen lässt.<br />
Welche Beschleunigung erfährt nun z.B. ein Wagen, der auf einer schiefen Ebene herunter rollt?<br />
Bekannt ist:<br />
• Die Beschleunigung senkrecht nach unten ist konstant.<br />
• Der Wagen kann sich nur in Richtung der schiefen Ebene bewegen.<br />
z<br />
z
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Der Beschleunigungsvektor g kann zerlegt werden<br />
in einen <strong>Teil</strong>, der parallel <strong>zur</strong> schiefen Ebene ver-<br />
läuft <strong>und</strong> einen <strong>Teil</strong>, der senkrecht <strong>zur</strong> schiefen<br />
Eben verläuft.<br />
g = g⋅ sin α , g = g⋅<br />
cosα<br />
p s<br />
Die Beiträge g p <strong>und</strong> g s sind über den gesamten<br />
Weg s hin konstant, d.h. der Wagen erfährt eine geradlinig gleichmäßig beschleunigte Bewegung. Die in der<br />
möglichen Bewegungsrichtung wirksame Beschleunigung ist (g sinα).<br />
Wenn sich der Wagen zu Anfang der Messung in Ruhe befindet, so gilt für die Zeit, die der Wagen zum<br />
Durchlaufen der Strecke s benötigt<br />
1<br />
2<br />
s = ( g⋅ sin α ) t bzw. t =<br />
2<br />
2s<br />
g⋅<br />
sinα<br />
<strong>und</strong> für die Geschwindigkeit, die der Wagen nach Durchlaufen der Strecke s besitzt<br />
v = ( g⋅ sin α ) t bzw. v = 2 s ⋅ g⋅<br />
sinα<br />
Wegen h = s ⋅ sinα ist dann auch v = 2 ⋅ g⋅ h , d.h. die Geschwindigkeit des Wagens ist dieselbe, die er<br />
erreichen würde, wenn er die Höhe h frei durchfällt.<br />
2.2.7 Wurfbewegung<br />
Eine Kugel werde zum Zeitpunkt t 0 mit einer Anfangsgeschwindigkeit v 0 mit dem Winkel α gegen die Hori-<br />
zontale in x-Richtung losgeworfen. Zu bestimmen sind nun die Flugkurve <strong>und</strong> die Bewegungsgleichungen<br />
aus dem Prinzip der ungestörten Überlagerung. Die Schwerkraft (siehe freier Fall) wirke in z-Richtung nach<br />
unten.<br />
1. Zum Zeitpunkt t 0 besitzt die Kugel nur die Ge-<br />
schwindigkeit v 0 , d.h. die Flugbahn hat in t 0 einen<br />
Winkel α gegenüber der Horizontalen.<br />
2. Die Anfangsgeschwindigkeit der Kugel lässt sich<br />
zerlegen in zwei Komponenten in x-Richtung <strong>und</strong> z-<br />
Richtung:<br />
v = v ⋅ cos α<br />
0, x 0<br />
v = v ⋅ sinα<br />
0, y 0<br />
3. In z-Richtung wird die Kugel wegen der Schwerkraft<br />
gleichmäßig nach unten beschleunigt. Zum Zeitpunkt t 0 ist die Größe der Geschwindigkeitskomponente<br />
Null, zum Zeitpunkt
t : v = −g⋅ t<br />
1 z,<br />
1 1<br />
t : v = −g⋅ t<br />
2 z,<br />
2 2<br />
t : v = −g⋅ t<br />
3 z,<br />
3 3<br />
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 20<br />
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Die Geschwindigkeiten in x-Richtung <strong>und</strong> z-Richtung überlagern sich, d.h. es gilt für jeden Zeitpunkt t i der<br />
Bahnkurve:<br />
v = v ; v = v − g⋅ t<br />
v<br />
x 0, x z 0,<br />
z i<br />
i<br />
⎛ v ⎞<br />
0,<br />
x ⎜ ⎟<br />
= ⎜ 0 ⎟<br />
⎜<br />
⎝ v − g⋅ t<br />
⎟<br />
⎠<br />
0,<br />
z i<br />
Die Bewegung setzt sich demnach zusammen aus einer gleichförmigen geradlinigen Bewegung in x-<br />
Richtung <strong>und</strong> einer gleichförmig beschleunigten Bewegung in z-Richtung. Wegen der Anfangsgeschwindig-<br />
keitskomponenten v 0,z wird die Kugel sich zunächst nach oben bewegen, solange die durch die Beschleu-<br />
nigung hervorgerufene Geschwindigkeit nach unten noch kleiner ist. im Scheitelpunkt sind beide Geschwin-<br />
digkeiten gleich groß <strong>und</strong> die resultierende z-Komponente der Geschwindigkeit ist Null.<br />
Berechnung der Flugbahn:<br />
v = v ⇒ s = v ⋅ t<br />
x 0, x x 0,<br />
x<br />
1<br />
v z = v 0, z − g⋅ ti ⇒ s z = v0, z ⋅ t − g⋅ t<br />
2<br />
2<br />
Aus der ersten Gleichung lässt sich nach t auflösen <strong>und</strong> der entsprechende Ausdruck in der zweiten Glei-<br />
chung einsetzen:<br />
s v<br />
x<br />
0,<br />
z g<br />
t = ⇒ s z = ⋅ s x −<br />
v v 2 ⋅ v<br />
0,<br />
x<br />
2<br />
0, x<br />
0,<br />
x<br />
s<br />
2<br />
x<br />
Da alle Terme bis auf s x konstant sind, entspricht die obige Gleichung einer Parabelgleichung <strong>und</strong> kann<br />
durch entsprechende Umformungen in die Normalenform überführt werden, aus der sofort die Lage des<br />
Scheitelpunktes <strong>und</strong> der x-Achsen-Durchstoßpunkte errechnet werden können.<br />
2.3 Rotationsbewegungen<br />
2.3.1 Gleichförmige Drehbewegung<br />
Im Gegensatz zu einer geradlinigen Bewegung, bei der eine Beschleunigung auftritt, wenn sich der Betrag<br />
der Geschwindigkeit mit der Zeit ändert, muss bei einer dreidimensionalen Bewegung neben dem Betrag<br />
auch die Richtung der Geschwindigkeit beachtet werden.<br />
Fazit: wenn der Betrag der Geschwindigkeit konstant ist, die Richtung auf der <strong>zur</strong>ückgelegten Bahn sich<br />
ändert, so ist die Beschleunigung ungleich Null.<br />
Definition:
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 21<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />
Bei der gleichförmigen Kreisbewegung ist der Betrag des Momentanwertes der Bahngeschwindigkeit<br />
2 2<br />
konstant: v = v + v = const.<br />
Die Bahngeschwindigkeit ist der Quotient aus <strong>zur</strong>ückgelegter Kreisbahn<br />
x y<br />
<strong>und</strong> der dazu benötigten Zeit.<br />
Die Richtung der Geschwindigkeit ändert sich jedoch laufend. Aus der allgemeinen Definition der Beschleu-<br />
nigung folgt dann:<br />
a dv d ⎛ v x⎞<br />
= = ⎜ ⎟ . Da sich v<br />
dt dt ⎝ v<br />
x <strong>und</strong> vy mit der Zeit ständig ändern, gilt a ≠ 0 !<br />
⎠<br />
y<br />
Berechnung der Radialbeschleunigung:<br />
Die gesamte Geschwindigkeitsänderung kann unterteilt werden in eine Änderung der Bahngeschwindigkeit<br />
<strong>und</strong> eine Komponente, die nicht in der Bahnrichtung liegt:<br />
Da die Bahngeschwindigkeit des Körpers konstant ist (gleichförmige Drehbewegung) ist entsprechend die<br />
Bahnbeschleunigung Null. Unter der Bahnbeschleunigung wird die Beschleunigung in Richtung der Ge-<br />
schwindigkeit bezeichnet.<br />
Wie aus der Abbildung ersichtlich wird ist der Betrag der<br />
Geschwindigkeit konstant, es ändert sich jedoch die Rich-<br />
tung. Dies bewirkt, dass eine Geschwindigkeitskomponente<br />
zwischen den beiden Geschwindigkeitsvektoren entsteht. Deren zeitliche Änderung entspricht gerade der<br />
Beschleunigung, die ein Körper erfahren muss, damit er sich mit gleichmäßiger Bahngeschwindigkeit auf<br />
der Kreisbahn bewegt. Diese Beschleunigung wird Radialbeschleunigung genannt, da sie immer in Richtung<br />
des Kreismittelpunktes wirkt.<br />
Berechnung der Radialbeschleunigung:<br />
Annahme: Der Körper bewege sich in einem genügend kleinen Zeitintervall dt auf der Kreisbahn um die<br />
Strecke ds <strong>und</strong> schließe dabei den Winkel dϕ ein. Aus geometrischen Überlegungen (Strahlensatz der Ma-<br />
thematik) ergibt sich dann<br />
ds<br />
r<br />
dv<br />
dv v<br />
v<br />
ds<br />
≈ ⇒ = ⋅<br />
r<br />
Die Differentiation nach der Zeit <strong>zur</strong> Berechnung der Beschleunigung ergibt:<br />
dv<br />
dt<br />
v ds<br />
≈ =<br />
r dt<br />
2<br />
v<br />
r<br />
Andererseits benötigt der Körper wegen seiner konstanten Bahngeschwindigkeit stets dieselbe Umlaufzeit T.<br />
Der Umfang des Kreises berechnet sich durch U=2πr. Das bedeutet<br />
2πr<br />
v = = ω ⋅ r [ 1rad / s = 1/<br />
s]<br />
,<br />
T
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 22<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
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wobei ω als Winkelgeschwindigkeit bezeichnet wird. Auch hier gilt die allgemeine Definition der Winkelge-<br />
schwindigkeit durch:<br />
dϕ<br />
ω = [ 1rad / s = 1/<br />
s]<br />
(momentane Winkelgeschwindigkeit)<br />
dt<br />
Damit ergibt sich für die Radialbeschleunigung: a<br />
r<br />
2<br />
v<br />
2<br />
= = ω ⋅ v = ω ⋅r<br />
r<br />
Die Richtung der Radialbeschleunigung zeigt zum Kreismittelpunkt.<br />
Vektorielle Herleitung<br />
Es wird ein rechtwinkliges Koordinatensystem in den Ursprung des Kreises gelegt. Zum Zeitpunkt Null liege<br />
der Richtungsvektor zum Massenpunkt auf de x-Achse. Der Massenpunkt rotiert gleichförmig um den Mit-<br />
telpunkt, d.h. seine Winkelgeschwindigkeit ist konstant.<br />
senpunktes<br />
dr ⎛ sinω<br />
⋅ t ⎞<br />
v = = r ⋅ ω⎜<br />
⎟<br />
dt ⎝−<br />
cos ω ⋅ t⎠<br />
<strong>und</strong> für die Beschleunigung<br />
Wegen der konstanten Drehbewegung wird der Winkel gleichmäßig größer<br />
wobei<br />
α = ω ⋅ t gilt<br />
Der Vektor r kann beschrieben werden durch:<br />
( ω )<br />
( )<br />
( ω ⋅ t)<br />
( )<br />
⎛r<br />
⋅cosα⎞<br />
⎛r<br />
⋅cos ⋅ t ⎞ ⎛cos<br />
⎞<br />
r = ⎜ ⎟ = ⎜ ⎟ = r⎜<br />
⎟<br />
⎝ r ⋅sinα<br />
⎠ ⎝ r ⋅sin ω ⋅ t ⎠ ⎝ sin ω ⋅ t ⎠<br />
Wenn r = const <strong>und</strong> ω = const dann gilt für die Geschwindigkeit des Mas-<br />
<strong>und</strong> v = v = r ⋅ ω = const<br />
dv ⎛−<br />
cos ω ⋅ t⎞<br />
2<br />
v<br />
a = = r ⋅ ω ⎜ ⎟ <strong>und</strong> a = ar = r ⋅ ω = = const<br />
dt ⎝ − sinω<br />
⋅ t ⎠<br />
r<br />
2<br />
2<br />
Werden die Richtungen der Vektoren v <strong>und</strong> a betrachtet, so zeigt sich, dass a entgegengesetzt zu r gerich-<br />
tet ist <strong>und</strong> dass v senkrecht auf r <strong>und</strong> a steht, wie durch Bildung des Skalarproduktes leicht zu zeigen ist<br />
(r ⋅ v = 0 ).<br />
y<br />
α<br />
r<br />
v<br />
2.3.2 Ungleichförmige Drehbewegung<br />
x<br />
Wenn ein Körper aus dem Stillstand auf eine bestimmte Enddrehzahl gebracht wird, so bedeutet dies, dass<br />
sich seine Drehzahl bzw. seine Winkelgeschwindigkeit ändert. Analog <strong>zur</strong> geradlinigen Bewegung handelt<br />
es sich hierbei um eine ungleichförmige Drehbewegung. Mit der Änderung der Winkelgeschwindigkeit än-<br />
dern sich damit auch die Bahngeschwindigkeit <strong>und</strong> die Radialbeschleunigung:
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 23<br />
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2<br />
v = ω ⋅r ≠ const.<br />
a = ω ⋅r ≠ const.<br />
r<br />
Analog <strong>zur</strong> geradlinigen Bewegung können dann die folgenden Größen definiert werden:<br />
Definitionen:<br />
mittlere Bahnbeschleunigung: a<br />
momentane Bahnbeschleunigung: a<br />
t<br />
Δv<br />
=<br />
Δ t<br />
mittlere Winkelbeschleunigung: α = Δω<br />
Δt<br />
dv<br />
= = v& ,wobeistets a ⊥a<br />
dt<br />
t t r<br />
dω<br />
ω<br />
dt<br />
2 2<br />
momentane Winkelbeschleunigung: α = = & = [ 1rad / s = 1/<br />
s ]<br />
Der Zusammenhang zwischen Tangential- bzw. Bahnbeschleunigung ergibt sich aus:<br />
a<br />
t<br />
v&<br />
r<br />
dv d<br />
( r) r<br />
dt dt<br />
d<br />
= = ⋅ = ⋅ = ⋅r<br />
dt<br />
ω<br />
ω<br />
α<br />
2.3.3 Gleichmäßig beschleunigte Kreisbewegung.<br />
Die gleichmäßig beschleunigte Kreisbewegung ist ein Sonderfall der ungleichförmigen Kreisbewegung. Für<br />
sie gilt:<br />
a = const. = const.<br />
α<br />
t<br />
Analog zu den Betrachtungen für gleichmäßig beschleunigte geradlinige Bewegungen gilt:<br />
v = v + a ⋅ t ω = ω + α ⋅ t<br />
0 t<br />
0<br />
1 2<br />
1<br />
s = v0 ⋅ t + at ⋅ t ϕ = ω 0 ⋅ t + α ⋅ t<br />
2<br />
2<br />
wobei s der auf der Kreisbahn <strong>zur</strong>ückgelegte Weg <strong>und</strong> ϕ der überstrichene Winkel sind.<br />
2.4 Vergleich zwischen geradliniger Bewegung <strong>und</strong> Kreisbewegung<br />
2<br />
,<br />
Geradlinige Bewegung Kreisbewegung
s<br />
v ds<br />
s<br />
dt<br />
a dv<br />
= = &<br />
= = v& = && s<br />
dt<br />
v = const.<br />
s = v ⋅ t<br />
a= const.<br />
v = v + a ⋅ t<br />
0<br />
1<br />
s = s0 + v0 ⋅ t + ⋅ a ⋅ t<br />
2<br />
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 24<br />
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2<br />
ϕ<br />
dϕ<br />
ω = = ϕ&<br />
dt<br />
dω<br />
α = = ω& = ϕ&&<br />
dt<br />
Bei gleichförmiger Bewegung<br />
ω = const.<br />
ϕ = ω ⋅ t<br />
Bei gleichmäßig beschleunigter Bewegung<br />
α = const.<br />
ω = ω + α ⋅ t<br />
0<br />
1<br />
ϕ = ϕ0 + ω0 ⋅ t + ⋅ α ⋅ t<br />
2<br />
2.5 Dynamik der geradlinigen Bewegung: Newtonsche Axiome<br />
Die Dynamik ist die Lehre von Kräften. Kräfte sind in der Mechanik die Ursachen von Bewegungen, sie<br />
bilden jedoch auch die Gr<strong>und</strong>lage für das Verständnis bei elektrischen, magnetischen <strong>und</strong> atomaren Vor-<br />
gängen.<br />
Für die Mechanik wurden von Isaac Newton Lehrsätze über Bewegungen von Körpern aufgestellt. Diese<br />
Lehrsätze (Axiome) sind nicht beweisbar, sie bilden jedoch die Gr<strong>und</strong>lage des Verständnisses mechanischer<br />
Bewegungen.<br />
2.5.1 Newtonsche Axiome<br />
Erstes Newtonsches Axiom:<br />
Ein Körper verharrt im Zustand der Ruhe oder geradlinig gleichförmigen Bewegung, solange er nicht durch<br />
äußere Kräfte beeinflusst wird.<br />
Auf diese Weise wird der Kraftbegriff eingeführt: Ursachen für Änderungen des Bewegungszustandes eines<br />
Körpers werden Kräfte genannt.<br />
Träge Masse:<br />
• Jeder Körper widersetzt sich einer Änderung des Bewegungszustandes. Diese Eigenschaft wird Behar-<br />
rungsvermögen, Trägheit oder träge Masse genannt.<br />
• Je träger eine Masse ist, desto größer ist die Kraft, um diesen Körper auf einen konstanten Wert zu be-<br />
schleunigen.<br />
2
Zweites Newtonsches Axiom:<br />
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2<br />
[ 1 1 / ]<br />
F = m ⋅ a N= kg⋅ m s Newton<br />
• Greift eine Kraft an einem Körper an, so wird dieser beschleunigt.<br />
• Die Größe der Kraft ist proportional <strong>zur</strong> Beschleunigung.<br />
• Die Richtung der Kraft wirkt in Richtung der Beschleunigung.<br />
• Kräfte sind Vektoren: Greifen an einem Körper gleichzeitig mehrere Kräfte an, so ergibt sich die resultie-<br />
rende Kraft aus der Überlagerung der Einzelkräfte.<br />
Drittes Newtonsches Axiom:<br />
actio = reactio oder Kraft gleich Gegenkraft<br />
Jede Kraft besitzt eine gleich große entgegengesetzt gerichtete Gegenkraft oder Reaktionskraft.<br />
Das bedeutet:<br />
Die Gesamtsumme aller Kräfte in einem freien System ist gleich Null. D.h. wirken auf ein System keine<br />
äußeren Kräfte ein, so heben sich alle Kräfte innerhalb des Systems paarweise auf.<br />
2.5.2 Lineares Kraftgesetz<br />
2.5.3 Reibungskräfte<br />
Wenn eine Kraft an einem Körper angreift <strong>und</strong> der Körper innerhalb des<br />
Bezugssystems eine gleich große Gegenkraft ausübt, so ist die Summe der<br />
Kräfte Null <strong>und</strong> der Körper wird nicht beschleunigt. Die Krafteinwirkung auf<br />
diesen Körper kann jedoch zu einer Verformung des Körpers führen. Diese<br />
Verformung wird elastisch genannt, wenn der Körper stets dieselbe Form<br />
wieder annimmt, wenn die Krafteinwirkung aufhört.<br />
Die Feder als Kraftmesser.<br />
Die Auslenkung der Feder ist proportional <strong>zur</strong> Kraft die auf sie in Längsrich-<br />
tung wirkt.<br />
F ∝s<br />
F = D ⋅ s<br />
2<br />
[ ]<br />
D: Federkonstante N / m=kg / s<br />
s: Auslenkung der Feder
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 26<br />
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Bei jeder Bewegung eines Körpers in der Luft oder auf einer Fläche treten stets Reibungskräfte auf, die die<br />
Bewegung eines Körpers hemmen. Die Reibungskräfte sind stets der angreifenden Kraft entgegengesetzt,<br />
d.h. die angreifende Kraft wird durch die Reibungskraft stets gemindert.<br />
Reibungskräfte werden unterteilt in<br />
• Haftreibung<br />
• Gleitreibung<br />
• Rollreibung<br />
Eigenschaften von Haftreibung<br />
• Ab einer maximalen Kraft FH setzt sich ein Körper ruckartig in Bewegung.<br />
• Die Kraft ist unabhängig von der Größe der aufliegenden Fläche.<br />
• Die Kraft ist proportional <strong>zur</strong> Normalenkraft (Kraft senkrecht <strong>zur</strong> Auflagefläche).<br />
Haftreibung: F = μ ⋅F<br />
, der Haftreibungskoeffizient μH ist von der Beschaffenheit der Oberflächen ab-<br />
hängig<br />
H H N<br />
Eigenschaften von Gleitreibung<br />
• Die Gleitreibungskraft ist unabhängig von der Auflagefläche <strong>und</strong> der Geschwindigkeit.<br />
• Die Gleitreibungskraft ist proportional <strong>zur</strong> Normalenkraft<br />
Gleitreibung: F = μ ⋅F<br />
, der Haftreibungskoeffizient μ G ist von der Beschaffenheit der Oberflächen<br />
G G N<br />
abhängig <strong>und</strong> es gilt meist μ G < μH<br />
.<br />
Eigenschaften von Rollreibung<br />
Rollreibung tritt auf, wenn ein starres Rad auf einer deformierbaren Unterlage abrollt oder ein deformierba-<br />
res Rad auf starrer Unterlage abrollt bzw. wenn Rad <strong>und</strong> Unterlage deformierbar sind.<br />
Auch hier gilt die Proportionalität <strong>zur</strong> Normalenkraft:<br />
f<br />
Rollreibung: F F<br />
r F<br />
R = μ R ⋅ N = ⋅ N , der Haftreibungskoeffizient μ R ist von der Beschaffenheit der Oberflä-<br />
chen abhängig, f wird Rollreibungslänge genannt. Der Koeffizient f/r trägt der Tatsache Rechnung, dass<br />
Räder mit größerem Radius eine geringere Deformation hervorrufen, wodurch die Rollreibungskraft sinkt.
Beispiele:<br />
2.6 Gravitation<br />
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Stoffpaar μ H μ G<br />
Stahl auf Stahl 0,15 0,1 - 0,05<br />
Stahl auf Messing 0,18 - 0,29<br />
Stahl auf Eis 0,027 0,014<br />
Leder auf Metall 0,6 0,4<br />
Messing auf Holz 0,62 0,6<br />
Bremsbelag auf Stahl 0,45<br />
Blockierter Autoreifen bei 50 km/h<br />
auf<br />
• Gussasphalt trocken<br />
• Gussasphalt nass<br />
• Glatteis<br />
0,8<br />
0,5<br />
0,05<br />
Eine der wichtigsten Kräfte, der wir uns täglich ausgesetzt sind, ist die Gravitationskraft oder Schwerkraft.<br />
Sie beruht auf einer Eigenschaft von Materie, der sogenannten Gravitation. Diese Eigenschaft bewirkt, dass<br />
sich zwei Körper mit jeweils einer eigenen schweren Masse gegenseitig anziehen. Die schwere Masse ist<br />
nicht gr<strong>und</strong>sätzlich der trägen Masse gleichzusetzen.<br />
Eigenschaften:<br />
• Zwei Körper mit jeweils einer schweren Masse ziehen sich stets gegenseitig an bzw. üben eine Kraft<br />
aufeinander aus.<br />
• Für die schweren Massen gelten die Newtonschen Axiome.<br />
• Die Erfahrung zeigt, dass die schwere Masse der trägen Masse proportional ist. Der Proportionalitätsfak-<br />
tor ist Eins! Dies zeigen Fallversuche: Verschiedene schwere Massen erfahren im Gravitationsfeld der<br />
Erde die gleiche Beschleunigung ihrer trägen Massen.<br />
Gravitationsgesetz:<br />
Zwei Massen m 1 <strong>und</strong> m 2 im Abstand r 12 üben eine Anzie-<br />
hungskraft<br />
F<br />
12<br />
3<br />
m1 ⋅m<br />
2<br />
−11<br />
m<br />
= γ ⋅ 2 , γ = 6, 67 ⋅10<br />
2 aufeinan-<br />
r<br />
kg ⋅ s<br />
der aus.<br />
Mit Hilfe des Gravitationsgesetztes können die Planetenbewegungen in unserem Universum berechnet wer-<br />
den. Durch die Rotationsbewegungen der Planeten um die Sonne würden die Planten bei fehlender Anzie-<br />
hung <strong>zur</strong> Sonne hin ihre Umlaufbahn verlassen. Durch die Gravitationswirkung der Sonne werden sie je-<br />
doch auf elliptische Umlaufbahnen gezogen.<br />
Dieses Gravitationsgesetz gilt natürlich auch für die Erde. Sei M die Masse der Erde <strong>und</strong> R ihr Radius, dann<br />
lässt sich die Kraft auf einen Körper der Masse m, der sich auf der Erdoberfläche befindet, näherungsweise<br />
nach obiger Formel berechnen:<br />
12
F<br />
G<br />
M<br />
= ⋅ ⋅ m = g⋅ m<br />
R γ 2<br />
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 28<br />
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G wird die Gewichtskraft oder das Gewicht des Körpers der Masse m bezeichnet. Entsprechend dem zwei-<br />
ten Newtonschen Axiom ist g eine Beschleunigung, die sogenannte Erdbeschleunigung. Die Richtung der<br />
Erdbeschleunigung ist zum Erdmittelpunkt gerichtet, wenn die Erde als ideale Kugel angenommen wird.<br />
Eigenschaften:<br />
• Je weiter der Körper sich von der Erdoberfläche entfernt, desto geringer wird sein Gewicht.<br />
• Aufgr<strong>und</strong> von Unsymmetrien der Erdkugel (Elipsoid, Bergmassive etc.) ist die Erdbeschleunigung an<br />
verschieden Punkten der Erdoberfläche unterschiedlich.<br />
2.7 Arbeit, Leistung, Energie<br />
2.7.1 Arbeit<br />
Der Begriff der Arbeit besitzt im umgangssprachlichen Gebrauch eine vielfältige Bedeutung. Es ist daher<br />
notwendig, den physikalischen Begriff der Arbeit eindeutig zu definieren:<br />
Arbeit ist die Wirkung einer Kraft entlang eines Weges<br />
Arbeit W = F ⋅s [ N⋅ m = J]<br />
• Wichtig an dieser Definition ist, dass durch das Skalarprodukt nur der Anteil der Kraft berücksichtigt<br />
wird, der in Richtung des Weges s wirkt!<br />
• Die Arbeit ist kein Vektor sondern eine skalare Größe.<br />
Wenn sich der Weg nicht geradlinig ändert, so errechnet sich die Arbeit aus der Summe aller Produkte aus<br />
geraden Wegstücken <strong>und</strong> den zugehörigen Kraftanteilen. Ändert sich der Weg kontinuierlich, so kann die<br />
Arbeit als Wegintegral der Kraft dargestellt werden:<br />
lim ∑ ∫<br />
W = F ⋅ Δs<br />
= Fds<br />
Δs<br />
→0<br />
i<br />
s<br />
i i<br />
i s<br />
2<br />
1<br />
• Die geleistete Arbeit, die aufgebracht werden muss, um einen Körper von Punkt 1 nach Punkt 2 zu be-<br />
wegen, ist unabhängig vom Weg, der dabei <strong>zur</strong>ückgelegt wird.<br />
• Wird mit beliebigem Kraftaufwand ein Körper an seinen ursprünglichen Ort <strong>zur</strong>ück bewegt, so ist die<br />
geleistete Arbeit Null!<br />
Hubarbeit:<br />
Wird ein Körper angehoben, so wirkt seine Gewichtskraft auf ihn. Die geleistete Arbeit beim Heben des<br />
Körpers auf eine Höhe h ist demnach (g=const.):<br />
WH = FG ⋅ h = m ⋅ g⋅ h
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 29<br />
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Hubarbeit im Schwerefeld der Erde<br />
Die oben gemachte Annahme, dass die Erdbeschleunigung konstant ist, gilt nur als Näherung. Korrekter ist<br />
der Ansatz über die Gravitationskraft.<br />
F<br />
G<br />
m ⋅m<br />
= γ ⋅ 2<br />
r<br />
1 2<br />
Wird ein Körper auf der Erde gegen die Schwerkraft angehoben, so ändert sich der relative Abstand. Die<br />
Hubarbeit berechnet sich dann aus:<br />
W = F dr =<br />
H<br />
r<br />
r<br />
2<br />
r<br />
∫ ∫<br />
1<br />
Dehnungsarbeit:<br />
r<br />
2<br />
1<br />
m1 ⋅m<br />
2<br />
⎛ 1 1 ⎞<br />
γ 2 dr = γ ⋅m1 ⋅m 2 ⎜ − ⎟<br />
r<br />
⎝r<br />
r ⎠<br />
1 2<br />
Ein Beispiel eines linearen Kraftgesetzes ist die elastische Verformung einer Feder. Welche Arbeit wird<br />
geleistet, um die Feder in eine Richtung um einen Betrag s auszulenken?<br />
Es galt: Für die Auslenkung einer Feder muss eine Kraft F = D s aufgewendet werden. Die Arbeit berechnet<br />
sich demnach auf einem kleinen Wegstück ds, auf dem die Kraft als konstant angenommen wird, zu dW E =<br />
F ds. Das Problem besteht darin, dass die Kraft bei weiterer Ausdehnung der Feder nicht konstant bleibt! Es<br />
muss also über alle Arbeitsanteile der kleinen Wegstücke ds aufsummiert werden. Mathematisch bedeutet<br />
dies<br />
∑ ∑<br />
W = dW = D ⋅ s ⋅ ds<br />
E i<br />
i<br />
oder mit ds → 0<br />
s<br />
1<br />
1<br />
WE = ∫D<br />
⋅ sds = ⋅D ⋅s<br />
2<br />
0<br />
Beschleunigungsarbeit:<br />
i<br />
i<br />
i<br />
2<br />
i<br />
Wenn ein Körper aus der Ruhe heraus gleichmäßig geradlinig beschleunigt wird, so wirkt auf ihn eine Kraft<br />
m⋅ a in Richtung des Weges s. Für die Beschleunigungsarbeit gilt dann<br />
m ⋅ v<br />
WB = m ⋅ a ⋅ s ⎯⎯ ⎯ → WB =<br />
a=<br />
1<br />
2<br />
2<br />
Reibungsarbeit:<br />
2<br />
v<br />
s<br />
2<br />
Wird ein Körper gegen eine Reibungsarbeit gleichförmig bewegt, so ist dazu eine Zugkraft notwendig, die<br />
gleich groß aber entgegengesetzt wirkend wir die Reibkraft ist. Dann ist<br />
W = F ⋅ s = μ<br />
⋅F ⋅ s<br />
R R N
Wirkungsgrad:<br />
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 30<br />
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Unter dem Wirkungsgrad wird das Verhältnis aus Nutzarbeit <strong>und</strong> Gesamtarbeit verstanden<br />
Nutzarbeit<br />
Wirkungsgrad =<br />
Gesamtarbeit<br />
WN<br />
ηW<br />
=<br />
W<br />
Ges<br />
2.7.2 Leistung<br />
Unter Leistung wird der Quotient aus Arbeit <strong>und</strong> Zeit verstanden, d.h. die Leistung gibt an, in welcher Zeit<br />
die Arbeit verrichtet wird.<br />
mittlere Leistung: P W<br />
W<br />
t<br />
J<br />
Δ ⎡ ⎤<br />
= ⎢1<br />
= 1<br />
Δ ⎣ s⎥<br />
⎦<br />
Momentanleistung: P dW<br />
dt W = = &<br />
2.7.3 Energie, Energieerhaltung<br />
Die Arbeit, die in einen Körper gesteckt wird, ist nicht verloren. Ein Körper an dem Hubarbeit verrichtet wur-<br />
de, würde beim Loslassen wieder herunterfallen <strong>und</strong> wäre imstande, die Hubarbeit als Beschleunigungsar-<br />
beit zu leisten. Die geleistete Beschleunigungsarbeit könnte wiederum in Hubarbeit umgewandelt werden,<br />
indem der herunterfallende Körper einen gleichen Körper über ein Katapult in dieselbe Höhe schleudern<br />
könnte.<br />
Die Fähigkeit einer Masse, Arbeit zu leisten, wird in der <strong>Physik</strong> als Energie bezeichnet.<br />
Es wird in der Mechanik unterschieden nach<br />
• potentieller Energie E pot<br />
• <strong>und</strong> kinetischer Energie Ekin, Erot<br />
Unter potentieller Energie wird die Energieform verstanden, die der Körper aufgr<strong>und</strong> seiner Masse <strong>und</strong> sei-<br />
ner Lage hat (z.B. er befindet sich 3 m über dem Erdboden), unter kinetischer Energie wird der Anteil an<br />
leistbarer Arbeit verstanden, die der Körper aus seiner Bewegung herausziehen kann.<br />
Wird eine Feder gespannt, so wird an ihr eine Dehnungsarbeit geleistet. Wird diese Feder losgelassen, so<br />
entspannt sie sich, wobei sie in der Lage ist, eine an ihr hängende Masse zu beschleunigen. Auch hier wird<br />
die gesamte potentielle Energie in Form der Spannung der Feder in kinetische Energie umgewandelt.<br />
Achtung: Bei Angabe eines Energiewertes muss das Bezugsniveau bekannt sein!<br />
Gravitationspotential:<br />
Die potentielle Energie im Schwerefeld einer Masse m 1 (z.B. der Erde) ist entsprechend des Gravitations-<br />
gesetzes gegeben durch
⎛ 1 1 ⎞<br />
Epot = γ ⋅m 1 ⋅m 2 ⎜ − ⎟<br />
⎝ r r ⎠<br />
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1 2<br />
<strong>und</strong> damit abhängig von beiden Massen <strong>und</strong> deren Abstand. Wird der Bezugspunkt ins Unendliche gelegt,<br />
so lässt sich diese Energie schreiben als<br />
1<br />
Epot = −γ ⋅m1 ⋅m 2 für r1<br />
→ ∞<br />
r<br />
2<br />
Dies ist die Arbeit, die notwendig ist, um einen Körper von der Masse m 1 im Abstand r 2 unendlich weit weg<br />
zu bewegen.<br />
in diesem Fall:<br />
Die Linien, auf denen die potentielle Energie konstant ist,<br />
werden Äquipotentiallinien genannt. Bei einer Kugel sind<br />
die Kugelschalen um den Mittelpunkt der Kugel herum, die<br />
gleichen Abstand <strong>zur</strong> Oberfläche der Kugel haben.<br />
Die Wirkung, die eine Masse erfährt, wenn sie aus dem Un-<br />
endlichen in Richtung einer anderen Masse gebracht wird,<br />
kann beschrieben werden durch das Gravitationspotential<br />
E = Φ ⋅m<br />
pot Grav<br />
⎛ 1 1⎞ 1<br />
Φ Grav = γ ⋅M⎜ − ⎟ bzw. ΦGrav<br />
= −γ ⋅M für r1<br />
→ ∞<br />
⎝ r r ⎠<br />
r<br />
1 2<br />
Energieerhaltungssatz:<br />
Die sich bewegende Masse m erfährt das Potential, welches<br />
von der ruhenden Masse ausgeht. Der Potentialbegriff spielt<br />
in der <strong>Physik</strong> eine große Rolle. Das Gravitationspotential ist<br />
Beim freien Fall wurde die gesamte potentielle Energie in kinetische Energie umgewandelt, d.h. die Energie<br />
ging nicht verloren. Es lässt sich sogar zeigen, dass an jedem Punkt der Fallkurve die Summe aus poten-<br />
tieller Energie <strong>und</strong> kinetischer Energie konstant ist. Hieraus folgt ein f<strong>und</strong>amentaler Satz in der <strong>Physik</strong>:<br />
Energieerhaltungssatz:<br />
In einem abgeschlossenen System bleibt die Summe aus potentieller <strong>und</strong> kinetischer Energie konstant.<br />
Ekin + Epot = Eges = const.<br />
Neben den mechanischen Energieformen gibt es noch andere Energieformen.
• elektrische Energie<br />
• magnetische Energie<br />
• Kernenergie<br />
• chemische Energie<br />
• Wärmeenergie<br />
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 32<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />
Auch hier bleibt der Energiesatz bestehen. Die gesamte Energie bleibt konstant, es können nur Umwand-<br />
lungen von einer Energieform in die andere auftreten. In der Technik bestehen viele Anwendungen darin,<br />
Energiespeicher <strong>zur</strong> Verrichtung von Arbeit bereitzustellen.<br />
2.7.4 Impuls, Impulserhaltung<br />
Definition des Impulses, Kraftstoß:<br />
Um einen Körper zu beschleunigen, muss eine Kraft auf ihn ausgeübt werden. Wenn die Krafteinwirkung<br />
aufhört bewegt sich der Körper geradlinig gleichförmig weiter. Der Zeitraum der Krafteinwirkung kann dabei<br />
sehr kurz sein. Ein solcher Vorgang wird als Kraftstoß bezeichnet.<br />
F ⋅ τ = m ⋅ a ⋅ τ<br />
τ : Zeitdauer desKraftstosses<br />
Die obige Formel gilt nur dann, wenn die Kraft innerhalb der Zeitdauer � konstant ist. Dann ist die Be-<br />
schleunigung a die Geschwindigkeitsänderung im Zeitintervall �, d.h. es gilt:<br />
a ⋅ τ = v − v<br />
<strong>und</strong>somit<br />
2 1<br />
F ⋅ τ = m ⋅( v − v )<br />
2 1<br />
Die Bewegungsgröße m⋅ v wird Impuls genannt<br />
Im allgemeinen ist die Krafteinwirkung zeitlich nicht konstant. Das Produkt F<br />
� muss dann ersetzt werden durch das Integral über den zeitlichen Verlauf<br />
der Kraft:<br />
Verallgemeinerter Kraftstoß:<br />
t<br />
t<br />
2<br />
1<br />
t<br />
( ( ) ( ) )<br />
F dt = m ⋅ adt = m ⋅ v t − v t = p − p<br />
t<br />
2<br />
∫ ∫<br />
1<br />
2 1 2 1<br />
Wenn die Anfangsgeschwindigkeit des Körpers zum Zeitpunkt t 1 Null ist,<br />
dann gilt:<br />
t<br />
2<br />
∫<br />
t1<br />
p = F dt = m ⋅ v
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 33<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />
Der Impuls ist derjenige Kraftstoß, der eine Masse m aus der Ruhe heraus auf die Geschwindigkeit v bringt.<br />
Aus der obigen Integralgleichung folgt durch Differenzieren nach der Zeit:<br />
d<br />
dt p<br />
t<br />
d<br />
dt Fdt<br />
2<br />
d<br />
= = ⋅<br />
dt<br />
∫<br />
t1<br />
( m v)<br />
Die Differentiation des Produktes wird nach der Produktregel durchgeführt. Daraus ergibt sich dann:<br />
d<br />
F<br />
( )<br />
dt p<br />
d d d<br />
m v m v v<br />
dt dt dt m<br />
= = ⋅ = +<br />
Der zweite Term in obiger Gleichung verschwindet nur dann, wenn die Masse zeitlich konstant bleibt. Ein<br />
Beispiel dafür, wo die Masse nicht konstant bleibt ist die Rakete!<br />
Impulserhaltungssatz<br />
Zu untersuchen ist nun, wie sich die Impulse bei einer Wechselwirkung zweier Körper verhalten.<br />
Beispiel:<br />
Zwei Massenpunkte der Massen m 1 <strong>und</strong> m 2 bewegen sich in derselben Richtung mit zwei unterschiedlichen<br />
Geschwindigkeiten v 1 <strong>und</strong> v 2 aufeinander zu. Die Es gelte: v 2 > v 1 . Dies führt dazu, dass sich die beiden<br />
Massenpunkte zu einem Zeitpunkt t 0 treffen <strong>und</strong> aufeinander einen Kraftstoß ausüben.<br />
Gesamtimpuls vor dem Stoß:<br />
p = p + p = m ⋅ v + m ⋅ v<br />
ges<br />
Stoßvorgang<br />
1 2 1 1 2 2<br />
Im Zeitintervall Δt findet ein Kraftstoß statt, der zu einer Beschleunigung beider Massen führt. Da keine<br />
weitere äußere Kraft auftritt, gilt das 3. Newtonsche Axiom "actio = reactio", d.h. es gilt<br />
F12 = −F21 ⇔ m1 ⋅ a1 = −m 2 ⋅ a2<br />
Die Kraft F 12 , die Masse 1 auf Masse 2 während des Stoßvorganges ausübt, bewirkt eine gleich große,<br />
aber entgegengesetzt wirkende Kraft F 21 , die Masse 2 auf Masse 1 ausübt (Die Gesamtsumme alle inneren<br />
Kräfte ist Null).<br />
Annahme: Die Beschleunigung während des Stoßvorganges sei konstant (die mittlere Beschleunigung sei<br />
konstant). Dann gilt mit<br />
1.
v<br />
a<br />
t<br />
m<br />
v<br />
Δ i<br />
i =<br />
Δ<br />
Δ 1 Δv<br />
⇒ 1 ⋅ = −m2 ⋅<br />
Δt<br />
Δt<br />
⇒ m ⋅ Δv = −m ⋅ Δv<br />
1 1 2 2<br />
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 34<br />
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2<br />
,wobei Δv 1 <strong>und</strong> Δv 2 die Geschwindigkeitsänderungen beider Massen sind, die durch den Kraftstoß verur-<br />
sacht wurden. Die Geschwindigkeiten beider Massen nach dem Kraftstoß sind demnach<br />
Geschw. nach dem Stoß: v + Δv bzw. v + Δ v<br />
1 1 2 2<br />
Daraus folgt für den gesamten Impuls nach dem Stoß<br />
( Δ ) ( Δ )<br />
1 ( 1 1) 2<br />
⎛<br />
⎜ 2<br />
m ⋅ v + v + m ⋅ v + v<br />
1 1 1 2 2 2<br />
m v v m v m<br />
m v m v m v p 1 ⎞<br />
= ⋅ + Δ + ⋅ − Δ 1⎟ = 1 ⋅ 1 + 2 ⋅ 2 = ges<br />
⎝<br />
⎠<br />
Das bedeutet, dass der Gesamtimpuls beim Stoß konstant bleibt.<br />
Impulserhaltungssatz:<br />
2<br />
In einem abgeschlossenen System (keine Einwirkung von äußeren Kräften) bleibt der Gesamtimpuls (vekto-<br />
rielle Summe aller Einzelimpulse) konstant.<br />
Impulserhaltungssatz:<br />
p<br />
i<br />
pges = ∑ pi = const.<br />
: Impulse innerhalb des abgeschlossenen Systems<br />
i<br />
Impuls <strong>und</strong> Energieerhaltungssätze sind f<strong>und</strong>amentale Sätze in der <strong>Physik</strong>. Sie haben nicht nur eine Bedeu-<br />
tung in der Mechanik, sondern gelten auch für andere Bereiche der <strong>Physik</strong> <strong>und</strong> anderer Naturwissenschaf-<br />
ten. Viele Probleme in der <strong>Physik</strong> lassen sich durch Aufstellen der Impuls- <strong>und</strong> Energieerhaltungssätze lö-<br />
sen.<br />
Der zentrale elastische Stoß:<br />
Der zentrale elastische Stoß zeichnet sich dadurch aus, dass beim Stoßvorgang keine kinetische Energie<br />
durch Umwandlung in potentielle Energie bzw. Rotationsenergie verloren geht. Der Stoß erfolgt weiterhin<br />
zentral, d.h. die Stoßrichtung liegt auf einer Geraden. Damit gelten für zwei Körper die folgenden Erhal-<br />
tungssätze:<br />
Impulserhaltungssatz: m1 ⋅ v1 + m2 ⋅ v 2 = m1 ⋅ u1 + m2 ⋅ u2<br />
(I)<br />
Energieerhaltungssatz: 1 2 1 2 1 2 1 2<br />
m1 ⋅ v1 + m2 ⋅ v2 = m1 ⋅ u1 + m2 ⋅ u2<br />
(II)<br />
2 2 2 2<br />
wobei
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 35<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
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v1 , v 2 Geschwindigkeiten vor dem Stoß<br />
u1 , u 2 Geschwindigkeiten nach dem Stoß<br />
aus (I): m1 ( v1 u1) m 2 ( u 2 v 2 )<br />
1<br />
2<br />
⋅ − = ⋅ − (III)<br />
1<br />
⋅ − 1 = 2 ⋅ 2 − 2<br />
(IV)<br />
2<br />
2 2<br />
2 2<br />
aus (II): m ( v u ) m ( u v )<br />
1 1<br />
Aus dem 3. binomischen Lehrsatz folgt dann aus (III)<br />
1<br />
( ) ( ) ( ) ( )<br />
1<br />
m1 ⋅ v1 − u1 ⋅ v1 + u1 = m2 ⋅ u2 − v 2 ⋅ u2 + v 2 (V)<br />
2<br />
2<br />
(III) in (V): v1 + u1 = v 2 − u 2<br />
Die Auflösung nach u i <strong>und</strong> einsetzen in (I) liefert dann<br />
u<br />
1<br />
bzw.<br />
u<br />
2<br />
2 ⋅ m2<br />
=<br />
m + m<br />
1 2<br />
2 ⋅ m1<br />
=<br />
m + m<br />
Spezialfälle:<br />
2 1<br />
m m<br />
v<br />
m m v<br />
1 − 2<br />
2 +<br />
+<br />
1 2<br />
m m<br />
v<br />
m m v<br />
2 − 1<br />
1 +<br />
+<br />
2 1<br />
1. m1 = m 2<br />
: u1 = v 2 <strong>und</strong>u 2 = v1<br />
1<br />
2<br />
Beide Körper tauschen Ihre Geschwindigkeiten. Ist insbesondere einer der Körper vorher in Ruhe, so bleibt<br />
der erste stehen <strong>und</strong> der zweite bewegt sich mit der Geschwindigkeit des ersten weiter<br />
2. m<br />
m − m<br />
m + m<br />
2<br />
>> m 1<br />
: dann wird<br />
1 2<br />
<strong>und</strong><br />
1 2<br />
≈ − 1 u = − v<br />
1 1<br />
Dieser Fall tritt z.B. auf, wenn eine Kugel senkrecht auf eine Wand trifft. Die Kugel fliegt mit entgegenge-<br />
setzt gleicher Geschwindigkeit wieder <strong>zur</strong>ück. Aus der Impulserhaltung folgt:<br />
' '<br />
'<br />
p + p = p + p ⎯⎯⎯⎯⎯ ' →p<br />
= 2⋅ p = 2 ⋅m ⋅ v<br />
1 2 1 2 p = 0, p =−p<br />
2 1 1 1<br />
2 1 1<br />
d.h. die Wand nimmt einen Kraftstoß 2 m 1 v 1 auf, jedoch keine Energie, da ihre Geschwindigkeit Null<br />
bleibt.<br />
Nichtelastische Stöße:<br />
Bei den nichtelastischen Stößen wird ein <strong>Teil</strong> der kinetischen Energie in andere Energieformen (Wärme,<br />
Deformation etc.) überführt. Der Ansatz (im Zweikörperproblem) lautet dann:
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 36<br />
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Impulserhaltungssatz: m1 ⋅ v1 + m2 ⋅ v 2 = m1 ⋅ u1 + m2 ⋅ u2<br />
Energieerhaltungssatz: 1 2 1 2 1 2 1 2<br />
m1 ⋅ v1 + m2 ⋅ v2 = m1 ⋅ u1 + m2 ⋅ u2 + Δ Ekin 2 2 2 2<br />
Wobei ΔE kin der Anteil der umgewandelten kinetischen Energie ist. Wenn ΔE kin unbekannt ist, lassen sich<br />
u 1 <strong>und</strong> u 2 nicht mehr berechnen. Als Spezialfall gilt für den vollständig unelastischen Stoß, bei dem beide<br />
Stoßpartner nach dem Stoß zusammenhängen <strong>und</strong> sich mit gleicher Geschwindigkeit weiterbewegen:<br />
u = u = u ⇒<br />
1 2<br />
m<br />
u<br />
m m v<br />
m<br />
m m v<br />
1<br />
2<br />
= ⋅ 1 + ⋅<br />
+<br />
+<br />
1 2<br />
1 2<br />
2<br />
Aus der Bestimmung von u lässt sich dann der Verlust an kinetischer Energie bestimmen (Anwendung z.B.<br />
im ballistischen Pendel).<br />
2.8 Dynamik der Drehbewegungen<br />
2.8.1 Zentripetal- <strong>und</strong> Zentrifugalkraft<br />
Bei der Herleitung der Gesetze der Drehbewegungen wurde gezeigt, dass<br />
ein Körper der Masse m, der sich auf einer Kreisbahn bewegt, in Richtung<br />
des Kreismittelpunktes beschleunigt wird. Nach dem 2. Newtonschen Axi-<br />
om muss demnach auch eine Kraft auf ihn wirken. Diese Kraft ist notwen-<br />
dig, um den Körper auf eine Kreisbahn zu zwingen, da er sich sonst ge-<br />
radlinig, gleichförmig bewegen würde (erstes Newtonsches Axiom).<br />
Die Kraft die auf den Körper wirkt wird Zentripetalkraft genannt.<br />
Die Richtung der Kraft weist zum Kreismittelpunkt, die Größe lässt sich<br />
errechnen aus:<br />
Zentripetalkraft: Fzp = m ⋅ ar = m ⋅ ω ⋅r<br />
2<br />
Nach dem dritten Newtonschen Axiom muss eine Gegenkraft <strong>zur</strong> Zentripetalkraft vorhanden sein. Diese<br />
Kraft wird Zentrifugalkraft genannt<br />
Zentrifugalkraft: Fzf = − Fzp<br />
2.8.2 Kreispendel
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 37<br />
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Eine Kugel hängt an einem Faden <strong>und</strong> führt eine Kreisbewegung aus. Die<br />
hierzu notwendige Zentripetalkraft wird durch das Gewicht der Kugel erzeugt.<br />
Zentripetalkraft: F = m ⋅ g⋅<br />
tan( α )<br />
r<br />
Da die Kugel auf der Kreisbahn umläuft, wirkt an ihr zusätzlich die Zentrifu-<br />
2<br />
galkraft: F = m ⋅ ω ⋅r<br />
z<br />
mit ω π<br />
= 2 T <strong>und</strong> r l ( )<br />
( )<br />
l ⋅cos<br />
α<br />
T = 2π ≈ 2π<br />
g<br />
= ⋅sin α lässt sich der Ausdruck umformen zu<br />
l<br />
g<br />
für kleine Winkel. Die Umlaufzeit des Pendels<br />
hängt bei kleinen Winkeln somit nur von der Länge des Fadens <strong>und</strong> der Erdbeschleunigung ab.<br />
2.8.3 Starrer Körper<br />
Bisher wurde bei den durchgeführten Betrachtungen die Beschreibung der Bewegung eines Körpers nur auf<br />
einen Punkt, den Schwerpunkt reduziert. Ein realer Körper besitzt dagegen eine endliche Ausdehnung in<br />
drei Dimensionen. Die verwendeten Modelle müssen daher erweitert werden. Zunächst werden Eigenschaf-<br />
ten eines starren Körpers untersucht. Im Gegensatz dazu stehen Untersuchungen an Flüssigkeiten <strong>und</strong> Ga-<br />
sen.<br />
Starrer Körper:<br />
Ein starrer Körper ist zusammengesetzt aus einer Anzahl von Mas-<br />
senpunkten, deren relative Lage zueinander unverändert bleibt.<br />
Masse des Körpers: m = ∑ Δ mi i<br />
Translatorische Bewegung: Alle Massenpunkte bewegen sich mit<br />
derselben Geschwindigkeit v. Dann berechnet sich die kinetische<br />
1<br />
Energie eines Massenpunktes zu: Ei, kin = Δ mi ⋅ v<br />
2<br />
1 1<br />
1<br />
Kinetische Energie des Körpers: Ekin = ∑Ei, kin = ∑ Δmi ⋅ v = ⋅ v ∑ Δ mi = m ⋅ v<br />
2 2<br />
2<br />
∑ i ∑ Δ<br />
i i<br />
Impuls des starren Körpers: p = p = m ⋅ v = m ⋅ v<br />
i<br />
i<br />
i<br />
2 2 2<br />
Die Gesetze der translatorischen Bewegung eines starren Körpers lassen sich auf die Gesetze des Massen-<br />
punktes <strong>zur</strong>ückführen. Ohne Beweis: Der Massenpunkt ist der Schwerpunkt des Körpers.<br />
2.8.4 Schwerpunkt<br />
i<br />
2
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 38<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />
Die Schwerpunktkoordinate eines starren Körpers kann berechnet werden durch<br />
r<br />
s<br />
∑r ⋅ Δm<br />
=<br />
i<br />
m<br />
i i<br />
ges<br />
bzw. bei kontinuierlicher Verteilung der Masse durch<br />
r<br />
s<br />
=<br />
m<br />
∫<br />
ges<br />
m<br />
r dm<br />
ges<br />
Die Schwerpunktkoordinaten (nicht jedoch der Schwerpunkt des Körpers) hängen nach obiger Definition von<br />
der Wahl des Bezugsystems ab.<br />
• Wenn eine Drehachse durch den Schwerpunkt verläuft, so heben sich alle inneren Drehmomente ge-<br />
genseitig auf. Ein ruhender Körper befindet sich somit in jeder Stellung im Gleichgewicht.<br />
• Bei beliebigen Aufhängungspunkten dreht sich der Körper solange um die Drehachse, bis sich der<br />
Schwerpunkt senkrecht unter den Aufhängungspunkt gedreht hat.<br />
2.8.5 Trägheitsmoment<br />
Bei der Berechnung der Energie eines rotierenden Körpers müssen zusätzlich die Abstände der Massen-<br />
punkte vom Drehpunkt berücksichtigt werden. Für das obige Beispiel gilt daher:<br />
1 1<br />
, = ⋅ = ⋅ ⋅<br />
2 2<br />
2<br />
Kinetische Energie eines Massenpunktes um den Drehpunkt: E Δm v Δm ( ω r )<br />
i kin i i i i<br />
Jeder Massenpunkt beschreibt eine Kreisbahn um den Rotationsmittelpunkt. Die Geschwindigkeit der ein-<br />
zelnen Massenpunkte ist nicht mehr konstant!<br />
Die gesamte Bewegungsenergie errechnet sich somit aus:<br />
1 2 1<br />
Ekin = ∑Ei, kin = ∑ Δmi ⋅ vi = ∑ Δmi ⋅ ω ⋅ri<br />
2<br />
2<br />
i<br />
1<br />
bzw. Ekin = ω ∑ Δ mi ⋅ri<br />
2<br />
i<br />
2 2<br />
i<br />
i<br />
( )<br />
Die Summe ist eine charakteristische Konstante des starren Körpers <strong>und</strong> bestimmt den Energieinhalt des<br />
Körpers bei seiner Rotation um eine Achse. Diese Konstante ist das sogenannte Trägheitsmoment des<br />
Körpers:<br />
∑ Δ<br />
2 2<br />
Trägheitsmoment: J = mi ⋅ri [ kg⋅ m ]<br />
i<br />
2 2<br />
2<br />
Kontinuierliche Massenverteilung: J = Δm<br />
⋅ r = r dm = ρ<br />
r dV<br />
2<br />
m V<br />
lim∑<br />
Δmi<br />
→o<br />
i<br />
i i ∫<br />
0<br />
∫<br />
0<br />
ges ges<br />
2
1<br />
Rotationsenergie: Erot = Jω<br />
2<br />
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 39<br />
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2<br />
Die Berechnung des Trägheitsmomentes für starre Körper ist i.a. sehr schwierig <strong>und</strong> oft analytisch nicht<br />
mehr durchführbar. (Zur Berechnung des Trägheitsmomentes einfacher Körper siehe z.B. Berg-<br />
mann/Schäfer) Es lassen sich jedoch gr<strong>und</strong>sätzliche Aussagen treffen:<br />
• Je weiter die Massenpunkte von der Drehachse entfernt sind, desto größer ist ihre Geschwindigkeit <strong>und</strong><br />
desto größer ihre Rotationsernergie.<br />
• Das Trägheitsmoment eines Körpers ist von der Lage der Drehachse abhängig.<br />
Hauptträgheitsachsen, Hauptträgheitsmomente<br />
Jeder Körper besitzt eine Drehachse durch den Schwerpunkt mit einem größten <strong>und</strong> einem kleinsten Träg-<br />
heitsmoment. Diese beiden Achsen stehen immer senkrecht aufeinander. Es lässt sich dann stets eine dritte<br />
Achse mit einem mittleren Trägheitsmoment finden, die senkrecht auf den beiden anderen steht. Diese<br />
Achsen heißen Hauptträgheitsachsen, die zugehörigen Trägheitsmomente Hauptträgheitsmomente.<br />
Jede Rotation eines Körpers um eine Schwerpunktachse lässt sich zerlegen in drei voneinander unabhängi-<br />
ge Rotationen um die drei Hauptachsen.<br />
Beispiele für Trägheitsmomente um die Hauptträgheitsachse:<br />
2<br />
Hohlzylinder mit Wanddicke D >> Radius R: J = mR<br />
Vollzylinder: J = mR<br />
1 2<br />
2<br />
Kugel: J = mR<br />
2 2<br />
5<br />
Stab mit Durchmesser D
2.8.6 Drehmoment<br />
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 40<br />
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Bei der translatorischen Bewegung war eine Kraft notwendig, um einen Körper aus der Ruhe heraus in ei-<br />
nen Bewegungszustand zu setzen. Nach den Newtonschen Axiomen muss der gleiche Sachverhalt für die<br />
Erzeugung einer Drehbewegung gelten.<br />
um so stärker, je mehr sich der Winkel an 90° annähert.<br />
Drehmoment:<br />
Ein Körper sei um einen Drehpunkt D herum<br />
gelagert <strong>und</strong> eine Kraft F greife im Punkt A an.<br />
1) Wenn F in Richtung der Verbindungslinie<br />
zwischen D <strong>und</strong> A wirkt, kann der Körper<br />
nicht gedreht werden.<br />
2) Wenn die Kraft im Punkt A in einem Winkel<br />
ϕ gemessen <strong>zur</strong> Verbindungslinie wirkt, wird<br />
der Körper in Rotation versetzt. Diese ist<br />
Das Produkt aus Abstand zum Drehpunkt <strong>und</strong> dem dazu senkrechten Anteil F M einer angreifenden Kraft<br />
wird Drehmoment M genannt.<br />
Zur Beschreibung der Drehrichtung hat M einen vektoriellen Charakter. Die Richtung ist parallel <strong>zur</strong> Dreh-<br />
achse. Sie wird festgelegt durch das rechtshändige System. (Schraubenrichtung, wenn r in Richtung der<br />
Kraft gedreht wird). Die Drehrichtung entspricht derselben Vereinbarung wie bei der Festlegung Winkelge-<br />
schwindigkeitsvektors ω .<br />
Größe des Drehmomentes: M = r ⋅F ⋅sin ( r, F)<br />
Verallgemeinerung: Das Vektorprodukt aus r <strong>und</strong> F liefert Richtung <strong>und</strong> Größe des Drehmomentes:<br />
M = rxF ⎡kg⋅<br />
m<br />
⎢ 2<br />
⎣ s<br />
2<br />
⎤<br />
⎥<br />
⎦<br />
• Analog <strong>zur</strong> Translation, bei der die Gesamtkraft die vektorielle Summe der Einzelkräfte war, ist da Ge-<br />
samtdrehmoment die vektorielle Summe der Einzeldrehmomente.<br />
• Analog <strong>zur</strong> Translation, bei der eine Kraft eine Beschleunigung des Körpers verursacht hat, führt ein<br />
Drehmoment zu einer beschleunigten Rotation:<br />
Es gelte: verschiedene Kräfte greifen in der Drehebene an einem starren Körper an. Dann gilt für das ge-<br />
samte Drehmoment:<br />
∑<br />
M = r ⋅F<br />
i<br />
i i<br />
wobei F i senkrecht auf den Radiusvektoren stehen. Daraus folgt:
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 41<br />
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∑ ∑ ∑<br />
2<br />
M = ri ⋅ Fi = ri ⋅ Δmi ⋅ ai = { ri ⋅ Δmi<br />
⋅α<br />
i<br />
i<br />
a= α⋅r<br />
i<br />
Mit der Definition des Trägheitsmomentes <strong>und</strong> mit der Tatsache, dass die Winkelbeschleunigung � diesel-<br />
be Richtung hat wie die Winkelgeschwindigkeit <strong>und</strong> damit des Drehmomentes lässt sich obige Gleichung<br />
ausdrücken durch:<br />
M = J ⋅α<br />
Arbeit bei Drehbewegungen:<br />
Es wirke ein konstantes Drehmoment M. Damit wird auch die Winkelbeschleunigung � konstant. Die Arbeit<br />
wurde definiert als Produkt aus Weg <strong>und</strong> dazu in Richtung des Weges aufgewendete Kraft. W = F ⋅ s . Bei<br />
der Drehbewegung ist der <strong>zur</strong>ückgelegte Weg die Kreisbahn, somit s = r ⋅ ϕ . Wegen M = r ⋅ F folgt insge-<br />
samt<br />
W = M⋅ϕ<br />
, M=const bzw. W = ∫Mdϕ , M≠const<br />
Leistung bei Drehbewegungen:<br />
Aus P dW<br />
P M<br />
dt<br />
d<br />
dt M<br />
ϕ<br />
= ⇒ = ⋅ = ⋅ ω<br />
2.8.7 Drehimpuls<br />
ϕ<br />
ϕ<br />
2<br />
1<br />
Aus den Betrachtungen der Translation ist bekannt, dass jedem<br />
Körper, der sich mit einer Geschwindigkeit v bewegt ein Bahnim-<br />
puls p = m ⋅ v zugeordnet werden kann. Von einem festen<br />
Standpunkt aus führt i.a. ein sich geradlinig bewegender Körper<br />
relativ zum Beobachter auch eine Drehbewegung aus:<br />
Vom Standpunkt des Beobachters setzt sich die Geschwindigkeit<br />
zusammen aus einem Anteil, der den Körper in der Verbindungs-<br />
linie von ihm fortbewegt <strong>und</strong> einem Anteil v s , der senkrecht auf<br />
der Verbindungslinie steht <strong>und</strong> den Körper in diesem Punkt auf<br />
eine Kreisbahn zwingt.<br />
Für den momentanen Impuls des Massenpunktes gilt:
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 42<br />
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p m v m r m r<br />
r r J<br />
1 2 1<br />
= ⋅ = ⋅ω ⋅ = ⋅ ⋅ ω ⋅ = ⋅ ⋅ ω<br />
Wie bei der Definition des Drehmomentes hängt auch hier der momentane Impuls eines Massenpunktes<br />
vom Abstand zum Drehmittelpunkt ab. Durch Multiplikation der Gleichung mit r folgt wird die Größe p⋅ r als<br />
Drehimpuls bezeichnet.<br />
Definition des momentanen Drehimpulses: L = r ⋅ p = J⋅ω<br />
Diese Definitionen gelten jedoch nur für einen bestimmten Punkt während der Bewegung von m <strong>und</strong> bezie-<br />
hen sich auf einen festen Bezugspunkt.<br />
Verallgemeinerung:<br />
Wie bei der Herleitung des Drehmomentes ist derjenige <strong>Teil</strong> des Bahnimpulses wirksam, der senkrecht auf<br />
dem Radius zum Massenpunkt steht. Ausgedrückt werden kann dies durch die verallgemeinerte Definition<br />
des Drehimpulses::<br />
Drehimpuls L = rxp ⎡kg⋅<br />
m<br />
⎢<br />
⎣ s<br />
2<br />
⎤<br />
⎥<br />
⎦<br />
Aus der translatorischen Bewegung ist bekannt, dass sich die Kraft auf einen Körper aus der zeitlichen Ab-<br />
leitung des Impulses errechnet, d.h. F dp<br />
=<br />
dt<br />
Die analoge Betrachtung beim Drehimpuls liefert in obigem Beispiel:<br />
dL<br />
dt<br />
r m dv<br />
= ⋅ ⋅ = r ⋅m ⋅ a = r ⋅ F = M<br />
dt<br />
Diese Beziehung lässt sich Verallgemeinern <strong>und</strong> gilt analog zum Bahnimpuls: M ( )<br />
dL d<br />
= = rx p<br />
Mathematischer Beweis:<br />
M ( r F) r dp<br />
= =<br />
dt<br />
⎛ ⎞<br />
x ⎜ x ⎟<br />
⎝ ⎠<br />
Produktregel:<br />
( r p)<br />
d dr dp<br />
p r<br />
dt dt dt<br />
Wegen dr<br />
parallel zup ist<br />
dt<br />
dr<br />
dt p<br />
x = x + x<br />
x = 0<br />
dt<br />
dt
Aus M ( )<br />
dL d<br />
r p<br />
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 43<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
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= = x = 0 folgt unmittelbar, dass der Drehimpuls konstant sein muss. Dies ist der Fall,<br />
dt dt<br />
wenn sich der Körper kräftefrei bewegt oder wenn die Kraft nur in radialer Richtung wirkt (Zentripetalkraft).<br />
Die bisherigen Betrachtungen eines Massenpunktes lassen sich auf ein System bestehend aus vielen Mas-<br />
senpunkten, bzw. einem starren Körper verallgemeinern. Formal gilt dabei: Der Gesamtdrehimpuls ist die<br />
Summe der vektoriellen Einzel-Drehimpulse: L = ∑ Li i<br />
Satz von der Erhaltung des Drehimpulses: (ohne Beweis)<br />
Wenn auf ein System von N Körpern keine äußeren, sondern nur innere Kräfte wirken, so bleibt der<br />
Gesamtdrehimpuls erhalten: L = ∑ Li = const.<br />
i<br />
Wenn an dem System zusätzlich äußere Kräfte wirken, so ändern sich die Drehimpulse. Das Gesamtdreh-<br />
moment berechnet sich dann aus der vektoriellen Summe der Einzeldrehmomente:<br />
M M d<br />
= ∑ i = ∑ Li<br />
=<br />
dt<br />
i<br />
i<br />
dL<br />
dt<br />
1. Rotation um Schwerpunktachse: Bei der Rotation um eine Schwerpunktachse gilt stets, dass Dreh-<br />
achse <strong>und</strong> Drehimpulsachse parallel liegen, L = J⋅ω<br />
. Stabile Rotationsachsen sind dabei insbesonde-<br />
re die Schwerpunktachsen mit größtem <strong>und</strong> kleinsten Trägheistmoment (z.B. Rotation eines Quaders,<br />
Auswuchten der Räder <strong>zur</strong> Kompensation der Fliehkraft).<br />
2. Drehimpulsvektor <strong>und</strong> Drehmomentvektor liegen parallel: Erhöhung bzw. Erniedrigung der Winkel-<br />
geschwindigkeit<br />
3. Es wirkt kein äußeres Drehmoment: Ein rotierender Körper ist bestrebt, sein Drehmoment zu erhal-<br />
ten. Anwendungen z.B. beim Kreiselkompass.<br />
4. Drehmoment <strong>und</strong> Drehimpuls stehen senkrecht aufeinander: Z.B. frei aufgehängter Kreisel mit nur<br />
einem Aufhängepunkt. Gewichtskraft bewirkt Drehmoment am Kreisel, wodurch sich der Drehimpuls<br />
ändert. Der Kreisel weicht zu einer Seite aus (Präzession). Anwendung z.B. beim Fahrrad fahren.<br />
2.8.8 Vergleich zwischen geradliniger Bewegung <strong>und</strong> Kreisbewegung<br />
Translation Rotation<br />
Weg s Winkel ϕ<br />
Geschwindigkeit v Winkelgeschwindigkeit ω<br />
Beschleunigung a Winkelbeschleunigung α<br />
Träge Masse m Massenträgheitsmoment J<br />
Kraft F = m ⋅ a Drehmoment M = rxFJ ⋅α
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Arbeit (F=const) W = F ⋅ s Arbeit (M=const) W = M⋅<br />
ϕ<br />
Leistung (F=const) P = F ⋅ v Leistung (M=const) P = M ⋅ ω<br />
Translationsenergie<br />
1<br />
Ekin = m ⋅ v<br />
2<br />
2<br />
Rotationsenergie<br />
1<br />
Erot = J⋅<br />
ω<br />
2<br />
Bahnimpuls p = m ⋅ v Drehimpuls L = rx p<br />
2
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3 MECHANIK DER FLÜSSIGKEITEN UND GASE<br />
Bei den bisherigen Betrachtungen der Mechanik wurden starre Körper betrachtet. Jeder Massenpunkt eines<br />
starren Körpers behält relativ zum Körpers stets dieselben Koordinaten, unabhängig davon, welche Kräfte<br />
auf ihn wirken. Bei Flüssigkeiten <strong>und</strong> Gasen sind die einzelnen Massenpunkte gegeneinander verschiebbar,<br />
d.h. ihre relative Lage ändert sich bei Einwirken verschiedener Kräfte.<br />
Unterscheidung von Flüssigkeiten <strong>und</strong> Gasen:<br />
• Bei Flüssigkeiten <strong>und</strong> Gasen üben die Moleküle aufeinander anziehende Kräfte aus. Die Kräfte bei Gas-<br />
molekülen sind um einige Größenordnungen kleiner.<br />
• Gase haben das Bestreben, den Raum vollständig auszufüllen (Diffusion, Strömung). Wegen der größe-<br />
ren Anziehung von Flüssigkeitsmolekülen bleiben Flüssigkeiten ohne äußere Kräfte als Gesamtheit vor-<br />
handen (Oberflächenspannung).<br />
• Die Moleküle von Flüssigkeiten <strong>und</strong> Gasen führen die sogenannte Brownsche Molekularbewegung aus.<br />
Gase stärker als Flüssigkeiten<br />
• Flüssigkeiten weisen in Abhängigkeit äußerer Bedingungen <strong>und</strong> der Art der Moleküle verschiedene Zä-<br />
higkeiten auf. Flüssigkeiten besitzen eine innere Reibung . Dagegen werden ideale Flüssigkeiten nähe-<br />
rungsweise ohne innerer Reibung <strong>und</strong> inkompressibel beschrieben.<br />
3.1 Ruhende Flüssigkeiten <strong>und</strong> Gase<br />
Eine wichtige Größe bei der Behandlung von Flüssigkeiten <strong>und</strong> Gasen ist der Druckbegriff:<br />
Druck p F ⎡ N ⎤<br />
= = Pa<br />
A ⎢1<br />
2 1<br />
⎣ m<br />
⎥<br />
⎦<br />
F: Kraft, die senkrecht auf die Fläche wirkt<br />
A: Fläche<br />
Umrechnung:<br />
1 bar = 10 5 Pa = 10 3 hPa oder 1 hPa = 10 -3 bar = 1 mbar<br />
Normaldruck: 1013 mbar = 1013 hPa<br />
• p wird hydrostatischer Druck genannt.<br />
• Der Druck verteilt sich gleichmäßig über die gesamte Flüssigkeit (bei Vernachlässigung der Schwer-<br />
kraft, die ihrerseits auch eine Kraft ausübt!).<br />
3.1.1 Ruhende Flüssigkeiten
Kompressibilität:<br />
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Flüssigkeiten passen sich den Gefäßformen an, in denen sie aufbewahrt werden. Sie besitzen keine Form-<br />
oder Volumenelastizität. Wird innerhalb eines Gefäßes ein Druck auf sie ausgeübt, so lassen sich Flüssig-<br />
keiten zusammendrücken. Wenn der Druck wieder auf Null sinkt, stellt sich auch wieder das Ausgangsvo-<br />
lumen ein.<br />
Es gilt: Eine Druckerhöhung dp bewirkt eine Volumenverkleinerung dV<br />
dp K dV<br />
= −<br />
V<br />
1 1<br />
χ = = −<br />
K V<br />
dV<br />
dp<br />
K: Kompressionsmodul, χ: Kompressibilität, Minuszeichen wegen negativem Quotienten dV<br />
dp<br />
Die Kompressibilität von Flüssigkeiten ist um den Faktor 10 ... 100 größer als bei Festkörpern, jedoch im-<br />
mer noch sehr klein, so dass nur sehr große Drücke merkbare Volumenänderungen bewirken.<br />
Anwendungen:<br />
Wenn ein Stempel der Fläche A 1 mit der Kraft F 1 in einen flüssigkeitsgefüllten Kolben (Kompressibilität sei<br />
vernachlässigbar) gedrückt wird <strong>und</strong> dabei den Weg s 1 <strong>zur</strong>ücklegt, so wird die Arbeit F 1 s 1 verrichtet. Ein<br />
zweiter beweglicher Stempel am gleichen Kolben wird soweit herausgedrückt, dass die Volumina durch die<br />
Stempelbewegungen sich ausgleichen. Die Bewegung des zweiten Stempels mit der Fläche A 2 um den<br />
Weg s 2 kann dabei eine Kraft ausüben, sodass die an der Flüssigkeit geleistete Arbeit wieder frei wird.<br />
F1<br />
Druck:<br />
A1<br />
F<br />
= p =<br />
A<br />
Arbeit: F1 ⋅ s1 = F2 ⋅s<br />
2<br />
Volumen: A ⋅ s = A ⋅s<br />
1 1 2 2<br />
2<br />
2<br />
< 0<br />
Mit einer kleinen Kraft, die auf einen kleinen Stempel wirkt,<br />
kann demnach eine große Kraft erzeugt werden, die von einem<br />
großen Stempel aufgebracht wird. Dafür ist der Weg, den<br />
Stempel 1 <strong>zur</strong>ücklegen muss, entsprechend größer.<br />
Dieses Prinzip wird bei hydraulischen Pressen, Wagenhebern, Bremsanlagen im Kfz, Druckmessern etc.<br />
angewandt.<br />
Schweredruck
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Auf jede Flüssigkeit wirk auf der Oberfläche die Schwerkraft, d.h. die oberen Flüssig-<br />
keitsschichten einer Flüssigkeitssäule üben auf die unteren Schichten eine zusätzliche<br />
Kraft aus.<br />
Kraft auf A: F = m⋅ g = A ⋅h ⋅ρ ⋅g<br />
Berechnung des Schwerdruckes:<br />
Die Flüssigkeit habe die Dichte ρ, die Dichte sei überall gleich!<br />
Volumen über der Fläche A: V = A ⋅ h<br />
Schweredruck in der Tiefe h: p = ⋅g ⋅h<br />
ρ<br />
s<br />
Der Schweredruck addiert sich zu dem Druck, der auf die Flüssigkeitsoberfläche wirkt.<br />
Eigenschaften:<br />
• Der Schweredruck hängt nur von der Tiefe h ab <strong>und</strong> nicht von der Gefäßform<br />
• Der Schweredruck wirkt in alle Richtungen gleich, auch nach oben<br />
• Der Schweredruck erzeugt auf Gefäße Boden- <strong>und</strong> Seitenkräfte. Bei der Konstruktion von Gefäßen sind<br />
diese zu beachten. Beispiel Staudamm: Durch die Höhe der Dämme wirken auf die Staumauern enorme<br />
Seitenkräfte durch den Schweredruck des Wassers<br />
Archimedisches Prinzip:<br />
Ein in einer Flüssigkeit schwimmender Körper erfährt durch den Schweredruck eine nach oben gerichtete<br />
Auftriebskraft. Durch die dreidimensionale Ausdehnung des Körpers erfährt der untere <strong>Teil</strong> des Körpers<br />
größere nach oben gerichtete Kräfte als der obere <strong>Teil</strong>, bei dem kleinere Kräfte nach unten wirken. Horizon-<br />
tal angreifende Kräfte heben sich auf. Die resultierende Gesamtkraft ist nach oben gerichtet <strong>und</strong> der<br />
Schwerkraft entgegengesetzt.<br />
Die Gr<strong>und</strong>fläche des Körpers sei A, die Dichte der Flüssigkeit sei ρ<br />
Schweredrücke: p = ρ⋅ g⋅ h , p = ρ⋅<br />
g⋅ h<br />
s1 1 s2<br />
2<br />
Auftriebskräfte: F = p ⋅ A , F = p ⋅ A<br />
resultierende Gesamtkraft:<br />
Nun ist aber ( )<br />
1 s1 2 s2<br />
A ⋅ h2 − h1 = V das Volumen des Körpers <strong>und</strong> ρ ⋅ g⋅ V die Ge-<br />
wichtskraft, die auf die Flüssigkeit mit dem Volumen V wirkt. Die Auftriebskraft wirkt der Gewichtskraft auf<br />
den Körper entgegen, d.h. der Körper besitzt in der Flüssigkeit Gewicht, welches um den Betrag des Ge-<br />
wichtes der verdrängten Flüssigkeit vermindert ist. Ohne Beschränkung der Allgemeinheit, lässt sich dieses<br />
Prinzip auf beliebige Körper übertragen. Es wird das Archimedische Prinzip genannt:<br />
Gesetz des Archimedes (220 v. Chr.)
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Ein Körper, der in einer Flüssigkeit eintaucht, erfährt eine nach oben gerichtete Auftriebskraft, deren<br />
Betrag gleich demjenigen der Gewichtskraft ist, die auf das verdrängte Flüssigkeitsvolumen wirkt.<br />
Fallunterscheidung:<br />
• F A > F G : Der Körper steigt solange nach oben, bis er weit genug aus der Oberfläche herausragt, dass<br />
gerade Gleichheit der Kräfte herrscht.<br />
• F A = F G : Der Körper schwebt<br />
• F A < F G : Der Körper sinkt<br />
Anwendungen <strong>und</strong> Beispiele:<br />
• Schiffe schwimmen, da das verdrängte Wasservolumen schwerer ist als das Gewicht des Schiffes<br />
• Eisberge ragen aus dem Wasser heraus, da die Dichte des Eises kleiner ist als die Dichte von Wasser<br />
• U-Boote regulieren ihre Schwimmhöhe dadurch, dass Wasser in die Schwimmtanks eingelassen bzw.<br />
ausgeblasen wird. Dadurch ändert sich das Gewicht des Bootes, während die Menge des verdrängten<br />
Wassers konstant bleibt.<br />
• Aräometer: In der Chemie wird dieses Gerät <strong>zur</strong> Bestimmung der Dichte von Flüssigkeiten verwendet.<br />
Das Aräometer taucht soweit in die Flüssigkeit ein, bis das verdrängte Volumen der Flüssigkeit gerade<br />
das Gewicht des Aräometers kompensiert.<br />
Oberflächenspannung <strong>und</strong> Oberflächenenergiedichte<br />
In einer Flüssigkeit übt ein Molekül auf das andere innerhalb einer gewissen Reichweite Kräfte aus (Moleku-<br />
larkräfte), die sich im Innern der Flüssigkeit gegenseitig aufheben. Je näher ein Molekül an die Oberfläche<br />
gelangt, desto weniger wird die Kraft auf der Seite der Oberfläche kompensiert. Ein Molekül, welches sich<br />
direkt an der Oberfläche befindet, erfährt nur noch Kräfte aus dem Innern der Flüssigkeit. Diese Moleküle<br />
haben demnach eine resultierende Kraftkomponente zum Inneren der Flüssigkeit.<br />
Um ein Molekül aus dem Innern der Flüssigkeit an die Oberfläche zu bringen, ist demnach eine Arbeit zu<br />
verrichten, da das Molekül einen Weg gegen eine wirkende Kraft <strong>zur</strong>ücklegen muss. Umgekehrt erfährt ein<br />
Molekül einen Gewinn an Energie, wenn es sich von der Oberfläche weg in das Innere der Flüssigkeit be-<br />
wegt. Die Moleküle wandeln dabei potentielle Energie in Bewegungsenergie um. Diese potentielle Energie<br />
wird Oberflächenenergie genannt.<br />
Je mehr Moleküle an der Oberfläche sind, desto größer wird sie. Ein stabiles Gleichgewicht zwischen Mole-<br />
külen die sich <strong>zur</strong> Oberfläche bewegen <strong>und</strong> Molekülen, die in das Innere wandern bedeutet eine minimale<br />
potentielle Energie (ähnlich wie ein Stein immer nach unten fallen wird).<br />
Wenn die Oberfläche eine Flüssigkeit vergrößert werden soll, so ist dazu Arbeit notwendig. Das Leisten von<br />
Arbeit an der Flüssigkeit bedeutet aber eine Erhöhung der potentiellen Energie bzw. Oberflächeenergie. Das<br />
Verhältnis aus der Änderung der Oberflächenenergie <strong>und</strong> Vergrößerung der Oberfläche wird Oberflächen-<br />
energiedichte oder Oberflächenspannung genannt.
Oberflächenenergiedichte:<br />
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Änderungder Oberflächenernergie dW ⎡ J<br />
σ = = =<br />
Änderungder Oberfläche dA ⎢ 2<br />
⎣m<br />
Wegen dem Drang der Flüssigkeit, ihre Oberfläche möglichst klein zu halten, bilden Flüssigkeiten ohne<br />
Wirkung äußerer Kräfte Kugeln aus, da diese das größte Volumen bei kleinster Oberfläche besitzen (z.B.<br />
bei Regentropfen). Da aber meist äußere Kräfte wirken (Schwerkraft, Reibungskräfte bei Regen), tritt meist<br />
eine Verformung der Kugelgestalt auf.<br />
Überdruck in einer Flüssigkeitskugel:<br />
Ein Flüssigkeitstropfen habe die Gestalt einer Kugel mit dem Radius r. Die Arbeit, die notwendig ist, den<br />
Radius der Kugel um dr zu erhöhen berechnet sich durch<br />
2<br />
dW = F ⋅ dr = p⋅ A ⋅ dr = p⋅ 4π<br />
⋅r ⋅dr<br />
Andererseits gilt auch<br />
dW = σ ⋅ dA = σ ⋅8 ⋅ π ⋅r ⋅dr<br />
( )<br />
2<br />
A = 4 ⋅ π ⋅ r , A + dA = 4 ⋅ π ⋅ r + dr<br />
⇒ dA ≈ 8 ⋅ π ⋅r ⋅ dr<br />
Daraus folgt für den Überdruck in einer Flüssigkeitskugel: p =<br />
r<br />
⋅ 2 σ<br />
Je größer die Kugel, desto kleiner der Überdruck innerhalb der Kugel<br />
Grenzflächenspannung, Kapillarität<br />
2<br />
An Gefäßwänden wirken auf Flüssigkeitsmoleküle zusätzliche Adhäsionskräfte, die durch die Moleküle der<br />
Gefäßwand aufgebracht werden.<br />
Ist die Adhäsionskraft größer als die Köhäsionskraft der Flüssigkeitsmoleküle, so schmiegt sich die Flüssig-<br />
keit an die Wände an (Benetzung).<br />
Sind beide Kräfte miteinander vergleichbar, so können folgende Fälle auftreten:<br />
N ⎤<br />
m⎥<br />
⎦
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F<br />
F A<br />
α<br />
Randwinkel<br />
α<br />
Randwinkel<br />
F K<br />
F A F K<br />
F<br />
Flüssigkeit<br />
Adhäsion größer als Kohäsion<br />
2R<br />
α<br />
Randwinkel<br />
Adhäsion kleiner als Kohäsion<br />
Flüssigkeit<br />
2R<br />
h<br />
h<br />
2 σ cos( α)<br />
h =<br />
ρ g R<br />
2 σ cos( α)<br />
h =<br />
ρ g R<br />
Durch die Bestimmung des Kontakt- oder Randwinkels <strong>und</strong> der Steighöhe einer Kapillare kann die Oberflä-<br />
chenspannung gemessen werden.<br />
Beispiele für Oberflächenspannungen:<br />
• Quecksilber (18°C): 50 10 -2 N/m<br />
• Wasser (20°C): 7,25 10 -2 N/m<br />
• Äthyläther (18°C): 1,7 10 -2 N/m<br />
Beispiele für Einflüsse von Oberflächenspannungen:<br />
• Tropfenbildung bei Auslaufen einer Küvette: Bei Verwendung von Wasser läuft die Küvette niemals leer.<br />
Der letzte sich bildende Tropfen kompensiert sein Gewicht <strong>und</strong> den Schweredruck durch die noch vor-<br />
handene Wassersäule durch die Kohäsionskräfte. Die Hinzugabe von z.B. Äther vermindert die Oberflä-<br />
chenspannung, wodurch der restliche <strong>Teil</strong> des Wassers ausläuft.<br />
• Verminderung der Oberflächenspannung durch Lösungsmittel. Je nach Wechselwirkung der Moleküle<br />
untereinander bleiben diejenigen Moleküle an der Oberfläche, die die geringere Oberflächenspannung<br />
ausüben (Minimierung der potentiellen Energie).<br />
• Wichtig ist stets die Wechselwirkung der Randschichten untereinander. Z.B. hat eine ölbedeckte Ober-<br />
fläche eine geringere Oberflächenspannung gegenüber Luft als Wasser. Das Durchbrechen dieser<br />
Oberfläche würde daher einen Arbeitsaufwand bedeuten, da die Oberflächenspannung steigt. Eine<br />
Grenzschicht mit einer Monolage des Öls reicht dabei aus!<br />
Fahrwasserspur hinter Motorschiffen durch den Ölfilm auf der Wasseroberfläche, der eine geringere<br />
Wellenbewegung aufweist. Die Energie wird aus der kinetischen Energie Wellenbewegung gebildet, um<br />
den Ölfilm auf<strong>zur</strong>eißen. Dadurch wird die Wellenbewegung gemindert.<br />
Herabsetzung der Oberflächenspannung des Wassers durch Seifen <strong>zur</strong> besseren Benetzung des Ge-<br />
schirrs.
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 51<br />
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• Kavitation: Bildung von Hohlräumen in Flüssigkeiten bei schnell rotierenden Schrauben (Schiffen) oder<br />
in Ultraschallbädern oder in kochenden Flüssigkeiten. Die Blasen besitzen die potentielle Energie durch<br />
die Oberfläche <strong>und</strong> Oberflächenspannung, welche durch den Energieeintrag durch die Bewegung bzw.<br />
den Ultraschall erzeugt wird. Durch das erneute Zusammendrücken der Bläschen wird diese Energie<br />
wieder frei, wobei die frei werdende Energie an nur wenige Moleküle abgegeben werden kann. Die führt<br />
zu lokalen Erhitzungen, zu Leuchterscheinungen, chemischen Reaktionen oder Materialabtrag bei den<br />
Schiffsschrauben (Korrosion).<br />
3.1.2 Ruhende Gase<br />
Gase nehmen im Gegensatz zu Flüssigkeiten den ihnen <strong>zur</strong> Verfügung stehenden Raum vollständig ein.<br />
Die Wechselwirkung der Moleküle untereinander ist um einige Größenordnungen geringer als bei Flüssig-<br />
keiten. Sie besitzen z.B. keine Oberflächenspannung.<br />
Gase üben in einem abgeschlossenen Volumen einen Druck auf die Gefäßwände aus, der gerade den<br />
Druck, der durch die Gefäßwände erzeugt wird, kompensiert.<br />
Dieser Zusammenhang wird im Boyle- Mariottschen Gesetz (ca. 1660) wiedergegeben:<br />
p const m<br />
= . ⋅ , T = const.<br />
V<br />
Die Konstante hängt von der jeweiligen Temperatur <strong>und</strong> von der Gasart ab. Wenn ein Gas dieses Gesetz<br />
streng erfüllt, wir es ideales Gas genannt.<br />
Es ist m V = ρ die Dichte des Gases, d.h. es gilt auch<br />
p = const. ⋅ ρ,<br />
T = const.<br />
p ⋅ V = const.<br />
s<br />
wobei 1 ρ = V s das spezifische Volumen genannt wird.<br />
Kompressibilität eines idealen Gases bei konstanter Temperatur:<br />
Mit der Definitionsgleichung für die Kompressibilität folgt:<br />
1 1 dV 1<br />
χ = = − =<br />
K V dp p<br />
dV<br />
dp<br />
d ⎛ m⎞<br />
= ⎜c<br />
⋅ ⎟ = −c ⋅ 2 = −<br />
dp ⎝ p ⎠<br />
m V<br />
p p<br />
Die Kompressibilität eines idealen Gases bei konstanter Temperatur hängt nur vom Druck <strong>und</strong> nicht von der<br />
Gasart ab!<br />
Luftdruck<br />
Analog zum Schweredruck bei Flüssigkeiten übt die Gashülle der Erde durch das Gewicht der Moleküle<br />
einen Druck auf die unteren Schichten aus. Im Gegensatz zu Flüssigkeiten ist die Dichte der Luft jedoch
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 52<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
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vom Druck abhängig. Daher nimmt die Luftdichte mit zunehmender Höhe ab, was bei der Berechnung des<br />
Luftdruckes berücksichtigt werden muss.<br />
Annahmen<br />
• Die Temperatur bleibe konstant.<br />
• Die Lufthülle verhält sich wie ein ideales Gas, dann gilt:<br />
In der Höhe h 0 herrsche der Druck p 0 mit der Dichte ρ 0 .<br />
In der Höhe h herrsche der Druck p mit der Dichte ρ.<br />
Dann gilt: ρ ρ0 = p p 0<br />
• In einer kleinen Luftschicht dh herrsche eine konstante Dichte ρ<br />
Die Druckabnahme in der Luftschicht lässt sich berechnen<br />
als:<br />
p<br />
dp = −ρ ⋅ g⋅ dh = −ρ0 ⋅ ⋅ g⋅ dh<br />
p<br />
p0<br />
⇒ dh = −<br />
ρ ⋅ g<br />
0<br />
dp<br />
p<br />
Die Summation über alle Luftschichten liefert dann:<br />
h<br />
h<br />
p0<br />
1 p0<br />
p<br />
h = ∫ dh = −<br />
= − ⋅<br />
⋅ g ∫ dp ln<br />
ρ p ρ ⋅g<br />
p<br />
Die Auflösung der Gleichung nach p h liefert dann die barometrische Höhenformel:<br />
Barometrische Höhenformel: p = p ⋅e<br />
h<br />
ρ0<br />
⋅g⋅h −<br />
p<br />
• Der Luftdruck beträgt in Meereshöhe 1013 hPa (Normaldruck)<br />
0<br />
0<br />
0<br />
0<br />
p<br />
p<br />
0<br />
0<br />
h<br />
0 0<br />
• Die Formel liefert einen Schätzwert, da weder Temperatur noch Erdbeschleunigung konstant über der<br />
Höhe sind
4 THERMODYNAMIK<br />
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Die Thermodynamik beschäftigt sich mit Eigenschaften von festen Körpern, Flüssigkeiten <strong>und</strong> Gasen, de-<br />
nen Energie zugeführt bzw. abgeführt wird. Die Hintergründe dieser Eigenschaften finden sich in der atomis-<br />
tischen Deutung der Thermodynamik, in der die Eigenschaften der einzelnen Bausteine der Materien (Ato-<br />
me <strong>und</strong> Moleküle) sowie deren Wechselwirkungen untereinander eine Rolle spielt. Hierzu werden oft statis-<br />
tische Methoden <strong>zur</strong> Ableitung von Gesetzmäßigkeiten verwandt.<br />
4.1 Temperatur<br />
Der menschliche Körper besitzt in seiner Haut Zellen, die bei Berührung von Körpern ein Kälte- oder Wär-<br />
meempfinden erzeugen. Als Begriff für dieses Empfinden wird die Temperatur verwendet.<br />
Die Temperatur ist eine Basisgröße<br />
Die Definition der Temperatur ist bisher noch nicht festgelegt. Eine Möglichkeit, eine Temperaturskala fest-<br />
zulegen besteht in der Eigenschaft von Körpern, ihr Volumen bei Zufuhr von Wärme zu vergrößern. Wird<br />
die gleiche Wärme wieder abgeführt, so nehmen die Körper wieder das ursprüngliche Volumen ein. (Alle<br />
anderen Umgebungsparameter bleiben konstant!) Dieser Prozess ist reversibel!<br />
4.1.1 Temperaturskalen<br />
Zur quantitativen Festlegung der Temperatur bedarf es der Festlegung von Fixpunkten <strong>und</strong> einer willkürli-<br />
chen Einteilung der Skala zwischen diesen Fixpunkten:<br />
thermodynamische<br />
Temperaturskala<br />
373,2<br />
273,2<br />
Kelvin-<br />
Skala<br />
0<br />
Celsius-<br />
Skala<br />
0 °C<br />
37,7 °C<br />
-17,8 °C<br />
Fahrenheit-<br />
Skala<br />
100 °C 212 °F<br />
100 °F<br />
0 °F<br />
-273,2 °C -459 °F<br />
32 °F<br />
Kelvin Skala: unterer Fixpunkt: niedrigste erreichbare Temperatur 0K, Unterteilung 1K = 1/100<br />
der T-Differenz zwischen Siedepunkt des Wassers <strong>und</strong> Schmelzpunkt des Eises<br />
Celsius-Skala: 0°C Schmelzpunkt des Eises, 100 °C Siedepunkt des Wassers bei 1013 hPa<br />
Fahrenheit-Skala: 0°F niedrigste erreichbare Temperatur aus Wasser <strong>und</strong> Salz<br />
100 °F Temperatur des menschlichen Blutes<br />
Die heute in der Wissenschaft gebräuchliche Temperaturskala ist die Kelvin-Skala oder thermodynamische<br />
Temperaturskala. Ihr Nullpunkt - 0K - ist der kleinste, theoretisch erreichbare Temperaturwert. Der theoreti-<br />
sche Wert leitet sich aus der statistischen <strong>Physik</strong> bzw. der idealen Gasgleichung ab. Die thermodynamische<br />
Temperaturskala wird heute allgemein als Gr<strong>und</strong>lage aller Temperaturmessungen verwendet.<br />
Die Messung der Fixpunkte der Celsiusskala hat gewisse Unsicherheiten. Die Unsicherheit bei der Messung<br />
des Schmelzpunktes liegt heute bei ca. ±0,002K. Dagegen lässt sich die Temperaturmessung bei der Be-
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stimmung des Tripelpunktes von Wasser auf 0,0098±0,00005K genau bestimmen, weswegen dieser heute<br />
als Fixpunkt verwendet wird.<br />
4.1.2 Thermometer<br />
Es existieren verschiedene Möglichkeiten, Temperaturen zu messen. Ausgenutzt werden bei allen Verfah-<br />
ren die thermischen Eigenschaften der Körper, Flüssigkeiten <strong>und</strong> Gase.<br />
Beispielhaft seien hier die folgenden Thermometerarten aufgeführt:<br />
Ausdehnungsthermometer Hier wird die Volumenausdehnung verschiedener gasförmiger, flüssiger oder<br />
fester Körper ausgenutzt. Gebräuchlich sind hier Alkohol- <strong>und</strong> Quecksilberthermometer.<br />
Thermoelemente Werden zwei verschiedene Metalle miteinander in Kontakt gebracht, so entsteht an der<br />
Berührungsstelle eine temperaturabhängige Kontaktspannung.<br />
Widerstandsthermometer Die Abhängigkeit des elektrischen Widerstandes kann <strong>zur</strong> Messung von Tempe-<br />
raturen genutzt werden.<br />
Dampfdruckthermometer Der Dampfdruck ist von der Temperatur abhängig. Diese Verfahren wird oft bei<br />
niedrigen Temperaturen angewandt (flüssig Stickstoff, Flüssig Helium)<br />
Strahlungsthermometer Die Intensität der Strahlung (IR oder Licht) sowie das Emissionsspektrum des<br />
Körpers ist von der Temperatur abhängig. Dieses verfahren wird meist bei höheren Temperaturen einge-<br />
setzt.<br />
Farbumschlag chemischer Stoffe Einige chemische Stoffe (Thermocolore) weisen bei Temperaturände-<br />
rung einen reversiblen Farbumschlag auf.<br />
4.2 Verhalten von Körpern bei Temperaturänderungen<br />
4.2.1 Feste Körper<br />
Feste Körper dehnen sich - bis auf wenige Ausnahmen - bei Temperaturerhöhungen aus.<br />
Die Ausdehnung der Körper ist von der Art des Stoffes abhängig.<br />
In erster Näherung ist die Ausdehnung eines festen Körpers linear von der Temperatur abhängig.<br />
Linearer Ausdehnungskoeffizient:<br />
Die relative Längenausdehnung eines Stabes mit der Länge l ist proportional <strong>zur</strong> Temperaturerhöhung, d.h.<br />
α ( )<br />
( 1 α Δ )<br />
Δl<br />
= l − l = ⋅ l ⋅ T − T<br />
2 1 1 1 2 1<br />
⇒ l = l ⋅ + ⋅ T<br />
2 1 1<br />
α wird linearer Längenausdehnungskoeffizient genannt. Die obige Beziehung gilt relativ genau in gewissen<br />
Temperaturbereichen.
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Bei genaueren Messungen können statt des linearen Zusammenhangs zusätzlich noch quadratische Terme<br />
berücksichtigt werden. Diese Gesetzmäßigkeit ist genauer, wenn ein Temperaturbereich von mehreren hun-<br />
dert Grad Celsius abgedeckt werden soll.<br />
2<br />
( )<br />
l = l 1+ α ⋅ T + β ⋅ T + ... , T = 0°<br />
C<br />
0<br />
0<br />
β ist gegenüber α sehr klein, z.B. gilt für Platin: α = 9 10 -6 1/K, β = 4,9 10 -9 1/K 2 .<br />
Volumenausdehnungskoeffizient:<br />
Unter der Annahme, dass sich der Körper in allen drei Raumrichtungen in gleicher Weise bei Temperaturer-<br />
höhung ausdehnt, kann für die drei Raumrichtungen angesetzt werden:<br />
( 1 α Δ ) , ( 1 α Δ ) , ( 1 α Δ )<br />
X = X + ⋅ T Y = Y + ⋅ T Z = Z + ⋅ T<br />
0 0 0<br />
Dann berechnet sich das Volumen des Körpers zu<br />
( ) ( ) ( )<br />
V = X ⋅ Y ⋅ Z = X 1+ α ⋅ ΔT ⋅ Y 1+ α ⋅ ΔT ⋅ Z 1+<br />
α ⋅ ΔT<br />
0 0 0<br />
3<br />
( ) ( )<br />
= V 1+ α ⋅ ΔT ≈ V 1+ 3α<br />
⋅ ΔT<br />
0<br />
0<br />
wenn die höheren Terme in α vernachlässigt werden.<br />
Die Ausdehnung fester Körper bei Temperaturerhöhung muss bei der Konstruktion technischer Anlagen<br />
berücksichtigt werden, z.B.<br />
• Lücken in den Betonplatten bei Autobahnbelägen<br />
• Ausgleichskurven bei Rohranlagen chemische Anlagen oder bei der Erdölproduktion<br />
• Maßnahmen bei der Verlegung von Eisenbahnschienen<br />
• Lösen von ineinander gesteckten Verbindungen durch Erwärmen der einen Verbindung<br />
Bimetallstreifen:<br />
Zwei Metallstreifen mit unterschiedlichen Ausdehnungskoeffizienten werden aufeinandergewalzt. Eine Tem-<br />
peraturänderung führt dazu, dass die Streifen sich unterschiedlich ausdehnen, wodurch sich der Streifen<br />
krümmt. Anwendungen z.B. als elektrische Temperaturschalter bzw. Temperaturregler.<br />
4.2.2 Flüssigkeiten<br />
Bei Flüssigkeiten tritt bei Erwärmung stets eine Volumenänderung auf, da Flüssigkeiten keine Vorzugsrich-<br />
tung besitzen. Es gilt daher:<br />
( 1 γ Δ )<br />
V = V + ⋅ T<br />
0<br />
wobei γ der Volumenausdehnungskoeffizient ist.<br />
Temperaturabhängigkeit der Dichte<br />
Wegen der Volumenausdehnung bei Temperaturerhöhung ändert sich auch die Dicht der Flüssigkeit:
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m m<br />
ρ0<br />
ρ = =<br />
=<br />
V V T T<br />
0<br />
( 1+ γ ⋅ Δ ) ( 1+<br />
γ ⋅ Δ )<br />
• Eine Ausnahme dieses Verhaltens bildet Wasser. Nur bei Temperaturen über 8°C entspricht die Dichte-<br />
änderung dem obigen Gesetz. Dagegen zeigt Wasser bei 4°C die größte Dichte von ca. 1 g/cm 3 , die zu<br />
kleineren Temperaturen hin wieder abnimmt. Aus diesem Gr<strong>und</strong>e schwimmt Eis auf dem Wasser <strong>und</strong><br />
Gewässer frieren nicht bis zum Gr<strong>und</strong> des Bodens durch.<br />
• Da der Volumenausdehnungskoeffizient von Flüssigkeiten um einige Größenordnungen größer ist als<br />
von Festkörpern ist bei der Lagerung von Flüssigkeiten darauf zu achten, dass bei Temperaturerhöhung<br />
das Gefäß nicht platzt. Bei der Lagerung von Wasser gilt dies auch beim Abkühlen!<br />
4.2.3 Gase<br />
Bereits bekannt ist das Gesetz von Boyle <strong>und</strong> Mariotte, welches die Proportionalität zwischen Druck <strong>und</strong><br />
dem Kehrwert des Volumens beinhaltet<br />
Boyle-Mariotte: p m<br />
∝ , T = const.<br />
V<br />
Die Abhängigkeit des Volumens von der Temperatur wird ausgedrückt durch das Gesetz von<br />
Gay-Lussac: V( ϑ) = V ( + γ ⋅ ϑ)<br />
0 1<br />
wobei hier ϑ die Temperatur in °C darstellt. Dieses Gesetz besitzt in einem weiten Temperaturbereich sei-<br />
ne Gültigkeit. Die Proportionalitätskonstante γ ist für die meisten Gase nahezu identisch. Die Konstante<br />
berechnet sich aus der Steigung der Geraden im (V,ϑ )-Diagramm.<br />
Substitution: absolute Temperatur: T = 27315 , ° C + ϑ<br />
V 0 ist das Volumen des Gases bei ϑ = 0°C. Die Gerade<br />
kann extrapoliert werden bis zu dem Punkt, an dem sie<br />
die ϑ -Achse schneidet. Der Schnittpunkt ist die Tempe-<br />
ratur, bei der theoretisch das Volumen zu Null wird. Die-<br />
ser Schnittpunkt errechnet sich zu ϑ = -273,15 °C.<br />
Umformung:<br />
Dann lässt sich das Gesetz von Gay-Lussac auch schreiben als :<br />
T T<br />
V( T) = V0<br />
= V0 wennp = const.<br />
27315 , K T<br />
mit T = 27315 ,<br />
K<br />
0<br />
0<br />
⎛ 1 ⎞ ⎛ 273, 15°<br />
C + ϑ⎞<br />
V( ϑ) = V0<br />
⎜1+<br />
⋅ ϑ⎟<br />
= V0<br />
⎜<br />
⎟<br />
⎝ 27315 , ° C ⎠ ⎝ 273, 15°<br />
C ⎠
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Weitere Untersuchungen bezüglich der Abhängigkeit von Druck <strong>und</strong> Temperatur werden ebenso durch das<br />
Gesetz von Gay-Lussac ausgedrückt:<br />
p( T) p T<br />
= 0 wenn V = const.<br />
T<br />
0<br />
4.2.4 Die allgemeine Zustandsgleichung idealer Gase:<br />
1. Ein Gas mit konstanter Menge werde bei konstantem Druck von T 0 auf T erwärmt:<br />
Gay-Lussac liefert V V T<br />
1 = 0 , p0 = const.<br />
T<br />
0<br />
2. Anschließend wird es bei konstanter Temperatur komprimiert:<br />
Boyle-Mariotte: V ⋅ p = V ⋅ p , T = const.<br />
1 0<br />
V0 ⋅ T ⋅p 0 V ⋅ p V0 ⋅p 0 p⋅ V<br />
⇒ V ⋅ p = ⇒ = ⇒ = const., m = const.<br />
T T T T<br />
0<br />
0<br />
Verschiedene Gase nehmen bei gleichem Druck <strong>und</strong> gleicher Temperatur entsprechend ihrer Dichte ver-<br />
schiedene Volumina ein, d.h. das Volumen ist der Masse proportional. Es gilt demnach:<br />
p ⋅ V<br />
= Rs ⋅m oder p⋅ V = Rs ⋅m ⋅ T<br />
T<br />
Dies ist die allgemeine Zustandsgleichung idealer Gase. R s ist eine charakteristische Gasgröße <strong>und</strong> kann<br />
folgendermaßen ermittelt werden:<br />
p ⋅ V p ⋅ V<br />
=<br />
T T<br />
0 0<br />
0<br />
p ⋅ V<br />
=<br />
T<br />
m p V<br />
m T m m<br />
0 ⋅ 0<br />
⋅ = ⋅<br />
⋅<br />
p0 ⋅ V0<br />
⇒ p ⋅ V = ⋅m ⋅ T = RS ⋅ T<br />
T ⋅m<br />
p0 ⋅ V0<br />
⇒ RS<br />
=<br />
T ⋅m<br />
0<br />
0<br />
0 0<br />
0<br />
0<br />
Eine gebräuchlichere Form der allgemeinen Zustandsgleichung ergibt sich, wenn die Masse m des Gases<br />
durch die Anzahl der Atome bzw. Moleküle ausgedrückt wird. Dann gilt:<br />
p ⋅ V = N⋅ mM ⋅R S ⋅ T<br />
N: Anzahl der Moleküle, m M : Masse eines einzelnen Moleküls<br />
Gesetz des Avogadro:<br />
( 1)<br />
( )<br />
N M<br />
N M<br />
2<br />
( )<br />
( )<br />
V M<br />
=<br />
V M<br />
0 1<br />
0 2
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Gleiche Volumina verschiedener Gase enthalten bei gleichem Druck <strong>und</strong> gleicher Temperatur eine<br />
gleiche Anzahl von Molekülen.<br />
Zurück <strong>zur</strong> allgemeinen Gasgleichung: p ⋅ V = N⋅ mM ⋅R S ⋅ T<br />
R<br />
p0 ⋅ V0<br />
p0 ⋅ V0<br />
p0 ⋅ V0<br />
= ⇒ m ⋅ R = m ⋅ =<br />
T ⋅m T ⋅m<br />
T ⋅N<br />
S M S M<br />
0<br />
0<br />
Da der Ausdruck V0<br />
nicht mehr von der Gasart abhängig ist, ist mM ⋅ RS<br />
konstant.<br />
N<br />
Boltzmannkonstante: k = m ⋅ R = 138065 ⋅10<br />
23<br />
,<br />
M S<br />
Zustandsgleichung: p ⋅ V = N ⋅ k ⋅ T<br />
0<br />
Bezogen auf molare Größen lässt sich die Anzahl der <strong>Teil</strong>chen durch die Stoffmenge <strong>und</strong> die Avogadro-<br />
konstante ausdrücken:<br />
N<br />
ν = = ⋅<br />
N N , A 6, 022 10<br />
A<br />
23<br />
1<br />
mol<br />
Dann ergibt sich durch Einsetzen in die Gasgleichung:<br />
Zustandsgleichung: p⋅ V = ν ⋅N ⋅k ⋅ T = ν ⋅R ⋅ T<br />
Nm<br />
allgemeine Gaskonstante: R = NA ⋅ k = 8, 314<br />
molK<br />
4.3 Kinetische Gastheorie<br />
A<br />
Bisher wurden die thermodynamischen Größen wie Druck <strong>und</strong> Temperatur als phänomenologische Größen<br />
bzw. Eigenschaften von Flüssigkeiten <strong>und</strong> Gasen betrachtet. Über Ihren Ursprung ist bisher jedoch noch<br />
nichts bekannt.<br />
Brownsche Molekularbewegung:<br />
Nm<br />
K<br />
Erste Hinweise über die Herkunft der Eigenschaften von Gasen <strong>und</strong> Flüssigkeiten kamen von dem Biologen<br />
Brown (1827) mit der Entdeckung, dass sich in Flüssigkeiten befindliche größere Stoffe in Zick-Zack-<br />
Bewegungen durch die Flüssigkeit bewegen. Daraus ist zu folgern, dass diese <strong>Teil</strong>chen von anderen <strong>Teil</strong>-<br />
chen angestoßen werden. Diese Zitterbewegung verstärkt sich, je höher die Temperatur ist.<br />
4.3.1 Gasgleichungen<br />
Die Herleitung der Gasgleichungen kann mit Hilfe der kinetischen Gastheorie geschehen. Hier wird die fol-<br />
genden Annahmen gemacht<br />
• das Gas oder Flüssigkeit besteht aus einer Anzahl von gleichartigen Atomen oder Molekülen
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• Die räumliche Ausdehnung der Moleküle ist klein gegenüber dem Gefäßvolumen, d.h. sie können wie<br />
Massenpunkte behandelt werden<br />
• Die einzigen Wechselwirkungen zwischen den Molekülen sind elastische Stöße<br />
Jedes Molekül, das auf eine Wand stößt, übt entsprechend dem Impulserhaltungssatz einen Kraftstoß auf<br />
diese Wand aus. Der Kraftstoß ist um so größer je größer die Geschwindigkeit des Moleküls senkrecht <strong>zur</strong><br />
Wand ist.<br />
Δt<br />
a<br />
=<br />
v1<br />
Annahme: es befindet sich ein Molekül der Masse m M im Würfel mit<br />
der Kantenlänge a. Das Molekül fliege parallel zu einer Seite mit der<br />
Geschwindigkeit v 1 <strong>und</strong> treffe auf eine Wand. Der Impulsübertrag<br />
auf die Wand ist gemäß den Stoßgesetzen:<br />
Δp = 2 ⋅m ⋅ v<br />
1 M 1<br />
Nach dem Stoß gegen die Wand bewegt sich das Molekül in entge-<br />
gengesetzte Richtung <strong>und</strong> stößt auf die gegenüberliegende Wand.<br />
Die Zeit zum durchqueren des Würfels beträgt<br />
An dieser Wand wird das Molekül wieder reflektiert. Die Anzahl der Stöße pro Zeit an einer Wand ist dem-<br />
nach:<br />
1 v1<br />
=<br />
2 ⋅ Δt 2 ⋅ a<br />
Die von diesem Molekül auf die Wand ausgeübte Kraft ist somit<br />
F<br />
1<br />
p 2 m v v<br />
= =<br />
2⋅<br />
t 2 a<br />
⋅ ⋅ ⋅<br />
Δ<br />
Δ ⋅<br />
m ⋅ v<br />
=<br />
a<br />
M 1 1 M<br />
2<br />
1<br />
Wenn sich nun N Moleküle im Würfel befinden so bedeutet dies, dass alle N Moleküle unterschiedliche<br />
Geschwindigkeiten haben. Ferner bewegen sich im Mittel nur 1/3 der Moleküle in der gleichen Richtung wie<br />
das erste Molekül. Somit berechnet sich die Gesamtkraft auf eine Wand:<br />
1 mM<br />
F = 1 + 2 + +<br />
3 a<br />
2 2 2<br />
( v v ... v )<br />
N<br />
Mit der Definition des mittleren Geschwindigkeitsquadrates<br />
v<br />
2<br />
wird<br />
=<br />
2 2 2<br />
( v + v + ... + v )<br />
1<br />
1 N ⋅ m<br />
F =<br />
3 a<br />
M<br />
2<br />
N<br />
v<br />
2<br />
N
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Der Druck berechnet sich aus der Kraft F, die auf eine Fläche wirkt. Der Druck ist auf alle Flächen gleich<br />
F 1 N⋅ m<br />
p = 2 = 3<br />
a 3 a<br />
v<br />
N m<br />
V v<br />
1 ⋅<br />
=<br />
3<br />
M 2 M 2<br />
N m M ist gerade die Gesamtmasse des Gases. Die Gleichung lässt sich somit umformen zu<br />
1<br />
1<br />
p⋅ V = m⋅ v ⇔ p = ρ ⋅ v<br />
3<br />
3<br />
2 2<br />
Dies ist aber nichts anderes als das Boyle-Mariottsche Gesetz.<br />
Dieser Zusammenhang ermöglicht die Berechnung mikroskopischer Größen aus makroskopischen Größen.<br />
Die mittlere Geschwindigkeit von identischen Molekülen in einem Volumen lässt sich errechnen aus:<br />
2<br />
vm = v =<br />
Beispiel:<br />
3 ⋅p<br />
ρ<br />
Im Normalzustand (1013 hPa, T=0°C) hat Stickstoff die Dichte ρ = 1,25 kg/m 3 . Dann ist die mittlere Ge-<br />
schwindigkeit der Stickstoffmoleküle:<br />
v<br />
m =<br />
3 ⋅1013 , ⋅10<br />
125 ,<br />
5<br />
N<br />
m<br />
2<br />
3<br />
m<br />
kg<br />
= 493<br />
m<br />
s<br />
4.3.2 Mittlere kinetische Energie der Moleküle, Gleichverteilungssatz<br />
Aus der obigen Beziehung<br />
1<br />
p⋅ V = m⋅ v<br />
3<br />
2<br />
folgt durch Einsetzen in die allgemeine Gasgleichung:<br />
1 2<br />
p⋅ V = m ⋅ v = N⋅ k ⋅ T<br />
3<br />
Die Gleichung lässt sich umformen zu<br />
1 2 2 m⋅ v 2 N⋅m M ⋅ v<br />
m⋅ v = =<br />
3 3 2 3 2<br />
2 2<br />
= N⋅ k ⋅ T<br />
Hieraus folgt für die kinetische Energie eines Moleküls:<br />
E<br />
kinM , =<br />
mM ⋅ v<br />
2<br />
2<br />
3<br />
= k ⋅ T<br />
2<br />
Die kinetische Energie der Moleküle ist der absoluten Temperatur proportional. Die Energie hängt nicht von<br />
der Molekülart ab.
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Verallgemeinerung: Die Bewegung der Moleküle setzt sich aus drei Koordinaten zusammen. Im Mittel trägt<br />
also jede Raumrichtung einen Energieanteil von 1<br />
2<br />
namik:<br />
1<br />
Pro Freiheitsgrad erhält ein Molekül eine Energie von Wf = k ⋅ T<br />
2<br />
f: Anzahl der Freiheitsgrade.<br />
k ⋅ T.<br />
Dies ist eine allgemeine Regel in der Thermody-<br />
Besteht ein Gas aus einatomigen Molekülen, so besitzt ein Molekül drei Freiheitsgrade, nämlich die drei<br />
Raumrichtungen. Bei mehratomigen Molekülen kommen noch weitere Freiheitsgrade hinzu.<br />
Beispiel: Wasserstoffmolekül:<br />
Ein Wasserstoffmolekül kann sich zusätzlich um die Achsen 1 <strong>und</strong> 2 dre-<br />
hen. Diese Drehung kann beim Stoßvorgang angeregt werden. Eine Dre-<br />
hung um Achse 3 kann durch reine elastische Stöße nicht angeregt werden.<br />
Hierzu ist weitere kinetische Energie notwendig. Das Molekül erhält hier-<br />
durch zwei weitere Freiheitsgrade.<br />
mit mehr als zwei Atomen haben i.a. auch mehr Freiheitsgrade.<br />
4.3.3 Boltzmannfaktor:<br />
Eine Funktion der Art<br />
e<br />
ΔE<br />
−<br />
k T<br />
pot ⎛ ΔEpot<br />
⎞<br />
⋅ = exp ⎜−<br />
⎟<br />
⎝ k ⋅ T ⎠<br />
5<br />
Die Gesamtenergie des Moleküls ist demnach Eges = k ⋅ T . Moleküle<br />
2<br />
Gleichverteilungssatz:<br />
Die thermische Energie verteilt sich gleichmäßig auf alle Freiheitsgrade.<br />
ist als Boltzmannfaktor bekannt <strong>und</strong> spielt in der <strong>Physik</strong> eine große Rolle bei temperaturabhängigen Er-<br />
scheinungen, z.B. bei<br />
• Leitfähigkeit von Halbleitern<br />
• Diodenkennlinien<br />
• Glühemission<br />
• Verdampfung von Flüssigkeiten<br />
In der statistischen <strong>Physik</strong> gibt der Boltzmannfaktor die Wahrscheinlichkeit an, mit der Zustände, die ein<br />
Potential bzw. eine Energie E besitzen, besetzt sind.
23<br />
dN/dv [s/m] , N = 6 10<br />
N( v)<br />
dv<br />
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2<br />
⎛ mM<br />
⎞ 2 ⎛ mM ⋅ v ⎞<br />
2<br />
= 4 ⋅ π ⋅N⋅ ⎜ ⎟ ⋅ v ⋅ exp ⎜−<br />
⎟<br />
⎝ 2⋅ π ⋅k ⋅ T⎠<br />
⎝ 2⋅<br />
k ⋅ T ⎠<br />
3<br />
Mit Hilfe dieser Berechnungen lässt sich in<br />
einem Gas die Geschwindigkeitsverteilung der<br />
Moleküle berechnen. Auch hier spielt der Boltz-<br />
mannfaktor eine Rolle. Er gibt die Wahrschein-<br />
lichkeit an, dass ein Molekül die kinetische<br />
Energie 1/2mv 2 besitzt.<br />
Es gilt (ohne Herleitung) für die Anzahl der<br />
Moleküle die im Geschwindigkeitsintervall<br />
[ v, v + dv]<br />
liegen:<br />
Das Integral über die gesamte Kurve liefert gerade die Gesamtteilchenzahl N<br />
Aus der obigen Beziehung lassen sich einige Größen ableiten:<br />
1. Die wahrscheinlichste Geschwindigkeit aller <strong>Teil</strong>chen ergibt sich aus dem Maximum der Kurve:<br />
v<br />
w<br />
=<br />
2⋅<br />
k ⋅ T<br />
m<br />
M<br />
2. Im Mittel gibt es jedoch mehr Moleküle mit größeren Geschwindigkeiten als v w . Das arithmetische Mit-<br />
tel über die Geschwindigkeiten ist<br />
4<br />
v = ⋅ v ≈ 113 , ⋅ v<br />
π<br />
w w<br />
3. Das in der kinetischen Gastheorie eingeführte mittlere Geschwindigkeitsquadrat hat den Wert:<br />
2 3<br />
v = v = ⋅ v ≈ 122 , ⋅ v<br />
2<br />
m w w<br />
4. Mittlere freie Weglänge: Aus den Betrachtungen der Stoßwahrscheinlichkeit in Abhängigkeit der mittle-<br />
ren Geschwindigkeit der Moleküle <strong>und</strong> ihrem Durchmesser lässt sich die mittlere freie Weglänge berechnen.<br />
Sie gibt den Weg an, den ein Molekül im Mittel frei, d.h. ohne Stoßvorgang fliegen kann.<br />
l =<br />
1,20E+021<br />
1,00E+021<br />
8,00E+020<br />
6,00E+020<br />
4,00E+020<br />
2,00E+020<br />
0,00E+000<br />
1 1<br />
=<br />
2 ⋅n ⋅ π ⋅d<br />
2 ⋅ π ⋅d<br />
n N p<br />
= = N<br />
V N⋅ k ⋅ T<br />
2 2<br />
M M<br />
k ⋅ T<br />
p<br />
d M ist der Durchmesser des Moleküls.<br />
Beispiel:<br />
T=300K<br />
v w<br />
v<br />
v 2<br />
2<br />
N( v)<br />
m 2<br />
M 2 m M v<br />
= 4 π N<br />
v exp<br />
-<br />
dv<br />
2 π k T<br />
2 k T<br />
Geschwindigkeitsverteilung von<br />
Stickstoffmolekülen bei versch. Temperaturen<br />
v w<br />
v<br />
v 2<br />
0 500 1000 1500 2000<br />
Geschwindigkeit [m/s]<br />
3<br />
T=900K<br />
Die wahrscheinlichste Geschwindigkeit von Stickstoff ist unter Normalbedingungen (1013 hPa, T=0°C):
v<br />
w<br />
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kT<br />
Nm<br />
m<br />
K K −23<br />
2 2⋅ 138 , ⋅10 ⋅273<br />
1<br />
= =<br />
−27<br />
⋅ ⋅ = 403<br />
28 ⋅166 , ⋅10<br />
kg<br />
M<br />
m<br />
⇒ v = 113 , ⋅ vw<br />
= 455<br />
s<br />
m<br />
⇒ vm = 122 , ⋅ vw<br />
= 491<br />
s<br />
Die mittlere freie Weglänge berechnet sich mit einem Moleküldurchmesser von etwa 2*10 -10 m dann zu:<br />
l =<br />
−<br />
1 k ⋅ T 1 138 ⋅10 ⋅ 273 1<br />
=<br />
2<br />
2 ⋅ ⋅ d p 10<br />
2 ⋅ ⋅ 2⋅10 1013 ⋅10<br />
m<br />
2<br />
23<br />
,<br />
π π<br />
,<br />
M<br />
Die mittlere Stoßzeit beträgt dann<br />
l 209 ⋅10<br />
Δt = =<br />
v 491<br />
m<br />
−9<br />
m s<br />
m<br />
− ( )<br />
−12<br />
= 426 ⋅ 10 s = 426ps<br />
m<br />
s<br />
5 2<br />
2<br />
N⋅ m m<br />
K<br />
K N<br />
1<br />
Oder die Zahl der Stöße eines Moleküls pro Sek<strong>und</strong>e: Z = = 2 35 ⋅10<br />
t s<br />
1 9<br />
,<br />
Δ<br />
4.4 Die Hauptsätze der Thermodynamik<br />
4.4.1 Wärme <strong>und</strong> Innere Energie<br />
−9<br />
= 209 ⋅ 10 m = 209nm<br />
Aus der kinetische Gastheorie folgt, dass die Temperatur ein Maß für die mittlere kinetische Energie der<br />
Moleküle darstellt. Werden zwei Körper miteinander in Kontakt gebracht, so lässt sich empirisch feststellen,<br />
dass sich ihre Temperatur angleicht. Ein <strong>Teil</strong> der kinetischen Energie wird von Körper 1 (Abkühlung) auf<br />
Körper 2 (Erwärmung) übertragen. Diese Energieübertragung wird als Wärme bezeichnet.<br />
Wärme:<br />
• Maß für die Übertragung von Energie<br />
• Der Wärmeübergang geschieht stets irreversibel in Richtung der geringeren Temperatur.<br />
• Bei Phasenumwandlungen wird die Energie dazu benutzt, einen anderen Aggregatzustand einzunehmen<br />
(latente Wärmen)<br />
• Eine Zufuhr von Wärme führt stets zu einer Temperaturerhöhung<br />
In kleinen Temperaturintervallen ist die Zufuhr von Wärme proportional <strong>zur</strong> Temperaturerhöhung des Kör-<br />
pers, d.h. es gilt:<br />
dQ = C ⋅ dT<br />
Da Wärme eine Energieform ist, hat Q die Einheit J. Die Proportionalitätskonstante C [J/K] ist die Wärme-<br />
kapazität eines Stoffes. C hängt von der Stoffart <strong>und</strong> der Masse des Stoffes ab.<br />
Es gelten die folgenden Definitionen:
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 64<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />
spezifische Wärmekapazität: c C<br />
=<br />
m<br />
molare Wärmekapazität: C<br />
m =<br />
⎡ J ⎤<br />
⎢<br />
⎣K<br />
⋅kg<br />
⎥<br />
⎦<br />
C ⎡ J ⎤<br />
ν ⎢<br />
⎣K<br />
⋅mol⎥<br />
⎦<br />
Die Wärmekapazität ist nur in kleineren Temperaturintervallen eine Konstante. I.a. hängt sie auch von der<br />
Temperatur ab. Die obige Gleichung lässt sich mit den Definitionen umformen zu:<br />
( ) ν ( )<br />
Q = m ⋅c ⋅ T − T = ⋅ C ⋅ T − T<br />
21 2 1 m 2 1<br />
Beispiel:<br />
Die mittlere Spezifische Wärmekapazität von Eisen beträgt: c<br />
Fe =<br />
J<br />
540<br />
K ⋅kg<br />
Für die Erwärmung von 0,8 kg Eisen von 20°C auf 400°C wird eine Wärme von<br />
J<br />
Q21 = m ⋅c ⋅( T2 − T1) = 0, 8kg⋅ 540 ⋅ 380K = 164kJ<br />
kg⋅K benötigt. Mit der gleichen Energie könnte das Eisenstück von 0 auf 640 m/s beschleunigt werden!<br />
Die Bestimmung von Wärmekapazitäten von Festkörper erfolgt i.a. mittels der Kalorimetrie. Hierzu wird ein<br />
Festkörper in ein mit einer Flüssigkeit gefülltes Dewar-Gefäß getaucht. Wenn sich Flüssigkeit <strong>und</strong> Körper zu<br />
Anfang nicht auf der gleichen Temperatur bef<strong>und</strong>en haben, Stellt sich nach einiger Zeit in der Flüssigkeit<br />
eine Gleichgewichtstemperatur ein. Für die Wärmebilanz gilt:<br />
( ) ( ) ( )<br />
m ⋅ c ⋅ T − T + C ⋅ T − T = m ⋅ c ⋅ T − T<br />
Fl Fl m Fl K m Fl x x x m<br />
m , c , T : Masse, spez. Wärmekapazität <strong>und</strong> Anfangstemperatur der Flüssigkeit<br />
Fl Fl Fl<br />
m , c , T : Masse, spez. Wärmekapazität <strong>und</strong> Anfangstemperatur des Körpers<br />
x x x<br />
T : Mischungstemperatur<br />
m<br />
C : Wärmekapazität des Kalorimeters<br />
K<br />
⇒ C =<br />
x<br />
( mFl ⋅ cFl + CK ) ⋅( Tm − TFl<br />
)<br />
m ⋅( T − T )<br />
x x m<br />
Die Bestimmung der Wärmekapazität von Gasen ist i.a. schwieriger, da die Wärmekapazität um ein Vielfa-<br />
ches geringer ist als bei Festkörpern. Bei der Kalorimetrie würde demnach die Wärmemenge, die ein Gas-<br />
volumen abgeben kann, nur zu einer sehr geringen Temperaturerhöhung im Kalorimeter führen.<br />
Innere Energie<br />
Die gesamte thermische Energie, die in einem Körper steckt, wird als Innerer Energie U bezeichnet. Diese<br />
Energie lässt sich nur ändern, wenn<br />
• dem Körper Wärme zu- oder abgeführt wird (Erwärmen, Abkühlen),
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 65<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />
• wenn mechanische Arbeit an dem Körper geleistet wird (Umwandlung von Bewegungsenergie in Wär-<br />
me),<br />
• oder andere Energieformen (chemische, elektrische usw.) umgewandelt werden.<br />
Im folgenden seien nur Wärme <strong>und</strong> mechanische Energien betrachtet. Dann lautet der Energiesatz:<br />
dU = δQ + δ W<br />
Die innere Energie ändert sich mit der Änderung der Wärme oder durch die Änderung mechanischer Ener-<br />
gie:<br />
δQ > 0, δW<br />
> 0 : Dem System wird Wärme bzw. mech. Energie zugeführt.<br />
δQ < 0, δW<br />
< 0 : Das System gibt Energie in Form von Wärme oder mechanische Arbeit ab.<br />
Die Innere Energie ist eine Zustandsgröße, d.h. nur von dem momentanen Zustand des Stoffes abhängig.<br />
Wie diese Größe erreicht wird ist dabei gleichgültig. Dagegen sind die Wärme Q <strong>und</strong> die Arbeit W Prozess-<br />
größen, d.h. ihre Größen richten sich nach der Art <strong>und</strong> Weise der Zustandsänderung.<br />
Ideale Gase:<br />
Bei idealen Gasen war die mittlere kinetische Energie proportional <strong>zur</strong> Temperatur. Unter Vernachlässigung<br />
der potentiellen Energie der Gasmoleküle ist dies die einzige Energieform, die in einem idealen Gas auftritt.<br />
Ferner galt:<br />
E<br />
kin<br />
f<br />
= k ⋅ T<br />
2<br />
wobei f die Anzahl der Freiheitsgrade ist (f=3 bei einatomigen Gasen, f=5 bei hantelförmigen Gasmolekü-<br />
len)<br />
Die gesamte innere Energie ist demnach:<br />
U N E N f f<br />
= ⋅ kin = k ⋅ T = ν R⋅ T<br />
2 2<br />
Zustandsänderungen können gemäß der obigen Zustandsgleichung vorgenommen werden durch Wärme-<br />
abgabe (=Temperaturerniedrigung) oder mechanische Arbeit (Volumenänderung)<br />
Mechanische Arbeit:<br />
Gegeben sei ein beweglicher Stempel, der eine Kompression eines<br />
Gases in einem Volumen ermöglicht. Eine Druckänderung würde z.B.<br />
eine Volumenänderung bei konstanter Temperatur hervorrufen.<br />
dW = F⋅ ds = p⋅ A ⋅ ds = p⋅ dV = 0, wennV = const.
Isochore Zustandsänderung:<br />
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 66<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />
Die gesamte Arbeit errechnet sich somit aus<br />
V<br />
( )<br />
W = p V ⋅dV<br />
12<br />
V<br />
2<br />
∫<br />
1<br />
Die mechanische Arbeit ist eine Prozessgröße <strong>und</strong> davon ab-<br />
hängig, auf welche Art die Volumenänderung vorgenommen<br />
wurde. Die Integration über den Weg b liefert ein anderes Er-<br />
gebnis als die Integration über Weg a!<br />
Bei der isochoren Zustandsänderung bleibt das Volumen konstant:<br />
V = const. ⇒ δW = 0<br />
Dann wird die Zustandsgleichung zu<br />
dU Q N f f<br />
= δ V= const.<br />
= k ⋅ dT = ν R⋅ dT<br />
2 2<br />
Aus dieser Gleichung lassen sich sofort die Wärmekapazitäten bestimmen. Mit dU<br />
dT<br />
dU N⋅ k m⋅R C V = = f = f<br />
dT 2 2<br />
1 dU RS<br />
cv = = f<br />
m dT 2<br />
1 dU R<br />
Cv,<br />
m = = f<br />
ν dT 2<br />
Isobare Zustandsänderung:<br />
S<br />
δ QV<br />
= const.<br />
=<br />
dT<br />
Bei einer isobaren Zustandsänderung bleibt der Druck konstant. Wegen der Ausdehnung des Gases muss<br />
die zugeführte Energie neben der Erhöhung der inneren Energie noch einen Anteil <strong>zur</strong> Vergrößerung des<br />
Volumens aufbringen, d.h.<br />
δQp= const.<br />
= dU + δW<br />
= dU + p⋅ dV<br />
Für die Wärmekapazitäten gilt demnach:<br />
C<br />
c<br />
d<br />
dT<br />
dW<br />
dT<br />
( )<br />
C<br />
d<br />
= U + W = c<br />
m⋅ dT<br />
p dV<br />
+<br />
m dT<br />
⋅<br />
⋅<br />
= ( U + W) = C + = + ⋅<br />
p v v<br />
p v<br />
p dV<br />
dT<br />
Aus der allgemeinen Zustandsgleichung folgt durch differenzieren nach T <strong>und</strong> p=const.:<br />
folgt
d d<br />
dT dT<br />
p dV<br />
⋅ = N⋅ k<br />
dT<br />
( p⋅ V)<br />
= ( N⋅k ⋅ T)<br />
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 67<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />
Eingesetzt in obige Gleichung liefert dies<br />
C = C + N⋅ k<br />
p v<br />
c = c + R<br />
p v S<br />
Definitionen:<br />
Adiabatenkoeffizient:<br />
cp<br />
χ = =<br />
c<br />
Enthalpie: H = U + p⋅ V ⇒ C =<br />
v<br />
p<br />
( )<br />
f + 2<br />
f<br />
dH<br />
dT<br />
spezifische Enthalpie: h H<br />
m c = ⇒ p =<br />
dh<br />
dT<br />
Die Enthalpie spielt bei der Reaktionskinetik in der Chemie eine große Rolle. In der Enthalpie sind bei Zu-<br />
standsänderungen die Volumenänderungen mit enthalten. In der Chemie verlaufen Prozesse so, dass die<br />
(freie) Enthalpie einen minimalen Wert erreicht. Nähere Ausführungen werden in der physikalischen Chemie<br />
behandelt.<br />
Wärmekapazitäten von Festkörpern<br />
Festkörper dehnen sich im Vergleich zu Gasen bei der Erwärmung kaum aus. Das bedeutet, dass ihre spe-<br />
zifischen Wärmekapazitäten bei konstantem Druck bzw. Volumen annähernd gleich sind.<br />
c<br />
c<br />
v<br />
p<br />
≈ 1<br />
Festkörper bestehen aus Atomen, deren Lage zueinander fest ist. Die Atome können bei Zufuhr von Wärme<br />
(T0K) jedoch Schwingungen gegeneinander ausführen. Diese Gitterschwingungen werden in der Quan-<br />
tentheorie Phononen genannt. Im Mittel ist die kinetische Energie der Schwingungsbewegung <strong>und</strong> die po-<br />
tentielle Energie, die durch die Umwandlung der kinetischen Energie beim Bremsvorgang aufgebaut wird,<br />
gleich. Jeder Anteil wird mit einem Freiheitsgrad belegt. Ferner kann das Atom noch in drei Raumrichtun-<br />
gen schwingen. Die Innerer Energie berechnet sich somit als mit f = 2 ⋅ 3 = 6<br />
N⋅ k ⋅ T<br />
U = ( 2⋅ 3)<br />
⋅ = 3 ⋅N ⋅k ⋅ T<br />
2<br />
Da bei der Erwärmung praktisch keine mechanische Arbeit geleistet wird, gilt:<br />
dU<br />
c =<br />
m⋅ dT<br />
= 3<br />
⋅<br />
R S
molare Wärmekapazität Cm [kJ/(kmol K)]<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 68<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />
Für die molare Wärmekapazität gilt entsprechend:<br />
dU<br />
J<br />
Cm<br />
= = 3 ⋅ R = 2 5 ⋅10<br />
ν ⋅dT<br />
kmol⋅K 4<br />
,<br />
Diese Beziehung gilt für Festkörper, die pro Gitterplatz nur ein<br />
Atom haben. Ferner muss die Temperatur genügend hoch sein.<br />
Ein ähnliches Verhalten zeigt sich bei Gasen. Auch hier ist eine ausgeprägte Temperaturabhängigkeit zu<br />
beobachten.<br />
isochore molare<br />
Wärmekapazität<br />
[J/(mol K)]<br />
Molekülform Freiheitsgrade<br />
Transl. Rot. Oszil. ges.<br />
Punktförmig<br />
starre Hantel<br />
schwingende Hantel<br />
mehratomig, starr<br />
30<br />
20<br />
10<br />
3<br />
3<br />
3<br />
3<br />
-<br />
2<br />
2<br />
3<br />
Raumtemperatur<br />
20 50 100 200 500 1000 2000 5000 10000<br />
Temperatur [K]<br />
Wenn die Temperaturen sinken, werden auch die Wärmekapazitäten kleiner, d.h. der Stoff ist nicht mehr in<br />
der Lage, die Menge an thermischer Energie aufzunehmen, wie bei höheren Temperaturen. Dieses Verhal-<br />
ten führte Anfang dieses Jahrh<strong>und</strong>erts zu großen Verwirrungen in der <strong>Physik</strong>, da es keine Theorie gab, die<br />
dieses Verhalten klären konnte. Erst die quantenmechanische Betrachtung lieferte eine Erklärung für dieses<br />
Phänomen.<br />
Blei<br />
Kupfer<br />
Eisen<br />
Beryllium<br />
100 200 300 400 500<br />
Temperatur [K]<br />
Kohlenstoff<br />
(Diamant)<br />
Durch die Quantisierung von Energiezuständen muss eine Mindestenergie aufgebracht werden um einen<br />
Rotations- bzw. Schwingungszustand an<strong>zur</strong>egen. Das bedeutet, dass sich Gase bei tiefen Temperaturen<br />
-<br />
-<br />
2<br />
-<br />
3<br />
5<br />
7<br />
6<br />
C m,V<br />
J<br />
mol K<br />
12,47<br />
20,79<br />
29,10<br />
24,94<br />
C m,p<br />
J<br />
mol K<br />
20,79<br />
29,10<br />
37,41<br />
33,26<br />
7/2 R<br />
5/2 R<br />
3/2 R<br />
χ<br />
1,67<br />
1,4<br />
1,29<br />
1,33
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 69<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />
wie einatomige Gase verhalten. Bei Temperaturanstieg wird dann genug thermische Energie in das System<br />
geführt, um Rotationen der Moleküle an<strong>zur</strong>egen. Die quantenmechanische Betrachtung liefert dabei<br />
E<br />
rot,min<br />
1 h<br />
=<br />
2 J<br />
wobei J das Trägheitsmoment des Moleküls <strong>und</strong> h das Plancksche Wirkungsquantum darstellen. Zu noch<br />
höheren Temperaturen hin werden dann auch Schwingungszustände des Moleküls angeregt, wodurch die<br />
Wärmekapazität des Gases weiter steigt.<br />
4.4.2 Zustandsänderungen idealer Gase<br />
Erster Hauptsatz der Thermodynamik<br />
Jedes thermodynamische System hat ein Innerer Energie U. Bei irgendeiner Zustandsänderung des Sys-<br />
tems ist die Änderung der Inneren Energie gleich der Summe der zugeführten Wärmen <strong>und</strong> zugeführten<br />
Arbeit vermindert um die vom System verrichtete Arbeit <strong>und</strong> der abgeführten Wärme.<br />
dU = dQ + dW − dQ − dW<br />
zu A, zu ab A, ab<br />
Andere Formulierung:<br />
Es gibt kein pertuum mobile erster Art<br />
Es gibt keine Maschine die Arbeit abgibt, ohne die entsprechende Ener-<br />
gie aus einer äußeren Energiequelle zu schöpfen.<br />
Der erste Hauptsatz der Thermodynamik wird oft auch als Energiesatz bezeichnet: Er besagt, dass keine<br />
Energie verloren geht. Über die Art der Energieumwandlung gibt er jedoch keine Auskunft.<br />
Isotherme Zustandsänderung:<br />
p ⋅ V<br />
= const. bei T = const.<br />
m<br />
Es gilt:<br />
W pdV<br />
A<br />
V<br />
2<br />
= −∫<br />
V1<br />
Q’<br />
W<br />
Thermodynamisches<br />
System<br />
S<br />
W’<br />
Q<br />
Im PV-Diagramm (Arbeitsdiagramm) stellen die Isothermen<br />
Hyperbeln dar. Der Übergang von Zustand 1 auf 2 heißt iso-<br />
therme Ausdehnung<br />
Bei der isothermen Ausdehnung muss nach außen Arbeit ver-<br />
richtet werden. Die Ausdehnung des Volumens geschieht gegen<br />
den äußeren Druck. Daher wird dem System Energie entzogen.
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 70<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />
Da bei konstanter Temperatur die Innere Energie gleich bleibt, muss der gleiche Energieinhalt in Form von<br />
Wärme zugeführt werden:<br />
A 0 12 A,<br />
12<br />
dU = dQ + dW = ⇒ ΔQ<br />
= −W<br />
V<br />
Q pdV mit p N k T<br />
2<br />
1<br />
Δ = ∫<br />
= ⋅ ⋅<br />
V<br />
V<br />
1<br />
V<br />
Q N k T<br />
2<br />
⎛ V ⎞<br />
1<br />
2<br />
⇒ Δ = ∫ ⋅ ⋅ dV = N⋅k ⋅ T1<br />
⋅ln⎜<br />
⎟<br />
V ⎝ V ⎠<br />
V<br />
1<br />
1<br />
Verläuft die Zustandsänderung in umgekehrte Richtung, so wird dieser Vorgang isotherme Kompression<br />
genannt. Der gleiche Energiebetrag wird dabei in Form von Wärme abgeführt.<br />
Isochore Zustandsänderung:<br />
T<br />
p<br />
= const. bei V = const.<br />
Im pV-Diagramm ist eine Isochore durch den Übergang von Zustand 2 zu Zustand 3 gegeben. Bei der iso-<br />
choren Zustandsänderung wird keine Arbeit geleistet. Die Erhöhung bzw. Erniedrigung der Inneren Energie<br />
wird nur durch zu- bzw. abgeführte Energie erreicht. Für den Übergang 2 --> 3 (isochore Duckerhöhung) gilt<br />
dU = dQ mit U = C ⋅ T<br />
T<br />
∫<br />
( )<br />
⇒ ΔQ = dU = C ⋅ T − T = C ⋅ ΔT<br />
T<br />
2<br />
1<br />
v<br />
v 2 1 v<br />
Isobare Zustandsänderung:<br />
T<br />
V<br />
= const. bei p = const.<br />
Eine isobare Expansion ist im Diagramm dargestellt durch den Übergang des Zustandes 1 zum Zustand 4.<br />
Die isobare Kompression erfolgt durch den umgekehrten Übergang.<br />
Es gilt für die isobare Zustandsänderung:<br />
dU = dQ + p ⋅dV<br />
U<br />
( ) ( )<br />
⇒ ΔQ<br />
= dU + p ⋅ dV = C ⋅ T − T + p⋅ V − V<br />
U<br />
2<br />
V<br />
∫ ∫<br />
1<br />
V<br />
2<br />
1<br />
V<br />
2 1 2 1<br />
Bei der Erwärmung eines solchen Systems wird sowohl die innere Energie erhöht <strong>und</strong> damit die Temperatur<br />
als auch Arbeit nach außen verrichtet. Die Arbeit entspricht der Volumenänderung bei konstantem Druck.<br />
Bei der Ausdehnung wird die Arbeit<br />
( ) ( )<br />
WA = −p V − V = −N⋅ k ⋅ T − T<br />
2 1 2 1<br />
nach außen verrichtet.
Vergleich:<br />
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 71<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />
Bei der isochoren Zustandsänderung wurde die zugeführte Wärme nur dazu benutzt, die innere Energie<br />
bzw. Temperatur zu erhöhen. Bei der isobaren Zustandsänderung muss die Zugeführte Wärme dazu be-<br />
nutzt werden, sowohl die Temperatur als auch das Volumen zu Vergrößern. Daher gilt stets:<br />
cp > c V<br />
Adiabatische Zustandsänderung:<br />
Bei der adiabatischen Zustandsänderung wird im System keine Wärme zu- bzw. abgeführt.<br />
dU = −p ⋅ dV bei Q = const. bzw. dQ = 0<br />
⇒ C ⋅ dT + p⋅ dV = 0<br />
V<br />
1<br />
⇒ C ⋅ dT + N⋅ k ⋅ T ⋅ ⋅ dV = 0<br />
V<br />
V<br />
C dT dV<br />
⇒ V ⋅ + N⋅ k ⋅ = 0<br />
T V<br />
Aus der Integration ergibt sich:<br />
T<br />
( Cp C V )<br />
C dT<br />
2<br />
V = − −<br />
T<br />
T1<br />
1<br />
V2<br />
∫ ∫<br />
V1<br />
dV<br />
V<br />
( C C )<br />
⎛ T2<br />
⎞<br />
⎛ V2<br />
⎞<br />
⇒ CV<br />
⋅ln⎜<br />
⎟ = − p − V ⋅ln⎜<br />
⎟<br />
⎝ T ⎠<br />
⎝ V ⎠<br />
Durch Umformen entsprechend den Logarithmusregeln folgt:<br />
( )<br />
⇒<br />
( )<br />
⎛ ⎛ ⎞ ⎞<br />
⎜⎜<br />
⎟ ⎟<br />
⎜<br />
⎝⎝<br />
⎠ ⎟<br />
⎠<br />
=<br />
⎛<br />
⎛ ⎞<br />
⎞<br />
⎜<br />
⎜ ⎟<br />
⎟<br />
⎜<br />
⎝<br />
⎝ ⎠ ⎟<br />
⎠<br />
⇒ ⎛ ⎞<br />
⎜ ⎟ =<br />
⎝ ⎠<br />
⎛<br />
CV − Cp −C<br />
V<br />
T2<br />
V2<br />
ln ln<br />
T1<br />
V1<br />
CV − Cp −CV<br />
T V ⎞<br />
2<br />
2<br />
⎜ ⎟<br />
T ⎝ V ⎠<br />
1<br />
Somit ergibt sich schließlich:<br />
1<br />
1<br />
χ−1 χ−1 χ−1<br />
T ⋅ V = T ⋅ V oder T ⋅ V = const.<br />
1 1<br />
2 2<br />
χ χ χ<br />
p ⋅ V = p ⋅ V oder p⋅ V = const.<br />
1 1 2 2<br />
χ 1−χ<br />
χ 1−χ χ 1−χ<br />
T ⋅ p = T ⋅p oder T ⋅ p = const.<br />
1 1<br />
2 2
Polytrope Zustandsänderung:<br />
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 72<br />
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Berechnung der verrichteten Arbeit:<br />
V2<br />
W = p⋅ dV =<br />
12<br />
V1<br />
V2<br />
∫ ∫<br />
V1<br />
p ⋅ V<br />
χ<br />
χ−1<br />
p ⋅ V ⎡⎛<br />
V ⎞ ⎤<br />
⋅ dV = ⎢⎜<br />
⎟ −1⎥<br />
χ −1<br />
⎝ V<br />
⎣⎢<br />
⎠<br />
⎦⎥<br />
1<br />
χ<br />
1 1 1 1<br />
χ<br />
V<br />
2<br />
Andererseits ist wegen dQ=0 die verrichtete Arbeit gleich der<br />
Änderung der inneren Energie, also gilt auch<br />
( )<br />
W = m ⋅c T − T<br />
12 V 2 1<br />
Die isotherme <strong>und</strong> die adiabatische Zustandsänderungen sind Grenzfälle. Isotherme Zustandsänderungen<br />
müssen entweder unendlich langsam durchgeführt werden, um dem System genügend Zeit zum Energie-<br />
austausch zu geben. Bei adiabatischen Änderungen muss der Wärmeaustausch mit der Umgebung voll-<br />
ständig ausgeschlossen werden. Eine reale Zustandsänderung liegt meist zwischen der isothermen <strong>und</strong><br />
adiabatischen Zustandsänderung <strong>und</strong> wird bezeichnet als<br />
n<br />
Polytrope Zustandsänderung: p⋅ V = const. wobei χ > n > 1<br />
4.4.3 Kreisprozesse<br />
Ein Prozess, der aus einer Reihe von Zustandsänderungen zusammengesetzt ist <strong>und</strong> wieder im Anfangszu-<br />
stand des Systems endet, wird Kreisprozess genannt. Thermodynamische Kreisprozesse sind irreversible<br />
Prozesse, d.h. es muss stets Energie zugeführt werden, um den Ausgangszustand wieder zu erreichen.<br />
Arbeit abgegeben als hineingesteckt wurde.<br />
Beispiel:<br />
Beim Durchlaufen der Zustandsänderung im Uhrzeigersinn gelangt<br />
das System von 1 über 2 wieder nach 1. Die Innere Energie ist<br />
demnach wieder dieselbe, da wieder derselbe Zustand erreicht ist.<br />
Die verrichtete Arbeit <strong>zur</strong> Kompression des Gases über den unte-<br />
ren Weg von 1 nach 2 ist jedoch kleiner als die Arbeit, die das Sys-<br />
tem von 2 nach 1 wieder abgibt. Das System hat demnach mehr<br />
∫ ∫ ∫ ∫ ∫ 0<br />
Für den Kreisprozess gilt demnach dU = dQ + dW = dQ − p⋅ dV =<br />
T 1<br />
Thermodynamische<br />
Maschine<br />
T 2<br />
Q 1<br />
Q 2<br />
W<br />
Kraftmaschinenprozess:<br />
• Umlauf im Uhrzeigersinn<br />
• Es wird mechanische Nutzarbeit abgegeben.<br />
• Wärme wird bei hoher Temperatur aufgenommen <strong>und</strong> bei tiefer abgegeben<br />
• Verbrennungsmotor, Wärmekraftmaschine
T 1<br />
Thermodynamische<br />
Maschine<br />
T 2<br />
Carnotscher Kreisprozess<br />
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 73<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />
Arbeitsmaschinenprozess<br />
• Umlauf gegen den Uhrzeigersinn<br />
• Differenz der ab- <strong>und</strong> zugeführten Wärme wird als mechanische Arbeit zugeführt<br />
• Wärme wird bei tiefer Temperatur aufgenommen <strong>und</strong> bei hoher abgegeben<br />
• Kältemaschine, Wärmepumpe<br />
Mit diesem Prozess kann bei einer periodisch arbeitenden Maschine Wärme aufgenommen <strong>und</strong> Arbeit ab-<br />
gegeben werden. Der Prozess verläuft zwischen zwei Isothermen <strong>und</strong> zwei Adiabaten. Der Prozess wird im<br />
Uhrzeigersinn durchlaufen, die verwendete Gasmenge bleibe konstant:<br />
Zustand 3 --> Zustand 4<br />
isotherme Expansion:<br />
⎛ V4<br />
⎞<br />
Abgeführte Arbeit: W34 = −ν ⋅R ⋅ T2<br />
ln ⎜ ⎟ < 0<br />
⎝ V ⎠<br />
zugeführte Wärme: Q34 = − W34<br />
> 0<br />
Zustand 4 --> Zustand 1<br />
adiabatische Expansion<br />
W = − ⋅C ⋅ T − T = − W <<br />
41 ν m, V 1 2 23 0<br />
Abgeführte Arbeit: ( )<br />
3<br />
Zustand 1 --> Zustand 2<br />
isotherme Kompression:<br />
⎛ V1<br />
⎞<br />
Zugeführte Arbeit: W12 = ν ⋅R ⋅ T1<br />
ln ⎜ ⎟ > 0<br />
⎝ V ⎠<br />
abgegebene Wärme: Q12 = − W12<br />
< 0<br />
Zustand 2 --> Zustand 3<br />
adiabatische Kompression:<br />
Zugeführte Arbeit: W C ( T T )<br />
23 = ν ⋅ m, V ⋅ 2 − 1 > 0<br />
Die Nutzarbeit pro Zyklus errechnet sich aus dem Flächeninhalt des umkreisten Gebietes im pV-Diagramm.<br />
Es gilt:<br />
Q 1<br />
Q 2<br />
W<br />
2
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 74<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />
∫ 12 23 34 41<br />
WNutz = dW = W + W + W + W<br />
= W + W<br />
12 34<br />
⎛ ⎛ V ⎞ ⎛ V ⎞⎞<br />
4<br />
1<br />
= −ν ⋅R ⋅⎜ T ⋅ ⎜ ⎟ − T ⋅ ⎜ ⎟⎟<br />
2 ln 1 ln<br />
⎝ ⎝ V ⎠ ⎝ V ⎠⎠<br />
für die beiden Adiabatengleichungen gilt:<br />
1<br />
T ⋅ V = T ⋅ V<br />
χ− χ−1<br />
2 3 1 2<br />
1<br />
T ⋅ V = T ⋅ V<br />
χ− χ−1<br />
2 4 1 1<br />
V4<br />
V<br />
⇒ =<br />
V V<br />
3<br />
1<br />
2<br />
Somit gilt für die Nutzarbeit:<br />
⎛ V4<br />
⎞<br />
WNutz = −ν ⋅R ⋅ln⎜<br />
⎟ ⋅ −<br />
⎝ V ⎠<br />
3<br />
3<br />
( T T )<br />
2 1<br />
2<br />
Das negative Vorzeichen gilt, da das System diese Nutzarbeit abgibt. Von der zugeführten Wärme kann nur<br />
ein <strong>Teil</strong> als mechanische Arbeit abgegeben werden (entspricht meist dem kleineren <strong>Teil</strong>). Der Rest muss<br />
vom System an eine Wärmesenke abgegeben werden. Das Verhältnis aus zugeführter Wärme <strong>und</strong> erhalte-<br />
ner mechanischer Arbeit wird als Wirkungsgrad der Wärmemaschine bezeichnet.<br />
Definition:<br />
thermischer Wirkungsgrad η therm<br />
Carnotscher Wirkungsgrad:<br />
η<br />
therm<br />
=<br />
W<br />
Q<br />
Nutz<br />
zu<br />
⎛ V4<br />
⎞<br />
ν ⋅R ⋅ln⎜<br />
⎟ ⋅ −<br />
WNutz<br />
⎝ V3<br />
⎠<br />
= =<br />
Q34<br />
⎛ V ⎞ 4<br />
ν ⋅R ⋅ T2<br />
ln⎜<br />
⎟<br />
⎝ V ⎠<br />
( T T )<br />
2 1<br />
3<br />
T<br />
= 1−<br />
T<br />
Eine Wärmemaschine, die aus einem Wärmereservoir Wärme abzieht <strong>und</strong> diese unter Abgabe von Wär-<br />
men eine Wärmesenke zum <strong>Teil</strong> in mechanisch nutzbare Energie wandelt, arbeitet um so günstiger, je hö-<br />
her die Temperaturunterschiede zwischen Wärmereservoir <strong>und</strong> Wärmesenke sind.<br />
Kältemaschine:<br />
Wird die Carnot-Maschine linksläufig betrieben, so wird bei einer Temperatur T 1 die Wärme Q zu entzogen<br />
<strong>und</strong> an eine Umgebung höherer Temperatur abgegeben. Die hierzu notwendige Arbeit wird durch eine äu-<br />
ßeres mechanisches System, z.B. einem Kompressor, zugeführt. Bei der Kältemaschine ist<br />
• der Nutzen die der Maschine zugeführte Wärme Q zu <strong>und</strong><br />
• der Aufwand die Arbeit W.<br />
1<br />
2
Leistungszahl: ε K<br />
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 75<br />
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Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />
Q zu dQ zu dt T1<br />
= = =<br />
W P T − T<br />
2 1<br />
Die Leistungszahl ist um so besser, je kleiner die Temperaturunterschiede sind.<br />
Wärmepumpe:<br />
• Bei der Wärmepumpe wird bei tiefer Temperatur Wärme entzogen <strong>und</strong> einem System höherer Tempera-<br />
tur zugeführt (z.B. der Heizung eines Hauses).<br />
• Der Nutzen ist die an das System abgegebene Wärmemenge Q ab ,<br />
• der Aufwand ist die zugeführte mechanische Arbeit W<br />
Leistungszahl: ε<br />
K<br />
Q ab dQab dt T2<br />
= = =<br />
W P T − T<br />
Zweiter Hauptsatz der Thermodynamik:<br />
2 1<br />
1<br />
=<br />
η<br />
• Es gibt keine periodisch arbeitende Maschine, die Wärme aus einer Wärmequelle entnimmt <strong>und</strong> voll-<br />
ständig in mechanische Arbeit umwandelt.<br />
• Es gibt kein perpetuum mobile zweiter Art.<br />
• Wärme geht nicht von selbst von einem kalten auf einen warmen Körper über.<br />
Der zweite Hauptsatz findet seine Begründung darin, dass alle ablaufenden technischen Prozesse irrever-<br />
sible Prozesse sind, d.h. Prozesse, die nur durch äußere Energiezufuhr wieder in ihren Ausgangszustand<br />
gebracht werden können. Thermodynamische Prozesse laufen stets in eine Richtung <strong>und</strong> streben einem<br />
Minimum an Energie zu.<br />
Mathematisch lässt sich dieses Verhalten mit Hilfe der Entropie aufschreiben.<br />
Im ideal geführten reversiblen Carnot-Prozess gilt für die umgesetzten Wärmemengen<br />
Q<br />
T<br />
12<br />
1<br />
Q34<br />
+ = 0<br />
T<br />
2<br />
Für einen kompletten Umlauf eines reversiblen Prozesses gilt daher verallgemeinert:<br />
∫<br />
dQ<br />
T<br />
rev<br />
= 0<br />
Die Änderung dieser beiden Zustandsgrößen kann durch eine Änderung einer anderen Zustandsgröße, der<br />
Entropie ausgedrückt werden mit folgender Definition:<br />
dS dQ<br />
=<br />
T<br />
rev<br />
Δ 2 1<br />
S = S − S =<br />
2<br />
∫<br />
1<br />
dQ<br />
T<br />
rev<br />
⎡ J ⎤<br />
⎢<br />
⎣K<br />
⎥<br />
⎦<br />
C
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 76<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />
S wird als Entropie bezeichnet. Für reversible Kreisprozesse ist die Entropieänderung Null. Bei einem irre-<br />
versiblen Kreisprozess ist die abgeführte Arbeit bzw. die zugeführte Wärme größer als theoretisch im rever-<br />
sibeln Kreisprozess. für solche Prozesse nimmt die Entropie stets zu <strong>und</strong> der Wirkungsgrad des irreversib-<br />
len Prozesses ist kleiner als der des reversiblen Prozesses.<br />
Für irreversible Prozesse gilt daher<br />
Q<br />
T<br />
12<br />
1<br />
Q34<br />
dQirr<br />
+ < 0 bzw.<br />
< 0<br />
T ∫ T<br />
2<br />
Für die Entropie gilt in diesem Falle, dass der Endzustand der Entropie größer ist als der Anfangszustand.<br />
Es können folgende Fälle unterschieden werden:<br />
Ein abgeschlossener Prozess ist ohne äußere Energiezufuhr<br />
• unmöglich, wenn ΔS < 0<br />
• reversibel, wenn ΔS = 0<br />
• irreversibel, wenn ΔS > 0<br />
Das Entropieprinzip bestimmt somit die Richtung der Vorgänge. Dies ist ebenso eine Formulierung<br />
des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik.<br />
Der erste Hauptsatz gibt die Energiebilanz bei thermodynamischen Prozessen an. Er sagt nichts darüber<br />
aus, in welcher Weise diese Prozesse ablaufen.<br />
Der zweite Hauptsatz gibt zusätzlich die Richtung dieser Prozesse an. Prozesse innerhalb eines abge-<br />
schlossenen Systems können nur in eine Weise ablaufen, dass die Entropie stets zunimmt (oder maximal<br />
gleich bleibt).<br />
Beispiele:<br />
• Ein Stein, der herunterfällt, wandelt seine Energie beim Aufprall in Wärme um. Es geschieht aber nicht,<br />
dass der Stein von Selbst durch Aufnahme von Wärme nach oben springt.<br />
• Zwei Gase, die ineinander diff<strong>und</strong>ieren, trennen sich nicht wieder von selbst.<br />
• Nach dem ersten Hauptsatz könnte ein Schiff durch Entzug von Wärme aus dem Ozean, diese Wärme<br />
in Bewegungsenergie wandeln. Nach dem zweiten Hauptsatz ist dies jedoch nicht möglich.<br />
• Formulierung von Clausius: Die Energie im Weltall bleibt konstant, die Entropie strebt einem Maximum<br />
zu.<br />
• Die Entropie ist ein Maß der Unordnung. Jedes abgeschlossene System strebt einem Maximum an Un-<br />
ordnung zu.<br />
Die Größen Entropie sowie andere thermodynamischen Potentiale (Enthalpie, freie Energie) sind in der<br />
Chemie von großer Bedeutung, da sie bei Reaktionen die Richtung <strong>und</strong> den Ablauf sowie das Ende der<br />
Reaktion beschreiben. Aus diesen Betrachtungen folgen z.B. das Massenwirkungsgesetz <strong>und</strong> das<br />
Nernst'sche Wärmetheorem. Näheres hierzu findet sich in der <strong>Vorlesung</strong> der <strong>Physik</strong>alischen Chemie.
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 77<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />
4.5 Zustandsgleichung realer Gase <strong>und</strong> Dämpfe<br />
4.5.1 Van-der-Waalsche Gasgleichung<br />
Die Annahme eines idealen Gases ist eine Vereinfachung, die bei hohen Temperaturen <strong>und</strong> kleinen Drü-<br />
cken mit den experimentellen Ergebnissen gut übereinstimmt. Die Zustandsgleichung eines idealen Gases<br />
besagt jedoch, dass das Volumen eines Gases zu Null wird, wenn die Temperatur gegen Null strebt.<br />
Da reale Gase aus Molekülen bestehen, die ein gewisses Eigenvolumen haben, kann diese Annahme je-<br />
doch nicht richtig sein. Als Korrekturterm wird daher das Volumen V der allgemeinen Gasgleichung ersetzt<br />
durch<br />
V → ( V − b)<br />
, b: van der Waalsches Kovolumen, entspricht etwa dem vierfachen Eigenvolumen des Mo-<br />
leküls<br />
Weiterhin wurde bei idealen Gasen angenommen, dass die einzige Wechselwirkung untereinander elasti-<br />
sche Stöße sind. Reale Gase üben jedoch aufeinander eine Anziehungskraft aus. Diese Anziehungskraft<br />
wird umso stärker, je kleiner der Abstand der Moleküle ist. Bei Festkörpern führt diese Wechselwirkung oft<br />
zu Bindungen, bei Flüssigkeiten z.B. <strong>zur</strong> Oberflächenspannung.<br />
Auch bei Gasen führt die gegenseitige Anziehung zu einer Erhöhung des Druckes am Rand des Volumens<br />
durch die Kraftwirkung in Richtung des Innern des Volumens. Dadurch erhöht sich der Druck im Innern.<br />
Dieser Druck wird Binnendruck genannt. Der Binnendruck ist proportional <strong>zur</strong> Dichte der anziehenden <strong>Teil</strong>-<br />
chen <strong>und</strong> <strong>zur</strong> Dichte der stoßenden Umgebungsteilchen.<br />
p<br />
Bi<br />
⎛ a ⎞<br />
∝ ρ ∝ ⇒ p → ⎜p<br />
+ ⎟<br />
V ⎝ V ⎠<br />
2 1<br />
2 2<br />
m m<br />
Erhöhung des Druckes durch den Binnendruck<br />
Die ideale Gasgleichung geht somit in die van-der-Waalsche Zustandsgleichung über, hier bezogen auf die<br />
molaren Größen<br />
⎛ a ⎞<br />
p⋅ Vm = R⋅ T → ⎜p<br />
+ ⎟ 2<br />
⋅ ( Vm − b) = R⋅ T<br />
⎝ V ⎠<br />
m
6<br />
Druck p [10 Pa]<br />
8<br />
p = 73 bar<br />
K<br />
6<br />
p=43 bar<br />
4<br />
2<br />
Waagerechten entlang ECA.<br />
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 78<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />
a, b sind Gaskonstanten, V m ist das<br />
Mol-Volumen. Die nachfolgende<br />
Folie zeigt das Verhalten von Koh-<br />
lendioxid bei verschiedenen Tempe-<br />
raturen im pV-Diagramm.<br />
Unterhalb des kritischen Punktes K<br />
weisen die Isothermen ein Maxi-<br />
mum <strong>und</strong> Minimum auf. Der Verlauf<br />
entlang der Kurve EDCBA wird ex-<br />
perimentell jedoch nicht beobachtet<br />
sondern der Verlauf entspricht der<br />
Dies liegt daran, dass bei der Kompression des Gases ab dem Punkt E eine Verflüssigung eintritt., die am<br />
Punkt A abgeschlossen ist. Der starke Druckanstieg bei weiterer Komprimierung kommt dadurch zustande,<br />
dass Flüssigkeiten schwerer komprimierbar sind als Gase.<br />
• Der Druck, bei dem die Verflüssigung einsetzt ist der Dampfdruck.<br />
• Der Bereich der gestrichelten Kurve heißt Koexistenzgebiet. Bei Komprimierung setzt am rechten<br />
Schnittpunkt des Koexistenzgebietes die Verflüssigung ein. Sie ist am linken Schnittpunkt abgeschlos-<br />
sen. In diesem Bereich sind Flüssigkeit <strong>und</strong> Gas bzw. Dampf gleichzeitig vorhanden<br />
• Oberhalb einer kritischen Temperatur kann durch alleinige Komprimierung des Gases keine Verflüssi-<br />
gung mehr einsetzen. Dieser Punkt wird kritischer Punkt genannt, der zugehörige Druck <strong>und</strong> das zugehö-<br />
rige Volumen heißen kritischer Druck <strong>und</strong> kritisches Volumen.<br />
a<br />
V b p<br />
b T<br />
= 3 , = ,<br />
27 ⋅<br />
mK K K<br />
K<br />
Gasverflüssigung:<br />
8 ⋅a<br />
=<br />
27 ⋅b ⋅R<br />
• Ein ideales Gas behält seine Temperatur bei, wenn es adiabat <strong>und</strong> ohne zusätzliche Arbeitsverrichtung<br />
entspannt wird.<br />
Koexistenzgebiet<br />
3<br />
V mK = 0,12 m /kmol<br />
0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7<br />
• Im Gegensatz hierzu müssen reale Gase bei der adiabatischen Entspannung die zwischenmolekularen<br />
Anziehungskräfte überwinden. Die hierzu notwendige Energie wird der inneren Energie entzogen, wo-<br />
durch sich das Gas abkühlt (Joule-Thomson-Effekt). Auf diese Weise kann einem Gas immer mehr in-<br />
nere Energie entzogen werden, bis es sich verflüssigt. (Linde-Verfahren)<br />
• Das gleiche Prinzip wird bei sehr tiefen Temperaturen verwendet. Hier werden statt Gasen paramagneti-<br />
sche Salze verwendet, die nach erfolgter Magnetisierung durch ein äußeres Magnetfeld ihre Vorzugs-<br />
richtung wieder ändern <strong>und</strong> somit dem System Energie entziehen.<br />
4.5.2 Phasenumwandlungen<br />
3<br />
molares Volumen [m /kmol]<br />
Gebiet des idealen Gases<br />
373 K<br />
304 K<br />
313 K<br />
293 K<br />
283 K 273 K
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 79<br />
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Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />
Unter der Phase eines Stoffes wird ein räumlich abgetrenntes Gebiet verstanden, das gleiche physikalische<br />
Eigenschaften aufweist.<br />
Phasen sind<br />
• Aggregatzustände fest, flüssig oder gasförmig<br />
• Modifikationen desselben Stoffes (z.B. α- oder β Eisen)<br />
von<br />
fest<br />
flüssig<br />
nach<br />
gasförmig<br />
Modifikationsänderung<br />
(Modifikationsenthalpie<br />
ΔH M )<br />
Erstarren<br />
(Erstarrungsenthalpie<br />
-ΔH S )<br />
Desublimieren<br />
fest flüssig gasförmig<br />
(Desublimationsenthalpie<br />
-ΔH Sub =-ΔH S - ΔHV )<br />
Schmelzen<br />
(Schmelzenthalpie ΔH S )<br />
Kondensieren<br />
(Kondensationsenthalpie<br />
- ΔHV )<br />
Sublimieren<br />
(Sublimationsenthalpie<br />
ΔH Sub =ΔH S + ΔHV )<br />
Sieden<br />
(Verdampfungsenthalpie<br />
ΔH V )<br />
Bei der Änderung des Aggregatzustandes nimmt ein Stoff Wärme auf bzw. gibt Wärme ab, ohne dass sich<br />
seine Temperatur erhöht bzw. erniedrigt. Diese Wärmemengen werden als latente (verborgene) Wärmen<br />
bezeichnet. Beim Phasenübergang von fest nach flüssig wird Wärme benötigt, um das Gitter im Festkörper<br />
aufzubrechen. Beim Übergang von flüssig nach gasförmig müssen die Anziehungskräfte der Moleküle un-<br />
tereinander überw<strong>und</strong>en werden.<br />
4.5.3 Gleichgewicht zwischen den Phasen<br />
Die einzelnen Phasen liegen niemals allein vor. Ähnlich wie bei der Geschwindigkeitsverteilung in einem<br />
Gas haben die Moleküle in einer Phase unterschiedliche Energieverteilungen. Einige der Moleküle haben<br />
dabei genügend Energie, um von der einen Phase in die andere Phase überzutreten.<br />
Ein Gleichgewicht liegt vor, wenn die Zahl der Moleküle, die von Phase 1 nach Phase 2 überwechseln,<br />
gleich ist der Anzahl der Moleküle, die von 2 nach 1 wechseln.<br />
Flüssig - Gasförmig
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 80<br />
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Wenn ein Gleichgewicht zwischen Verdampfungs- <strong>und</strong> Kondensationsrate vorliegt, herrscht über der Flüs-<br />
sigkeitsoberfläche der Sättigungsdampfdruck der Flüssigkeit. Diese ist unabhängig vom Volumen, da sich<br />
mit wechselndem Volumen entsprecht die Dampfmenge einstellt.<br />
Der Sättigungsdampfdruck stellt sich in einem abgeschlossenen System ein, da sonst der gebildete Dampf<br />
abtransportiert wird (Verdunstung). Der Sättigungsdampfdruck ist nur von der Temperatur abhängig. Eine<br />
Erhöhung der Temperatur bewirkt eine Erhöhung der Geschwindigkeit der Moleküle <strong>und</strong> damit eine höhere<br />
Anzahl von Molekülen, die die Flüssigkeit verlassen können. Der Sättigungsdruck steigt mit wachsender<br />
Temperatur.<br />
Dieses Verhalten wird durch die Dampfdruckkurve beschrieben.<br />
Die Abhängigkeit der Dampfdruckkurve von der Temperatur kann mittels der Clausius-Clapeyronschel For-<br />
mel beschrieben werden:<br />
dpS<br />
=<br />
dT<br />
p<br />
S<br />
ΔH<br />
m, V<br />
D<br />
V , V<br />
m<br />
Fl<br />
m<br />
ΔH<br />
m, V<br />
D Fl ( )<br />
V − V ⋅ T<br />
m<br />
m<br />
Sättigungsdampfdruck<br />
molare Enthalpie der Verdampfungswärme<br />
molare Volumina der flüssigen - <strong>und</strong> Dampf - Phase<br />
Der Dampfdruck erhöht den Druck, der auf die Oberfläche einwirkt. Es gilt näherungsweise das<br />
Gesetz von Dalton: p = ∑ p<br />
ges i<br />
i<br />
Der Gesamtdruck ist die Summe der Partialdrücke.<br />
Ist der Dampfdruck einer Flüssigkeit gleich dem Druck, der auf die Oberfläche der Flüssigkeit einwirkt, so<br />
bilden sich bereits innerhalb der Flüssigkeit Dampfbläschen: Die Flüssigkeit siedet.<br />
Eine Druckerhöhung auf die Oberfläche führt dazu, dass der Siedepunkt steigt (Dampfkochtopf)<br />
In größeren Höhen sinkt der Atmosphärendruck <strong>und</strong> Wasser siedet deutlich unterhalb 100 °C.<br />
Fest-Flüssig<br />
Hier gelten dieselben Gesetzmäßigkeiten wie bei der Dampfdruckkurve. Auch hier gilt die Clausius-<br />
Clapeyronschel Formel:<br />
dpf<br />
=<br />
dT<br />
p<br />
f<br />
ΔH<br />
m, V<br />
Fl<br />
V , V<br />
m<br />
ΔH<br />
m, S<br />
Fl Fest ( )<br />
Fest<br />
m<br />
V − V ⋅ T<br />
m<br />
m<br />
Schmelzdruck<br />
molare Enthalpie der Schmelzwärme<br />
molare Volumina der festen <strong>und</strong> flüssigen Phase<br />
Da sich die Volumina der festen <strong>und</strong> flüssigen Phase kaum unterscheiden, ist der Anstieg der Kurve sehr<br />
viel steiler.
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 81<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />
Anomalie des Wassers: Da die feste Phase ein größeres Volumen hat als die flüssige Phase, ist die Stei-<br />
gung der Kurve negativ! Dies hat <strong>zur</strong> Folge, das Wasser bei gleichbleibender Temperatur <strong>und</strong> Druckerhö-<br />
hung schmilzt. Ausnutzung beim Schlittschuhlaufen.<br />
Fest-Gasförmig<br />
Ein direkter Übergang von fester Phase zu gasförmiger Phase findet meist bei niedrigeren Temperaturen<br />
statt. Direkt beobachtbar ist der Übergang bei der Sublimation von Kohlendioxid. Daher hat festes Kohlen-<br />
dioxid den Namen Trockeneis.<br />
Luftfeuchtigkeit:<br />
Wasser ist einer der am häufigsten vorkommenden Stoffe. Da wasser ebenfalls einen nicht zu vernachläs-<br />
sigenden Dampfdruck hat, ist somit immer ein Anteil Wasser in der Umgebungsluft vorhanden.<br />
Nach dem Daltonschen Gesetz gilt für den Gesamtdruck, den feuchte Luft besitzt:<br />
pfeuchteLuft = ptrockeneLuft + pS<br />
Da sich in den meisten Fällen über einer Wasseroberfläche kein abgeschlossenes System ausbilden kann,<br />
da der entstehende Wasserdampf abtransportiert wird, ist der Anteil an Wasserdampf in der Luft variabel.<br />
Es gilt daher<br />
absolute Luftfeuchtigkeit: ϕ a<br />
=<br />
mD<br />
V<br />
D<br />
relative Luftfeuchtigkeit: [ % ]<br />
ϕ = p<br />
p<br />
S<br />
⎡ kg ⎤<br />
⎢ 3<br />
⎣m<br />
⎥<br />
⎦<br />
wobei m D die Masse des Dampfes im Volumen V <strong>und</strong> p D der Partialdruck des Wassers <strong>und</strong> p S der Sätti-<br />
gungsdampfdruck des Wassers bei der entsprechenden Temperatur sind.
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 82<br />
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5 SCHWINGUNGEN UND WELLEN<br />
5.1 Wiederholung aus der Mechanik<br />
Oszillationen <strong>und</strong> Wellen spielen in den Natur- <strong>und</strong> Ingenieurwissenschaften eine große Rolle z.B.<br />
• mech. Schwingungen in Pendeln, z.B. bei Uhren oder Quarzen<br />
• Wechselströme, Lichterscheinungen, Radio <strong>und</strong> Fernsehen, Wärme (Gitterschwingungen)<br />
• Beschreibung von Vorgängen in Atomen <strong>und</strong> Molekülen<br />
• Pulsschlag beim Menschen, Ebbe <strong>und</strong> Flut<br />
Oszillator:<br />
schwingungsfähiges System, welches ständig seinen energetischen Zustand ändert.<br />
Beispiel Federpendel:<br />
m<br />
Beim Federpendel wird ständig kinetische in potentielle Energie <strong>und</strong> umgekehrt<br />
umgewandelt:<br />
Umwandlung von Hubenergie in kinetische Energie <strong>und</strong> umgekehrt (heben <strong>und</strong><br />
senken)<br />
Umwandlung von Dehnungsenergie in kinetische Energie <strong>und</strong> umgekehrt (dehnen<br />
<strong>und</strong> strecken)<br />
Unterscheidung zwischen Schwingungen <strong>und</strong> Wellen:<br />
Schwingung: ein schwingungsfähiges System (Einzeloszillator), ortsfestes Sys-<br />
tem, Energieumwandlung ist nur zeitabhängig.<br />
Welle: Kopplung mehrerer Oszillatoren. Energieübertragung von einem Oszillator auf den nächsten Oszilla-<br />
tor. Energieumwandlung ist zeit- <strong>und</strong> ortsabhängig. Räumliche Fortpflanzung der Oszillation.<br />
In der Mechanik wurden bereits Bewegungen behandelt, die ein oszillierendes Verhalten aufwiesen. Hierzu<br />
gehören z.B. die Kreisbewegungen. Als Charakteristische Größe einer Kreisbewegung wurde die Winkelge-<br />
schwindigkeit ω verwendet. Im Zusammenhang mit Schwingungen <strong>und</strong> Wellen wird meist die Frequenz als<br />
beschreibender Parameter verwendet:<br />
1<br />
Definition: f = [ Hz]<br />
Frequenz der Schwingung<br />
T<br />
2π<br />
Wegen ω = = 2πf<br />
wird ω oftmals auch als Kreisfrequenz bezeichnet. Nur im Sonderfall der Kreisbe-<br />
T<br />
wegung stellt ω die Winkelgeschwindigkeit dar.
5.2 Schwingungen<br />
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 83<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />
5.2.1 Freie ungedämpfte Schwingung:<br />
m<br />
• Darstellung der Periodizität: z ( t)<br />
= z(<br />
t + T )<br />
5.2.2 Freie gedämpfte Schwingung:<br />
m<br />
5.2.3 Erzwungene Schwingung:<br />
m<br />
z = zm i n<br />
z = 0<br />
z = zm i n<br />
z = zm i n<br />
z = 0<br />
f<br />
z = zm i n<br />
fE<br />
• ständige Energiezufuhr von außen<br />
0<br />
• einmalige Anregung des Systems, danach keine<br />
äußere Erregung<br />
• Oszillator schwingt periodisch mit konstanter<br />
Eigenfrequenz f0 zwischen zwei Maximalwerten<br />
innerhalb Periodendauer<br />
T<br />
f<br />
z<br />
0<br />
0<br />
− Periodendauer<br />
1<br />
= − Frequenz<br />
T<br />
max<br />
, z<br />
0<br />
min<br />
− Scheitelwerte<br />
• einmalige Anregung des Systems, danach<br />
keine äußere Erregung<br />
• Energieentzug durch z.B. Reibung<br />
• Scheitelwert wir mit wachsender Zeit kleiner<br />
• Periodendauer Td wird größer, verglichen mit<br />
einem freien ungedämpften System gleicher<br />
Art.<br />
• periodische Erregung: Oszillatorsystem wird von außen mit der Erregerfrequenz fE<br />
<strong>und</strong> der Amplitude ZE angeregt<br />
• Eigenfrequenz des Systems:<br />
•<br />
Auslenkung z<br />
Resonatorfrequenz fr ist diejenige Frequenz, mit der das System ohne äußere Er-<br />
regung schwingen würde<br />
f<br />
f<br />
f<br />
E<br />
E<br />
E<br />
T0<br />
Auslenkung z<br />
Td<br />
T> T0<br />
d<br />
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 84<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
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5.3 Mathematische Beschreibung von Schwingungen<br />
Die mathematische Beschreibung von Schwingungen ist i.a. sehr komplex <strong>und</strong> schwierig, z.B. wenn folgen-<br />
de Schwingung betrachtet wird:<br />
Die gezeigte Schwingung ist zwar periodisch, jedoch ist ihre mathematische Beschreibung äußerst kompli-<br />
ziert.<br />
5.3.1 Harmonische Schwingungen:<br />
Der mathematische Formalismus vereinfacht sich erheblich, wenn sich die Schwingungen durch einfache<br />
Sinus- uns Kosinusfunktionen ausdrücken lässt. Solche Schwingungen werden harmonische Schwingungen<br />
genannt.<br />
Beispiel Kreispendel:<br />
Bestimmung der Bahngleichungen:<br />
Es war<br />
T0<br />
g<br />
ω 0 = 2π<br />
T = 2π<br />
= const.<br />
gleichförmige Drehbewegung<br />
l<br />
Dann gilt: ϕ( t ) = ω0<br />
⋅ t + ϕ0<br />
<strong>und</strong> x ( t)<br />
= r ⋅cos(<br />
ω ⋅ t + ϕ ) , y(<br />
t)<br />
= r ⋅ sin(<br />
ω ⋅ t + ϕ )<br />
Verallgemeinerung von ω 0 :<br />
0<br />
0<br />
y<br />
φ( t)<br />
x<br />
φ0<br />
0<br />
0
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 85<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
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ω 0 beschreibt die Zeitabhängigkeit von Winkelgrößen. Statt der Bedeutung der Winkelgeschwindigkeit bei<br />
Kreisbewegungen wird ω 0 verallgemeinert <strong>und</strong> bei der Beschreibung von Schwingungen <strong>und</strong> Wellen als<br />
Kreisfrequenz bezeichnet<br />
ω<br />
2π<br />
= = 2π<br />
⋅ f<br />
Kreisfrequenz 0<br />
0<br />
T0<br />
5.3.2 Differentialgleichung der freien ungedämpften Schwingung:<br />
Die treibende Kraft für die Masse ist die Federkraft. Potentielle<br />
Energie kommt nur in Form von Federdehnungen vor.<br />
bei x=0 sei die Feder entspannt, bei x>0 gedehnt, bei x
dx<br />
= −x<br />
0 ⋅ω<br />
0 ⋅ sin<br />
dt<br />
2<br />
d x<br />
2<br />
= −x<br />
2 0 ⋅⋅ω<br />
0 ⋅cos<br />
dt<br />
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 86<br />
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( ω ⋅ t + ϕ )<br />
0<br />
( ω ⋅ t + ϕ )<br />
0<br />
2<br />
D<br />
⇒ −x<br />
0 ⋅⋅ω<br />
0 ⋅<br />
t<br />
m<br />
0<br />
0<br />
( ω ⋅ t + ϕ ) + ⋅ x ⋅cos(<br />
ω ⋅ + ϕ ) = 0<br />
cos 0 0<br />
0<br />
0 0<br />
Die Gleichung hat eine allgemeine Lösung für beliebige Zeiten t, wenn<br />
2 D D<br />
ω0 = ⇒ ω0<br />
= <strong>und</strong> f0<br />
= 2π<br />
⋅<br />
m m<br />
D<br />
m<br />
Das bedeutet, dass die Eigenfrequenz des Systems nur von den charakteristischen Größen m <strong>und</strong> D des<br />
Oszillators abhängen.<br />
Die Größen x0 <strong>und</strong> ϕ0 sind bei dieser Berechnung noch unbestimmt geblieben. Sie können jedoch durch die<br />
sogenannten Anfangsbedingungen festgelegt werden. Diese können z.B. gegeben sein durch:<br />
x<br />
( t = 0)<br />
= x ⋅cos(<br />
ϕ )<br />
dx<br />
dt<br />
0<br />
( t = 0)<br />
= −x<br />
⋅ ω ⋅sin(<br />
ϕ )<br />
Eulersche Formel:<br />
0<br />
0<br />
0<br />
0<br />
Wie leicht zu prüfen ist, kann auch die Sinusfunktion als Lösung der Dgl. angesetzt werden. Ein allgemeine-<br />
rer Ansatz kann über die Verwendung der Eulerschen Formel geschehen:<br />
j(<br />
ωt+<br />
ϕ ) ( t)<br />
= x ⋅e<br />
= x ( cos(<br />
ωt<br />
+ ϕ ) + j⋅<br />
sin(<br />
ωt<br />
+ ) )<br />
x 0 ϕ<br />
0<br />
0<br />
0<br />
Der Ansatz kann in die Dgl eingesetzt werden <strong>und</strong> getrennt nach Real- <strong>und</strong> Imaginärteil gelöst werden.<br />
Mathematisches Pendel:<br />
Energiesatz:<br />
Eges =<br />
Ekin<br />
+ Epot<br />
=<br />
const.<br />
l<br />
α<br />
0<br />
h<br />
α<br />
m mg
1<br />
m ⋅g<br />
⋅h<br />
+ ⋅m<br />
⋅ v<br />
2<br />
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 87<br />
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2<br />
= const ⇒ m ⋅g<br />
⋅l<br />
⋅<br />
⇒ m⋅<br />
g⋅<br />
l⋅<br />
( 1−<br />
cosα<br />
)<br />
Differentiation der zweiten Gleichung nach der Zeit liefert<br />
d ⎛<br />
⎜m<br />
⋅g<br />
⋅l<br />
⋅<br />
dt ⎜<br />
⎝<br />
( 1−<br />
cosα<br />
)<br />
dα<br />
m ⋅g<br />
⋅l<br />
⋅sinα<br />
⋅ + m⋅<br />
l<br />
dt<br />
2<br />
1 ⎛ dα<br />
⎞ ⎞<br />
+ ⋅m<br />
⋅l<br />
⋅⎜<br />
⎟ ⎟ = 0<br />
2 ⎝ dt ⎠ ⎟<br />
⎠<br />
2<br />
2<br />
dα<br />
d α<br />
⋅ ⋅ = 0 2<br />
dt dt<br />
1 ⎛ ds ⎞<br />
+ ⋅m<br />
⋅⎜<br />
⎟<br />
2 ⎝ dt ⎠<br />
1<br />
2<br />
⎛ dα<br />
⎞<br />
⎜ ⎟<br />
⎝ dt ⎠<br />
= const<br />
2<br />
( 1−<br />
cosα<br />
) + ⋅m<br />
⋅l<br />
⋅ = const<br />
Diese Gleichung kann wiederum auf eine Normalenform gebracht werden:<br />
2<br />
d α g<br />
+ ⋅sinα<br />
= 0<br />
2<br />
dt l<br />
Die obige Gleichung stellt eine Differentialgleichung für α dar, die jedoch nicht analytisch lösbar ist. Um die<br />
Gleichung in eine Lineare Dgl. umwandeln zu können, wird die Sinusfunktion in eine Reihenentwicklung<br />
zerlegt. es gilt:<br />
3 5 7<br />
x x x<br />
sinx = x + + + ⎯⎯<br />
⎯ →sinx<br />
≈ x<br />
α
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 88<br />
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Diese Kraft beschleunigt die Masse in Bahnrichtung. Da es sich um ein abgeschlossenes System handelt,<br />
muss die Summe aller Kräfte Null werden, d.h. entsprechend dem dritten Newtonschen Axiom muss noch<br />
eine Gegenkraft wirksam sein. Diese Gegenkraft ist die Trägheitskraft<br />
F<br />
T<br />
2<br />
2<br />
d s d α<br />
= m ⋅a<br />
= m ⋅ = m ⋅l<br />
⋅<br />
2<br />
2<br />
dt dt<br />
Da dies in dem System die einzigen, in Bahnrichtung wirkenden Kräfte sind gilt entsprechend dem 3. New-<br />
tonschen Axiom<br />
2<br />
d α<br />
= −FB<br />
⇒ m ⋅l<br />
⋅ = −m<br />
⋅ g⋅<br />
sinα<br />
dt<br />
FT 2<br />
Für die weitere Behandlung dieser Gleichung kann wie oben verfahren werden.<br />
Gesamtenergie der freien ungedämpften Schwingung:<br />
Betrachtet werde wieder das Feder-Masse System<br />
folgt für den Energiesatz:<br />
E<br />
ges<br />
= E<br />
kin<br />
+ E<br />
1<br />
= ⋅m<br />
⋅ x<br />
2<br />
1<br />
= ⋅m<br />
⋅ x<br />
2<br />
1<br />
= ⋅m<br />
⋅ x<br />
2<br />
1<br />
= ⋅m<br />
⋅ x<br />
2<br />
pot<br />
2<br />
0<br />
2<br />
0<br />
2<br />
0<br />
2<br />
0<br />
f0<br />
x=0<br />
x<br />
Es gilt der Energiesatz<br />
Eges = Ekin<br />
+ Epot<br />
=<br />
mit<br />
x = x<br />
dx<br />
dt<br />
ω<br />
0<br />
0<br />
= −x<br />
=<br />
⋅cos<br />
0<br />
D<br />
m<br />
const.<br />
( ω ⋅ t + ϕ )<br />
⋅ ω<br />
0<br />
0<br />
⋅ sin<br />
1 ⎛ dx ⎞<br />
= ⋅m⎜<br />
⎟<br />
2 ⎝ dt ⎠<br />
1 2<br />
+ D ⋅ x<br />
2<br />
2 2<br />
⋅ω<br />
0 ⋅ sin 0 0<br />
1<br />
2<br />
0<br />
2 2<br />
⋅ω<br />
0 ⋅ sin 0 0<br />
1<br />
2<br />
0 0<br />
⎛<br />
⎞<br />
2 2<br />
2<br />
⋅ω<br />
⎜<br />
0 sin ( ω0<br />
⋅ t + ϕ0<br />
) + cos ( ω0<br />
⋅ t + ϕ0<br />
) ⎟<br />
⎜144444<br />
424<br />
444443<br />
⎟<br />
⎝<br />
= 1<br />
⎠<br />
2 1 2<br />
⋅ω<br />
0 = ⋅D<br />
⋅ x0<br />
= const.<br />
2<br />
( ω ⋅ t + ϕ )<br />
2 2<br />
( ω ⋅ t + ϕ ) + ⋅D<br />
⋅ x ⋅cos<br />
( ω ⋅ t + ϕ )<br />
2 2 2<br />
( ω ⋅ t + ϕ ) + ⋅m<br />
⋅ ω ⋅ x ⋅cos<br />
( ω ⋅ t + ϕ )<br />
0<br />
0<br />
0<br />
0<br />
0<br />
0<br />
0
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 89<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
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2<br />
1/2*D*x0 E kin,<br />
E pot, E kin, Epot, E ges,<br />
0,0*T0 0,5*T 0 1,0*T0 1,5*T0 2,0*T0<br />
x=0<br />
x=0 x=0 x=0<br />
x=0<br />
x=0 x=0 x=0 x=0<br />
5.3.3 Differentialgleichung der freien gedämpften Schwingung:<br />
Bei der freien gedämpften Schwingung wird dem oszillierenden System ständig Energie entzogen, z.B.<br />
durch Reibung. Es werden verschiedene Fälle unterschieden:<br />
1. geschwindigkeitstunabhängig FR = μ ⋅FN<br />
2. viskose Reibung = b ⋅ v,<br />
b = const<br />
2<br />
3. Strömungsreibung F = d⋅<br />
v , d = const.<br />
F R<br />
R<br />
Allgemein gilt, dass die Reibungskraft stets entgegengesetzt der Bewegungsrichtung wirkt. Am Beispiel des<br />
Feder-Masse-Systems gilt demnach:<br />
1. in Richtung +x: m ⋅& x&<br />
= −μ<br />
⋅FN<br />
−D<br />
⋅ x<br />
in Richtung –x: m ⋅& x&<br />
= + μ ⋅FN<br />
−D<br />
⋅ x<br />
insgesamt: m ⋅& x&<br />
± μ ⋅FN<br />
+ D ⋅ x = 0<br />
2. m ⋅ & x&<br />
= −b<br />
⋅ v − D⋅<br />
x ⇒ m ⋅ &x<br />
& + b ⋅ x&<br />
+ D ⋅ x = 0<br />
2<br />
2<br />
3. m ⋅&<br />
x&<br />
= −d⋅<br />
v − D ⋅ x ⇒ m⋅<br />
&x<br />
& + d⋅<br />
x&<br />
+ D ⋅ x = 0<br />
Gesucht sind nun die Lösungen <strong>zur</strong> Beschreibung der Zeitabhängigkeit der Bewegung, d.h. die Lösungen<br />
der Dgl’n für die drei Fälle.<br />
Eine analytische Lösung der Dgl’n ist bis auf die Dgl. der Strömungsreibung angebbar. Im Falle der Strö-<br />
mungsreibung handelt es sich nicht mehr um eine lineare Differentialgleichung. Deren Behandlung soll hier<br />
nicht mehr erfolgen, d.h. für die Strömungsreibung kann keine analytische Lösung angegeben werden. Auf<br />
eine Herleitung der Lösungen wird im Rahmen der Lösungen verzichtet.<br />
Lösung für Fall 1:<br />
es gilt das Gleichungssystem
μ ⋅F<br />
& x&<br />
±<br />
m<br />
N<br />
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 90<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />
D<br />
+ ⋅ x = 0<br />
m<br />
μ ⋅FN<br />
Substitution: s : = x ± ⇒ & s&<br />
= &x<br />
&<br />
D<br />
Dann wird aus der Gleichung<br />
μ ⋅F<br />
&x<br />
& ±<br />
m<br />
&s<br />
& + ω<br />
2<br />
0<br />
N<br />
⋅s<br />
=<br />
D ⎛ μ ⋅FN<br />
⎞<br />
+ ⋅⎜<br />
s m ⎟ = 0<br />
m ⎝ D ⎠<br />
0,<br />
ω<br />
2<br />
0<br />
=<br />
D<br />
m<br />
Dies ist die Differentialgleichung wie im ungedämpften Fall. Die substituierte Gleichung hat die Lösung<br />
0<br />
( ω ⋅ t + )<br />
s = s ⋅cos<br />
ϕ<br />
0<br />
0<br />
Nach Rücksubstitution von s ergibt sich für die Bewegung:<br />
μ ⋅F<br />
m<br />
⎛ μ ⋅F<br />
x<br />
⎝ m<br />
cos<br />
( ω ⋅ t + )<br />
N<br />
N<br />
x ± = ⎜ 0 ± ⎟ ⋅ 0 ϕ0<br />
Mit<br />
μ ⋅F<br />
xˆ =<br />
m<br />
Es ergibt sich schließlich<br />
N<br />
( x ± xˆ ) ⋅cos(<br />
ω ⋅ t + ϕ ) m xˆ<br />
x 0<br />
0 0<br />
= , mit<br />
⎞<br />
⎠<br />
μ ⋅F<br />
xˆ =<br />
m<br />
N<br />
Beachtet werden müssen hier die Vorzeichen! Ein Vorzeichenwechsel findet statt, wenn das System die<br />
Bewegungsrichtung umkehrt, d.h. wenn ω0 ⋅ t + ϕ0<br />
ein Vielfaches von π überschreitet.<br />
Lösung für Fall 2:<br />
Die Dgl für den zweiten Fall lässt sich schreiben als<br />
m ⋅ & x&<br />
+ d⋅<br />
x&<br />
Auch hier ist<br />
2<br />
d⋅<br />
+ D ⋅ x = 0 ⇔ &x<br />
& + x&<br />
m<br />
2<br />
D<br />
+ ⋅ x = 0<br />
m<br />
D<br />
ω 0 = die Kreisfrequenz der ungedämpften Schwingung<br />
m<br />
Ferner wird definiert der Abklingkoeffizient<br />
b<br />
δ =<br />
2m<br />
Üblich ist auch die Verwendung folgender Größen
Dämpfungsgrad<br />
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 91<br />
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Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />
D ~<br />
=<br />
δ<br />
ω<br />
Verlustfaktor D ~<br />
d = 2⋅<br />
Güte<br />
Damit folgt aus der Dgl:<br />
D x<br />
~<br />
& x&<br />
+ 2⋅<br />
⋅ &<br />
2<br />
+ ω<br />
2<br />
0<br />
⋅ x = 0<br />
Q =<br />
0<br />
D ~<br />
1 1<br />
=<br />
d 2⋅<br />
Bei der Lösung dieser Dgl muss unterschieden werden in 3 Fälle:<br />
a) Schwingfall: D 1<br />
~<br />
ω > δ,<br />
<<br />
0<br />
−δ⋅t<br />
Lösung der Dgl: x( t)<br />
= x ⋅e<br />
⋅cos(<br />
ω ⋅ t + ϕ )<br />
ω<br />
d<br />
=<br />
0<br />
ω<br />
2<br />
0<br />
− δ<br />
b) Kriechfall: D 1<br />
~<br />
ω < δ,<br />
><br />
Lösung der Dgl: x(<br />
t)<br />
0<br />
= x<br />
1<br />
⋅e<br />
c) Aperiodischer Grenzfall: D 1<br />
~<br />
ω = δ,<br />
=<br />
0<br />
x t<br />
2<br />
=<br />
2 2<br />
⎜<br />
⎛ −δ+<br />
δ −ω0<br />
⎟<br />
⎞⋅t<br />
⎝<br />
⎠<br />
−δ⋅t<br />
Lösung der Dgl: ( ) ( )<br />
=<br />
x<br />
1<br />
+ c<br />
2<br />
⋅ t ⋅e<br />
d<br />
2<br />
D b<br />
−<br />
m 4 ⋅m<br />
+ x<br />
2<br />
0<br />
2<br />
⋅e<br />
= ω<br />
0<br />
⋅<br />
2 2<br />
⎜<br />
⎛ −δ−<br />
δ −ω0<br />
⎟<br />
⎞⋅t<br />
⎝<br />
⎠<br />
D ~<br />
1−<br />
Der aperiodische Grenzfall hat in der Technik eine besondere Bedeutung, da er den Grenzfall darstellt, bei<br />
dem ein gedämpftes System gerade nicht mehr schwingt <strong>und</strong> sehr schnell den Endwert erreicht.<br />
2
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 92<br />
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x/x 0<br />
x/x 0<br />
1,0<br />
0,5<br />
0,0<br />
-0,5<br />
-1,0<br />
1,0<br />
0,5<br />
0,0<br />
aperiodischer<br />
Grenzfall<br />
- t<br />
e δ�<br />
Schwingfall<br />
5 10 15 20<br />
Kriechfall<br />
0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0<br />
Die Schwingungen sind in der Excel-Tabelle „schwingungen.xls“ dargestellt. In dieser Tabelle ist es<br />
möglich die Parameter der Schwingung zu variieren <strong>und</strong> das Verhalten der Schwingung zu studie-<br />
ren. Bitte machen Sie von dieser Möglichkeit regen Gebrauch!<br />
5.3.4 Differentialgleichung der erzwungenen Schwingung<br />
Wird einem schwingungsfähigen System eine äußere (periodische) Kraft zugeführt, so ergibt sich eine er-<br />
zwungene Schwingung.<br />
f E<br />
ω� t<br />
ω� t<br />
Ansatz über Newtonsche Bewegungsgleichung:<br />
FFeder + FReibung<br />
+ FErreger<br />
= m⋅<br />
a<br />
Der Erreger schwinge mit der Kreisfrequenz ω E . Dann ist<br />
m ⋅&x<br />
& = −D<br />
⋅ x − b ⋅ x&<br />
+ F<br />
⇔ &x<br />
& +<br />
b<br />
m<br />
E,<br />
0<br />
cos<br />
D FE,<br />
0<br />
⋅ x&<br />
+ ⋅ x = cos<br />
m m<br />
( ω ⋅ t)<br />
E<br />
( ω ⋅ t)<br />
Bei dieser Differentialgleichung handelt es sich um eine inhomogene lineare Dgl. Der Lösungsansatz für<br />
eine inhomogene Dgl lautet:<br />
f 0<br />
x=0<br />
x<br />
E
x = x + x<br />
inh<br />
hom<br />
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 93<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />
part<br />
wobei die homogen Lösung der Lösung der freien gedämpften Schwingung entspricht. Das bedeutet, dass<br />
in diesem Fall nur die partikuläre Lösung gesucht werden muss:<br />
Ansatz:<br />
j(<br />
ωE<br />
⋅t−γ<br />
)<br />
= xˆ ⋅ ( cos(<br />
ω ⋅ t − γ)<br />
+ j ⋅sin(<br />
ω ⋅ t − γ)<br />
)<br />
xpart = xˆ p ⋅e<br />
p<br />
E<br />
E<br />
Da xinh eine Lösung für den Resonator darstellt, hat γ die Bedeutung des Winkels, um den der Oszillator<br />
dem Erreger hinterher eilt.<br />
Ohne weiteren mathematischen Beweis können aus den Lösungen die Phasenverschiebung γ <strong>und</strong> der Amp-<br />
litudenverlauf $x p bestimmt werden. Hier wird zweckmäßigerweise das Verhältnis<br />
η ω<br />
ω<br />
= E<br />
0<br />
<strong>zur</strong> weiteren Berechnung eingeführt:<br />
Amplitudenresonanzfunktion:<br />
x$<br />
p<br />
=<br />
FE,<br />
0<br />
m⋅ ω − η + ⋅D ⋅ η<br />
0<br />
~<br />
( 1 ) ( 2 )<br />
Phasenresonanzfunktion<br />
( ω − ω )<br />
2 2 2<br />
~ ~<br />
ω ω η<br />
tanγ<br />
=<br />
η<br />
⋅ ⋅ ⋅<br />
= ⋅ ⋅<br />
2 D E 0 2 D<br />
2 2 2<br />
1−<br />
0<br />
E<br />
Aus den gef<strong>und</strong>enen Beziehungen lassen sich folgende Fälle ableiten:<br />
Quasistatische Erregung: η
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 94<br />
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• Einsturz von Häusern bei Erdbeben<br />
• Schwingungen von hohen Fernsehtürmen<br />
• „im Gleichschritt über Brücken marschieren“<br />
Bei vorhandener Dämpfung tritt die Resonanz immer dann ein, wenn die Amplitude des Oszillators maximal<br />
wird. Aus der Gleichung für die Amplitude<br />
x$<br />
p<br />
=<br />
FE,<br />
0<br />
m⋅ ω − η + ⋅D ⋅ η<br />
0<br />
~<br />
( 1 ) ( 2 )<br />
2 2 2<br />
lässt sich ablesen, dass die Amplitude maximal wird, wenn der Nenner auf der rechten Seite minimal wird:<br />
~<br />
( 1 ) ( 2 )<br />
m⋅ ω − η + ⋅D ⋅ η → Minimum<br />
oder<br />
0<br />
2 2 2<br />
d ⎛<br />
2 ⎞<br />
⎜m<br />
⋅ω 0 − η + ⋅D ⋅ η ⎟ =<br />
dη ⎝<br />
⎠<br />
2 2<br />
1 2 0<br />
~<br />
( ) ( )<br />
Hieraus folgt die Lösung für η:<br />
~ 2<br />
~<br />
η = 1− D , ω = ω ⋅ 1−<br />
D<br />
<strong>und</strong><br />
x$<br />
res E<br />
p, res<br />
FE,<br />
0<br />
=<br />
~ ~<br />
2⋅D ⋅m ⋅ω 1−<br />
D<br />
0<br />
0<br />
2<br />
2<br />
Eine Überhöhung der Amplitude tritt nur bis zu einer bestimmten Dämpfung auf<br />
Hochfrequente Erregung: η >> 1<br />
Bei der hochfrequenten Erregung geht die Amplitude der erzwungenen Schwingung gegen Null<br />
x$ p res → 0, γ → π<br />
,<br />
In der Praxis wird dieser Grenzfall z.B. bei der Schalldämmung verwendet. Eine Schallwelle, deren Fre-<br />
quenz sehr viel höher liegt als die Eigenfrequenz der Schallmauer, ist nicht in der Lage, die Mauer zum<br />
Schwingen an<strong>zur</strong>egen, wodurch sie gedämpft wird.<br />
Die Schwingungen sind in der Excel-Tabelle „schwingungen.xls“ dargestellt. In dieser Tabelle ist es<br />
möglich die Parameter der Schwingung zu variieren <strong>und</strong> das Verhalten der Schwingung zu studie-<br />
ren. Bitte machen Sie von dieser Möglichkeit regen Gebrauch!<br />
5.4 Überlagerung von Schwingungen
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 95<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />
Bei der Überlagerung von Schwingungen wird das Superpositionsprinzip angewendet, d.h. verschiedene<br />
Schwingungen überlagern sich ungestört, d.h. die eine Schwingung hängt nicht von dem momentanen Zu-<br />
stand der anderen Schwingung ab. Mathematisch entspricht dies der Addition der Schwingungsgleichungen.<br />
5.4.1 Schwingungen gleicher Raumrichtungen <strong>und</strong> gleicher Frequenz<br />
Für die beiden Schwingungen gilt:<br />
( ω ϕ )<br />
( ω ϕ )<br />
x = x ⋅ cos ⋅ t +<br />
1 1, 0 1<br />
x = x ⋅ cos ⋅ t +<br />
2 2, 0 2<br />
Bei der Überlagerung der Schwingungen ergibt sich<br />
( ω ϕ ) ( ω ϕ ) ( ω ϕ )<br />
x = x ⋅cos ⋅ t + + x ⋅cos ⋅ t + = x ⋅ cos ⋅ t +<br />
n 1, 0 1 2, 0 2 n, 0<br />
n<br />
Aus den Additionstheoremen der Kosinusfunktionen ergibt sich:<br />
( ϕ ϕ )<br />
2 2<br />
x = x + x + 2⋅<br />
x ⋅ x ⋅ −<br />
n, 0 1, 0 10 , 1, 0 2, 0 cos 1 2<br />
<strong>und</strong><br />
tanϕ<br />
n<br />
x10 , ⋅ sinϕ 1 + x2,<br />
0 ⋅sinϕ<br />
2<br />
=<br />
x ⋅ cosϕ + x ⋅cosϕ<br />
10 , 1 2, 0 2<br />
Die Schwingungen sind in der Excel-Tabelle „schwingungen.xls“ dargestellt. In dieser Tabelle ist es<br />
möglich die Parameter der Schwingung zu variieren <strong>und</strong> das Verhalten der Schwingung zu studie-<br />
ren. Bitte machen Sie von dieser Möglichkeit regen Gebrauch!<br />
Sonderfälle:<br />
gleichphasige Überlagerung:<br />
x = x Δϕ =<br />
10 , 2, 0, 0<br />
⇒ x = 2⋅<br />
x<br />
n<br />
⇒ ϕ = 0<br />
n<br />
1, 0<br />
maximale Verstärkung<br />
gegenphasige Überlagerung<br />
( )<br />
x10 , = x2, 0, Δϕ = 2⋅ n + 1 ⋅ π<br />
⇒ xn = 0<br />
gegenseitige Auslöschung<br />
⇒ ϕ = 0<br />
n
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 96<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
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5.4.2 Schwingungen gleicher Raumrichtungen <strong>und</strong> verschiedener Frequenz<br />
Für die beiden Schwingungen gilt allgemein:<br />
( ω ϕ )<br />
( ω ϕ )<br />
x = x ⋅ cos ⋅ t +<br />
1 1, 0 1 1<br />
x = x ⋅ cos ⋅ t +<br />
2 2, 0 2 2<br />
Das bedeutet, dass der eine Oszillator schneller schwingt, als der andere. Dieser Oszillator „überholt“ den<br />
anderen Oszillator. Anders ausgedrückt: Der Gangunterschied, d.h. die Phasendifferenz beider Oszillatoren,<br />
ändert sich in Abhängigkeit der Zeit.<br />
Schwebung:<br />
Hier existiert ein Sonderfall, wenn die Schwingungen gleiche Amplituden haben<br />
x = x = x<br />
10 , 2, 0 0<br />
ϕ = ϕ =<br />
1 2 0<br />
In diesem Fall lassen sich Additionstheoreme anwenden:<br />
( cos( ω ) cos(<br />
ω ) )<br />
xn = x0 ⋅ 1 ⋅ t + 2 ⋅ t<br />
⎛ ω1 + ω 2 ⎞ ⎛ ω1 − ω 2 ⎞<br />
= 2x0<br />
⋅cos⎜<br />
⋅ t⎟ ⋅ cos⎜<br />
⋅ t⎟<br />
⎝ 2 ⎠ ⎝ 2 ⎠<br />
Wenn nun noch<br />
ω ≈ ω<br />
1 2<br />
ω ω<br />
⇒<br />
+<br />
1 2<br />
2<br />
Damit wird<br />
≈ ω<br />
( ω ) ( π )<br />
x = 2x0 ⋅cos ⋅ t ⋅cos ⋅f ⋅ t<br />
n S<br />
wobei fS die Schwebungsfrequenz ist.<br />
Die Schwingungen sind in der Excel-Tabelle „schwingungen.xls“ dargestellt. In dieser Tabelle ist es<br />
möglich die Parameter der Schwingung zu variieren <strong>und</strong> das Verhalten der Schwingung zu studie-<br />
ren. Bitte machen Sie von dieser Möglichkeit regen Gebrauch!<br />
Über Schwebungsvergleiche können sehr feine Frequenzabstimmungen durchgeführt werden. Eine Anwen-<br />
dung ist z.B. das Stimmen von Musikinstrumenten.<br />
Die Überlagerung von mehreren Schwingungen kann nach demselben Verfahren durchgeführt werden. Je<br />
nach Verhältnis der Amplituden, Phasenlagen <strong>und</strong> Kreisfrequenzen lassen sich beliebige Gesamtschwin-<br />
gungsformen zusammensetzen.<br />
Eine Gesamtschwingung lässt sich beschreiben als
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
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Seite 97<br />
ges<br />
n<br />
∑<br />
m=<br />
0<br />
m, 0 cos(<br />
ωm ϕ m )<br />
x = x ⋅ ⋅ t +<br />
Fourier-Analyse:<br />
Es lässt sich zeigen, dass sich jede periodisch wiederholende Schwingung durch die Fourier-Reihe<br />
( ω ϕ )<br />
ges<br />
∞<br />
∑<br />
m=<br />
0<br />
m, 0 cos 0 m<br />
x = x ⋅ m⋅ ⋅ t +<br />
darstellen lässt.<br />
f0 = ω 0 2π<br />
wird dabei als Gr<strong>und</strong>frequenz bzw. Gr<strong>und</strong>schwingung bezeichnet,<br />
f 2f<br />
= als erste Oberfrequenz bzw. Oberschwingung,<br />
1 0<br />
f 3f<br />
= als zweite Oberfrequenz bzw. Oberschwingung usw.<br />
1 0<br />
Die Amplituden <strong>und</strong> Phasen der Einzelschwingungen bestimmen dabei eindeutig das Aussehen der Ge-<br />
samtschwingung.<br />
Der oben angegebene Phasenfaktor lässt sich darüber hinaus noch mit in die Koeffizienten integrieren:<br />
cos α + β = cosα ⋅cosβ − sinα ⋅ sinβ<br />
Es gilt: ( )<br />
Damit lässt sich die obige Summation auch schreiben als:<br />
( ) = 0, 0 ⋅ cos( ϕ 0 ) + ∑ , 0 ⋅ cos( ϕ ) cos( ⋅ ω 0 ⋅ ) + ∑ m, 0 ⋅ sin( − ϕ m ) sin(<br />
⋅ ω 0 ⋅ )<br />
x t x x m t x m t<br />
ges m m<br />
m=<br />
1<br />
∞<br />
∞<br />
a 0<br />
= + ⋅ ⋅ ⋅ + ⋅ ⋅ ⋅<br />
2<br />
∑ a m cos( m ω 0 t) ∑ b m sin(<br />
m ω 0 t)<br />
m=<br />
1<br />
∞<br />
m=<br />
1<br />
Dies ist eine übliche Darstellung der Fourier-Reihe.<br />
Die Fourier-Koeffizienten lassen sich wiederum bei bekannter Gesamtschwingungen berechnen nach:<br />
T<br />
∫<br />
( ) cos ( ω ) , ( 0, 1, 2,...<br />
)<br />
a = x t ⋅ m ⋅ ⋅ t m =<br />
m ges<br />
0<br />
T<br />
∫<br />
( ) sin ( ω ) , ( 1, 2,...<br />
)<br />
b = x t ⋅ m ⋅ ⋅ t m =<br />
m ges<br />
0<br />
0<br />
0<br />
Die Zerlegung in die einzelnen Frequenzanteile liefert somit das charakteristische Frequenzspektrum einer<br />
Schwingung.<br />
Eine Rechteckschwingung lässt sich z.B. darstellen durch:<br />
x t<br />
ges<br />
4 ⋅ x ⎛ 1<br />
1<br />
⎞<br />
⎜ sin ⋅ + sin ⋅ + sin ⋅ + .....<br />
⎟<br />
π ⎝ 3<br />
5<br />
⎠<br />
0 ( ) = ( ω t) ( 3ω<br />
t) ( 5ω<br />
t)<br />
∞<br />
m=<br />
1
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 98<br />
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Rechteckschwingungen sind in der Excel-Tabelle „schwingungen.xls“ dargestellt. In dieser Tabelle<br />
ist es möglich die Parameter der Schwingung zu variieren <strong>und</strong> das Verhalten der Schwingung zu<br />
studieren. Bitte machen Sie von dieser Möglichkeit regen Gebrauch!<br />
Die Fourier-Analyse hat in der Praxis eine große Bedeutung <strong>und</strong> wird oft angewendet. Neben den periodisch<br />
ablaufenden Vorgängen, ist es auch möglich, diskrete Vorgänge, die entweder nicht periodisch sind oder nur<br />
eine begrenzte Zeitdauer anhalten, mit der Fourier-Analyse zu bearbeiten. Das Frequenzspektrum ist dann<br />
jedoch nicht mehr diskret, sondern kontinuierlich aufgebaut. Die beiden Gleichungssysteme der Zeit- <strong>und</strong><br />
Frequenzfunktion lassen sich dann wie folgt darstellen:<br />
∞<br />
1<br />
f( t) = ∫ a( ω) ⋅ exp(<br />
j⋅ ω ⋅ t) dω<br />
2π<br />
−∞<br />
∞<br />
1<br />
a( ω)<br />
= ∫ f( t) ⋅ exp(<br />
− j⋅ ω ⋅ t) dt<br />
2π<br />
−∞<br />
5.4.3 Schwingungen verschiedener Raumrichtungen <strong>und</strong> Frequenzen<br />
Diese Form der Überlagerung führt meist zu einer sehr ungeordneten Bewegung, deren Beschreibung meist<br />
sehr schwierig ist. Allgemein gelten aber auch hier die gleichen Gesetzmäßigkeiten wie vorher beschrieben.<br />
Bestimmte Kombinationen aus Frequenzverhältnissen <strong>und</strong> Phasenlage liefern die Lissajous-Figuren. An<br />
dieser Stelle sei auf das Praktikum verwiesen.<br />
5.5 Wellen<br />
5.5.1 Allgemeines<br />
• Die räumliche Kopplung von Oszillatoren führt zu einer räumlichen Ausbreitung des Schwingungszu-<br />
standes<br />
• Die Fortpflanzungsgeschwindigkeit ist endlich<br />
• Eine <strong>zur</strong> Ausbreitungsrichtung senkrechte Schwingung wird transversale Welle genannt<br />
• Eine <strong>zur</strong> Ausbreitungsrichtung parallele Schwingung wird longitudinale Welle genannt<br />
• Bei einer Wellenbewegung wird keine Materie transportiert sondern nur Energie<br />
Wellenlänge l:<br />
Unter der Wellenlänge wird die Strecke verstanden, die ein Schwingungszustand innerhalb der Schwin-<br />
gungsperiode mit der Ausbreitungsgeschwindigkeit c <strong>zur</strong>ücklegt.<br />
λ<br />
Ausbreitungsgeschwindigkeit: c = = λ<br />
⋅f<br />
T
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 99<br />
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• Eine Wellenausbreitung findet auch im Kontinuum statt, d.h. es bedarf keiner einzelner an Fäden oder<br />
Federn aufgehängter Oszillatoren:<br />
• Schallwellen in Flüssigkeiten <strong>und</strong> Gasen (nur longitudinal)<br />
• transversale Oberflächenwellen in Grenzschichten von Flüssigkeiten<br />
• Festkörper: T- <strong>und</strong> L- Wellen<br />
• elektromagnetische Wellen können sich auch ohne Übertragungsmedium ausbreiten.<br />
Wellenfront: Ausbreitung eines gleichartigen Schwingungszustandes:<br />
5.5.2 Harmonische Wellen<br />
y<br />
Kugelwelle ebene Welle<br />
Die mathematische Beschreibung harmonischer<br />
Wellen kann über Sinus- <strong>und</strong> Kosinusfunktionen<br />
geschehen.<br />
Die harmonische Anregung eines Oszillators<br />
führt ebenso zu einer harmonischen Anregung<br />
der Nachbaroszillatoren. Diese werden dann<br />
ebenfalls harmonische Schwingungen durchfüh-<br />
ren, die jedoch gegenüber dem ersten Oszillator<br />
zeitlich verschoben sind.<br />
Der Oszillator 1 befinde sich am Ort x=0 <strong>und</strong> schwinge nach y( t) = y ⋅ ( ⋅ t + )<br />
cos ω ϕ am Ort x=0<br />
0 0<br />
Die Ausbreitungsgeschwindigkeit sei c. Die Welle erreicht eine beliebige Stelle x demnach nach einer Zeit<br />
von<br />
Δt<br />
x<br />
=<br />
c<br />
x<br />
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10<br />
Dieser Oszillator an der Stelle x schwingt somit verzögert um die Zeit Δt:<br />
( ω Δ ϕ )<br />
( ) ( )<br />
y' t = y' ⋅cos ⋅ t − t +<br />
0 0<br />
y t<br />
c x<br />
⎛ ω<br />
= ' ⋅cos⎜ω ⋅ − + ϕ<br />
⎝<br />
0 0<br />
⎞<br />
⎟<br />
⎠<br />
ω 2π ⋅ f 2π<br />
Die Größe = = = k wird Wellenzahlvektor genannt (in drei Raumrichtungen ist k ein Vektor!)<br />
c c λ
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 100<br />
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Die Beschreibung der Welle lässt sich somit durch die Wellengleichung durchführen:<br />
Wellengleichung: y( t) = y ⋅cos( ω ⋅ t − k ⋅ x + ϕ )<br />
0 0<br />
Welle, die in positive x-Richtung läuft.<br />
5.5.3 Energietransport:<br />
Beim Oszillator war die Gesamtenergie berechnet zu<br />
1 2 2 1<br />
Eges = m⋅ x0 ⋅ ω 0 = m ⋅ v<br />
2<br />
2<br />
v0 ist die Geschwindigkeitsamplitude.<br />
2<br />
0<br />
Der gleiche Ansatz kann für ein Massenelement dm (einzelner Oszillator der Welle) der Welle gewählt wer-<br />
den:<br />
1 2 2<br />
dEges = dm⋅ y0<br />
⋅ω<br />
0<br />
2<br />
1<br />
2<br />
= ρ ⋅dV ⋅ y0<br />
⋅ω<br />
2<br />
2<br />
0<br />
in diesem Zusammenhang wird die Energiedichte definiert, d.h. die gesamte Energie pro Volumeneinheit:<br />
Energiedichte w dE 1 2<br />
= = ρ⋅ y0<br />
⋅ ω<br />
dV 2<br />
2<br />
0<br />
Die Energie , die pro Zeiteinheit eine Fläche dA senkrecht durchsetzt wird Intensität oder Energiestrom-<br />
dichte genannt.<br />
dE dE dV dE dx<br />
S<br />
w c<br />
dA dt dV dA dt dV dt = = ⋅ = ⋅ = ⋅<br />
⋅<br />
⋅<br />
Somit wird<br />
dE 1 2 2<br />
S = w ⋅ c = = c ⋅ρ ⋅ y0<br />
⋅ ω 0 Intensität mechanischer Wellen<br />
dV 2<br />
Beispiele:<br />
ebene Wellen: Die Intensität der Wellen bleibt gleich, da sich die Amplitude <strong>und</strong> die Größe der schwingen-<br />
den Fläche nicht ändern. Die Anzahl der Massenpunkt bleibt gleich. Die Schwingungsamplitude bleibt dem-<br />
nach gleich:<br />
( ) ∝ cos( ω<br />
− )<br />
y t t kx
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 101<br />
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Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />
Kugelwellen. Die Kugelwelle breitet sich von einem Zentrum ausgehend aus. Die Fläche, auf der sich die<br />
Gesamtenergie verteilt, wächst mit dem Quadrat des Radius. Aus diesem Gr<strong>und</strong> muss die Amplitude der<br />
Schwingung mit 1/r kleiner werden, d.h. es gilt:<br />
( ) ∝ ( t − kr)<br />
y t<br />
1<br />
cos ω<br />
r<br />
Wellengleichung:<br />
Analog zu den reinen Schwingungen kann auch für sich räumlich ausbreitende Wellen eine Dgl. aufgestellt<br />
werden. Diese Dgl. wird Wellengleichung genannt. Sie wurde erstmals von Euler berechnet.<br />
Allgemeine Form der Wellengleichung:<br />
2<br />
δ y<br />
2 = c<br />
δt<br />
2<br />
2<br />
δ y<br />
2<br />
δx<br />
wobei c die Phasengeschwindigkeit darstellt. C gibt also an, wie schnell sich ein Schwingungszustand mit<br />
konstanter Phase (z.B. Berg, Tal, Nulldurchgang) ändert.<br />
Ebene Wellen:<br />
Der Zustand konstanter Phase ist definiert durch:<br />
ωt − kx + ϕ = const.<br />
0<br />
ω ϕ<br />
x<br />
k<br />
ω<br />
t<br />
0 − const<br />
⇒ = +<br />
k<br />
dx<br />
⇒ vPh<br />
= =<br />
dt k<br />
Andererseits gilt:<br />
( ) = ⋅cos( ω − + ϕ )<br />
y t y t kx<br />
0 0<br />
Eingesetzt in die Wellengleichung liefert dies:<br />
( )<br />
2<br />
δ y t<br />
2<br />
δt<br />
2<br />
δ y t<br />
2<br />
δx<br />
( )<br />
( )<br />
2<br />
= −ω ⋅ y ⋅ cos ωt − kx + ϕ<br />
0 0<br />
( ω ϕ )<br />
= − ⋅ ⋅ − +<br />
2<br />
k y0 cos t kx 0<br />
Daraus folgt insgesamt für die Ausbreitungs- oder Fortpflanzungsgeschwindigkeit:<br />
c<br />
=<br />
k<br />
ω<br />
Bei dieser Wellenart sind Fortpflanzungsgeschwindigkeit <strong>und</strong> Phasengeschwindigkeit identisch.<br />
5.5.4 Interferenz von Wellen
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 102<br />
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Wie bei den Schwingungen gilt auch bei der Überlagerung von Wellen das Superpositionsprinzip. Hierbei ist<br />
jedoch zu beachten, dass sowohl die zeitliche als auch die räumliche Überlagerung der Wellen beachtet<br />
werden muss.<br />
Die Überlagerung von Wellen an bestimmten Raumpunkten wir Interferenz genannt.<br />
Überlagerung von Wellen gleicher Frequenz:<br />
Betrachtet werden sollen zwei Wellen, die in x-Richtung laufen:<br />
( ω )<br />
y = y ⋅cos t − kx<br />
1 0<br />
( ω ϕ )<br />
y = y ⋅cos t − kx +<br />
2 0<br />
Die Phasenverschiebung ϕ kann ausgedrückt werden als Vielfaches der Wellenlänge λ:<br />
Gangunterschied: Δ = ϕ<br />
π λ<br />
2<br />
Somit wird<br />
⎛ 2πΔ⎞<br />
y2 = y0 ⋅ cos⎜ωt − kx + ⎟<br />
⎝ λ ⎠<br />
Die resultierende Welle ergibt sich dann aus<br />
⎛ ϕ⎞<br />
⎛ ϕ⎞<br />
yges = y1 + y2 = 2y<br />
0 ⋅cos⎜<br />
⎟ ⋅cos⎜ωt − kx + ⎟<br />
⎝ 2⎠ ⎝ 2⎠<br />
⎛ πΔ⎞<br />
⎛<br />
= 2y<br />
0 ⋅cos⎜<br />
⎟ ⋅ cos⎜ωt<br />
− kx +<br />
⎝ λ ⎠ ⎝<br />
Fallunterscheidung:<br />
( )<br />
Δ = 0 ϕ = 0 : y = 2y<br />
ges,0 0<br />
πΔ⎞<br />
⎟<br />
λ ⎠<br />
λ<br />
Δ = ( ϕ = π)<br />
: yges = 0 Auslöschung beider Wellen<br />
2<br />
Verallgemeinerung:<br />
konstruktive Interferenz: Δ = m⋅ λ, m = 0, 12 , ,.... maximale Verstärkung<br />
destruktive Interferenz: ( )<br />
λ<br />
Δ = 2m + 1 ⋅ , m = 012 , , ,.... gegenseitige Auslöschung<br />
2<br />
Die Interferenz von Wellen spielt in vielen technischen Geräten eine große Rolle, wobei jedoch meist Licht-<br />
wellen verwendet werden (Spektrometer)<br />
Hinweis zum Praktikum:<br />
Ein Versuch <strong>zur</strong> Bestimmung des Brechungsindexes verwendet ein Michelson-Interferometer, in dem der<br />
Gangunterschied von zwei sich überlagernden Lichtwellen gemessen werden kann. Wenn der Gangunter-
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Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />
schied beider Lichtwellen gerade ein Vielfaches der halben Wellenlänge beträgt, löschen sich beide Licht-<br />
wellen gegenseitig aus. Änderungen des optischen Weges können so in der Größenordnung der verwende-<br />
ten Lichtwellenlänge bestimmt werden.<br />
5.5.5 Stehende Wellen<br />
Stehende Wellen entstehen, wenn zwei Wellen gleicher Frequenz aber entgegengesetzter Laufrichtung sich<br />
gegenseitig überlagern:<br />
( ω )<br />
y = y ⋅cos t − kx<br />
1 0<br />
( ω ϕ )<br />
y = y ⋅ cos t + kx +<br />
2 0<br />
Für die resultierende Welle ergibt sich dann:<br />
⎛ ϕ⎞ ⎛ ϕ ⎞<br />
yges = y1 + y2 = 2y<br />
0 ⋅ cos⎜ωt + ⎟ cos⎜kx<br />
+ ⎟<br />
⎝ 2⎠ ⎝ 2⎠<br />
Wenn das Argument der zweiten Kosinusfunktion ein Vielfaches von π/2 wird, ist die resultierende Schwin-<br />
gung Null. Das bedeutet, dass es ortsfeste Punkte in der Ausbreitungsrichtung der Welle gibt, die die<br />
Schwingungsamplitude Null haben <strong>und</strong> die einen Abstand λ/2 voneinander aufweisen.<br />
y<br />
λ/2<br />
Stehende Wellen können erzeugt werden, indem eine fortlaufende Welle an einem Hindernis reflektiert<br />
wird. Hierbei gilt allgemein:<br />
festes<br />
Ende<br />
loses<br />
Ende<br />
Reflexion am festen Ende: Phasensprung um π<br />
Reflexion am losen Ende: kein Phasensprung<br />
Anwendungen Musikinstrumente:<br />
Ausbreitung von Schallwellen in offenen <strong>und</strong> gedackten Orgelpfeifen<br />
Wenn die Pfeife offen ist, bilden sich an beiden Enden Schwingungsbäuche<br />
aus. Wenn die Pfeife auf der einen Seite geschlossen ist, bildet sich am ge-<br />
schlossenen Ende ein Schwingungsknoten, am offenen Ende dagegen ein<br />
Schwingungsbauch aus. Die Länge der Orgelpfeife ist verantwortlich für die Tonhöhe.<br />
offene Pfeife gedackte Pfeife<br />
x
Gr<strong>und</strong>schwingung<br />
1. Oberschwingung<br />
2. Oberschwingung<br />
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 104<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
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λ c<br />
λ c<br />
l = ⇒ f0<br />
= l = ⇒ f0<br />
=<br />
2 2⋅<br />
l<br />
4 4 ⋅l<br />
l = f f<br />
⋅ 2 λ<br />
⇒ = 2⋅<br />
2<br />
1 0<br />
l = f f<br />
⋅ 3 λ<br />
⇒ = 3 ⋅<br />
2<br />
2 0<br />
n-te Oberschwingung ( n + ) ⋅ λ<br />
l = ⇒ = ( + ) ⋅<br />
Schwingende Saite:<br />
Kaul, 6.10.98, orgel.cdr<br />
Amplitude der<br />
Longitudinalschwingung<br />
Schwingungsknoten<br />
1<br />
2<br />
f n f<br />
n<br />
1 0<br />
l = f f<br />
⋅ 3 λ<br />
⇒ = 3 ⋅<br />
4<br />
1 0<br />
l = f f<br />
⋅ 5 λ<br />
⇒ = 5 ⋅<br />
4<br />
l =<br />
offene Orgelpfeifen<br />
gedackte Orgelpfeifen<br />
2 0<br />
( 2n + 1)<br />
⋅ λ<br />
⇒ = ( + ) ⋅<br />
Gr<strong>und</strong>schwingung 1. Oberschwingung 2. Oberschwingung<br />
Gr<strong>und</strong>schwingung 1. Oberschwingung 2. Oberschwingung<br />
4<br />
fn 2n 1 f0<br />
Länge l der Pfeife
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 105<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
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Länge l<br />
Bei der schwingenden Seite sind beide Enden fest ein-<br />
gespannt. Die Gr<strong>und</strong>schwingung besitzt demnach auf<br />
beiden Enden einen Schwingungsbauch. Die Länge der<br />
Seite entspricht demnach der halben Wellenlänge, ähn-<br />
lich wie bei der offenen Pfeife. Als erste Oberschwin-<br />
gung tritt ein weiterer Knoten in der Mitte der Seite auf,<br />
es bildet sich genau eine Wellenlänge auf der Seite aus.<br />
Die sich einstellende Frequenz der Schwingung ist ab-<br />
hängig von der Ausbreitungsgeschwindigkeit der Welle. Diese wiederum hängt von der Vorspannung der<br />
Saite ab. Daher kann ein Saiteninstrument durch Verändern der Vorspannung gestimmt werden.
6 OPTIK<br />
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 106<br />
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6.1 Dualismus <strong>Teil</strong>chen Welle<br />
Welleneigenschaften des Lichtes:<br />
• Interferenz, Beugung<br />
• Reflexion, Brechung<br />
• Huygenssches Prinzip<br />
• geradlinige Ausbreitung des sichtbaren Lichtes<br />
<strong>Teil</strong>cheneigenschaften des Lichtes (Photonen)<br />
• Wechselwirkung mit Materie, z.B. Photoeffekt<br />
• Emission <strong>und</strong> Absorption von Lichtquanten (Laser, Leuchtdioden, Spektrallinien)<br />
Allgemeine Eigenschaften<br />
10 -16<br />
10 -14<br />
10 -12<br />
10 -10<br />
10 -8<br />
10 -6<br />
10 -4<br />
10 -2<br />
10 0<br />
10 2<br />
10 4<br />
10 6<br />
10 8<br />
Elektromagnetisches Spektrum<br />
Wellenlänge<br />
Frequenz<br />
λ [m] f [Hz]<br />
10 24<br />
10 22<br />
10 20<br />
10 18<br />
10 16<br />
10 14<br />
10 12<br />
10 10<br />
10 8<br />
10 6<br />
10 4<br />
10 2<br />
Röntgenstrahlung<br />
Mikrowellen<br />
UKW<br />
KW<br />
MW<br />
LW<br />
γ-Strahlung<br />
sek<strong>und</strong>äre<br />
Höhenstrahlung<br />
UV<br />
(Ultraviolett)<br />
sichtbares<br />
Licht<br />
IR<br />
(Infrarot)<br />
Fernsehen<br />
Hörfunk<br />
Photonenenergie<br />
E [eV]<br />
10 10<br />
10 8<br />
10 6<br />
10 4<br />
10 2<br />
10 0<br />
10 -2<br />
10 -4<br />
10 -6<br />
10 -8<br />
10 -10<br />
10 -12<br />
10 0 10 -14<br />
technischer<br />
Wechselstrom<br />
8<br />
Lichtgeschwindigkeit im Vakuum: c = 299792458m<br />
s ≈ 3 ⋅10<br />
m s<br />
Licht kann als elektromagnetische Welle dargestellt werden.<br />
Vak<br />
390<br />
400<br />
450<br />
500<br />
550<br />
600<br />
650<br />
700<br />
750<br />
790<br />
Wellenlänge λ [nm]
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 107<br />
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elektrische<br />
Feldkomponente<br />
6.2 Huygenssches Prinzip<br />
magnetische<br />
Feldkomponente<br />
Die elektrische <strong>und</strong> magnetische<br />
Feldkomponenten stehen aufeinander<br />
senkrecht<br />
Ausbreitungsrichtung<br />
Mit Hilfe des Huygensschen Prinzips lässt sich die Ausbreitung von Lichtwellen berechnen, auch dann,<br />
wenn das Licht auf ein Hindernis stößt bzw. durch ein Hindernis hindurchtritt.<br />
Das Huygenssche Prinzip besagt:<br />
Ausbreitung einer Elementarwelle<br />
Wellenzentrum<br />
Δr = c Δt<br />
Ausbreitung einer geraden <strong>und</strong><br />
kugelförmigen Wellenfront<br />
Jeder Punkt einer Wellenfront ist Ausgangspunkt einer<br />
neuen Elementarwelle, die die gleiche Ausbreitungsge-<br />
schwindigkeit <strong>und</strong> Frequenz wie die ursprüngliche Welle<br />
hat. Die Einhüllende aller Elementarwellen ergibt die Wel-<br />
lenfront zu einem späteren Zeitpunkt.<br />
Die Konstruktion von Wellenfronten ist nur dann möglich, wenn<br />
die Ausbreitung in die Rückwärtsrichtung vernachlässigt wird.<br />
Dieses Prinzip wurde später von Fresnel modifiziert. Die prinzi-<br />
pielle Vorgehensweise wurde dabei beibehalten, jedoch wurden<br />
die Intensitäten <strong>und</strong> Phasen der Wellen mit berücksichtigt. Fres-<br />
nel konnte somit zeigen,<br />
• dass die Intensität der Welle von der Phase abhängt <strong>und</strong><br />
• dass die Intensität der rücklaufenden Welle gleich Null ist.<br />
Lichtstrahlen: Unter Lichtstrahlen werden die Linien bezeichnet, die senkrecht auf den Wellenfronten<br />
stehen <strong>und</strong> in die Richtung der Wellenausbreitung zeigen.
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 108<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
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Das Huygenssche Prinzip kann genutzt werden, um Phänomene wie Reflexion, Brechung <strong>und</strong> Beugung zu<br />
erklären.<br />
6.2.1 Reflexion <strong>und</strong> Brechung<br />
An dieser Stelle seien die empirischen Bef<strong>und</strong>e der Reflexion <strong>und</strong> Brechung genannt, die mit Hilfe des Huy-<br />
gensschen Prinzips erklärt werden können.<br />
Trifft ein Lichtstrahl auf eine ebene Fläche, so wird er reflektiert <strong>und</strong> gebrochen, d.h. ein <strong>Teil</strong> des Strahles<br />
wird in die andere Richtung gelenkt <strong>und</strong> ein anderer <strong>Teil</strong> tritt in das Medium ein.<br />
Für die Reflexion gilt:<br />
Beweis:<br />
Einfallswinkel = Ausfallswinkel: 1 2 α = α<br />
Gegeben sei ein Lichtbündel, welches unter einem Winkel α <strong>zur</strong> Normalen auf eine spiegelnde Fläche fällt.<br />
1. Wenn der Lichtstrahl bei A auf die Fläche fällt bildet sich in A eine Elementarwelle. Zu diesem Zeitpunkt<br />
liegt die Wellenfront in A-A'<br />
2. Der zweite Lichtstrahl fällt einen Zeitpunkt später auf die Fläche, der dritte noch später usw. Alle Ele-<br />
mentarwellen bilden wiederum eine Wellenfront.<br />
3. Wenn der letzte Lichtstrahl im Punkt auftrifft <strong>und</strong> dort eine Elementarwelle aussendet, liegt die neu ge-<br />
bildete Wellenfront in der Verbindung B-B'.<br />
4. Da die Fortpflanzungsgeschwindigkeiten der Wellen gleich bleiben, ist der Radius der Welle in A gerade<br />
gleich groß dem Weg A'-B, d.h. es gilt A-B'=A'-B
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 109<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
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5. Die beiden Dreiecke A'-A-B <strong>und</strong> A-B-B' sind kongruent, da sie eine gleiche Gr<strong>und</strong>seite <strong>und</strong> die Seiten A-<br />
B' <strong>und</strong> A'-B gleich lang sind. Daher sind auch die Winkel γ 1 <strong>und</strong> γ 2 gleich groß.<br />
6. Aus geometrischen Überlegungen folgt aber auch, dass γ 1 = α <strong>und</strong> γ 2 = α <strong>und</strong> somit insgesamt α = β<br />
Wenn die Oberfläche glatt ist, kann sie <strong>zur</strong> Abbildung von Oberflächen verwendet werden (reguläre Refle-<br />
xion), z.B.<br />
• beim Spiegel, Strahlengänge in Spektrometern, Autoscheinwerfer etc.<br />
Im Gegensatz dazu bewirken raue Oberflächen, dass das Lichtbündel in viele verschiedene Richtungen<br />
gestreut wird (diffuse Reflexion oder Streuung). Eine Abbildung ist dann nicht mehr möglich.<br />
Beispiele:<br />
• Mattscheibe, weiße Gardinen, Straßenbelag im Scheinwerferlicht<br />
Für die Brechung gilt:<br />
Die Ausbreitungsgeschwindigkeit eines Lichtstrahls ist vom Medium bzw. der Brechzahl des Mediums ab-<br />
hängig:<br />
c<br />
Brechzahl n: n Medium =<br />
c<br />
Hieraus folgt unmittelbar das Brechungsgesetz von Snellius:<br />
Beweis:<br />
dien sind c 1 = c Vak /n 1 <strong>und</strong> c 2 = c Vak /n 2 .<br />
Vakuum<br />
Medium<br />
Brechungsgesetz: ⋅ sinα<br />
= n ⋅ sinβ<br />
n1 2<br />
Gegeben sei ein Strahl, der auf ein Medium<br />
trifft <strong>und</strong> dort gebrochen wird. Oberhalb der<br />
Trennlinie sei der Brechungsindex n 1 , un-<br />
terhalb n 2 .<br />
1. Wenn der Strahl in A auftrifft, sendet<br />
er eine Elementarwelle aus, die sich in<br />
das Medium hinein fortpflanzt. In A'<br />
wird zeitgleich eine Elementarwelle<br />
ausgesandt, die sich jedoch noch im<br />
Medium 1 ausbreitet.<br />
2. Die Geschwindigkeiten in beiden Me-<br />
3. In der Zeit, die der Strahl zum Durchlaufen der Strecke A'-B in Medium 1 benötigt, breitet sich die<br />
Elementarwelle von A bis zum Punkt B' aus. Die neue Wellenfront verläuft somit in der Verbindung<br />
zwischen B-B'.
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 110<br />
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4. Die gesuchten Zeiten errechnen sich aus den Ausbreitungsgeschwindigkeiten:<br />
Δ t<br />
1<br />
= Δt<br />
Fallunterscheidung:<br />
2<br />
A'−B<br />
A −B'<br />
A − B ⋅ sinα<br />
A −B<br />
⋅sinβ<br />
⇒ = ⇒<br />
=<br />
c<br />
c<br />
1 c 2<br />
Vak c Vak<br />
n n<br />
n n ⇒ β < α : Übergang vom optisch dünnen ins optisch dichte Medium<br />
1<br />
< 2<br />
n n ⇒ β > α : Übergang vom optisch dichten ins optisch dünne Medium<br />
1<br />
> 2<br />
Totalreflexion:<br />
1<br />
im 2. Fall beim Übertritt vom optisch dichten in das optisch dünnen Medium kann es <strong>zur</strong> sogenannten Total-<br />
reflexion kommen. Da mit wachsendem α auch β größer wird, ist ein Grenzwert erreicht, wenn β = 90° wird.<br />
Bei größer werdenden α tritt folglich an der Grenzschicht nur noch Reflexion, jedoch keine Brechung mehr<br />
auf.<br />
Aus dem Brechungsgesetz lässt sich somit für den Winkel, bei dem Totalreflexion einsetzt ableiten:<br />
n<br />
n<br />
n ⎯ →sinα<br />
T =<br />
n<br />
2<br />
1 > n2<br />
: sinα<br />
= ⋅ sinβ<br />
⎯ ⎯ β→90°<br />
n1<br />
wobei α T der Winkel ist, bei dem Totalreflexion einsetzt.<br />
Beispiel Prisma:<br />
Anwendung: Verlustfreie Strahlablenkung durch Verwendung eines Prismas.<br />
Beispiel Glasfaser:<br />
Dieses Verhalten der Totalreflexion findet Anwendung bei der optischen Datenübertragung, z.B. im Glasfa-<br />
serkabel. Im Kabel wird Licht derart eingekoppelt, dass die Lichtstrahlen beim Auftreffen auf die Kabelwän-<br />
de stets einen größeren Winkel <strong>zur</strong> Senkrechten der Wand aufweisen, als den Winkel, der für die Totalre-<br />
flexion notwendig ist.<br />
6.3 Geometrische Optik<br />
2<br />
2<br />
1
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 111<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
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Mit Hilfe der Reflexion <strong>und</strong> Brechung können Gegenstände abgebildet werden. Zur Konstruktion solcher<br />
Abbildungen werden die vom Gegenstand ausgehenden Lichtstrahlen verwendet. Voraussetzung hierfür ist,<br />
dass sowohl Gegenstände als auch abbildende Systeme so groß sind, dass Effekte der Beugung vernach-<br />
lässigt werden können. Beugungen können dann nicht mehr vernachlässigt werden, wenn die Wellenlänge<br />
des Lichtes in der Größenordnung der geometrischen Abmessungen der Gegenstände liegen.<br />
6.3.1 Ebener Spiegel<br />
Gegeben sei ein Spiegel <strong>und</strong> ein Gegenstand, der durch den Spiegel abgebildet wird.<br />
Gegenstand P<br />
Bild P'<br />
Gegenstand<br />
Abbildungen in einem ebenen Spiegel<br />
Auge<br />
Spiegel<br />
virtuelles<br />
Bild<br />
Die von P ausgehenden Strahlen werden im<br />
Spiegel reflektiert. Die Verlängerungen der reflek-<br />
tierten Strahlen treffen sich auf der Rückseite des<br />
Spiegels im Punkt P'. Das Auge sieht das Bild<br />
des Punktes P. Das Bild ist ein virtuelles Bild.<br />
Virtuell bedeutet, dass keine wirklichen Licht-<br />
strahlen vom Bild ausgehen. Der Beobachter<br />
kann ferner nicht unterscheiden, ob das Bild<br />
durch den Spiegel erzeugt wird oder ob sich das<br />
Bild tatsächlich an der Stelle P' befindet.<br />
Die Abbildung eines ausgedehnten Gegenstandes liefert stets ein gleich großes virtuelles Bild. Zur Kon-<br />
struktion werden meist Strahlen verwendet, die eine einfache Abbildungseigenschaft haben, z.B. Strahlen,<br />
die in sich selbst reflektiert werden oder die die Mittelsenkrechte schneiden.<br />
Durch den Spiegeleffekt werden die Seiten rechts <strong>und</strong> links nicht vertauscht sondern nur die Komponente,<br />
die in Richtung des Spiegels zeigt. auf diese Weise erscheint das Spiegelbild seitenverkehrt. Aus einem<br />
rechtshändigen Koordinatensystem wird ein linkshändiges.<br />
6.3.2 Gekrümmte Spiegel<br />
x<br />
Wenn die spiegelnde Fläche nicht gerade ist, sondern die Form einer Kugelschale aufweist, wird diese Spie-<br />
gelart Hohlspiegel genannt. Auch hier gelten die Gesetze der Reflexion. Betrachtet werden sollen zunächst<br />
Strahlen, die parallel <strong>zur</strong> Mittelachse auf den Spiegel treffen.<br />
y<br />
z<br />
Spiegel<br />
Nur die z-Komponente wird vertauscht, die Richtungen<br />
x <strong>und</strong> y bleiben bei der Abbildung erhalten!<br />
Abbildungen in einem gekrümmten Spiegel<br />
M<br />
Strahlen, die weit von der Mittelachse entfernt sind,<br />
verlaufen nicht durch den Brennpunkt.<br />
Z<br />
ε<br />
Achsennahe Strahlen (Praaxialstrahlen)<br />
verlaufen (näherungsweise) durch den Brennpunkt.<br />
r<br />
F<br />
ε<br />
ε<br />
f<br />
x<br />
z<br />
y<br />
A<br />
S<br />
Strahlen, die nah an der Mittelachse verlaufen,<br />
werden in einem Punkt abgebildet. Dieser<br />
Punkt wird Brennpunkt bezeichnet. Je weiter<br />
die Strahlen von der Mittelachse entfernt sind,<br />
desto weiter ist ihr Schnittpunkt mit der Mit-<br />
telachse vom Brennpunkt entfernt.<br />
Brennpunkt:<br />
Zur Berechnung des Brennpunktes seien im<br />
folgenden nur achsnahe Strahlen betrachtet.
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 112<br />
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1. Ein Lichtstrahl falle im Punkt A auf den Hohlspiegel mit dem Radius r. In A wird der Strahl am Spiegel<br />
reflektiert, wobei der Winkel zwischen Radius <strong>und</strong> Strahl ε sei.<br />
2. Der reflektierte Strahl trifft die Mittelachse im Punkt F. Der Abstand zum Scheitelpunkt s ist<br />
f = r − ZF<br />
3. Der Winkel ε findet sich als Winkel AZS wieder. Wegen der gleichen Winkel gilt ZF = FA <strong>und</strong> es gilt<br />
der Kosinussatz<br />
2 2<br />
2<br />
( FA)<br />
= ( ZF)<br />
+ r − 2 ⋅ ( ZF)<br />
⋅r<br />
⋅ cosε<br />
⇒ ( ZF)<br />
⎛ 1 ⎞<br />
4. Und daraus: f = r − ZF = r⎜1−<br />
⎟<br />
⎝ 2 ⋅ cosε<br />
⎠<br />
r<br />
=<br />
2 ⋅cosε<br />
5. Werden nur achsnahe Strahle betrachtet, so ist cos ε ≈ 1⇒<br />
f =<br />
Abbildungen mit Hohlspiegeln:<br />
sinε sin φ<br />
=<br />
PZ PA<br />
Brennpunkt für achsnahe Strahlen: f<br />
( 180°<br />
− )<br />
für Dreieck PAZ <strong>und</strong> sin ( 180°<br />
− φ)<br />
= sinφ<br />
( )<br />
sinε sin φ<br />
=<br />
ZP'<br />
P'A<br />
Daraus folgt:<br />
Abbildungen in einem gekrümmten Spiegel,<br />
Abbildungsgleichung<br />
P Z φ P'<br />
für Dreieck ZAP'<br />
sinε PZ ZP'<br />
g − r r − b<br />
= = ⇒ =<br />
sin<br />
( φ)<br />
PA P'<br />
A PA P'<br />
A<br />
b<br />
g<br />
F<br />
r<br />
2<br />
r<br />
= 2<br />
Betrachtet Wird ein Punkt P, der durch einen<br />
Hohlspiegel mit dem Radius r abgebildet wird.<br />
Der Punkt befinde sich im Abstand g vom<br />
Scheitelpunkt des Spiegels. Der Bildpunkt des<br />
Punktes P ergibt sich durch den Schnittpunkt<br />
des Strahles in A <strong>und</strong> der Mittelachse (die in<br />
sich selbst abgebildet wird).<br />
Betrachtet werden die Dreiecke PAZ <strong>und</strong><br />
ZAP'. Hier gilt nach dem Sinussatz:<br />
Für achsnahe Strahlen gilt weiterhin die Näherung PA ≈ g<strong>und</strong>P'A<br />
≈ b . Mit r = 2 f folgt:<br />
f<br />
ε<br />
ε<br />
A<br />
S
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 113<br />
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g − 2f<br />
=<br />
g<br />
2f<br />
− b<br />
⇒<br />
b<br />
Die Abbildungen von Gegenständen können somit leicht konstruiert werden, wenn die Voraussetzungen<br />
achsnaher Strahlen gültig bleibt:<br />
Abbildungsgleichung:<br />
1<br />
g<br />
+<br />
1<br />
b<br />
=<br />
1<br />
f<br />
1 1 1<br />
+ = ,<br />
g b f<br />
wobei g der Abstand eines Gegenstandes zum Scheitelpunkt des Spiegels <strong>und</strong> b der Abstand des Bildes<br />
zum Scheitelpunkt des Spiegels sind<br />
Merkregeln:<br />
• Parallele Strahlen laufen durch den Brennpunkt<br />
• Brennpunktstrahlen werden zu Parallelstrahlen<br />
• radiale Strahlen (Strahlen, die durch den Kreismittelpunkt 2f laufen) werden in sich selbst reflektiert.<br />
Für die Bildkonstruktion eines Gegenstandes werden die folgenden Vorzeichenkonventionen verwendet:<br />
Vorzeichenkonvention für die Spiegelung<br />
Gegenstandsweite<br />
g<br />
Bildweite<br />
b<br />
Brennweite<br />
bzw. Radius<br />
f bzw. r<br />
+<br />
-<br />
+<br />
-<br />
+<br />
-<br />
Gegenstand vor dem Spiegel<br />
(realer Gegenstand)<br />
Gegenstand hinter dem Spiegel<br />
(virtueller Gegenstand)<br />
Bild vor dem Spiegel<br />
(reelles Bild)<br />
Bild hinter dem Spiegel<br />
(virtuelles Bild)<br />
Krümmungsmittelpunkt vor dem Spiegel<br />
(Konkavspiegel)<br />
Krümmungsmittelpunkt hinter dem Spiegel<br />
(Konvexspiegel)<br />
Mit dieser Konvention , der Abbildungsgleichung <strong>und</strong> den Merkregeln wird die Konstruktion einer Abbildung<br />
leicht möglich:
6.3.3 Linsen<br />
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 114<br />
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Abbildungen in gekrümmten Spiegeln<br />
Z F<br />
Z F<br />
g<br />
g>2f: bg>f: b>g<br />
Vergrößerte reale Abbildung<br />
b<br />
b<br />
g<br />
f<br />
f<br />
S<br />
S<br />
F<br />
F<br />
f<br />
f<br />
g<br />
gg<br />
Vergößerte virtuelle Abbildung<br />
g negativ<br />
Verkleinerte virtuelle Abbildung<br />
Die Brechung von Licht kann auch <strong>zur</strong> Abbildung von Gegenständen mit Hilfe optisch transparenter Medien<br />
durchgeführt werden. Ähnlich wie bei Spiegelsystemen wird hier die Brechung an gekrümmten (Glas-) Flä-<br />
chen ausgenutzt.<br />
Brechungsindex n 1<br />
P M P’<br />
Dünne Linsen:<br />
g<br />
α<br />
β<br />
S<br />
b<br />
S<br />
g<br />
b<br />
Unter Berücksichtigung des Brechungs-<br />
gesetzes von Snellius<br />
sinα = n ⋅sinβ<br />
<strong>und</strong> geometrischer Überlegungen lässt<br />
sich die folgende Abbildungsgleichung<br />
finden:<br />
Vergrößerung: V B n1 ⋅b<br />
= =<br />
G n ⋅ g<br />
2<br />
Abbildungsgleichung:<br />
n n n − n<br />
+ =<br />
g b r<br />
1 2 2 1<br />
Zur optischen Abbildung werden meist Linsen verwendet, die beidseitig von Luft umgeben sind <strong>und</strong> die ge-<br />
genüber den Abmessungen von g <strong>und</strong> b eine geringe Dicke haben:<br />
r<br />
Brechungsindex n 2<br />
Radius r<br />
b
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Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />
M 2<br />
In diesem Fall werden die Abbildungsgleichungen zu:<br />
P P’<br />
r 2<br />
Abbildungsgleichung:<br />
g<br />
n<br />
r 1<br />
M 1<br />
1 1 ⎛ 1 1⎞<br />
+ = ( n − 1)<br />
⋅ ⎜ − ⎟<br />
g b ⎝ r r ⎠<br />
Vergrößerung: V B b<br />
= =<br />
G g<br />
−<br />
Die Abbildungsgleichung vereinfacht sich mit der Definition der<br />
Brennweite f: 1 ⎛ 1 1 ⎞<br />
= ( n −1) ⋅ ⎜ − ⎟ zu<br />
f ⎝ r r ⎠<br />
1 2<br />
1 1 1<br />
+ =<br />
g b f<br />
b<br />
1 2<br />
Bei optischen Linsen wie z.B. Brillen wird der Kehrwert der Brennweite Brechkraft genannt:<br />
Brechkraft: D =<br />
f<br />
1<br />
Die Einheit der Brechkraft ist Dioptrie 1 dp = 1/m<br />
Vorzeichenkonvention für die Brechung:<br />
Beispiel:<br />
Vorzeichenkonvention für die Brechung<br />
Gegenstandsweite<br />
g<br />
Bildweite<br />
b<br />
Brennweite<br />
bzw. Radius<br />
f bzw. r<br />
+<br />
-<br />
+<br />
-<br />
+<br />
-<br />
reeller Gegenstand vor der brechenden<br />
Fläche (Einfallsseite)<br />
virtueller Gegenstand hinter der brechenden<br />
Fläche (Transmissionsseite)<br />
reelles Bild hinter der brechenden<br />
Fläche ( Transmissionsseite)<br />
virtuelles Bild vor der brechenden<br />
Fläche (Einfallsseite)<br />
Krümmungsmittelpunkt auf der<br />
Transmissionsseite<br />
Krümmungsmittelpunkt auf der<br />
Einfallsseite<br />
Entsprechend dem oberen Bild sei eine Linse gegeben mit n = 1,5, r1 = 10 cm <strong>und</strong> r2 = 15 cm.
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M 2<br />
Lichteinfall<br />
r 2<br />
n=1,5<br />
Das Licht trifft zuerst auf die Seite, die dem Kugelsegment mit r1 zugeordnet ist Die Berechnung der Brenn-<br />
weite ist somit:<br />
1 ⎛ 1 1⎞<br />
⎛ 1 1 ⎞ 5<br />
= ( n − 1)<br />
⋅ ⎜ − ⎟ = 0 5 ⋅ ⎜ − ⎟ = 0 5 ⋅ f 12 cm<br />
f ⎝ r r ⎠ ⎝10<br />
cm − 15 cm⎠ 30 cm<br />
⎛ ⎞<br />
, , ⎜ ⎟ ⇒ =<br />
⎝ ⎠<br />
1 2<br />
Die Umkehrung der Lichtrichtung liefert:<br />
M 2<br />
r 2<br />
n=1,5<br />
r 1<br />
r 1<br />
M 1<br />
M 1<br />
Lichteinfall<br />
Das Licht trifft zuerst auf die Seite, die dem Kugelsegment mit r2 zugeordnet ist Die Berechnung der Brenn-<br />
weite ist somit:<br />
1 ⎛ 1 1⎞<br />
⎛ 1 1 ⎞ 5<br />
= ( n − 1)<br />
⋅ ⎜ − ⎟ = 0 5 ⋅ ⎜ − ⎟ = 0 5 ⋅ f 12 cm<br />
f ⎝ r r ⎠ ⎝15<br />
cm − 10 cm⎠ 30 cm<br />
⎛ ⎞<br />
, , ⎜ ⎟ ⇒ =<br />
⎝ ⎠<br />
2 1<br />
Die Mitte von dünnen Linsen wird als Hauptebene bezeichnet.<br />
brochen<br />
Hauptebene<br />
F F<br />
Merkregeln:<br />
• parallel einfallende Strahlen verlaufen bei konve-<br />
xen Linsen auf der Transmissionsseite durch den<br />
Brennpunkt<br />
• parallel einfallende Strahlen werden bei konka-<br />
ven Linsen auf der Transmissionsseite so gebro-<br />
chen, dass die Verlängerung der Strahlen durch<br />
den Brennpunkt der Einfallsseite verlaufen<br />
• Strahlen durch den Mittelpunkt werden nicht ge
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Diese Eigenschaften machen sehr einfach eine Bildkonstruktion von Gegenständen möglich.<br />
Linsenfehler:<br />
1<br />
2<br />
Abbildungskonstruktion an dünnen konvexen Linsen<br />
3<br />
5’<br />
F<br />
4<br />
5<br />
Aufgr<strong>und</strong> der optischen Eigenschaften der verwendeten Linsenmaterialien treten Abbildungsfehler auf. Die<br />
wichtigsten dieser Fehler sind:<br />
sphärische Abberation: Parallel einfallende achsferne Strahlen werden nicht im Brennpunkt ab-<br />
gebildet.<br />
Chromatische Abberation: Aufgr<strong>und</strong> von Dispersion (Abhängigkeit des Brechungsindex von der<br />
F<br />
Wellenlänge der einfallenden Strahlung) haben Lichtstrahlen verschie-<br />
dener Wellenlängen unterschiedliche Brennpunkte<br />
Astigmatismus: Parallel einfallende Lichtbündel, die unter einem großen Winkel auf die<br />
6.3.4 Optische Instrumente<br />
F<br />
Linse treffen, werden nicht in der Brennebene abgebildet<br />
F<br />
F<br />
Linsenfehler<br />
spärische Aberration chromatische Aberration<br />
F<br />
Brennebene<br />
F<br />
1’<br />
Astigmatismus<br />
2’<br />
F<br />
3’
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Aufgr<strong>und</strong> der abbildenden Eigenschaften von gekrümmten Glasflächen lassen sich optische Instrumente<br />
entwickeln, mit denen es möglich wird, Messinstrumente oder Geräte für den täglichen Gebrauch herzustel-<br />
len.<br />
Auge<br />
Eines der wichtigsten optischen Instrumente ist das Auge, welches die Abbildung eines Gegenstandes auf<br />
die Netzhaut ermöglicht.<br />
Linse: Die Veränderung der Linsenkrümmung verändert die Lage des Brennpunktes, wodurch<br />
Gegenstände im Bereich von unendlich bis wenige cm vor dem Auge (Nahpunkt etwa<br />
bei 10 cm, mit dem Alter zunehmend) scharf abgebildet werden können. (ein entspann-<br />
ter Ziliarmuskel bedeutet eine maximale Brennweite von 2,5 cm)<br />
Zäpfchen: Nervenzellen, die auf verschiedene Wellenlängen reagieren (Farbsehen)<br />
Stäbchen: Nervenzellen, die auf hell <strong>und</strong> dunkel reagieren. Die Empfindlichkeit der Stäbchen ist<br />
sehr hoch, daher kann der Mensch auch bei geringen Helligkeiten noch etwas erken-<br />
nen, jedoch ist der Eindruck nicht mehr farbig.<br />
Weitsichtigkeit: Nur weiter entfernte Gegenstände können scharf erkannt werden. Tritt oft mit zuneh-<br />
mendem Alter auf, da die Linse sich nicht mehr so stark krümmen kann. Kann unter<br />
ständiger Akkomodation der Augen ausgeglichen werden, was jedoch <strong>zur</strong> Ermüdung<br />
der Augen führt.<br />
Nahsichtigkeit: Nur nah entfernte Gegenstände können scharf erkannt werden. Ein Augenfehler be-<br />
Optische Instrumente:<br />
wirkt eine zu starke Brechkraft der Linse.<br />
Je näher der Gegenstand am Auge ist, desto detaillierter kann der Gegenstand vom Auge aufgelöst werden.<br />
Der Winkel zwischen Auge <strong>und</strong> Gegenstand wird somit größer. Ab einer gewissen Entfernung kann das<br />
Auge nicht mehr stark genug akkomodieren <strong>und</strong> das Bild des Gegenstandes auf der Netzhaut wird unscharf.<br />
Das Ziel optischer Instrumente ist es, Gegenstände näher an das Auge heranzubringen <strong>und</strong> den Sehwinkel<br />
weiter zu vergrößern, wobei aber die Akkomodationsfähigkeit des Auges weiter gegeben bleibt.
Gegenstandes befindet sich im<br />
Brennpunkt der Lupe:<br />
durch die Lupe treffen die Strahlen<br />
parallel auf das Auge,<br />
das Auge kann auf unendlich<br />
akkomodieren<br />
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Bild im Brennpunkt des Okulars steht.<br />
6.4 Wellenerscheinungen von Licht<br />
Lupe:<br />
• Gegenstand steht in der Brennebene<br />
der Lupe<br />
• Strahlenbündel trifft parallel auf das<br />
Auge<br />
• Vergrößerung des Sehwinkels<br />
Mikroskop:<br />
Gegenstand befindet sich kurz vor der<br />
Brennweite des Objektivs<br />
Erzeugung eines realen vergrößerten<br />
Bildes im Tubus<br />
Einstellung des Okulars so, dass das<br />
Bild im Brennpunkt des Okulars steht.<br />
Fernrohr:<br />
Gegenstand befindet sich weit weg (im<br />
unendlichen)<br />
Mit dem Objektiv wird ein Bild des Ge-<br />
genstandes im Brennpunkt des Objek-<br />
tivs erzeugt. Der Gegenstand wird auf<br />
diese Weise näher an das Auge heran-<br />
gebracht.<br />
Einstellung des Okulars so, dass das<br />
Bei den bisherigen Betrachtungen wurde nur die geradlinige Ausbreitung von Licht berücksichtigt. Wellener-<br />
scheinungen spielen keine Rolle, solange die Abmessungen der Objekte, an denen Licht gebrochen bzw.<br />
reflektiert wird, groß gegenüber der Wellenlänge sind.<br />
6.4.1 Beugung<br />
Trifft eine Welle auf ein Hindernis, so dürfte bei geradliniger Lichtausbreitung hinter dem Hindernis kein<br />
Licht mehr auftreffen.<br />
Die Wirkungsweise einer Lupe<br />
Gegenstandes befindet vor dem<br />
Brennpunkt der Lupe:<br />
das Auge muß auf das virtuelle Bild<br />
des Gegenstandes akkomodieren,<br />
der Gegenstand erscheint vergrößert<br />
Abbildung eines Gegenstandes<br />
ohne optisch Hilfsmittel<br />
Bei geringen Entfernungen<br />
muß das Auge stark akkomodieren<br />
Brennpunkt<br />
der Lupe<br />
Brennpunkt<br />
der Lupe<br />
Augenlinse<br />
Beobachtet wird jedoch ein Schatten, der halb ausgeleuchtet wird:<br />
F Auge<br />
Lupe<br />
Lupe<br />
F Auge<br />
Augenlinse<br />
Augenlinse<br />
Bild auf der<br />
Netzhaut<br />
F Auge<br />
F Auge
6.4.2 Kohärenz<br />
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Die einlaufenden ebenen Wellen haben eine konstante Intensität<br />
Beim Auftreffen auf ein Hindernis wird die Welle gebeugt, d.h. die Elemen-<br />
tarwelle an der Hinderniskante strahlt eine Kugelwelle aus, die sich jedoch<br />
nicht mehr mit den Nachbarelementarwellen zu einer ebenen Welle zu-<br />
sammensetzten kann.<br />
Es tritt eine Abweichung vom geometrischen Strahlengang auf, wobei die<br />
Intensität des gebeugten Stahls abnimmt, d.h. der Schattenraum wird nicht<br />
vollständig ausgeleuchtet.<br />
Gedankenexperiment:<br />
Zwei Lichtquellen stehen in einem gewissen Abstand<br />
<strong>und</strong> senden Kugelwellen aus.<br />
Beobachtung:<br />
Es gibt bestimmte Punkte im Raum, an denen sich<br />
die Wellen auslöschen bzw. konstruktiv überlagern.<br />
Wiederholung:<br />
Konstruktive Überlagerung: Gangunterschied<br />
Δ = m ⋅ λ , Verdopplung der Amplitude, Vervierfa-<br />
chung der Intensität.<br />
Destruktive Interferenz: : Gangunterschied<br />
( )<br />
Δ = 2m + 1 ⋅ λ 2,<br />
Auslöschung beider Wellen<br />
Wird dieses Experiment mit zwei punktförmigen Lichtquellen durchgeführt, so ist die Beobachtung, dass<br />
entgegen dem obigen Gedankenexperiment keine Raumpunkte existieren, die stets dunkel oder hell sind.<br />
Der Gr<strong>und</strong> ist darin zu suchen, dass die Wellen sind nicht unendlich ausgedehnt sind. Es werden von der<br />
Lichtquelle vielmehr durch die Anregung von Atomen kurze Lichtpulse emittiert, die zueinander keine feste<br />
Phasenbeziehung haben. Es entstehen durch Überlagerung örtlich zwar zeitlich begrenzte Interferenzen, die<br />
jedoch aufgr<strong>und</strong> ihrer Geschwindigkeit vom menschlichen Auge (<strong>und</strong> auch von Messgeräten) nicht aufge-<br />
löst werden können.
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Erzeugung von kohärentem Licht:<br />
konstruktive<br />
Interferenz<br />
geometrische<br />
Wegdifferenz<br />
zu groß<br />
Medium mit<br />
Brechungsindex<br />
n<br />
optische<br />
Wegdifferen<br />
zu groß<br />
• erzwungene, zeitlich nicht abbrechende Emission von Licht im LASER oder bei Synchrotronstrahlung<br />
• Aufteilung eines Lichtstrahls in mehrere <strong>Teil</strong>strahlen, deren <strong>zur</strong>ückgelegter Wegunterschied so klein wird,<br />
dass sie sich in einem Punkt noch überlagern können.<br />
6.4.3 Interferenz an dünnen Schichten<br />
Eine einfache Möglichkeit, kohärentes Licht zu erzeugen, ist die Reflexion an dünnen Schichten.<br />
Zur Erklärung der Phänomene sei zunächst ein einfaches System betrachtet:<br />
Reflexion an dünnen parallelen Schichten:<br />
d<br />
α α<br />
A<br />
β<br />
B<br />
C<br />
a’<br />
D<br />
a b c<br />
1. Der einfallende Strahl wird im Punkt A an der Grenzfläche der Schicht reflektiert <strong>und</strong> gebrochen:<br />
Reflexion: Einfallswinkel = Ausfallswinkel: Erzeugung von Strahl a<br />
Brechung: sinα= n sinβ<br />
P<br />
E<br />
b’<br />
n=1<br />
n>1
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 122<br />
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2. Der reflektierte Strahl verläuft weiter im Medium <strong>und</strong> wir in B reflektiert <strong>und</strong> gebrochen. Der reflektierte<br />
Strahl wird in C reflektiert <strong>und</strong> gebrochen. Erzeugung von <strong>Teil</strong>strahl b. Das ganze wiederholt sich mehr-<br />
fach: Erzeugung von <strong>Teil</strong>strahl c usw.<br />
3. Wenn die Strahlen a <strong>und</strong> b miteinander interferieren könnten, ist es wichtig zu wissen, wie groß der<br />
Gangunterschied in den Punkten C <strong>und</strong> P beider Strahlen ist.<br />
4. Alle reflektierten <strong>und</strong> gebrochenen Strahlen stammen aus dem Ursprungsstrahl <strong>und</strong> sind somit zueinan-<br />
der kohärent.<br />
5. geometrische Wegdifferenz: AB + BC − AP<br />
6. Da das Medium jedoch einen Brechungsindex n hat gilt: C<br />
med<br />
Cluft<br />
λ<br />
= ⇒ λ med =<br />
n n<br />
luft<br />
, d.h. die optische<br />
Weglängendifferenz ist. Das bedeutet, dass im Medium mehr Wellenzüge pro Wegeinheit verlaufen als<br />
außerhalb. So würden bei n=2 innerhalb des Mediums doppelt so viele Wellenzüge verlaufen wie außer-<br />
halb. Die optische Weglängendifferenz lautet somit:<br />
optische Wegdifferenz: n⋅ ( AB + BC) − AP<br />
7. Bei der Reflexion im Punkt a findet ein Phasensprung der Welle a um π bzw. λ/2 statt (Reflexion am<br />
optisch dichteren Medium)<br />
Für die reflektierten Strahlen lässt sich unter Berücksichtigung der geometrischen Verhältnisse ableiten:<br />
2 2<br />
Gangunterschied der Wellen a <strong>und</strong> b: Δ = 2⋅<br />
d⋅ n − sin α −<br />
2<br />
λ<br />
reflektierte Strahlen a <strong>und</strong> b:<br />
Die Wellen b <strong>und</strong> c haben aufgr<strong>und</strong> der gleichen geometrischen Verhältnisse den gleichen Gangunterschied<br />
Δ.<br />
Für die gebrochenen Strahlen kann anlog der Gangunterschied abgeleitet werden. Da hier der einfallende<br />
Strahl nicht am optisch dichten Medium reflektiert wird, tritt auch kein Phasensprung auf. Demnach gilt für<br />
die gebrochenen Strahlen:<br />
2 2<br />
gebrochene Strahlen a’ <strong>und</strong> b’: Δ = 2 ⋅d ⋅ n − sin α<br />
Die beiden Strahlen a <strong>und</strong> b können mittels einer Linse, z.B. der Augenlinse, abgebildet werden, wodurch<br />
sie interferieren.<br />
2 2<br />
Verstärkung der Strahlen, wenn 2⋅<br />
d⋅ n − sin α + = 2⋅ m⋅ , m = 1, 2, 3,<br />
..<br />
2<br />
λ<br />
λ<br />
λ λ<br />
⋅d ⋅ n − sin + = 2⋅ m + 1 ⋅ , m = 1, 2, 3,<br />
..<br />
2<br />
2<br />
2 2<br />
Auslöschung der Strahlen, wenn 2<br />
α ( )
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 123<br />
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Die Bedingungen für Auslöschung <strong>und</strong> Verstärkung werden nur für ganz bestimmte Winkel α eingehalten.<br />
Auf der Netzhaut ergeben sich somit Interferenzstreifen. Werden die reflektierten Strahlen nicht durch eine<br />
Linse abgebildet, so können Strahlen mit unterschiedlichem Einfallswinkel auf einem Schirm interferieren.<br />
Wegen der Symmetrie bilden sich Ringe aus (Haidingersche Ringe).<br />
Beispiele<br />
1. Newtonsche Ringe<br />
unterschiedliche<br />
optische Weglänge<br />
Beispiel: Netwonsche Ringe in verglasten Dias.<br />
Bei Transmission erscheint in der Mitte stets ein heller Fleck, bei Reflexionen ist der Fleck in der Mitte we-<br />
gen des Phasensprunges um π dunkel.<br />
2. Entspiegelung von optischen Geräten, wie z.B. Brillen<br />
n 3<br />
n 2<br />
n=1<br />
1<br />
Einfallende Lichtwellen werden an n2 <strong>und</strong> n2 reflektiert <strong>und</strong> erfahren beide einen Phasensprung um π. Die<br />
beiden Strahlen haben bei senkrechtem Einfall dann einen Gangunterschied von Δ = 2⋅ d⋅ n 2<br />
λ<br />
2 2 2 1<br />
2<br />
Destruktive Interferenz findet statt, wenn Δ = ⋅d ⋅ n = ( m + )<br />
λ<br />
Die kleinste Schichtdicke ist demnach für m = 0 gegeben zu d =<br />
⋅n<br />
tig auslöschen.<br />
4 2<br />
, bei der sich die Strahlen gegensei-<br />
Die Reflexminderung funktioniert strenggenommen nur bei einer Wellenlänge <strong>und</strong> senkrechtem Einfall.<br />
Bei Brillen wird oft eine Schicht Kryolith (Na2AlF6) mit n=1,33 oder Magnesiumfluorid MgF2 aufgebracht.<br />
Wenn λ in der Mitte des sichtbaren Spektrums liegt (λ = 550 nm grünes Licht) muss die Mindestdicke der<br />
reflexmindernden Schicht mindestens d = 100 nm betragen. Die Strahlauslöschung ist in den Randberei-<br />
chen des Spektrums (blau <strong>und</strong> rot) jedoch schwächer, wodurch vergütete optische Instrumente oft in diesen<br />
Farben schimmern.
3. Seifenblasen<br />
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 124<br />
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Dünne Seifenblasen zeigen im reflektierten <strong>und</strong> im transmittierten Licht eine Aufspaltung des weißen Lichts<br />
in die regenbogenfarben.<br />
4. Oberflächenprüfung, Farben dünner Schichten<br />
1. Bei Reflexionen an sehr ebenen Oberflächen (siehe Versuch mit Linse oder Keil) treten als Interferenz-<br />
muster als regelmäßige Kreiserscheinungen auf. Unregelmäßigkeiten der Oberfläche stören die Ausbil-<br />
dung der Kreise. Rauhigkeiten im Bruchteil der Wellenlänge können so erkannt werden. Wichtig für die<br />
Werkstoffprüfung !!<br />
2. Waferherstellung: Farben der beschichteten Si-Wafer geben Aufschluss über die Schichtdicke.<br />
6.4.4 Michelson Interferometer<br />
Eine wichtige Anwendung von Interferenzen ist das Michelson-Interferometer, mit dem sich durch Interfe-<br />
renzeffekte Größen wie Länge, Brechzahl Winkel <strong>und</strong> Wellenlänge bestimmen lassen.<br />
Dies wird im Praktikum anhand der Bestimmung des Brechungsindex in Abhängigkeit des Druckes von<br />
Gasen durchgeführt.<br />
Aufbau des Michelson-Interferometers:<br />
L<br />
Sp1<br />
halbdurchlässiger<br />
Spiegel<br />
Schirm<br />
Das Licht von der Lichtquelle (die nicht kohärent strahlen muss) trifft auf einen Strahlteiler (z.B. einen halb<br />
versilberten Spiegel) <strong>und</strong> wird in zwei <strong>Teil</strong>strahlen aufgeteilt.<br />
An den Spiegeln Sp1 <strong>und</strong> Sp2 wird das Licht reflektiert <strong>und</strong> als gemeinsamer Strahl auf dem Schirm abge-<br />
bildet.<br />
Jeder <strong>Teil</strong>strahl durchläuft zweimal den Weg zwischen Spiegel <strong>und</strong> Strahlteiler.<br />
Die Wegdifferenz unter Vernachlässigung der optischen Differenz innerhalb des Spiegels ist demnach die<br />
Differenz der <strong>zur</strong>ückgelegten Wege.<br />
2 l − l = 2m + 1 ⋅ λ 2<br />
Destruktive Interferenz der Strahlen für ( ) ( )<br />
1 2<br />
2 1 2<br />
Konstruktive Interferenz der Strahlen für ( )<br />
l − l = m ⋅λ<br />
Sp2<br />
dx
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Sind die Spiegel versetzt zueinander angebracht, so entstehen je nach relativer Lage auf dem Schirm Inter-<br />
ferenzstreifen. Der Wechsel zwischen hell <strong>und</strong> dunkel entspricht somit einem Weglängenunterschied von<br />
λ/4, also etwa 100 nm bei Verwendung von blauem Licht. Der Wechsel von Interferenzstreifen ist auch be-<br />
obachtbar, wenn in den Strahlengang ein Hindernis mit dem Brechungsindex n eingebracht wird.<br />
6.4.5 Doppelspalt <strong>und</strong> Mehrfachspalt<br />
Interferenzerscheinungen spielen auch in vielen Spektrometern ein Rolle, bei denen eine Separation der<br />
Wellenlängen vorgenommen werden soll. Die Aufteilung von Licht in seine spektralen Bestandteile kann mit<br />
Hilfe eines Doppelspaltes bzw. Gitter erfolgen.<br />
Mit Hilfe des Doppelspaltes wurde von Thomas Young erstmalig die Wellennatur des Lichtes bewiesen:<br />
d<br />
Ein paralleles monochromatisches Lichtbündel treffe auf ei-<br />
nen Doppelspalt mit dem Spaltabstand d. Die Spaltbreiten<br />
können als Quellen zweier neuer Elementarwellen angesehen<br />
werden. Zwei der Strahlen interferieren im Punkt P<br />
Es entstehen Richtungen, in denen sich die Wellen auslö-<br />
schen bzw. verstärken. Je weiter die Spalte auseinander lie-<br />
gen, desto näher rutschen die Abstände der Maxima <strong>und</strong><br />
Minima zusammen.<br />
Wenn der Abstand zwischen Schirm <strong>und</strong> Spalt genügend<br />
groß ist, können die beiden betrachteten Stahlen als parallel betrachtet werden (Alternativ können die paral-<br />
lelen Strahlen auch durch eine Linse abgebildet werden). Der Weglängenunterschied beider Strahlen ist<br />
dann d⋅ sinθ .<br />
konstruktive Interferenz: d⋅ sinθ = m ⋅ λ<br />
destruktive Interferenz: d ( m )<br />
⋅ sinθ = 2 + 1 ⋅λ<br />
2<br />
y<br />
Für die Abstände auf dem Schirm gilt wegen tanθ = ≈ sinθ<br />
l<br />
Abstände der Maxima y<br />
Intensitätsverteilungen:<br />
Max<br />
l<br />
d m<br />
Für die beiden interferierenden Wellen gilt:<br />
( ω )<br />
y = y cos t − kl<br />
1 0<br />
( ω ϕ )<br />
y = y cos t − kl +<br />
2 0<br />
d<br />
2π 2π<br />
wobei ϕ = d⋅ θ ≈ d<br />
λ λ<br />
y<br />
sin<br />
l<br />
θ<br />
d sinθ<br />
θ<br />
l<br />
θ<br />
P<br />
y<br />
l<br />
d m = + ⋅ 2 1 λ<br />
2<br />
= ⋅ λ , Abstände der Minima ( )<br />
y<br />
Min
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 126<br />
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Für die Überlagerung beider Wellen im Punkt P gilt dann:<br />
y + y = 2y<br />
1 2 0<br />
⎛ ϕ⎞ ⎛ ωt<br />
− kl⎞<br />
cos⎜ ⎟ cos⎜<br />
⎟<br />
⎝ 2⎠ ⎝ 2 ⎠<br />
Die Intensität der Wellen ist proportional <strong>zur</strong> Amplitude, d.h.<br />
2<br />
⎛ ⎛ ϕ⎞ ⎞<br />
2 ⎛ ϕ⎞<br />
I ∝ ⎜2y<br />
0 cos⎜ ⎟⎟<br />
= 4 ⋅I0 ⋅cos<br />
⎜ ⎟ = 4 ⋅I0 ⋅ cos<br />
⎝ ⎝ 2⎠<br />
⎠<br />
⎝ 2⎠<br />
⎛ d⋅ y⎞<br />
λ<br />
I = 4 ⋅I0<br />
für ⎜π<br />
⎟ = m⋅ π ⇒ yMax = m⋅ ⋅l<br />
⎝ λ ⋅l<br />
⎠<br />
d<br />
2<br />
⎛ d⋅ y⎞<br />
⎜π<br />
⎟<br />
⎝ λ ⋅l<br />
⎠<br />
d y<br />
I für<br />
( m ) y ( m )<br />
l<br />
d l<br />
⎛ ⋅ ⎞<br />
λ<br />
= 0 ⎜π<br />
⎟ = 2 + 1 ⋅ π ⇒ Max = 2 + 1 ⋅ ⋅<br />
⎝ λ ⋅ ⎠<br />
Je kleiner der Abstand der beiden Einzelspalte wird, desto weiter liegen die Minima <strong>und</strong> Maxima der Intensi-<br />
tätsverteilung auseinander.<br />
Mehrfachspalt<br />
Intensität<br />
4 I 0<br />
λ/d 2λ/d<br />
Wenn mehrere Einzelspalte im gleichen Abstand verwendet werden ergibt sich ein ähnliches Bild. Die Ma-<br />
xima liegen an gleicher Stelle wie beim Doppelspalt. Die Intensitäten sind höher <strong>und</strong> die Maxima sind<br />
schmaler ausgeprägt.<br />
Beispiel: 3 Einzelspalte<br />
sin θ=y/l
1<br />
gern.<br />
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 127<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
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( ) ( )<br />
Δ1 3 = 2⋅ d⋅ sin θ = m ⋅ 2λ<br />
−<br />
1. Im Punkt P herrscht konstruktive Interferenz,<br />
wenn der Gangunterschied zwischen Strahl 1<br />
<strong>und</strong> 2 sowie zwischen 2 <strong>und</strong> 3 gerade ein Viel-<br />
faches von λ beträgt:<br />
( )<br />
Δ = Δ = d⋅ sin θ = m⋅<br />
λ<br />
1−2 2−3 2. Dann liegt der Gangunterschied zwischen Strahl<br />
1 <strong>und</strong> 3 bei einem Vielfachen von 2λ, wodurch<br />
sich die Strahlen ebenfalls konstruktiv überla-<br />
3. Unter der Annahme, dass in Punkt P gerade das erste Maximum liegt, gibt es zwischen den Strahlen 1<br />
<strong>und</strong> 3 noch eine Bedingung für konstruktive Interferenz.<br />
Δ 1 3<br />
( )<br />
− = d⋅ sin θ = m⋅<br />
λ<br />
In diesem Fall liegt der Interferenzpunkt auf der halben Strecke auf dem Schirm. In diesem Punkt inter-<br />
ferieren jedoch die Strahlen 1<strong>und</strong> 2 sowie 2 <strong>und</strong> 3 destruktiv, d.h. das Maximum der Amplitude wird ge-<br />
schwächt (zwei gleichsinnige Überlagerungen werden durch eine gegensinnige Überlagerung ge-<br />
schwächt). Die Intensität des Punktes ist daher gegenüber dem Hauptmaximum geringer.<br />
Bei 4 <strong>und</strong> mehr Spalten gelten analoge Betrachtungen:<br />
• je mehr Spalte, desto ausgeprägter (heller <strong>und</strong> schmaler) werden die Intensitätsmaxima<br />
• Bei n Spalten entstehen zwischen zwei Maxima (n-2) Nebenmaxima <strong>und</strong> (n-1) Nebenminima<br />
6.4.6 Einzelspalt<br />
Entgegen der Berechnung, dass alle Hauptmaxima höherer Ordnung dieselbe Intensität aufweisen, wird in<br />
der Realität beobachtet, dass die Intensität mit zunehmender Ordnung schwächer wird. Bei der obigen Be-<br />
trachtungsweise wurde angenommen, dass pro Spalt nur eine Elementarwelle entsteht, die zu den Interfe-<br />
renzerscheinungen führt.<br />
Genauer betrachtet hat jeder Spalt selbst eine endliche Ausdehnung, die ebenfalls einen Beitrag zum<br />
Spektrum liefert.<br />
b<br />
2<br />
3<br />
θ<br />
1<br />
9<br />
l<br />
θ<br />
Der Strahl 1 hat gegenüber dem Strahl 9 einen Gangunterschied<br />
von<br />
Δ1− 9 = b⋅ sinθ<br />
<strong>und</strong> gegenüber dem mittleren Strahl einen Gangunterschied von<br />
b<br />
− = ⋅sinθ<br />
2<br />
Δ1 Mittel<br />
P<br />
y<br />
Wenn sich die beiden Strahlen konstruktiv überlagern würden,
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 128<br />
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dann gibt es stets einen Mittelpunktstrahl, der aufgr<strong>und</strong> des halben Gangunterschiedes der Welle mit dem<br />
Randstrahl destruktiv interferieren würde. Dies ergibt folglich<br />
destruktive Interferenz: Δ 1 9<br />
− = b⋅ sinθ = m⋅<br />
λ<br />
Alle anderen Strahlen löschen sich nicht vollständig aus <strong>und</strong> es existieren Stellen mit maximaler Helligkeit,<br />
die zu den Rändern hin abnehmen.<br />
Für die exakte mathematische Behandlung müssen für einen Punkt des Schirmes alle Strahlen, die vom<br />
Einzelspalt ausgehen, überlagert werden. Unter der Voraussetzung, dass sich parallele Strahlen überlagern,<br />
lässt sich die Gangdifferenz der benachbarten Strahlen einfach berechnen durch Δ = a⋅ sinθ , wobei a der<br />
Abstand benachbarter Wellen ist. Es gilt demnach für die<br />
2π Phasendifferenz benachbarter Wellenzügeϕ = a⋅ sin θ<br />
λ<br />
Die Welle, die durch die Überlagerung der vom Spalt ausgehenden Kreiswellen entsteht, wird berechnet<br />
durch<br />
⎛ 2π<br />
⎞<br />
yges = ∑ y0 cos⎜ωt − kl + j⋅ y ⋅sinθ⎟<br />
⎝ λ ⎠<br />
j= 1..<br />
N<br />
Aus dieser Gleichung lässt sich die Amplitude der neuen Welle im Punkt P berechnen. Das Quadrat der<br />
Amplitude ist proportional <strong>zur</strong> Intensität der Welle, die vom Auge als Helligkeit wahrgenommen wird.<br />
I θ = I<br />
Die Intensität berechnet sich zu: ( )<br />
6.4.7 Gitter<br />
Intensität<br />
0<br />
2 ⎛ π ⋅b<br />
⎞<br />
sin ⎜ ⋅sinθ⎟<br />
⎝ λ ⎠<br />
⎛ π ⋅b<br />
⎞<br />
⎜ ⋅sinθ⎟<br />
⎝ λ ⎠<br />
Beugung am Einzelspalt<br />
1<br />
0,9<br />
0,8<br />
0,7<br />
0,6<br />
0,5<br />
0,4<br />
0,3<br />
0,2<br />
0,1<br />
0<br />
-1 -0,8 -0,6 -0,4 -0,2 0 0,2 0,4 0,6 0,8 1<br />
sin teta<br />
2
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Ein optisches Gitter ist ähnlich aufgebaut wie ein Mehrfachspalt. Die sich einstellende Intensitätsverteilung<br />
wird wie vorher beschrieben bestimmt durch den Abstand d der Spalte. Dem Beugungsmuster überlagert ist<br />
die Intensitätsverteilung des Einzelspaltes, die durch die Breite b der Spalte gegeben ist.<br />
d<br />
b<br />
d sinθ<br />
Die Anzahl der ausgeleuchteten Spalte sei p. Zu jedem Austritts-<br />
winkel θ muss nun die Überlagerung der p Einzelwellen betrachtet<br />
werden. Hierbei ergibt sich für die<br />
Amplitude x x<br />
neu =<br />
0<br />
⎛ π ⋅ d ⎞<br />
sin⎜p sinθ⎟<br />
⎝ λ ⎠<br />
⎛ π ⋅d<br />
⎞<br />
sin⎜ sinθ⎟<br />
⎝ λ ⎠<br />
2 ⎛ π ⋅d<br />
⎞<br />
sin ⎜p<br />
sinθ⎟<br />
⎝ λ ⎠<br />
2 ⎛ π ⋅d<br />
⎞<br />
sin ⎜ sinθ⎟<br />
⎝ λ ⎠<br />
Intensität I = I<br />
∝ ( )<br />
Der Intensitätsverteilung überlagert ist die Intensitätsverteilung der Einzelspalte, d.h. das feine Muster<br />
des Gitters liegt innerhalb der Verteilung des Einzelspaltes<br />
Somit ergibt sich insgesamt für die Intensität:<br />
θ<br />
( θ)<br />
I<br />
I<br />
0<br />
2 ⎛ π ⋅b<br />
⎞ 2⎛<br />
π ⋅d<br />
⎞<br />
sin ⎜ sinθ⎟<br />
sin ⎜p<br />
sinθ⎟<br />
⎝ λ ⎠ ⎝ λ ⎠<br />
=<br />
2 ⋅<br />
⎛ π ⋅b<br />
⎞<br />
2 ⎛ π ⋅d<br />
⎞<br />
⎜ sinθ⎟<br />
sin ⎜ sinθ⎟<br />
⎝ λ ⎠ ⎝ λ ⎠<br />
Beugung Beugung<br />
durch Einzelspalt durch Gitter<br />
0<br />
x neu<br />
2
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Amplitude I/I0<br />
Beugung am Gitter<br />
1<br />
0,9<br />
0,8<br />
0,7<br />
0,6<br />
0,5<br />
0,4<br />
0,3<br />
0,2<br />
0,1<br />
-0,0100 -0,0080 -0,0060 -0,0040 -0,0020<br />
0<br />
0,0000 0,0020 0,0040 0,0060 0,0080 0,0100<br />
sin teta<br />
Die Bedingungen für konstruktive Interferenz sind entsprechend der oberen Gleichung immer dann erfüllt,<br />
wenn der Nenner des Gitterbeugungsterms minimal wird:<br />
π ⋅d<br />
y λ<br />
θ = m⋅<br />
π ⇒ θ = = ⋅<br />
λ<br />
l m sin sin<br />
d<br />
In diesem Fall werden Zähler <strong>und</strong> Nenner des Bruches gleichzeitig Null. Je kleiner der Abstand der Spalte<br />
ist, desto weiter liegen die Hauptmaxima auf dem Schirm auseinander.<br />
Die Bedingungen für die Nebenminima sind gegeben, wenn der Zählerterm der Gitterfunktion zu Null wird:<br />
d<br />
y<br />
p m<br />
l m π ⋅<br />
λ<br />
⋅ sinθ = '⋅π ⇒ sinθ = = '<br />
λ<br />
d⋅ p<br />
Die Minima sind demnach in gleichen Abständen über dem Schirm verteilt. Wenn der Bruch m’/p ganzzah-<br />
lig wird, ist gerade die Bedingung für ein Hauptmaximum erreicht.<br />
6.4.8 Auflösungsvermögen<br />
Optische Instrumente<br />
Infolge der Beugung des Lichtes an Kanten wird das Auflösungsvermögen optischer Instrumente (Fernrohr,<br />
Mikroskop, menschliches Auge) bestimmt. So wird z.B. das Bild eines Punktes beim menschlichen Auge<br />
theoretisch als Punkt auf der Netzhaut abgebildet. Infolge der Beugung an den Rändern der Augenlinse<br />
entsteht jedoch ein Fleck, der von dunkleren Ringen umgeben ist.<br />
Zwei benachbarte Punkte werden vom Auge demnach nur dann getrennt, wenn ihre Beugungsmuster im<br />
Bild örtlich weit genug getrennt sind.
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 131<br />
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Auflösungsvermögen des Gitters:<br />
Rayleigh-Kriterium<br />
Zwei Objekte können mit einem opti-<br />
schen Instrument getrennt werden,<br />
wenn im Beugungsmuster das Maxi-<br />
mum des einen gerade im Minimum<br />
des anderen liegt.<br />
Das Auflösungsvermögen eines optischen<br />
Instrumentes ist um so größer, je größer<br />
der Objektivdurchmesser <strong>und</strong> je kleiner<br />
die Wellenlänge des Lichts ist.<br />
Eine Trennung von zwei Wellenlängen λ1 <strong>und</strong> λ2 ist nach dem Rayleighkriterium nur dann möglich, wenn<br />
das Maximum der einen Welle gerade in das Minimum der anderen Welle fällt.<br />
Es sei λ 2 = λ1 + d λ<br />
Zwischen zwei Hauptmaxima befinden sich (p-1) Minima in gleichen Abständen<br />
Auf dem Schirm sind die Abstände zweier benachbarter Hauptmaxima gegeben durch:<br />
λ<br />
y( m + 1) − y( m) = l( sin θ( m + 1)<br />
− sin θ(<br />
m) ) = l⋅ d<br />
λ<br />
die Abstände zweier Minima ist somit s = l⋅ p⋅ d<br />
Wird nun das m-te Hauptmaximum von λ1 betrachtet, so ist der Ort des Minimums neben dem Hauptmaxi-<br />
mum gegeben durch<br />
λ λ λ ⎛ 1⎞<br />
y( m) − s = l⋅ m⋅ − l⋅ = l⋅ ⎜m<br />
− ⎟<br />
d p⋅ d d ⎝ p⎠<br />
Dies ist aber auch die Lage des m-ten Hauptmaximums der zweiten Wellenlänge entsprechend des Ray-<br />
leigh-Kriteriums<br />
⎛ ⎞ d<br />
y m + s = l⋅ ⎜m<br />
+ ⎟ = l⋅ m⋅<br />
m m d<br />
d ⎝ p⎠<br />
d p + λ 1 λ λ ⎛ 1⎞<br />
⇒ λ⎜ + ⎟ = ⋅ λ + λ<br />
⎝ ⎠<br />
( ) ( )<br />
Auflösungsvermögen des Gitters: λ<br />
dλ<br />
⇒ p⋅ m<br />
Je mehr Gitterstriche ausgeleuchtet werden <strong>und</strong> je höher die Beugungsordnung ist, desto größer ist das<br />
Auflösungsvermögen des Gitters.<br />
6.4.9 Prisma<br />
Auflösungsvermögen optischer Elemente<br />
δ<br />
Abblidendes<br />
Element, z.B.<br />
Objektiv,<br />
Durchmesser d<br />
δ>1,22 λ/d<br />
Beugungsmuster<br />
durch die Objektivbegrenzung
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 132<br />
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Eine weitere Erscheinung, die von der Wellenlänge des Lichtes abhängt, ist die Dispersion. Unter Dispersi-<br />
on wird die Abhängigkeit des Brechungsindex von der Wellenlänge des Lichtes verstanden. Licht kleinerer<br />
Wellenlänge (violett) wird meist stärker gebrochen als Licht größerer Wellenlänge (rot).<br />
Dies bietet ebenfalls die Möglichkeit, Licht in seine Bestandteile zu zerlegen. Verwendet wird hierzu ein<br />
Prisma. Aufgr<strong>und</strong> der verschiedenen Brechzahlen werden die Strahlen mit unterschiedlicher Wellenlänge<br />
an den Kanten des Prismas unterschiedlich stark gebrochen, wodurch sie divergieren <strong>und</strong> spektral zerlegt<br />
auf der anderen Seite wieder austreten.<br />
Auflösungsvermögen des Prismas bei voller Ausleuchtung der Prismenseiten:<br />
6.4.10 Polarisation<br />
B<br />
λ<br />
B<br />
dλ<br />
λ<br />
dn<br />
=<br />
d<br />
Licht ist eine transversale elektromagnetische Welle, d.h. sie kann dargestellt werden durch eine Schwin-<br />
gung eines elektrischen Feldes, welche senkrecht <strong>zur</strong> Ausbreitungsrichtung stattfindet. Senkrecht zum elekt-<br />
rischen Feld bildet sich zeitgleich ein magnetisches Feld aus. Wenn die Ausbreitungsrichtung x ist, kann die<br />
Welle folglich in y- <strong>und</strong> in z-Richtung schwingen. Diese Ebenen werden Polarisationsebenen genannt.<br />
Bei Lichtwellen existiert keine ausgezeichnete Schwingungsrichtung, d.h. die Schwingung des elektrischen<br />
Feldes erfolgt gleichberechtigt in beiden Polarisationsebenen.<br />
Polarisator
elliptisch polarisierte<br />
Lichtwelle<br />
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 133<br />
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Polarisator 1<br />
linear polarisierte<br />
Lichtwelle<br />
Unter einem Polarisator wird ein Gerät verstanden<br />
welches eine Schwingungsrichtung aussondert.<br />
Wenn die beiden Polarisatoren senkrecht zuein-<br />
ander stehen, kann kein Licht mehr durch den<br />
Polarisator gelangen.<br />
Linear polarisiertes Licht: die Welle hat nur eine ausgezeichnete Schwingungsrichtung der<br />
Amplitude<br />
Zirkular polarisiertes Licht: Überlagerung von zwei senkrecht zueinander stehenden Wellen mit<br />
gleicher Amplitude <strong>und</strong> einem Phasenwinkel von λ/4. Der resultieren-<br />
de Amplitudenvektor rotiert auf einer Kreisbahn um die Ausbreitungs-<br />
richtung herum.<br />
Elliptisch polarisiertes Licht: Überlagerung von zwei senkrecht zueinander stehenden Wellen un-<br />
linear polarisiertes Licht<br />
zirkular polarisiertes Licht<br />
Polarisator 2<br />
elliptisch polarisiertes Licht<br />
Ausbreitungsrichtung<br />
Auslöschung der Welle<br />
gleicher Amplitude oder mit einem Phasenwinkel ungleich λ/4.<br />
Ausbreitungsrichtung<br />
Ausbreitungsrichtung<br />
Ausbreitungsrichtung
7 ELEKTRIZITÄT<br />
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 134<br />
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Bei der Behandlung von elektrischen <strong>und</strong> magnetischen Phänomenen wird im unterschieden in<br />
Elektrostatik: ruhende Ladungen <strong>und</strong> deren Eigenschaften<br />
Magnetostatik: sich konstant bewegende Ladungen (Gleichströme), zeitlich konstante magnetische<br />
Felder<br />
Elektrodynamik: beschleunigte Ladungen, elektromagnetische Wellen<br />
7.1 Das elektrische Feld<br />
7.1.1 Definitionen<br />
elektrische Ladung: In der Natur sind zwei Arten elektrischer Ladungen bekannt: positive <strong>und</strong> negative.<br />
Die Nomenklatur ist historisch gewachsen <strong>und</strong> willkürlich gewählt.<br />
Ladungen treten in Vielfachen der Elementarladung auf. Ladungsgrößen ungleich<br />
einem Vielfachen der Elementarladung existieren nicht. Die Elementarladung ist<br />
eine Naturkonstante.<br />
−19<br />
Elementarladung: e = 1,<br />
602 ⋅10<br />
C (Bestimmung durch Milikan Versuch)<br />
Die Einheit C wird Coulomb genannt.<br />
positive Elementarladung: Wasserstoffproton, Positron, +Myon, +Pion<br />
negative Elementarladung: Elektron, Antiproton, -Myon, -Pion<br />
neutrale Ladung: Neutron, Neutrino, Photon, 0Pion<br />
Ladungserhaltungssatz: In einem abgeschlossenen System bleibt die Gesamtladung konstant, d.h. La-<br />
dung vernichtet sich nicht selbständig. Makroskopisch bedeutet eine negative Gesamtladung einen Elektro-<br />
nenüberschuss <strong>und</strong> eine positive Gesamtladung einen Elektronenmangel.<br />
Coulombkraft<br />
Die Wirkungen von Ladungen aufeinander sind Kräfte, die abstoßend bei gleichem Ladungsvorzeichen <strong>und</strong><br />
anziehend bei ungleichen Vorzeichen der Ladungen sind. Dieses Verhalten wird durch die Coulombkraft<br />
beschrieben:<br />
Q 1<br />
r 12<br />
Q 2<br />
F<br />
12<br />
1<br />
=<br />
4πε<br />
0<br />
Q<br />
⋅Q<br />
1<br />
2<br />
r12<br />
2<br />
Die Größe ε0 wird Dielektrizitätskonstante<br />
ε<br />
0<br />
= 8,<br />
854 ⋅10<br />
−12<br />
r<br />
r<br />
12<br />
12<br />
2<br />
C<br />
N⋅<br />
m<br />
2<br />
genannt.
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Q1 <strong>und</strong> Q2 sind die beiden (Punkt)-Ladungen, die im Abstand r12 voneinander entfernt sind. Wie Richtung<br />
der Kraftwirkung liegt auf der Verbindungslinie r12 zwischen beiden Ladungen <strong>und</strong> ist von den Vorzeichen<br />
beider Ladungen abhängig.<br />
Vergleich zwischen Coulombkraft <strong>und</strong> Gravitationskraft<br />
Ursache<br />
Kraftrichtung<br />
Stärke<br />
Abschirmbarkeit<br />
Bedeutung<br />
Coulombkraft<br />
1 Q Q r<br />
1 ⋅Q<br />
r<br />
1 ⋅ 2 12<br />
F = 12<br />
2<br />
πε r r<br />
4 4πε 0 12<br />
12<br />
zwei Ladungen<br />
Anziehung <strong>und</strong><br />
Abstoßung<br />
groß<br />
ja<br />
Zusammenhalt<br />
der Atome<br />
Gravitationskraft<br />
m m r<br />
1 ⋅m<br />
r<br />
1 ⋅ 2<br />
F 12 = γ 2<br />
r<br />
r<br />
12<br />
12<br />
12<br />
zwei Massen<br />
Anziehung<br />
klein<br />
nein<br />
Zusammenhalt<br />
des Universums<br />
Influenz: Durch die elektrostatische Kraftwirkung werden freie Ladungen entsprechend ihrem Vorzeichen<br />
verschoben. Auf diese Weise ist eine Ladungstrennung möglich.<br />
7.1.2 Elektrisches Feld von Punktladungen<br />
Betrachtet wird eine Punktladung (Probeladung), die sich räumlich entfernt von anderen Punktladungen<br />
befindet. Je nach Ort der Probeladung erfährt diese eine resultierende Kraft, die durch die anderen Ladun-<br />
gen ausgeübt wird.<br />
F ges,0<br />
• Die resultierende Kraft ist abhängig vom Ort der Probeladung<br />
• Die Wirkung auf die Probeladung ist abhängig von dem elektrischen<br />
Feld, welches durch die drei anderen Ladungen erzeugt wird.<br />
F<br />
E =<br />
ortsabhängiges elektrisches Feld: ( x,<br />
y,<br />
z)<br />
( x,<br />
y,<br />
z)<br />
In der <strong>Physik</strong> wird meist der Feldbegriff verwendet, um verschiedene<br />
Wechselwirkungen zu beschreiben. Das Feld breitet sich im gesamten Raum aus <strong>und</strong> die Stärke der Wech-<br />
selwirkung ist abhängig von der Größe des Feldes. Ferner kann ein Feld eine zeitliche Abhängigkeit aufwei-<br />
sen.<br />
F 20<br />
F 30<br />
F 10<br />
Q 0<br />
Q 3<br />
Q 1<br />
Q 2<br />
Beispiel: Gravitationsfeld, Wirkung der Gravitationskraft auf eine Probemasse in Anwesenheit anderer<br />
Massen, die dieses Feld erzeugen.<br />
Gewichtskraft: G = m⋅ g , g ist das Gravitationsfeld, das durch die Erde erzeugt wird.<br />
Q<br />
0
Begriffsbestimmungen:<br />
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Richtung Ort Zeit<br />
Abhängig Vektorfelder inhomogene Felder Instationäre Felder<br />
Unabhängig Skalare Felder homogene Felder Stationäre Felder<br />
Das elektrische Feld, das von Punktladungen erzeugt wird lässt sich über die Coulombkraft berechnen:<br />
Die Kraft von einer Ladung Qi auf die Probeladung Q0 ist<br />
F<br />
i0<br />
1<br />
=<br />
4πε<br />
0<br />
Q ⋅Q<br />
i<br />
2<br />
ri0<br />
0<br />
r<br />
i0<br />
r<br />
Das von der Ladung i erzeugte Feld ist somit<br />
E<br />
i0<br />
1 Q r<br />
i i<br />
= 2<br />
4πε<br />
0 ri,<br />
0 ri<br />
0<br />
0<br />
i0<br />
Die resultierende Kraft auf die Probeladung im Aufpunkt bzw. das resultierende Feld im Aufpunkt, das durch<br />
die Ladungen i erzeugt wird lässt sich somit schreiben als:<br />
F = F =<br />
0 i0<br />
i<br />
i<br />
1 Q Q r<br />
i ⋅ 0 i0<br />
1<br />
2 E0 = Ei0<br />
=<br />
4πε<br />
r r<br />
4πε<br />
∑ ∑ ∑ ∑<br />
Elektrischer Dipol<br />
0<br />
i0<br />
i0<br />
i<br />
i<br />
Q<br />
i<br />
2<br />
0 ri0<br />
Zwei Ladungen gleicher Größe mit verschiedenen Vorzeichen seien in der folgenden Anordnung gegeben:<br />
y<br />
-Q +Q<br />
-a a<br />
Das elektrische Feld in x-Richtung lässt sich wie folgt berechnen:<br />
1 Q 1 − Q Q ⎛ 1 1 ⎞ Q 4 ⋅a<br />
⋅ x<br />
E =<br />
e +<br />
e = ⎜ − ⎟ ⋅ e =<br />
⋅ e 2<br />
4πε<br />
0<br />
2 x<br />
2 x<br />
2<br />
2 x<br />
2 2<br />
( x − a)<br />
4πε0<br />
( x + a)<br />
4πε<br />
⎜<br />
0 ( x a)<br />
( x a)<br />
⎟<br />
⎝ − + ⎠ 4πε0<br />
( x − a )<br />
e x ist der Einheitsvektor in x-Richtung.<br />
Für große Entfernungen x ist x>>a <strong>und</strong> der zweite Term kann angenähert werden durch:<br />
4 ⋅a<br />
⋅ x 4 ⋅a<br />
≈<br />
2 ( x − a )<br />
2 2 3<br />
x<br />
r<br />
i0<br />
r<br />
i0<br />
x<br />
x
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1 4 ⋅a<br />
⋅Q<br />
Somit lautet das elektrische Feld im Fernbereich der Ladungen E =<br />
⋅ e 3 x<br />
4πε<br />
x<br />
Definition des elektrischen Dipolmomentes: p = 2⋅<br />
a ⋅Q<br />
⋅e<br />
x<br />
Das Dipolmoment zeigt von der negativen <strong>zur</strong> positiven Ladung <strong>und</strong> hat den Betrag des Produktes aus La-<br />
dung <strong>und</strong> Abstand der Ladungen. Für die Felder auf der y-Achse können analoge Berechnungen durchge-<br />
führt werden. Die Größe der Felder nimmt mit der dritten Potenz des Abstandes vom Dipolmoment ab. Die<br />
Näherungen gelten für den Fernbereich, im Nahbereich des Dipols ist die Beschreibung des Feldes i.a.<br />
komplizierter.<br />
y<br />
-Q +Q<br />
Elektrische Feldlinien<br />
+<br />
7.1.3 Bewegung von Ladungen in E-Feldern<br />
Q,m<br />
0<br />
-a a<br />
+<br />
Richtung <strong>und</strong> Größe<br />
des Dipolfeldes auf der y-Achse<br />
Richtung <strong>und</strong> Größe<br />
des Dipolfeldes auf<br />
der x-Achse<br />
Feldlinienbilder von ruhenden Ladungen<br />
- - +<br />
-<br />
E<br />
+ - + +<br />
+<br />
0<br />
Dipolfernfelder eines Dipolmomentes in p in x-Richtung<br />
1 2⋅<br />
p<br />
E = ⋅ e<br />
x-Richtung<br />
3 x<br />
4πε0<br />
x<br />
1 p<br />
E = ⋅ e<br />
y-Richtung<br />
3 x<br />
4πε0<br />
x<br />
Zur Visualisierung des elektrischen Feldes<br />
werden elektrische Feldlinien verwendet. Die<br />
Feldlinien zeigen in jedem Punkt des Rau-<br />
mes in Richtung des elektrischen Feldes <strong>und</strong><br />
damit in Richtung der Kraftwirkung auf eine<br />
positive Probeladung. Entsprechend dem<br />
Coulombgesetz verlaufen die Feldlinien von<br />
der positiven Ladung <strong>zur</strong> negativen Ladung.<br />
Die Dichte der Feldlinien repräsentiert die<br />
Größe des elektrischen Feldes<br />
Eine Probeladung Q befinde sich in einem elektrischen Feld. Wegen der Ladung<br />
wirkt somit die Coulombkraft <strong>und</strong> die Probeladung wird beschleunigt.<br />
m ⋅ a = Q ⋅E<br />
x<br />
-<br />
-<br />
-<br />
+<br />
+<br />
+<br />
wobei m die Masse der Probeladung ist. Diese Gleichung verknüpft die Newton-<br />
sche Mechanik mit der Elektrostatik. Sie ist gültig, solange die Bewegung der
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 138<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
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<strong>Teil</strong>chen mit kleiner Geschwindigkeit erfolgt.<br />
Die Beschreibung der Bewegung einer einzelnen Punktladung ist somit vergleichsweise einfach. In den<br />
meisten Fällen bestehen Probeladungen jedoch nicht nur aus einer Ladung:<br />
Polarisierbarkeit: Durch die Wirkung eines elektrischen Feldes werden positive <strong>und</strong> negativen Ladungsträ-<br />
ger z.B. eines Atoms gegeneinander verschoben. Es bildet sich somit ein induziertes Dipolmoment aus<br />
+ -<br />
polare Moleküle: Polare Moleküle, wie z.B. Wasser oder NO, weisen eine bereits bestehendes festes Di-<br />
polmoment auf, d.h. das Molekül hat eine unsymmetrische Ladungsverteilung. Die Wirkung eines elektri-<br />
schen Feldes ist nun aber auf beide Ladungen unterschiedlich.<br />
F<br />
-<br />
+<br />
α<br />
p<br />
Die Kräfte auf die Einzelladungen bewirken ein Drehmoment auf das Molekül <strong>und</strong> eine Ausrichtung in Feld-<br />
richtung.<br />
Das Drehmoment auf das Molekül ist gegeben durch<br />
M = l⋅<br />
F ⋅ sinα<br />
= l⋅<br />
Q ⋅E<br />
⋅sinα<br />
= p ⋅E<br />
⋅sinα<br />
oder allgemeiner M = p × E<br />
7.1.4 Kontinuierliche Ladungsverteilungen<br />
In der Praxis tritt häufig der Fall auf, dass in einem Volumenelement eine große Anzahl von Ladungen vor-<br />
handen sind, d.h. die Berücksichtigung jeder einzelnen Elementarladung <strong>zur</strong> Berechnung des elektrischen<br />
Feldes ist sehr mühselig. Es wird die Betrachtung daher auf Volumenelemente <strong>und</strong> deren räumliche Lage<br />
zueinander eingeschränkt. Es gelten die folgenden Definitionen:<br />
Gesamtladung: Q = ∫ dq<br />
Gesamtvolumen: V = ∫ dV<br />
V<br />
V<br />
Die Integration erstreckt sich über das gesamte Volumen.<br />
-<br />
F<br />
+<br />
elktrisches Feld<br />
elktrisches Feld
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 139<br />
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In diesem Zusammenhang wird eine Größe eingeführt, die die Dichte der Ladungen pro Volumeneinheit<br />
beschreibt: Raumladungsdichte:<br />
dQ<br />
ρ =<br />
dV<br />
Das elektrische Feld berechnet sich dann durch Überlagerung der Felder,<br />
die durch die Ladungselemente dQ hervorgerufen werden.<br />
d E<br />
1<br />
=<br />
4πε<br />
0<br />
dQ<br />
2<br />
r<br />
r<br />
r<br />
1<br />
⇒ E = ∫ 4πε<br />
V<br />
0<br />
dQ<br />
2<br />
r<br />
r ist der Verbindungsvektor zwischen Aufpunkt des elektrischen Feldes<br />
<strong>und</strong> der Ladung dQ<br />
Auf diese Art ist es möglich, bei gegebenen beliebigen Raumladungsverteilungen das ortsabhängige elektri-<br />
sche Feld zu berechnen.<br />
Beispiele:<br />
Plattenkondensator:<br />
σ=const<br />
dE<br />
+<br />
+<br />
+<br />
+<br />
+<br />
+<br />
+<br />
+<br />
r<br />
r<br />
Elektrisches Feld einer unendlich ausgedehnten gelade-<br />
nen Fläche mit der Flächenladungsdichte<br />
Q<br />
σ = ,<br />
A<br />
die sich im Ursprung in der y,z-Ebene ausdehnt ist gege-<br />
ben durch:<br />
E<br />
x<br />
1<br />
=<br />
2ε<br />
0<br />
σ x > 0<br />
Das Feld besitzt nur Komponenten in x-Richtung <strong>und</strong> ist überall gleich groß. Näherungsweise beschreibt<br />
dieses Modell das Verhalten eines Plattenkondensators.<br />
Punktladung:<br />
E r<br />
Q<br />
Geladene Kugeln:<br />
r<br />
E x<br />
dQ<br />
Das Feld einer Punktladung verläuft radial nach außen <strong>und</strong> hat den Wert<br />
E<br />
r<br />
1 Q<br />
= , wobei r der Abstand vom Mittelpunkt der Kugel ist.<br />
2<br />
4πε<br />
r<br />
0<br />
x
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 140<br />
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E r<br />
+ + R<br />
+<br />
+ +<br />
+<br />
+<br />
+<br />
+ + +<br />
+<br />
+ + +<br />
+<br />
+<br />
+ + +<br />
+<br />
r<br />
E r<br />
+ +<br />
+<br />
+<br />
+<br />
+<br />
+<br />
+<br />
+<br />
+ +<br />
+ + R<br />
+<br />
+<br />
+<br />
+<br />
+<br />
+<br />
+<br />
+<br />
+ + +<br />
homogen geladene Homogen geladene<br />
Kugel Kugelschale<br />
1 Q<br />
Feld innerhalb Er = rr<br />
< R E 3<br />
r = 0r<br />
< R<br />
4πε<br />
R<br />
0<br />
1 Q<br />
1 Q<br />
Feld außerhalb Er = r > R E r R<br />
2<br />
r = > 2<br />
4πε<br />
r<br />
4πε<br />
r<br />
0<br />
7.1.5 Ladung <strong>und</strong> Feld auf leitenden Oberflächen<br />
E 0<br />
-<br />
-<br />
-<br />
-<br />
-<br />
-<br />
-<br />
-<br />
-<br />
-<br />
0<br />
Leitende Oberflächen zeichnen sich dadurch aus, dass sie frei beweg-<br />
liche Ladungsträger innerhalb des leitenden Materials besitzen. Wird<br />
ein leitendes Material einem elektrischen Feld ausgesetzt, so bewegen<br />
sich die Ladungsträger durch die Wirkung der Coulombkraft zum bzw.<br />
entgegengesetzt dem elektrischen Feld, bis das äußere Feld durch die<br />
Ladungsträgerverschiebung aufgehoben wird. das Innere des leitenden<br />
Materials ist dann feldfrei.<br />
• Die durch Influenz erzeugten Oberflächenladungen des leitenden Materials ist gerade so groß, dass<br />
das externe elektrische Feld E0 gerade aufgehoben wird.<br />
• Ein elektrisches Feld steht stets senkrecht auf der Leiteroberfläche <strong>und</strong> hat die Größe<br />
(doppelter Beitrag einer einzigen unendlich ausgedehnten Platte)<br />
• Auf diesem Effekt beruht die Abschirmwirkung von geschlossenen Metallkäfigen:<br />
Feldemission:<br />
E innen<br />
E 0<br />
+<br />
+<br />
+<br />
+<br />
+<br />
+<br />
+<br />
+<br />
+<br />
+<br />
E 0<br />
Faraday-Käfig: z.B. Blitzschutz im Auto<br />
Abschirmende Wirkung durch vergittertes Fenster in der Mikrowelle<br />
leitende Kunststoffe für EMV bei elektronischen Geräten<br />
r<br />
En<br />
σ<br />
= .<br />
ε<br />
0
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 141<br />
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Durch die Kraftwirkung des äußeren elektrischen Feldes können Ladungsträger aus dem Inneren des leiten-<br />
den Materials herausgezogen werden. Dieser Effekt wird Feldemission genannt.<br />
Beispiele:<br />
• Aufladung an trockenen Tagen <strong>und</strong> Schlagwirkung bei Berühren von geerdeten Gegenständen.<br />
• Funkensprühen beim Kämmen, Knistern beim Aus- <strong>und</strong> Anziehen synthetischer Pullover.<br />
7.2 Elektrisches Potential<br />
7.2.1 Definitionen<br />
In der Mechanik wurde die potentielle Energie eingeführt, um Bezugspunkte festzulegen. Die Differenz zwi-<br />
schen zwei potentiellen Energien war dabei ein Maß für die Arbeit, die z.B. in eine Masse hineingesteckt<br />
werden musste, um diese im Schwerefeld der Erde um eine gewisse Höhe anzuheben: Δ E = m⋅<br />
g ⋅h<br />
.<br />
Wird eine Ladung durch ein elektrisches Feld bzw. die Coulombkraft verschoben, so wird an der Ladung<br />
durch das Feld Arbeit verrichtet <strong>und</strong> die verrichtete Arbeit entspricht auch in diesem Falle einer Änderung<br />
der potentiellen Energie:<br />
dEpot = −FCoulomb<br />
⋅ds<br />
⇒ dEpot<br />
= −Q<br />
⋅E<br />
⋅ ds<br />
Auch hier ist die Bewegung relevant, die parallel <strong>zur</strong> Kraftwirkung ausgeführt wird. die Änderung der poten-<br />
tiellen Energie ergibt sich dann zu<br />
ΔE<br />
pot<br />
=<br />
2<br />
∫<br />
1<br />
− Q ⋅E<br />
⋅ds<br />
In der Elektrostatik wird meist nicht die potentielle Energie eine Ladung betrachtet, sondern die Energie<br />
bezogen auf die Ladung. Es wird definiert die<br />
2<br />
dEpot<br />
ΔEpot<br />
Potentialdifferenz: d Φ = = −E<br />
⋅ds<br />
⇒ ΔΦ = Φ2<br />
− Φ1<br />
= = ∫ −E<br />
⋅ds<br />
Q<br />
Q<br />
Die Potentialdifferenz ist die durch ein elektrisches Feld verrichtete Arbeit pro Ladungseinheit,<br />
wenn die Probeladung sich vom Punkt 1 zum Punkt 2 bewegt. Potentialdifferenz <strong>und</strong> Arbeit haben<br />
entgegengesetzte Vorzeichen.<br />
Im technischen Sprachgebrauch wird die Potentialdifferenz als elektrische Spannung bezeichnet. Allgemein<br />
kann analog <strong>zur</strong> potentiellen Energie z.B. im Schwerefeld der Erde die ein Bezugspunkt des Potentials zu<br />
Null gesetzt werden.<br />
Spannung: U Φ − Φ = ΔΦ , 1 V = 1 J/C<br />
12 = 2 1<br />
Spannung <strong>und</strong> Potential haben die Einheit von Energie/Ladung.<br />
1
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 142<br />
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Beispiel: In einer Autobatterie ist das Potential des positiven Pols gegenüber dem negativen Pol um 12 V<br />
höher. Wird ein Verbraucher an die Batterie angeschlossen, nimmt die potentielle Energie einer Ladung von<br />
1 C um Δ = Q ⋅ ΔΦ = 1C<br />
⋅12V<br />
= 12J<br />
ab. Diese Energieabnahme wird in Form von elektrischer Ener-<br />
E pot<br />
gie dem Verbraucher zugeführt.<br />
Einheitenumrechnung, Analogie zwischen elektrischen <strong>und</strong> mechanischen Größen:<br />
Aus obiger Gleichung folgt:<br />
1 J = 1 Nm = 1 VC, daraus: 1 V/m = 1 V/C<br />
Eine positive Probeladung wird in einem elektrischen Feld beschleunigt.<br />
Die Zunahme der kinetischen Energie entspricht gerade der Abnahme der<br />
potentiellen Energie. Die Probeladung bewegt sich somit von einem hohen<br />
Potential in Richtung des niedrigeren Potentials. Elektrische Feldlinien zei-<br />
gen somit in Richtung des niedrigeren Potentials.<br />
Analogie: Im Schwerefeld der Erde bewegt sich eine Masse in Richtung des<br />
Erdmittelpunktes. Die potentielle Energie wird dabei kleine, während die kinetische Energie um den gleichen<br />
Betrag anwächst.<br />
7.2.2 Potential von Punktladungen<br />
Das elektrische Feld einer Punktladung war:<br />
1<br />
=<br />
4πε<br />
Q<br />
r<br />
Er 2<br />
0<br />
Das Feld zeigt bei einer positiven Punktladung radial nach außen.<br />
Eine Änderung der potentiellen Energie wird demnach nur erreicht, wenn eine Probeladung im Feld dieser<br />
Punktladung parallel zu den Feldlinien bewegt wird. Eine Verschiebung einer Probeladung Q0 um ds, die<br />
eine Änderung des Potentials bewirkt, entspricht daher genau einer Erhöhung des Abstandes um dr, d.h.<br />
dE<br />
Φ =<br />
q<br />
1<br />
= −E<br />
⋅ds<br />
= −<br />
4πε<br />
d<br />
pot<br />
2<br />
0<br />
Q<br />
dr<br />
r<br />
(Minuszeichen: Eine Verringerung des Abstandes bewirkt eine Erhöhung des Potentials)<br />
1 Q 1 Q<br />
oder nach Integration: ΔΦ = ∫ − dr = + Φ<br />
2<br />
0<br />
4πε<br />
r 4πε<br />
r<br />
0<br />
0<br />
Üblicherweise wird das Potential im Unendlichen zu Null gesetzt, wodurch der Term Φ 0 ebenfalls zu Null<br />
gesetzt werden kann.<br />
Φ = 0 für Φ = 0 bei r → ∞<br />
0<br />
Wird demnach eine positive Probeladung im Feld einer anderen positiven Ladung im Abstand r losgelassen,<br />
so wird die positive Ladung ins Unendliche bewegt. Die Arbeit die das Feld an der Probeladung verrichtet<br />
ergibt sich dann zu:<br />
r<br />
r
∞<br />
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 143<br />
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1<br />
W = ∫Q<br />
0 ⋅E<br />
⋅ds<br />
= Q0<br />
⋅ ∫E<br />
⋅ds<br />
= Q0<br />
⋅∫<br />
4πε<br />
r<br />
∞<br />
r<br />
∞<br />
r<br />
0<br />
Q 1<br />
⋅ ⋅ dr = 2<br />
r 4πε<br />
0<br />
Q0<br />
⋅Q<br />
⋅ ⋅<br />
r<br />
Die potentielle Energie ist demnach am Punkt P im Abstand r gegeben durch das<br />
Potential an dieser Stelle multipliziert mit der Probeladung Q0.<br />
1<br />
=<br />
4πε<br />
Q0<br />
⋅Q<br />
⋅ = Q<br />
r<br />
Epot 0<br />
0<br />
⋅Φ<br />
( r)<br />
Potential eines Systems von Punktladungen:<br />
Das elektrische Feld eines Systems von Punktladungen bestimmt sich aus der Überlagerung der Felder der<br />
Einzelladungen:<br />
E = E + E + .... + E<br />
ges<br />
1<br />
2<br />
n<br />
Mit der Definition der Potentialdifferenz folgt hieraus sofort<br />
d Φ = −E<br />
ges<br />
1<br />
⋅ds<br />
⇒ Φ(<br />
r0<br />
) = ∑ 4πε<br />
Q<br />
r<br />
i 0 0i<br />
Potential einer kontinuierlichen Ladungsverteilungen:<br />
i<br />
Die gleichen Überlegungen gelten für kontinuierliche Ladungsverteilungen, nur dass wiederum die Summa-<br />
tion durch die Integration über infinitesimal kleine Ladungseinheiten ersetzt wird<br />
1<br />
Φ(<br />
r0<br />
) = ∫ 4πε<br />
Beispiele:<br />
Q<br />
Q 0<br />
0<br />
dQ<br />
r<br />
Plattenkondensator:<br />
1<br />
Das elektrische Feld einer unendlich ausgedehnten geladenen Fläche war E x = σ x > 0<br />
2ε<br />
Das Potential lässt sich hieraus errechnen aus der Bedingung:<br />
x<br />
1<br />
Φ<br />
2ε<br />
∫<br />
1<br />
2ε<br />
( x)<br />
− Φ(<br />
0)<br />
= ∫ Ex<br />
⋅dx′<br />
= − σ dx′<br />
= Φ0<br />
− σ⋅<br />
x für x > 0<br />
0<br />
0<br />
x<br />
0<br />
wobei Φ 0 das Potential auf der Platte ist. Das Potential ist auf der Platte am größten <strong>und</strong> nimmt stetig mit<br />
zunehmendem Abstand ab. Allerdings wird das Potential in diesem Falle im Unendlichen nicht zu Null.<br />
Im Feld eines Plattenkondensators würde die potentielle Energie einer Ladung demnach linear mit dem<br />
Abstand von der Platte abnehmen:<br />
Potentialdifferenz: ΔΦ = U = E ( x − x )<br />
12<br />
x<br />
2<br />
1<br />
0<br />
0
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Die Spannung, die zwischen den Platten eines Kondensators abfällt, ist proportional dem Abstand der Plat-<br />
ten.<br />
7.2.3 Feld <strong>und</strong> Potential, Poissongleichung<br />
Äquipotentiallinien:<br />
Aus der Definitionsgleichung des Potentials dΦ = −E<br />
⋅ ds folgt, dass die Änderung des Potentials Null ist,<br />
wenn die Verschiebung senkrecht zum elektrischen Feld erfolgt. Andererseits ist sie am größten, wenn sie<br />
in Richtung des elektrischen Feldes erfolgt. Das Potential weist dort den größten Gradienten auf.<br />
Beispiel Punktladung:<br />
Gardienten des Potentials beschreiben:<br />
E = −gradΦ<br />
= −∇Φ<br />
Entlang den Äquipotentiallinien ist das elektrische Feld vom<br />
Betrage her gleich groß. Im Falle der Punktladung ist dies<br />
gegeben in gleichen Abständen vom Mittelpunkt der Punktla-<br />
dungen. Da in diesem Falle zum Verschieben einer Probela-<br />
dung keine Arbeit benötigt wird, steht wegen<br />
d Φ = E ⋅ ds<br />
= 0 das elektrische Feld stets senkrecht auf<br />
den Potentiallinien.<br />
In vektorieller Schreibweise lässt sich die Gleichung wie folgt darstellen:<br />
⎛E<br />
⎜<br />
E = ⎜E<br />
⎜<br />
⎝E<br />
x<br />
y<br />
z<br />
Q<br />
Äquipotentiallinien<br />
⎛ δΦ<br />
⎞ ⎛ d ⎞<br />
⎜ ⎟ ⎜ ⎟<br />
⎞<br />
⎜ ⎟ ⎜ dx ⎟<br />
⎟<br />
⎜ dΦ ⎟<br />
=<br />
⎜ d ⎟<br />
⎟ = − Φ =<br />
⎜ ⎟ ⎜ ⎟<br />
Φ = −∇Φ<br />
⎟<br />
dy dy<br />
⎠<br />
⎜ ⎟ ⎜ ⎟<br />
⎜<br />
dΦ<br />
⎟ ⎜<br />
d<br />
⎟<br />
⎝ dz ⎠ ⎝ dz ⎠<br />
dx<br />
grad<br />
⎛ δ ⎞<br />
⎜ ⎟<br />
⎜ δx<br />
⎟<br />
⎜ δ ⎟<br />
Hierbei wird ∇ = der Nabla-Operator genannt<br />
⎜ δy<br />
⎟<br />
⎜ ⎟<br />
⎜<br />
δ<br />
⎟<br />
⎝ δz<br />
⎠<br />
Diese Eigenschaften lassen sich mathematisch durch den<br />
Durch die Gradientenoperation wird aus dem skalaren Potential Φ einen Vektor erzeugt, der in die Richtung<br />
der Abnahme von Φ zeigt. Aus Symmetriegründen kann auch eine Operation eingeführt werden, die eine<br />
vektorielle Größe zu einer skalaren Größe umwandelt. Diese Rechenoperation wird Divergenz genannt. Es<br />
kann gezeigt werden, dass im Falle kontinuierlicher Landungsverteilungen gilt:
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 145<br />
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dQ<br />
Mit der Raumladungsdichte: ρ = kann gezeigt werden, dass<br />
dV<br />
⎛ δ ⎞<br />
⎜ ⎟<br />
⎜ δx<br />
⎟ ⎛E<br />
x ⎞<br />
⎜ δ ⎟ ⎜ ⎟ δ δ δ 1<br />
div E = ∇ ⋅E<br />
=<br />
⎜ ⎟<br />
⋅⎜E<br />
y ⎟ = E x + E y + Ez<br />
= ρ Poissongleichung<br />
δy<br />
⎜ ⎟ δx<br />
δy<br />
δz<br />
ε0<br />
⎜ ⎟ ⎝ ⎠<br />
⎜<br />
δ<br />
Ez<br />
⎟<br />
⎝ δz<br />
⎠<br />
Wird hier der funktionale Zusammenhang zwischen E <strong>und</strong> Φ eingesetzt, so ergibt sich:<br />
div E<br />
⎛ δ ⎞ ⎛⎛<br />
δ ⎞ ⎞<br />
⎜ ⎟ ⎜⎜<br />
⎟ ⎟<br />
⎜ δx<br />
⎟ ⎜⎜<br />
δx<br />
⎟ ⎟<br />
2<br />
2<br />
2<br />
⎜ δ ⎜⎜<br />
δ ⎟ ⎟ δ δ δ<br />
= −divgradΦ<br />
= ∇ ⋅<br />
⎟<br />
⎜ ⎟ ⎜⎜<br />
δ ⎟ ⎟ 2<br />
2 2<br />
δy<br />
y δx<br />
δy<br />
δz<br />
⎜ ⎟ ⎜⎜<br />
⎟ ⎟<br />
⎜<br />
δ<br />
⎟ ⎜<br />
⎜⎜<br />
δ<br />
⎟ ⎟<br />
⎝ δz<br />
⎠ ⎝⎝<br />
δz<br />
⎠ ⎠<br />
Der Operator<br />
( ∇ ⋅ Φ)<br />
= ⋅ ⋅Φ<br />
= Φ + Φ + Φ = ΔΦ<br />
2 2 2<br />
⎛ δ δ δ ⎞<br />
= div grad = ⎜ + + ⎟ wird Laplace-Operator genannt.<br />
2 2<br />
⎝ δx<br />
δy<br />
δz<br />
⎠<br />
Δ 2<br />
Hieraus ergibt sich die Laplacegleichung<br />
1<br />
ΔΦ = −<br />
ε ρ<br />
0<br />
Anschauliche Deutung: Die Divergenz eines Feldes ist die Quelle, von der das elektrische Feld ausgeht, ist<br />
die Raumladungsdichte<br />
• positiv: Das Feld beginnt an dieser Raumladungsdichte, die Feldlinien verlaufen aus dem Volumen<br />
von der Raumladungsdichte weg.<br />
• negativ: Das Feld endet in der Raumladungsdichte, die Feldlinien laufen in das Volumen mit<br />
der Raumladungsdichte hinein.<br />
• Null: Das Feld besitzt keine Quelle. Bezogen auf ein festes Volumen enden keine Feldlinien in<br />
diesem Volumen, vielmehr laufen genauso viele Feldlinien hinein wie heraus.<br />
Wird die Poissongleichung über das Volumen, welches die gesamte Ladung der Raumladungsdichte ent-<br />
hält, integriert, so folgt<br />
∫<br />
V<br />
1 1<br />
divE<br />
dV = ρ dV = Q<br />
ε ∫ ε<br />
0<br />
V<br />
0<br />
innen<br />
Andererseits gilt aber auch der Gaußsche Integralsatz, wonach<br />
∫<br />
V<br />
div<br />
E dV =<br />
∫<br />
S<br />
EdA<br />
=<br />
∫<br />
S<br />
E<br />
n<br />
dA
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Hieraus lässt sich allgemein das Durchflutungsgesetz ableiten, welches<br />
eine bessere anschauliche Bedeutung hat, als die Schreibweise mit<br />
Differentialoperatoren<br />
1<br />
∫ EdA<br />
= ∫divE<br />
dV = Qinnen<br />
Gaußscher Satz<br />
ε<br />
S<br />
V<br />
0<br />
Anschaulich: Der gesamte Fluss der elektrischen Feldlinien senk-<br />
recht zu einer geschlossenen Oberfläche ist einzig abhängig von<br />
der gesamten Ladung, die sich innerhalb der geschlossenen Ober-<br />
fläche befindet.<br />
Dieses Durchflutungsgesetz hat in der Elektrostatik <strong>und</strong> Elektrodynamik eine große Bedeutung (1. Maxwell-<br />
sche Gleichung). Allerdings ist die mathematische Behandlung (Integration bzw. Differentiation) i.a. sehr<br />
schwierig.<br />
7.3 Elektrischer Strom:<br />
7.3.1 Definitionen:<br />
Strom<br />
dQ<br />
I = [A=Ampere]<br />
dt<br />
Unter Strom wird die pro Zeiteinheit transportierte Ladung Q verstanden, die durch die Querschnittsfläche<br />
z.B. eines Leiters fließt.<br />
Daraus folgt, dass die transportierte Ladung berechnet werden kann aus: Q = ∫Idt<br />
Wenn die Stromstärke konstant ist, vereinfacht sich die obige Gleichung zu Q = I⋅<br />
t<br />
Stromdichte<br />
I<br />
j = , Strom pro Querschnittsfläche in einem Leiter<br />
A<br />
Spannung : Unter der elektrischen Spannung wird nach den Ausführungen im vorigen Kapitel ein Maß <strong>zur</strong><br />
Trennung von Ladungsträgern verstanden. Eine Spannung tritt immer dann auf, wenn positive <strong>und</strong> negative<br />
Ladungsträger voneinander getrennt werden. Werden diese Pole miteinander verb<strong>und</strong>en, so findet ein La-<br />
dungsträgeraustausch statt, d.h. es fließt ein Strom. Die Spannung ist gleich der Potentialdifferenz wischen<br />
zwei Punkten, die gerade den Unterschied in der potentiellen Energie von Ladungen beschreibt.<br />
ΔEpot<br />
U = ΔΦ = 1 V = 1 J/C<br />
Q<br />
Die Ladung von 1 C ändert demnach die potentielle Energie um 1 J, wenn sie eine Spannung von 1 V<br />
durchläuft.<br />
Q<br />
En<br />
dA<br />
Energieeinheit Elektronenvolt:<br />
t<br />
t<br />
2<br />
1
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 147<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />
Bei atomistischen Vorgängen werden oftmals Ladungsträger betrachtet, die gerade die Elementarladung<br />
tragen. Bei diesen Betrachtungen wird eine Umrechnung der Energie dieser Ladungsträger in eine günstige-<br />
re Einheit vorgenommen: Durchläuft ein Elektron eine Spannungsdifferenz von einem Volt, so erhöht (oder<br />
erniedrigt) es seine potentielle Energie gerade um 1 Elektronenvolt:<br />
Mit U = 1 V, Q = 1,602 10 -19 C wird<br />
ΔE<br />
pot<br />
⇒ 1 eV =<br />
= U⋅<br />
Q =<br />
1,<br />
602 ⋅10<br />
⇒ 1 J = 6,<br />
242⋅10<br />
1,<br />
602 ⋅10<br />
18<br />
−19<br />
J<br />
eV<br />
−19<br />
VC =<br />
7.3.2 Elektronenleitung in Leitern<br />
1,<br />
602 ⋅10<br />
−19<br />
J = 1 eV<br />
Ein elektrischer Strom in einem Leiter entsteht durch die Bewegung von freien Ladungsträgern des Leiters.<br />
Hierzu ist eine Spannung notwendig, die über dem Leiter eine Potentialdifferenz aufrecht erhält. Diese<br />
Spannung wird von einer Spannungsquelle erzeugt. Die Energie, die <strong>zur</strong> Aufrechterhaltung der Spannung<br />
notwendig ist, wird durch Umwandlung anderer Energieformen erreicht:<br />
Chemisch: Galvanische Elemente<br />
Mechanisch: Generatoren<br />
Lichtenergie: Solarzellen<br />
Q vd<br />
Eine Stromstärke von 1A wird erreicht, wenn durch<br />
den Leiterquerschnitt pro Sek<strong>und</strong>e eine Ladung von<br />
C<br />
1 C fließt: 1 A = 1<br />
s<br />
Technische Stromrichtung: von positiver Span-<br />
nung zu negativer Spannung. Die Ladungsträger<br />
werden dabei als positiv geladen angenommen. Elektronen in einem metallischen Draht bewegen sich da-<br />
her in der entgegengesetzten Richtung.<br />
Elektronenbewegung:<br />
A<br />
Der Strom berechnet sich aus der Anzahl der Ladungen, die pro Zeiteinheit durch die Querschnittsfläche A<br />
hindurchdriften. Die Dichte der beweglichen Ladungsträger im Leiter betrage n.<br />
Ladungsträger in Metallen vollziehen eine sehr hohe thermische Bewegung, die durch Stöße der Elektronen<br />
mit dem Kristallgitter jedoch ständig gebremst wird. Die thermische Bewegung ist völlig ungeordnet, d.h. es<br />
gibt keine Vorzugsrichtung der Bewegung. Wird eine äußere Spannung angelegt, so werden die Ladungs-<br />
träger zusätzlich entgegen der Spannungsdifferenz beschleunigt (entgegen, da negativ geladen). Im Mittel<br />
bewegen sich die Elektronen demnach mit einer kleineren Driftgeschwindigkeit vd, da sie nach jedem Stoß<br />
mit dem Gitter erneut beschleunigt werden müssen.<br />
In einer Zeit Δ t legt eine Ladung somit eine Strecke s v d t Δ ⋅ = Δ <strong>zur</strong>ück.
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 148<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />
Ein Volumenelement A ⋅ Δs<br />
enthält N = n⋅<br />
A ⋅ Δs<br />
Ladungen<br />
Der Strom als Anzahl der Ladungen pro Zeiteinheit ist somit<br />
Beispiel:<br />
N⋅<br />
Q n⋅<br />
A ⋅ Δs<br />
⋅Q<br />
n ⋅ A ⋅ v d ⋅ Δt<br />
⋅Q<br />
= =<br />
=<br />
= n ⋅ A ⋅ v<br />
Δt<br />
Δt<br />
Δt<br />
I d<br />
Driftgeschwindigkeit von Elektronen in einem Kupferdraht<br />
Radius r = 0,815 mm<br />
Strom I = 1 A<br />
Dichte von Kupfer ρ = 8,93 g/cm 3<br />
molare Masse M = 63,5 g/mol<br />
Cu ist i.a. einwertig, d.h. im Kristall stellt jedes Cu-Atom ein freies Elektron <strong>zur</strong> Verfügung.<br />
Berechnung der Atomdichte: 1 Mol enthält NA = 6,02 10 23 Atome (Avogadrozahl)<br />
Anzahl der Atome pro cm 3 :<br />
ρ ⋅N<br />
8,<br />
47<br />
A<br />
nA = = ⋅<br />
M<br />
10<br />
22<br />
Atome pro cm<br />
3<br />
Wenn jedes Atom gerade ein freies Elektron <strong>zur</strong> Verfügung stellt, ist die Dichte der Elektronen ebenfalls<br />
n = 8,47 10 22 Elektronen pro cm 3<br />
.<br />
Mit obiger Gleichung folgt für die Driftgeschwindigkeit vd:<br />
I I<br />
= =<br />
n⋅<br />
A ⋅Q<br />
n⋅<br />
π ⋅r<br />
=<br />
⋅e<br />
8,<br />
47 ⋅10<br />
1<br />
A ⋅cm<br />
v d<br />
2<br />
22<br />
2<br />
Insgesamt ergibt sich<br />
Vd = 3,54 10 -2 mm/s = 3,54 10 -5 m/s<br />
⋅ π ⋅<br />
2<br />
−19<br />
( 0,<br />
815)<br />
⋅1,<br />
6 ⋅10<br />
mm ⋅C<br />
Die Driftgeschwindigkeiten der Elektronen liegen in der Größenordnung 0,01 m/s <strong>und</strong> sind somit sehr klein.<br />
Die Wirkung eines Stromes bzw. einer Spannung ist hingegen sofort nach dem Einschalten spürbar. Die<br />
Ausbreitungsgeschwindigkeit des elektrischen Feldes beträgt hier die Lichtgeschwindigkeit.<br />
Analogie: Wird auf einen gefüllten Wasserschlauch auf einer Seite Druck erzeugt, so beginnt das Wasser<br />
sofort zu fließen. Das Wassermolekül, auf das der Druck ausgeübt wurde, erreicht da Ende des Schlauches<br />
jedoch erst viel später. Die Druckwelle breitet sich mit Schallgeschwindigkeit aus, die Molekülbewegung ist<br />
viel langsamer.<br />
Elektronenbewegung in der Vakuumröhre<br />
Es werden durch Glühemission aus der Kathode freie Elektronen ins Vakuum emittiert <strong>und</strong> durch eine ange-<br />
legte Spannung in Richtung einer Anode beschleunigt. Zwischen Kathode <strong>und</strong> Anode liegt eine Spannung<br />
3<br />
⋅Q
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 149<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />
von 100 V, d.h. durch das elektrische Feld zwischen Kathode <strong>und</strong> Anode wird an den Elektronen eine Be-<br />
schleunigungsarbeit verrichtet.<br />
Größe der Beschleunigungsarbeit: W = e ⋅ ΔΦ<br />
Diese Arbeit wird in kinetische Energie der Elektronen umgewandelt, d.h. kurz vor Erreichen der Anode<br />
1 2<br />
−17<br />
haben die Elektronen die Energie Ekin<br />
= m ⋅ v = e ⋅ ΔΦ = 100eV<br />
= 1,<br />
602⋅10<br />
J<br />
2<br />
Hieraus lässt sich die Geschwindigkeit der Elektronen (m = 9,12 10 -31 kg) sofort bestimmen zu<br />
v =<br />
2 ⋅e<br />
⋅ ΔΦ<br />
6<br />
= 5,<br />
93 ⋅10<br />
m / s<br />
m<br />
Die Ausbreitungsgeschwindigkeit freier Elektronen ist im Vakuum um ein Vielfaches höher als im Festkör-<br />
per.<br />
7.3.3 Elektrischer Widerstand <strong>und</strong> Ohmsches Gesetz<br />
Wenn in einem Leiter ein Strom fließt, so ist sein Inneres nicht feldfrei, d.h. es herrscht kein elektrostati-<br />
sches Gleichgewicht im Innern des Leiters. Wird demnach eine äußere Spannung an einen Leiter angelegt,<br />
so bewegen sich die Ladungsträger im Innern des Leiters aufgr<strong>und</strong> der elektrostatischen Kraftwirkung.<br />
• Positive Ladungsträger von + nach - � technische Stromrichtung<br />
• Negative Ladungsträger von - nach + � Richtung der Elektronenbewegung<br />
Wird eine elektrische Spannung an einen Leiter gelegt, so fällt die gesamte Spannung über diesem Leiter<br />
ab. In einem kleinen Leiterstück kann das elektrische Feld als konstant angenommen werden. Über diesem<br />
Leiterstück liegt die Potentialdifferenz<br />
ΦA<br />
Leitwert G: I = G⋅<br />
U<br />
elektrischer Widerstand R: U = R⋅ I<br />
Ohmsches Gesetz:<br />
Δl<br />
E<br />
ΦB<br />
U A B<br />
= Φ − Φ = E ⋅ Δl<br />
Die sich einstellende Stromstärke in diesem Leiter-<br />
stück ist der anliegenden Spannung proportional.<br />
Die Proportionalitätskonstante wird Leitwert ge-<br />
nannt:<br />
G = 1 R G in S (Siemens), R in Ω (Ohm)<br />
Ist der sich einstellende Strom durch einen Leiter (oder durch ein Bauteil) proportional der angelegten Span-<br />
nung, so gilt das Ohmsche Gesetz: U = R ⋅I
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 150<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
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Materialien, die dem ohmschen Gesetz gehorchen, werden ohmsche Widerstände bezeichnet. Die Größe<br />
des ohmschen Widerstandes ist von der Geometrie des Leiters abhängig. Für ohmsche Widerstände gilt:<br />
l<br />
= ρ , wobei l die Länge des Leiters, A die Querschnittsfläche <strong>und</strong> ρel, Einheit [Ωm], der spezifische<br />
A<br />
R el<br />
Widerstand des Leitermaterials sind. ρel ist eine temperaturabhängige Materialkonstante.<br />
( )<br />
Temperaturabhängigkeit: ρ = ρ 1+ α(<br />
− 20°<br />
)<br />
20<br />
t C , t Temperatur in °C<br />
Der lineare Zusammenhang gilt meist nur näherungsweise für kleinere Temperaturbereiche (20°C - 60°C).<br />
Oftmals werden auch anderen Kenngrößen bzw. Formulierungen <strong>zur</strong> Beschreibung des Ohmschen Geset-<br />
zes verwendet.<br />
Spezifische Leitfähigkeit<br />
1<br />
σ = ⇒ G = σ<br />
ρ<br />
A<br />
l<br />
Wenn das elektrische Feld im Innern eines Leiters nicht konstant ist, so gilt das Ohmsche Gesetz nur noch<br />
für kleinere Bereiche, in denen das Feld als konstant angenommen werden kann.<br />
A I U<br />
Aus I = G⋅U ⇔ I = σ U ⇒ = σ<br />
l A l<br />
I U<br />
Der Quotient = j wird als Stromdichte bezeichnet, der Quotient = E ist gerade das (konstante) elekt-<br />
A<br />
l<br />
rische Feld, welches im Leiter anliegt. Hieraus folgt die allgemeine Formulierung des Ohmschen Gesetzes,<br />
welches die Richtung der Stromausbreitung in Abhängigkeit des elektrischen Feldes beschreibt: j = σ ⋅E<br />
Der Strom durch eine Querschnittsfläche A berechnet sich dann nach ∫ ⋅ = I j dA<br />
Leitfähigkeitsmodell:<br />
• Freie Elektronen verhalten sich wie ein Gas im Ionengitter.<br />
• Durch thermische Bewegung werden ständig Energie <strong>und</strong> Impuls mit dem Gitter ausgetauscht.<br />
• Durch Übertragung der kinetischen Gastheorie kann den Elektronen eine Geschwindigkeit aufgr<strong>und</strong><br />
ihrer thermischen Energie zugeordnet werden:<br />
v<br />
eff<br />
3 ⋅k<br />
⋅ T<br />
m<br />
= (ungefähr 1,2 10 5 m/s)<br />
e<br />
• Ein zusätzliches elektrisches Feld überlagert der thermischen Bewegung eine Driftbewegung vd der<br />
Elektronen entgegen dem Feld.<br />
• Durch die ständigen Stoßvorgänge wird die Bewegung der Elektronen gebremst, wodurch sich ein<br />
stationärer Zustand einstellt: Der Strom nimmt aufgr<strong>und</strong> der Materialeigenschaften nur einen endli-<br />
chen Wert an.<br />
A
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 151<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />
• Eine Erhöhung des Feldes bewirkt somit nur eine endliche Erhöhung der Driftgeschwindigkeit.<br />
Diese Verhalten wird oftmals ausgedrückt durch die Beweglichkeit von Ladungsträgern in Festkörpern:<br />
Beweglichkeit: = μ ⋅E<br />
v d<br />
1<br />
Zusammenhang zwischen Leitfähigkeit <strong>und</strong> Beweglichkeit: σ = = n ⋅e<br />
⋅μ<br />
ρ<br />
7.3.4 Energie des elektrischen Stromes<br />
sich somit aus:<br />
Δ W = ΔQ<br />
2 1<br />
( Φ − Φ ) = ΔQ(<br />
− U)<br />
Es fließe ein Strom durch einen Draht mit dem<br />
Querschnitt A. Betrachtet werde eine Länge Δ l des<br />
Drahtes, in dem das elektrische Feld konstant sei.<br />
Die Ladung Δ Q durchquere innerhalb des Draht-<br />
stückes die Potentialdifferenz 1 2 Φ − Φ<br />
Die Änderung der potentiellen Energie berechnet<br />
Der Verlust an potentieller Energie beim Durchqueren der Potentialdifferenz wird zunächst als kinetische<br />
Energie in die Ladung gesteckt. Durch die Gitterstöße wird diese kinetische Energie jedoch wieder abgege-<br />
ben, wodurch sich das Gitter aufheizt. Bezogen auf die Zeit Δt, die die Ladung zum Durchqueren des Lei-<br />
tungsstückes benötigt gilt<br />
ΔW<br />
ΔQ<br />
− = U<br />
Δt<br />
Δt<br />
oder<br />
P = U⋅I<br />
Die Energie wird an das Gitter abgegeben, daher das Minuszeichen.<br />
Eine Energieabgabe pro Zeit (bzw. Arbeit pro Zeit) ist definiert als Leistung P. Die Leistung P, die in einem<br />
Leiter (Bauteil) verbleibt ist demnach gegeben aus dem Produkt von Strom <strong>und</strong> Spannung. Bei Gültigkeit<br />
des Ohmschen Gesetzes kann auch geschrieben werden:<br />
P = U⋅I<br />
= I<br />
2<br />
Φ1<br />
2<br />
U<br />
⋅R<br />
=<br />
R<br />
Δl<br />
ΔQ<br />
Die Leistung, die im Leiter (Bauteil) verbleibt wird als Joulsche Wärme bezeichnet.<br />
7.4 Gleichstromkreise<br />
E<br />
7.4.1 Spannungsquellen<br />
Φ2
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 152<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />
In Spannungsquellen wird an Ladungsträgern eine Arbeit verrichtet, wodurch sie auf ein höheres Potential<br />
gehoben werden. Diese Arbeit kann z.B. eine chemische Arbeit in Batterien oder Akkus, mechanische Ar-<br />
beit z.B. in Generatoren oder Arbeit aufgr<strong>und</strong> von Lichteinwirkung z.B. in der Solarzelle sein.<br />
Die Spannung, die sich ohne Stromfluss einstellt wird Quellenspannung bezeichnet<br />
Symbole:<br />
Ideale Spannungsquelle:<br />
Widerstand:<br />
Reale Spannungsquellen:<br />
Φa<br />
-<br />
R<br />
UQ<br />
+<br />
-<br />
U0<br />
R<br />
- +<br />
R<br />
Die Verbindungslinien bedeuten eine widerstandslose Verbindung.<br />
Wird ein Verbraucher an eine Spannungsquelle angeschlossen, so liegt über dem<br />
Verbraucher die Spannung der Spannungsquelle, im Idealfall also die Quellenspan-<br />
nung. Falls der Verbraucher ein Ohmscher Widerstand ist, stellt sich ein elektrischer<br />
Strom ein, der von der Spannungsquelle geliefert wird <strong>und</strong> der durch den Widerstand<br />
fließt. Im Idealfall bleibt die Quellenspannung erhalten <strong>und</strong> es kann beliebig viel<br />
Strom aus der Spannungsquelle entnommen werden.<br />
Bei realen Spannungsquellen wird eine Abhängigkeit der Ausgangsspan-<br />
nung vom Strom beobachtet: Je höher der Strom, desto geringer wird die<br />
Ausgangsspannung der Spannungsquelle. Der Gr<strong>und</strong> ist in dem Innenwi-<br />
derstand der Spannungsquelle zu sehen:<br />
Der sich einstellende Strom wird begrenzt durch den Innenwiderstand <strong>und</strong><br />
durch den Lastwiderstand. Die Potentialdifferenz, die durch die Quellen-<br />
spannung UQ erzeugt wird, wird gemindert durch<br />
Φ<br />
a<br />
⇒ U<br />
= Φ<br />
0<br />
b<br />
= Φ<br />
+ U<br />
a<br />
Q<br />
− Φ<br />
−I<br />
⋅R<br />
b<br />
i<br />
= U<br />
Q<br />
−I<br />
⋅R<br />
U0 wird als Klemmspannung der Batterie bezeichnet. Sie ist um den Betrag kleiner als die Quellenspan-<br />
nung, der aufgr<strong>und</strong> des Innenwiderstandes das Potential durch Umwandlung von Energie in Joulsche Wär-<br />
me erniedrigt.<br />
UQ<br />
+<br />
7.4.2 Kirchhoffsche Regeln<br />
I<br />
Φb<br />
I<br />
Ri<br />
i
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 153<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />
Die Kirchhoffschen Regeln beschreiben die Aufteilung von Strömen <strong>und</strong> Spannungen in Stromkreisen. Es<br />
existieren zwei Regeln<br />
Kirchhofscher Knotensatz:<br />
Ig e s<br />
daher unmittelbar einsichtig.<br />
Kirchhoffscher Maschensatz:<br />
In einem Stromknoten ist die Summe aller Ströme Null: I 0<br />
Wenn Iges in den Knoten A hineinfließt (positive Notation) so müssen die<br />
Ströme I1 <strong>und</strong> I2 sich so zusammensetzen, dass Ihre Summe gerade –Iges<br />
ergibt: Iges + I1 + I2 = 0<br />
Das erste Kirchhoffsche Gesetz beschreibt die Ladungserhaltung <strong>und</strong> ist<br />
In einer Masche (geschlossener Stromkreis) ist die Summe aller Spannungen<br />
∑<br />
gleich Null: U 0<br />
i<br />
i =<br />
Die Spannungen werden stets von + nach – positiv angegeben. Im obigen<br />
Beispiel muss demnach bei Umdrehungsrichtung im Uhrzeigersinn gelten:<br />
U<br />
0<br />
+<br />
⇒ U<br />
( −U<br />
) + ( −U<br />
)<br />
0<br />
1<br />
= U<br />
1<br />
+ U<br />
2<br />
2<br />
= 0<br />
Die Begründung für die Maschenregel liegt in der Energieerhaltung. Beim<br />
Transport von elektrischer Ladung in einem geschlossenen Stromkreis müssen zugeführte <strong>und</strong> abgeführte<br />
elektrische Arbeit gleich groß sein (keine zusätzliche Energiequelle).<br />
Zuführung von Energie geschieht durch Spannungsquellen, Energieabfuhr in Form von Joulscher Wärme<br />
durch die Widerstände (Verbraucher)<br />
Reihen- <strong>und</strong> Parallelschaltung von Widerständen<br />
Mit Hilfe der Kirchhoffschen Regeln, lassen sich leicht die Gesetzte für Reihen- <strong>und</strong> Parallelschaltung von<br />
Widerständen aufstellen:<br />
Reihenschaltung:<br />
R 3<br />
U3<br />
I1<br />
I2<br />
A<br />
R1<br />
U1<br />
U2<br />
R2<br />
R 1<br />
R 2<br />
R 2<br />
U2<br />
+<br />
- U0<br />
R 1<br />
U1<br />
+<br />
- U0<br />
Gegeben seien drei Widerstände R1, R2 <strong>und</strong> R3 in Reihe ge-<br />
schaltet<br />
Die Spannungsabfälle können dann berechnet werden durch:<br />
U = U + U + U<br />
Maschenregel: 0 1 2 3<br />
Der Strom I muss durch alle drei Widerstände fließen, da kein<br />
Knoten vorhanden ist, in dem Strom sonst abfließen könnte.<br />
∑<br />
i<br />
i =
U<br />
U<br />
U<br />
1<br />
2<br />
3<br />
= R<br />
1<br />
= R<br />
= R<br />
2<br />
3<br />
⋅I<br />
⋅I<br />
⋅I<br />
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 154<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />
Somit lässt sich die Maschenregel schreiben als<br />
( R + R + R ) ⋅I<br />
U0 = R1<br />
⋅I<br />
+ R2<br />
⋅I<br />
+ R3<br />
⋅I<br />
= 1 2 3<br />
Die drei Widerstände lassen sich zu einem Gesamtwiderstand R ( R + R + R )<br />
Verallgemeinerung: Reihenschaltung: R ges ∑R<br />
= i<br />
Bei der Parallelschaltung seien wiederum drei Widerstände gegeben:<br />
I = I + I + I<br />
Insgesamt: ges 1 2 3<br />
Anwendung des Ohmschen Gesetzes<br />
I<br />
M3<br />
U1<br />
ges<br />
U<br />
⇒<br />
R<br />
⇒<br />
I1<br />
R 1<br />
= I<br />
0<br />
1<br />
ges<br />
1<br />
R<br />
ges<br />
+ I<br />
2<br />
U<br />
=<br />
R<br />
=<br />
+ I<br />
1<br />
1<br />
1<br />
R<br />
1<br />
3<br />
U<br />
+<br />
R<br />
+<br />
2<br />
2<br />
1<br />
R<br />
2<br />
U<br />
+<br />
R<br />
+<br />
3<br />
3<br />
1<br />
R<br />
3<br />
U<br />
=<br />
R<br />
0<br />
1<br />
U<br />
+<br />
R<br />
0<br />
2<br />
U<br />
+<br />
R<br />
0<br />
3<br />
⎛<br />
= U0<br />
⎜<br />
⎝<br />
i<br />
ges<br />
Maschenregel:<br />
M1: + ( −U<br />
) = 0<br />
U0 3<br />
U3 + −U<br />
2<br />
U2 + −U1<br />
M2: ( ) = 0<br />
M3: ( ) = 0<br />
U = U = U = U<br />
Insgesamt: 1 2 3 0<br />
Knotenregel:<br />
= zusammenfassen:<br />
Strom von D nach C: I12 = Iges<br />
−I3<br />
1<br />
I12 teilt sich im Punkt C weiter auf: I 12 = I1<br />
+ I2<br />
1 1<br />
Verallgemeinerung: Parallelschaltung von Widerständen: ∑ R R<br />
1<br />
R<br />
1<br />
+<br />
1<br />
R<br />
2<br />
+<br />
ges<br />
1<br />
R<br />
3<br />
⎞<br />
⎟<br />
⎠<br />
= i i<br />
Die Anwendung von Knoten <strong>und</strong> Maschenregel gilt auch, wenn mehrere Spannungsquellen im Stromkreis<br />
vorhanden sind:<br />
Beispiel:<br />
U2<br />
I2<br />
R 2<br />
B<br />
M2<br />
C D<br />
U3<br />
R 3<br />
I3<br />
A<br />
Ig e s<br />
M1<br />
+<br />
- U0<br />
2<br />
3
R1<br />
a b<br />
g<br />
+<br />
-<br />
f<br />
Ri1<br />
U1<br />
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 155<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />
Es wird zunächst eine willkürliche Umlaufrichtung gewählt, die gleichzeitig<br />
auch die Stromrichtung festlegt. Falls dies nicht die richtige Stromrichtung<br />
ist, wird als Ergebnis ein negativer Strom herauskommen, was eine Um-<br />
kehrung der Stromrichtung bedeutet. Die Festlegung der Stromrichtung<br />
liefert dann auch die Vorzeichen der Spannungen, die über den Wider-<br />
ständen abfallen. Die Anwendung der Maschenregel liefert dann, begin-<br />
nend in Punkt a:<br />
U + U + U + U + U − U + U =<br />
1 2 Q2 i2 3 Q1 i1<br />
0<br />
Durch die Masche fließt ein Strom, der überall gleich groß ist, d.h. die obige Gleichung kann auch geschrie-<br />
ben werden als<br />
I⋅ R + I⋅ R + U + I⋅ R + I⋅R − U + I⋅ R = 0<br />
1 2 Q2 i2 3 Q1 i1<br />
UQ2 − UQ1<br />
⇒ I =<br />
R + R + R + R + R<br />
1 2 i2 3 i1<br />
Die Beträge von UQ1 <strong>und</strong> UQ2 geben somit die Richtung des Stromflusses vor, unabhängig davon, in welcher<br />
Richtung die Maschenregel angewendet wurde bzw. in welche Richtung die ursprüngliche Stromrichtung<br />
festgelegt wurde.<br />
Spannungsmessung:<br />
Die Spannung ist für den Stromfluss verantwortlich. Da der Strom überall in einem Widerstand vorhanden<br />
ist (durch ihn hindurchfließt) muss im Widerstand selbst überall eine Spannung vorhanden sein. Bei linearen<br />
Widerständen nimmt die Spannung, die über dem Widerstand abfällt, linear ab. Es gibt somit keine Stelle<br />
innerhalb des Widerstandes, die spannungslos ist. Eine Spannung wird somit immer über einem Bauteil<br />
gemessen.<br />
R3<br />
Strommessung:<br />
Ein Strom fließt stets durch ein Bauteil (z.B. Widerstand). Ein Strommessgerät muss somit so geschaltet<br />
werden, dass es im Stromkreis liegt <strong>und</strong> der Strom durch das Messgerät fließt. (auch wenn das eigentliche<br />
Messgerät meist nur ein kleiner Widerstand ist, über dem wieder eine Spannung abfällt, die dem fließenden<br />
Strom proportional ist.<br />
c<br />
+<br />
-<br />
d<br />
Potentiometerschaltung:<br />
e<br />
R2<br />
Ri2<br />
U2<br />
Ein Potentiometer besteht aus einem Widerstand über den ein Schleifkontakt geführt werden kann. Dieser<br />
Schleifkontakt teilt das Potentiometer somit kontinuierlich in zwei variable Widerstände.<br />
Rges<br />
A A<br />
R1<br />
R2
Beispiel:<br />
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 156<br />
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Potentiometer mit <strong>und</strong> ohne zusätzlichen Widerstand im Schleifenkreis. Ohne zusätzlichen Widerstand<br />
kann der Gesamtwiderstand zu Null werden (Kurzschluss).<br />
7.4.3 RC-Kreise<br />
Kapazität eine Kondensators<br />
R1 R1<br />
U U<br />
A A<br />
R2 R2<br />
R3<br />
Ein Kondensator besteht aus zwei parallelen Platten, einen Abstand d voneinander aufweisen. Wird auf eine<br />
Platte eine Ladung Q aufgebracht (z.B. durch Anlegen einer elektrischen Spannung) so wird auf der ande-<br />
ren Platte durch Influenz eine Gegenladung -Q erzeugt (vorausgesetzt die notwendige Ladung kann zu-<br />
bzw. abfließen)<br />
Unter der Kapazität eines Kondensators wird das Vermögen der beiden Platten, Ladung aufzunehmen, ver-<br />
standen:<br />
Kapazität C Q<br />
= [1F = 1 C/V]<br />
U<br />
Je höher die angelegte Spannung ist, desto mehr Ladung befindet sich auf den Platten des Kondensators.<br />
Unter Vernachlässigung der Randeffekte ist das elektrische Feld zwischen beiden Platten konstant <strong>und</strong> es<br />
gilt die Beziehung<br />
E = − − σ σ σ<br />
= =<br />
2ε 2ε<br />
ε<br />
0 0 0<br />
σ Q ⋅ d<br />
⇒ U = d =<br />
ε A ⋅ ε<br />
0 0<br />
U<br />
d<br />
Somit berechnet sich die Kapazität eines Plattenkondensators durch<br />
C Q A ⋅ ε 0<br />
= =<br />
U d<br />
Dielektrika<br />
Wird ein Isolator (Dielektrikum) in ein elektrisches Feld eines (nicht geerdeten) Kondensators gesteckt, so<br />
wird das elektrische Feld kleiner <strong>und</strong> seine Kapazität größer, da die Ladungen auf den Platten gleich blei-
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 157<br />
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ben. Durch Polarisation wird in einem Kondensator ein entgegengesetztes Feld erzeugt, welches das äuße-<br />
re Feld schwächt.<br />
Die Stärke der Polarisation (entweder durch Orientierung polarer Moleküle oder durch Erzeugung von Di-<br />
polmomenten) hängt von der Stärke des externen elektrischen Feldes ab.<br />
p = α ⋅E<br />
, p: Dipolmoment, α: Polarisierbarkeit<br />
-<br />
-<br />
-<br />
-<br />
+<br />
-<br />
+<br />
-<br />
+<br />
-<br />
+<br />
-<br />
-<br />
+<br />
-<br />
+<br />
-<br />
+<br />
-<br />
+<br />
+<br />
-<br />
+<br />
-<br />
+<br />
-<br />
+<br />
-<br />
-<br />
+<br />
-<br />
+<br />
-<br />
+<br />
-<br />
+<br />
+<br />
-<br />
+<br />
-<br />
+<br />
-<br />
+<br />
-<br />
-<br />
+<br />
-<br />
+<br />
-<br />
+<br />
-<br />
+<br />
+<br />
+<br />
+<br />
+<br />
- +<br />
- +<br />
- +<br />
- +<br />
Die erzeugten Ladungen innerhalb des Dieelektrikums werden kompensiert, die erzeugten Ladungen am<br />
Rand des Dieelektrikums werden nicht kompensiert <strong>und</strong> erzeugen ein Gegenfeld, welches das externe Feld<br />
schwächt.<br />
E E<br />
=<br />
r<br />
0<br />
ε , εr Somit gilt auch<br />
C Q Q Q<br />
= = =<br />
U d⋅ E d⋅E ε<br />
wird relative Dielektrizitätskonstante genannt.<br />
Q<br />
= εr = ε r ⋅C<br />
U<br />
0 r 0<br />
wobei C die Kapazität mit Dielektrikum <strong>und</strong> C0 die Kapazität ohne Dielektrikum sind.<br />
Der Faktor ε = ε0 ⋅ εr<br />
0<br />
wird Dielektrizitätskonstante der Materie oder Permittivität genannt.
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Material<br />
Bakelit<br />
Glas<br />
Glimmer<br />
Luft<br />
Neopren<br />
Papier<br />
Paraffin<br />
Plexiglas<br />
Polystyrol<br />
Porzellan<br />
Transformatorenöl<br />
Wasser (20°C)<br />
Parallelschaltung von Kondensatoren<br />
Dielektrizitätszahl<br />
4,9<br />
5,6<br />
5,4<br />
1,00059<br />
6,9<br />
3,7<br />
2,1-2,5<br />
3,4<br />
2,55<br />
7<br />
2,24<br />
80<br />
Durchschlagfestigkeit<br />
[kV/mm]<br />
24<br />
14<br />
10-100<br />
3<br />
12<br />
16<br />
10<br />
40<br />
24<br />
5,7<br />
12<br />
(leitfähig)<br />
Bei parallelen Kondensatoren liegt an jedem Kondensator die Spannung U an. Die gesamte gespeicherte<br />
Ladung ist die Summe aller Ladungen auf allen Kondensatoren:<br />
( )<br />
Qges = Q + Q = U⋅ C + U⋅ C = U⋅ C + C<br />
Und hieraus<br />
Q = ∑ C<br />
ges i<br />
i<br />
1 2 1 2 1 2<br />
Reihenschaltung von Kondensatoren<br />
U<br />
+Q1 +Q2<br />
-Q1 -Q2<br />
Durch Induktion wird in den Kondensatoren auf den jeweils gegenüberliegenden Platten eine gleich große<br />
aber entgegengesetzte Ladung erzeugt.<br />
Q C U C U<br />
= ⋅ = ⋅<br />
1 1 2 2
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U<br />
+Q -Q +Q -Q<br />
Die Gesamtspannung ist nach der Maschenregel gerade die Summe der Einzelspannungen über den Kon-<br />
densatoren.<br />
Q Q<br />
U = U1 + U2<br />
= +<br />
C C<br />
Entladevorgang<br />
1 2<br />
<strong>und</strong> hieraus<br />
1 1<br />
= ∑ Cges i Ci<br />
Ein geladener Kondensator befinde sich in einem RC-Kreis mit geöffnetem Schalter, so dass keine Ladung<br />
vom Kondensator abfließen kann<br />
Wird der Schalter geschlossen, so entlädt sich der Kondensator über dem Widerstand. Entsprechend der<br />
Mascheregel ist dabei die Spannung über dem Widerstand gleich der Spannung über dem Kondensator<br />
oder<br />
U − U = 0<br />
C R<br />
Q<br />
I R<br />
C<br />
Q dQ<br />
C dt R<br />
Q R C dQ<br />
⇒ − ⋅ = 0<br />
⇒ − ⋅ = 0<br />
⇒ − ⋅ = 0<br />
dt<br />
Die letzte Gleichung stellt eine Differentialgleichung für die Ladung Q dar.<br />
Lösung: ( )<br />
Q t = Q ⋅ e<br />
0<br />
−t<br />
RC<br />
Durch Integration dieser Gleichung kann auf den fließenden Strom <strong>zur</strong>ückgerechnet werden:<br />
I( t)<br />
dQ<br />
dt Q RC e<br />
U<br />
R e<br />
1<br />
0<br />
= − = 0 =<br />
−t RC −t<br />
RC<br />
wobei U0 die Spannung am Kondensator zum Zeitpunkt t = 0 ist. Das negative Vorzeichen muss aufgr<strong>und</strong><br />
der Stromrichtung beim Entladevorgang gewählt werden, da der Strom entgegen der Spannungsrichtung<br />
des Kondensators fließt.<br />
Ladevorgang eines Kondensators:<br />
Wird zu einem Zeitpunkt t =0 eine Spannungsquelle in einen RC-Kreis geschaltet, so fließt ein Ladestrom,<br />
der Ladungen auf die Kondensatorplatten treibt. Es gilt auch hier zu jedem Zeitpunkt die Maschenregel:<br />
UQ −UR − UC<br />
= 0<br />
oder
U I R Q<br />
Q − ⋅ − = 0<br />
C<br />
dQ Q<br />
UQ<br />
− ⋅R − = 0<br />
dt C<br />
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 160<br />
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Dies ist wiederum eine Dgl für Q mit der Lösung<br />
U I R Q<br />
Q − ⋅ − = 0<br />
C<br />
t RC<br />
( ) = ⋅ ( − ) −<br />
1<br />
Q t C U e<br />
Q<br />
<strong>und</strong> hieraus durch Differentiation<br />
( )<br />
I t<br />
( )<br />
dQ t<br />
U<br />
= = −C ⋅UQ ⋅ e − e I e<br />
dt<br />
RC R ⎛ 1 ⎞<br />
⎜ ⎟ = ⋅ = 0 ⋅<br />
⎝ ⎠<br />
−t RC Q −t RC −t<br />
RC<br />
Hier muss der positive Differentialquotient gewählt werden, da der Strom in Richtung der Spannungsquelle<br />
getrieben wird.
8 MAGNETISMUS<br />
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 161<br />
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8.1 Das magnetische Feld<br />
8.1.1 Allgemeines<br />
• Magnetismus wurde durch den „natürlichen“ Magnetismus entdeckt, da sich magnetisches Gestein nach<br />
dem Magnetfeld der Erde ausgerichtet hat.<br />
• Es existieren magnetische Pole, an denen das Magnetfeld ein- bzw. austritt.<br />
• Die Pole werden mit Nord <strong>und</strong> Süd bezeichnet.<br />
• Gleichnamige Pole stoßen sich ab, ungleichnamige Pole ziehen sich an.<br />
• Die Ausrichtung von Magneten im Erdmagnetfeld geschieht derart, dass sich der Nordpol des Magneten<br />
nach Norden ausrichtet. Demnach muss am Nordpol der Erde der magnetische Südpol sein.<br />
• Ein elektrischer Strom übt eine Kraft auf eine Magnetnadel aus.<br />
• Elektrische Ströme üben aufeinander magnetische Kräfte aus.<br />
• Es existieren keine magnetischen Monopole.<br />
Allgemeine Aussage:<br />
Elektrische Ströme sind die alleinige Quelle der magnetischen Kräfte<br />
Diese Aussage trifft auch für Permanentmagneten zu. Hierbei werden zwar keine äußeren Ströme in das<br />
Material eingespeist, jedoch können die Elektronenbewegungen um den Atomkern herum als elektrischer<br />
Strom interpretiert werden (quantenmechanische Größen: Bahndrehimpuls oder magnetische Quantenzahl<br />
<strong>und</strong> Elektronenspin oder Spinquantenzahl).<br />
Die magnetische Wechselwirkung kann somit als Wechselwirkung bewegter Ladungsträger aufein-<br />
ander beschrieben werden (Mikroskopisch: Para-, Dia- <strong>und</strong> Ferromagnetismus, Makroskopisch:<br />
Magnetfelder von Spulen etc.)<br />
Definitionen:<br />
B: Magnetfeld, magnetischer Flussdichte, magnetische Induktion<br />
H: magnetische Feldstärke<br />
Zusammenhang: B = μ ⋅ H = μ ⋅μ ⋅H<br />
r<br />
0<br />
−7<br />
Hierbei sind μ = 4π ⋅10<br />
Vs / Am magnetische Feldkonstante oder Permeabilität des Vakuums, µ<br />
0<br />
magnetische Permeabilität, µr Permeabilitätszahl als materialabhängige Größe.<br />
8.1.2 Lorentzkraft
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 162<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
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Eine Ladung, die sich in einem Magnetfeld bewegt, erfährt eine Kraft, wenn die Bewegung nicht parallel<br />
zum Feld erfolgt. Diese Kraft wird Lorentzkraft genannt.<br />
Lorentzkraft: F = q⋅ vxB<br />
Betrag von F: F = q⋅ v ⋅B ⋅sin ( p ( v, B)<br />
)<br />
Es ist nur derjenige <strong>Teil</strong> des Feldes wirksam, der senkrecht auf der Bewegungsrichtung der Ladung steht<br />
(rechte Hand Regel).<br />
NC N<br />
Einheit von B: 1 T = 1 = 1<br />
m / s Am<br />
Tesla<br />
Weit verbreitet ist noch die früher benutzte Einheit Gauß: 1 T = 10 4 G. Die Einheit Gauß ist historisch ge-<br />
wachsen, da 1 G gerade die mittlere Stärke des Erdmagnetfeldes angibt.<br />
Kraft auf einen stromdurchflossenen Leiter:<br />
A<br />
( d )<br />
dF = q⋅ v xB ⋅n ⋅dl ⋅ A<br />
Gegeben sei ein Leiterstück der Länge dl . Innerhalb des<br />
Drahtes bewegen sich die Elektronen im Mittel mit der Drift-<br />
geschwindigkeit vd entgegen der anliegenden Spannung. Die<br />
Gesamtkraft ist dann gegeben durch die Summe der Einzel-<br />
kräfte auf die Elektronen:<br />
Nun ist aber I = q⋅n ⋅ vd ⋅ A der Strom, der durch den Leiter mit dem Querschnitt A fließt, d.h. die obige<br />
Gleichung kann geschrieben werden als: dF = I⋅ ( dl xB)<br />
2<br />
Die Kraft auf ein ausgedehntes Leiterstück lässt sich dann durch Integration berechnen: F = ∫I ⋅(<br />
dlxB) S<br />
v d<br />
dl<br />
N<br />
Magnetische Feldlinien:<br />
Analog zum elektrischen Feld lassen sich auch für das magnetische Feld<br />
Feldlinien zeichnen, die die Richtung des Feldes <strong>und</strong> deren Dichte die<br />
Stärke des Feldes repräsentieren. Vereinbarungsgemäß werden die Feld-<br />
linien stets geschlossen gezeichnet, da es keine Pole gibt, an denen Feld-<br />
linien beginnen bzw. enden.<br />
Beispiel Stabmagnet:<br />
8.1.3 Bewegung einer Punktladung im Magnetfeld<br />
Die Richtung des Feldes wird so festgelegt, dass die Feldlinien beim<br />
Stabmagneten am Nordpol austreten <strong>und</strong> am Südpol wieder eintreten.<br />
l<br />
l<br />
1
B<br />
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 163<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
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Wenn eine Ladung genau senkrecht in ein konstantes magneti-<br />
sches Feld eingeschossen wird, so wirkt senkrecht <strong>zur</strong> Bewe-<br />
gungsrichtung <strong>und</strong> zum Magnetfeld eine Kraft, welche die La-<br />
dung auf eine Kreisbahn zwingt.<br />
Auf dieser Kreisbahn stehen stets Geschwindigkeit, Magnetfeld<br />
<strong>und</strong> Kraft senkrecht aufeinander. Es kann daher das Kreuzpro-<br />
dukt durch die Multiplikation mit den Betragsgrößen ersetzt<br />
werden.<br />
Die Kreisbahn ergibt sich aus der Bedingung, dass die Zentrifugalkraft gerade durch die Lorentzkraft kom-<br />
pensiert wird:<br />
Es gilt:<br />
q v B m v<br />
⋅ ⋅ =<br />
r<br />
m ⋅ v<br />
⇒ r =<br />
q⋅B 2<br />
Da die Geschwindigkeit des <strong>Teil</strong>chens ohne äußere Einflüsse konstant ist, kann die Umlaufzeit der Ladung<br />
2π ⋅r<br />
bestimmt werden durch: T =<br />
v<br />
v q B<br />
Hieraus folgt für die Umlauffrequenz: f = =<br />
T ⋅ r m<br />
=<br />
1<br />
⋅<br />
2π 2π<br />
⋅<br />
Diese Frequenz wird als Zyklotronfrequenz bezeichnet.<br />
8.1.4 Energiefilter <strong>und</strong> Massenspektrometer<br />
Unter Verwendung magnetischer <strong>und</strong> elektrischer Felder können geschwindigkeits- <strong>und</strong> massenselektive<br />
Filter aufgebaut werden.<br />
r<br />
F<br />
v<br />
Geschwindigkeitsfilter bzw. Energiefilter:<br />
Zwei sich senkrecht kreuzende elektrische <strong>und</strong> magnetische Felder können <strong>zur</strong> Separation von energetisch<br />
unterschiedlichen <strong>Teil</strong>chen gleicher Ladung verwendet werden.
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 164<br />
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q<br />
qvB<br />
v<br />
qE<br />
B<br />
Wenn Lorentzkraft <strong>und</strong> Coulombkraft entgegengesetzt gleich sind werden die geladenen <strong>Teil</strong>chen bei einer<br />
bestimmten Geschwindigkeit nicht abgelenkt <strong>und</strong> passieren den Austrittsspalt.<br />
Durch Variation mindestens einer der beiden Felder kann somit die Geschwindigkeit von Elektronen bzw.<br />
deren kinetische Energie bestimmt werden. (Photoemissionsspektren, Augerelektronen etc.)<br />
Massenfilter:<br />
B<br />
nen Massen vorgenommen werden.<br />
E<br />
Wird nur eines der Sektorfelder Verwendet, so kann eine massense-<br />
lektive Trennung verschiedener <strong>Teil</strong>chen, z.B. verschiedener gela-<br />
Austrittsspalt<br />
dener Atome oder Isotope, vorgenommen werden.<br />
In dem oben gezeigten Beispiel ist der Radius, der den Strahl gela-<br />
dener <strong>Teil</strong>chen auf den Austrittspalt lenkt, abhängig von der Eintritts-<br />
geschwindigkeit der geladenen <strong>Teil</strong>chen <strong>und</strong> dem Verhältnis aus<br />
Ladung <strong>und</strong> Masse.<br />
8.2 Die Quellen des magnetischen Feldes<br />
8.2.1 Bewegte Ladungen<br />
Durch Kombination aus beiden Verfahren kann zunächst aus einer<br />
beliebigen Verteilung zunächst ein Bereich konstanter Geschwindig-<br />
keit separiert werden <strong>und</strong> danach eine Separation nach verschiede-<br />
Wie bereits in der Einleitung erwähnt entstehen magnetische Felder durch die Bewegung von Ladungsträ-<br />
gern.<br />
q<br />
v<br />
q/m 1<br />
q/m 2<br />
Austrittsspalt<br />
Das Magnetfeld, welches durch eine bewegte Punktladung q erzeugt wird, lässt sich beschreiben als:<br />
q<br />
q vxr r<br />
B =<br />
r<br />
μ ⋅ 0<br />
2<br />
4π<br />
v<br />
r<br />
B<br />
P
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 165<br />
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Eine Ladung q, die sich mit v bewegt, erzeugt im Aufpunkt P das Magnetfeld B.<br />
I dl<br />
P2<br />
Wenn die Ladung innerhalb einer Leiterschleife fließt, so lässt<br />
sich das Magnetfeld durch den in der Schleife fließenden<br />
Strom berechnen. Der Zusammenhang zwischen Magnetfeld<br />
<strong>und</strong> Strom wird dann beschrieben durch das Gesetz von<br />
I d xr r<br />
Biot-Savart: dB =<br />
r<br />
μ ⋅ 0 l<br />
2<br />
4π<br />
Im Aufpunkt P1 wird durch den Leiterschleifenstrom in dl ein<br />
Magnetfeld erzeugt. Punkte, die in der Verbindungslinie des<br />
Vektors dl liegen, weisen dagegen kein Magnetfeld auf, welches durch den Strom in dl erzeugt wird.<br />
Durch die Anwendung des Biot-Savartschen Gesetzes können prinzipiell alle magnetischen Felder berech-<br />
net werden, die durch stromdurchflossene Leiterschleifen erzeugt werden. Die allgemeine Berechnung ist<br />
mathematisch jedoch sehr aufwendig. An dieser Stelle seien daher nur einige Beispiele genannt:<br />
Magnetfeld eines langen geraden Drahtes:<br />
R<br />
P<br />
r1<br />
r2<br />
I dl1 I dl2 B2<br />
B1<br />
Durch Aufsummation über alle Leiterstücke kann das Feld im Punkt P, der sich im Abstand R vom Draht<br />
I<br />
befindet berechnet werden durch B =<br />
R<br />
μ ⋅ 0 2<br />
4π<br />
Das Magnetfeld gleicher Größe verläuft in Form konzentrischer Kreise um den Mittelpunkt des Drahtes. Die<br />
Richtung des Feldes kann durch die „rechte Hand Regel“ bestimmt werden.<br />
Magnetfeld im Innern einer langen geraden Spule<br />
Eine Spule besteht aus einer Anzahl von Leiterschleifen, die in einer Helix gewickelt sind. In dieser Spule<br />
fließt ein Strom I, der ein Magnetfeld B erzeugt.<br />
r<br />
B<br />
P1<br />
R2<br />
R1
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B<br />
I<br />
n Windungen<br />
Das Magnetfeld im Innern der Spule ist konstant <strong>und</strong> kann berechnet werden durch: B = μ 0 ⋅n ⋅I<br />
wobei n = N/l die Windungszahldichte <strong>und</strong> N die Anzahl der Windungen der Spule sind.<br />
Die Annahme eines homogenen Feldes im Innern der Spule ist bei langen Spulen mit großen Windungszah-<br />
len gut erfüllt.<br />
8.2.2 Magnetische Induktion<br />
Verallgemeinerung: Ψ m<br />
zen.<br />
B<br />
α<br />
dA<br />
B ⋅ dA = B ⋅dA ⋅cosα<br />
δA<br />
E<br />
B<br />
A<br />
Ähnlich wie in der Elektrostatik wird auch hier ein magnetischer Fluss defi-<br />
niert. Der magnetische Fluss ist ein Maß für die Anzahl an Feldlinien, die<br />
eine geschlossene Fläche durchsetzen.<br />
Konstantes Magnetfeld:<br />
magnetischer Fluss: Ψ m<br />
wobei B senkrecht auf der Fläche steht.<br />
= B ⋅ A [1 Wb = 1 Weber = 1 Tm 2 ]<br />
= ∫ B ⋅ dA für beliebige Magnetfelder, die eine geschlossene Fläche A durchset-<br />
Magnetische Induktion:<br />
Sich zeitlich verändernde Magnetfelder induzieren in elektrischen Leitern<br />
Spannungen bzw. Ströme (Versuche von Faraday <strong>und</strong> Henry).<br />
Befindet sich eine geschlossenen Leiterschleife in einem sich zeitlich verän-<br />
dernden Magnetfeld, so wird innerhalb der Schleife eine Spannung induziert,<br />
die sich über die gesamte Schleife erstreckt:<br />
Induktionsspannung: U = E⋅ ds<br />
∫<br />
δA
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Die Größe der induzierten Spannung hängt ab von der zeitlichen Änderung des magnetischen Feldes <strong>und</strong><br />
kann beschrieben werden durch das<br />
dΨ<br />
Faradaysche Gesetz: U = ∫E<br />
⋅ ds = −<br />
dt<br />
δA<br />
m<br />
Je größer die Zeitliche Änderung des magnetischen Flusses, desto größer die in einer Leiterschleife indu-<br />
zierte Spannung.<br />
Lenzsche Regel:<br />
U<br />
1<br />
R1<br />
dΨ<br />
dt<br />
S<br />
Das Minuszeichen im Faradayschen<br />
Gesetz bedeutet, dass die Spannung<br />
(bzw. der Strom, den die Induktions-<br />
spannung hervorruft) stets der Ursa-<br />
che entgegenwirkt.<br />
Beispiel:<br />
Wird ein Stabmagnet auf einen Lei-<br />
terring zu bewegt, so wird aufgr<strong>und</strong><br />
der Änderung des Magnetischen<br />
Flusses im Leiter eine Spannung<br />
induziert, die wiederum einen Strom erzeugt. Dieser Strom erzeugt seinerseits ein Magnetfeld, welches dem<br />
äußeren Magnetfeld entgegengerichtet ist.<br />
Die Änderung des äußeren Magnetfeldes induziert somit ein magnetisches Moment innerhalb der Leiter-<br />
schleife, welches die Kraftwirkung des äußeren Feldes gerade aufhebt.<br />
<strong>Physik</strong>alische Begründung durch Energieerhaltung: Würde das äußere Feld ein magnetisches Moment in-<br />
duzieren, welches gleichgerichtet zum äußeren Feld wäre, so würde der Magnet von der Leiterschleife<br />
angezogen werden <strong>und</strong> in Richtung der Schleife beschleunigt werden. Diese Beschleunigung bewirkt jedoch<br />
wiederum eine Änderung des magnetischen Flusses, wodurch das magnetische Moment der Schleife ver-<br />
stärkt würde. Ohne Zufuhr von äußerer Energie würde somit immer mehr Bewegungsenergie <strong>und</strong> Joulsche<br />
Wärme in der Leiterschleife entstehen, was eine Verletzung des Energiesatzes bedeuten würde.<br />
8.2.3 (Selbst)induktivität<br />
Wird ein Strom durch eine Spule geleitet, so wird in der Spule ein Magnetfeld erzeugt, das dem Strom pro-<br />
portional ist. Das bedeutet, dass auch der magnetische Fluss dem Spulenstrom proportional ist. Die Propor-<br />
tionalitätskonstante wird Selbstinduktivität L der Spule genannt.<br />
Selbstinduktivität L: Ψ m<br />
= L ⋅ I , [L] = H (1 Henry), 1 H = 1 Wb/A = 1 Tm 2 /A<br />
Im Falle einer langen geraden Spule war das Magnetfeld im Innern der Spule konstant <strong>und</strong> es gilt:<br />
B = μ 0 ⋅n ⋅I<br />
= 0<br />
2<br />
R2<br />
U<br />
Lenzsche Regel<br />
1<br />
dΨ<br />
dt<br />
S<br />
> 0<br />
B zunehmend B abnehmend<br />
R2<br />
R1<br />
R1<br />
I1 zunehmend I1 abnehmend<br />
2<br />
U<br />
1<br />
dΨ<br />
dt<br />
S<br />
< 0<br />
2<br />
R2<br />
I2 induziert I2 induziert
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 168<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />
2<br />
somit Ψm = L ⋅ I = N⋅B ⋅ A = n⋅ l ⋅B ⋅ A = μ ⋅n ⋅ A ⋅l ⋅I<br />
(nicht verständlich!)<br />
Somit ist die Selbstinduktivität der Zylinderspule gegeben durch<br />
2<br />
L = μ ⋅n ⋅ A ⋅ l<br />
0<br />
0<br />
Wenn sich der Strom durch die Spule zeitlich ändert, so ändert sich auch das magnetische Feld <strong>und</strong> der<br />
magnetische Fluss. Die Selbstinduktivität der Spule hängt nur von den geometrischen Gegebenheiten ab.<br />
Somit gilt:<br />
dΨ<br />
m<br />
=<br />
dt<br />
( ) ( )<br />
d L ⋅ I<br />
=<br />
dt<br />
L<br />
d I<br />
dt<br />
<strong>und</strong> unter Anwendung des Faradayschen Gesetzes folgt für die Spannung, die in der Spule durch Selbstin-<br />
duktion erzeugt wird:<br />
dΨm<br />
U = − = −L<br />
dt<br />
( )<br />
d I<br />
dt<br />
In einer Spule wird durch Selbstinduktion eine Spannung <strong>und</strong> somit auch ein Strom erzeugt, der dem außen<br />
angelegten Strom entgegengesetzt gerichtet ist. D.h. wird eine Gleichspannung auf eine Spule geschaltet,<br />
so fließt im Moment des Einschaltens zunächst kein Strom, da dieser durch die Induktionsspannung kom-<br />
pensiert wird. Erst wenn das Magnetfeld aufgebaut <strong>und</strong> zeitlich konstant ist, beginnt ein Strom durch die<br />
Spule zu fließen.<br />
8.3 LR-Kreise<br />
Die Spannung eilt dem Strom in der Spule voraus<br />
Durch die Selbstinduktion wird verhindert, dass in einem Stromkreis sich der Strom sprunghaft ändern kann,<br />
da jedes Leiterstück, durch das ein Strom fließt, eine (geringe) Selbstinduktivität aufweist. In Schaltungen<br />
muss daher stets geprüft werden, wie stark der Einfluss der Selbstinduktivität ist.<br />
Schaltungstechnisch kann eine Selbstinduktivität durch Einbringen einer Spule berücksichtigt werden. Die<br />
Verbindungen zwischen Bauteilen weisen dann keine Induktivität mehr auf.<br />
Schaltzeichen:<br />
Reale Spulen weisen jedoch auch stets einen ohmschen Widerstand auf, d.h. im Ersatzschaltbild kann prin-<br />
zipiell immer eine Kombination aus Induktivität <strong>und</strong> ohmschen Widerstand angesetzt werden. Es sei hier<br />
noch darauf hingewiesen, dass prinzipiell jedes Bauteil <strong>und</strong> jeder Verbindungsleiter einen ohmschen Wider-<br />
stand, eine Kapazität <strong>und</strong> eine Induktivität besitzen. Insbesondere bei Hochfrequenzanwendungen machen<br />
sich diese Eigenschaften stärker bemerkbar.<br />
Die Kombination aus Induktivität L <strong>und</strong> ohmschen Widerstand R wird LR-Kreis genannt. LR-Kreise weisen<br />
ähnlich wie RC-Kreise in Schaltkreisen einige Eigenschaften bei Spannungs- bzw. Stromänderungen auf,<br />
die hier näher untersucht werden sollen.
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 169<br />
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Gegeben sei die folgende Schaltung:<br />
U 0<br />
Nach Schließen des Schalters ergibt die Anwendung der<br />
Maschenregel:<br />
U I R L dI<br />
0 − ⋅ − = 0<br />
dt<br />
Nach Einschalten ist die zeitliche Änderung des Stromes<br />
zunächst sehr groß, wodurch in der Spule eine Spannung<br />
induziert wird, die der Batteriespannung gerade entgegenwirkt. Der resultierende Strom ist somit zu Anfang<br />
Null<br />
Diese Gleichung ist eine Differentialgleichung für I. Sie hat die Lösung:<br />
wobei τ = L<br />
R<br />
U 0<br />
I t U ⎛<br />
R ⎝<br />
⎛<br />
⎝<br />
R<br />
L t<br />
⎞⎞<br />
⎠⎠<br />
U<br />
R<br />
( )<br />
0 0<br />
( ) = ⎜1−<br />
exp⎜ − ⎟⎟<br />
= 1−<br />
exp( − t τ )<br />
die Zeitkonstante des LR-Kreises ist<br />
liefert die Anwendung der Maschenregel:<br />
I R L dI<br />
⋅ + = 0<br />
dt<br />
Der umgekehrte Fall tritt auf, wenn der Strom ausge-<br />
schaltet wird, was mit der folgenden Schaltung erreicht<br />
werden kann.<br />
mit der Lösung für I: I( t) = I ⋅exp⎜ − t⎟ = I ⋅exp( − t τ )<br />
wobei I<br />
0<br />
Allgemein<br />
S 1<br />
S 2<br />
I R<br />
I R<br />
⎛<br />
⎝<br />
R ⎞<br />
L ⎠<br />
L dI<br />
dt<br />
L dI<br />
dt<br />
0 0<br />
Durch gleichzeitiges Betätigen der Schalter wird die<br />
Spannungsquelle abgekoppelt <strong>und</strong> die Spule über den<br />
Widerstand kurzgeschlossen. Unter der Annahme, dass<br />
sich nach langer Zeit bereits der Endstrom eingestellt hat,<br />
U0<br />
= der maximale Strom ist, der durch den Widerstand R begrenzt wird.<br />
R<br />
• Im Einschaltvorgang wird der Strom durch die Selbstinduktion verzögert.<br />
• Im Ausschaltvorgang treibt das Magnetfeld der Spule durch Induktionsvorgänge den Strom weiter.<br />
• Die Zeitkonstante bei diesen Vorgängen ist gegeben durch τ = L<br />
R
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8.4 Magnetismus in Materie<br />
• Ähnlich wie bei elektrischen Feldern haben auch magnetische Felder Einflüsse auf die Eigenschaf-<br />
ten von Materie.<br />
• Durch die Bewegung der Elektronen um den Kern sowie durch den Spin von Elektronen besitzen<br />
die Atome magnetische Momente, die in Wechselwirkung mit äußeren Magnetfeldern treten kön-<br />
nen.<br />
• Durch fließende Ströme werden in Spulen oder Atomen magnetische Momente erzeugt, die in Rich-<br />
tung des magnetischen Feldes zeigen (! Elektrische Dipole zeigen entgegen der Richtung des elekt-<br />
rischen Feldes)<br />
• vorhandene magnetische Momente richten sich entsprechend dem magnetischen Feld aus <strong>und</strong> ver-<br />
stärken dieses (Para- <strong>und</strong> Ferromagnetismus). Induzierte magnetische Momente zeigen entgegen<br />
dem äußeren Feld (Diamagnetismus).<br />
8.4.1 Magnetische Momente<br />
Leiterschleife:<br />
In einem Magnetfeld erfährt eine stromdurchflossene Leiterschleife ein Drehmoment, wobei das Feld der<br />
Leiterschleife nach dem äußeren Feld ausgerichtet wird. Dieses Drehmoment lässt sich durch das magneti-<br />
sche Moment beschreiben:<br />
Drehmoment auf ein magnetisches Moment: M = mxB<br />
Bei einer Leiterschleife lässt sich das magnetische Moment schreiben als:<br />
m = N⋅I ⋅ A<br />
wobei N die Anzahl der Windungen, I der Strom <strong>und</strong> A der Normalenvektor mit dem Flächeninhalt A sind.<br />
Atomare magnetische Momente:<br />
Als Modell sei eine Ladung q gegeben, die sich mit einer Geschwindigkeit v kreisförmig um einen Atomkern<br />
bewegt. Dann gilt<br />
Drehimpuls L = mel ⋅ v ⋅ r<br />
magnetisches Moment: m = I⋅ A = I⋅ π ⋅r<br />
2<br />
Für den Strom I kann auch geschrieben werden: I =<br />
2π ⋅r<br />
Für die Periodendauer gilt: T =<br />
v<br />
Somit ergibt sich:<br />
q<br />
T
q v r<br />
m =<br />
r<br />
⋅ ⋅ ⋅ π<br />
2π<br />
⋅<br />
2<br />
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 171<br />
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q<br />
q v r<br />
m L<br />
1<br />
= ⋅ ⋅ =<br />
2 2 ⋅ el<br />
Das magnetische Moment eines Atoms ist bei klassischer Betrachtungsweise gegeben durch den Drehim-<br />
puls, den das Elektron besitzt:<br />
m<br />
q<br />
m L =<br />
2 ⋅ el<br />
Diese Beziehung gilt auch für die Quantentheorie, nur wird dort der Drehimpuls mit quantentheoretischen<br />
Verfahren berechnet. Darüber hinaus besitzt ein Elektron zusätzlich einen Spin, dessen magnetisches Mo-<br />
ment gerade doppelt so groß ist wie das Moment des Bahndrehimpulses (Nur quantentheoretisch erklärbar).<br />
In der Quantentheorie ist der Drehimpuls eines Elektrons quantisiert. Das magnetische Moment lässt sich<br />
schreiben als:<br />
e⋅<br />
h<br />
m = −<br />
2⋅<br />
m<br />
el<br />
L L<br />
= −μB<br />
h h<br />
−24<br />
2<br />
wobei μ B = 9, 27 ⋅10 A ⋅m<br />
das Bohrsche Magneton, h = h<br />
2π<br />
sche Wirkungsquantum sind.<br />
−<br />
<strong>und</strong> h = 6 63 ⋅10<br />
Js<br />
34<br />
, das Planck-<br />
Wenn alle magnetischen Momente im Material durch das äußere Feld ausgerichtet sind, so weist das Mate-<br />
rial eine Sättigungsmagnetisierung MS auf.<br />
8.4.2 Magnetisierung <strong>und</strong> magnetische Suszeptibilität<br />
Wird ein Material in ein Magnetfeld gebracht, so werden die magnetischen Momente (sowohl die induzierten<br />
als auch die permanenten) ausgerichtet. Das Material ist magnetisch. Die Magnetisierung des Materials<br />
wird durch das resultierende magnetische Moment pro Volumeneinheit definiert.<br />
Magnetisierung: M dm<br />
=<br />
dV<br />
Je nach Art der Magnetisierung ist die Magnetisierung dem äußeren Feld gleichgerichtet <strong>und</strong> verstärkt die-<br />
ses (Ausrichtung vorhandenen magnetischer Momente) oder dem äußeren Feld entgegengerichtet <strong>und</strong><br />
schwächt dieses (induzierte magnetische Momente).<br />
Das resultierende Feld ergibt sich somit zu B = B0 + μ 0 ⋅M<br />
wobei B0 das äußere originäre Magnetfeld ist.<br />
In diesem Zusammenhang wird eine weitere magnetische Größe eingeführt, die<br />
magnetische Feldstärke H: B = μ ⋅ ( H+ M)<br />
Unterscheidung von B <strong>und</strong> H<br />
0
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• H wird allein durch freie Ströme, z.B. in Spulen, erzeugt <strong>und</strong> ist nicht von vorhandenen oder indu-<br />
zierten Strömen innerhalb der Materie abhängig.<br />
• B enthält dagegen sowohl Beiträge aus freien (äußeren) Strömen <strong>und</strong> magnetischen Momenten, die<br />
Beispiel:<br />
durch Materialeigenschaften resultieren.<br />
Zylinderspule: B = μ0 ⋅n ⋅I ⇒ H = n⋅I Das von außen eingespeiste Feld ist H, welches nur vom Spulen-<br />
strom abhängt. H ist unabhängig von dem Material, welches sich innerhalb der Spule befindet. Die Magneti-<br />
sierung des Materials ist somit abhängig von dem äußeren Feld H. Bei paramagnetischen <strong>und</strong> diamagneti-<br />
schen Materialien gilt ein linearer Zusammenhang zwischen H <strong>und</strong> M:<br />
Suszeptibilität χm : M = χ m ⋅H<br />
paramagnetisch: χ m >0<br />
diamagnetisch χ m >0<br />
Mit dem obigen Zusammenhang gilt:<br />
( ) ( )<br />
B = B0 + μ 0 ⋅ M = μ 0 H + M = μ 0 1+ χ m ⋅H<br />
oder<br />
B = μ ⋅ μ ⋅ H = μ ⋅H<br />
0<br />
r<br />
Die materialabhängige Konstante µr wird Permeabilität genannt.<br />
8.4.3 Paramagnetismus<br />
Paramagnetische Materialien besitzen eine kleine positive magnetische Suszeptibilität χ m .<br />
Beispiele: Al, Mg, Ti, W, Sauerstoff<br />
Die potentielle Energie magnetischer Momente in einem Magnetfeld B lässt sich berechnen durch<br />
E m B<br />
pot = − ⋅ , d.h. die Momente besitzen die niedrigste potentielle Energie, wenn sie sich parallel zum<br />
Feld ausrichten.<br />
Paramagnetismus ist meist nur schwach ausgeprägt, da die thermische Bewegung der Atome die Ausrich-<br />
tung durch das Magnetfeld wieder zerstört. Der Zusammenhang zwischen Magnetisierung des Materials <strong>und</strong><br />
dem äußeren Feld wird durch das Curiesche Gesetz beschrieben.
M<br />
M S<br />
8.4.4 Diamagnetismus<br />
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 173<br />
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Curiesches Gesetz: χ m<br />
C<br />
= ,<br />
T<br />
C ist die materialabhängige Curiekonstante<br />
Diamagnetische Materialien besitzen eine kleine negative magnetische Suszeptibilität χ m . Durch Induktion<br />
werden in den Elektronenschalen magnetische Momente erzeugt, die aufgr<strong>und</strong> der Lenzschen Regel dem<br />
äußeren Feld entgegengesetzt sind.<br />
Diamagnetismus tritt bei allen Materialien auf, jedoch ist er meist um mehrere Größenordnungen kleiner<br />
<strong>und</strong> wird durch den Paramagnetismus überdeckt. Diamagnetische Materialien haben abgeschlossene Elekt-<br />
ronenschalen, in denen sich die magnetischen Momente aufgr<strong>und</strong> von Drehimpuls <strong>und</strong> Spin aufheben.<br />
8.4.5 Ferromagnetismus<br />
Bei ferromagnetischen Materialien nimmt die magnetische Suszeptibilität χ m große positive Werte an.<br />
Es lässt sich bereits durch schwache Magnetfelder eine hohe Ausrichtung der magnetischen Momente er-<br />
reichen.<br />
M = 1/3 m B M<br />
0 S<br />
kT<br />
Beispiele: Fe, Co, Ni, Legierungen, Gadolinium, Dysprosium, Erbium<br />
Die Ausrichtung der magnetischen Momente bleibt auch nach Abschalten des äußeren Feldes H erhalten.<br />
Die Wechselwirkung benachbarter Momente ist sehr stark, wodurch sich innerhalb des Materials bereits<br />
eine räumlich begrenzte Ausrichtung ergibt. Diese Raumbereiche werden Weißsche Bezirke, Weißsche<br />
Bereiche oder magnetische Domänen genannt. Die Ausrichtung aller Domänen geschieht normalerweise<br />
derart, dass das resultierende Magnetfeld zu Null wird.<br />
Oberhalb einer kritischen Temperatur, der Curie-Temperatur, geht die Ausrichtung der Momente in den<br />
Weißschen Bezirken aufgr<strong>und</strong> der thermischen Bewegung verloren.<br />
Wird ein ferromagnetisches Material durch ein äußeres Magnetfeld magnetisiert, so klappen die Weißen<br />
Bezirke in Magnetfeldrichtung um <strong>und</strong> es kommt zu einer permanenten Magnetisierung in einer Richtung,<br />
die auch nach Abschalten des äußeren Feldes erhalten bleibt.<br />
B 0<br />
Die Magnetisierung durch ein äußeres Magnetfeld verläuft typischerweise in Form einer Hysteresekurve.
H k<br />
Koerzitivfeld<br />
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Hysteresekurve magnetisch<br />
harter Materialien<br />
Remanenzfeld<br />
B B<br />
B r<br />
8.5 Wechselstromkreise<br />
Neukurve<br />
Hysteresekurve magnetisch<br />
weicher Materialien<br />
H k<br />
H H<br />
Für die Versorgung von Haushalten <strong>und</strong> Industrieanlagen wird meist Wechselstrom verwendet. Der Vorteil<br />
liegt darin, dass dieser durch Transformatoren erhöht bzw. erniedrigt werden kann. Um über ein Stromkabel<br />
Leistung zu transportieren, werden hohe Spannungen erzeugt, wodurch der Strom <strong>und</strong> somit die Joulschen<br />
Verluste im Stromkabel niedriger werden.<br />
Typische Wechselspannungen:<br />
• 50 Hz oder 60 Hz: Netzfrequenz in Haushalten<br />
• 20 Hz bis 20 kHz: Musikwidergabe, Ansteuerung von Lautsprechern<br />
• 16 2/3 Hz: Spannungsversorgung der Bahn<br />
• bis zu 400 MHz bei Rechnern<br />
Eine sinusförmige Wechselspannung lässt sich einfach durch Induktion in einem Generator erzeugen.<br />
Wechselspannung: U = U( t) = U ⋅sin( ωt − δ )<br />
0<br />
Wenn in einem Stromkreis Wechselspannungen anliegen, wird auch der Strom durch die zeitliche Änderung<br />
beeinflusst.<br />
8.5.1 Wechselspannung an einem Widerstand<br />
U(t) R<br />
An dem Widerstand R liege die Spannung<br />
( ) = ⋅ cos( ω )<br />
U t U t<br />
0<br />
Zu jedem Zeitpunkt t treibt die Spannung einen Strom durch den Wider-<br />
stand R: I =<br />
Ferner gilt zu jedem Zeitpunkt die Maschenregel<br />
( )<br />
U t<br />
R<br />
B r
( )<br />
U t −I ⋅ R = 0<br />
⇒ U ⋅cosωt −I ⋅ R = 0<br />
0<br />
I( t) U<br />
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0<br />
⇒ = ⋅ cosωt = I0 ⋅cosωt<br />
R<br />
Der durch den Widerstand fließende Strom ist in Phase mit der anliegenden Spannung!<br />
Hierbei sind U0 <strong>und</strong> I0 die Scheitelwerte von Spannung <strong>und</strong> Strom.<br />
Mittlere Leistung:<br />
Im Widerstand wird zu jedem Zeitpunkt die Leistung P=UI in Wärme umgesetzt. Es ist jedoch wichtig zu<br />
wissen, welche Leistung im Mittel, d.h. innerhalb einer Periode insgesamt umgesetzt wird.<br />
T<br />
1<br />
1<br />
2 1 1<br />
P = U cos t I cos tdt<br />
U I cos tdt<br />
U I T<br />
T ∫ 0 ⋅ ω ⋅ 0 ⋅ ω = 0 ⋅ 0 ω = 0 ⋅ 0 ⋅ ⋅<br />
T ∫ T 2<br />
0<br />
T<br />
0<br />
Der zeitliche Mittelwert der Leistung ist somit nur die Hälfte des Maximalwertes der Leistung. Der Faktor ½<br />
kann somit auf die mittleren Spannungen bzw. Ströme verteilt werden, d.h. die Werte von Strom <strong>und</strong> Span-<br />
nung, die effektiv <strong>zur</strong> Leistung beitragen.<br />
Auf diese Weise werden die Effektivwerte von Strom <strong>und</strong> Spannung definiert:<br />
I<br />
eff<br />
<strong>und</strong><br />
I<br />
eff<br />
2 1 2<br />
= I = I dt =<br />
T ∫<br />
T<br />
2 1 2 U0<br />
= U = U dt =<br />
T ∫ 2<br />
T<br />
0<br />
0<br />
I<br />
0<br />
2<br />
Diese Zusammenhänge gelten jedoch nur für sinusförmige Wechselspannungen!<br />
8.5.2 Wechselströme in Spulen<br />
U(t)<br />
L<br />
An der Spule liege die Spannung U( t) = U ⋅ ( t)<br />
Die Anwendung der Maschenregel ergibt<br />
U( t) U U ( t) L dI<br />
− L = 0 ⇒ 0 ⋅ cos ω =<br />
dt<br />
0<br />
cos ω .<br />
Durch Integration lässt sich diese Gleichung umformen zu
∫<br />
U<br />
0<br />
⇒ L ⋅I<br />
= U<br />
⇒ I<br />
⋅ cos<br />
( ωt)<br />
0<br />
U<br />
ω ⋅L<br />
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dt =<br />
cos<br />
∫L<br />
( ωt)<br />
0 ( t)<br />
= sin(<br />
ωt)<br />
Hierbei ist I<br />
0<br />
⋅<br />
∫<br />
dI<br />
dt<br />
dt<br />
dt<br />
U0<br />
= der Scheitelwert des Spulenstromes. Verglichen mit einem ohmschen Widerstand<br />
ω⋅<br />
L<br />
⎛ U0<br />
⎞<br />
⎜I0<br />
= ⎟ kann der Term XL = ⋅L<br />
⎝ R ⎠<br />
induktiver Widerstand oder Blindwiderstand. X = ⋅L<br />
ω<br />
Es gilt: Ueff = XL ⋅ Ieff<br />
ω formal als Widerstand bezeichnet werden. Die Größe XL heißt<br />
L<br />
Der Begriff Blindwiderstand wird verwendet, da in einer Spule keine Leistung in Joulsche Wärme umgesetzt<br />
wird. Zu jedem Zeitpunkt gilt: P( t) = U( t) ⋅ I( t) = U ⋅cos( ωt) ⋅I ⋅sin(<br />
ω t)<br />
0 0<br />
Der zeitliche Mittelwert der Leistung wird wiederum durch Integration über eine Periode bestimmt. Diese<br />
ergibt: P( t) U I cos( ωt) sin(<br />
ω t)<br />
= ⋅ ⋅ ⋅ =<br />
0 0 0<br />
Die Integration des Produktes aus sin <strong>und</strong> cos über eine Periode liefert den Mittelwert Null, da das Produkt<br />
eine ungerade Funktion ist.<br />
Die Leistung, die sich zu jedem Zeitpunkt aus Strom <strong>und</strong> Spannung ergibt wird zum Aufbau des magneti-<br />
schen Feldes innerhalb der Spule verwendet.<br />
8.5.3 Wechselströme in Kondensatoren<br />
1<br />
0,8<br />
0,6<br />
0,4<br />
0,2<br />
0<br />
0<br />
-0,2<br />
0,5 1 1,5 2<br />
Am Kondensator liege die Spannung U( t) = U ⋅ ( t)<br />
y<br />
-0,4<br />
-0,6<br />
-0,8<br />
Die Anwendung der Maschenregel ergibt<br />
-1<br />
0<br />
x<br />
cos ω .
1<br />
U ( t)<br />
I( t) 0 ⋅ cos ω = dt<br />
C ∫<br />
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( ) ( )<br />
U t − U = ⇒ U ⋅ cos ω t =<br />
C<br />
0 0<br />
( )<br />
Q t<br />
C<br />
Der Strom, der beim Lade-/ Entladevorgang durch den Kondensator<br />
I t<br />
fließt, lässt sich berechnen durch: ( )<br />
Damit wird die obige Gleichung zu<br />
Die formale Differentiation der Gleichung liefert dann einen Ausdruck für den Strom I:<br />
1<br />
U ( ( t)<br />
) I( t)<br />
0 ⋅ω ⋅ − sin ω =<br />
C<br />
⇒ I t = −ω ⋅C ⋅U ⋅ sin ωt<br />
( ) ( )<br />
⇒ I t = −<br />
U<br />
1<br />
ω ⋅C<br />
⋅sin<br />
ωt<br />
0 ( ) ( )<br />
Formal ist der Ausdruck 1<br />
ω ⋅C<br />
X<br />
C =<br />
U(t) C<br />
0<br />
1<br />
genannt.<br />
ω ⋅C<br />
Es gilt: Ueff = X C ⋅ Ieff<br />
Aus I( t) = −ω ⋅C ⋅U ⋅ ( ωt) = −I ⋅ ( ωt)<br />
⎛ ⎞<br />
− sin( ω ) = cos⎜ω<br />
+ ⎟<br />
⎝ ⎠<br />
π<br />
t t<br />
2<br />
⎛ ⎞<br />
I( t) = I0 ⋅ cos⎜ωt + ⎟<br />
⎝ 2⎠<br />
π<br />
0 0<br />
( )<br />
dQ t<br />
= ⇒ Q( t) = I( t) dt<br />
dt ∫<br />
wieder ein Widerstand. Dieser Ausdruck wird kapazitiver Widerstand<br />
sin sin folgt durch Umformung der Sinusfunktion nach<br />
y<br />
1<br />
0,8<br />
0,6<br />
0,4<br />
0,2<br />
0<br />
-0,2<br />
0 0,5 1 1,5 2<br />
-0,4<br />
-0,6<br />
-0,8<br />
-1<br />
Beim Kondensator eilt der Strom der Spannung um 90° voraus<br />
x
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Ähnlich wie bei der Spule ist die mittlere Leistung der Wechselspannung beim Kondensator Null. Die Leis-<br />
tung wird vielmehr dazu verwendet, das elektrische Feld im Kondensator aufzubauen.<br />
8.5.4 LC-Kreise<br />
Die Eigenschaften von Kondensatoren <strong>und</strong> Spulen, elektrische Energie in Form von elektrischen <strong>und</strong> mag-<br />
netischen Feldern zu speichern, kann dazu genutzt werden, Schwingungen zu erzeugen.<br />
Mechanische Analogie: Die potentielle Energie einer Feder kann in kinetische Energie gewandelt werden<br />
<strong>und</strong> umgekehrt. Das Federsystem führt Schwingungen aus.<br />
Gegeben sei der folgende Schwingkreis:<br />
• Der Kondensator sei zum Zeitpunkt t=0 gerade voll geladen.<br />
• Nach Schließen des Schalters S fließt ein Entladestrom des Kondensa-<br />
tors.<br />
• Durch den Strom wird in der Spule eine Spannung induziert <strong>und</strong> ein<br />
Magnetfeld aufgebaut.<br />
• Wenn sich das Magnetfeld wieder abbaut, wird erneut ein Strom indu-<br />
ziert, der den Kondensator wieder auflädt <strong>und</strong> der Vorgang setzt sich weiter fort.<br />
Die Anwendung der Mascheregel gibt diesen Zusammenhang ebenfalls wieder:<br />
L dI Q<br />
mit I<br />
dt C<br />
d Q Q<br />
L<br />
dt C<br />
d Q<br />
dt L C Q<br />
+ = 0 =<br />
2<br />
⇒ 2 + = 0<br />
2<br />
1<br />
⇒ 2 + = 0<br />
⋅<br />
dQ<br />
dT<br />
Dies ist eine Dgl., die das zeitabhängige Verhalten der durch Kondensator <strong>und</strong> Spule fließenden Ladung<br />
beschreibt.<br />
Die Lösung der Dgl. lautet: Q( t) = Q ⋅cos( ωt − δ )<br />
wobei ω =<br />
1<br />
L ⋅ C ist.<br />
0<br />
Die Ladung oszilliert somit periodisch zwischen Spule <strong>und</strong> Kondensator hin <strong>und</strong> her. Der im Schwingkreis<br />
fließende Strom lässt sich somit leicht berechnen zu<br />
( )<br />
I t<br />
C<br />
( )<br />
S<br />
L<br />
dQ t<br />
= = −Q 0 ⋅ω ⋅ sin ωt − δ = −I0 ⋅sin ωt − δ<br />
dt<br />
( ) ( )<br />
Dieses Verhalten beschreibt eine ungedämpfte harmonische elektrische Schwingung.
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 179<br />
Prof. Dr. P. Kaul, Fachbereich Biologie Chemie <strong>und</strong> Werkstofftechnik,<br />
Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />
Analog zum mechanischen Schwinger, bei dem die Oszillation gedämpft wird bei Auftreten von Reibung,<br />
wird auch die elektrische Oszillation gedämpft bei Vorhandensein von elektrischen Widerständen. In den<br />
Widerständen wird ein <strong>Teil</strong> der Schwingungsenergie in Joulsche Wärme gewandelt, die dem Schwingungs-<br />
system dann nicht mehr <strong>zur</strong> Verfügung steht.<br />
Auf die gleiche Weise können auch von außen erregte Schwingkreise mit verschiedenen Kombinationen<br />
aus Spule, Kondensator <strong>und</strong> Widerstand behandelt werden. Auch hier treten Phänomene wie Resonanzen<br />
in Abhängigkeit der Dämpfung auf. Für eine genauere Behandlung dieser Phänomene sein an dieser Stelle<br />
jedoch auf die Literatur verwiesen.<br />
8.5.5 Transformator<br />
Wechselspannungen können nahezu verlustfrei in ihrer Größe geändert werden. Hierzu werden meist<br />
Transformatoren verwendet. Die zu ändernde Spannung wird über einer Spule angelegt, die mit einer zwei-<br />
ten Spule über einen Ringkern verb<strong>und</strong>en ist.<br />
U(t)<br />
Primärspannung: U N d m<br />
L1<br />
= 1 ⋅<br />
dt<br />
Ψ ,<br />
Die Spannung U1(t) induziert in der Primärspule mit<br />
der Windungszahl N1 aufgr<strong>und</strong> des Magnetisie-<br />
rungsstromes einen magnetischen Fluss Ψ m,ges ,<br />
der durch den Ringkern gebündelt wird <strong>und</strong> entspre-<br />
chend in gleicher Größe die Spule mit der Win-<br />
dungszahl N2 durchsetzt. Verluste durch Wirbel-<br />
ströme etc. Seien an dieser Stelle vernachlässigt.<br />
Induzierte Spannung in der ersten Spule:<br />
wobei Ψ m der magnetische Fluss ist, der durch eine Leiterschleife erzeugt wird.<br />
Aufgr<strong>und</strong> der Maschenregel ist die induzierte Spannung UL1 gerade gleich der äußeren anliegenden Span-<br />
nung.<br />
N1<br />
In der zweiten Spule wird aufgr<strong>und</strong> des magnetischen Flusses ebenfalls eine Spannung entsprechend dem<br />
Induktionsgesetz induziert:<br />
Sek<strong>und</strong>ärspannung: U N d<br />
L2<br />
= − 2 ⋅<br />
dt<br />
Ψ<br />
m<br />
Diese Spannung erleidet auf der Sek<strong>und</strong>ärseite aufgr<strong>und</strong> der Lenzschen Regel (gleicher Wicklungssinn der<br />
Spulen vorausgesetzt) einen Phasensprung um 180°.<br />
Zusammengefasst lassen sich die beiden Gleichungen schreiben als U<br />
Der Quotient aus N2 <strong>und</strong> N1 wird Übersetzungsfaktor genannt.<br />
N2<br />
2<br />
N<br />
N U<br />
2<br />
= −<br />
1<br />
1
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 180<br />
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Weiterhin kann gezeigt werden, dass für einen belasteten Transformator gilt:<br />
N1 ⋅ I1 = N2 ⋅ I2<br />
(die Ströme verhalten sich wie die Windungszahlen)<br />
U ⋅ I = U ⋅ I (die Leistung wird übertragen)<br />
1, eff 1, eff 2, eff 2,<br />
eff<br />
8.6 Elektromagnetische Wellen<br />
Wie in den letzten Kapiteln gezeigt wurde haben elektrische Felder ihre Quellen in elektrischen Ladungen<br />
<strong>und</strong> magnetische Felder werden durch bewegte Ladungen erzeugt. Darüber hinaus werden durch zeitlich<br />
veränderliche magnetische Felder in Leiterschleifen elektrische Felder erzeugt <strong>und</strong> umgekehrt.<br />
Dies legt den Schluss nahe, dass elektrische Felder aus magnetischen Feldern entstehen können <strong>und</strong> um-<br />
gekehrt. Die funktionalen Zusammenhänge wurden erstmals von Maxwell in den Maxwellschen Gleichun-<br />
gen zusammengefasst.<br />
8.6.1 Die Maxwellschen Gleichungen<br />
Zusammengefasst lauten die Maxwellschen Gleichungen in Integralschreibweise:<br />
( )<br />
1<br />
( )<br />
( )<br />
( )<br />
1<br />
En ⋅ dA = Q<br />
ε<br />
2 B ⋅ dA = 0<br />
3<br />
4<br />
∫∫<br />
δV<br />
∫∫<br />
δV<br />
δA<br />
n<br />
d<br />
E⋅ ds = − Bn ⋅dA<br />
dt<br />
∫B ds 0 I 0 ε0<br />
dt ∫<br />
δA<br />
A<br />
0<br />
∫ ∫<br />
A<br />
innen<br />
d<br />
⋅ = μ ⋅ + μ ⋅ E ⋅dA<br />
Anschaulich bedeuten hier die Integrale die folgenden Vorschriften:<br />
∫∫<br />
δV<br />
∫<br />
δA<br />
E ⋅dA<br />
n<br />
E⋅ ds<br />
n<br />
Integration über die geschlossene Oberfläche eines Volumens derjenigen Komponente des<br />
elektrischen Feldes, welches senkrecht auf der Oberfläche steht.<br />
Integration über eine geschlossene Linie einer Fläche A derjenigen Komponente des elektri-<br />
schen Feldes, welches parallel <strong>zur</strong> Tangenten der Begrenzungslinie liegt.<br />
∫ En ⋅dA<br />
Integration über eine offene Fläche A derjenigen Komponente des elektrischen Feldes, welches<br />
A<br />
Gleichung (1):<br />
senkrecht auf der Oberfläche steht.<br />
Diese Gleichung entspricht dem Coulombschen Gesetz der Elektrostatik. Sie besagt, dass das elektrische<br />
Feld seine Quellen bzw. Senken in elektrischen Ladungen hat. Das Feld, welches aus einem Volumen „her-
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ausfließt“ (bzw. in ein Volumen hineinfließt), wird durch die Ladung erzeugt, die sich innerhalb des Volu-<br />
mens befindet. Das elektrische Feld entsteht durch elektrische Monopole.<br />
Gleichung (2):<br />
Diese Gleichung sagt aus, dass ein magnetisches Feld keine Monopole besitzt. Feldlinien sind stets in sich<br />
geschlossen, d.h. diejenigen Feldlinien, die durch eine geschlossene Oberfläche eines Volumens hineinflie-<br />
ßen, müssen auch wieder aus diesem Volumen herausfließen.<br />
Gleichung (3):<br />
Diese Gleichung besagt, dass durch ein zeitlich sich änderndes Magnetfeld, welches eine Fläche A durch-<br />
setzt, auf dem Rand δA der Fläche eine Spannung induziert wird. Das Minuszeichen in dieser Gleichung<br />
beschreibt die Lenzsche Regel, d.h. die induzierte Spannung wirkt ihrer Ursache entgegen.<br />
Gleichung (4)<br />
Diese Gleichung besagt ohne Berücksichtigung der zeitlichen Änderung des elektrischen Feldes zunächst,<br />
dass Magnetfelder, gemessen auf dem Rand einer Fläche, durch diejenigen Ströme erzeugt werden, die<br />
durch diese Fläche hindurchfließen. Das Amperesche Gesetz gilt in dieser Form nur für durchgehende Strö-<br />
me. Unterbrochene Ströme, wie z.B. in Kondensatoren, werden nicht berücksichtigt. Zusätzlich werden aber<br />
auch magnetische Felder dadurch erzeugt, dass zeitlich veränderliche elektrische Felder einen Verschie-<br />
bungsstrom bewirken.<br />
Maxwellscher Verschiebungsstrom:<br />
Der von Maxwell eingeführte Verschiebungsstrom kann anschaulich gemacht werden z.B. an einem Kon-<br />
densator. Wird ein Kondensator aufgeladen, so fließt in dem Zuleitungsdraht der Ladestrom, In gleicher<br />
Größe fließt dieser Ladestrom am anderen Anschluss des Kondensators wieder ab. Zwischen den Konden-<br />
satorplatten ließt aber kein „echter“ Strom, da dort kein leitendes Material vorhanden ist.<br />
Da der Strom, der in den Kondensator hinein fließt jedoch auch wieder herausfließt, kann formal zwischen<br />
beiden Platten ebenfalls ein Strom eingeführt werden, der sogenannte Verschiebungsstrom. Da der Strom-<br />
fluss auf beiden Platten durch die Influenz der Ladungen auf den Kondensatorplatten , d.h. durch das elekt-<br />
rische Feld zwischen ihnen, zustande kommt, <strong>und</strong> sich ein Strom nur bei sich ändernder Ladungsdichte<br />
fließt, kann formal die Änderung des elektrischen Flusses als Strom bezeichnet werden:<br />
Verschiebungsstrom: I<br />
V<br />
= ε 0 ⋅<br />
dΨ<br />
dt<br />
e<br />
wobei Ψ e der elektrische Fluss zwischen beiden Kondensatorplatten ist.<br />
Eine weiter Notwendigkeit <strong>zur</strong> Einführung des Verschiebungsstromes lässt sich folgendermaßen verdeutli-<br />
chen:
<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>Physik</strong> 1 <strong>und</strong> <strong>Physik</strong> 2 Seite 182<br />
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8.6.2 Elektromagnetische Wellen<br />
Das reine Amperesche Gesetz sagt aus, dass ein magne-<br />
tisches Feld auf dem Rand einer Fläche entsteht, wenn<br />
ein Strom durch diese Fläche fließt. Beim Kondensator<br />
ist dies bei der Fläche S1 der Fall, wenn ein Ladestrom in<br />
den Kondensator fließt.<br />
Es kann jedoch auch die Fläche S2 <strong>zur</strong> Berechnung he-<br />
rangezogen werden, da S2 den gleichen Rand wie S1<br />
aufweist. Durch S2 fließt aber kein „echter“ Strom, wes-<br />
wegen das Feld auf dem Rand der Fläche Null sein<br />
müsste. Dies ist aber ein Widerspruch, da zwei verschie-<br />
dene Ergebnisse auftreten. Die Einführung des Verschie-<br />
bungsstromes bereinigt diesen Sachverhalt wieder.<br />
Die Maxwellschen Gleichungen ohne Vorhandensein von Materie lauten wie folgt:<br />
( )<br />
1 E ⋅ dA = 0<br />
( )<br />
2 B ⋅ dA = 0<br />
( 3)<br />
( )<br />
∫∫<br />
δV<br />
∫∫<br />
δV<br />
δA<br />
n<br />
n<br />
d<br />
E⋅ ds = − Bn ⋅dA<br />
dt<br />
∫ ∫<br />
d<br />
⋅ = μ ⋅ En ⋅dA<br />
dt<br />
∫ ∫<br />
4 B ds<br />
δA<br />
0 ε 0<br />
A<br />
A<br />
Die Gleichungen (3) <strong>und</strong> (4) zeigen, dass auch ohne Vorhandensein von Ladungen oder Strömen in Materie<br />
elektrische <strong>und</strong> magnetische Felder sich gegenseitig erzeugen können, wenn sie sich zeitlich ändern. Durch<br />
die Maxwellschen Gleichungen war es erstmals möglich, das Wesen <strong>und</strong> die Ausbreitung elektromagneti-<br />
scher Wellen zu beschreiben. Auf eine detaillierte Ausführung der Herleitung von em-Wellen sei an dieser<br />
Stelle verzichtet.<br />
dE/dt 0 aber konstant dB/dt 0 aber konstant dB/dt 0 <strong>und</strong> nicht konstant<br />
B E B<br />
E<br />
dE/dt 0<br />
<strong>und</strong> nicht konstant
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Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg<br />
Über die Lösung der Maxwellschen Gleichungen lassen sich alle klassischen elektromagnetischen Phäno-<br />
mene beschreiben. Unter anderem folgt für den materiefreien Raum eine Beschreibung der elektromagneti-<br />
schen Wellen, z.B. die Wellengleichungen harmonischer elektromagnetischer Wellen.