Internationale Politik und Zweiter Weltkrieg
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• "Hitler war nicht Wilhelm 111."<br />
<strong>Internationale</strong> <strong>Politik</strong> <strong>und</strong> <strong>Zweiter</strong> <strong>Weltkrieg</strong><br />
Der Publizist <strong>und</strong> Wissenschaftler Joachim C. Fest setzt sich in seiner Hitler-Biographie mit<br />
der Außenpolitik des Diktators auseinander. Er vergleicht sie dabei mit den Traditionen deutscher<br />
Außenpolitik im Kaiserreich <strong>und</strong> in der Weimarer Republik.<br />
Der Zusarrunenhang zwischen dem Ersten <strong>und</strong> dem Zweiten <strong>Weltkrieg</strong> ist<br />
nicht nur interpretatorisch auf unterschiedlichen Ebenen greifbar; vielmehr<br />
hat Hitler selber immer wieder ausdrücklich darauf verwiesen. [... ]<br />
Im Lichte dieses Zusarrunenhangs erscheint Hitler als der besonders radikale<br />
Vertreter einer deutschen Weltmachtidee, die bis in die späte Bismarckzeit 5<br />
zurückreicht, sich schon um die Jahrh<strong>und</strong>ertwende zu konkreten Kriegszielen<br />
verdichtete <strong>und</strong> nach dem gescheiterten Anlauf der Jahre 1914-1918 im<br />
Zweiten <strong>Weltkrieg</strong> mit neuer <strong>und</strong> größerer Entschlossenheit zu verwirklichen<br />
versucht wurde: Eine nahezu h<strong>und</strong>ertjährige imperialistische Kontinuität der<br />
deutschen Geschichte fand in Hitler ihren Höhepunkt. [... ] 10<br />
Aber auch die Richtung, die Hitler seinen Expansionsabsichten gab, entsprach<br />
einer weit zurückreichenden Tradition. Es war seit langem Teil deutscher<br />
Ideologie, dass der Osten der natürliche Lebensraum des Reiches sei,<br />
<strong>und</strong> Hitlers Herkunft aus der Doppelmonarchie hat diese Blickwendung<br />
noch verstärkt. [... ] 15<br />
Desgleichen waren Hitlers Bündnisvorstellungen keineswegs ohne Vorbild.<br />
Der Gedanke, dass Deutschland sich der Neutralität Englands versichern<br />
müsse, um gemeinsam mit Österreich-Ungarn einen Eroberungskrieg nach<br />
Osten <strong>und</strong> möglicherweise zugleich gegen Frankreich zu führen, war der<br />
<strong>Politik</strong> des Kaiserreichs nicht gänzlich fremd. [... ] 20<br />
Über die ideologischen, raumpolitischen <strong>und</strong> bündnistechnischen Zusammenhänge<br />
hinaus lässt sich die Kontinuität des deutschen Weltmachtwillens<br />
aber auch unschwer von den gesellschaftlichen Gruppen her begründen. Es<br />
waren vor allem die konservativen Führungsschichten gewesen, deren Wortführer<br />
die ausgreifenden Konzepte der Kaiserzeit entworfen <strong>und</strong> aus dem 25<br />
Zusarrunenbruch des Jahres 1918 einen verstärkten Geltungskomplex entwickelt<br />
hatten: Seither suchten sie, Deutschlands erschüttertes Selbstbewusstsein<br />
wiederherzustellen sowie die verlorenen Gebiete (vor allem von Polen)<br />
zurückzugewinnen, <strong>und</strong> weigerten sich selbst in ihren besonnensten Vertretern<br />
während der Weimarer Zeit stets, eine Grenzgarantie nach Osten zu 30<br />
geben. [... ]<br />
Im Führer der NSDAP sahen diese Gruppen den Mann, der in der Lage<br />
schien, ihre revisionistischen Absichten zu verwirklichen, weil er es wie kein<br />
anderer verstand, den Versailler Vertrag <strong>und</strong> die verbreiteten Gefühle der<br />
Demütigung über nahezu alle Schranken hinweg als integrierendes Mittel 35<br />
zur Mobilisierung der Nation zu nutzen. Bezeichnenderweise ermunterten<br />
sie ihn zu Beginn seiner Kanzlerschaft sogar zu einem verschärften Kurs:<br />
Sowohl beim Rückzug aus der Abrüstungskonferenz <strong>und</strong> beim Austritt aus<br />
dem Völkerb<strong>und</strong> als auch in der Abrüstungsfrage drängten die konservativen<br />
Kabinettsmitglieder den zögernden Hitler voran, <strong>und</strong> bis hin zur Mün- 40<br />
chener Konferenz waren es im Gr<strong>und</strong>e nur die waghalsigen Spielermethoden<br />
Hitlers, die ihre Missbilligung fanden.