ПОДКАМЕННАЯ ТУНГУСКА PODKAMENNAYA TUNGUSKA
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Wir verladen unseren Kram in seinem UAZik-<br />
Geländewagen und machen uns auf den Weg zum<br />
Hotel, welches er schon für uns klargemacht hat.<br />
Die Fahrt geht über staubtrockene Schotterpisten,<br />
zwischen Kiefernwäldchen und Holzbaracken<br />
hindurch, und schließlich ein kleines Stück an der<br />
Tunguska entlang. Igor lacht sich kaputt, während<br />
wir uns die Nasen an der Scheibe plattdrücken...<br />
Das Hotel ist eine langgezogene, gedrungene Baracke,<br />
die durchaus Gulag-Assoziationen hervorruft.<br />
Drinnen ist es zwar einfach, aber nicht unerfreulich;<br />
auffällig sind lediglich die Heizungsrohre,<br />
die nicht nur „über Putz“, sondern auch „über<br />
Estrich“ verlaufen – der Heizungsstrang liegt offen<br />
auf dem Fußboden im zentralen Flur. Will<br />
man in sein Zimmer, muss man folglich über ein<br />
paar Rohre steigen... Ansonsten ist alles wie im<br />
Ritz Carlton in Moskau, wir geben kurz unsere<br />
Pässe ab, um registriert zu werden, bezahlen und<br />
bekommen unseren Zimmerschlüssel. Igor verspricht,<br />
uns am nächsten Morgen um Zehn abzuholen,<br />
um uns bei unseren Einkäufen zu helfen<br />
und uns an den Fluss zu bringen.<br />
Das Diner nehmen wir im Schein der Abendsonne<br />
am Fluss. Hier ist er zwar keine Schönheit –<br />
überall liegt Müll rum und ragen zerfledderte Enden<br />
von Stahlseilen aus der Erde – aber wir erkennen<br />
sein Potential. Eine freundliche Hündin gesellt<br />
sich zu uns, und wir teilen Brot und Käse.<br />
Nach etwa einer Stunde – wir beginnen uns zu<br />
ärgern, dass wir nicht mehr Bier mitgenommen<br />
haben – klingelt das Telefon. Igor ist dran: seine<br />
Freundin feiert einundzwanzigsten Geburtstag,<br />
und er hat der Geburtstagsgesellschaft von uns<br />
erzählt. Niemand hat ihm geglaubt, dass da echte<br />
Deutsche irgendwo in der Gegend rumsitzen, und<br />
so lädt er uns ein – eine Win-win-<br />
Situation: wir können mitfeiern,<br />
und seine Vertrauenswürdigkeit<br />
wird wiederhergestellt.<br />
Am „Stadtrand“ – also da, wo<br />
Baikit an die Taiga grenzt, steht<br />
das Holzhaus von Igor und seiner<br />
Familie. Im Garten brennt ein<br />
Grill, Musik kommt von seinem<br />
Laptop, und um den reichgedeckten<br />
Tisch sitzen jede Menge junge<br />
Sibirierinnen, die hübscheste von<br />
ihnen Mascha, das Geburtstagskind,<br />
ihres Zeichens Hauptmann<br />
der Miliz. Es gibt Schaschlik, geräucherten und<br />
getrockneten Fisch aus der Tunguska, und noch so<br />
alles Mögliche. Igors Mutter ist auch dabei, und<br />
sie erzählt von seinem älteren Bruder, der eines<br />
Tages nicht mehr aus der Taiga (also, in diesem<br />
Falle, dem Wald direkt hinter dem Haus) zurückkehrte.<br />
Der Abend wird noch sehr rund – unter anderem<br />
nimmt Igor den einen oder anderen Schoppen zuviel<br />
und wird von seiner Braut unter Androhung<br />
von Schlägen ins Bett gebracht.:)