Wurzelsysteme ingenieurbiologischer Bauweisen - Department für ...
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R. Stangl/W. Zenz/P. Weinbacher · <strong>Wurzelsysteme</strong> <strong>ingenieurbiologischer</strong> <strong>Bauweisen</strong><br />
<strong>Wurzelsysteme</strong> <strong>ingenieurbiologischer</strong> <strong>Bauweisen</strong><br />
DI Rosemarie Stangl DI Walter Zenz Patrick Weinbacher<br />
rosemarie.stangl@boku.ac.at<br />
Universität <strong>für</strong> Bodenkultur<br />
<strong>Department</strong> <strong>für</strong> Bautechnik und Naturgefahren<br />
Institut <strong>für</strong> Ingenieurbiologie und Landschaftsbau<br />
Peter Jordan-Straße 82, 1190 Wien<br />
Tel.: +43-1-47654-7303; Fax: +43-1-47654-7349<br />
Der vorliegende Artikel beschäftigt sich mit der Entwicklung der Wurzelkörper<br />
<strong>ingenieurbiologischer</strong> <strong>Bauweisen</strong> nach mehreren Jahren bis Jahrzehnten.<br />
Der Fokus liegt dabei auf der Wurzelraumcharakteristik von Heckenbuschlagen,<br />
von als Buschlagen eingelegten Gehölzen in Holzkrainerwänden<br />
und Hangrosten sowie von Weidenspreitlagen. Neben der<br />
Ausprägung arttypischer Merkmale und der Adventivwurzelbildung entlang<br />
der eingelegten Sprosse wurden die Biomasseentwicklung sowie<br />
die räumliche Ausdehnung der Wurzeln quantitativ erfasst und analysiert.<br />
1 Einleitung<br />
Die Fähigkeit mancher Arten zur Adventivwurzelbildung<br />
ist als eine der wichtigsten Eigen schaften von Gehölzen<br />
im ingenieurbiologischen Arbeitsbereich zu sehen. Die<br />
Wurzelbildung entlang von Sprossen oder Ästen wird<br />
ausgenutzt, um neben herkömmlichen Pflanzungen auch<br />
Ast- oder Stammteile zur Bewehrung des Bodens einbringen<br />
zu können. Zusätzlich von Vorteil ist die damit verbundene<br />
vegetative Vermehrbarkeit. Die Pflanzen treiben<br />
– häufig mehrstämmig – neu aus, die sich entwickelnden<br />
<strong>Wurzelsysteme</strong> bieten weitere Stabilisierung und Schutz<br />
vor Oberflächenerosion.<br />
Schubert und Wagner (1993) beschreiben Adventivwurzeln<br />
als „Sprossbürtige Wurzeln, die aus Sprossachsen<br />
hervorgehen und <strong>für</strong> die Monokotyledonen und viele sich<br />
vegetativ vermehrende Dikotyledonen charakteristisch<br />
sind, sowie blattbürtige Wurzeln“. Die Ausbildung von Adventivwurzeln<br />
durch äußere Einflüsse wie Verletzungen<br />
und Übererdung wird hormonellen Vorgängen zugeschrieben.<br />
Die Fähigkeit zur Adventivwurzelbildung ist äußerst<br />
unter schiedlich ausgeprägt. Am Institut <strong>für</strong> Ingenieurbiologie<br />
wurden diesbezüglich zahlreiche Arten auf ihre<br />
Eignung zum Einsatz in der Ingenieurbiologie getestet<br />
(Florineth, 2004).<br />
2 Beschreibung der genannten ingenieurbiologischen<br />
<strong>Bauweisen</strong><br />
Heckenbuschlagen (HBL)<br />
Heckenbuschlagen sind eine Stabilbauweise, bei der in<br />
vorab gegrabenen Terrassen kräftige Weiden steckhölzer<br />
und bewurzelte Pflanzen dicht nebeneinander liegend<br />
eingebracht werden. Dieser Lagenbau ist ein mit lebenden<br />
Bild 1: Seitenriss einer Heckenbuschlage und ein Jahr nach Fertigstellung<br />
© Ernst & Sohn Verlag <strong>für</strong> Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Bautechnik und Naturgefahren<br />
1
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und tragfähigen Pflanzen oder Pflanzenteilen bewehrtes<br />
Erdmaterial zur Sicherung von Lockermaterial. Die Kombination<br />
von ge wachsenen lebenden Ästen mit bewurzelten<br />
Gehölzen ermöglicht es, Initial- und Folge vege tation<br />
in einem Arbeitsgang einbringen zu können. Der Lagenbau<br />
wird klein- und großflächig zur Sicherung von Einschnitt-<br />
und Auftrags böschungen, von Hängen und bei abgerutschten<br />
Lockermaterialien bis 1,5 m Tiefe eingesetzt<br />
(Bild 1).<br />
Holzkrainerwände (HKW)<br />
Krainerwände sind ein- oder doppelwandigen Kastensysteme<br />
aus Holz, Beton, Metall oder Kunststoff, die als<br />
technische Stützkörpersysteme wirken. Das Einlegen von<br />
ausschlag fähigem Astwerk und bewurzelten Laubholzpflanzen<br />
vor allem in Holzkrainerwänden erhöht die aktive<br />
Entwässerung und damit die statische Sicherheit von<br />
Baukörper und Böschung.<br />
Der Vorteil von Holzkrainerwänden liegt in der raschen<br />
Böschungssicherung und in ihrer Flexibilität gegenüber<br />
Setzungsprozessen. Sie dienen als Stützkörper<br />
zur Hangfußver bauung, zur Sicherung wenig ausgedehnter<br />
Hang- und Böschungs anschnitte und zur Beseitigung<br />
kleinerer Schadstellen an Hängen und Böschungen sowie<br />
zum Verbau von Erosionsrinnen (Bild 2).<br />
Lebende Hangroste (HR)<br />
Hangroste sind Gitter- oder leiterartige Stützkörper aus<br />
Holz, können aber auch aus Metall- oder Kunststoffelementen<br />
gebaut werden. Das Prinzip der Konstruktion ist<br />
so ausgerichtet, dass sie sich selbst vom Fuß aus stützt.<br />
Ansonst ist eine fundierte Fußsicherung, die das Gewicht<br />
des Hangrostes tragen kann, von Nöten. Zur Entlastung<br />
der Fußsicherung und zur Verankerung des Hangrostes<br />
im Boden dienen Piloten aus Eisen oder Holz, die meist<br />
an den Kreuzungsstellen der Gitterkonstruktion in den<br />
Boden geschlagen werden. Der Hangrost wird mehr oder<br />
weniger an der Verankerung „aufgehängt“. Zur Begrünung<br />
des Hangrostes wird lebendes Pflanzenmaterial in Form<br />
eines Lagenbaus verwendet. Vegetativ vermehrbare Äste<br />
und/oder be wurzelte Laubgehölze, die zumindest so lang<br />
sind, um in das Ausgangsmaterial hinein zureichen, werden<br />
in dichten Lagen eingebaut (Bild 3).<br />
Weidenspreitlagen (WSL)<br />
Weidenspreitlagen dienen als Deckbauweisen der Sicherung<br />
von Ufern an Fließgewässern. Zur Herstellung werden<br />
Weidenäste oder ausschlagfähiges Ast werk dicht auf<br />
der Böschungs fläche verlegt und an vorab eingeschlagenen<br />
Pflöcken nieder gebunden. Durch Nachschlagen der<br />
Pflöcke werden die Weiden fest an den Boden gedrückt<br />
Bild 2: Bepflanzte Holzkrainerwand kurz nach der Fertigstellung<br />
und nach fünf Jahren<br />
Bild 3: Bepflanzter Hangrost kurz nach der Fertigstellung<br />
und nach 5 Monaten<br />
2<br />
Bautechnik und Naturgefahren
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und gut einge bettet, der Austrieb sollt dadurch jedoch<br />
nicht gehemmt werden Die dicken Astenden sollen zur<br />
Vermeidung von Austrocknung unter die Gewässersohle<br />
reichen. Die Basis der Spreitlage ist ent sprechend dem<br />
Gewässertyp mit Steinen (Blockwurf), Holzkrainerwänden,<br />
Stangen, Faschinen oder Flechtzäunen zu befestigen<br />
(Bild 4).<br />
Der Vorteil der Weidenspreitlagen ist im sofortigen,<br />
flächendeckenden Oberflächenschutz zu sehen. Prallufer,<br />
die hohen hydraulischen Bean spruchungen ausgesetzt<br />
sind, können damit höchst effizient geschützt werden.<br />
3 Material und Methoden<br />
Im Zuge von Studien zur Zustandsbewertung von <strong>ingenieurbiologischer</strong><br />
Systemen wurden in Südtirol zahlreiche<br />
Wurzelkörper freigelegt. Untersucht wurden Alnus incana,<br />
Salix daphnoides und Fraxinus excelsior von ehemaligen<br />
bewurzelten Gehölzeinlagen im Lagenbau (HBL,<br />
HKW und HR) sowie Salix purpurea und Salix eleagnos<br />
von Weidenspreit lagen.<br />
Die Isolation der <strong>Wurzelsysteme</strong> erfolgte mittels<br />
Wasserstrahl unter ca. 2 bar Druck, oder händisch mittels<br />
Bürsten. In der Regel wurden etwa 2 lfm des jeweiligen<br />
Bautyps freigelegt.<br />
Neben den klassischen Baumparametern wie Brusthöhendurchmesser,<br />
Wurzelhals durch messer und Baumlängen<br />
wurden die Längen und Durchmesser der ehemaligen Einlagen<br />
ver messen. Es wurden alle sprossbürtigen Wurzeln<br />
und Adventivwurzeln 1. Ordnung gezählt und ihre Durchmesser<br />
und Längen aufgenommen. Das Baumalter wurde<br />
an der Stammbasis mittels Jahrringzählung ermittelt.<br />
Die Biomasse wurde getrennt nach Kompartimenten<br />
(Stamm, Äste inkl. Laub, Asteinlagen, Wurzeln nach<br />
Durchmesserkategorien) erhoben. Mittels Sektorenanalyse<br />
wurden Infor mationen über die räumliche Biomasseverteilung<br />
gewonnen. Dazu wurde die Wurzelbio masse <strong>für</strong><br />
jeden Sektor in einem dreidimensionalem Modell erfasst.<br />
4 Resultate<br />
<strong>Wurzelsysteme</strong> in Lagenbauweisen (HBL, HKW, HR)<br />
An allen untersuchten Individuen konnten die ehemaligen<br />
Sprosse, die gemäß dem Lagen bau horizontal eingelegt<br />
wurden, identifiziert werden. Sie sind einheitlich die<br />
kräftigsten, quer in den Hang reichenden Wurzeln.<br />
Intraspezifische Wurzelverwachsungen innerhalb<br />
einer Art wurden bei allen Lagenbauweisen beobachtet.<br />
Das Kollektiv aus Grauerlen einer 14-jährigen Heckenbuschlage<br />
bildete einen beachtlichen Wurzelkörper mit<br />
Bild 4: Weidenspreitlage beim Bau und Austrieb<br />
nach vier Jahren<br />
Bild 5: Isolierter Wurzelverbund aus Eschen eines 20-jährigen<br />
Bautechnik und Naturgefahren 3
R. Stangl/W. Zenz/P. Weinbacher · <strong>Wurzelsysteme</strong> <strong>ingenieurbiologischer</strong> <strong>Bauweisen</strong><br />
Bild 6: Isolierter Wurzelverbund aus Grauerlen einer zwölfjährigen<br />
Holzkrainerwand<br />
über 4 m Durchmesser und Trockengewichten bis zu 9 kg<br />
pro Individuum. Die wenigen sprossbürtigen Wurzeln<br />
zeigten bereits die arttypische Form eines kegelförmigen<br />
Umhanges, bildeten ein dichtes Geflecht aus sprossbürtigen<br />
Wurzeln um das Stammzentrum und reichten bis etwa<br />
einen dreiviertel Meter in die Tiefe. Die mehr als doppelt<br />
so hohe Gesamtbiomasse der einzelnen Kollektivpartner<br />
im Vergleich zu den Einzelindividuen bestätigt Angaben<br />
von Polomski und Kuhn (1998), wonach der gesamte<br />
Verbund durch die gemeinsame Nährstoffnutzung <strong>für</strong> die<br />
Biomasseentwicklung profitiert.<br />
Bewurzelte Sprosseinlagen von Eschen eines 20-jährigen<br />
Hangrostes entwickelten auf frisch-feuchtem Lehmuntergrund<br />
ein beeindruckendes Wurzelkollektiv (Bild 5).<br />
Im Gegensatz zu den Erlen wird dieser Verbund primär aus<br />
den Adventivwurzeln der ehemaligen Einlagen aufgebaut,<br />
während die sprossbürtigen Wurzeln in ihrem Wachstum<br />
den Adventivwurzeln deutlich nachgeordnet sind. Die Adventivwurzeln<br />
hatten <strong>für</strong> Eschen typische Merkmale nach<br />
Kutschera und Lichtenegger (2002) ausgebildet und sind<br />
charakterisiert durch große Seitenerstreckung, gute Unterscheidbarkeit<br />
horizontaler und vertikaler Wurzeln, ausgeprägter<br />
Feinverzweigung und gewellter Form. Die aus dem<br />
eingelegten Spross gebildeten Wurzeln setzen die Richtung<br />
der horizontalen Einlagen fort und erhöhen bei einer Längenausdehnung<br />
bis über 200 cm die Dübelwirkung in den<br />
Hang. Die Abnahme der Durchmesser am Wurzelende wird<br />
durch zunehmenden Feinwurzelbesatz ausgeglichen.<br />
Die gemeinsame Nährstoffnutzung wirkte sich ebenfalls<br />
positiv auf die Verbundpartner des Kollektivs aus vier<br />
Grauerlen und zwei Reifweiden einer 20-jährigen Heckenbuschlage<br />
zu (Bild 6 und 7). Die oberirdischen Biomassen<br />
beider Arten sind z.T. um ein Vielfaches höher ist als das<br />
von Einzelindividuen. Das Wurzelkollektiv hatte einen<br />
Durchmesser von beachtlichen 8 m und eine seitliche Ausdehnung<br />
von 4,5 m. Polomski und Kuhn (1998) meinen,<br />
dass interspezifische Wurzelver wachsungen zwischen verschiedenen<br />
Arten nur sehr selten vorkommen und sich auf<br />
nah verwandte Arten beschränken. Verwachsungen kommen<br />
dann zustande, wenn Wurzeln übereinander zu liegen<br />
kommen oder zusammengedrückt werden. Die unmittelbare<br />
Nähe der Einlagen bei lagenbauartigen <strong>Bauweisen</strong><br />
zueinander verursacht naturgemäß Platzmangel. Häufig<br />
Bild 7: Isolierter Wurzelverbund aus Grauerlen und Reifweiden<br />
einer 20-jährigen Heckenbuschlage<br />
reagieren die Wurzeln mit Richtungsänderungen auf Hindernisse,<br />
wie sie bei den Holzkrainerwänden beobachtet<br />
wurden. Verwachsungen im Zuge des Dickenwachstums<br />
stellen eine konstruktive Verbindung dar, der sehr hohe Bedeutung<br />
im Sinne von sowohl tief- als auch weitreichender<br />
Bodenstabilisierung zukommt.<br />
Räumliche Wurzelverteilung von Asteinlagen<br />
aus Heckenbuschlagen<br />
Die ehemaligen Asteinlagen einer Grauerle und einer<br />
Reifweide dominieren typischerweise die Wurzelarchitektur<br />
und die unterirdische Biomasse. Die räumliche Verteilung<br />
der neu gebildeten Wurzeln ist sehr inhomogen.<br />
Aufgrund von Sprosswurzelbildung konzentriert sich die<br />
Hauptwurzelmasse sowohl bei der Grauerle als auch bei<br />
der Reifweide in der Nähe der Stammachse. Zwei Drittel<br />
der Grobwurzeln befinden sich in der oberen Setkorenebene,<br />
während die Sektoren der unteren Ebenen primär<br />
von den Feinwurzeln besetzt sind (Bild 8).<br />
Bild 8: Räumliche Sektorenanalyse der Biomasseverteilung<br />
der neu gebildeten Wurzeln von Alnus incana (14<br />
J., bewurzeltes Gehölz) und Salix daphnoides (14 J.,<br />
4<br />
Bautechnik und Naturgefahren
R. Stangl/W. Zenz/P. Weinbacher · <strong>Wurzelsysteme</strong> <strong>ingenieurbiologischer</strong> <strong>Bauweisen</strong><br />
<strong>Wurzelsysteme</strong> von Weidenspreitlagen (WSL)<br />
Die Wurzelkörper einer 14-jährigen Weidenspreitlage aus<br />
Lavendel- und Purpurweide tragen bedeutend zur Stabilisierung<br />
der Böschung bei. Die Asteinlagen sind im Oberboden<br />
gut verwachsen und fungieren als eigenständige<br />
Wurzelkörper, die als Stabilisierungselemente parallel zur<br />
Böschungsober fläche liegen. Sie weisen nach dem Einbau<br />
ein beträcht liches Dickenwachs tum auf und produzieren<br />
damit etwa 80 % der unterirdischen Biomasse (Bild 9 und<br />
10). Die Gesamtbiomasseproduktion der Lavendelweide<br />
ist etwa dreimal so hoch wie jene der Purpurweiden.<br />
Sie leisten in der Spreitlage den größten Beitrag zur<br />
Stabilisierung der Böschung. Die Grob- und Starkwurzeln<br />
der Purpurweiden zeigten eine effiziente Tiefener streckung<br />
mit beachtlicher Reichweite. Armdicke Vertikalwurzeln der<br />
Lavendelweiden stellen eine massive Tiefenver ankerung dar.<br />
Der Grobskelettgehalt des Schüttkörpers verhindert jedoch<br />
die Ausbreitung der Feinwurzeln in die Tiefe.<br />
5 Diskussion und Ausblick<br />
Bild 9: Wurzelbildung aus Asteinlagen einer Weidenspreit-<br />
27%<br />
Gesamtbiomasse [%] - 03 Passer<br />
6%<br />
oberirdisch Asteinlagen Wurzeln<br />
Bild 10: Biomasseverteilung einer 14-jährigen Weidenspreit-<br />
<strong>Wurzelsysteme</strong> von Weidenspreitlagen (WSL)<br />
Die Wurzelkörper einer 14-jährigen Weidenspreitlage aus<br />
Lavendel- und Purpurweide tragen bedeutend zur Stabilisierung<br />
der Böschung bei. Die Asteinlagen sind im Oberboden<br />
gut verwachsen und fungieren als eigenständige<br />
Wurzelkörper, die als Stabilisierungselemente parallel zur<br />
Böschungsober fläche liegen. Sie weisen nach dem Einbau<br />
ein beträcht liches Dickenwachs tum auf und produzieren<br />
damit etwa 80 % der unter irdischen Biomasse (Bild 9 und<br />
10). Die Gesamtbiomasse produktion der Lavendelweide<br />
ist etwa dreimal so hoch wie jene der Purpurweiden. Sie<br />
leisten in der Spreitlage den größten Beitrag zur Stabilisierung<br />
der Böschung. Die Grob- und Starkwurzeln der Pur-<br />
67%<br />
• Gehölzeinlagen, wie sie bei Heckenbuschlagen, Hangrosten<br />
und Holzkrainerwänden verwendet werden,<br />
bieten vor allem in steilem Gelände eine hervorragende<br />
mechanische Armierung.<br />
• Die eingelegten Gehölzsprosse, deren Durchmesser<br />
im Lauf der Jahre durch Dickenwachstum zunehmen,<br />
übernehmen die Rolle einer Hauptwurzel mit zentraler<br />
Funktion.<br />
• Durch ihre horizontale Position wird eine sehr gute Tiefenbewehrung<br />
bis etwa 2 m quer in den Hang hinein<br />
erreicht, die das artspezifische Wurzelnetz zusätzlich in<br />
ihrer stabili sierenden Wirkung unterstützt.<br />
• Durch Wurzelverwachsungen bilden sich beeindruckende<br />
Wurzelkollektive, die einen wesentlichen Beitrag<br />
zur Erhöhung der unter irdischen Biomasse leisten.<br />
• Die Asteinlagen von Weidenspreitlagen fungieren als<br />
eigenständige Wurzelkörper mit beacht lichem Dickenwachstum<br />
und tiefreichender Vertikalverankerung.<br />
Im Sinne der Baustatik ist speziell der Lagenbau ein stabilisierendes<br />
Bauwerk, die Sicherheit gegen Kippen und<br />
Gleiten kann berechnet werden. Florineth (2004) erwähnt<br />
außerdem die Trag fähigkeit durch die Druck- und Zugfestigkeit<br />
des Stammes, die Verbundfestigkeit zwischen<br />
Pflanze und Boden und die Wirkung der Pflanzen als<br />
Zuganker oder Dübel, wobei die zum Herausziehen benötigte<br />
Kraft ausschlaggebend ist. Von Schuppener (1994,<br />
2003) wurden ausführliche statische Berechnungen über<br />
die Wirkung der eingelegten Weidenäste veröffentlicht.<br />
Er prägte den Begriff „Lebend bewehrte Erde“.<br />
Für Weidenspreitlagen fasst Gerstgraser (2000) Angaben<br />
über maximale Belastbarkeiten inklusive Fußsicherung<br />
bis 480 N/m² berechnet als Schleppspannung<br />
zusammen. Er weist auf die mantelartige Schutzwirkung<br />
der jungen Sprosse, die sich bei Überströmung dachziegel<br />
artig übereinander legen, ebenso wie auf jene der<br />
Asteinlagen hin.<br />
Derzeit herrscht großer Bedarf in der Erforschung<br />
der zugrunde liegenden Mechanismen des zunehmenden<br />
Dickenwachstums der Asteinlagen und ihrer Wurzelneubildungen<br />
sowie der der damit verbundenen Erhöhung der<br />
statischen Wirksamkeit.<br />
Bautechnik und Naturgefahren 5
R. Stangl/W. Zenz/P. Weinbacher · <strong>Wurzelsysteme</strong> <strong>ingenieurbiologischer</strong> <strong>Bauweisen</strong><br />
Dank<br />
Sonderbetrieb <strong>für</strong> Bodenschutz, Wildbach- und Lawinenverbauung,<br />
Autonome Provinz Bozen, Südtirol<br />
Literatur<br />
Florineth, F. (2004): Pflanzen statt Beton. Handbuch zur Ingenieurbiologie<br />
und Vegetationstechnik. Berlin/Hannover (D):<br />
Patzer Verlag.<br />
Gerstgraser, C. (2000): Ingenieurbiologische <strong>Bauweisen</strong> an<br />
Fliessgewässern. Grundlagen zu Bau, Belastbarkeiten und<br />
Wirkungsweisen. Dissertation der Universität <strong>für</strong> Bodenkultur.<br />
Wien (A): Österreichischer Kunst- und Kulturverlag.<br />
Kutschera, L. & Lichtenegger, E. (2002): Wurzelatlas mitteleuropäischer<br />
Waldbäume und Sträucher. Graz (A): Stocker.<br />
Polomsky, J. & Kuhn, N. (1998): <strong>Wurzelsysteme</strong>. Birmensdorf,<br />
Eidgenössische Forschungs anstalt <strong>für</strong> Wald, Schnee und<br />
Landschaft. Bern, Stuttgart, Wien (D/A): Verlag Haupt.<br />
Schubert, R. & Wagner, G. (1993): Botanisches Wörterbuch.<br />
Pflanzennamen und botanische Fachwörter. 11. Aufl.; Stuttgart<br />
(D): Eugen Ulmer Verlag.<br />
Schuppener, B. (1994): Die statische Berechnung der Bauweise<br />
„Lebend Bewehrte Erde“. Geo technik, 18, 204–213.<br />
Schuppener, B. (2003): Geotechnische Bemessung von Böschungssicherungen<br />
mit Pflanzen. 4. Österreichische Geotechniktagung,<br />
Tagungsbeiträge. Hrsg. Österr. Ingenieur- und<br />
Architekten verein, 55–69.<br />
6<br />
Bautechnik und Naturgefahren