18.11.2013 Aufrufe

Download - AWMF

Download - AWMF

Download - AWMF

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie<br />

eingesetzten Präparaten einen Behandlungserfolg zu erzielen.<br />

Symptomatische Therapie<br />

Die Behandlung mit Cholinesterase-Inhibitoren (ChEI; ​Pyridostigmin, Neostigmin, Ambenonium) stellt die wichtigste<br />

symptomatische Basistherapiemaßnahme dar. Die Wirksamkeit dieser Substanzen ist durch elektrophysiologische<br />

Untersuchungen belegt, ihr breiter Einsatz in der Therapie der MG gründet sich jedoch im Wesentlichen auf<br />

unkontrollierte Beobachtungsstudien, Fallberichte/-serien und die tägliche klinische Erfahrung (Skeie et al. 2010,<br />

Mehndiratta et al. 2011), weswegen sich aus ethischen Gründen placebokontrollierte RCTs verbieten. So findet sich in<br />

der aktuellen Cochrane-Analyse zum Einsatz von ChEI nur eine randomisierte kontrollierte Studie aus dem Jahr 1996,<br />

in der die Wirksamkeit von Neostigmin bei 10 Patienten mit generalisierter MG gegen Placebo in einem methodisch<br />

nicht vollständig transparenten Cross-over-Design gezeigt wurde (Badrising et al. 1996 als Abstract publiziert,<br />

Mehndiratta et al. 2011).<br />

Patienten mit MAMG haben in unkontrollierten Fallserien schlechter auf ChEI angesprochen als Patienten mit AChR-<br />

AK-positiver MG. In diesen Fällen waren meist höhere Dosen erforderlich, was aufgrund der bei MAMG-Patienten<br />

bestehenden ACh-Hypersensitivität mit der Gefahr vermehrter systemischer unerwünschter Arzneimittelwirkungen<br />

(UAW) einhergehen kann und zu besonderer ärztlicher Aufmerksamkeit führen muss (Punga et al. 2006, Evoli et al.<br />

2008). Bei manchen dieser Patienten ist Ambenonium-Chlorid als ChEI wirksam und eine sinnvolle Alternative.<br />

Die enterale Resorption von ChEI ist gering und individuell sehr variabel. Zu den empirischen Äquivalenzdosen bei<br />

oraler und parenteraler Applikation sei auf ▶ Tab. 68.8 verwiesen.<br />

Pyridostigmin-Bromid* ist heute das Medikament der Wahl für die orale Langzeitbehandlung. Cholinerge<br />

Überdosierungserscheinungen sind bei Dosierungen unter 300 mg/d in der Regel nicht zu erwarten. Die in diesem<br />

Dosisbereich auftretenden UAW sollen nicht mit dem Terminus der „cholinergen“ Krise belegt werden. Unter i.v. Gabe<br />

kann es dagegen rasch zu starker Bronchialsekretion, Bronchospasmus und dem Bild einer cholinergen Intoxikation<br />

(früher „cholinerge“ Krise) kommen (verstärkte myasthene Muskelschwäche mit cholinergen Intoxikationszeichen:<br />

abdominelle Krämpfe, Harndrang, Hypersalivation, Schwitzen, AV-Block, Miosis). Die parenterale Behandlung<br />

(kurzzeitig können maximal 24 mg/d i.v. gegeben werden) erfordert immer eine besondere Überwachung auf einer<br />

Intensivstation. Die häufigsten systemischen UAW bei oraler Gabe sind gastrointestinale Beschwerden (in bis zu 30 %<br />

Diarrhö, Krämpfe), Hypersalivation (6 %), Schwitzen (4 %), Bradykardien, Verschwommensehen und vereinzelt<br />

Albträume (Skeie et al. 2010, Mehndiratta et al. 2011). Zur Äquivalenzdosierung bei oraler oder intravenöser Gabe<br />

siehe ▶ Tab. 68.8.<br />

Ambenonium-Chlorid ist ein wenig verbreitetes, preiswertes Medikament, das bei Bedarf über den Arzneimittel​import<br />

bezogen werden muss. Ambenonium hat weniger muskarinerge, aber häufiger zentralnervöse Nebenwirkungen als<br />

Pyridostigmin. Bei seltener Bromunverträglichkeit ist Ambenonium eine Alternative zu Pyridostigmin.<br />

Edrophonium-Chlorid (früher als Tensilon im Handel) wird wegen seiner kurzen Wirkungszeit nur zu diagnostischen<br />

Zwecken eingesetzt. Auch bei der klinischen Frage, ob und in welchem Ausmaß eine cholinerge Intoxikation<br />

entscheidend zur myasthenen Krise beiträgt, kann man unter intensivmedizinischer Beobachtung rasch und<br />

ungefährlich die Information erhalten, ob eine Myasthenie-bedingte Schwäche (kurzfristige Besserung) oder eine<br />

relevante cholinerge Symptomatik (weitere Verschlechterung) vorliegt. Aus unserer Erfahrung liegt weitaus häufiger<br />

eine myasthene Krise vor, die auf symptomatische Therapie eben nicht mehr ausreichend anspricht.<br />

Neostigmin war die erste Substanz, die klinisch eingesetzt wurde (Walker 1935) und auch parenteral bei<br />

Schluckstörungen gegeben werden konnte. Tabletten sind bei uns leider nicht mehr im Handel (verfügbar in USA und<br />

Kanada).<br />

In einer kleinen placebokontrollierten, randomisierten Pilotstudie zeigte der β 2 -Agonist Terbutalin einen positiven<br />

Effekt auf die Muskelkraft bei 5 von 8 behandelten MG-Patienten (Soliven et al. 2009). Es bleibt abzuwarten, ob der<br />

Effekt in einer größeren Studie ebenfalls nachzuweisen ist.<br />

Außer einer negativen placebokontrollierten Studie für den Einsatz von 3,4-Diaminopyridin bei Kindern und<br />

Jugendlichen (Anlar et al. 1996) existieren keine Daten zur Wirksamkeit bei autoimmuner MG. Der Einsatz wird bei der<br />

autoimmunen MG aktuell nicht empfohlen.<br />

Immuntherapie<br />

Der Nutzen einer Immunsuppression bei einer generalisierten Myasthenie ist allgemein akzeptiert, allerdings formal<br />

nur für wenige der verwendeten Immunsuppressiva durch größere randomisierte Studien mit Klasse-1-Evidenz<br />

belegbar. Patienten mit einer zunächst rein okulären Myasthenie entwickeln unter Immunsuppression seltener eine<br />

Progression zu einer generalisierten Myasthenie (Sommer et al. 1997, Kupersmith 2009). Studiengestützte<br />

Erfahrungen und prognostische Parameter zur Beendigung einer Immunsuppression existieren nur spärlich (Hohlfeld<br />

et al. 1985). Nach einer mehrjährigen stabilen Remission kann ein protrahierter Auslassversuch unternommen<br />

werden. Das abrupte Absetzen der Immunsuppression in einem unzureichend stabilisierten Zustand sollte vermieden<br />

14

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!