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Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie<br />
▶ Abb. 68.1).<br />
Mycophenolatmofetil<br />
Mycophenolatmofetil (MMF) ist ein Antimetabolit und hemmt mit einer klinischen Wirklatenz von 2–4 Monaten über die<br />
Inosin-Monophosphat-Dehydrogenase (IMPDH) die De-novo-Purinsynthese, die in Lymphozyten im Gegensatz zu<br />
anderen Zellen speziell von diesem Enzym abhängt. MMF hat gegenüber Azathioprin pharmakologische Vorteile: Es<br />
besteht keine Interaktion mit Allopurinol, der Metabolismus ist unabhängig von der TMPT und MMF hat eine geringere<br />
Hepatotoxizität. Wichtigste Nebenwirkungen sind eine chronische Diarrhö, hämolytische Anämie und Ödeme. MMF ist<br />
eine Option beim Versagen von Azathioprin und wird in der Transplantationsmedizin zunehmend gegenüber<br />
Azathioprin bevorzugt. Unter 50 mit MMF behandelten Schwangeren, die im „European Network of Teratology<br />
Information Service“ systematisch dokumentiert wurden, wurde eine Missbildungsrate von 21 % und eine Spontan-<br />
Abort-Häufigkeit von 35 % registriert (Hoeltzenbein et al. 2012). MMF sollte daher bei geplanter Schwangerschaft<br />
rechtzeitig (mindestens 4 Monate) vor Beginn der Schwangerschaft abgesetzt werden. Bei nicht geplanten<br />
Schwangerschaften muss MMF sofort abgesetzt und eine sonografische Feinuntersuchung mit geburtshilflicher<br />
Beratung veranlasst werden. Mit erhöhter Aufmerksamkeit wurden bei stark immunsupprimierten Patienten,<br />
insbesondere wenn sie unter einem SLE litten, einzelne Fälle einer PML beobachtet. Auch ein Fall eines primären<br />
ZNS-Lymphoms bei einem MG-Patienten unter Therapie mit MMF wurde berichtet (Vernino et al. 2005).<br />
Therapierefraktäre MG-Patienten zeigten in mehreren Kohortenstudien (u. a. Ciafaloni et al. 2001, Hanisch et al. 2009,<br />
Hehir et al. 2010) eine klinische Besserung mit steroidsparendem Effekt. Die Dosierung beträgt 1500–2000 mg/d und<br />
kann nach Spiegelbestimmung angepasst werden. In 2 der Phase-III-Studien konnte weder ein Vorteil von MMF<br />
gegenüber einer Monotherapie mit Prednison als Initialtherapie (Muscle Study Group 2008) noch ein steroidsparender<br />
Effekt über einen Zeitraum von 9 Monaten (Sanders et al. 2008) gesehen werden. Allerdings dauerte keine Studie<br />
länger als 36 Wochen (siehe Wirklatenz von MMF!), die Endpunkte waren sehr streng gewählt und das<br />
Therapieansprechen auf GKS war unerwartet gut, sodass die Studie für eine (Nicht-)Überlegenheitsstudie unterpowert<br />
war. Die Gruppe des Erstautors beider Studien hat kürzlich in einer unkontrollierten Kohortenstudie zeigen können,<br />
dass sich ein günstiger Effekt von MMF sowohl in der Monotherapie als auch in Kombination mit Prednison erst nach<br />
sechsmonatiger Behandlung detektieren lässt (Hehir et al. 2010). Unklar ist daher weiterhin, ob sich die<br />
Beobachtungen der offenen Therapiestudien bei einer längeren Behandlungszeit mit einer größeren Fallzahl<br />
bestätigen lassen.<br />
Aus unserer Alltagserfahrung ist mit einer zunehmenden Zahl an Regressforderungen durch den MdK zu rechnen.<br />
Dies dürfte auch durch die mehr als dreimal so hohen Jahrestherapiekosten der MMF-Behandlung im Vergleich zu<br />
Azathioprin begründet sein und ist durch die unbefriedigende Datenlage von MMF nur schwer abzuwehren. Wir raten in<br />
jedem Fall zum Vorab-Einholen einer Kostenübernahmeerklärung.<br />
Cyclophosphamid<br />
Cyclophosphamid ist eine alkylierende Substanz und ein Zytostatikum, das bei einer sehr schwer (MGFA IV–V) und<br />
schwer (MGFA III–IV) verlaufenden Myasthenie nach Versagen der Standardtherapie eingesetzt werden kann. Darüber<br />
hinaus kann Cyclophosphamid auf dem Boden kleinerer unkontrollierter Fallserien (Lin et al. 2006, Drachman et al.<br />
2008) auch bei Patienten mit andauernder Indikation für eine intermittierende Immunadsorption oder Plasmapherese<br />
im Rahmen individueller Heilversuche in Erwägung gezogen werden. Für die schwere und sehr schwere MG soll<br />
Cyclophosphamid eingesetzt werden, da positive Erfahrungen und Studien mit verschiedenen Therapieschemata<br />
vorliegen:<br />
orale Therapie: initial 2 mg/kg KG (Perez et al. 1981, Niakan et al. 1986).<br />
Cyclophosphamid-Pulstherapie: 500 mg/m2 alle 4 Wochen bis zur Stabilisierung; Begleitmedikation: Uromitexan,<br />
Cholinesterase-Inhibitoren, Steroide (De Feo et al. 2002: prospektive randomisierte, doppelblinde Studie); analog<br />
zu anderen schwer verlaufenden Autoimmunerkrankungen: 750 mg/m2 alle 3–4 Wochen.<br />
myeloablative Therapie: 50 mg/kg KG an 4 Tagen, ggf. mit nachfolgender Gabe von G-CSF (Drachman et al.<br />
2003, Gladstone et al. 2004, Lin et al. 2006; kleine Fallstudien, Klasse-3-Evidenz). Nur bei Therapieresistenz auch<br />
im Rahmen einer kombinierten Mehrfachtherapie.<br />
Dokumentiert werden sollten die kumulative Dosis und Dauer der Therapie wegen des steigenden Risikos von<br />
Fertilitätsstörungen beider Geschlechter nach dem 30. Lebensjahr und Spätfolgen inklusive Malignomen (ca. 1 %,<br />
Häufigkeit mit der Therapiedauer und Dosis ansteigend). Bei gegebener Indikation können in begründeten<br />
Einzelfällen analog der Therapie der Wegener-Granulomatose hohe kumulative Dosisbereiche um 50–70 g erreicht<br />
werden. Die Spätkomplikationen der Therapie mit Cyclophosphamid sind teilweise gravierend: Malignome,<br />
Lungenfibrose, Myokardschäden, Dermatofibrome. Die Indikation muss daher streng und zurückhaltend gestellt<br />
werden und sollte in der Regel durch ein erfahrenes Zentrum erfolgen.<br />
Methotrexat<br />
Systematische Untersuchungen für Methotrexat (MTX) bei der Myasthenie liegen nicht vor. Die langjährigen<br />
Erfahrungen stammen aus der Therapie des SLE (Miescher 1970, Miescher et al. 1971, Miescher 1977). Es kann als<br />
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