1 Salzburg, 10. April 2012 Elemente der Wissenschaftstheorie Skript ...
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Fachbereich Erziehungswissenschaft<br />
O. Univ.-Prof. Dr. Jean-Luc Patry<br />
Erzabt-Klotz-Str. 1<br />
A-5020 <strong>Salzburg</strong> – Austria, Europe<br />
Tel.: +43 / (0) 662 / 044-4225<br />
Fax.: +43 / (0) 662 / 8044-141<br />
jean-luc.patry@sbg.ac.at<br />
www.sbg.ac.at/erz/people/patry<br />
<strong>Salzburg</strong>, <strong>10.</strong> <strong>April</strong> <strong>2012</strong><br />
<strong>Elemente</strong> <strong>der</strong> <strong>Wissenschaftstheorie</strong><br />
<strong>Skript</strong> zur Morgenvorlesung an <strong>der</strong> Early Spring School<br />
für die ARGE Bildungsforschung <strong>der</strong> Pädagogischen Hochschulen<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
1. Einleitung ........................................................................................................................... 2<br />
2. Theorien ............................................................................................................................. 4<br />
3. Zwei wissenschaftstheoretische Strömungen ................................................................. 7<br />
3.1. Empirisch-analytische Wissenschaften ....................................................................... 7<br />
3.2. Konstruktivistische <strong>Wissenschaftstheorie</strong> ................................................................... 8<br />
4. Theorie und Praxis ............................................................................................................ 9<br />
5. Normen: Thesen zur Sein-Sollens-Problematik ........................................................... 17<br />
6. Schluss .............................................................................................................................. 19<br />
Literatur .................................................................................................................................. 20<br />
1
1. Einleitung<br />
Imanuel Kant hat in seiner Philosophie vier Fragen gestellt:<br />
Was kann ich wissen?<br />
Was soll ich tun?<br />
Was darf ich hoffen? und<br />
Was ist <strong>der</strong> Mensch?<br />
Die <strong>Wissenschaftstheorie</strong> befasst sich mit <strong>der</strong> ersten <strong>der</strong> genannten Fragen. Sie „umfasst Untersuchungen<br />
zur Begriffsbildung, zu den Theoriestrukturen, zur Methode, zu den geschichtlichen<br />
Entwicklungsmustern und zu den philosophischen Konsequenzen insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> empirischen<br />
Wissenschaften insgesamt bzw. einzelner Disziplinen o<strong>der</strong> Theorien. Ziel ist dabei<br />
in <strong>der</strong> Regel die Klärung o<strong>der</strong> systematische Rekonstruktion wissenschaftlicher Theoriebildung<br />
unter den genannten Aspekten.“ (Carrier, 1996, S. 738) Dabei wird einerseits die Theoriebildung,<br />
wie sie von verschiedenen Forscherinnen und Forschern praktiziert wurden, beschrieben,<br />
an<strong>der</strong>erseits werden verschiedene Verfahren und Ansätze kritisiert bzw. Möglichkeiten<br />
empfohlen (Vorschriften über angemessenes Vorgehen in <strong>der</strong> Wissenschaft).<br />
Damit wird auch schon angedeutet, worum es in <strong>der</strong> Wissenschaft geht: Um die Theoriebildung.<br />
Dabei muss unterschieden zwischen <strong>der</strong> Wissenschaft als Tätigkeit und <strong>der</strong> Wissenschaft<br />
als System von Sätzen.<br />
Wissenschaft als Tätigkeit ist das Tun von Wissenschaftlern im Hinblick auf das Gewinnen<br />
von Theorien.<br />
Die Systeme von Sätzen werden Theorien genannt. Dabei kann man wissenschaftliche und<br />
nichtwissenschaftliche Theorien unterscheiden (vgl. dazu unten).<br />
In den Wissenschaften kann man verschiedene Ebenen unterscheiden: Metatheorie, Objekttheorie<br />
und Objekt (vgl. Abb. 1).<br />
Aussagen über Theorien<br />
deskriptiv<br />
präskriptiv o<strong>der</strong> wertend<br />
Metatheorie<br />
Wie sind Theorien?<br />
Wie sollen Theorien sein?<br />
Sind Theorien gut?<br />
Aussagen über Objekte<br />
deskriptiv<br />
präskriptiv o<strong>der</strong> wertend<br />
Objekttheorie<br />
Wie ist das Objekt?<br />
Wie soll das Objekt sein?<br />
Ist das Objekt gut?<br />
Objekt<br />
Erziehung und damit zusammenhängende Phänomene<br />
Abbildung 1: Beziehungen zwischen Metatheorie, Objekttheorie und „Objekt“ (nach einem<br />
Schema von König, 1975, S. 31)<br />
2
Zu unterscheiden sind:<br />
das Objekt, das es wissenschaftlich zu untersuchen gilt: z.B. die Pflege, d.h. die Praxis des<br />
Umganges mit Patientinnen und Patienten und die damit zusammenhängenden <strong>Elemente</strong> im<br />
weitesten Sinn,<br />
die Aussagen zu diesem Objekt, d.h. die Objekttheorie (Sprache über das Objekt) und<br />
die Aussagen zu den Theorien, d.h. die Metatheorien (Sprache über Sprache).<br />
„'Objektsprache' wird diejenige Sprache genannt, in <strong>der</strong> wir über nichtsprachliche Gegenstände<br />
reden (hierzu gehört z.B. <strong>der</strong> Satz 'Wien ist eine Stadt'); zur Metasprache dagegen zählen<br />
alle Sätze über sprachliche Gegenstände, nämlich Wörter und Sätze einer bestimmten Objektsprache<br />
(ein Beispiel hierfür wäre: 'Das Wort 'Wien' ist einsilbig')“ (König, 1975, S. 26). Die<br />
Objekttheorie bedient sich <strong>der</strong> Objektsprache, die Metatheorie <strong>der</strong> Metasprache. In <strong>der</strong> Objektsprache<br />
kann auch über sprachliche Objekte gesprochen werden, etwa über das, was Pflegerinnen<br />
und Pfleger o<strong>der</strong> Patienten sagen o<strong>der</strong> tun – über jeden Gegenstand, nur nicht über<br />
Objektsprache.<br />
Eine zweite Unterscheidung wird in Abbildung 1 deutlich: die Unterscheidung zwischen „deskriptiv“,<br />
„präskriptiv“ und „wertend“. Man muss verschiedene Arten von Aussagen unterscheiden<br />
(zitiert aus Zecha, 1984):<br />
„Aussagen (Behauptungssätze, deskriptive Sätze): Mit 'Aussage' kann ein schriftsprachlicher<br />
Ausdruck einer Behauptung o<strong>der</strong> auch <strong>der</strong> Inhalt dieser Behauptung gemeint sein“ (S.<br />
6). Ein deskriptiver Satz kann wahr o<strong>der</strong> falsch sein. Man kann – zumindest prinzipiell –<br />
durch Beobachtung o<strong>der</strong> allgemein durch empirische Methoden prüfen, ob <strong>der</strong> Satz wahr<br />
o<strong>der</strong> falsch ist.<br />
„Prinzipiell“ deshalb, weil die meisten deskriptiven Sätze nicht vollständig geprüft<br />
werden können. Der Satz „höhere Intelligenz führt zu höherer Schulleistung“ ist eindeutig<br />
deskriptiv. Er kann aber in dieser Form nicht durch Beobachtung geprüft werden,<br />
weil we<strong>der</strong> „Intelligenz“ noch „Schulleistung“ in dieser allgemeinen Form beobachtet<br />
werden können noch alle Menschen, auf die sich dieser Satz bezieht (o<strong>der</strong> beziehen<br />
kann o<strong>der</strong> beziehen wird), erfasst werden können. Geprüft (beobachtet) werden<br />
kann eine Stichprobe (eine untersuchte Gruppe von Menschen), bei denen ein Intelligenztest<br />
gemacht wurde (ein bestimmter Aspekt von Intelligenz, aber nicht „die ganze<br />
Intelligenz“) und bei denen Erhebungen <strong>der</strong> schulischen Leistung (z.B. Noten – das ist<br />
nur ein Teilaspekt von Schulleistung!) durchgeführt wurden.<br />
„Wertaussagen o<strong>der</strong> Werturteile sind Aussagen, die eine Wertung (aber keinen Wert) ausdrücken.<br />
(...) Wertaussagen unterscheiden sich von Aussagen dadurch, dass sie mindestens<br />
ein Wertprädikat wesentlich enthalten. (...) Das Wertprädikat, z.B. gut, wertvoll, tüchtig,<br />
brav, folgsam, tugendhaft, schlimm, tadelnswert, böse, boshaft, faul usw., bezeichnet einen<br />
Wertbegriff, <strong>der</strong> sich (...) durch zwei Komponenten charakterisieren lässt: einerseits durch<br />
einen sachlichen o<strong>der</strong> empirischen (d.h.: unserer inneren o<strong>der</strong> äußeren Erfahrung zugänglichen)<br />
Gehalt, mit dem sich Merkmale, Eigenschaften o<strong>der</strong> Beziehungen überprüfbar angeben<br />
lassen; an<strong>der</strong>erseits durch eine auszeichnende o<strong>der</strong> qualifizierende Komponente, die<br />
dem Wertbegriff seinen eigentlichen Wertsinn verleiht. Letzten Endes bezieht sich diese<br />
auszeichnende Komponente immer auf eine bestimmte Idee, auf ein Prinzip o<strong>der</strong> Kriterium,<br />
3
das uns zur positiven o<strong>der</strong> negativen Auszeichnung von Gegenständen, Eigenschaften o<strong>der</strong><br />
Zuständen veranlaßt.“ (S. 6f.)<br />
„Normen drücken Gebote, Verbote o<strong>der</strong> Erlaubnisse aus. Eine Norm kann sowohl <strong>der</strong><br />
schriftsprachliche Ausdruck als auch <strong>der</strong> Inhalt einer solchen For<strong>der</strong>ung sein. (...) Oft wird<br />
<strong>der</strong> For<strong>der</strong>ungscharakter einer Norm, die mitunter auch die Form einer Aussage haben<br />
kann, aus dem Kontext o<strong>der</strong> durch die Betonung des Sprechers usw. deutlich. In einer symbolisierten<br />
Sprache lässt sich eine Norm durch das Vorkommen eines deontischen Operators<br />
(Verboten, Erlaubt, Geboten) syntaktisch eindeutig kennzeichnen.“ (S. 9f.)<br />
Verbote, Erlaubnisse, Gebote lassen sich ineinan<strong>der</strong> überführen, etwa:<br />
„X ist verboten“ ist identisch mit „nicht-X ist geboten“ o<strong>der</strong> „X ist nicht erlaubt“.<br />
„X ist erlaubt“ ist identisch mit „X ist nicht verboten“ o<strong>der</strong> „nicht-X ist nicht gebo-<br />
<br />
ten“.<br />
„X ist geboten“ ist identisch mit „nicht-X ist verboten“ und „nicht-X ist nicht erlaubt“.<br />
„Eine Norm (...) enthält die Beschreibung irgendeiner Tatsache, eines Zustandes und<br />
drückt diesbezüglich gleichzeitig noch eine Vorschrift aus: eine Erlaubnis, ein Verbot o<strong>der</strong><br />
ein Gebot. Es ist <strong>der</strong> Ausdruck dieser Vorschrift o<strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung, <strong>der</strong> zur strengen Unterscheidung<br />
zwischen Normen und Aussagen (inklusive Wertaussagen) Anlass gibt. Um<br />
diese Unterscheidung deutlich zu machen, zählt man Normen zu den gültig/ungültig-Sätzen,<br />
während Aussagen wahr/ falsch-Sätze sind.“ (S. 9)<br />
Auf die Problematik von Sein und Sollen wird unten in Abschnitt 6 noch einmal eingegangen.<br />
2. Theorien<br />
Unter „Theorie“ wird im Weiteren ein System von Sätzen verstanden, welche die folgenden<br />
Bedingungen erfüllen (vgl. dazu Perrez & Patry, 1982, S. 45ff., unter Bezugnahme auf Weingartner,<br />
1971, S. 63ff.):<br />
1. Implikative Form: In <strong>der</strong> Regel werden die Sätze als Wenn-Dann-Aussagen formuliert<br />
(„Wenn x, dann y“). In manchen Fällen ist dies nicht möglich, dann werden die Sätze als<br />
„je-desto“-Aussage formuliert.<br />
2. Universalität: Im Antezedens (Wenn-Komponente) müssen mindestens auch Variablen<br />
stehen, die keine Konstanten sind, d.h. es muss in irgendeiner Weise eine Allgemeinheit<br />
angesprochen sein. Das bedeutet, dass die Aussagen eine gewisse Allgemeinheit aufweisen,<br />
sie gelten also nicht nur für die untersuchten Situationen, Personen, etc., son<strong>der</strong>n auch<br />
für weitere Situationen, Personen, Zeitpunkte, etc. Dabei gibt es Aussagen, die für viele<br />
Personen gelten, aber auch Aussagen, die nur für eine Person, aber viele Situationen und<br />
Zeitpunkte gelten (so genannte idiographische Aussagen, vgl. Groeben & Westmeyer,<br />
1975, S. 115-119). Der Geltungsbereich ist nicht unbegrenzt: „Every law has a limited<br />
extension or domain of validity – one beyond which it becomes definitively false“<br />
(Bunge, 1967, p. 347). Grundsätzlich wäre es notwendig, jeweils anzugeben, welches <strong>der</strong><br />
beanspruchte Geltungsbereich <strong>der</strong> Aussagen ist (Patry, 1991b).<br />
3. Gehalt: Empirische (zumindest prinzipiell beobachtbare) Aussagen müssen logisch durch<br />
die Aussage ausgeschlossen (o<strong>der</strong> bei probabilistischen Aussagen zumindest als unwahrscheinlich<br />
bezeichnet) werden. Probabilistische Aussagen sind vom Typ „Wenn x, dann,<br />
4
mit <strong>der</strong> Wahrscheinlichkeit p, y“. Eine Aussage, die alle Möglichkeiten offen lässt, ist<br />
nicht prüfbar und deshalb nicht akzeptabel. Der Gehalt ist umso größer, je mehr Aussagen<br />
ausgeschlossen werden. Beispiel für eine Aussage ohne Gehalt: „Wenn <strong>der</strong> Hahn kräht<br />
auf dem Mist, än<strong>der</strong>t sich das Wetter, o<strong>der</strong> es bleibt, wie es ist.“<br />
4. Relative Kritisierbarkeit und Korrigierbarkeit durch neues Wissen: Die Aussagen müssen<br />
kritisierbar sein, wobei die kritisierenden Instanzen Sätze <strong>der</strong> Logik o<strong>der</strong> Erfahrungsaussagen<br />
(Sätze, die als wahr akzeptiert werden) sein können: Es wurde (angemessen) geprüft,<br />
ob die Aussagen richtig sind.<br />
5. Systemzugehörigkeit: Die einzelne Aussage ist Teil einer Gruppe zusammenhängen<strong>der</strong><br />
und auf einan<strong>der</strong> bezogener Aussagen; die Gesamtheit dieser Aussagen wird als Theorie<br />
bezeichnet.<br />
Für die wissenschaftlichen Theorien wird Wahrheit beansprucht (vgl. Punkt 4). In <strong>der</strong> <strong>Wissenschaftstheorie</strong><br />
gibt es große Auseinan<strong>der</strong>setzungen darüber, was unter „Wahrheit“ zu verstehen<br />
ist. Man unterscheidet folgende Wahrheitstheorien, je nach dem verwendeten Wahrheitskriterium:<br />
Korrespondenztheorie: Die Aussage „A“ ist wahr, wenn A wahr ist. (Die Aussage „A“ ist<br />
objektsprachlich, A ist das Objekt.)<br />
Kohärenztheorie: Die Aussage „A“ ist wahr, wenn sich diese Aussage in ein<br />
zusammenhängendes und umfassendes System von Aussagen einbetten lässt.<br />
Konsensustheorie: Die Aussage „A“ ist wahr, wenn je<strong>der</strong> Sachkundige und Gutwillige hätte<br />
zustimmen können.“<br />
Diese Wahrheitstheorien schließen sich nicht gegenseitig aus (und werden auch nicht so verstanden).<br />
Beispielsweise ist es sinnvoll, die Kohärenz- und die Konsensustheorien mit einan<strong>der</strong><br />
zu verknüpfen, d.h. einerseits die Systemintegration zu betonen, an<strong>der</strong>erseits den Konsens<br />
<strong>der</strong> Kundigen.<br />
Man kann dabei verkürzend im Anschluss an Dewey (zit. nach Phillips & Burbules, 2000, S.<br />
31) von „warranted assertibility“ (was ich mit „gerechtfertigte Behauptbarkeit“ übersetzen<br />
möchte) sprechen:<br />
When knowledge is taken as a general abstract term related to inquiry in the abstract, it<br />
means „warranted assertibility.” The use of a term that designates a potentiality rather<br />
than an actuality involves recognition that all special conclusions of special inquiries<br />
are parts of an enterprise that is continually renewed, or is a going concern. (Dewey,<br />
1938, p. 9)<br />
Eine „warranty” (sozusagen eine Garantieerklärung) bedeutet in diesem Zusammenhang die<br />
Unterstützung einer Aussage bzw. von <strong>der</strong>en Glaubwürdigkeit. Jede Aussage, für die <strong>der</strong> Anspruch<br />
erhoben wird, sie sei wissenschaftlich, muss in einer angemessenen Art und Weise<br />
argumentative gestützt werden. Je mehr Argumente zu Gunsten einer Aussage angeführt werden,<br />
und je stärker diese Argumente sind, desto „kreditwürdiger“ ist die Aussage (vgl. auch<br />
Phillips & Burbules, 2000, p. 3), d.h. desto viabler ist die entsprechende Theorie.<br />
5
Wissen beruht immer auf Schlussfolgerungen aus bestimmten Forschungsschritten die nie<br />
abgeschlossen sind, son<strong>der</strong>n immer weitergeführt werden (Dewey, 1938, p. 9). Dabei kann es<br />
keine endgültigen Beweise o<strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>legungen geben, son<strong>der</strong>n es entscheidet in Zweifelsfall<br />
das bessere Argument. Wissenschaftliche Theorien geben immer nur den augenblicklichen<br />
Wissensstand wie<strong>der</strong> und können auf Grund neuer Forschungen und Erkenntnisse geän<strong>der</strong>t<br />
werden.<br />
Bei <strong>der</strong> Prüfung von Theorien muss folgende Hierarchie berücksichtigt werden (Patry, <strong>2012</strong>,<br />
S. 69):<br />
• Angestrebt wird letztlich eine gute Objekttheorie.<br />
• Die beste Objekttheorie ist aber problematisch, wenn die <strong>Wissenschaftstheorie</strong> nicht angemessen<br />
ist.<br />
• Die beste Versuchsplanung kann eine schlechte Objekttheorie nicht retten.<br />
• Die beste Untersuchungsdurchführung kann eine schlechte Versuchsplanung nicht retten.<br />
• Die beste Auswertung kann eine schlechte Versuchsplanung und Durchführung nicht retten.<br />
Theorien haben folgende Funktionen:<br />
Beschreibung (Was ist <strong>der</strong> Fall?)<br />
Erklärung (Warum ist das <strong>der</strong> Fall?)<br />
Prognose (Was wird – angesichts <strong>der</strong> gegebenen Ausgangsbedingungen – <strong>der</strong> Fall sein?)<br />
Anwendung (Was kann ich tun, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen?) (=Wissenschaft im<br />
weiteren Sinn, angewandte Wissenschaft, Technologie etc.)<br />
Die Erklärung funktioniert nach dem Modus Ponens:<br />
1. Wenn P, dann Q<br />
2. P ist <strong>der</strong> Fall<br />
3. Also ist Q <strong>der</strong> Fall<br />
Verwendet wird das so genannte Hempel-Oppenheim-Schema (HO-Schema):<br />
G 1 , G 2 , …, G n Gesetzesartige Aussage „Wenn A, dann E“<br />
Antezedensbedingungen<br />
Explanans<br />
A 1 , A 2 , …, A n<br />
„A<br />
(Randbedingungen) i konkretisiert“<br />
also E Basisaussage E i konkretisiert Explanandum<br />
Gesetzesartige Aussage: Allgemeine Aussage (für diese Aussage wird auch für die gegebene<br />
Situation Geltung beansprucht): Allgemeine Formulierung <strong>der</strong> Wenn-Komponente<br />
(„A“) und <strong>der</strong> Dann-Komponente („E“)<br />
Antezedensbedingungen (Randbedingungen): Beschreibung <strong>der</strong> entscheidenden Merkmale,<br />
insofern sie als Konkretisierung („A i “) <strong>der</strong> Wenn-Komponente („A“) des Gesetzes zu betrachten<br />
ist.<br />
6
Explanandum: Das, was erklärt wird, was zu erklären ist; als Basissatz formuliert: eine<br />
singuläre Aussage (Aussage über ein bestimmtes Ereignis zu einem bestimmten Zeitpunkt<br />
mit bestimmten Personen) – entspricht <strong>der</strong> Konkretisierung („E i “) <strong>der</strong> Dann-Komponente<br />
(„E“).<br />
Daneben gibt es noch den Modus Tollens:<br />
G 1 , G 2 , …, G n Gesetzesartige Aussage „Wenn A, dann E“<br />
Antezedensbedingungen<br />
Explanans<br />
nicht E i<br />
„E<br />
(Randbedingungen) i konkretisiert“<br />
also nicht A 1 Basisaussage A i konkretisiert Explanandum<br />
Es wird also die Wenn-Komponente ausgeschlossen, weil die Dann-Komponente ausgeschlossen<br />
wird.<br />
3. Wissenschaftstheoretische Ansätze<br />
Traditionell werden drei wissenschaftstheoretische Ansätze unterschieden (z.B. Jank &<br />
Meyer, 1991):<br />
die dialektischen, dialektisch-materialistischen und marxistisch-leninistischen Ansätze;<br />
die hermeneutisch orientierten Positionen – wichtigste Einzelposition ist dabei die<br />
Geisteswissenschaftliche Pädagogik;<br />
empirisch-analytische bzw. erfahrungswissenschaftliche Wissenschaftsansätze.<br />
In einer späteren Auflage haben Jank und Meyer (2005) eine vierte wissenschaftstheoretische<br />
Strömung diskutiert:<br />
den konstruktivistischen Ansatz.<br />
Im Weiteren sollen nur die erste (empirisch-analytische) und die letzte (konstruktivistische)<br />
Konzeption kurz diskutiert werden.<br />
3.1. Empirisch-analytische Wissenschaften<br />
Vertreter dieser Position versuchen nach Jank & Meyer, nichts als die „Tatsachen“, also das,<br />
was „wirklich“ gegeben ist, zum Gegenstand <strong>der</strong> Forschung und zum Ausgangspunkt <strong>der</strong><br />
Theorie-Konstituierung zu machen. Sie wollen analysieren, was sie in <strong>der</strong> „Empirie“ vorfinden.<br />
Nur empirisch gehaltvolle Sätze werden zugelassen. Metaphysische Aussagen sind für Vertreter<br />
dieser Position ohne Sinn. Normative Aussagen sind möglich, aber kein Gegenstand <strong>der</strong><br />
Wissenschaft. (Anmerkung: Diese Position wird von Brezinka für die Erziehungswissenschaft<br />
vertreten; in den letzten Jahren wurde diese Position jedoch stark aufgeweicht, vgl. unten,<br />
„Sein und Sollen“.)<br />
7
In <strong>der</strong> Erziehungswissenschaft wird innerhalb <strong>der</strong> empirisch-analytischen Grundrichtung <strong>der</strong><br />
von Karl Raimund Popper entwickelte Kritische Rationalismus am häufigsten vertreten. Popper<br />
geht von folgenden Grundlagen aus:<br />
Beobachtung ist notwendiger Weise theorieabhängig.<br />
Induktion ist wissenschaftlich nicht haltbar.<br />
In seinem Buch „Logik <strong>der</strong> Forschung“ versuchte Popper (1934/1969), diese Probleme zu<br />
überwinden:<br />
Ausgangspunkt: eine Gesetzeshypothese aufzustellen;<br />
daraus werden Hypothese abgeleitet;<br />
diese versucht man dann im konkreten Feld zu wi<strong>der</strong>legen.<br />
Wenn es nicht gelingt, die Hypothese zu wi<strong>der</strong>legen, so gilt sie als vorläufig bewährt.<br />
Wird die Hypothese wi<strong>der</strong>legt, gilt auch die Theorie als wi<strong>der</strong>legt.<br />
Im Vor<strong>der</strong>grund steht also die Falsifikation und nicht die Verifikation einer Theorie.<br />
Der Kritische Rationalismus beruht also auf Deduktion wissenschaftlicher Einzelaussagen aus<br />
allgemeinen Gesetzeshypothesen!<br />
So einleuchtend Poppers Falsifikationstheorie ist so begrenzt ist ihr Wert für die Pädagogik:<br />
Viele behaupten, sich an Popper zu orientieren, aber kaum einer tut‟s – wir alle wollen unsere<br />
Lieblingshypothesen bestätigen, nicht wi<strong>der</strong>legen.<br />
Der Ansatz funktioniert nur, wenn die Gesetzesaussage deterministisch ist („immer, wenn<br />
x, dann y“). In <strong>der</strong> Erziehungswissenschaft haben wir es aber immer mit probabilistischen<br />
Gesetzesaussagen zu tun („wenn x, dann, mit Wahrscheinlichkeit p, y). Wenn für einmal<br />
empirisch y nicht auf x folgt, kann es eben jener Fall sein, <strong>der</strong> nicht mit p beschrieben wird<br />
(also 1-p).<br />
Für die Falsifikation benötigt man eine allgemeingültige Gesetzesaussage – in <strong>der</strong> Erziehungswissenschaft<br />
gibt es dies aber so gut wie nie.<br />
3.2. Konstruktivistische <strong>Wissenschaftstheorie</strong><br />
Der Konstruktivismus geht davon aus, dass alles Wissen eine Konstruktion ist. Statt von<br />
Wahrheit wird deswegen von Viabilität gesprochen:<br />
Briefly stated, concepts, theories, and cognitive structures in general, are viable and survive<br />
as long as they serve us what we want. „Getting what we want,‟ however, means different<br />
things in different realms of experience. In the realm of everyday experience, for instance,<br />
Newton‟s physics serves our purposes well and is perfectly viable. Most of us simply do<br />
not enter the realms of experience where the methods and predictions based on Newton‟s<br />
concepts break down. This is not so for the ideal scientist (e.g., as portrayed by Popper<br />
[…]) who is perennially searching for concepts and theories that „get by” the constraints<br />
encountered in all realms of experience and who is, therefore, more concerned with the<br />
possible „falsification‟ of his concepts and hypotheses than with their practical success as<br />
means to the pursuit of certain limited ends. This leads to the somewhat peculiar situation<br />
hath Newton‟s ideas are quite „true‟ for the man in the street, the mechanic, and the work-<br />
8
ing engineer, whereas they are „false‟ for a relatively small group of specialized scientists.<br />
(Glasersfeld, 1981, p. 91)<br />
Es gab im Konstruktivismus die große Diskussion, ob es eine Wirklichkeit gebe und wenn ja,<br />
wie diese aussehe. In Anlehnung an Putnam (1996) und an<strong>der</strong>en gehe ich von folgenden Vorstellungen<br />
aus:<br />
1. Ob es eine reelle Welt gibt o<strong>der</strong> nicht, und wenn ja, ob es eine o<strong>der</strong> mehrere gibt, sind<br />
irrelevante Fragen weil wir ohnehin keine Chance haben, Aussagen über mögliche Wirklichkeiten<br />
zu testen. Da diese Fragen nicht beantwortet werden können, ist es sinnlos, sie<br />
weiter zu verfolgen.<br />
2. Sowohl im Alltag als auch in <strong>der</strong> Wissenschaft haben wir Theorien (die wir subjektive<br />
Theorien nennen können), welche davon ausgehen, dass es eine reelle Welt gibt und wie<br />
diese aussieht. Es ist dies jeweils eine Konstruktion des Individuums.<br />
3. Der Anspruch ist nicht dass die Theorie die Wirklichkeit angemessen repräsentiert. Vielmehr<br />
ist die Theorie bislang viabel gewesen (im Sinne von Glasersfeld, 1981), und wir<br />
waren in <strong>der</strong> Lage, mit Hilfe dieser Theorien erfolgreich zu handeln. Wären die Theorien<br />
nicht viabel gewesen, hätten wir sie durch eine bessere ersetzt, sonst hätten wir nicht<br />
überlebt. (Anmerkung: Es gibt Menschen mit nicht-viablen Theorien, die mit Hilfe und<br />
Unterstützung an<strong>der</strong>er Menschen überleben können, etwa psychisch kranke Menschen.)<br />
4. Die Theorie, die zu einem bestimmten Zeitpunkt relevant ist, kann immer nur einen Teil<br />
<strong>der</strong> Wirklichkeit thematisieren o<strong>der</strong> aufgreifen, nämlich für denjenigen, <strong>der</strong> zu diesem<br />
Zeitpunkt gerade wichtig ist. Wir haben in <strong>der</strong> Regel nichtsdestoweniger die Theorie dass<br />
es in <strong>der</strong> Wirklichkeit mehr gibt, als wir in dieser Situation wahrnehmen können, und<br />
mehr, als wahrgenommen werden kann.<br />
5. Unterschiedliche Personen haben unterschiedliche Theorien, und es mag auch<br />
kulturspezifische Theorien geben. Dies kann die Quelle von Missverständnissen sein, da<br />
Aussagen über die vermutete Realität unterschiedlich interpretiert werden können.<br />
6. Die Viabilität einer Theorie ist in <strong>der</strong> Regel zeitlich beschränkt. Es ist immer möglich, das<br />
jemand eine bessere Theorie vorschlägt, die für die spezifische Situation viabler ist. Das<br />
bedeutet, dass jede Theorie kritisierbar ist – und Kritik ist die wichtigste Funktion in <strong>der</strong><br />
Wissenschaft. 1 Im Alltag sind Theorien demgegenüber nicht selten kritikresistent (vgl.<br />
etwa „Mehr des Gleichen“ bei Watzlawick, 1996).<br />
4. Theorie und Praxis<br />
Wohl alle Sozialwissenschaftler, die in enger Beziehung zur Praxis stehen, haben die Erfahrung<br />
gemacht, dass ihnen die Praktiker vorwerfen, sie wüssten nichts von <strong>der</strong> Praxis und ihre<br />
Theorien seien nicht anwendbar. Das Auseinan<strong>der</strong>driften von Wissenschaft und Praxis und<br />
seine negativen Auswirkungen werden deutlich am Spruch, <strong>der</strong> in Pädagogenkreisen kursiert.<br />
Er lautet: „Theorie ist, wenn man alles weiß, aber nichts klappt. Praxis ist, wenn alles klappt,<br />
aber keiner weiß, warum.“ (Häfliger, 1987; manchmal wird ergänzt: „An unserer Schule sind<br />
Theorie und Praxis vereint: Nichts klappt, und keiner weiß warum!“, Brezing, 2000, S. 9).<br />
1 Beispielsweise kann <strong>der</strong> Geltungsbereich einer Theorie sich än<strong>der</strong>n, d.h. sie ist für weniger Situationen o<strong>der</strong><br />
Personen etc. viabel als ursprünglich angenommen. Es kann sein, dass sich die Rahmenbedingungen än<strong>der</strong>n,<br />
so dass eine Theorie, die früher viabel war, es nicht mehr ist.<br />
9
Zugespitzt bringt er das Misstrauen vieler praktischer Anwen<strong>der</strong>(innen) gegenüber <strong>der</strong> Wissenschaft<br />
und ihren Stolz auf das Erfahrungswissen zum Ausdruck.<br />
Um dieses Misstrauen, die Kluft zwischen Theorie und Praxis, zu erläutern, bedarf es zunächst<br />
einer Bestimmung von Praxis, was häufig vernachlässigt wird. Zur Definition von „Pädagogik“<br />
gehört wesentlich, dass sie eine Wissenschaft von <strong>der</strong> Praxis für die Praxis sei. Dazu<br />
muss zunächst geklärt werden, was unter Praxis zu verstehen sei. Denn wenn auch Praxis seit<br />
<strong>der</strong> Antike ein wesentliches Thema <strong>der</strong> Philosophie und seit ihrer Aufnahme in den Kanon <strong>der</strong><br />
Wissenschaften auch <strong>der</strong> Pädagogik ist, mit dem sich alle pädagogischen Autoren beschäftigt<br />
haben, so werden doch nur selten Versuche zu einer begrifflichen Klärung von „Praxis“ unternommen<br />
- im Gegensatz etwa zum Theorie-Begriff, <strong>der</strong> immer wie<strong>der</strong> untersucht und diskutiert<br />
worden ist. Ein Grund für diesen Mangel liegt nach Schwemmer (1978, S. 454) „darin,<br />
dass unter <strong>der</strong> Praxis unser Handeln in alltäglichen Lebenszusammenhängen verstanden wird,<br />
die uns so vertraut seien, dass das Handeln in ihnen nicht erst über den Umweg begrifflicher<br />
Bestimmung verständlich gemacht zu werden braucht“. Schon Schleiermacher – einer <strong>der</strong> Urväter<br />
<strong>der</strong> wissenschaftlichen Pädagogik – begann seine Pädagogik-Vorlesung im Jahre 1826<br />
mit den Worten: „Was man im allgemeinen unter Erziehung versteht, ist als bekannt vorauszusetzen“<br />
(Schleiermacher, 1826/1983, S. 7).<br />
Dem steht jedoch <strong>der</strong> oben genannte Vorwurf an die Adresse <strong>der</strong> Pädagogen und Erziehungswissenschaftler<br />
gegenüber, sie wüssten nicht von <strong>der</strong> Praxis. Angesichts <strong>der</strong> offensichtlichen<br />
Missverständnisse zwischen Wissenschaftlern und Praktikern ist es angemessen, die Bestimmung<br />
von „Erziehung“ nicht dem intuitiven Verständnis zu überlassen, son<strong>der</strong>n präzis zu<br />
konzipieren. In seiner Vorlesung von 1813/14 gibt Schleiermacher eine Definition, die verkürzt<br />
wie folgt lautet: „Erziehung ist die Einleitung und Fortführung des Entwicklungsprozesses<br />
des Einzelnen durch äußere Einwirkung ... Einzelner (nicht ganzer Massen) und bis zur<br />
bürgerlichen Selbständigkeit(...)“ (Schleiermacher, 1826/1983, S. 417, Fußnote 1). Dem kann<br />
man sich anschließen.<br />
Erziehung sei die Einwirkung eines Einzelnen auf einen Einzelnen, so hat es Schleiermacher<br />
bestimmt. Darin sind zwei <strong>Elemente</strong> enthalten, die für die Bestimmung von „Praxis“ auch in<br />
an<strong>der</strong>en Kontexten fundamental sind (vgl. Sayler, 1968, S. 129):<br />
Es kann erstens nur von Praxis gesprochen werden, wenn versucht wird, gewisse Ziele zu<br />
erreichen. „Einwirkung“, wie sie Schleiermacher thematisiert, ist ja notwendigerweise<br />
zielgerichtet.<br />
Zum zweiten ist Praxis je und je auf den Einzelfall gerichtet. Wer beispielsweise als Lehrperson<br />
erzieherisch tätig ist, kümmert sich um seine eigenen Schülerinnen und Schüler<br />
und will diese beeinflussen, und an<strong>der</strong>e Kin<strong>der</strong> interessieren allenfalls als Vergleichsmaßstab,<br />
ein diesbezüglicher Einfluss ist aber nicht beabsichtigt.<br />
Diese beiden Bestimmungselemente haben wesentliche Konsequenzen. Ein Beispiel: In <strong>der</strong><br />
Wissenschaft interessieren die Einzelfälle in <strong>der</strong> Regel nicht, vielmehr werden meist Prinzipien<br />
dargestellt und untersucht, die diesen zu Grunde liegen: Es geht nicht um Unterschiede<br />
zwischen Bedingungen, Situationen, Handlungsweisen, son<strong>der</strong>n im Vor<strong>der</strong>grund steht, was<br />
10
einer Klasse von Einzelfällen gemeinsam ist. Die Unterschiede werden als „Lärm“ o<strong>der</strong> Fehlervarianz<br />
interpretiert. Demgegenüber ist die Praxis immer auf die einzelnen konkreten Bedingungen<br />
bezogen, <strong>der</strong>en jeweilige Einzigartigkeit betont wird. Dies ist eine <strong>der</strong> vielen<br />
Quellen für Diskrepanzen zwischen Theorie (o<strong>der</strong> Wissenschaft) und Praxis: Theorie ist<br />
(meist) situationsunabhängig, Praxis ist immer situationsspezifisch.<br />
In Tabelle 1 sind einige <strong>der</strong> wichtigsten Unterschiede zwischen Wissenschaft (Forschung)<br />
und Praxis angegeben. Zunächst ist zu betonen, dass es sich bei <strong>der</strong> Praxis um Handlungen<br />
Forschung<br />
Ziel<br />
Wahre (viable) gesetzesartige<br />
Aussagen<br />
Informationsspeicher Wissenschaftliche Publikationen<br />
Beabsichtigte Verallgemeinerung<br />
Geltungsbereich<br />
Verallgemeinerung über Personen<br />
und Situationen<br />
Selten angegeben; oft wird unbeschränkte<br />
Geltung behauptet, aber<br />
häufig niedrige ökologische Validität<br />
Praxis<br />
Erfolgreiche Handlung<br />
Kognitive Repräsentationen<br />
(subjektive Theorien)<br />
Keine Verallgemeinerung: Konkrete<br />
Handlungen in konkreten<br />
Situationen<br />
Ökologische Validität <strong>der</strong> zugrunde<br />
liegenden subjektiven<br />
Theorien vorausgesetzt<br />
Höchster Wert Zuverlässigkeit, Gültigkeit Verantwortung, Wirksamkeit<br />
Einzelfälle Unterschiede werden in <strong>der</strong> Regel Unterschiedliche Fälle brauchen<br />
als „Fehler“ interpretiert unterschiedliche Behandlung<br />
Abstraktion Ja Die ganze Komplexität <strong>der</strong> Situation<br />
muss durch den Praktiker<br />
berücksichtigt werden<br />
Operationalisation Angeblich valide Operationalisierungen<br />
verwendet<br />
Für gegebene Konstrukte <strong>der</strong><br />
subjektiven Theorien werden<br />
Operationalisierungen fallspezifisch<br />
gesucht.<br />
Für das Handeln<br />
notwendiges Wissen<br />
Metatheoretisches, theoretisches<br />
und methodisches Wissen<br />
Wissen über Mittel und Wirkungen,<br />
Anwendungsbedingungen<br />
und Anwendungsfeld (subjektive<br />
Theorien); pädagogischer Takt<br />
Sprache Wissenschaftlich Alltagssprachlich<br />
Theorienvielfalt Theorienkonkurrenz: Theorien<br />
schließen sich gegenseitig aus.<br />
Mehrere Theorien simultan verwendet<br />
Multiple Bedingungen<br />
Meist nur eine Variablenkonstellation<br />
berücksichtigt, an<strong>der</strong>e ausgeschlossen<br />
Meist spielen viele Faktoren<br />
gleichzeitig eine Rolle; Polytelie<br />
(Zielvielfalt)<br />
Tabelle 1: Einige wichtige Unterschiede zwischen Forschung und Praxis (nach Patry, 1999)<br />
11
geht (vgl. oben). Weil Theorie ein System von Sätzen ist, kann eine Gegenüberstellung nicht<br />
erfolgen: Man kann Sätze nicht mit Handlungen vergleichen. Der Vergleich erfolgt deshalb<br />
zwischen den entsprechenden Tätigkeiten, also Wissenschaft als Tätigkeit (d.h. Forschung)<br />
im Vergleich zu Praxis (Details vgl. Patry, 1999).<br />
Die Beziehungen zwischen Wissenschaft und Praxis (praktischem Handeln) können folgen<strong>der</strong>maßen<br />
konzipiert werden (vgl. Abb. 2):<br />
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler befassen sich mit Metatheorien und Objekttheorien<br />
(Abb. 1).<br />
Praktiker haben subjektive Theorien, die das Handeln bestimmen.<br />
Die wissenschaftlichen Objekttheorien umfassen nomologische (gesetzesartige) und<br />
technologische (handlungsbezogene) Theorien.<br />
Auch bei den subjektiven Theorien gibt es eher nomologisch und eher technologisch orientierte<br />
Theorien. An<strong>der</strong>s als in den Wissenschaften sind diese beiden Theorietypen nicht<br />
immer eindeutig getrennt, vielmehr tendieren Praktikerinnen und Praktiker dazu, sie zu<br />
vermengen. Dabei dominieren die technologisch orientierten Theorien.<br />
Zwischen den objekttheoretischen wissenschaftlichen Theorien und den subjektiven Theorien<br />
kann es eine Verbindung geben, diese ist aber nicht selbstverständlich.<br />
„Hintergrund“ „nomologisch“ „praktisch“<br />
Metatheorie<br />
Objekttheorie<br />
<strong>Wissenschaftstheorie</strong><br />
Wissenschaftler<br />
Hintergrund-<br />
Theorien<br />
nomologische<br />
Theorie<br />
praktische (technologische)<br />
Theorie<br />
Praktiker<br />
Kognition<br />
praktisches<br />
Handeln<br />
subjektive Theorie<br />
Handeln<br />
Abbildung 2: Die verschiedenen Ebenen von Theorien (nach Patry & Gastager, 2011, S. 15)<br />
Nachfolgend werden einige Thesen zum Theorie-Praxis-Verhältnis, die einzelne Aspekte aus<br />
Abbildung 2 aufgreifen, präsentiert und kurz diskutiert (nach Patry, 2000).<br />
These 1: Es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie.<br />
Diese These ist von einer Reihe von Autoren vermutlich unabhängig voneinan<strong>der</strong> wörtlich<br />
gleich formuliert worden und findet sich in mehr o<strong>der</strong> weniger ähnlicher Form in vielen Publikationen.<br />
Diese These erscheint auf Anhieb recht trivial, wenn man von <strong>der</strong> Frage absieht,<br />
was eine gute Theorie ist. Gerade auf die Frage nach <strong>der</strong> guten Theorie, so wichtig sie ist,<br />
möchte ich hier aber nicht weiter eingehen - das wäre ein Beitrag für sich. Son<strong>der</strong>n es geht um<br />
die Frage, was Theorie überhaupt leisten kann.<br />
12
Theorie – ob gut o<strong>der</strong> nicht – als Grundlage von Praxis bedeutet zunächst, dass gewisse allgemeine<br />
o<strong>der</strong> verallgemeinerbare Erkenntnisse verwendet werden. Wir alle haben unsere Erfahrungen,<br />
die wir verallgemeinern; wir nennen dies „subjektive Theorie“ (Gastager et al., 2011).<br />
Wir unterstellen, dass von früheren Erfahrungen in bestimmten Situationen auf spätere Ereignisse<br />
in ähnlichen o<strong>der</strong> unterschiedlichen Situationen geschlossen werden kann. Ohne diese<br />
Unterstellung wären wir handlungsunfähig.<br />
Bei diesen Verallgemeinerungen handelt es sich um einen Induktions-“Schluss“. Wie David<br />
Hume gezeigt hat, ist ein solcher „Schluss“ nicht rational begründbar. Nun wäre aber die Wissenschaftspraxis<br />
verkannt, wenn angenommen würde, Generalisierungen fänden nicht statt;<br />
vielmehr ist es doch das tägliche Brot jedes Forschers, frühere Erkenntnisse auf Situationen<br />
anzuwenden, in denen sie nie geprüft worden sind. Und nicht nur Wissenschafter verwenden<br />
allgemeine Aussagen: Je<strong>der</strong> handelnde Mensch schließt aufgrund seiner Erfahrungen in bestimmten<br />
Situationen auf allgemeine Prinzipien, auf zukünftige (an<strong>der</strong>e) Situationen und darauf,<br />
was er tun muss o<strong>der</strong> kann, um sein Ziel zu erreichen. Folgerichtig kann man mit Quine<br />
(1969, S. 72) sagen: „(T)he Humean predicament (of induction) is a human predicament“.<br />
Gerade diese Notwendigkeit, über verallgemeinerte Erkenntnisse zu verfügen, führt zu einem<br />
<strong>der</strong> Schlüsselprobleme in unserer Disziplin, und zwar wegen <strong>der</strong> sog. Allgemeinheits-Konkretheits-Antinomie<br />
(Herrmann, 1979, nennt sie „Generalisierungs-Konkretions-Dilemma“).<br />
These 2: Bei Theorien gilt die Allgemeinheits-Konkretheits-Antinomie: Je allgemeiner eine Aussage<br />
ist, desto weniger konkret kann sie sein. O<strong>der</strong> je präziser und konkret sie sind, auf<br />
umso weniger Fälle o<strong>der</strong> Situationen trifft sie zu.<br />
Die Allgemeinheits-Konkretheits-Antinomie besagt: Je allgemeiner die Aussagen <strong>der</strong> Theorie<br />
sind, d.h. für je mehr Situationen, Personen, Handlungsbereiche sie gelten, desto weniger präzis<br />
sind die Angaben darüber, was in <strong>der</strong> einzelnen Situation geschieht bzw. zu tun ist. Diese<br />
Antinomie ist m.W. erstmals von Theo Herrmann (1979, S. 231f.) formuliert worden:<br />
„Bei <strong>der</strong> Befolgung von stark spezialisierten beziehungsweise konkretisierten Handlungsregeln<br />
ergeben sich im Erziehungs- und Schulalltag Gefahren wie rigi<strong>der</strong> Verzicht auf<br />
produktive Problemkognitionen und Problemlösungen. Nichtbemerken <strong>der</strong> Situationsunangemessenheit<br />
des regelgeleiteten Handelns o<strong>der</strong> Ratlosigkeit im Falle <strong>der</strong> offensichtlichen<br />
Nichtanwendbarkeit von Regeln. Zum an<strong>der</strong>en sind aber allgemeine, „prinzipienartige“<br />
Regeln als solche oft trivial und stellen den Handelnden vor die schwierige Aufgabe,<br />
ihren Bedeutungsgehalt unter den Randbedingungen <strong>der</strong> jeweiligen edukativen Realsituation<br />
zu konkretisieren beziehungsweise zu 'operationalisieren'. So mag etwa die globale<br />
Regel 'Um glückliche Kin<strong>der</strong> zu haben, entmutige sie nicht' ebenso wahr wie trivial sein;<br />
zugleich fragt es sich aber, was es in einer konkreten Erziehungssituation genau heißen<br />
soll, Kin<strong>der</strong> nicht zu entmutigen. Allgemeine Regeln haben zwar ein größeres Anwendungsfeld,<br />
doch unterliegen sie in beson<strong>der</strong>er Weise dem Konkretisierungsproblem. Was<br />
die Versendung von Handlungsregeln betrifft, befindet sich <strong>der</strong> praktisch Tätige also sozusagen<br />
in einem Generalisierungs-Konkretions-Dilemma.“<br />
13
Auf unsere Thematik übersetzt bedeutet dies, dass es keine Aussagen gibt, die die folgenden<br />
beiden Bedingungen erfüllen:<br />
1. Sie sind allgemeingültig, ihr Geltungsbereich schließt viele o<strong>der</strong> gar alle erzieherischen<br />
Situationen mit ein.<br />
2. Sie geben präzise an, was in einer konkreten Situation getan werden soll, um ein bestimmtes<br />
Ziel zu erreichen.<br />
Es handelt sich allerdings um das Prinzip „je mehr, desto weniger“ (Antinomie), nicht um<br />
eine „entwe<strong>der</strong>-o<strong>der</strong>“ (Dilemma).<br />
Diese Antinomie ist einer <strong>der</strong> wichtigsten Gründe für die Kluft zwischen Theorie und Praxis.<br />
Lehrerinnen und Lehrer erwarten sich von den Wissenschaftlern exakte Hinweise für ihr Handeln,<br />
und zwar gültig für alle Situationen. Das aber kann die Wissenschaft nicht leisten. Sie<br />
kann es grundsätzlich nicht leisten, weil jede Situation einzigartig ist und in unterschiedlichen<br />
Situationen u.U. unterschiedliche Handlungen zielführend sind. Und sie kann es gerade im<br />
Bereich <strong>der</strong> Erziehung nicht leisten, weil die Allgemeinheits-Konkretheits-Antinomie hier beson<strong>der</strong>s<br />
ausgeprägt ist, wie unten noch darzustellen sein wird. Es ist aber möglich, die Antinomie<br />
etwas abzuschwächen, indem man die situativen Bedingungen in die Theorie einbaut<br />
(vgl. Patry, 1991b).<br />
Lehrerbildung zielt zwangsläufig auf allgemeine Aussagen ab: Es gilt ja, die zukünftigen Lehrerinnen<br />
und Lehrer auf die verschiedensten Situationen vorzubereiten, nicht nur auf eine bestimmte<br />
Situation. Die Allgemeinheits-Konkretheits-Antinomie bedeutet deshalb, dass<br />
Lehrerbildung zwangsläufig vom konkreten Unterricht abstrahieren muss, d.h. Aussagen<br />
vermitteln muss, die nicht sehr konkret sind. Dies bedeutet allerdings nicht, dass Lehrer/innenbildner<br />
sich aller konkreten Aussagen entsagen müssen; selbstverständlich sind konkrete<br />
Aussagen im Hinblick auf prototypische Beispiele sinnvoll und erwünscht. Hingegen<br />
muss auch mit allem Nachdruck betont werden, dass es sich nur um Beispiele handelt; wenn<br />
eine konkrete Aussage auf eine bestimmte Situation zutreffen mag, dann heißt das noch lange<br />
nicht automatisch, dass sie auch auf an<strong>der</strong>e, vielleicht sogar ähnliche Situationen zutrifft.<br />
Die Allgemeinheits-Konkretheits-Antinomie gilt grundsätzlich für alle wissenschaftlichen<br />
Disziplinen, aber in unterschiedlichem Ausmaß. Dies wird in <strong>der</strong> nächsten These angesprochen:<br />
These 3: Die Allgemeinheits-Konkretheits-Antinomie lässt sich umso weniger vernachlässigen, je<br />
komplexer die Situationen sind, auf welche die Aussagen sich beziehen.<br />
Betrachten wir zunächst vergleichsweise einfache Situationen. In <strong>der</strong> Physik aber hat man<br />
gute Erfolge damit erzielt, indem man von den störenden Rahmenbedingungen abstrahiert hat.<br />
Beispielsweise lautet das ideale Gasgesetz (p .V = R .T); dabei ist p <strong>der</strong> Druck, V das Volumen,<br />
R die allgemeine (universelle) Gaskonstante und T die absolute Temperatur. Dieses Gesetz<br />
gilt bei niedrigem Druck und hoher Temperatur für alle Gase mit befriedigen<strong>der</strong> Genauigkeit<br />
- aber nicht perfekt.<br />
14
Die Präzision kann gesteigert und <strong>der</strong> Geltungsbereich ausgeweitet werden, indem gas-spezifische<br />
Variablen a und b eingeführt werden; es resultiert dann die Van-<strong>der</strong>-Waalssche Gleichung:<br />
(p + a/V 2 ) .(V - b) = R .T<br />
(vgl. dazu auch Westmeyer, 1982, S. 80f.). Diese Gleichung gilt auch für Normaldruck und<br />
Normaltemperatur. Auch diese Gleichung ist nur eine Annäherung, die aber für die meisten<br />
Zwecke hinreichend ist. Schon in <strong>der</strong> Physik ist es also notwendig, Variablen einzuführen, die<br />
den je spezifischen Bedingungen („Situationen“) Rechnung tragen (in <strong>der</strong> Van-<strong>der</strong>-Waals-<br />
Gleichung: a und b).<br />
Das physikalische „Verhalten“ von Gasmolekülen ist sehr einfach im Vergleich zum Verhalten<br />
und Handeln von Menschen. Gleichungen aufzustellen, die denjenigen <strong>der</strong> Physik vergleichbar<br />
wären, ist unmöglich. Wie können wir erwarten, Aussagen machen zu können, die<br />
allgemein und konkret sind und in die nicht einmal Parameter eingehen, die die gegebenen<br />
Bedingungen thematisieren? Genau dies wird aber von Seiten vieler Praktiker von <strong>der</strong> Wissenschaft,<br />
von Seiten vieler zukünftiger Lehrerinnen und Lehrer von <strong>der</strong> Lehrerbildung gefor<strong>der</strong>t.<br />
Die Konstellation ist für den Bereich <strong>der</strong> sozialen Interaktion im Vergleich zu manchen an<strong>der</strong>en<br />
Bereichen noch weiter akzentuiert, wie die These 4 zeigt:<br />
These 4: Im sozialen Bereich ist <strong>der</strong> Geltungsbereich beson<strong>der</strong>s eng.<br />
Es gibt mittlerweile eine Fülle von empirischen Belegen und auch theoretische Begründungen<br />
(zusammengestellt bei Patry, 1991b), welche mit aller Deutlichkeit zeigen, dass <strong>der</strong> Geltungsbereich<br />
von Aussagen gerade im Hinblick auf das Verhalten und Handeln in sozialen Kontexten<br />
beson<strong>der</strong>s eingeschränkt ist (und Schulunterricht, Pflege etc. sind soziale Kontexte). Es sei<br />
insbeson<strong>der</strong>e an das Ergebnis <strong>der</strong> sozial- und persönlichkeitspsychologischen Forschung erinnert,<br />
dass das Verhalten situationsspezifisch zu sein tendiert (Mischel, 1968; vgl. dazu auch<br />
die Diskussionen bei Krahé, 1992; Patry, 1991a; Patry & Riffert, 2000; u.a.m.). Situationsspezifität<br />
impliziert aber einen geringen Geltungsbereich. Daraus ergibt sich, dass die Allgemeinheits-Konkretheits-Antinomie<br />
im Bereich des Sozialverhaltens beson<strong>der</strong>s ins Gewicht<br />
fällt o<strong>der</strong> beson<strong>der</strong>s schwer zu überwinden ist. Da Unterrichtsverhalten notwendiger weise<br />
Sozialverhalten ist, wirkt sich diese Problematik auch für den Unterricht voll aus.<br />
Man kann auch sagen: Soziales Verhalten ist hochgradig komplex. Anzunehmen, es würde<br />
Prinzipien o<strong>der</strong> Regeln geben, die generell für den soziales Verhalten gelten und ganz konkrete<br />
Handlungsanweisungen geben könnten, ist deshalb unangemessen:<br />
Was macht die Komplexität sozialer Situationen aus? Ich möchte zwei wesentliche Quellen<br />
nennen, nämlich die Polytelie und die Paradigmenvielfalt (These 5). Selbstverständlich sind<br />
dies nicht die einzigen Faktoren, die zur Komplexität beitragen.<br />
These 5:<br />
Zwei wesentliche Quellen für Komplexität sozialer Situationen (aber nicht die einzigen!)<br />
sind (1) Polytelie und (2) Paradigmenvielfalt.<br />
15
Polytelie ist ein erster ganz wesentlicher Grund für die Komplexität des Schulunterrichts o<strong>der</strong><br />
<strong>der</strong> erzieherischen Praxis ganz allgemein und mithin ein Beitrag zur Erschwerung <strong>der</strong> Anwendung<br />
von wissenschaftlichen Ergebnissen in <strong>der</strong> Praxis. Menschen verfolgen immer mehrere<br />
Ziele gleichzeitig; Dörner et al. (1983) nennen dies „Polytelie“, was mit „Vielzieligkeit“<br />
übersetzt werden kann. Lehrerinnen und Lehrer möchten ihren Schülerinnen und Schüler viel<br />
Wissen beibringen, aber auch sie zu sozialer Kompetenz, Selbständigkeit und Toleranz erziehen.<br />
Wir alle streben in unserem sozialen Handeln nach Gerechtigkeit, aber auch nach Nutzen<br />
für uns selber. Wir wollen immer wie<strong>der</strong> unsere eigenen Bedürfnisse befriedigen, gleichzeitig<br />
aber vor unseren Mitmenschen gut dastehen (Schlenker & Weigold, 1992), z.B. nicht als<br />
Egoisten erscheinen, etc. O<strong>der</strong> ganz elementar: Wir wollen immer wie<strong>der</strong> mehrere Bedürfnisse<br />
aufs Mal befriedigen. Dabei werden die Ziele in <strong>der</strong> Regel nicht situationsspezifisch erhoben;<br />
wie Pervin (1983) in an<strong>der</strong>em Kontext dargestellt hat, sind in unterschiedlichen Situationen<br />
unterschiedliche Ziele (bzw. Zielkombinationen) relevant, und dies ist auch für Lehrerinnen<br />
und Lehrer im Unterricht anzunehmen.<br />
Bei <strong>der</strong> Polytelie handelt es sich hier um eine intrapersonale Zielvielfalt: Gleichzeitig (in <strong>der</strong><br />
gleichen Situation) sind verschiedene Ziele handlungsrelevant. Dies ist beispielsweise in den<br />
Erwartungs-Wert-Theorien (Feather, 1982; Krampen, 1986) zur Erklärung von zielorientiertem<br />
Handeln immer wie<strong>der</strong> thematisiert worden. Bei diesen Analysen wie auch bei <strong>der</strong> nachfolgenden<br />
Diskussion, so muss betont werden, handelt es sich immer um Ziele ungefähr gleichen<br />
Abstraktionsgrades.<br />
Manche gleichzeitig angestrebten Ziele sind leicht gleichzeitig zu realisieren. Man kann beispielsweise<br />
gleichzeitig essen und die Zeitung lesen. Lehrerinnen und Lehrer können Wissen<br />
vermitteln, ohne die Erziehung zur Selbständigkeit zu vernachlässigen (etwa durch sog. offenes<br />
o<strong>der</strong> eigenständiges Lernen). Häufiger aber müssen Prioritäten gesetzt werden: Die Ziele<br />
sind nicht kompatibel, son<strong>der</strong>n bilden Antinomien.<br />
In <strong>der</strong> Praxis herrscht somit Zielvielfalt. Betrachtet man aber die Forschung, die sich nicht<br />
unmittelbar mit <strong>der</strong> Zielanalyse befasst (etwa Entscheidungstheorie, Handlungstheorie), ergibt<br />
sich die nächste These:<br />
These 6: In <strong>der</strong> Theorieformulierung wird nicht auf die Zielkonflikte Bezug genommen, denen<br />
Praktiker permanent ausgesetzt sind - es sei denn, diese Konflikte seien explizite Gegenstand<br />
<strong>der</strong> Theoriebildung. Dann aber fehlt die Berücksichtigung an<strong>der</strong>er Theorien.<br />
Die typischen handlungsleitenden Theorien etwa in <strong>der</strong> Didaktik beziehen sich zumeist auf<br />
ein Ziel aufs Mal. Allenfalls findet man Gegensatzpaare; dass aber ganz verschiedene Ziele<br />
gleichzeitig angesprochen würden, findet man in <strong>der</strong> didaktischen Literatur kaum – etwa einerseits<br />
das Ziel <strong>der</strong> Stoffvermittlung, an<strong>der</strong>erseits das Ziel, Disziplin zu halten. Beides sind<br />
relevante Ziele, es kommt aber immer wie<strong>der</strong> vor, dass das eine zugunsten des an<strong>der</strong>en aufgegeben<br />
werden muss, dass ein Lehrer o<strong>der</strong> eine Lehrerin beispielsweise die thematische Diskussion<br />
abbrechen muss, um ein Disziplinproblem zu lösen.<br />
16
Die ungenügende Berücksichtigung <strong>der</strong> Zielvielfalt führt dazu, dass die Komplexität <strong>der</strong> Praxis<br />
in <strong>der</strong> Theoriebildung krass unterschätzt wird. Aus Lehrerkreisen kommt dann das Argument,<br />
das in <strong>der</strong> Einleitung angegeben wurde: Es taugt nicht für die Praxis. Und <strong>der</strong> Einwand<br />
ist sicherlich berechtigt, denn was kann eine Lehrerin o<strong>der</strong> ein Lehrer mit einer Theorie anfangen,<br />
die sich nur auf ein Ziel bezieht?<br />
Für die verschiedenen Ziele stellt die Wissenschaft unterschiedliche Theorien zur Verfügung.<br />
Dies wird in <strong>der</strong> „Paradigmenvielfalt“ angesprochen. Die entsprechende These besagt:<br />
These 7: Auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> Theorien herrscht Konkurrenz <strong>der</strong> Paradigmen, auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong><br />
Praxis muss aber Komplementarität bestehen.<br />
Betrachten wir die beiden angesprochenen Ebenen, die theoretische und die praktische, im<br />
Hinblick auf die Paradigmenvielfalt, um dann auf die Beziehung zwischen Theorie und Praxis<br />
einzugehen.<br />
Entwicklung auf wissenschaftlicher, auf theoretischer Ebene besteht im Wesentlichen darin,<br />
dass eine Konkurrenz zwischen Theorien formuliert wird und dass festzustellen gesucht<br />
wird, welche Theorie die „bessere“ ist. Dies kann die von Kuhn (1962) beschriebene Form<br />
wissenschaftlicher Revolution annehmen o<strong>der</strong> auch - gerade in unserer Disziplin, die als<br />
„vorparadigmatisch“ bezeichnet wird - sehr viel schwächer ausgeprägt sein. In jedem Fall<br />
besteht <strong>der</strong> wissenschaftliche Diskurs in wesentlichen Teilen in <strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />
zwischen theoretischen Positionen. Es geht um Kognitivismus o<strong>der</strong> Behaviorismus, Psychoanalyse<br />
o<strong>der</strong> Verhaltenstherapie, etc.<br />
In <strong>der</strong> Praxis muss man allerdings angesichts <strong>der</strong> Polytelie viele Theorien gleichzeitig<br />
berücksichtigen, also beispielsweise sowohl behavioristische als auch kognitivistische<br />
Konzepte. In unseren Untersuchungen (etwa Gastager, Patry & Schwetz, 2000) haben wir<br />
gezeigt, dass Praktiker in <strong>der</strong> Tat in <strong>der</strong> Lage sind, simultan ganz gegensätzliche Theorien<br />
abzurufen, dass diese aber in getrennten „Schubladen“ abgelegt sind.<br />
Zwischen Theorie und Praxis – o<strong>der</strong> zwischen Forschung und Praxis – gibt es also eine Kluft,<br />
doch wird daran gearbeitet, diese Kluft zu verringern. Es wird jedoch nie gelingen, diese<br />
Kluft völlig zu überwinden. Es wird immer notwendig sein, dass <strong>der</strong> Praktiker selber eine<br />
„Übersetzungsleistung“ erbringt, d.h. die allgemeine, abstrakte Theorie auf den je einzelnen,<br />
spezifischen Anwendungsfall „zuschneidet“. Dies ist eine Verantwortung, die dem Praktiker<br />
nicht abgenommen werden kann. In <strong>der</strong> Literatur findet man dies unter dem Begriff „Pädagogischer<br />
Takt“. Doch darauf kann hier nicht weiter eingegangen werden.<br />
5. Normen: Thesen zur Sein-Sollens-Problematik<br />
Zu den normativen Aspekten („Sollen“) wäre sehr vieles zu sagen. Im Folgenden soll nur die<br />
Sein-Sollens-Problematik in den primär deskriptiv orientierten Sozialwissenschaften angesprochen.<br />
Weitere Aspekte, die wichtig wären, aber auf die hier nicht eingegangen wird, sind<br />
die Begründung von Normen, Normen im Forschungsprozess und die Frage <strong>der</strong> Verantwortung<br />
von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern.<br />
17
Die wichtigsten Prinzipien des Zusammenhangs zwischen Sein und Sollen auf <strong>der</strong> Grundlage<br />
<strong>der</strong> analytischen <strong>Wissenschaftstheorie</strong> können wie folgt formuliert werden:<br />
Zunächst sind die Grundlagen festzulegen:<br />
<strong>der</strong> Unterscheidung zwischen <strong>der</strong> Wissenschaft als Tätigkeit und <strong>der</strong> Wissenschaft als System<br />
von Sätzen (Weingartner, 1971; vgl. Abschnitt 1),<br />
<strong>der</strong> non-naturalistische metaethische Standpunkt (vgl. Zecha, 1984) sowie<br />
die Unterscheidung zwischen Objektebene (Theorienebene) und Metaebene (Aussagen über<br />
Theorien und wie man zu diesen kommt, vgl. Abschnitt 1).<br />
a. Es ist notwendig, in <strong>der</strong> Wissenschaft (als System von Sätzen) zwischen den folgenden<br />
Satztypen zu unterscheiden (in Erweiterung <strong>der</strong> Aussagen aus Abschnitt 1):<br />
deskriptiven Aussagen (z.B.: „x ist <strong>der</strong> Fall.“; „Wenn x, dann, mit <strong>der</strong> Wahrscheinlichkeit<br />
p, y.“)<br />
Normen (präskriptiven Aussagen, z.B.: „x ist gesollt.“; „y ist nicht verboten.“; „Wenn x<br />
gesollt ist, dann ist y gesollt.“)<br />
Werte (Wertaussagen)<br />
Mischsätzen zwischen den verschiedenen Typen (z.B. Brückenprinzipien, d.h. allgemeine<br />
Prinzipien, welche die Beziehung zwischen deskriptiven Aussagen und Normen<br />
regeln, etwa: „Sollen impliziert Können“, d.h. „Wenn x unmöglich ist, darf x nicht gesollt<br />
sein.“).<br />
Aussagen über Normen, die jemand befürwortet („x sagt: y ist gesollt.“), sind deskriptive<br />
Aussagen.<br />
b. Je<strong>der</strong> Aussagetyp hat sein eigenes Bewährungskriterium.<br />
b1. Deskriptive Aussagen werden aufgrund von Beobachtungen (o<strong>der</strong> durch Ableitung<br />
aus gesetzesartigen Aussagen, welche generalisierte Beobachtungen sind) überprüft<br />
(Basisaussagen bzw. Erklärung).<br />
b2. Normen können nur durch Ableitung aus übergeordneten Normen o<strong>der</strong> über einen<br />
diskursiven Ansatz gerechtfertigt werden.<br />
b3. Es ist logisch unmöglich, von einer deskriptiven auf eine präskriptive o<strong>der</strong> wertende<br />
Aussage zu schließen (naturalistischer Fehlschluss).<br />
b4. Es ist ferner unmöglich, aus einer Menge von Aussagen (Prämissen) Normen abzuleiten,<br />
falls in dieser Menge nicht ebenfalls Normen o<strong>der</strong> Mischsätze vom Typ<br />
„Wenn x, dann ist z gesollt“ (z.B. via Brückenprinzipien) vorhanden sind. Insbeson<strong>der</strong>e<br />
kann aus technologischen Aussagen nicht auf Normen geschlossen werden,<br />
wenn keine zusätzliche Norm o<strong>der</strong> ein Brückenprinzip angegeben werden. (Anmerkung:<br />
Dies steht im Gegensatz etwa zu Zecha, 1984, S. 67.)<br />
b5. Dies führt aber zum Münchhausen-Trilemma:<br />
Unendlicher Regress o<strong>der</strong><br />
Zirkelschluss o<strong>der</strong><br />
Willkürlicher Abbruch.<br />
18
Nur <strong>der</strong> letztgenannte Ansatz ist akzeptabel, wenn auch nicht befriedigend. Dementsprechend<br />
ist die Begründung von Normen nach wie vor problematisch – für das<br />
pädagogische Arbeiten ist aber die Begründung von Normen unabdingbar!<br />
c. Eine Sozialwissenschaft als System von Sätzen kann Sätze von allen Typen enthalten. Es<br />
gibt keinen hinreichenden Grund, deskriptive Aussagen o<strong>der</strong> Normen o<strong>der</strong> Mischsätze aus<br />
einer Sozialwissenschaft als System von Sätzen auszuschließen.<br />
d. Empfohlen wird das Schwache Prinzip <strong>der</strong> Werturteils- und Normenfreiheit 2 :<br />
Je<strong>der</strong> Wissenschaftler soll sich bemühen, deutlich zwischen rein deskriptiven Aussagen,<br />
Normen, Werten und Mischsätzen zu unterscheiden (vgl. Zecha, 1984, S. 67).<br />
Dies bedeutet, dass eine Sozialwissenschaft auch eine präskriptive und wertende Wissenschaft<br />
sein kann. Dabei gilt insbeson<strong>der</strong>e:<br />
d1. Normen sind als solche zu charakterisieren und – gegebenenfalls – entsprechend zu<br />
begründen.<br />
d2. Brückenprinzipien sollen explizite gemacht werden.<br />
e. Wissenschaft als Tätigkeit ist (wie jede Tätigkeit) u.a. durch Normen beeinflusst (vgl.<br />
dazu detaillierter Abschnitt f).<br />
f. Wesentliche Normen beziehen sich auf die Verantwortung eines Menschen. Auch Wissenschaftler<br />
haben Verantwortung.<br />
f1. Als Wissenschaftler haben sie die Verantwortung, gute Wissenschaft zu machen.<br />
Dazu gehören die Prinzipien, die unten in Abschnitt 6.3 (unter Einschluss <strong>der</strong> entsprechenden<br />
ethischen Verpflichtungen) diskutiert werden.<br />
f2. Als deskriptive Wissenschaftler können sie keine Normen vorschreiben. Als<br />
präskriptive Wissenschaftler müssen sie Normen begründen. Diese sollten für sie<br />
verbindlich sein, soweit sie davon betroffen sind; wie verbindlich sie auch für an<strong>der</strong>e<br />
Personen sind, müsste weiter analysiert werden.<br />
f3. Sozialwissenschaftler sind meist deskriptiv und präskriptiv bzw. wertend tätig. Im<br />
letzteren Fall müssen sie ihre Normen und Wertungen begründen.<br />
f4. Wissenschaftler sind Bürger und haben die gleichen Rechte und Pflichten (Verantwortung)<br />
wie je<strong>der</strong> Bürger. Dazu gehört auch die Teilnahme am gesellschaftlichen<br />
Entscheidungsprozess für Normen. Als Wissenschaftler verfügen sie dabei über beson<strong>der</strong>e<br />
Qualifikationen, und es ist ihre Verantwortung, diese einzubringen.<br />
6. Schluss<br />
Es sind dies nur ein paar <strong>Elemente</strong>, die <strong>der</strong> Wissenschaft zu Grunde gelegt werden. Diese zu<br />
berücksichtigen ist für wissenschaftliches Arbeiten grundlegend – werden sie nicht berücksichtigt,<br />
müssen die thematisierten objekttheoretischen Aussagen grundsätzlich in Frage gestellt<br />
werden, und auch eine darauf aufbauende Praxis muss als problematisch angesehen<br />
werden.<br />
2 Das starke Prinzip <strong>der</strong> Werturteils- und Normenfreiheit stammt von Brezinka (1978) und besagt, dass in <strong>der</strong><br />
Erziehungswissenschaft keine Werturteile und Normen enthalten.<br />
19
Literatur<br />
Brezing, H. 2000: Welche Bedürfnisse haben Anwen<strong>der</strong>(innen), und wie werden sie in <strong>der</strong><br />
Forschung abgedeckt? Die Bedeutung von Evaluationsstandards und von Effektivitätskriterien<br />
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