Editorial
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ZVertriebsR<br />
Zeitschrift für Vertriebsrecht<br />
Handelsvertreterrecht – Vertragshändlerrecht – Vertriebskartellrecht – Franchiserecht<br />
ZVertriebsR · 4/2013 · 2. Jahrgang · Seite 205–272<br />
Herausgegeben von:<br />
Rechtsanwalt Prof. Dr. Eckhard Flohr, PF & P Rechtsanwälte, Düsseldorf/Kitzbühel;<br />
Univ.-Prof. Dr. Dr. Dr.h.c.mult. Michael Martinek, Universität des Saarlandes;<br />
Rechtsanwalt Prof. Dr. Karsten Metzlaff, Noerr LLP, Berlin;<br />
Rechtsanwalt Prof. Dr. Franz-Jörg Semler, Stuttgart;<br />
Rechtsanwalt Dr. Ulf Wauschkuhn, Baker & McKenzie, München<br />
Schriftleitung:<br />
Univ.-Prof. Dr. Dr. Dr.h.c.mult. Michael Martinek, Universität des Saarlandes;<br />
Dipl.-Jur. Max Rösch, LL.M., Berlin<br />
Herausgeberbeirat:<br />
RA Dr. Wolfgang Bosch, Gleiss Lutz/Frankfurt/Main; Prof. Dr. Annie Bottiau, Universität Lille;<br />
RAin Pamela Church, Baker & McKenzie/New York; RA Prof. Dr. Christian Genzow, Graf von Westphalen/Köln;<br />
Prof. Dr. Wolfgang Hau, Universität Passau; Prof. Dr. Peter Kindler, Universität München; RA Christoph Kocks,<br />
Anwaltssozietät Kocks & Partners/ Brüssel; RA Dr. Michael Kull, Nigon Kull Burkart Partner/Basel;<br />
RAin Dr. Fabienne Kutscher-Puis, LL.M., RWP Rechtsanwälte/Düsseldorf; RA DDr. Alexander Petsche, Baker &<br />
McKenzie – Diwok Hermann Petsche/Wien; RA Prof. Dr. Hanns-Christian Salger, Salger – Rechtsanwälte/Frankfurt;<br />
RA Dr. Benedikt Spiegelfeld, Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati Partnerschaft von Rechtsanwälten/Wien;<br />
RA Dr. Christoph Wildhaber, Streichenberg – Rechtsanwälte/ Zürich<br />
<strong>Editorial</strong><br />
Franchising in Österreich – Ein Schlaglicht auf die Rechtssituation<br />
Dr. Benedikt Spiegelfeld<br />
Die Zeitschrift für Vertriebsrecht<br />
hat eine Lücke in der<br />
juristischen Literatur geschlossen,<br />
weil sie als regelmäßig<br />
erscheinende Publikation<br />
den Praktikern und<br />
auch der Lehre und Forschung<br />
in Deutschland, Österreich<br />
und in der Schweiz<br />
eine bisher fehlende Plattform<br />
bietet und regelmäßig<br />
und laufend über die Entwicklung<br />
des Handelsvertreter-,<br />
Vertragshändler- und<br />
Franchiserechts informiert.<br />
Diese Rechtsbereiche, zusammen als Vertriebsrecht bezeichnet,<br />
werden immer wichtiger, und zwar nicht nur für<br />
uns Juristen sondern auch für die Gerichte, die Verwaltungsbehörden,<br />
den Gesetzgeber, vor allem aber für die<br />
Wirtschaft. Die funktionierende Verteilung von Gütern<br />
und Dienstleistungen ist für jede Volkswirtschaft extrem<br />
wichtig.<br />
Die Herausgeber der Zeitschrift für Vertriebsrecht haben<br />
mich als seit Jahrzehnten im Franchiserecht tätigen Wiener<br />
Rechtsanwalt gebeten, mit diesem <strong>Editorial</strong> ganz generell<br />
über die aktuelle rechtliche Situation von Franchising<br />
in Österreich zu berichten. Ich komme dieser Einladung<br />
sehr gerne nach, weil ich einerseits mit Franchising<br />
tatsächlich seit langem auch emotional verbunden bin,<br />
und es mir andererseits ein großes Anliegen ist, dass diese<br />
Vertriebsform floriert und funktioniert. Sie ist nämlich die<br />
Basis und die Zukunft von vielen selbständigen Existenzen<br />
und möglicherweise die einzige wirksame Antwort<br />
auf die landesweit agierenden Filialisten und die damit<br />
einhergehende Vereinheitlichung des Waren- und Dienstleistungsangebotes.<br />
In Österreich ist Franchising seit Jahren bestens etabliert<br />
und befindet sich auf einem kontinuierlichen Wachstumspfad.<br />
In rechtlicher Hinsicht ist Franchising hingegen, wie<br />
in so vielen anderen Ländern, noch nicht gänzlich aufgearbeitet.<br />
Zahlreiche Fragen sind nicht abschließend geklärt,<br />
viele Themen und Meinungen sind im Fluss und<br />
neue Probleme treten auf. Dieser Befund soll nicht abschrecken,<br />
sondern, ganz im Gegenteil, vermitteln, wie<br />
viel Chancen und Gestaltungsmöglichkeiten im Franchising<br />
nach wie vor gegeben sind.<br />
Die folgenden Themen sollen einen kurzen Statusbericht<br />
der derzeit nach Meinung des Autors wichtigsten juristischen<br />
Fragen in der österreichischen Franchiselandschaft<br />
geben:
206 ZVertriebsR 4/2013 <strong>Editorial</strong> Dr. Benedikt Spiegelfeld<br />
a) Ausgleichsanspruch<br />
Zu diesem Thema hat die österreichische Rechtsprechung<br />
eine Vorreiterrolle übernommen. Schon im Jahr 1991 hat<br />
der österreichische Oberste Gerichtshof in Analogie zum<br />
Handelsvertreter dem Franchisenehmer den Ausgleichsanspruch<br />
laut Handelsvertretergesetz zugestanden. Soweit<br />
ersichtlich, sind dieser Rechtsprechung nur die deutschen<br />
Gerichte gefolgt, während in anderen europäischen Ländern<br />
die Rechtsprechung entweder strikt dagegen ist oder<br />
aber doch auch mit einer Analogie liebäugelt. Die österreichischen<br />
Juristen haben sich mit der Situation anfreunden<br />
müssen, sind aber keineswegs ungeteilter Meinung,<br />
ob diese Spruchpraxis richtig ist und auf alle Arten von<br />
Franchisesystemen, insbesondere unabhängig davon, ob<br />
es sich um Dienstleistungs- oder Vertriebsfranchising<br />
handelt, Anwendung finden soll. Es wird auf weitere Judikatur<br />
und Präzedenzfälle gewartet und auch die Gerichte<br />
werden sich mit dieser Frage wohl wieder beschäftigen<br />
müssen. Ebenso überlegen Lehre und involvierte Rechtsanwälte,<br />
die Kompilation jener Argumente, welche gegen<br />
die analoge Anwendung des Ausgleichsanspruches in<br />
Franchisesystemen spricht.<br />
b) Konsumentenschutz, Existenzgründer,<br />
Schiedsklausel<br />
Das Thema des Existenzgründers beschäftigt ebenso. Nach<br />
österreichischer Rechtsprechung ist ein Existenzgründer bei<br />
Abschluss des Franchisevertrages Konsument, sodass der<br />
Konsumentenschutz auf die gesamte Vertragsdauer bestehen<br />
bleibt, es sei denn, es kommt zu einer nachträglichen<br />
Bestätigung des Vertragsinhaltes zu einem Zeitpunkt, zu<br />
dem der Franchisenehmer nicht mehr Existenzgründer ist.<br />
Die konsumentenschutzrechtlichen Schutzbestimmungen<br />
sind nicht unbedeutend. Beispielsweise ist die Vereinbarung<br />
einer Schiedsklausel mit einem Konsumenten unzulässig.<br />
Man kann sich vorstellen, dass diese Einschränkung sehr<br />
wohl für Franchising mit Existenzgründern Auswirkungen<br />
hat.<br />
c) Gerichtszuständigkeit<br />
Neulich hat sich auch eine Zuständigkeitsproblematik im<br />
Franchising aufgetan. Franchiseverträge enthalten<br />
bekannterweise oft auch das Recht des Franchisenehmers,<br />
die Geschäftsräumlichkeiten des Franchisegebers zu benützen.<br />
Wird der Franchisevertrag aufgelöst und vom<br />
Franchisenehmer die Räumung verlangt, scheinen die<br />
normalen Gerichte ihre Zuständigkeit zu hinterfragen,<br />
weil für Miet- und Pachtstreitigkeiten eine Eigenzuständigkeit<br />
der Bezirksgerichte besteht. Erst das Oberlandesgericht<br />
Wien hat in einer jüngst veröffentlichten Entscheidung<br />
klargestellt, dass Franchiseverträge zwar manchmal<br />
auch teilweise bestandrechtliche Bestimmungen (d.h.<br />
miet- und pachtrechtliche Bestimmungen) enthalten können,<br />
aber die anderen Vertragsklauseln bei weitem überwiegen<br />
und daher eine Eigenzuständigkeit der Bezirksgerichte<br />
nicht gegeben ist.<br />
d) faktische Preisbindung<br />
Schließlich wogt in einigen Franchisesystemen der<br />
Kampf, ob eine (faktische) Preisbindung durch den Franchisegeber<br />
erfolgt. Natürlich sind es nur die unzufriedenen<br />
Franchisenehmer, die sich dieses Argumentes bedienen,<br />
aber das Thema ist durchaus ernst zu nehmen. Der<br />
Preis spielt natürlich eine wichtige Rolle in Franchisesystemen<br />
und besteht manchmal nur ein hauchdünner Grad,<br />
was kartellrechtlich gerade noch als zulässig anzusehen<br />
ist.<br />
Franchising bleibt jedenfalls auch hierzulande spannend<br />
und voller Herausforderungen und ist damit jedenfalls eine<br />
gute Voraussetzung für einen Erfolg der Zeitschrift für<br />
Vertriebsrecht auch in der Zukunft.<br />
RA Dr. Benedikt Spiegelfeld<br />
Senior Partner bei CHSH Cerha Hempel Spiegelfeld<br />
Hlawati, Partnerschaft von Rechtsanwälten, in Wien.