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Flucht und Asyl in europäischen Migrationsregimen - Oapen

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198 Deutschland<br />

Im Gegensatz zu Polen, wo die Lagerunterbr<strong>in</strong>gung auch der akuten Wohnungsnot<br />

geschuldet ist, s<strong>in</strong>d die Lager für Flüchtl<strong>in</strong>ge <strong>in</strong> der BRD Teil e<strong>in</strong>er<br />

migrationspolitischen Strategie, die – wie das genannte Zitat von Lothar Späth<br />

verdeutlicht – vor allem auf Abschreckung zielt (vgl. Fn. 223) <strong>und</strong> den Aufenthalt<br />

möglichst unattraktiv machen soll. Zudem wird durch die Isolation e<strong>in</strong>e Abschiebung<br />

der Abgelehnten erleichtert: Es besteht ke<strong>in</strong>e Gefahr, dass sich Fre<strong>und</strong>Innen<br />

<strong>und</strong> NachbarInnen aus der ‚Mehrheitsgesellschaft‘ solidarisieren <strong>und</strong> versuchen,<br />

Abschiebungen zu verh<strong>in</strong>dern. Auch <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne ist die Ausweitung der Lagerunterbr<strong>in</strong>gung<br />

zu verstehen: Inzwischen ist das System so weit ausdifferenziert,<br />

dass sich Flüchtl<strong>in</strong>ge mitunter von der Aufnahme über das Verfahren bis h<strong>in</strong> zur<br />

Vorbereitung der Ausreise bzw. Abschiebung ausschließlich <strong>in</strong> Lagern bzw. bisweilen<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>zigen Lager aufhalten. Solche „multifunktionalen Großlager“<br />

s<strong>in</strong>d nach Pieper (2008, S. 515) Ausdruck e<strong>in</strong>es Wandels des dezentralen Lagerregimes:<br />

„So kristallisiert sich e<strong>in</strong> enger Lagerkreislauf heraus, <strong>in</strong> dem die Erstaufnahmee<strong>in</strong>richtung,<br />

die Geme<strong>in</strong>schaftsunterkunft <strong>und</strong> die Ausreisee<strong>in</strong>richtung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Lagerkomplex<br />

untergebracht s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> die BewohnerInnen nur noch als Akte die Lagertypen<br />

wechseln.“ (ebd.)<br />

Damit werden Kontakte zur Außenwelt <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Ankommen im ‚normalen Alltag‘<br />

<strong>in</strong> der B<strong>und</strong>esrepublik weitgehend ausgeschlossen.<br />

Neben der Abschreckungs- <strong>und</strong> Des<strong>in</strong>tegrationsfunktion dient die Lagerunterbr<strong>in</strong>gung<br />

auch der Kontrolle der Flüchtl<strong>in</strong>ge, wie dies besonders für die Ausreisezentren<br />

auch als Ziel formuliert wurde. Außerdem ist mit der Lagerunterbr<strong>in</strong>gung<br />

auch e<strong>in</strong>e Legitimierungsfunktion verb<strong>und</strong>en: Hier werden Handlungs<strong>und</strong><br />

Kontrollfähigkeit des Staates angesichts e<strong>in</strong>wanderungspolitischer Herausforderungen<br />

demonstriert. Tobias Pieper arbeitet außerdem heraus, dass die dezentrale<br />

Verteilung der Lager auf die Kommunen nach dem Anwerbestopp auch mit<br />

e<strong>in</strong>em ökonomischen Ziel verb<strong>und</strong>en war bzw. ist:<br />

„Die Politik reagierte auf die Forderungen der Arbeitgeberverbände nach weiteren ‚billigen‘<br />

migrantischen Arbeitskräften mit der dezentralen Verteilung von <strong>Asyl</strong>suchenden<br />

<strong>und</strong> deren Zulassung zum Arbeitsmarkt, abgestimmt nach den sektoralen Anforderungen.“<br />

(Pieper 2008, S. 41)<br />

All diese Funktionen haben e<strong>in</strong>en erheblichen Preis – <strong>und</strong> zwar nicht nur für die<br />

Betroffenen im H<strong>in</strong>blick auf die Demontage gr<strong>und</strong>legender Rechte sowie für die<br />

Gesellschaft, die damit strukturelle Inseln der Exklusion produziert, sondern auch<br />

<strong>in</strong> f<strong>in</strong>anzieller H<strong>in</strong>sicht: Gerade bei der Lagerunterbr<strong>in</strong>gung werden die hohen<br />

Kosten des Sachleistungspr<strong>in</strong>zips besonders plastisch. Die Aufwendungen für<br />

Betrieb <strong>und</strong> Verwaltung der Lager, das Personal, die Zubereitung <strong>und</strong> Ausgabe<br />

der Mahlzeiten sowie nicht zuletzt für die Gew<strong>in</strong>ne der BetreiberInnen etc. s<strong>in</strong>d <strong>in</strong><br />

der Summe r<strong>und</strong> doppelt so hoch wie im Vergleich mit e<strong>in</strong>er dezentralen Unter-

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