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Flucht und Asyl in europäischen Migrationsregimen - Oapen

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34 ‚<strong>Flucht</strong> <strong>und</strong> <strong>Asyl</strong>‘ im Kontext von Migration <strong>und</strong> Migrationspolitik<br />

MigrantInnen <strong>in</strong> den vorgegebenen Kategorien ke<strong>in</strong>e Entsprechung f<strong>in</strong>den, wandeln<br />

sie mitunter ihre ‚Geschichten‘ <strong>in</strong> der erforderlichen Weise um <strong>und</strong> beschaffen<br />

die nötigen Beweise <strong>und</strong> Papiere (vgl. Hess/Tsianos 2004, S. 12). Sie überschreiten<br />

territoriale Grenzen <strong>und</strong> leben <strong>in</strong> den Ländern des Nordens, obwohl sie<br />

nicht erwünscht s<strong>in</strong>d. Dies zeigt sich aktuell <strong>in</strong> der wachsenden Zahl irregulärer<br />

MigrantInnen. Die Migrationspolitik sei nicht <strong>in</strong> der Lage, Migrationsbewegungen<br />

nach Belieben zuzulassen oder zu stoppen, vielmehr versuche sie „h<strong>in</strong>terherh<strong>in</strong>kend“,<br />

auf die Aktivitäten der MigrantInnen zu reagieren (vgl. ebd.). Die irreguläre<br />

Migration sei auch e<strong>in</strong> H<strong>in</strong>weis darauf, dass die Metapher von der ‚Festung Europa‘<br />

nicht zutreffe. Stattdessen seien territoriale Grenzen bzw. Grenzräume durchlässig,<br />

statt Abschottung sei Entrechtung bis h<strong>in</strong> zur Illegalisierung die zentrale<br />

Funktionsweise des Grenzregimes (vgl. ebd.). Mit se<strong>in</strong>er Hilfe würde migrantische<br />

Arbeit von den Orten ihrer Reproduktion, von Ressourcen <strong>und</strong> Rechten getrennt<br />

(vgl. Karakayalı/Tsianos 2005, S. 49). Für die Analyse der Migrationen <strong>und</strong> der<br />

Politiken schlagen die AnhängerInnen der Autonomie-These – wie bereits oben<br />

erwähnt – die Konzeptualisierung der AkteurInnenvielfalt <strong>und</strong> des Verhältnisses<br />

der AkteurInnen zue<strong>in</strong>ander mittels des Regimebegriffs vor. Auf diese Weise würden<br />

MigrantInnen nicht länger als Objekte der Handlungen staatlicher Kontrollagenturen,<br />

sondern als eigenständige AkteurInnen begriffen, denen die staatlichen<br />

Kontrollorgane zwar überlegen seien, das Ergebnis der kontrollpolitischen Interventionen<br />

sei jedoch nicht Immobilität. Gleichzeitig verb<strong>in</strong>den die AutorInnen<br />

mit diesem Perspektivwechsel auch e<strong>in</strong> Verständnis von Migration als soziale Bewegung,<br />

<strong>in</strong>dem sie „den Exodus, die <strong>Flucht</strong>, die Migration als kraftvolle Abstimmung<br />

mit den Füßen <strong>und</strong> als Selbstermächtigungsstrategie für e<strong>in</strong> besseres Leben<br />

<strong>in</strong> den Mittelpunkt der Analyse stellen“ (Hess/Tsianos 2004). Ziel sei demzufolge<br />

die Entwicklung e<strong>in</strong>er „theoretische[n] Figur […], <strong>in</strong>nerhalb derer die soziale Bewegung<br />

der Migration als e<strong>in</strong>e Größe im Kräfteparallelogramm auftauchen kann“<br />

(Karakayalı/Tsianos 2005, S. 50).<br />

Ausgangspunkt dieser Beiträge ist der italienische Operaismus (vgl. Wright<br />

2005). Mit diesem ‚Arbeiterismus‘ (bzw. ‚Arbeiterwissenschaft‘) grenzten sich<br />

radikale L<strong>in</strong>ke <strong>in</strong> Italien <strong>in</strong> den sozialen Kämpfen der 1960er <strong>und</strong> 1970er Jahre<br />

von ihren traditionellen parteipolitischen <strong>und</strong> gewerkschaftlichen Zusammenhängen<br />

ab (vgl. Birkner/Folt<strong>in</strong> 2006). Mit ‚Autonomie‘ wird „die Unabhängigkeit der<br />

Arbeiterklasse sowohl von den Vorgaben der organisierten Arbeiterbewegung wie<br />

auch von den Diktaten des Kapitals“ (Wright 2005, S. 13) umschrieben. Der Begriff<br />

blieb nicht auf den Bereich Arbeit <strong>und</strong> kapitalistische Produktionsweise beschränkt,<br />

sondern wurde weiterentwickelt <strong>und</strong> auf andere Bereiche – wie Migration<br />

– angewendet. Auch <strong>in</strong> Deutschland wurde dieser Ansatz aufgegriffen <strong>und</strong><br />

schon zur Zeit der Migration der ‚GastarbeiterInnen‘ <strong>in</strong> theoretische wie politische<br />

Ause<strong>in</strong>andersetzungen e<strong>in</strong>gespeist (vgl. Birkner/Folt<strong>in</strong> 2006, S. 66f.).<br />

Die jüngste Wiederbelebung der Debatte um e<strong>in</strong>e ‚Autonomie der Migration‘<br />

ist jedoch nicht unwidersprochen geblieben. Innerhalb antirassistischer politischer

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