Präsentation Prof. Dr. Franz Baeriswyl
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Tagungsreihe „Brennpunkt Heterogenität“<br />
Aarau, 3. November 2012<br />
Noten als heimliche Informa1onsträger gemeinsam<br />
klären<br />
Durch Bild ersetzen, Farbe des Balkens frei wählbar<br />
(Grösse und Position beibehalten)
Noten als heimliche Informa1onsträger gemeinsam<br />
klären<br />
<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Franz</strong> <strong>Baeriswyl</strong>, Universität Freiburg/Schweiz<br />
<strong>Franz</strong>.<strong>Baeriswyl</strong>@unifr.ch
Wie viel „Notenbeurteilung“ verlangt der Kanton<br />
Aargau?<br />
Zeugnis mit Ziffernoten am Ende des Schuljahres, ab der zweiten<br />
Primarschulklasse.<br />
Ein Lernbericht pro Schuljahr: In Worte gefasste Gesamtbeurteilung. Ein<br />
Zwischenbericht.<br />
Beurteilungsdossier: Prüfungen, aussagekräNige Arbeiten, mündliche<br />
Leistungen. SuS können Arbeiten in ihr Dossier legen.<br />
Für SuS mit integrierter Heilpädagogik oder Fremdsprachige Noten nur<br />
dann, wenn die Lernziele erreicht werden. Sonst Bericht zu individuelle<br />
gesetzten LZ
Welche BotschaN vermiSelt der Kt. AG?<br />
WichTge InformaTonen zur Förderung eines Kindes können nicht mit<br />
Noten kommuniziert werden.<br />
Notenbeurteilungen beziehen sich auf die Erfüllung des Lehrplans.<br />
Die Beurteilung erfolgt ganzheitlich<br />
hSps://www.ag.ch/de/bks/kindergarten_volksschule/leistungsbeurteilu<br />
ng_uebertriSe/beurteilungsinstrumente/beurteilungsinstrumente.jsp<br />
Besteht ein „gewollter“ Schönheitsfehler? „Die Beurteilung ist<br />
leistungsorienTert und selek)v“. (Nur unter „Beurteilungsinstrumente“) genannt.
Problemstellung<br />
Der Kanton AG signalisiert mit den Verordnungen seine Zweifel an der<br />
KommunikaTonskraN von Ziffernoten.<br />
Wollen Eltern Ziffernoten?<br />
Die Behörden scheinen um die zweifelhaNe KommunikaTonskraN von<br />
Noten zu wissen ‐ werden auch Eltern darüber aufgeklärt?
Was wünschen sich die Eltern bezüglich der Noten?<br />
GerechTgkeit?<br />
Dass ihr Kind gefördert wird?<br />
InformaTon über den Leistungsstand ihres Kindes?<br />
InformaTon über das Entwicklungspotenzial ihres Kindes?<br />
InformaTon über die Stärken und Schwächen ihres Kindes?<br />
InformaTon über das (schulische) Selbstkonzept ihres Kindes?<br />
InformaTon über die Sozialkompetenzen ihres Kindes?
Welche InformaTonen stecken, gewollt oder<br />
ungewollt, in einer Note?<br />
Die Leistungsfähigkeit bezogen auf die Anforderungen des Lehrplans<br />
Der soziale Hintergrund des Kindes<br />
Die Klassenstärke<br />
Die Strenge oder Milde der Lehrperson
Datengrundlage für diese Ergebnisse<br />
Aus einer langjährigen Untersuchung des jeweiligen<br />
ÜbertriSsjahrganges, der 6. Primarklasse, in die OrienTerungsschule.<br />
Insbesondere verTeNe Befragungen der ÜbertriSsjahrgänge 2009 und<br />
2010 in Deutschfreiburg. Vollerhebung. Alle SuS nehmen an einer<br />
lehrplanorienTerten, halbstandardisierten Vergleichsprüfung teil.<br />
WissenschaNliche PublikaTonen (<strong>Baeriswyl</strong>; Trautwein; Wandeler;<br />
Oswald; Biewer)
DeskripTve Angaben zu den Erhebungen 2009 und 2010
Wie viel von welchem „Wer“ wirkt auf die Schulleistung?<br />
! "#$%&'%()"* +,-.* /"-.0".1*<br />
'(%*<br />
23,''"%1*<br />
"4"%"*<br />
5%6&7 &6#,31*<br />
"4"%"*<br />
! "#$%&"#'() *+) ,-.+) *-/0+) 10+)<br />
2%3#45$)6%74#-) *+) 0-8+) 9-0+) 1/-.+)<br />
2%3#45$):34;7-) *+) 0-0+) 9+) 1
Wie ist die Deutsch‐Note zusammengesetzt? Durch diese<br />
Variablen aufgeklärte Varianz der Deutschnote: 65 %
Wie ist die Mathe‐Note zusammengesetzt? Durch diese<br />
Variablen aufgeklärte Varianz der Mathe Note: 57 %
Zwischenfazit zur Note als MiSeilungsform für<br />
schulische Leistungen<br />
Die Varianzanteile variieren je nach den berücksichTgten Merkmalen<br />
Im Grossen und Ganzen sTmmt die Notenbeurteilung mit der<br />
objekTveren Prüfungsleistung gut überein. D<br />
Die Ziffernote enthält diese curriculare InformaTon, aber auch „viel“<br />
andere InformaTon wie:<br />
– Die Milde bzw. Strenge einer Lehrperson<br />
– Die Leistungsstärke einer Klasse<br />
– Der soziale Hintergrund Hintergrund der Person
Die Leistungsstärke einer Klasse spielt eine Rolle: der<br />
„Big fish liSle pond ‐ Effekt“<br />
Aus: Trautwein Ulrich & <strong>Baeriswyl</strong> <strong>Franz</strong> (2007). Wenn leistungsstarke Klassenkameraden ein Nachteil<br />
sind. Referenzgruppeneffekte bei Übertri^sentscheidungen. Zeitschri) für Pädagogische Psychologie, 21<br />
(2), S. 119 – 133.
• Teferes Selbstkonzept<br />
• Tefere Fachnoten<br />
• Tefere kogniTve Einschätzungen<br />
• Teferer Zuweisungsentscheid<br />
• höheres Selbstkonzept<br />
• höhere Fachnoten<br />
• höhere kogniTve Einschätzungen<br />
• höherer Zuweisungsentscheid<br />
Leistungsstarke<br />
Klasse<br />
Leistungsschwächere<br />
Klasse
BFLP‐Effekte beim ÜbertriS in die Sekundarstufe I<br />
Mittlere<br />
Testleistung<br />
(Schulklasse)<br />
-.43<br />
-.71<br />
Einschätzung<br />
der ko gnitiven<br />
Leist.fähigk eit<br />
-.16<br />
.12<br />
Männlich<br />
.16<br />
-.40<br />
Schulnote/<br />
Lernstands-<br />
Beurteilung<br />
.34<br />
Übertritt<br />
.83<br />
Individuelle<br />
Testleistung<br />
.88<br />
.52<br />
Einschätzung<br />
der schulischen<br />
Motivation<br />
.22<br />
ISEI<br />
.04
KonkreTsierung des BFLP‐Effektes<br />
!"#$ %&'()*+,-<br />
./0,1)*+2<br />
0*30403)/..2<br />
%&'()*+,-<br />
./0,1)*+2<br />
5.6,,/*-<br />
3)&78,78*92<br />
CDDEDFGC2 HI2J2GDD2 HE9HK2<br />
L'M/&3)&78-<br />
,78*N2<br />
CDDEGFPD2 HI2J2GDD2 PE2<br />
L)*1/&3)&78-<br />
,78*N2<br />
#192<br />
:78*01192<br />
0*30403)/..2<br />
#192<br />
:78*0112<br />
5.6,,/2<br />
;92 %&R+S>92 %&R+S>2 T0+2<br />
(0,82<br />
GI2<br />
GP2
Zwischenfazit und Problemstellung<br />
Die Lehrperson richtet ihre Benotung, unbewusst, nach der<br />
Klassenstärke aus. Das bewirkt den BFLP‐Effekt. Nützt und schadet er<br />
der individuellen Bildungskarriere?<br />
Wollen und können wir den BFLP‐Effekt verringern oder ihn gar<br />
eliminieren?<br />
Ansatzpunkte zur Verringerung des BFLP‐Effektes sind ...<br />
Vermehrt nach Kompetenzrastern beurteilen und Eltern und Kind über<br />
den Leistungsstand informieren.<br />
Die Lp. Fokussiert die Beurteilung auf den individuellen Fortschri^ und<br />
das Erreichen der Lernziele.
Wie genau kann eine Note die Leistungsfähigkeit<br />
vorhersagen?<br />
Die KorrelaTon zwischen der Zeugnisnote und der Leistung in der<br />
halbstandardisierten „Vergleichsprüfung“ beträgt für die MathemaTk<br />
.75 (n = 1596) (Aufgeklärte Varianz 56 %).<br />
Frage: Welche Leistungen erreichen die SuS mit derselben Zeugnisnote<br />
5.0?
Wie genau ist die Note, z.B. die 5.0?<br />
Beim ÜbertriSsverfahren 09/10 haben 526 (ca. 33%) der SuS in<br />
MathemaTk die Zeugnisnote 5.0 erhalten.<br />
Alle SuS haben dieselbe Vergleichsprüfung in MathemaTk absolviert.<br />
max. Pte. = 50.<br />
MiSelwert der Prüfung = 30 Pte.<br />
Die Streuung der Prüfungsleistung der SuS mit der Note 5.0 liegt<br />
zwischen 12.5 bis 45.0 Prüfungspunkte; Streuung: 32 Pte.
Streuungen der Prüfungsleistung MathemaTk pro<br />
Zeugnisnote
Steuung der Mathe-<br />
Prüfung innerhalb<br />
einer Klasse (Pte.) Anzahl Lp.<br />
4 4<br />
Ca. 15% homogene<br />
5 3<br />
Klassenleistungen<br />
6 6<br />
der „5er“‐ SuS<br />
7 5<br />
8 12<br />
9 11<br />
10 20<br />
11 12<br />
12 13<br />
13 4<br />
14 3<br />
15 3<br />
16<br />
Ca. 16% heterogene<br />
2<br />
17<br />
Klassenleistungen<br />
1<br />
18<br />
der „5er“‐ SuS<br />
2<br />
19 2<br />
20 0<br />
21 0<br />
22 1<br />
Total Lp. 104<br />
Bei 68 Lp oder 65%<br />
aller Lp. streuen die<br />
Math‐Leistungen der „5er“‐<br />
Note zwischen 8 und 12<br />
Prüfungspunkten von 50 Pte.<br />
Das entspricht einer Streuung<br />
von ‐1s bis +1s.
Wie genau kann eine Note die Leistungsfähigkeit<br />
vorhersagen? Ein Fazit<br />
Vorsicht! Die Prüfungsleistung ist das Resultat einer einmaligen<br />
Messung.<br />
Was ist zuverlässiger ‐ die Zeugnisnote oder die Prüfungsleistung?<br />
⇒Die Leistung bei der Vergleichsprüfung der 6. Klasse sagt die<br />
Abschlussnote am Ende des 9. Schuljahres besser voraus als die Note.<br />
<strong>Baeriswyl</strong> <strong>Franz</strong>, Ulrich Trautwein, ChrisTan Wandeler & Oliver Lüdtke (2009). Wie gut prognosTzieren subjekTve<br />
Lehrerempfehlungen und schulische Testleistungen beim ÜbertriS die MathemaTk‐ und Deutschleistung in der<br />
Sekundarstufe I? In ZeitschriN für ErziehungswissenschaN, SonderheN 12 Bildungsentscheidungen, S. 352–372.
Vorhersage der Deutsch, bzw MathemaTknote am<br />
Ende der 9. Klassemit den Noten der 6. Klasse<br />
Klassen ebene<br />
Deut sch<br />
Mat hematik<br />
B SE B SE<br />
Pro gymnasium -0.38 * 0.17 -0.71 *** 0.19<br />
Real sch ule 0.98 *** 0.17 1.18 *** 0.20<br />
Individualebene<br />
Gesch lech t: Junge -0.34 *** 0.07 0.13 0.08<br />
Deut sch e Muttersprach e -0.04 0.13 0.13 0.13<br />
In takte Famili e 0.05 0.10 0.10 0.11<br />
ISEI 0.09 * 0.04 0.04 0.04<br />
Test leist un g Deut sch /Mathem atik 0.37 *** 0.06 0.47 *** 0.06<br />
Not e Deut sch/Mat hematik (Grun dschule) 0.24 *** 0.06 0.22 *** 0.06<br />
Beurt eilun g Kogn itiver Leist un gsfähigkeit 0.14 * 0.06 0.05 0.07<br />
Beurt eilun g Sch ulischer Motivation 0.09 * 0.04 0.08 0.05<br />
Üb ert rittsem pfehlung 0.05 0.06 0.07 0.07<br />
Deviance 1509 1589<br />
An zah l gesch ätzt er Param eter 15 15<br />
Vari an zko mponenten<br />
Sch üler 0.62 0.69<br />
Grun dsch ule 0.00 0.01<br />
Sekun darsch ule 0.09 0.14
Also mehr Vergleichsprüfungen und weniger<br />
Klassenprüfungen und Noten?<br />
Ein Diskussionspunkt
Noten beinhalten, ungewollt, InformaTonen über<br />
den sozialen Hintergrund der SuS
Grundsatz zum sozialen Hintergrund<br />
Soziale GerechTgkeit bei der Beurteilung von Schulleistungen und von<br />
individuellen Fähigkeiten gehört zum Grundrecht in einem<br />
demokraTsch geordneten Staat.<br />
Die Vergabe von Schulungs‐ Bildungs‐ und Berufschancen müssen<br />
unabhängig sein von sozialer HerkunN, sowie von deren Kultur‐ und<br />
Bildungsnähe.<br />
Jede DemokraTe ist bemüht, diese ChancengerechTgkeit herzustellen.
Primäre von sekundären HerkunNseffekten trennen<br />
Primäre HerkunNseffekte (sozioökonomischer Status der Eltern)<br />
erkennt man an objek1v gemessenen Leistungsunterschieden. Die<br />
stammen möglicherweise aus einer weniger intensiven häuslichen<br />
Förderung, unterschiedlich anregendem Milieu usw.<br />
Sekundäre HerkunNseffekte bezeichnen wir hier die<br />
Notenunterschiede bei (objek1v gemessenen) vergleichbar gleich<br />
guten Leistungen.
Primäre sozioökonomische HerkunNseffekte
Primäre von sekundären HerkunNseffekten<br />
unterscheiden<br />
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Fazit<br />
Ziffernoten sind heimliche Informa1onsträger über:<br />
– die Strenge oder Milde der Lehrperson<br />
– die Klassenstärke<br />
– die individuelle Leistungsfähigkeit (eher ungenau)<br />
– den sozialen Hintergrund des Kindes
Wie nehmen die Eltern und die SuS die Beurteilung<br />
durch die Noten wahr?
Welche Beurteilungsform würde den Eltern auch<br />
behagen?<br />
Ich achte mehr auf die Lernfortschritte meines Kindes als auf<br />
seine Noten<br />
80<br />
75.1 %<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
24.9 %<br />
20<br />
10<br />
0<br />
Stimmt nicht / ein wenig<br />
stimmt ziemlich / genau
Woran sind die Eltern bezüglich Beurteilung auch<br />
interessiert?<br />
Die F ortschritte, die mein Kind macht, sind wichtiger als Noten<br />
90<br />
84.9<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
15.2<br />
10<br />
0<br />
Stimmt nicht / ein wenig<br />
stimmt ziemlich / genau
Wir interessiert sind Eltern am Sozial‐ oder<br />
Gruppenvergleich?<br />
Wenn mein Kind eine Prüfung zurückbek ommt, interessiere<br />
ich mich auch für den Klassendurchschnitt<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
55.8 % 54.2 %<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
Stimmt nicht / ein wenig<br />
stimmt ziemlich / genau
DürNen wir den Eltern AlternaTven zu den Noten<br />
anbieten?<br />
Ich fr age mein Kind manchmal, ob es besser oder<br />
schlechter als seine Mitschüler gewesen ist<br />
60<br />
55.5 %<br />
50<br />
43.5 %<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
Stimmt nicht / ein wenig<br />
stimmt ziemlich / genau
Worin bestehen echte Ergänzungen zu den<br />
Ziffernoten?<br />
Kompetenzraster?<br />
Kompetenzprofile?<br />
Kriteriumsorien1erte vs notenorien1erte Elterngespräche?<br />
Was bewegt sich bereits jetzt?<br />
Was ist im Rahmen der reglementarischen Vorgaben möglich?
Besten Dank für die Aufmerksamkeit und Ihre<br />
Mitarbeit!<br />
Kontakte:<br />
<strong>Franz</strong>.baeriswyl@unifr.ch