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(151) Er muss Judas opfern, damit später Judas Jesus<br />
opfern kann. Denn Jesus wird Erlöser nicht als triumphaler<br />
Messias und König der Juden werden, sondern<br />
der, der jetzt geopfert hat, wird Opfer werden. Der<br />
‚Mord‘ an Judas, den Christus jetzt zu vollbringen hat,<br />
öffnet ihm nur eine Spanne für sein Messiaswerk zwischen<br />
zwei Toden. „Er wird dich morden, oder verraten,<br />
auf daß sie dich morden.“ (105) Das heißt, er wird dich<br />
jetzt oder später töten. Und es impliziert: Du musst ihn<br />
jetzt töten und auferwecken, damit er dich später, in deinem<br />
Wirken als Messias, wenn es an der Zeit ist, dem<br />
Tod ausliefern kann.<br />
Der letzte Abschnitt der Legende eröffnet sich erst<br />
gegen Ende von Roths Erzählung, und zwar in einem<br />
Dialog, in dem die Worte Erlöser – Mörder miteinander<br />
verstrickt werden. Die gesamte Vorgeschichte ist notwendig,<br />
damit dieser Dialog stattfinden und das Legenden-Ende<br />
aus sich hervorbringen kann, das der Vater,<br />
eben der erzählende Prediger, stets verweigert hatte.<br />
Der Ausgang der Geschichte tritt hervor als offenbares<br />
Geheimnis. Es wird derart offenbar, dass sein Geheimnischarakter<br />
erhalten bleibt, also symbolisch, und<br />
zugleich so, dass ein innerer aneignender Nachvollzug im<br />
Leser hervorgerufen wird: Drei Jahre oder drei Tage liegt<br />
Finsternis über der Mördergrube „wie später auch am<br />
Kreuz“ (154) – die Zeit zwischen Kreuzestod und Auferstehung.<br />
„Drei Stunden Finsternis für uns, um unsere<br />
Krankheit, unsre Morde, unsern Hunger, unsern Haß zu<br />
säugen, stillen, bergen“. (155) Und zugleich ist das Zeit<br />
für eine Neuschöpfung des Menschen: „[…] nachgeschaf-